Predigt zu 1. Johannes 1,

Predigt zu 1. Johannes 1,1-4 27.12.15 Liebe Gemeinde, was wir in der Schriftlesung gehört haben von Simeon und Hanna, spielt im Zusammenhang mit der...
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Predigt zu 1. Johannes 1,1-4

27.12.15

Liebe Gemeinde, was wir in der Schriftlesung gehört haben von Simeon und Hanna, spielt im Zusammenhang mit der Weihnachtsgeschichte für uns heute eine eher untergeordnete Rolle. Wenn wir jedoch die Länge des Textes vergleichen, stellen wir mit Staunen fest, dass diese Begegnung von Simeon und Hanna mit der Heiligen Familie beinahe genauso viel Raum einnimmt wie die Erzählung von Bethlehem, Maria, Josef und den Hirten. Diese Geschichte von Simeon und Hanna hat also eine hohe Bedeutung. Es fällt ganz besonders auf, wie nahe Simeon dem Jesuskind kommt: Er nimmt es sogar auf seine Arme! Er hatte eine Verheißung für sich persönlich bekommen: Er wird den Gesalbten Gottes, den Christus, den Messias sehen, bevor er stirbt. Diese Verheißung geht auf wunderbare Weise in Erfüllung. Er sieht ihn und darf ihn sogar berühren, auf die Arme nehmen. Er erkennt in dem Kind den Heiland der Welt. Wie freut er sich darüber, wie lobt er Gott! Von dieser Freude wird auch die Prophetin Hanna ergriffen, sie war eine Witwe, die ihr Leben im Tempel verbracht hat.

Sie stimmt mit ein in das Lob des Simeon, preist den Erlöser Jerusalems, Israels, ja der ganzen Welt! Diese Freude über den Erlöser verbindet diese beiden besonderen Menschen im Tempel, Simeon und Hanna. Auch uns soll diese Freude erreichen! Das war die Absicht der Verfasser des Neuen Testaments! Und dabei wirkt der Geist Gottes, der Simeon damals zum Jesuskind in den Tempel geführt hat und Hanna zum Loben gebracht hat. Der Geist Gottes schafft es, dass sich diese gute Nachricht von der Erlösung verbreitet, dass von diesem kleinen Flecken Erde an der Ostseite des Mittelmeeres aus die Freudenbotschaft um die Welt geht. Der Anfang des 1. Johannesbriefes ist voll von dieser Freude! So wie Simeon und Hanna Augenzeugen dessen waren, was damals geschehen ist und darüber so glücklich waren, so sind auch der Verfasser des Johannesbriefes und die zu ihm gehören, erfüllt von dem, was sie gesehen und gehört haben. Ich lese 1.Johannes 1,1-4: - Text – Anfänge sind spannend. Der erste Schultag. Der erste Tag in einem neuen Betrieb. Die erste Vorlesung an der

Universität, der erste Tag im freiwilligen sozialen Jahr. Der Tag der Ankunft in einem neuen Wohnort. Der erste Satz in einem Roman. Die ersten Blicke, aus denen die große Liebe entstand. Mit dem Anfang entscheidet sich oft schon alles. Im Anfang ist manchmal schon vieles enthalten, was sich in der weiteren Zeit daraus entwickelt – im Guten wie im Schlechten. Später im Rückblick verstehen wir erst ganz, was im Anfang bereits verborgen enthalten war. Wenn für uns ein neuer Lebensabschnitt begonnen hat und darüber einige Zeit vergangen ist und wir dann zurückschauen, haben wir viele Tage dazwischen vergessen, aber an den ersten Tag können wir uns noch genau erinnern.

„Was von Anfang an war“ – die ersten Worte in diesem Brief haben eine hohe Bedeutung, ein großes Gewicht. Sie erinnern den Leser erinnern an den Anfang von allem, an den Schöpfungsbericht im 1.Buch Mose:

„Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ und auch an den Beginn des Johannesevangeliums:

„Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort.“

Ganz am Anfang war das Wort des Lebens: Gesprochen von dem Gott der Schöpfung und der Erlösung: Er schuf das Licht und nicht die Finsternis Das Wort des Lebens kam in die Welt als Kind – Schutzlos, obdachlos, gefährdet und doch geliebt. Es wurde gehört aus dem Mund Jesu. Es wurde gesehen in seinen Taten. Es wurde betrachtet in seinem Leiden. Es wurde betastet in den Wunden des Auferstandenen. Das Wort des Lebens ist erschienen und mit ihm das Leben selbst. Als christliche Gemeinde erinnern wir uns immer wieder an den Anfang, an den Ursprung unseres Glaubens. Dieser Anfang verbindet uns als Christen weltweit. Mit diesem Anfang hat sich schon alles entschieden. An diesem Anfang ist alles Wichtige geschehen: die Menschwerdung Gottes in der Geburt Jesu, wie Jesus auf der Erde gelebt hat, seine Kreuzigung und seine Auferstehung. Der Schreiber des Johannesbriefes zählt sich zu einer Gruppe von Zeugen, die Jesus gehört, gesehen und

angefasst haben. Warum ist ihm das so wichtig?

