Predigt zu Lukas 11,5-13

Rogate 21.05.2017 9.30 Uhr St. Lukas, ähnlich NV

Jesus sprach zu ihnen: Wenn jemand unter euch einen Freund hat und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: Lieber Freund, leih mir drei Brote; 6 denn mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann, 7 und der drinnen würde antworten und sprechen: Mach mir keine Unruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben. 8 Ich sage euch: Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, dann wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, soviel er bedarf. 9 Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. 10 Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan. 11 Wo ist unter euch ein Vater, der seinem Sohn, wenn der ihn um einen Fisch bittet, eine Schlange für den Fisch biete? 12 Oder der ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion dafür biete? 13 Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben geben könnt, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten! Lukas 11,5-13

Liebe Gemeinde, was ist für Sie Freundschaft? Wer ist für Sie ein wahrer Freund oder eine wahre Freundin? Ich möchten Ihnen ein paar nicht immer ganz ernst gemeinte Antworten von Prominenten und weniger Prominenten aus dem Internet anbieten: Die Freunde, die man um vier Uhr morgens anrufen kann, die zählen. Marlene Dietrich Wirklich gute Freunde sind Menschen, die uns ganz genau kennen, und trotzdem zu uns halten. Marie von Ebner-Eschenbach

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Echte Freunde zeigen sich, wenn du in einen Skandal verwickelt bist. Elizabeth Taylor Freunde sind Gottes Entschuldigung für Verwandte. George Bernard Shaw Freundschaft ist wenn man nichts sagen muss, doch ganz genau verstanden wird. Freundschaft ist, wenn man nicht extra aufräumt, wenn der Andere zu Besuch kommt.

Sicher ist noch viel mehr dazu zu sagen. Freunde sind Menschen, mit denen man nicht nur reden, sondern auch schweigen kann. Wahre Freunde erkennt man besonders gut, wenn einem Schlimmes zustößt: sie fangen nicht an, dir aus dem Weg zu gehen, sondern sie bleiben oder rufen dich an, sie hören zu, sie ertragen mit dir den Schmerz, sie nehmen dich in den Arm und halten dich fest, wenn du weinst. Freunde zeigen dir, wo es trotz allem was zu lachen gibt, sie leben mit dir und holen dich immer wieder wenigstens für Augenblicke zurück in Normalität. Freunde sind selbstverständlich einfach da. Wie in der folgenden Geschichte: Er – nennen wir ihn Klaus - wollte gerade ins Bett, da klingelt es an der Tür. Er öffnete: vor ihm stand übernächtigt und erschöpft ein Freund, den er lange nicht gesehen hatte. „Entschuldige den Überfall“, sagte er müde. „Ich habe hier in der Nähe eine Panne gehabt, Kühler kaputt, vor morgen hilft mir keiner – kann ich die Nacht bei Dir bleiben?“ „Klar!“ sagte Klaus und überlegte fieberhaft: Er war selber gerade von einer Geschäftsreise zurückgekommen und hatte fast nichts zu essen im Haus, der Wein war auch alle, alle Geschäfte zu - wo kriegte er bloß auf die Schnelle jetzt was her? „Toll, dich zu sehen“, sagte er, „komm rein und mach Dir’s gemütlich! Ich muss nur eben nach nebenan, komme sofort wieder…“

Auf der Straße schaute er auf die Uhr – was, schon nach Mitternacht? Beim befreundeten Nachbarn nebenan waren alle Lichter schon aus, die Familie schon im Bett. Klingeln? Das würde die Kinder aufwecken. Also klopfen. Einmal. Zweimal. Dreimal und lauter und lauter – bis endlich die Tür aufging und sein Freund brummig und verschlafen fragte: Du? Weißt Du, wie spät das ist? Schon peinlich. Aber was hilft’s? Klaus erklärte, was los war, und mürrisch brummend öffnet der Freund die Tür. Er packt Brot, Käse und Wein und noch ein paar Kleinigkeiten zusammen, mehr als genug, und gute Sachen! Danke! Sagte Klaus und: Sorry nochmal! Jetzt schlaf gut – gute Nacht!

