Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski SoSe 2014

1/7 Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski SoSe 2014 Examensrepetitorium Handelsrecht Skript Nr. 3 III. Handelsvertreterrecht 37. A betrieb eine Kfz-W...
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Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski

SoSe 2014

Examensrepetitorium Handelsrecht Skript Nr. 3

III. Handelsvertreterrecht 37.

A betrieb eine Kfz-Werkstatt und war zugleich Vertragshändler des Automobilherstellers B. Sieben Jahre nach Abschluss des Agenturvertrages kündigte B ordnungsgemäß das Vertragsverhältnis. A macht einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 50.000 € geltend. Mindestens 40 der neu von ihm geworbenen 120 Kunden hätten nämlich turnusgemäß alle drei Jahre einen neuen Wagen bei ihm bestellt. Das sei auch zukünftig zu erwarten. Die durchschnittliche Jahresprovision hieraus betrage 50.000 bis 60.000 €. B wendet ein, dass ein Ausgleichsanspruch nur für Handelsvertreter bestehe. A habe aber als selbstständiger Unternehmer keine typischen Handelsvertreterpflichten übernommen. Ihm sei weder ein Alleinvertriebsrecht für ein bestimmtes Gebiet übertragen worden. Im Übrigen sei im Kfz-Handel davon auszugehen, dass der Käufer allein wegen der Sogwirkung der Marke beim Hersteller bleibe, nicht aber aufgrund der Überlassung des Kundenstamms. Hat A einen Anspruch auf Ausgleichszahlung? Antwort: (1)

A könnte einen solchen Anspruch aus § 89b HGB haben. Eine Regelung für diesen Anspruch fehlt aber im Vertrag zwischen A und B. Folglich müssen die gesetzlichen Voraussetzungen des § 89b HGB vorliegen, A müsste also HV sein. HV ist nach § 84 HGB nur derjenige, der für einen anderen Unternehmer Geschäfte vermittelt oder in dessen Namen abschließt. Vorliegend ist A aber nicht für B, sondern als selbstständiger Unternehmer aufgetreten und hat im eigenen Namen gehandelt.

(2)

A könnte aber gegen B einen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB analog haben. Dafür müssen nach der neueren Rechtsprechung zwei Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss A aufgrund vertraglicher Vereinbarungen (Rahmenvertrag, Vertragshändlervertrag) so in die Absatzorganisation seines Lieferanten eingegliedert sein, dass er wirtschaftlich in erheblichem Umfang dem Handelsvertreter gleicht. Zum anderen ist erforderlich, dass der Vertragshändler verpflichtet ist, dem Hersteller bei Ausscheiden aus der Absatzorganisation seinen Kundenstamm zu überlassen, so dass sich der Hersteller die Vorteile des Kundenstammes nutzbar machen kann (BGHZ 68, 340, 343; 93, 29, 59; BGH NJW 1983, 2877; NJW-RR 1988, 42). Die früher von der Rechtsprechung geforderte wirtschaftliche Abhängigkeit (BGHZ 29, 83; 34, 282, 287) wird heute zu Recht nicht mehr verlangt. Im vorliegenden Fall war A in den Vertrieb des B eingegliedert. Dafür ist das Alleinvertriebsrecht für ein bestimmtes Gebiet nicht erforderlich. Darüber

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hinaus meldete A nach seinem Händlervertrag jeden Neuverkauf an B mit Hilfe einer Meldekarte. Dadurch wurde B in die Lage versetzt, den Kundenstamm des A sofort nach Beendigung des Vertrages mit ihm weiter für sich nutzbar zu machen. Darin liegt zugleich die Rechtspflicht des A, den Kundenstamm dem B zu überlassen (BGH NJW 1982, 2819; NJW-RR 1988, 42; weitere Nachweise bei Stumpf/Hesse, BB 1987, 1474, 1476). (3)

Fraglich ist aber, ob die turnusmäßigen Neubestellungen auf der Tätigkeit des A (Kausalität) oder aber auf der Sogwirkung der Marke beruhen. Diese Sogwirkung spielt, so der BGH, für den Handelsvertreter keine entscheidende Rolle (BGH NJW 1982, 2819 f.; 1983, 2877 ff.; BGH NJW-RR 1988, 4244). Nach der Lebenserfahrung komme es beim Kauf eines Neuwagens neben der Marke auch auf die Werbung des Vertragshändlers, seine Betreuung und seine Serviceleistungen an. Die Sogwirkung der Marke könne aber bei der Billigkeitsprüfung nach § 89b Abs. 1 Nr. 3 HGB berücksichtigt werden (BGH NJW 1983, 2877, 2879). Das eigentlich maßgebliche Kriterium ist somit die Kontinuität des Kundenstammes beim Hersteller (Karsten Schmidt DB 1979, 2357, 2362).

