PRESSEMAPPE. Kunstpreis der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Daniela Kneip Velescu Michaelskirche Darmstadt

PRESSEMAPPE Kunstpreis der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau Daniela Kneip Velescu – Michaelskirche Darmstadt Georg Lutz – Martinskirche Dar...
Author: Ingrid Salzmann
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PRESSEMAPPE

Kunstpreis der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau

Daniela Kneip Velescu – Michaelskirche Darmstadt Georg Lutz – Martinskirche Darmstadt Lisa Weber – Stadtkirche Darmstadt

Eröffnung am 30. April 2017 Ausstellungsdauer vom 1. Mai bis 23. Juni 2017

Veranstalter:

Förderer:

Inhaltsverzeichnis

Pressemitteilung EKHN 26-17

Seite 3-4

Künstlerblatt Daniela Kneip Velescu

Seite 5-6

Künstlerblatt Georg Lutz

Seite 7-8

Künstlerblatt Lisa Weber

Seite 9-10

Künstlerstatements

Seite 11

Statement des Schirmherrn Kirchenpräsident Dr. Dr. h.c. Volker Jung

Seite 12

Informationen kunstinitiative2017

Seite 13-14

Alle Pressebilder und –Informationen stehen Ihnen online zum Download bereit: http://www.ekhn-kunstinitiative.de/presse.html

Evangelische Kirche in Hessen und Nassau Öffentlichkeitsarbeit

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Pressemitteilung 26 / 2017

Mit Wachsresten, Unschärfen und Steckdosen Hessen-Nassaus „kunstinitiative2017“ ab 30. April in Darmstadt Darmstadt, 21. April 2017. Mit einem Festgottesdienst werden am kommenden Sonntag (30. April) um 10 Uhr in der Darmstädter Martinskirche die Ausstellungen der drei Gewinner des ersten Kunstpreises der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) eröffnet. Die prämierten Projekte der „kunstinitiave2017“ sind dann in Darmstadt in der Martinskirche (Heinheimer Straße), in der Michaelskirche (Liebfrauenstraße) sowie in der Stadtkirche (An der Stadtkirche) zu sehen. Anlässlich des 500. Jahrestags der Reformation hatte die hessen-nassauische Kirche erstmals einen Kunstpreis ausgelobt. Mehr als 20 junge Künstlerinnen und Künstler wurden Anfang 2016 zu dem Wettbewerb eingeladen, um sich in ihren Entwürfen mit dem Kirchenraum und dem für die Reformation zentralen Thema „Gnade“ zu beschäftigen. Dabei setzten sich vor einer unabhängigen Jury Daniela Kneip Velescu (Frankfurt), Georg Lutz (Stuttgart) und Lisa Weber (Mainz) durch. Nun dürfen sie ihre Entwürfe in drei Darmstädter Kirchen umsetzen. Der Kunstpreis ist ein Förderpreis, der mit 45.000 Euro dotiert ist. Er dient den ausgezeichneten Künstlerinnen und Künstlern zur Realisierung ihrer Projekte. Neue Erfahrungen Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung, der im Eröffnungsgottesdienst predigt, erhofft sich davon „neue Erfahrungsräume“ in der Kirche. Es gehe darum, sich mit der Wahrnehmung der gesellschaftlichen und kirchlichen Situation durch Künstlerinnen und Künstler auseinanderzusetzen. „Schauen und Nachdenken“ sei gefragt. Der erste Kunstpreis dient nach Worten Jung zudem dazu, im 500. Jahr der Reformation junge Künstlerinnen und Künstler auf die evangelische Kirche deutlicher aufmerksam zu machen. Der Protestantismus habe dazu beigetragen, Kunst zuerst von der kultischen und dann auch von der kirchlichen Inanspruchnahme zu befreien. Dann habe sie endgültig den Weg in die weltliche Kultur gefunden und sei dadurch auch offen für neue Aufgaben geworden. Jetzt gehe es aber darum, die Auseinandersetzung der Kunst mit religiösen und kirchlichen Themen wieder zu stärken, so Jung. Spirituelle Steckdosen Für die Michaelskirche arbeite Daniela Kneip Velescu im Innen- und Außenbereich mit textilen Materialien, die mit Piktogrammen von Steckdosen bedruckt sind. Die Künstlerin bezieht zum einen mit ihren Motiven den Außenraum der Kirche mit ein und fertigt zum anderen neue Sitzbezüge für die Kirchenbänke mit dem Steckdosenmotiv an. Die Künstlerin stellt in ihrer Arbeit „Power Point“ Gnade in humorvoller Weise als spirituelle Energie dar, die Menschen verbindet. Reste von Kerzenwachs Der Stuttgarter Künstler Georg Lutz bestückt die Martinskirche in seiner Installation „5 Tons of Prayer“ mit Wachsresten von Andachtskerzen aus Kirchenräumen. Er verknüpft die Themen Gnade und Beten auf verblüffende Weise. Der offene Charakter des Kunstwerks wird dadurch verstärkt, dass Besuchende die Kerzenstummel an einem eigens dafür gefertigten Tisch wieder neu entzünden können. Malerische Unschärfen Die Stadtkirche als dritter Ort des Projektes präsentiert die Videoinstallation „With a Fading Glance“ von Lisa Weber. Ihre künstlerische Arbeit bezieht sich auf Ingeborg Bachmanns Erzählung „Ihr glücklichen Augen“ aus dem Jahr 1972 und nähert sich dem Thema „Gnade“ über die Frage, wie Menschen sich und andere sehen – _____________________________________________________________________________________________________  Paulusplatz 1 * 64285 Darmstadt * 06151 / 405-504 * 06151 / 405-441 * [email protected] _____________________________________________________________________________________________________