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Lange noch saß er mit seinem unverhofften Besuch zusammen und genoss, was sein Freund ihnen geschenkt hatte. Liebe Gemeinde, vielleicht haben Sie die Geschichte erkannt. Eigentlich steht sie ja in der Bibel, genau vor dem Satz eben aus der Lesung: Bittet, so wird euch gegeben, suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgetan…. Von Jesus erzählt, hört sie sich so an: Wenn jemand unter euch einen Freund hat und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: Lieber Freund, leih mir drei Brote; 6 denn mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann, 7 und der drinnen würde antworten und sprechen: Mach mir keine Unruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben. 8 Ich sage euch: Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, dann wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, soviel er bedarf. Und ich denke mir: Jesus hat recht. Freunde zeichnen sich auch dadurch aus, dass man sich traut, ihnen etwas zuzumuten und ihnen

auf die Nerven zu gehen, und dennoch sicher sein kann, dass sie einen am Ende nicht im Stich lassen.

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Aber warum erzählt Jesus das ausgerechnet hier, wo es doch ums Beten geht? Aufs erste höre ich heraus, dass Gott nicht halbherzig und zurückhaltend gebeten werden will, sondern drängend und intensiv. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht – mir fällt das nicht leicht. Zum einen, weil ich es unangemessen finde. Ich kann doch Gott nicht meinen Bitten ununterbrochen laut und fordernd in den Ohren liegen, das fühlt sich irgendwie unverschämt an. Aber wenn ich ehrlich mit mir selber zu sein versuche, entdecke ich in mir noch einen anderen Grund, warum ich Gott im Allgemeinen gar nicht so inbrünstig um etwas bitten möchte. Wie gehe ich denn dann damit um, wenn er mein Gebet nicht erfüllt? Wenn ich das Gefühl habe, er hört mich trotz allem Drängen und Flehen nicht? Da rechne ich doch lieber gleich damit, dass er es schon so machen wird, wie er es für richtig hält, ob mir das nun passt oder nicht, und bitte ihn vorsichtig und nicht um zuviel. Nein, so nicht, sagt Jesus: macht es wie der Freund, klopft laut, wiederholt und kräftig an Gottes Herzenstür, ihr dürft das, und Gott will das so. Was Jesus hier in dieser kurzen Episode erzählt, zeigt mir Gott in einem neuen Licht: Gott - der Freund, den man nachts rausklingeln und nerven kann, der vielleicht mürrisch reagiert, der einen aber dennoch nicht im Stich lässt? Für mein Gebet ist das eine neue Perspektive. Es ist anders, als wenn ich zu Gott als meinem Vater bete oder zu Gott als meinem Herrn. Meine Haltung ist anders, und ich erwarte auch etwas anderes. Mit einem guten Freund kann ich nur auf Augenhöhe reden. Aber ich erwarte auch, dass er mir auf Augenhöhe antwortet. Das heißt: er kann nicht einfach über mich bestimmen. Er kann mir Vorschläge

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machen, mich kritisieren, mich bestärken, mir was zu denken geben – aber entscheiden muss ich letztlich selbst, was ich tue.

Andererseits erwarte ich auch nicht, dass er alle Probleme für mich löst und mich aus allen Schwierigkeiten herauspaukt, das ist nicht seine Aufgabe. Mein Leben lebe ich selber, nicht mein Freund. Meine Fehler mache ich selbst, die Konsequenzen muss ich tragen – nur gut, mich dann trotz allem auf meinen Freund – oder meine Freundin – verlassen zu können. Kann das sein? Kann es sein, dass Gott sich soweit auf unsere Ebene einlässt, dass er uns wie ein Freund begegnet? Dass er uns auf Augenhöhe gegenübertritt, uns herausfinden lässt, was er für uns für richtig hielte – und uns dann doch entscheiden lässt? Dass er nicht alles Dumme und Schlimme verhindert – dass er aber bei uns bleibt, egal was für Konsequenzen wir uns eingehandelt haben? Eins ist schon mal gewiss: Die Schicksalsschläge, die mich treffen, sind keine zynischen Erziehungsmittel von Gott. Auch das erkenne ich, wenn Gott mein Freund ist. Denn ein Freund kann einem nichts wirklich Böses wünschen. Schicksalsschläge sind die Wirklichkeit unserer gegenwärtigen Welt, die noch nicht erneuert ist, in der es Raum gibt für Sünde und Tod, für Feindschaft, Krankheit und Zerstörung. Das alles ist nicht das, was Gott für uns will – es ist aber das, was uns treffen kann. Und beten dürfen, ja sollen wir auch dann. Es kann sein, dass Gott uns unmittelbar hilft. Aber es kann auch ganz anders kommen. Das zu akzeptieren ist nicht leicht. Aber: nur weil Freunde uns nicht alles aus dem Weg räumen, werden sie uns doch nicht weniger wichtig. Wichtig ist doch, dass sie zu uns stehen, egal, was geschieht. Beten ist mit Gott reden wie mit einem Freund: dieser Spur möchten ich mit Ihnen und Euch mit noch einem weiteren für mich zwingenden Gedanken nachgehen: Es ist eine Binsenweisheit: Freundschaft sollte man pflegen, wenn sie lebendig und für beide fruchtbar bleiben soll.

