Praterateliers Bildhauerateliers des Bundes
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Historischer Rückblick In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war Wien eine Großbaustelle für bedeutende architektonische und politische Weichenstellungen. Über monarchische Prunkmonumente hinaus wurden großstädtische Erweiterungsstrategien für die Metropole entwickelt. Insbesondere die Donauregulierung war eine wichtige Voraussetzung zur Gewinnung städtebaulicher Entwicklungsräume, auch zur Schaffung von Bau‐ und Erholungsgebieten für die Wiener Bevölkerung. Im Prater und im Besonderen in der Krieau sollte durch die Errichtung von Bauwerken der Kunst, Kultur und Wissenschaft ein bedeutender Topos geschaffen werden. Die heutigen „Praterateliers“ wurden im Licht dieser städtebaulichen Entwicklung als zwei von mehreren Pavillons für die Weltausstellung von 1873 errichtet. Sie wurden von der k.u.k. Monarchie als wirtschaftliches, kulturelles sowie politisches Projekt größten Ausmaßes geplant und am 1. Mai 1873 durch Kaiser Franz Joseph I. eröffnet. Das globale Weltinteresse an Wien zu wecken war die Absicht. Für die Adaptierung des Ausstellungsareals zeichnete der Gartenarchitekt Lothar Abel verantwortlich. Mit der Planung und Errichtung der Bauwerke wurde Carl Hasenauer beauftragt.
Für die Weltausstellung 1873 erbaut: Der südliche Pavillon des amateurs im Wiener Prater.
Nach der erfolgreichen Weltausstellung widmete Kaiser Franz Joseph I. 1875 die Prater‐Pavillons „den Künsten“. Die Pavillons wurden anschließend vorwiegend für die Herstellung gewerblicher Baukunst genutzt. Der gründerzeitliche Bedarf an Dekor an Bauwerken und im öffentlichen Raum wurde mit Arbeiten der Künstlerinnen und Künstler der Prater‐Pavillons gedeckt. Heute zählen die beiden „Nord‐ und Südgebäude“ zu den einzigen erhaltenen Bauten der damals monumental errichteten Anlagen der Weltausstellung. Während der nördliche Pavillon im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und in zeitgemäßen Formen nach 1945 wieder aufgebaut wurde, blieb der südliche Pavillon weitgehend unversehrt als dreiflügeliger ebenerdiger Bau mit hohen Fenstern erhalten.
Im Eingangsbereich des südlichen Gebäudes stehen noch immer die alten korinthischen Säulen, die zur ursprünglichen Widmungsinschrift „DER KUNST“ hinauf weisen. In diesem Pavillon wirkte ab Februar 1908 einer der bedeutendsten „Prateratelier‐Künstler“, der akademische Bildhauer Anton Hanak, der hier auch später als Professor der Wiener Kunstgewerbeschule und Akademieprofessor seine Schüler unterrichtete. Nach seinem plötzlichen Tod am 7.1.1934 beschloss das Kollegium der Akademie der bildenden Künste, seine Arbeitsräume zum Gedenken an den großen Bildhauer und Lehrer als Hanak‐Museum einzurichten. So verblieb dieser Teil von Hanaks künstlerischem Nachlass – allerdings ohne dort jemals museal genützt zu werden – bis zum Jahre 1968 im südlichen Pavillon. Die Namen der Prateratelier‐Künstlerinnen und Künstler der vergangenen Jahrzehnte lesen sich wie ein „Who‐is‐Who“ der österreichischen Bildhauerei und Kunst. Beispielhaft seien hier Tina Blau, Rudolf Hoflehner, Bruno Gironcoli, Karl Prantl, Josef Pillhofer und Alfred Hrdlicka genannt.
