Positive Erwartungsaktivierung in der Psychotherapie


 Positive Erwartungsaktivierung in der Psychotherapie Der Einfluss von positiver Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie auf frühe Bewältigungs...
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Positive Erwartungsaktivierung in der Psychotherapie Der Einfluss von positiver Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie auf frühe Bewältigungserfahrungen und die spätere Anstrengungsbereitschaft bei wenig zuversichtlichen Patienten

Inauguraldissertation der Philosophisch-humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern

Zur Erlangung der Doktorwürde vorgelegt von Sara Güggi-Dürrenberger Von Lupsingen BL und Grenchen SO Selbstverlag Bern 2011

Von der Philosophisch-humanwissenschaftlichen Fakultät auf Antrag von Prof. Dr. Hansjörg Znoj (Hauptgutachter) und Prof. Dr. Martin Grosse Holtforth (Zweitgutachter) angenommen. Bern, den 13.10.2011 
 
 


Der Dekan: Prof. Dr. Franz Caspar 




Hoffnung übt eine Anziehungskraft aus, strahlt als Punkt, dem man nahe sein will, von dem aus man messen will. Zweifel hat keinen Mittelpunkt und ist allgegenwärtig. John Bergner


 
 






ICH DANKE... Hansjörg Znoj dafür, dass er mir eine Dissertation ermöglicht hat, für die Unterstützung beim Themenwechsel und die ruhige und zuversichtliche Art, an mich zu glauben. Martin Grosse Holtforth (und seinem Team) für die fachliche und moralische Unterstützung und Förderung, für die Ermutigungen als die Zweifel dominierten, und dafür, dass er mir vorübergehend Asyl gewährte. Daniel Regli fürs genaue Durchlesen, das Korrektorat und seine in jeder Hinsicht wertvollen hinterfragenden Diskussionen mit mir. Christoph Flückiger für die hilfreiche und wichtige Unterstützung beim Themenwechsel. Kristina Rohde für die hilfreichen Fragen und Anmerkungen zum Einleitungsteil. Marcel Schär für die Einführung in das Statistikprogramm HLM. René Lehmann für die Programmierung der MACE-Maske im Filemaker-Programm. Den Masterstudentinnen Sonja Boxler, Jessin Matthew, Angela Meier und Franziska Zosso für ihre wichtige und umfangreiche Arbeit bei der Datenerfassung. Den MitdoktorandInnen Monica Bachmann, Yvonne Egenolf, Eveline Frischknecht, Katja Hämmerli, Franziska Lüthy, Robert Richardson, Isabelle Schmutz und Franziska Siegenthaler sowie allen MitarbeiterInnen der Psychotherapeutischen Praxisstelle, insbesondere aber Franz Caspar und Suzanne Frischknecht, für die wichtige und nicht selbstverständliche Unterstützung. Mike Constantino für seine Grosszügigkeit im Umgang mit dem Therapiemanual und seine offene Art, mir eine Chance zu ermöglichen. Meiner Familie für die vielfältige Unterstützung und Liebe über all die Jahre. Und schliesslich Nils, meinem Mann, für die Liebe, den nötigen Halt, die wichtige Stabilität und den unbeirrbaren Glauben an mich, ohne das diese aufwendige Arbeit nie hätte zustande kommen können.


 
 






INHALTSVERZEICHNIS 1.
 THEORETISCHER HINTERGRUND .......................................................................... 2
 1.1.
 Ein Multiphasenmodell pragmatischer Veränderungsforschung ............................. 3
 1.1.1.
 Die Wirksamkeit der Allgemeinen Psychotherapie................................................... 5
 1.1.2.
 Die Veränderung in den Ergebnisvariablen............................................................... 8
 1.1.3.
 Definition des Veränderungsmechanismus ............................................................. 11
 1.1.4.
 Die

Prüfung

des

Veränderungsmechanismus:

