Produktion & Organisation Sommersemester 2010
Vorlesung 06
Dipl.-Wirtsch.-Ing. Thorben Schmidt
Institut für Management
Produktion & Organisation, SS 2010
Gliederung
iTheorie der Dienstleistungsproduktion iUmweltorientierte Produktionstheorie
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Unterscheidung zwischen Sach- und Dienstleistung Sachleistung
Dienstleistung
materiell
immateriell
Externer Faktor Kunde
Nicht notwendig
Notwendig
Lagerfähigkeit
Lagerfähig
Nicht Lagerfähig
Charakter
Aber: zunehmender Informations- und Dienstleistungsanteil auch bei Sachleistungen, Service als „Order Winner“ Æ Unterscheidungen gelten nur tendenziell Quelle: in Anlehnung an Bodendorf (Dienstleistungsbereich, 1999), S. 2.
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Charakterisierung von Dienstleistungen
Anteil der immateriellen Ergebnisbestandteile
hoch
Unternehmensberatung
Datenbankabfrage Standard Software
Individual Software Krankenhausaufenthalt mit OP
Warentransport
Auto reparatur
Personen transport
Einzelfertigung niedrig
Milchkauf niedrig
hoch
Grad der Interaktion mit dem Kunden im Leistungserstellungsprozeß Quelle: Hardt (Dienstleistungen, 1996) S. 11.
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Beispiele für Input-Output-Transformationen Interne Produktionsfaktoren
System
Externer Inputfaktor
Haupttransformation
Gewünschter Output
Herstellung und Zusammenbau von Autos
Qualitativ hochwertige Autos
Automobilwerk
Stahl, Teile, Maschinen, Arbeiter
Krankenhaus
Personal, Medizin, Apparaturen
Patienten
Gesundheitspflege
Gesunde Menschen
Restaurant
Lebensmittel, Koch, Service, Einrichtung
Hungrige Kunden
Essen, Atmosphähe
Zufriedene Kunden
Kaufhaus
Displays, Lager, Verkäufer
Käufer
Anziehen von Kunden, Warenverkauf
Verkauf an zufriedene Kunden
Distributionszentrum
Regale, Gabelstapler
Lagernde Teile
Lagerung und Distribution
Schnelle Lieferung, Verfügbarkeit
Universität
Professoren, Bücher, Räume
Abiturienten
Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten
Gebildete Individuen
Quelle: in Anlehnung an Chase / Aquilano / Jacobs (Operations, 2001), S. 9.
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Dienstleistungserstellung als Input-Output-Modell Interne Faktoren
Externer Faktor Kunde bzw. Kundenobjekt
Betriebsmittel Leistungsbereitschaft menschliche Arbeitsleistung
Faktorkombination Faktorkombination
Leistungserbringung
Werkstoffe Input
Leistungsvereinbarung
Produktionsprozess (Throughput)
Quelle: Bodendorf (Dienstleistungsbereich, 1999), S. 8.
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Output
Besonderheiten der Produktivitätsermittlung Inputseitig
Outputseitig
i Untergeordnete Bedeutung von Werkstoffen und Betriebsmitteln
i Keine Messung in physikalischen Einheiten, da Output immaterieller Natur
i Arbeitsproduktivität als dominierende Größe
i Mögliche Hilfskriterien können z.B. sein: Anzahl von Gerichtsfällen, Restaurantplätzen, Behandlungen etc.
i Inputerfassung in Form der - Zahl der Arbeitsstunden - Zahl der Beschäftigten - Zeitaufwand pro Einheit
i Problem: Berücksichtigung der Qualität (z.B. ggf. sinkender Heilungsgrad bei zunehmender Behandlungszahl pro Arzt) i Output ist auch von entsprechender Nachfrage abhängig (Æ externer Faktor)
Quelle: Corsten (Dienstleistungsmanagement, 1997) S. 151 ff.