(4)

Ergebnis: A hat einen Anspruch auf Ausgleichszahlung nach § 89b HGB analog. Die genaue Höhe dieses Anspruchs ist in Ermangelung konkreter Angaben im Sachverhalt nicht präzise zu beziffern. Die Höchstgrenze (Jahresprovision) 60.000 € ist aber nicht überschritten (§ 89b Abs. 2 HGB).

IV. Kaufmännisches Bestätigungsschreiben 38.

Ein Kaufmann muss einem unrichtigen Bestätigungsschreiben über mündliche Vereinbarungen unverzüglich widersprechen, andernfalls gilt das Abweichende als angenommen. Diese "Lehre vom kaufmännischen Bestätigungsschreiben" ist von der Rechtsprechung entwickelt worden (BGHZ 11, 1 ff.). Sie ist heute gewohnheitsrechtlich anerkannt. Welche Voraussetzungen müssen vorliegen, um sich auf diese Lehre berufen zu können? Antwort: (1) beide Parteien müssen Kaufleute sein. (2) Schriftliche Bestätigung eines mündlich geschlossenen Vertrages. Analogie ist möglich, wenn entweder ein Vertragsschluss aus der Sicht des Bestätigenden vorliegt oder Vorverhandlungen eine derartige Nähe zum Vertragsschluss signalisieren, dass ein Kaufmann annehmen darf, dass ihm die andere Seite das unerwartete Nicht-Zustandekommen des Vertrages mitteilen würde. (3) keine wesentliche Abweichung von den mündlichen Vereinbarungen (4) kein rechtzeitiger Widerspruch des Empfängers des Schreibens (5) Schutzwürdigkeit des Absenders (sie besteht nicht, bei bewusst unrichtiger oder entstellender Bestätigung oder wenn sich die Bestätigung soweit vom

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Verhandlungsergebnis entfernt, dass der Bestätigende vernünftigerweise nicht mehr mit dem Einverständnis der anderen Seite rechnen kann (BGHZ 7, 187, 190; 11, 1, 4; 40, 42, 44; 61, 282, 286). 39.

Unternehmen A hat bei Unternehmen B per Telefon 1.000 Pappbecher für eine Betriebsfeier bestellt. B bestätigt den mündlichen Vertragsabschluss per Telefax: "Bestätigen Lieferung von 10.000 Bechern, fix". Bei A geht dieses Bestätigungsschreiben im Geschäftsgang unter. Der Irrtum wird erst bemerkt, als kurz vor der Betriebsfeier statt der 1.000 Becher 10.000 Becher angeliefert werden. B verlangt Zahlung für 10.000 Becher und beruft sich auf das Bestätigungsschreiben. A seinerseits erhebt Anfechtung wegen Irrtums nach § 119 Abs. 1 BGB. Er habe versehentlich nicht gewusst, dass seinem Schweigen auf das Bestätigungsschreiben rechtsgeschäftliche Bedeutung zukomme. Kann B Zahlung in voller Höhe verlangen? Antwort: Ja, der Irrtum über die Bedeutung des Schweigens auf das Bestätigungsschreiben berechtigt A nicht zur Anfechtung. Bei dem Schweigen handele es sich nämlich nicht um eine echte Willenserklärung, sondern um eine "unechte Willenserklärung". Ihre Wirkung trete auch ein, wenn dem Schweigenden der sog. Geschäftswille fehle, wenn er sich also der Wirkung seines Schweigens nicht bewusst sei, so die Argumentation des BGH in NJW 1972, 45. Diese Begründung überzeugt nicht, weil das Schweigen die Wirkung hat, einen bereits geschlossenen Vertrag inhaltlich zu ändern, was nur denkbar ist, wenn das Schweigen selbst als rechtsgeschäftlich wirksame Willenserklärung aufgefasst wird. Die Anfechtung ist aber deshalb ausgeschlossen, weil dem A das Risiko des Anfechtungsverlustes innerhalb seines Organisationsbereichs zugerechnet wird. Im Interesse der Verkehrssicherheit muss sich der Absender eines Bestätigungsschreibens darauf verlassen können, dass der Empfänger von dem Inhalt eines ihm zugegangenen Schreibens auch Kenntnis nimmt. Das heißt, aus der Funktionsweise der Lehre vom kaufmännischen Bestätigungsschreiben selbst folgt der Anfechtungsausschluss (ähnlich BGHZ 20, 149, 152; RGZ 103, 401, 405).