Praterateliers heute Auf dem Gelände mit der Größe von 25.000 m2 sind in zwei Gebäuden mit einer Gesamtnutzfläche von 3.500 m2 23 Ateliers zwischen 45 m2 und 435 m2 untergebracht. Nach der Widmung „Für die Künste“ durch Kaiser Franz Joseph I. 1875 waren die Praterateliers stets im Verfügungsbereich des österreichischen Staates. Von der Monarchieverwaltung in jene der Republik Österreich übertragen, wurde die Liegenschaft in der Krieau 2001 in die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) ausgegliedert. Mit der Unterzeichnung der Vereinbarung zwischen Kulturministerin Claudia Schmied und der Bundesimmobiliengesellschaft wurden die Praterateliers in den Verantwortungsbereich des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur übertragen. Zur verbesserten Benutzbarkeit und Belebung der Praterateliers wurden ab Herbst 2010 schrittweise Sanierungsmaßnahmen der leerstehenden Ateliers gesetzt und die instandgesetzten Ateliers zur Vergabe ausgeschrieben. Laut der Ausschreibung sollten die Ateliers Künstlerinnen und Künstler zuerkannt werden, die im Bereich eines erweiterten Bildhauer‐ und Objektkunstbegriffes tätig sind. Die Ateliers wurden vorrangig an international aufstrebende österreichische Künstlerinnen und Künstler, die bereits ein gewisses Lebenswerk vorweisen können und eine internationale Präsenz anstreben, vermietet. Bei der Auswahl wurde insbesondere auch auf den Anteil der Künstlerinnen in den Praterateliers Bedacht genommen. Die Atelierbenutzung wird vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur unterstützt, sodass den Künstlerinnen und Künstlern Mietpreise an der unteren Grenze der marktüblichen Durchschnittsmieten angeboten werden können. 2010 bis 2012 wurden sechs Ateliers befristet auf 7 Jahre an folgende Künstler neu vergeben: Judith Fegerl, Hans Scheirl, Christian Mayer, Roland Kollnitz, Zenita Komad und Claudia Märzendorfer. Nach dem Tod von Josef Pillhofer und Karl Prantl wurden die Ateliers neu adaptiert. Ruth Schnell hat 2012 das ehemalige Pillhofer‐Atelier bezogen. Nach dem Auszug von Zenita Komad wurde dieses Atelier neu ausgeschrieben und 2013 an Nikolaus Gansterer vergeben.
Skulpturen von Hrdlicka‐Schülern | © Niki Griedl Coverfoto © BIG
Künstlerinnen und Künstler der Praterateliers Avramidis Joannis Avramidis Annemarie (verstorben März 2013) Fegerl Judith Gansterer Nikolaus Göschl Roland Göschl‐Pluhar Ingeborg Hollein Hans Hrdlicka Angelina (ehemals Alfred) Kölbl Walter Kollnitz Roland Komad Zenita (bis März 2013) Kupelwieser Hans Märzendorfer Claudia Mayer Christian Moswitzer Gerhardt (verstorben März 2013) Oberhuber Oswald Scheirl Hans Schnell Ruth Stimm Oswald Truger Ulrike Würtinger Werner
Künstlerinnen und Künstler der Praterateliers/Kurzinfo Annemarie Avramidis, geb. 1939 in Wien, gestorben März 2013; studierte u. a. bei Oskar Kokoschka, Albert Paris Gütersloh und Fritz Wotruba. Im Jahr 2005 wurde das skulpturale Schaffen der bildenden Künstlerin und Dichterin, deren figurative Kunst durch Reinheit und Strenge besticht, in einer umfassenden Monographie gewürdigt. Literarische Veröffentlichung: »Nein, ich werde nicht schweigen« (2004). Joannis Avramidis, geboren 1922 in Batumi, Georgien, ist ein zeitgenössischer griechisch‐österreichischer Bildhauer. Er kam 1943 als Fremdarbeiter nach Wien, studierte von 1945 bis 1949 Malerei an der Akademie und von 1953 bis 1956 Bildhauerei bei Robin Christian Andersen und Fritz Wotruba. Er vertrat Österreich 1962 bei der Biennale von Venedig. 