und was sie nicht sehen. Durch malerische Unschärfe, Überblendungen und Überbelichtung der Videobilder ergeben sich kraftvoll verstörende Bildsequenzen, die unser eigenes Sehen herausfordern. Ausstellung und Programm bis Juni Die Kunstwerke sind bis einschließlich 23. Juni 2017 in den Kirchen zu besichtigen. Das Programm umfasst neben der Ausstellung auch Künstlergespräche, Vorträge, musikalische Veranstaltungen und besondere Gottesdienste. Zudem wird ein Katalog erscheinen, in dem alle eingereichten Wettbewerbsbeiträge dokumentiert sind. Die Initiative konnte mit Unterstützung der Evangelischen Akademie Frankfurt und der EKHN-Stiftung realisiert werden. Die Projektleitung der „kunstitiative2017“ liegt bei Dr. Markus Zink, Referent Kunst und Kirche im Zentrum Verkündigung der EKHN und Christian Kaufmann, Evangelische Akademie Frankfurt. Öffnungszeiten der Ausstellungen (bis 23. Juni) Daniela Kneip Velescu Michaelskirche Liebfrauenstraße 10, Darmstadt Dienstag-Samstag 14-18 Uhr Sonntag 11-12 Uhr Im Juni nur am 1., 8., 15. und 22. geöffnet! Georg Lutz Martinskirche Heinheimer Straße 43, Darmstadt Dienstag-Samstag 15-19 Uhr Sonntag 11-12 Uhr Im Juni nur am 1., 8., 15. und 22. geöffnet! Lisa Weber Stadtkirche An der Stadtkirche 1, Darmstadt Dienstag-Freitag 9-16 Uhr Samstag 9-12 Uhr Sonntag 11-12 Uhr Mehr Informationen und Programm auch im Internet unter: www.ekhn-kunstinitiative.de

Hinweise für Redaktionen Pressefotos Druckfähige Fotos finden sich direkt unter diesem Link zum Download: http://www.ekhn-kunstinitiative.de/presse.html Pressegespräch am 30. April, 13.30 Uhr Ein kompaktes Pressegespräch für Journalistinnen und Journalisten zur Kunstaktion findet statt: Sonntag, 30. April, 13.30 Uhr, Stadtkirche Darmstadt, An der Stadtkirche 1, 64283 Darmstadt Als Gesprächspartner stehen Ihnen unter anderem zur Verfügung: • Dr. Dr. h.c. Volker Jung, Kirchenpräsident der EKHN • Christian Kaufmann, Studienleiter der Evangelischen Akademie Frankfurt • Dr. Markus Zink, Kunstbeauftragter der EKHN • Die Preisträger Pressekontakt zur „kunstinitiative 2017“: Jutta Winkler, Zentrum Verkündigung der EKHN, Telefon: 069 / 71379142. E-Mail: [email protected] Yvonne Boy, Projektassistenz „kunstinitiative“, EKHN – Zentrum Verkündigung, Telefon: 069 / 71379103 Darmstadt, 21. April 2017