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Ich gehöre zu den Menschen, deren Freunde weit verstreut wohnen, so dass es gar nicht so einfach ist, regelmäßigen Kontakt aufrechtzuerhalten. Darum weiß ich, was das für eine beglückende Erfahrung ist, sich nach Jahren wiederzusehen und nach wenigen Minuten wieder so vertraut miteinander zu sein wie einst. Ich finde das beruhigend auch im Hinblick auf Gott, denn das heißt doch, dass ich auch nach längerer Funkstille an die einstige Freundschaft wieder anknüpfen kann. Sie kennen das vielleicht auch: da kommt man im Urlaub in einen Kirchenraum oder einen Gottesdienst der Kirche unterwegs am Strand, und auf einmal fragt man sich: warum hast Du eigentlich so lange nicht an Gott gedacht, das tut doch gut… Aber viel schöner ist es natürlich, wenn die Freundschaft im Alltag ihren festen Platz hat. Wenn es selbstverständlich ist, sich mal eben kurz anzurufen oder vorbeizuschauen, ohne große Vorbereitungen, ohne jeden Aufwand, einfach kurz hallo sagen und miteinander teilen, was gerade so anliegt. Darüber intensiviert sich die Beziehung und wird, ohne dass man das immer bewusst reflektiert, zu einem tragfähigen und unverzichtbaren Bestandteil unseres Lebens. Darum möchte ich Ihnen den Satz weitergeben, der mir in der Beschäftigung mit diesem Predigttext aufgegangen ist: Beten ist Freundschaft pflegen mit Gott. Täglich – wenn’s dran ist, ruhig auch mehrmals – vorbeischauen bei Gott. Ihn teilhaben lassen an meinen Sorgen und Freuden, an meinem Alltag. Ab und zu mal Danke sagen für Gutes, das mir gerade passiert. Und ihm anvertrauen, was mich runterzieht, mich ängstigt und bedrückt. Vielleicht tut er was, was die Dinge für mich zum Besseren wendet. Vielleicht hält er es auch einfach nur mit mir aus. Oder er hilft mir, meine Sicht so zu verändern, dass ich es durchstehen kann. Beten ist Freundschaft pflegen mit Gott.

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Ist, sensibel dafür zu werden, dass er manchmal auch bei mir einfach so vorbeischaut, mich ermutigt, mich warnt, mich aufmerksam macht auf Schönes, das ich vor lauter Tun und Machen vielleicht übersehen hätte, mich manchmal kritisiert und manchmal den Arm um mich legt und sagt: Komm, gemeinsam schaffen wir das schon. Und das Bitten? Jesus ermutigt uns doch, Gott zu bitten, ihn zu drängen, ihm auf die Nerven zu gehen – ja, aber doch nicht mit jedem Mist. Ich merke: das möchte ich mir wirklich aufsparen für die ganz großen Dinge, für den Moment, wo man vor Not nur noch schreien kann, oder auch für den Zustand, in den unser Land und unsere Welt gerade immer mehr gerät. Da will ich dankbar hören, dass Jesus sagt: liegt Gott in den Ohren damit, lasst nicht locker, allein und gemeinsam, bittet ihn, dass er eingreift und seinen Willen durchsetzt, unterstützt ihn, euren Freund, indem ihr ihm zeigt, dass ihr von ihm Hilfe und Rettung erwartet. Das wird Euch und Gott verändern und nicht ohne Wirkung bleiben. Amen