empirische

Befunde

zur

Anstrengungsbereitschaft ..................................................................................................... 13
 1.1.5.
 Die Ableitung des patientenbezogenen Veränderungsprozesses: die positiven Bewältigungserfahrungen ..................................................................................................... 14
 1.1.6.
 Die Entstehung des patientenbezogenen Veränderungsprozesses durch den therapiebezogenen Veränderungsprozess positive Erwartungsaktivierung.......................... 15
 1.1.6.1.
 Der Moderator Besserungserwartung vor der Therapie.................................... 20
 1.1.7.
 Zusammenhänge von therapie- und patientenbezogenen Veränderungsprozessen identifizieren – Ein vorläufiges Fazit.................................................................................... 21
 1.2.
 Psychologie der Erwartung ......................................................................................... 22
 1.2.1.
 Übergeordnete Prinzipien, Prozesse und Variablen der Erwartungstheorien.......... 23
 1.2.1.1.
 Die Verhalten-Ergebniserwartung .................................................................... 24
 1.2.1.2.
 Die Stimulus-Ergebniserwartung ...................................................................... 25
 1.2.1.3.
 Die Selbstwirksamkeitserwartung..................................................................... 26
 1.2.1.4.
 Der Ergebniswert, Ziele und Intentionen .......................................................... 26
 1.2.1.5.
 Attributionen, Kompetenzen und Emotionen ................................................... 27
 1.2.1.6.
 Die Hoffnungstheorie von Snyder .................................................................... 27
 1.2.2.
 Die Reaktionserwartungstheorie von Kirsch ........................................................... 29
 1.2.2.1.
 Ein integratives Erwartungsmodell ................................................................... 31
 1.2.2.2.
 Zusammenfassung mit Fazit für die Psychotherapiesituation........................... 32
 1.3.
 Die Psychotherapieforschung ...................................................................................... 33
 1.3.1.
 Was ist Prozessforschung? ...................................................................................... 34
 2.
 FRAGESTELLUNG UND HYPOTHESEN................................................................. 37
 3.
 METHODE ...................................................................................................................... 41
 3.1.
 Die Stichprobe............................................................................................................... 41
 3.1.1.
 Die Gesamtstichprobe der Psychotherapeutischen Praxisstelle der Universität Bern 41
 I
 


3.1.2.
 Auswahlverfahren und Beschreibung der Teilstichprobe........................................ 42
 3.2.
 Messung des Therapieergebnisses............................................................................... 44
 3.2.1.
 Direkte und indirekte Erfassung des Therapieergebnisses ...................................... 44
 3.2.1.1.
 Das Brief Symptom Inventory von Derogatis (BSI)......................................... 46
 3.2.1.2.
 Der Inkongruenzfragebogen (INK)................................................................... 47
 3.2.1.3.
 Das Goal Attainment Scaling (GAS) ................................................................ 47
 3.2.1.4.
 Der Veränderungsbogen des Erlebens und Verhaltens (VEV-VW) ................. 48
 3.3.
 Messung der Anstrengungsbereitschaft und positive Bewältigungserfahrungen .. 49
 3.3.1.
 Die Berner Patienten- und Therapeutenstundenbogen PSTB und TSTB ................. 49
 3.4.
 Messung der Erwartungsaktivierung ......................................................................... 51
 3.4.1.
 Aufbau und Entstehung des Ratingmanuals MACE ................................................ 51
 3.4.1.1.
 Die Generierung der MACE-Kategorien .......................................................... 52
 K01: Positive Erwartungen (Hoffnung / Zuversicht) ................................................................................ 54
 K02: Negative Erwartungen (Befürchtungen) .......................................................................................... 54
 K03: Positive Erwartungen bezüglich der Behandlung ............................................................................ 54
 K04: Negative Erwartungen bezüglich der Behandlung ........................................................................... 55
 K05: Hilflosigkeit...................................................................................................................................... 55
 K06: Verbesserungen in Richtung Ziel ..................................................................................................... 55
 K07: Vergangene Lernerfahrungen........................................................................................................... 55
 K08: Problemlösungswege (pathway)....................................................................................................... 56
 K09: Selbstwirksamkeitserwartung (agency)............................................................................................ 56
 K10: Normalisieren ................................................................................................................................... 56
 K11: Rahmenbedingungen / Informationen .............................................................................................. 56
 K12: Therapierationale und Psychoedukation .......................................................................................... 57
 K13: Stundenratings .................................................................................................................................. 57


3.5.
 Messung der Besserungserwartung ............................................................................ 57
 3.6.
 Vorgehen ....................................................................................................................... 58
 3.6.1.
 Vorgehen

in

Anlehnung

an

das

Multiphasenmodell

pragmatischer

Veränderungsforschung (Doss, 2004) .................................................................................. 58
 3.6.2.
 Die Datenerhebung der MACE-Daten ..................................................................... 60
 3.6.2.1.
 Die Rater ........................................................................................................... 60
 3.6.2.2.
 Beurteilerübereinstimmung (Interraterreliabilität)............................................ 61
 3.6.2.3.
 Ratertraining...................................................................................................... 63
 3.6.2.4.
 Die Datenerhebung ........................................................................................... 64
 3.6.2.5.
 Aufarbeitung der MACE-Daten........................................................................ 65
 3.7.
 Datenanalyse ................................................................................................................. 65
 
 
 