Verantwortlich: Pfarrer Volker Rahn, Pressesprecher

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Daniela Kneip Velescu „Power Point“

Das Motiv eines Alltagsgegenstandes steht im Zentrum dieser Arbeit. Daniela Kneip Velescu bereichert die Michaelskirche mit dem Bild von Steckdosen. Bei Nacht leuchten die Piktogramme aus den Fenstern im Vorbau der Kirche. Im Inneren findet sich der Hauptteil der Arbeit. Die Künstlerin hat neue Sitzbezüge für die Kirchenbänke anfertigen lassen. Jeder Sitzplatz wird von einem Steckdosenpiktogramm markiert. Mit der Farbwahl reagiert die Künstlerin unter anderem auf die Farbigkeit der Glasfenster. Sie intensiviert bereits im Raum vorhandene energetische Licht-Ströme. Die Künstlerin erklärt: „Das ist Kunst zum Anfassen, keine Deko! Ich wollte etwas machen, das erst auf den zweiten Blick erkennbar ist. In der Kirche haben mich die Bänke angesprochen, haptisch und mit einer direkten Nähe zu den Menschen. Jede und jeder kommt mit unterschiedlichen Empfindungen, man will auftanken und teilt auch miteinander Erfahrungen und Energie.“ Das Thema Gnade wird in die Frage nach geistiger Energie transformiert (auch dies ein Begriff, der mit dem Strom aus der Steckdose zu tun hat). Für Daniela Kneip Velescu heißt das: „In meiner künstlerischen Umsetzung dreht sich Gnade um das Potential von Bewegung, das sichtbar wird in Handeln und Austausch“. Man müsse sich aber auch deutlich machen, dass ein Idealzustand nicht erreichbar sei, denn „jedem verzeihen wollen, da scheitert man.“ Daher will die Künstlerin in erster Linie Fragen auslösen und zum Austausch anregen: „Was gibt Energie? Was verbindet mich mit den Menschen. Wie kann ich mich an Gott anstecken? Was gebe ich weiter? Ich würde mich freuen, wenn die Besucherinnen und Besucher miteinander ins Gespräch kommen.“ Doch wenn der Gottesdienst beginnt und sich alle hinsetzen, darf das Werk auch in den Hintergrund treten. Das Piktogramm der Steckdose verkündet einem Smiley ähnlich die Botschaft von der Kirche als religiösem Kraftort. Hier kann eine freundliche und energiereiche Beziehung zwischen Gott und Menschen gefunden werden. Zur Künstlerin Daniela Kneip Velescu, geb. 1982 in Bukarest / Rumänien. Lebt und arbeitet in Frankfurt am Main. 2005-2011 Studium der Freien Kunst an der Städelschule, Frankfurt, bei Prof. Michael Krebber und Prof. Willem de Rooij (Meisterschülerin). Auszeichnungen, u.a.: 2013 Artist in Residence in Budapest (Kulturamt Frankfurt am Main), 2012 Anerkennungspreis der Vordemberge Gildewart Stiftung sowie 2011 Reisestipendium Rumänien der Studienstiftung des Deutschen Volkes. Weitere Information: www.KneipVelescu.de