2012 Verleihung des Großen Goldenen Ehrenzeichen mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich. Judith Fegerl, geboren 1977 in Wien. Studium an der Akademie der bildenden Künste Wien und an der Universität für angewandte Kunst Wien. 2008 Anerkennungspreis des Landes Niederösterreich, 2010 Alexander Reznikov Award, 2010 Staatstipendium für bildende Kunst. Nikolaus Gansterer, geboren 1974, lebt und arbeitet in Wien und Berlin. Kunststudium an der Universität für angewandte Kunst bei Brigitte Kowanz. Postgraduale Studien an der Jan van Eyck Akademie in Maastricht in den Niederlanden. Gründungsmitglied des Instituts für transakustische Forschung. Seit 2007 Lehrtätigkeit an der Universität für Angewandte Kunst Wien. Internationale Ausstellungstätigkeit und Performancepraxis. Roland Göschl, geboren 1932 in Salzburg, ist ein österreichischer Bildhauer, Maler und Kunstwissenschaftler. Er besuchte 1954 die Internationale Sommerakademie Salzburg und studierte 1956‐1960 an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Fritz Wotruba. Er nahm am Symposium Europäischer Bildhauer 1961 in Berlin teil und war 1962 am Royal College of Art in London. Seit 1960 ist Göschl mit Ausstellungen in der österreichischen Kultur präsent. International bekannt geworden ist er durch seine Skulpturen. Ingeborg Göschl‐Pluhar, geboren 1944 in Wien. Pluhar studierte bei Fritz Wotruba an der Akademie der bildenden Künste in Wien Bildhauerei und besuchte die Sommerakademie in Salzburg. Sie ist sowohl als Malerin als auch Bildhauerin tätig. Von 1990 bis 2003 auch Assistenzprofessorin am „Institut für Künstlerische Gestaltung“ an der Technischen Universität in Wien. „Umschwung“ zählt zu jener Gruppe von Werken, in der Pluhar in einer Serie von mehreren Bildern einen optischen Ablauf, etwa eine Drehung, mit ihren farblichen und formalen Transformationen darstellt. 2012 wurde sie mit dem Preis der Stadt Wien für Bildende Kunst ausgezeichnet. Hans Hollein, geboren 1934 in Wien, ist Architekt und Designer, Bildhauer, Objektkünstler, Ausstellungsgestalter und Architekturtheoretiker. 1949‐1953 studierte er an der Wiener Akademie der bildenden Künste bei Clemens Holzmeister. In erster Linie war es Amerika, das Hollein in seiner Frühzeit beeinflusst hat. Die Faszination des Technischen, die Weite, die Weltraumfahrt waren seine neuen Propheten. Als Meilenstein in Holleins Entwicklung kann man seine Beschäftigung mit den Prinzipien der indianischen Pueblo‐Architektur des amerikanischen Südwestens betrachten, deren Einfluss in vielen von Holleins späteren Bauten wiederkehrt. Walter Kölbl, 1969 bis 1975 Studium an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien bei Hans Knesl und Wander Bertoni. 1976 bis 1980 Zweitstudium in Metallgestaltung bei Carl Auböck. 1980 bis 1986 Universitätsassistent an der Technischen Universität, Wien, Institut für plastisches Gestalten und Modellbau. Etliche Projekte und Arbeiten im öffentlichen Raum.