Dazu ist es interessant zu erfahren, dass genau das damals sehr umstritten war. In der Gemeinde, an die unser Brief gerichtet war, gab es Irrlehrer, die zur sogenannten Gnosis gehörten. Diese Gnostiker behaupteten, dass der Sohn Gottes gar nicht wirklich Mensch geworden sei, und dass er demzufolge auch nicht wirklich am Kreuz gestorben sei. Alles Materielle und damit auch der Leib ist für sie etwas Böses und Minderwertiges im Gegensatz zum Geistigen, Nicht-Materiellen. Deshalb war es für sie unvorstellbar, dass Gott Mensch geworden sein soll und einen menschlichen Leib angenommen haben sollte. Aus diesem Grund legt der Johannesbrief einen so großen Wert darauf, dass der Sohn Gottes tatsächlich ein Mensch geworden war aus Fleisch und Blut, dass er angefasst werden konnte, dass man ihn hören und sehen konnte und er uns am Ende durch seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung erlöst hat. Jesus ist eben nicht nur ein Geistwesen ohne Leib, er ist auch nicht nur die Idee von einem vollkommenen Menschen. Er ist nicht der ferne Gott, der man sich nur durch Meditieren oder andere Übungen nähern kann. Nein, er ist zu uns gekommen, als Mensch. Er ist an einem ganz bestimmten Ort zu einer ganz bestimmten Zeit geboren. Er ist in unsere menschliche Geschichte

hineingekommen, in die Geschichte unserer Welt. Dafür gab es die Augenzeugen. Das ist grundlegend wichtig für uns heute. Immer wieder fragen mich Kinder, ob Jesus wirklich gelebt hat und auch Erwachsene bezweifeln es. Ist das nicht nur eine Idee von irgendwelchen Leuten gewesen? Als Jesus Kranke geheilt und andere Wunder getan hat, waren Menschen dabei, die das mit ihren eigenen Augen gesehen hatten, genauso die Kreuzigung und es gab Augenzeugen für die Begegnung mit dem Auferstandenen. Weil Jesus so ganz Mensch war, ohne Wenn und Aber, kennt er unser Leben, unser Träume und Ängste, unsere Freuden und Hoffnungen, unsere Enttäuschungen und auch unser Versagen. Deshalb versteht er uns. Deshalb kann er uns helfen. Und uns befreien, von dem, was uns gefangen hält und von Gott trennt. Durch das, was er getan hat entsteht eine ganz neue Gemeinschaft: Alle, die auf ihn hören, sich zu ihm zählen. Und diese große Menge an Menschen nimmt immer mehr zu. Dass so neue Gemeinschaft entsteht in jeder Zeit, an ganz vielen Ort der Welt, das ist dem Verfasser des Johannesbriefes ganz wichtig. Er schreibt: „Was wir gesehen und gehört haben,

das verkündigen wir auch euch, damit auch ihr mit uns

Gemeinschaft habt; und unsere Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus.“ An Weihnachten ist Jesus uns ganz nahe gekommen. Er hat sich berühren lassen, er ist gesehen worden damals im Tempel von Jerusalem, nicht nur von Simeon und Hanna. Er ist aufgewachsen in Nazareth und hat mitten unter uns Menschen gelebt. Alle, die an ihn glauben, gehören zur Familie Gottes. In dieser Familie sind wir Geschwister. Der Glaube an den menschgewordenen Gott führt in die Gemeinschaft, zum Miteinander. Ein arbeitsloser Mann in der Lebensmitte berichtet aus seinem Leben: „Ich weiß gar nicht mehr, wieso ich leben

soll. Ich habe keine Familie, ich habe keine Freunde, niemanden, der mit mir spricht und mit dem ich sprechen kann. Die Einzige, die mir etwas bedeutet und die mir zuhört, ist meine Katze. Und Gott hat mich – glaube ich – auch vergessen. Mein Leben ist so freudlos und hat überhaupt keinen Sinn mehr.“ Ein Leben ohne Gemeinschaft ist trostlos. Wir sind darauf angewiesen, dass wir Gesprächspartner haben, uns austauschen können. Gott hat uns zur Gemeinschaft bestimmt. Ohne Gemeinschaft läuft alles ins Leere. Wir wollen Liebe erfahren und Liebe weitergeben.