Interview kunstinitiative: Woran arbeitest du gerade? Daniela Kneip Velescu: Einerseits natürlich an der Umsetzung meines Projektvorschlags – bisher existiert diese Installation ja nur in meiner Vorstellung. Durch mein Konzept konfrontiere ich mich jetzt mit neuen Materialien und dazugehörigen Herstellungsprozessen, die mir noch nicht vertraut sind. Außerdem arbeite ich auch an einem anderen Projekt – eine Installation in der Schaufenster-Galerie TheTip. In Bezug auf Raum und Kontext ein kompletter Gegensatz. Gleichzeitig gibt es in der unterschiedlichen Herangehensweise und Betrachtung einige Verknüpfungen – wie z. B. der verstärkte Einsatz von Farbe - welche erst mit der Realisierung des Kirchenprojekts spürbar werden. kunstinitiative: Was hat dich am Thema Gnade interessiert? Daniela Kneip Velescu: Das Thema „Gnade“ und der daran geknüpfte Kontext eines evangelischen Kirchenraums riefen bei mir inhaltlich viele Fragen auf. Das Thema hat seine Sperrigkeit bewiesen beim Versuch mich dazu in Beziehung zu setzen und eine Haltung einzunehmen. Es war oder besser ist ein ständiger Prozess und braucht Gedankenaustausch. Und genau dieses Unabgeschlossene und Ungreifbare daran interessiert mich. Zu versuchen den Begriff der Gnade in Worte zu fassen ist ein komplexes Unterfangen und meines Erachtens eher (er)spürbar als erklärbar – in meiner künstlerischen Umsetzung dreht sich Gnade um das Potential von Bewegung, das sichtbar wird in Handeln und Austausch. kunstinitiative: Ist das deine erste künstlerische Arbeit für einen Kirchenraum? Was erhoffst/wünschst du dir von einer Installation im Kirchenraum und was interessiert dich an der Kirche, die du ausgesucht hast? Daniela Kneip Velescu: Ja, das ist meine erste künstlerische Arbeit für einen Kirchenraum. Bei der Begehung der drei Kirchen war mir schnell klar, dass ich keine raumfüllende Arbeit realisieren möchte, sondern mich vielmehr auf einen subtilen Eingriff konzentrieren werde, der die Aufmerksamkeit nicht aus jeder Richtung auf sich lenkt. Mir ist es wichtig eine Wirkung zu erzielen, ohne zu stark in die gegebene Architektur oder Akustik einzugreifen und dafür ein haptisches Moment zu ermöglichen. Ich erhoffe mir eine Erweiterung der Arbeit durch die Einbeziehung des/der Besuchers/in mit erwünschtem unbekannten Ausgang/Reaktionen, also eine Form der Kommunikation. Trotz oder gerade aufgrund der Zurücknahme meiner Arbeit hat sie einen sehr demokratischen oder gerechten Ansatz – jede/r Sitzende wird von ihr profitieren. Auch wenn sie ihm/ihr vielleicht geschmacklich nicht zusagt. Ort: Michaelskirche, Liebfrauenstraße 10, 64289 Darmstadt Öffnungszeiten: Mai: Di–Sa: 14–18 Uhr, So: Gottesdienst und 1 Stunde danach (10–12 Uhr) Juni: Do: 1.6. / 8.6. / 15.6. / 22.6. jeweils 14–18 Uhr

Georg Lutz „5 Tons of Prayer”

Im Kirchenschiff der Martinskirche ragt ein Fremdkörper auf: ein großer Haufen aus Wachs- und Paraffinresten. Georg Lutz hat fünftausend Kilogramm abgebrannter Kerzen aus Kirchen vor dem Recycling zurückerworben und für das Projekt zusammengetragen. Es handelt sich um Gebetskerzen, die einmal von Menschen entzündet wurden – für ein Dankgebet, eine Fürbitte oder einfach in Gedanken an einen anderen Menschen. Der Künstler erläutert selbst dazu: „Gebetskerzen enthalten etwas Sakrales, jede Kerze trägt einen Wunsch. Die Verwandlung von etwas Profanen in einen Gegenstand mit einer ganz besonderen Bedeutung finde ich sehr spannend. Die Kerzen werden als Gebets- oder Opferkerzen zu Trägern einer Idee und erhalten eine neue Wichtigkeit, obwohl sie nicht anders als normale Hauskerzen sind.” So bildet jeder Wachstummel eine Brücke in eine transzendente, göttliche Sphäre hinein. Beim Abbrennen wurden die Kerzen verformt, zum Teil aufgelöst und in eigentümlich individuelle Gestalt(en) überführt. Die Arbeit von Georg Lutz lässt sich zu den Werken der Arte Povera rechnen. Das Kennzeichen dieser Kunstrichtung sind ‚arme‘ Materialien, Naturobjekte oder vorgefundene Gegenstände. In der Masse werfen die Dinge die Frage nach dem Verhältnis zwischen Teil und Ganzem auf, nach dem Individuum, nach kosmischen Zusammenhängen und nach Vergänglichkeit. Das Wettbewerbsthema „Gnade“ wird auf vielen Ebenen berührt. Denn als diese Kerzen entzündet wurden, haben Menschen auf Hilfe gehofft oder für eine erwiesene Gnade gedankt. Wieviele haben vergebens gewartet? Gebet und Fürbitte setzen den Glauben an einen gnädigen Gott voraus, stellen ihn aber auch in Frage. Oder ist Verbundenheit an sich schon Gnade? Georg Lutz erklärt den Zusammenhang so: „Gnade ist für mich ein Synonym für Empathie. Das wird auch durch das Neuentzünden der Kerzen verdeutlicht, als Geste der Verbundenheit mit dem ersten Kerzenanzünder und seiner Bitte.” Es darf eingegriffen werden. Der vom Künstler eigens dafür angefertigte Metalltisch lädt dazu ein, sich Kerzenstummel vom Haufen zu nehmen und hier als Licht wieder aufzustellen. Durch das herabtropfende Wachs entsteht ein neues offenes Kunstwerk: „Jeder kann mitmachen, auch ohne religiösen Background.” Zum Künstler Georg Lutz, geb. 1987 in Stuttgart. 2007-2015 Studium der Freien Kunst an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart bei Prof. Alexander Roob (Diplom). 2015-2016 Postgraduales Studium im Weißenhof-Programm der Bildenden Kunst (Meisterschüler). Auszeichnungen, u.a.: 2015 Weit.Sicht. Zukunftsstrategien für eine nachhaltige Entwicklung, Jugendinitiative der Nachhaltigkeitsstrategie BadenWürttemberg sowie Shortlist Kahnweiler-Preis für Skulptur. Weitere Information: www.georglutz.com