Zenita Komad, 1980 geboren in Klagenfurt, 1996 Hochschule für Angewandte Kunst, Wien, Bühnenbild/Graphik, 1998 Akademie der Bildenden Künste, Wien, Meisterklasse Franz Graf, Mixed Media. 2007 MAK Schindler Stipendium, Mackey House, Los Angeles. Sie erhielt 2010 das Staatsstipendium für bildende Kunst. Roland Kollnitz , geboren 1972 in Klagenfurt, Absolvent der Hochschule für angewandte Kunst in Wien, hat im Atelier von Franz West gearbeitet und ist seit 2001 lehrtätig an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Er ist vor allem als Autor von Objekten, Skulpturen und Installationen bekannt, für die ihr minimalisierter Umfang und ihre Fragilität charakteristisch sind, mit denen er an die Traditionen von Minimalismus und Konzeptkunst anknüpft. Hans Kupelwieser wurde 1948 in Lunz am See geboren und lebt in Wien. Von 1970 bis 1973 besuchte der die Graphische Lehr‐ und Versuchsanstalt in Wien, von 1976 bis 1982 ‐ neben der Tätigkeit als Grafiker und zahlreichen Reisen ‐ die Hochschule für angewandte Kunst. 1983 wird er noch zu den "jungen Künstlern aus Österreich" gezählt, bald darauf zu den eigenständigsten und angesehendsten experimentellen Bildhauern. Seit 1995 bekleidet er eine Professur an der Technischen Universität Graz. Claudia Märzendorfer, geboren 1969 in Wien, Kunstgewerbeschule Ortweinplatz Graz, Studium der Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste Wien, 2010 Staatsstipendium für bildende Kunst, 2011 Herausgeberin der Publikation „here’s to you.“, ausgezeichnet beim Wettbewerb „Die schönsten Bücher Österreichs“. Christian Mayer, geboren 1976 in Sigmaringen, Deutschland, lebt und arbeitet in Wien. studierte an der Hochschule der Bildenden Künste Saarbrücken und der Akademie der Bildenden Künste in Wien. 2008 Paris‐ Stipendium, 2011 Kardinal‐König‐Kunstpreis. Gerhard Moswitzer, geboren 1940 in Maria Lankowitz, gestorben März 2013; hat sich früh der Bildhauerei zugewendet und arbeitete ab 1961 rund zehn Jahre lang in seinem Atelier in der *Lehmgrube* in Kowald. 1970 nahm er an der Biennale in Venedig teil, bewarb sich erfolgreich um eines der Praterateliers, übersiedelte 1974 ganz nach Wien. Zu seinen bekanntesten Arbeiten im öffentlichen Raum gehören sein „Mahnmal zu Erinnerung an die Ereignisse im Jahre 1934* (1984) vor dem Grazer Hauptbahnhof und sein monumentaler *Häuptling‐ König oiw* am Wiener Flughafen. Oswald Oberhuber (geboren 1. Februar 1931 in Meran, Südtirol) ist ein österreichischer Maler, Bildhauer und Graphiker. Oberhuber studierte von 1945 bis 1949 Bildhauerei an der Gewerbeschule Innsbruck. Im Anschluss daran war Oberhuber an der Akademie der bildenden Künste in Wien Schüler von Fritz Wotruba und an der Akademie in Stuttgart von Willi Baumeister. 1972 war Oberhuber der österreichische Vertreter auf der Biennale von Venedig. Oberhuber nahm 1977 an der documenta 6 und 1982 an der documenta 7 teil. 1973 wurde er zum Professor an die Hochschule für angewandte Kunst in Wien berufen, der er bis zu seiner Emeritierung 1998 angehörte. Zweimal, von 1979 bis 1987 und von 1991 bis 1995, leitete er als Rektor die Hochschule. 2004 erhielt Oberhuber das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse. Hans Scheirl; geboren 1956 in Salzburg, 1980 machte er seinen Abschluss des Studiums Konservierung und Technologie an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. 1985‐86 absolvierte er das Video‐Training in der Medienwerkstatt Wien. 2003 schloss er ein Postgraduate‐Studium der Bildenden Kunst (Malerei/Installation) auf dem Central Saint Martins College of Art&Design ab. 2006 Staatsstipendiums für Bildende Kunst, seit 2006 Professur für "Kontextuelle Malerei" an der Akademie der Bildenden Künste, Wien.