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Gliederung
iTheorie der Dienstleistungsproduktion iUmweltorientierte Produktionstheorie
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Herausforderungen durch Umweltschutzaspekte i Umweltschutz gewinnt für Unternehmen immer größere Bedeutung - Gesetze und Richtlinien beschränken den Schadstoffausstoß mengenmäßig und belegen ihn mit wertmäßigen Abgaben - Andere Anspruchsgruppen wie Umweltschützer, Verbraucher, die breite Öffentlichkeit bestrafen umweltschädliches Verhalten mit Ressourcenentzug - Umweltschonende Produktion aus ethischen Gründen (Stichwort „Nachhaltigkeit“)
i Ausgangspunkte
- Die im Rahmen der Produktion verbrauchten Inputgüter sind z.T. natürliche Ressourcen wie Luft, Wasser, Energieträger, die nur im begrenzten Maße verfügbar sind bzw. sich nur eingeschränkt regenerieren - Im Rahmen der Produktion entstehen als Kuppelprodukte der Güter häufig auch Abfall, Schadstoffe, Emissionen etc. - Umgekehrt entstehen durch Entsorgung bzw. Recycling von Abfall, Schadstoffen etc. neue Geschäftsfelder
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Beispiel „Brent Spar“ (1|5) i Frühsommer 1995: Shell U.K. plant, die ausgediente Ölverlade- und Lagereinrichtung Brent Spar in einem 2.375 m tiefen Atlantikgraben versenken. i Greenpeace-Aktivisten protestieren dagegen und besetzen die Bohrinsel mehrmals. Aufgrund der Medienpräsenz vor Ort fand die Aktion rasch breiten Rückhalt, vor allem in Deutschland, Holland und Dänemark. i Prominente und Politiker aller Couleur sprechen sich daraufhin gegen eine Versenkung der Brent Spar aus. Die Nordsee-Schutzkonferenz favorisiert mehrheitlich eine Entsorgung an Land. Öffentlich wird zum Boykott von Shell aufgerufen. Quelle: gekürzt übernommen aus Retzmann (Konfrontation, 1996). Bilder: http://www.greenpeace.de/.
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Beispiel „Brent Spar“ (2|5) i Shell U.K. setzt zunächst auf Konfrontation und versucht die Versenkung machtvoll durchzusetzen. Schließlich hatten die britischen Behörden die Tiefwasserentsorgung in einem aufwendigen Verfahren genehmigt, und die unverzüglich informierten NordseeAnrainer-Staaten seinerzeit keinen Widerspruch erhoben. i Nach einiger Zeit muß Shell seinen Plan angesichts der geschlossenen Koalition von Verbrauchern, Politikern jedoch schließlich aufgeben: Shell verkündet den Verzicht auf die Versenkung - einen Tag vor der von der britischen Regierung geplanten Räumung der Brent Spar durch Eliteeinheiten der Marine.
Quelle: gekürzt übernommen aus Retzmann (Konfrontation, 1996). Bilder: http://www.greenpeace.de/.
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Beispiel „Brent Spar“ (3|5) i Schlagartig klang nun die öffentliche Erregung ab. Die Greenpeace-Aktivisten wurden gefeiert. i Shell veröffentlichte bundesweit eine ganzseitige Anzeige mit dem Titel „Wir werden uns ändern“ und entschuldigte sich kniefällig und reumütig bei der deutschen Öffentlichkeit: Der Fall Brent Spar „hat uns gezeigt, daß die Übereinstimmung mit Gesetzen und internationalen Bestimmungen allein nicht ausreicht. Hinzukommen muß die notwendige Akzeptanz in der Gesellschaft.“
Quelle: gekürzt übernommen aus Retzmann (Konfrontation, 1996). Bilder: http://www.greenpeace.de/.
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Beispiel „Brent Spar“ (4|5) i Shell U.K. hatte seit 1991 über 30 Studien zur Ermittlung der bestmöglichen Entsorgungsalternative in Auftrag gegeben und sich in Großbritannien zudem mit Fischerei- und Umweltorganisationen beraten. i Die Versenkung der Brent Spar hatte sich dabei als die beste praktikable Umweltoption erwiesen. Die auf der Boje befindlichen Reststoffe hätten - so das einhellige Urteil der Experten - geringe lokale Auswirkungen auf die Meeresökologie gehabt. Die Entsorgung an Land berge erhebliche Gefahren für Umwelt und Arbeiter.