40.

Der Handlungsbevollmächtigte H der Süd-Verlags GmbH sucht für diese eine gebrauchte Offsetdruckmaschine. Er bittet deshalb den Angestellten A, auf ein Angebot des Maschinenhändlers M-GmbH eine für € 27 000,- angebotene Maschine zu besichtigen und zu kaufen, sofern der Preis € 23 000,- nicht übersteigt. A besichtigt die Maschine und erklärt im Gespräch mit M, er halte die Maschine durchaus für geeignet und glaube, die Sache werde wohl in Ordnung gehen. M gibt zu erkennen, dass er beim Preis noch etwas nachlassen werde. Am selben Tage noch schreibt M an die Süd-Verlags GmbH: "Hiermit bestätige ich den Kauf der Offsetdruckmaschine zum Preis von € 24.500,-. Die Lieferung erfolgt in den nächsten Tagen. Es gelten die beigefügten AGB". H ist für einige Tage verreist. A will allein, während der Abwesenheit des H, trotz dieses Schreibens des M nichts entscheiden, aber auch den Geschäftsführer mit der Sache nicht belästigen. Einige Tage später bringt M die Offsetdruckmaschine zur

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Süd-Verlags GmbH. A lässt die Maschine verpackt auf dem Hof stehen, so wie sie M geliefert hat. Nach einer weiteren Woche kommt H zurück. Er teilt dem M sofort mit, er solle die Maschine wieder abholen, sie sei zu teuer und habe außerdem offenkundige Mängel, die nur ganz oberflächlich und wenig fachmännisch beseitigt worden seien. M erklärt daraufhin wahrheitsgemäß, er habe von den Mängeln nichts gewusst, außerdem habe er in seinen AGB jede Haftung für Sachmängel ausgeschlossen. Die M-GmbH verlangt Zahlung des Kaufpreises in Höhe von € 24.500,-. Zu Recht? Antwort: Anspruch M gegen S aus § 433 Abs. 2 BGB. Das setzt einen Kaufvertrag zwischen S und M voraus. I.

Ausdrückliche WE des S?: (-) Denkbar: S vertreten durch A (§ 164 BGB)? - Dann müsste A Vertretungsmacht gehabt haben (§§ 166 Abs. 2, 167 BGB). A könnte nur von H bevollmächtigt worden sein. H seinerseits war Handlungsbevollmächtigter (§ 54 HGB). Er konnte (§ 58 HGB) seine Vollmacht nicht auf A übertragen. Aber er konnte eine auf den Einzelfall gerichtete "Untervollmacht" erteilen, weil der Erwerb der Druckmaschine zu den gewöhnlichen Geschäften einer Druckerei zählt und die Untervollmacht an A entsprechend begrenzt war. Folglich hatte A Vertretungsmacht bis € 23 000,-.

II.

Allerdings müsste A eine WE auf Abschluss des Kaufvertrages abgegeben haben. Das hat er jedoch nicht getan, er wollte erst die Zustimmung des H einholen (die Sache werde wohl in Ordnung gehen). Folglich ist ein Kaufvertrag durch die "Vertretung" seitens des A nicht zustande gekommen.

III. Möglicherweise hat S aber durch Schweigen auf das Bestätigungsschreiben des M eine WE auf Abschluss des Kaufvertrages abgegeben. Schweigen ist nach dem BGB aber keine WE, sondern neutral. Es gilt nicht mehr der Satz: qui tacet consentire videtur (wer schweigt gibt zu). Außer es liegt ein Fall von § 362 HGB vor, was hier zu verneinen ist, weil danach nur Geschäftsbesorgungsverhältnisse (z.B. Kommission) erfasst sind. Hier wollte M aber etwas an S verkaufen, nicht für S etwas verkaufen. Möglicherweise greifen aber die Regeln über die Lehre vom kaufmännischen Bestätigungsschreiben ein. Diese Lehre ist von der Rechtsprechung entwickelt worden. Dogmatisch hat man versucht, sie als Vertrauenshaftung (Flume, Diederichsen) oder als Ausdruck des Grundsatzes von Treu und Glauben (BGHZ 11, 1 ff.) zu deuten. Heute ist die Lehre vom kaufmännischen