Ruth Schnell, geboren 1956 in Feldkirch; studierte ab 1976 Kunstgeschichte und Psychologie an der Universität Innsbruck, ab 1977 Visuelle Gestaltung an der Kunstuniversität Linz bei Laurids Ortner, ab 1981 Kunstpädagogik und Visuelle Mediengestaltung bei Peter Weibel an der Universität für angewandte Kunst Wien und ab 1982 Werkerziehung bei Edelbert Köb an der Akademie der Bildenden Künste. Ruth Schnell ist seit 1987 als Lehrende tätig und lehrt derzeit Digitale Kunst an der Universität für angewandte Kunst Wien. Seit 2011 leitet Ruth Schnell die Abteilung Digitale Kunst. Sie erhielt 2008 den Österreichischen Würdigungspreis für Video‐ und Medienkunst des BMUKK. Oswald Stimm wurde 1923 in Wien geboren, 1946 bis 1951 Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. 1951 bis 1960 lebte und arbeitete Stimm in Argentinien, von 1973 bis 1980 lehrte er an der Akademie der Bildenden Künste in Kinshasa (Zaire). 1982 Rückkehr nach Wien. Er ist Träger zahlreicher Preise, darunter etwa des Theodor Körner‐Preises (1977) und des Würdigungspreises der Stadt Wien (1989). Oswald Stimm, der auch als "stiller Doyen" der österreichischen Plastiker gilt, kann auf zahlreiche heimische und internationale Ausstellungen verweisen. Ulrike Truger, geboren 1948 in der Steiermark, ist eine österreichische Bildhauerin und lebt und arbeitet in Wien und Buchschachen im Burgenland. Truger übersiedelte 1951 nach Wien, maturierte, studierte Mathematik, und studierte Bildhauerei an der Hochschule für Angewandte Kunst bei Wander Bertoni. 1995 kaufte Truger einen leerstehenden Hof in Buchschachen, renovierte und erweiterte ihn mit einem Atelier. 2012 Verleihung des Berufstitel Professorin Werner Würtinger, geboren 1941 in Hallein. 1959‐1964 Studium an der Akademie der Bildenden Künste bei Fritz Wotruba. Würtinger arbeitet freischaffend und war ab 1975 Assistent der Akademie. Von 1995‐1999 war Würtinger Präsident der Secession und bis 2003 Universitätsprofessor an der Akademie der Bildenden Künste. 2011 Herausgeber der Publikation „Arkadien und angenehme Feinde. Die Bildhauerateliers im Prater“, ausgezeichnet beim Wettbewerb „Die schönsten Bücher Österreichs“ .
Text von Ursula Maria Probst anläßlich der Open Studio Days im Rahmen der VIENNA ART WEEK 2012
Inspirierende Orte künstlerischer Produktion Bei einem Besuch der Praterateliers befindet man sich mit einem Fuß immer im Grünen‐ und mitten in der Kunst. Ein Rundgang durch die Ateliers. Unweit des Wiener Riesenrades, zwischen Trabrennbahn und Fußballstadion, treffen auf dem 25.000 Quadratmeter großen Areal wild wucherndes Biotop und unter Denkmalschutz stehende Architektur, Zeitgenössisches und Historisches, künstlerischer Austausch und produktiver Rückzug aufeinander. Ein Rundgang durch die Ateliers, in denen etablierte neben jungen Künstlerinnen und Künstlern arbeiten, gewährt einen generationsübergreifenden Einblick in die Produktion österreichischer Kunstschaffender der jüngsten Vergangenheit und Gegenwart. Die Künstlerateliers des Bundes in der Krieau sind durch ihre Geschichte, die bis zur Wiener Weltausstellung von 1873 zurückreicht, weltweit einzigartig. Im kulturellen kollektiven Gedächtnis Österreichs heute kaum verankert, markierte die Weltausstellung einen Höhepunkt der Wiener Baugeschichte. Die Schau gestaltete sich als Versuchsfeld für Bautypen, die in Wien bis dahin noch nicht realisiert worden waren. Entworfen hatte die ursprünglich 200 Pavillons der Ringstraßenarchitekt Carl von Hasenauer, der in Anspielung auf den Malerfürsten als »Makart der Baukunst« bezeichnet wurde. Die beiden einander gegenüberliegenden, symmetrisch konzipierten Gebäude mit den Praterateliers sind die einzigen heute noch erhaltenen Pavillons. 