Quelle: gekürzt übernommen aus Retzmann (Konfrontation, 1996).
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Beispiel „Brent Spar“ (5|5) i Die von Greenpeace kurz vor Ende des Konflikts behauptete Menge von 5.500 t Ölrückständen an Bord hat sich nach einer unabhängigen Untersuchung durch eine norwegische Gesellschaft als Messfehler erwiesen. Die sehr viel niedrigeren Zahlen Shells waren weitgehend korrekt. Greenpeace hat sich dafür am 5. September 1995 bei Shell entschuldigt, hält seine Aktion allerdings weiterhin für gerechtfertigt, weil es ‚ums Prinzip‘ gegangen sei. i Spekulation ist, ob Öffentlichkeit und Politik in Kenntnis der wahren Sachlage ebenso geschlossen reagiert hätten, wie sie es im Vertrauen auf Greenpeace taten.
Quelle: gekürzt übernommen aus Retzmann (Konfrontation, 1996).
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Neoklassische Theorie der Unternehmung i Unternehmen als Input-Output-Kombination / Produktionsfunktion („Black box“) i Shareholder-Value–Ansatz: Unternehmung ist primär den Eigentümern verpflichtet: „The Social Responsibility of Business Is to Increase Its Profits“ (Milton Friedman, *1912, Nobelpreisträger) i Beziehungen zu Lieferanten und Kunden werden über Faktor- bzw. Produktpreise abgegolten. i Institutionelle Rahmenbedingungen werden weitgehend vernachlässigt.
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Stakeholder-Theorie der Unternehmung i Unternehmung ist von den Ressourcen verschiedener Anspruchsgruppen („Stakeholder“) abhängig, die ihrerseits auch auf die Unternehmung Einfluss nehmen (und dabei ihre eigenen Ziele verfolgen). i Beziehungen zu den Anspruchsgruppen werden nicht allein durch Geld abgegolten, sondern stellen komplexe, soziale Austauschprozesse dar. i Unternehmung ist grundsätzlich auf ein Mindestmaß gesellschaftlicher Akzeptanz angewiesen („Licence to operate“).
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Stakeholder von Unternehmen Stakeholder im weiteren Sinne
Verbraucherschutz Ärzteverbände
Anwohner Lieferanten
Stakeholder im engeren Sinne
Kunden
Gewerkschaften
Wissenschaftler
Eigenkapital- Fremdkapitalgeber geber
Mitarbeiter Bürgerinitiativen
Management Medien
Gemeinden
Bund Länder Öffentlichkeit
Umweltschützer
Parteien
Quelle: in Anlehnung an Freeman (Stakeholder, 1984), S. 86.
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Macht von Stakeholdern i Die Macht von Stakeholdern hängt grundsätzlich davon
- welchen Wert die jeweilige Ressource für die Unternehmung hat - wie leicht sich die jeweilige Ressource substituieren lässt, wenn sie der Stakeholder entzieht
i Beispiel Arbeitsmarkt: Verhandlungsmacht von Arbeitskräften (insb. Qualifizierten und „High Potentials“) ist größer, wenn der Arbeitsmarkt entspannt ist i Insbesondere Stakeholder i.w.S. verfügen über „geliehene Macht“ in Form von Beeinflussungsmöglichkeiten anderer Anspruchsgruppen. i Beispiel „Brent Spar“: Mobilisierung von Medien und Kunden gegen Shell durch Greenpeace.
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Beispiel BMW Sustainable Value Report (1|2)
Quelle: BMW Sustainable Value Report 2003/2004, URL: http://www.bmwgroup.com/sustainability/.
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Beispiel BMW Sustainable Value Report (2|2)
Quelle: BMW Sustainable Value Report 2003/2004, URL: http://www.bmwgroup.com/sustainability/.
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Beispiel Dow Jones Sustainability Index
330
280
230
180
130
80 12/936/9412/946/9512/956/9612/966/9712/976/9812/986/9912/996/0012/006/0112/016/0212/026/0312/036/0412/04
DJSI World (in USD)
MSCI World (in USD)
DJSI = Dow Jones Sustainability Index; MSCI = Morgan Stanley Capital Investment Index Quelle: Dow Jones, URL: http://www.sustainability-index.com/.