Interview kunstinitiative: Woran arbeitest du gerade? Georg Lutz: Die für Darmstadt entstehende Arbeit ist Teil einer Werkgruppe mit dem Titel „Eden Research“. Diese bearbeitet ethisch-philosophische Grundfragen in der Struktur von Religion und Glaube. Für die einzelnen Arbeiten versuche ich jeweils die konzeptionell angemessenste Form zu finden. In den meisten Fällen entstehen hierbei Fotografien, Objekte und Installationen. Häufig vervollständigt der Rezipient die jeweilige Arbeit erst durch seinen individuellen gesellschaftlichen und kulturellen Hintergrund. Dies hat zur Folge, dass sich je nach Betrachter eine unter Umständen gänzlich unterschiedliche Arbeit manifestiert. kunstinitiative: Ist das deine erste künstlerische Arbeit für einen Kirchenraum? Was hat dich am Thema Gnade interessiert? Was erhoffst/wünschst du dir von einer Installation im Kirchenraum? Georg Lutz: Das Thema Gnade, ein als Grundpfeiler fungierender Begriff des Glaubens, lässt sich sehr passend in mein momentanes Beschäftigungsfeld integrieren. Im Zuge der Kunstinitiative ist es mir zum ersten Mal möglich meine künstlerische Arbeit direkt in eine Kirche zu implantieren und somit ein Spannungsverhältnis zwischen sakralem Raum und künstlerischem Werk, welches sakrale Aura bearbeitet, herzustellen.

Ort: Martinskirche, Heinheimer Str. 43, 64289 Darmstadt Öffnungszeiten: Mai: Di–Sa: 14–18 Uhr, So: Gottesdienst und 1 Stunde danach (10–12 Uhr) Juni: Do: 1.6. / 8.6. / 15.6. / 22.6. jeweils 14–18 Uhr