1875 von Kaiser Franz Joseph I. den Künsten gewidmet, dienten sie während der Weltausstellung als Teil eines Kunstbezirks der Präsentation von Kunstsammlungen. Noch heute findet sich im Eingangsbereich des südlichen Gebäudekomplexes die originale Widmungsinschrift: »DER KUNST«. 2001 wurden die Praterateliers, die sich im Verfügungsbereich des österreichischen Staates befanden, als Liegenschaft an die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) ausgegliedert und am 1. Mai 2010 wieder in den Verantwortungsbereich des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur übertragen. In den Pavillons hatten Bildhauer so gegensätzlichen Charakters wie Bruno Gironcoli, Alfred Hrdlicka, Rudolf Hoflehner, Karl Prantl oder Josef Pillhofer bis zu ihrem Tod ihre Ateliers. Künstlerinnen und Künstler wie Ulrike Truger, Joannis Avramidis, Roland Goeschl, Walter Kölbl, Hans Kupelwieser, Oswald Oberhuber, Gerhardt Moswitzer‐ Hewiach, Ingeborg G. Pluhar, Oswald Stimm, Werner Würtinger oder der Architekt Hans Hollein nutzen die Ateliers teils seit mehreren Jahrzehnten als Arbeitsraum. Nach Sanierungs‐ und Instandsetzungsmaßnahmen werden seit 2011 frei werdende oder leer stehende Ateliers schrittweise und auf sieben Jahre befristet an Vertreter einer nachkommenden Künstlergeneration übergeben, die eine Jury im Zuge eines Einreichungsverfahrens auswählt. Derzeit arbeiten neben den oben erwähnten Künstlerinnen und Künstlern Judith Fegerl, Christian Mayer, Zenita Komad, Hans Scheirl, Roland Kollnitz und Claudia Märzendorfer in diesen 16 Ateliers für Skulptur, Objektkunst und Malerei, die zwischen 45 und 435 Quadratmeter Größe aufweisen. Das weitläufige Areal in der Krieau wirkt wie ein Skulpturenpark. Man trifft hier unter anderem auf Joannis Avramidis’ plastische figurale Arbeiten, die seit Jahrzehnten internationale Anerkennung finden. Gerhardt Moswitzers scharfkantige Cortenstahl‐ Skulpturen aus verschiedenen Schaffensperioden brechen mit dem arkadischen Idyll. Wer die Praterateliers betritt, kommt in den Genuss eines Besuchs von »Künstlerateliers« im ursprünglichen, besten Sinne. Kaum andere Studios bieten eine ähnliche lichtdurchflutete Raumatmosphäre, wie sie hier durch Seiten‐ und Oberlichten gegeben ist. Das Atelier von Oswald Stimm bildet ein organisch gewachsenes Ensemble und führt in den Kosmos einer Lebensreise, die einen 14‐jährigen Aufenthalt in Buenos Aires und eine Auseinandersetzung mit dem dialektischen Materialismus umfasst. Ganz im Unterschied zur installativ arbeitenden Künstlerin Judith Fegerl, die mit Strom, Schläuchen und Kupfer hantiert, meißelt die Bildhauerin Ulrike Truger, die den Zustrom junger Künstlerkollegen und den intensivierten kollegialen Austausch als sehr belebend empfindet, im Außenraum imposante Fünf‐ Tonnen‐Steine. Ebenfalls zu größeren Dimensionen tendiert Roland Goeschl in seinen modularen, in Beziehung zur Architektur stehenden Farbelementen. Walter Kölbl gestaltet industrielle Fertigungsprodukte zu präzisen Formationen mit minimalistischen Charakteristiken. Wie der Begriff einer »erweiterten Skulptur« zur Anwendung kommt, zeigt