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Bestätigungsschreiben über § 346 HGB als handelsrechtliches Gewohnheitsrecht anerkannt. Voraussetzungen: - Beide Parteien Kaufleute (hier +): - Schriftliche Bestätigung eines mündlich geschlossenen Vertrages: das ist hier problematisch, denn ein mündlich geschlossener Vertrag fehlt. Somit ist die Lehre unmittelbar nicht anwendbar. Sie wird aber analog angewendet, wenn Vorverhandlungen eine derartige Nähe zum Vertragsschluss signalisieren, dass ein Kaufmann (M) annehmen darf, dass ihm die andere Seite das unerwartete Nichtzustandekommen des Vertrages mitteilen würde. Hiernach hätte S gegenüber M unverzüglich widersprechen müssen. - Keine wesentliche Abweichung von den mündlichen Vereinbarungen: (+) - Schutzwürdiges Vertrauen seitens des Bestätigenden (M): (+). - kein rechtzeitiger Widerspruch des Empfängers (S) (+) Fazit: Hiernach ist ein Vertrag zwischen M und S zustande gekommen. IV.

Eventuell ist S aber wirksam zurückgetreten (§§ 323, 440 BGB; § 377 HGB). Fraglich ist zunächst, ob überhaupt zurückgetreten werden kann, weil M einen Haftungsausschluss für Sachmängel in den AGB vereinbart hat. Das setzt voraus, dass die AGB zugrunde liegen und wirksam sind. Zwischen Kaufleuten (wie hier) können AGB auch durch kaufmännisches Bestätigungsschreiben einbezogen werden, weil die strengen Einbeziehungsvoraussetzungen des § 310 BGB nicht einzuhalten sind. Fraglich ist, ob der in den AGB enthaltene Gewährleistungsausschluss wirksam ist. Dann dürfte darin „keine wesentliche Abweichung“ von den mündlichen Vereinbarungen liegen. Das ist zu bejahen, da der vollständige Gewährleistungsausschluss bei gebrauchten Kraftfahrzeugen und Maschinen unter Kaufleuten üblich ist (BGH NJW 1966, 1070). Hinzu kommt, dass sogar der Gewährleistungsausschluss bei neuen Sachen zulässig wäre, weil § 309 Nr. 8b.bb BGB auf Kaufleute gerade keine Anwendung findet. Damit sind die AGB Vertragsbestandteil geworden, S kann also nicht zurücktreten. Schließlich hätte der Rücktritt im Rahmen von § 377 HGB erfolgen müssen (beiderseitiges Handelsgeschäft). Die Mängel waren erkennbar. Da S in dieser Situation die Rüge nicht unverzüglich ausgesprochen hat, liegt darin eine Genehmigung i.S.v. § 377 Abs. 2 HGB. Ein Rücktritt ist somit ausgeschlossen. Ergebnis: M kann von S € 24 500,- verlangen.

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L betreibt einen Landhandel mit Agrarerzeugnissen. Am 28. September 2001 rief Z bei L an und kaufte im Namen der Firma K 100 t Weizen. L bestätigte der Firma K den Abschluss des Kaufvertrages mit Schreiben vom 28. Sept. 2001. Nachdem Z den Weizen bei L abgeholt hatte, stellte L der Firma K den Weizen mit insgesamt 22.000 EUR in Rechnung. K verweigerte die Zahlung – der Weizen sei bei ihm nie angekommen. Z hätte außerdem überhaupt keine Vollmacht gehabt. Später stellte sich heraus, dass Z, der tatsächlich keine Vollmacht zum Ankauf von Weizen hatte, den Weizen weiterveräußert und das Geld für sich selbst verbraucht hatte. Er wurde deshalb wegen Betruges in diesem und 33 weiteren Fällen zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. L meint, auf all dies komme es nicht an und verlangt weiterhin von K Zahlung der 22.000 EUR. Zu Recht? Kurzlösung Anspruch des L gegen K auf Zahlung von 22.000 EUR aus § 433 Abs. 2 BGB. Das setzt den Abschluss eines Kaufvertrages zwischen L und K voraus. Ein solcher Kaufvertrag könnte zwischen L und K nur dann zustande gekommen sein, wenn Z die Firma K wirksam vertreten hätte (§ 164 BGB). Z verfügte aber über keine Vollmacht (§§ 166, 167 BGB). Auch Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht bestanden nicht. Z war also vollmachtloser Vertreter. Als solcher verhandelte er mit L über den Weizen. Möglicherweise ist aber der Kaufvertrag zwischen der Firma L und der Firma K durch das Schweigen der Firma K auf das Bestätigungsschreiben der Firma L vom 28.09.2001 zustande gekommen. Nach der Rechtsprechung des BGH kommt nämlich ein Vertrag durch Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben auch dann zustande, wenn für den Empfänger des Schreibens bei den Verhandlungen ein vollmachtloser Vertreter – wie hier Z für die Firma K – aufgetreten ist (std. Rspr. Seit BGHZ 7, 187, 189; BGH WM 1964, 1951; WM 1967, 898; WM 1990, 68). Mit dem Schreiben vom 28.09.2001, das der Firma K unstreitig zugegangen ist, hat die Firma L der Firma K den Kauf von 100 t Weizen bestätigt. Die Firma K ist, ebenso wie die Firma L, Kaufmann im Sinne des § 1 HGB, da sie nach Auskunft aus dem Gewerberegister „Erdbau und Transporte sowie Bau- und Landhandel“ betreibt. Die Firma K hat dem Bestätigungsschreiben der Firma L nicht widersprochen. Zwar hat sie behauptet, dies sofort nach Zugang des Schreibens telefonisch getan zu haben. Den dafür erforderlichen Beweis, der ihr oblag (BGH WM 1962, 46; BGHZ 79, 232, 234) hat sie jedoch nicht angetreten. Der von der Firma K beantragten eidlichen Vernehmung musste das Berufungsgericht nicht nachkommen, da die Voraussetzungen der §§ 447, 448 ZPO nicht erfüllt waren. Zum einen hatte sich die Firma L mit der eidlichen Parteivernehmung nicht einverstanden erklärt. Zum anderen bestand keine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Behauptung der Firma K (vgl. BGH WM 1997, 1045; NJW 1998, 814).