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Verallgemeinertes Input-Output-Modell
Betriebsmittel Menschliche Arbeitsleistung Werkstoffe
Erzeugnisse
Faktorkombination Faktorkombination Abprodukte
Redukte
Input
Throughput Produktionsprozess Reduktionsprozess
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Output
Berücksichtigung von Umweltaspekten Klassische Perspektive
Ergänzungen der Umweltperspektive
Inputgüter
Güter (Faktoren)
Übel (Redukte), z.B. Abfall
Inputpreis
Positiver Marktpreis
Negativer Schattenpreis, z.B. Subvention für Schrottverwertung
Inputziel
Minimierung des Inputgüterbrauchs
Maximierung des Übelverbrauchs
Outputgüter
Güter (Produkte)
Übel (Abprodukte)
Outputziel
Maximierung des Outputgüterausstoßes
Minimierung des Übelausstoßes
Outputpreis
Positiver Marktpreis
Negativer Schattenpreis, z.B. Abgaben auf Schadstoffausstoß, Mengenbegrenzung oder Steuer auf das Outputgut
Quelle: aufbauend auf Dyckhoff (Produktion, 1994).
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CO2-Emissionen ausgewählter Länder Land
Insgesamt (in Anteil an Pro Kopf (in Tonnen CO2 Tonnen) pro Mio. $ BIP Mio. Tonnen) Weltemission
USA
5800
21,8%
24
661
China
4768
17,9%
5
896
Russland
1528
5,8%
15
1629
Japan
1215
4,6%
11
394
Indien
1102
4,1%
2
560
Deutschland
848
3,2%
12
467
Kanada
550
2,1%
24
825
Vereinigtes Königreich
527
2,0%
11
386
Italien
462
1,7%
10
390
Frankreich
387
1,5%
9
346
Mexiko
373
1,4%
5
556
Südafrika
343
1,3%
11
1079
Brasilien
323
1,2%
5
710
Quelle: Financial Times Deutschland 07.06.2007, dort aufbauend auf IEA und WWF.
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Herausforderungen für das Management (1|2) i Bewertung von Stoffen als Neutrum oder Übel kann intersubjektiv und intertemporal unterschiedlich sein. i Langfristige Gewinnwirkungen umweltbelastender Produktion sind in den Schattenpreisen z.T. nur unzureichend reflektiert. i Lokale vs. globale Perspektive
- Lokal: Anpassung an die jeweils lokal geltenden, unterschiedlichen Umweltstandards (z.B. Industrie- vs. Entwicklungsländer) - Global: Entsprechend der Corporate Identity einheitliche Handhabung von Umweltfragen
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Herausforderungen für das Management (2|2) i Reaktives vs. proaktives Management von Umweltfragen
- Reaktiv: Passive Anpassung an geltende Mindeststandards - Proaktiv: Aktive Partizipation bei der Festlegung und Durchsetzung von Standards
i Einzelunternehmen vs. Wertschöpfungskette
- Bleiben Standards auf das eigene Unternehmen beschränkt oder gelten sie auch für das Netz von Zulieferern?
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Literatur i Pflichtliteratur
- Dyckhoff, Harald (Produktion, 1994): Betriebliche Produktion: Theoretische Grundlagen einer umweltorientierten Produktionswirtschaft, 2. Auflage, Berlin et al.: Springer, S. 1-20.
i Weiterführende Literatur
- Lubbers, Eveline (Brent Spar Syndrom, 1998): Das Brent Spar Syndrom, Heise.de, URL: http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/2488/1.html. - Retzmann, Thomas (Konfrontation, 1996): „Konfrontation oder Diskurs? Politische und ökonomische Lehren aus dem Fall Brent Spar“, Schriften zur Didaktik der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Nr. 62, Universität Bielefeld: Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, URL: http://www.wiwi.uni-bielefeld.de/~weinbren/schriften/62_BrentSpar.PDF.
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