Lisa Weber „With a Fading Glance“

Das Projekt beruht auf einer Erzählung von Ingeborg Bachmann (Ihr glücklichen Augen, 1972). Die Videokünstlerin Lisa Weber, die auch die Hauptrolle im Film spielt, erläutert den Inhalt aus ihrer eigenen Sicht: Die Protagonistin Miranda hat eine Sehstörung, die sie aber als „Geschenk des Himmels empfindet, weil sie das Hässliche in der Welt nicht sehen muss. Dieser Zwiespalt, die Einschränkung, die die Protagonistin hindert am Leben teilzuhaben und die sie gleichzeitig als Gnade empfindet, hat mich fasziniert. In jeder Sequenz werden Dinge ausgeblendet, die verschwommen sind, wir schauen also aus dem Blickwinkel der Protagonistin auf das Geschehen – und es gibt kurze scharfe Schrecksekunden, Sekunden des Erkennens.“ Lisa Weber möchte mit ihrem rund zwanzigminütigen Film einen „Erfahrungsraum“ schaffen. Im Vordergrund stehen für sie „der Prozess des Sehens und Wahrnehmens und die Frage nach dem täuschungsfreien Sehen.“ Dabei stellt sich die Frage, ob es ein Sehen ohne Täuschung überhaupt gibt. „Gnade hat mit Vertrauen zu tun“, meint Lisa Weber, aber es sei „immer auch ein zweifelhafter und zwiespältiger Begriff, gerade zwischenmenschlich, wie das Geschenk des Himmels meiner Protagonistin.“ Mit ihrer Sehschwäche kann Miranda nämlich aus der Realität entfliehen und sich in eine eigene, ganz auf ihren Partner hin ausgerichtete Welt zurückziehen. Der Erfahrung von Gnade als einer bedingungslosen Liebe aber weicht sie damit aus. Die Verweigerung, die äußere Wirklichkeit klar sehen zu wollen, führt in der Erzählung schließlich zur Tragödie. Miranda verliert buchstäblich den Halt. Der Geschichte fügt die Künstlerin surreal anmutende Szenen hinzu. So tauchen Situationen auf, die Trägheit, Völlerei, Eifersucht oder Habgier thematisieren. Häufig begegnet eine Gestalt im Eselskostüm. Sie verweist sinnbildhaft auf das Körperliche und das Triebhafte des Menschen. Eine Figur, die zum Kern der Erzählung von Ingeborg Bachmann führen mag: die Liebe. Ist sie bedingungslos oder triebhaft? Wird sie erkannt oder nicht? Beim Filmen hat die Künstlerin den Autofocus der Kameralinse unterdrückt und die Bilder einem zusätzlichen Lichteinfall ausgesetzt. Daraus ergeben sich kraftvoll verstörende Bild-sequenzen, die zumeist von einer malerischen Unschärfe, Überblendungen und Überbelichtung geprägt sind und unser eigenes Sehen herausfordern. Zur Künstlerin Lisa Weber, geb. 1985 in Einöd. 2004-2011 Studium an der Kunsthochschule Mainz, 2009-2010 MFA Student of Fine Arts Program, California State University Chico, 2012-2013 Gaststudentin von Mischa Kuball, Kunsthochschule für Medien Köln, 2011-2013 Meisterschülerin von Prof. Dieter Kiessling, Kunsthochschule Mainz. Auszeichnungen, u.a.: Balmoral Stipendium für Seoul, Südkorea, Hopper Award, Preis der Darmstädter Kunsthalle. Weitere Information: www.lisaweber.net

Interview kunstinitiative: Woran arbeitest du gerade? Lisa Weber: Gegenwärtig arbeite ich an der Realisation der Darmstädter Arbeit, einer Videoinstallation für die Stadtkirche, die sich inhaltlich mit einer Erzählung von Ingeborg Bachmann auseinandersetzt. Daneben bereite ich aber auch zwei Beiträge zu einer Gruppenausstellung im Januar in Berlin vor sowie eine Einzelausstellung nächstes Jahr im Oktober in Venedig. kunstinitiative: Ist das deine erste künstlerische Arbeit für einen Kirchenraum? Was hat dich am Thema Gnade interessiert? Was erhoffst/wünschst du dir von einer Installation im Kirchenraum? Lisa Weber: Das Thema Gnade hat für mich etwas mit zwischenmenschlichen Beziehungen zu tun. Von Anfang an war klar, dass die Arbeit sich künstlerisch mit dem Stoff von Bachmann beschäftigen sollte. Dort - wie in meiner gesamten Arbeit geht es ja stark um das Sehen, um Schärfen und Unschärfen, um das Erkennen, um Nähe und Distanz, alles Phänomene, die sich auch auf den Begriff der Gnade beziehen lassen. Für mich ist das die zweite Arbeit für einen Kirchenraum. Die Arbeit soll einen installativen Charakter erhalten, d.h. die Besucher auch räumlich involvieren und hineinziehen.

Ort: Stadtkirche, Kirchstraße 11, 64283 Darmstadt Öffnungszeiten: Di–Fr: 9–16 Uhr, Sa: 9–12 Uhr, So: Gottesdienst und 1 Stunde danach (10–12 Uhr)

Aussagen der Künstler*innen Daniela Kneip Velescu Das ist Kunst zum Anfassen, keine Deko. Ich wollte etwas machen, das erst auf den zweiten Blick erkennbar ist. In der Kirche haben mich die Bänke angesprochen, haptisch und mit einer direkten Nähe zu den Menschen. Jede und jeder kommt mit unterschiedlichen Empfindungen, man will auftanken und teilt auch miteinander Erfahrungen und Energie. Gnade als Idealzustand ist nicht erreichbar, jedem verzeihen wollen, da scheitert man. Ich will Fragen auslösen, zum Austausch anregen. Was gibt Energie? Was verbindet mich mit den Menschen. Wie kann ich mich an Gott anstecken? Was gebe ich weiter? Ich würde mich freuen, wenn die Besucherinnen und Besucher miteinander ins Gespräch kommen und wenn der Gottesdienst beginnt und sich alle setzen, tritt mein Werk in den Hintergrund.