sich in den Werken von Hans Kupelwieser: Er bezieht in seine Skulpturen kinematische Abläufe ein. Staubsauger zur Vakuumproduktion gelangen zum Einsatz, auch Text spielt eine stets wiederkehrende Rolle, wenn es darum geht, durch Sprachformationen in die Realität einzugreifen. Die Großzügigkeit der Räume ermöglicht es, die Dinge zu belassen, sie nicht immer wegräumen zu müssen, die Werke nebeneinander zu positionieren – als Fortsetzung und als Anknüpfungspunkte für weitere Arbeiten. Die Gegebenheiten in den Praterstudios haben, bestätigen auch andere dort wirkende Künstler, Einfluss auf ihre Arbeit. Durch die Raumverhältnisse und über den Raum verändert sich das Arbeiten im Werk von Claudia Märzendorfer. Dank der Lage des Studios inmitten des Pratergeländes, so Hans Scheirl, sei ein anderer Bezug zum Außenraum gegeben als bei einem Studio im urbanen Raum. Ingeborg Pluhar vergleicht die Situation, die in den Praterateliers anzutreffen ist, mit einer Insel. Potenzial für ein kollektives Miteinander sieht Zenita Komad durch die Nachbarschaft mit anderen Künstlerinnen und Künstlern. Roland Kollnitz, in dessen Werken sich das Auratische über ein In‐Beziehung‐Setzen einzelner Skulpturen entwickelt, lud etwa anlässlich einer Ausstellung im Wiener Projektraum Vesch seine neuen Nachbarn Oswald Stimm und Gerhardt Moswitzer zur Beteiligung ein. Der historischen Komponente – dem Gebäude als Relikt der Weltausstellung – gilt das konzeptuell ausgerichtete Interesse des Künstlers Christian Mayer. Reflexionen über programmatische Momente der jüngsten Kunstgeschichte fließen in die künstlerische Arbeit von Werner Würtinger ein. Als Chronist der Praterateliers gab Würtinger 2011 die Publikation »Arkadien und angenehme Feinde. Die Bildhauerateliers im Prater« heraus. Darin findet sich ein Statement von Joannis Avramidis, wonach es für künstlerisches Arbeiten zwei Wege gebe: sich entweder dem Geschehen in pulsierenden Dynamiken auszusetzen oder sich in bewusster Isolation auf die eigene Arbeit zu konzentrieren, was latent zu einer Reflexion darüber anregt. Für die jüngere Künstlergeneration stellt sich diese Entscheidungsfrage nicht: Für sie gilt es, gleichzeitig die tollen Bedingungen der Praterateliers zur konzentrierten künstlerischen Produktion zu nützen und aktiv am Geschehen des Ausstellungsbetriebs teilzunehmen. Ursula Maria Probst lebt und arbeitet als Kunsthistorikerin, Unilektorin, Kunstkritikerin, Kuratorin und Künstlerin in Wien. Studium der Kunstgeschichte an der Universität Wien, wissenschaftliches und künstlerisches Arbeiten über und mit Louise Bourgeois in New York. Sie ist Mitinitiatorin des Performancekollektivs Female Obsession.
Literatur zu den Praterateliers
Arkadien und angenehme Feinde Die Bildhauerateliers im Prater Herausgeber Werner Würtinger Mitherausgeber Secession "Arkadien und angenehme Feinde" reportiert den Topos der Bildhauerwerkstätten in der Krieau. Eine Fotostrecke von Margherita Spiluttini firmiert als der optische Vermittler unaufgeräumter Momente in den Ateliers und deren innewohnendem Flair. Der Architekturhistoriker Matthias Boeckl stellt die ehemaligen "Pavillons des amateurs" in einen urbanistischen Kontext. Mit Beiträgen u. a. von: Martina Chmelarz, Brigitte Huck, Oskar Putz, Christian Reder, Werner Würtinger Publikation: 192 Seiten mit 85 Fotografien von Margherita Spiluttini Format 186 x 292 mm Gestaltung Gabriele Lenz (www.gabrielenz.at) Secession 2011, ISBN 978‐3‐902592‐46‐0 Vertrieb: Revolver Verlag