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Dies bedeutet, dass die Firma K der schriftlichen Bestätigung eines Vertrages, der durch einen vollmachtlosen Vertreter scheinbar geschlossen worden war, nicht widersprach. Durch dieses Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben ist der Vertrag über die 100 t Weizen zwischen der Firma L und der Firma K zustande gekommen. Es lag keine wesentliche Abweichung von den mündlichen Vereinbarungen zwischen L und Z vor. Seitens des Bestätigenden (L) bestand auch ein schutzwürdiges Vertrauen. Der Firma K würde es auch nichts nützen, wenn es das Bestätigungsschreiben vom 28.09.2001 wegen Irrtums nach §§ 119 Abs. 1, 121 unverzüglich angefochten hätte. Eine solche Irrtumsanfechtung lässt die Rechtsprechung nicht zu, weil sie dazu führen würde, dass die Lehre vom Kaufmännischen Bestätigungsschreiben letztlich ausgehebelt würde. Im Interesse der Verkehrssicherheit muss sich der Absender eines Bestätigungsschreibens nämlich darauf verlassen können, dass der Empfänger von dem Inhalt eines ihm zugegangen Schreibens auch Kenntnis nimmt. Das heißt aus der Funktionsweise der Lehre vom Kaufmännischen Bestätigungsschreiben folgt der Anfechtungsausschluss (BGHZ 20, 149, 152; RGZ 103, 401, 405). Ergebnis: Der Vertrag zwischen L und K ist zustande gekommen. K, der den Weizen nie gesehen hat, muss die 22.000 EUR für den Weizen bezahlen. Ergänzung: Z hatte einige Tage später, nämlich am 10.10.2001 erneut bei L angerufen und an diesem Tag für K 50 t Triticale bestellt. L bestätigte auch die Bestellung dieser 50 t, und zwar am 15.10.2001. Allerdings richtete L das Schreiben an die Anschrift von Z. Z holte die 50 t bei L ab, veräußerte sie weiter und verbrauchte das Geld für sich selbst. L verlangte Zahlung der 50 t Triticale von K in Höhe von 7.000 EUR. In diesem Falle verneinte der BGH den Abschluss des Kaufvertrages durch die Bestätigung auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben. L hatte nämlich das Bestätigungsschreiben nicht an die Firma, sondern an die Anschrift des Z gerichtet. K hat folglich niemals Kenntnis von diesem Bestätigungsschreiben erlangt. Deshalb konnte ein Kaufvertrag nicht durch Schweigen der Firma K auf das Bestätigungsschreiben der Firma L vom 15.10.2001 zustande kommen. Der BGH ließ dabei dahingestellt, ob das Schreiben überhaupt noch in ausreichendem zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit den Vertragsverhandlungen vom 10.10.2001 stand. Er deutete aber an, dass dieser zeitliche Zusammenhang wohl nicht mehr bestand, da das Schreiben erst fünf Tage später und außerdem nach Auslieferung der Ware, die bereits am 13.10.2001 erfolgt war, abgefasst worden war. _______________________

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