Wie gut, dass es so viele Gemeinden in so vielen Ländern der Welt gibt, in denen der Glauben an den menschgewordenen Gott im Mittelpunkt steht. Dort können wir diese Gemeinschaft erleben, ob wir hier sind in Scharnhausen oder irgendwo im Ausland. Die gute Nachricht von Weihnachten gilt dort wie hier: Gott hat uns nicht vergessen. Er hat sich auf den Weg gemacht, um uns zu suchen. Er lädt uns ein zur Gemeinschaft mit ihm und mit seiner Familie, der weltweiten Gemeinde. In dieser Gemeinschaft bekommt das Leben einen Sinn. Und in dieser Gemeinschaft steht die Freude im Mittelpunkt. Ob in der koptischen Kathedrale in Kairo, in der ich einmal Weihnachten erlebt durfte, oder in der Geburtskirche in Bethlehem, ob in einem Dorf auf dem Land, in unseren Großstädten oder hier bei uns: Wo Weihnachten gefeiert wird, da ist etwas von dieser Freude zu spüren, von der der 1. Johannesbrief voll ist: „Das schreiben wir, damit unsere

Freude vollkommen sei!“ Das ist das Ziel, um das es im Glauben an Christus geht: Um die Freude, die tiefer geht als ein kurzes Fröhlich sein, die Freude, die mitgeht auch in den Alltag nach Weihnachten. Das Lied, das am allermeisten die Freude über das, was an

Weihnachten geschehen ist, zum Ausdruck bringt ist das Lied „O du fröhliche“. Es wurde in allen unseren Weihnachtsgottesdiensten gesungen. Die erste Strophe hat Johannes Daniel Falk gedichtet. Es war keine einfache Zeit. Die Kriege zwischen den Preußen und Napoleon hatten viel Elend verursacht. Falk lebte in Weimar, er war ein Freund Goethes. Viele Waisenkinder lebten in der Stadt. Die Väter waren im Krieg gefallen, die Mütter waren verschollen. Der Liederdichter entschloss sich, die ärmsten Kinder in seinem Haus aufzunehmen. Er spürte, dass das noch zu wenig war und wollte noch mehr für die armen Kinder tun. So errichtete mit Hilfe der Stadt ein kleines Waisenhaus. Es war an Weihnachten 1816. Falk sitzt in seinem Studierzimmer. Draußen treibt wirbelnder Schnee vorüber. Aus dem Nebenzimmer vernimmt er das helle Singen seiner Zöglinge und dazwischen ab und zu ein fröhliches Auflachen. Ob es die Stille dieser Stunde war, oder dass er mit seinem Tagwerk zufrieden war, oder die Fröhlichkeit der Kinder ihn angesteckt hat, es wird ihm plötzlich so richtig froh zumute, so ganz von innen heraus. Da entzündet er eine Kerze, geht an seinen Schreibpult, tunkt den Federkiel ein und schreibt Worte auf ein Blatt

Papier. Immer mehr werden es. Er überliest sie halblaut, streicht welche aus, setzt neue dazu, bis er diese eine Strophe zusammen hat: „O du fröhliche, o du selige,

gnadenbringende Weihnachtszeit.“ Zu den Worten kommt eine bekannte Melodie, die Falk kurz zuvor bei einem Spaziergang aufgeschnappt hat. Es ist eine alte sizilianische Seemannsweise. Fahrende italienische Straßensänger haben sie auf den Treppen der Stadtkirche zum Besten gegeben. Sehr zum Ärger des Mesners übrigens, der die Straßensänger davonjagte. Es ist spät geworden, als Johannes Falk seine Liedstrophe endlich fertig hat. Aber noch am selben Abend übt er es mit seinen Kindern ein, die mit der eingängigen Melodie und dem schlichten Text keine Mühe haben. Freue dich o Christenheit! Wie schön ist es, zu dieser großen weltweiten Gemeinschaft gehören zu dürfen. Zur Gemeinschaft derer, die zur Freude bestimmt sind und die einander diese Freude weitergeben dürfen: Das macht die eigene Freude noch viel größer! Was wir gehört und gesehen, was wir im Glauben an Christus erlebt haben und weitergeben, das lässt die Freude wachsen! Amen. Markus Hägele, Nürtinger Str. 8, 73760 Ostfildern