Georg Lutz Die Verwandlung von etwas Profanen in einen Gegenstand mit einer ganz besonderen Bedeutung finde ich sehr spannend. Die Kerzen werden als Gebets- oder Opferkerzen zu Trägern einer Idee und erhalten eine neue Wichtigkeit, obwohl sie nicht anders als normale Hauskerzen sind. Gebetskerzen enthalten etwas Sakrales, jede Kerze trägt einen Wunsch In der Auseinandersetzung mit dem Kirchenraum wurde immer deutlicher, dass es eine Monumentalskulptur werden soll, die durch ihre Masse beeindruckt. Gnade ist für mich ein Synonym für Empathie. Das wird auch durch das Neuentzünden der Kerzen verdeutlicht, als Geste der Verbundenheit mit dem ersten Kerzenanzünder und seiner Bitte. Jeder kann mitmachen, auch ohne religiösen Background.

Lisa Weber Das Projekt beruht auf der Grundlage eines literarischen Textes von Ingrid Bachmann. Ich spiele selbst die Protagonistin: Eine Frau, die eine Sehstörung hat und dies als Geschenk des Himmels empfindet, weil sie das Hässliche in der Welt nicht sehen muss. Dieser Zwiespalt, die Einschränkung, die die Protagonistin hindert am Leben teilzuhaben und die sie gleichzeitig als Gnade empfindet, hat mich fasziniert. In jeder Sequenz werden Dinge ausgeblendet, die verschwommen sind, wir schauen also aus dem Blickwinkel der Protagonistin auf das Geschehen – und es gibt kurze scharfe Schrecksekunden, Sekunden des Erkennens. Meine Intention ist es, die Erwartung der Besuchenden zu brechen. Ich schaffe einen Erfahrungsraum und bin gespannt auf die Wirkung. Im Vordergrund stehen der Prozess des Sehens und Wahrnehmens und die Frage nach dem täuschungsfreien Sehen. Gibt es das überhaupt? Gnade hat mit Vertrauen zu tun. Aber es ist immer auch ein zweifelhafter und zwiespältiger Begriff, gerade zwischenmenschlich, wie das Geschenk des Himmels meiner Protagonistin.

Aussagen des Schirmherrn Kirchenpräsident Dr. Dr. h.c. Volker Jung Die kunstinitiative2017 bietet nach Ansicht des hessen-nassauischen Kirchenpräsidenten, Dr. Dr. h.c. Volker Jung, eine „willkommene Chance, ästhetische Erfahrung mit Gesprächen über den Glauben zu verbinden.“ Als Schirmherr des Projektes vertritt Volker Jung die Meinung: Kunst und Kirche seien „geistesverwandt“, weil beide die Frage nach dem Sinn stellen. Vielleicht liege auch „in dem Wunsch, Vorfindliches zu überschreiten, ein Berührungspunkt von moderner Kunst und aufgeklärter Religion.“ Miteinander tragen Kunst und Kirche aus seiner Sicht dazu bei, „die Gesellschaft menschlicher zu machen.“ Dabei tun die Unterschiede durchaus gut. Volker Jung: „Kunst und Kirche sind sich manchmal aber auch fremd. Doch wenn sie lernen, das Fremde aneinander zu schätzen, können sie sich ergänzen und gegenseitig stärken.“ Das Projekt solle deshalb „zu einem aktiven Dialog von Kunst und Kirche beitragen“. Ein Förderpreis, durch den neue Werke realisiert werden, erschien als geeignetes Mittel, um „insbesondere junge Künstlerinnen und Künstler auf die evangelische Kirche aufmerksam zu machen.“ Weil die Kirche ein Teil dieser Gesellschaft sei, wolle sich „die evangelische Kirche mit dem Bild auseinandersetzen, dass Künstlerinnen und Künstler von unserer Gesellschaft haben.“ In den Vorbereitungen auf das 500. Jubiläumsjahr der Reformation sei dafür das Thema „Gnade“ besonders in den Blick geraten.

kunstinitiative2017 Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) vergibt 2017, dem 500. Jahrestag der Reformation, erstmals einen Kunstpreis. Der Preis „kunstinitiative“ will den Dialog zwischen evangelischer Kirche und bildender Kunst unterstützen. Die Förderung richtet sich insbesondere an junge Kunstschaffende, die mit dem Preisgeld die Möglichkeit erhalten, ein eigenes Projekt in einem Kirchenraum zu verwirklichen. Mehr als 20 Künstlerinnen und Künstler wurden Anfang 2016 zu einem Wettbewerb eingeladen, um sich in ihren Entwürfen mit dem Kirchenraum und dem Thema „Gnade“ auseinanderzusetzen. Die teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler haben bereits einschlägige Erfahrungen mit künstlerischen Installationen im öffentlichen Raum im In- und Ausland und gelten aus der Sicht eines eigens für den Preis geschaffenen Kuratoriums als junge Experten und Expertinnen ihres Fachs. Mitte Juli 2016 wurde aus den Entwürfen von einer unabhängigen Jury drei Gewinner ausgewählt. Die Preisträgerinnen und der Preisträger haben bis Ende April 2017 Zeit ihren Entwurf auszuarbeiten. Die Ergebnisse werden vom 30. April bis zum 23. Juni 2017 in drei evangelischen Kirchen in Darmstadt zu sehen sein: Daniela Kneip Velescu – Michaelskirche Darmstadt Für die Michaelskirche wird Daniela Kneip Velescu im Innen- und Außenbereich mit textilen Materialien arbeiten. Die 1982 in Rumänien geborene Künstlerin, die in Frankfurt lebt und arbeitet, wird Gnade in humorvoller Weise als spirituelle Energie darstellen, die Menschen verbindet. Georg Lutz – Martinskirche Darmstadt Der Stuttgarter Künstler Georg Lutz (geb. 1987) wird die Martinskirche mit einer Installation aus Wachs von verbrauchten Opferkerzen bestücken, die auf verblüffende Weise das Thema Gnade mit Beten verknüpft. Lisa Weber – Stadtkirche Darmstadt Die Stadtkirche als dritter Ort des Projektes wird eine Videoinstallation von Lisa Weber präsentieren. Die 1985 geborene Künstlerin lehrt an der Kunsthochschule Mainz. Ihr Kurzfilmprojekt nähert sich dem Thema über die Frage, wie Menschen sich und andere sehen – und was sie nicht sehen. Die Eröffnung findet am 30. April 2017 um 10 Uhr mit einem Festgottesdienst in der Martinskirche mit Kirchenpräsident Dr. Dr. hc Volker Jung statt. Auf einem anschließenden Rundgang können die Arbeiten der beiden anderen Künstler besichtigt werden. Insgesamt stehen für die Initiative 95.000 Euro bereit. Die Projektleitung liegt bei Dr. Markus Zink, Referent Kunst und Kirche im Zentrum Verkündigung und Christian Kaufmann, Evangelische Akademie Frankfurt.

Weitere Information Im Kuratorium, das die Kunstschaffenden vorgeschlagen hat, sind vertreten: • • • • • •

Eva Claudia Scholtz, Geschäftsführerin Hessische Kulturstiftung, Kassel Prof. Bernd Kracke, Präsident Hochschule für Gestaltung, Offenbach a.M. Prof. Philippe Pirotte, Rektor Städelschule, Frankfurt a.M. Prof. Ottmar Hörl, Präsident der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg Prof. Anne Berning, Kunsthochschule Mainz Petra von Olschowski, Rektorin Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart (bis 2016).

Kontakte Website: www.ekhn-kunstinitiative.de Email-Adresse: [email protected] Dr. Markus Zink Referent für Kunst und Kirche der EKHN – Projektleitung "kunstinitiative" [email protected] Christian Kaufmann Studienleiter Ev. Akademie Frankfurt – Projektleitung "kunstinitiative" [email protected] Pressekontakt: Jutta Winkler Geschäftsführung und Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit im Zentrum Verkündigung der EKHN Telefon: 069 71379 142 [email protected] Yvonne Boy Projektassistenz "kunstinitiative" / EKHN – Zentrum Verkündigung Telefon: 069 71379 103

Fotonachweise: © kunstinitiative, Bernd Thiele / S.5, rechts: © kunstinitiative, Daniela Kneip Velescu

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