II

3.7.1.
 Fehlende Werte ........................................................................................................ 65
 Exkurs: Über den Umgang mit fehlenden Werten............................................................ 67
 Der Ausschluss von Fällen ........................................................................................................................ 67
 Paarweiser Ausschluss fehlender Werte.................................................................................................... 68
 Ersetzen fehlender Werte durch den Mittelwert........................................................................................ 68
 Maximum Likelihood-Methoden .............................................................................................................. 69
 Multiple Imputation................................................................................................................................... 70
 Zusammenfassung und Fazit zum Umgang mit fehlenden Werten .......................................................... 70


3.7.2.
 Versuchsplan............................................................................................................ 71
 Exkurs: Regressionsanalyse .............................................................................................. 71
 Der Beta-Wert ........................................................................................................................................... 72
 Der t-Wert.................................................................................................................................................. 72
 Das Bestimmtheitsmass............................................................................................................................. 72
 Die F-Statistik............................................................................................................................................ 73
 Der Standardfehler .................................................................................................................................... 73


3.7.3.
 Modellformulierungen für Hypothesen 1.1 und 1.2 ................................................ 74
 Exkurs: Modellierung von individuellen Unterschieden mit Mehrebenenmodellen ........ 75
 Vorteile gegenüber herkömmlichen Methoden wiederholter Messung .................................................... 77


3.7.4.
 Modellformulierungen für Hypothese 2 .................................................................. 78
 Die abhängige Variable Y ij posBew ......................................................................................................... 79
 Die Prädiktorvariable posEA.2.................................................................................................................. 79
 Die Moderatorvariable BE ........................................................................................................................ 79
 Das Messwiederholungsmodell (Level 1) ................................................................................................. 80
 Das Personenebenenmodell (Level 2) ....................................................................................................... 80
 Das unbedingte Mittelwertmodell (Basismodell)...................................................................................... 81
 Das bedingte Mittelwertmodell ................................................................................................................. 82
 Das unbedingte Wachstumsmodell ........................................................................................................... 82
 Das bedingte Wachstumsmodell ............................................................................................................... 84


3.7.5.
 Multiples Testen ...................................................................................................... 84
 3.7.6.
 Einseitiges Testen .................................................................................................... 86
 4.
 ERGEBNISSE ................................................................................................................. 87
 4.1.
 Ergebnisse zur Operationalisierung von Erwartungsaktivierung und deren Zusammenhang mit dem Therapieergebnis ........................................................................ 87
 4.1.1.
 Interraterreliabilität .................................................................................................. 87
 4.1.2.
 Die positive Erwartungsaktivierung ........................................................................ 88
 4.2.
 Ergebnisse zur Validierung des Therapieprozessmodells früher Veränderungen bei Patienten mit geringer Besserungserwartung ............................................................... 90
 
 
 




III

4.2.1.
 Die Wirksamkeit der untersuchten Therapie ........................................................... 92
 4.2.2.
 H1.1: Vorhersage des Therapieergebnis durch die spätere Anstrengungsbereitschaft und

Vorhersage

der

Anstrengungsbereitschaft

durch

frühe

positive

Bewältigungserfahrungen ..................................................................................................... 93
 Einschub: Post hoc explorative Mediatoranalyse ............................................................. 95
 4.2.3.
 H1.2: Vorhersage der frühen positiven Bewältigungserfahrungen durch positive Erwartungsaktivierung

zu

Beginn

der

Therapie

bei

Patienten

mit

geringer

Besserungserwartung ............................................................................................................ 97
 4.3.
 Ergebnisse zur Vorhersage interindividueller Unterschiede von positiven Bewältigungserfahrungen durch die positive Erwartungsaktivierung bei Patienten mit geringer Besserungserwartungen........................................................................................ 101
 4.3.1.
 Vorbedingung (a): Unterschiede zwischen den Patienten im Verlauf von positiven Bewältigungserfahrungen in den ersten zehn Sitzungen .................................................... 102
 4.3.1.1.
 Modell A: Das unbedingte Mittelwertmodell = Basismodell ......................... 102
 4.3.2.
 Vorbedingung (b): Vorhersage der Mittelwertunterschiede zwischen den Patienten in frühen positiven Bewältigungserfahrungen durch das Ausmass an positiver Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie ................................................................. 103
 4.3.2.1.
 Modell B: Das bedingte Mittelwertmodell ..................................................... 103
 4.3.3.
 Vorbedingung

(c):

Form

der

Verlaufskurve

von

frühen

positiven

Bewältigungserfahrungen ................................................................................................... 106
 4.3.3.1.
 Modell C: Das unbedingte Wachstumsmodell................................................ 106
 4.3.4.
 H2: Vorhersage der interindividuellen Unterschiede in frühen positiven Bewältigungserfahrungen durch das Ausmass an positiven Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie bei Patienten mit geringer Besserungserwartung.............................. 109
 4.3.4.1.
 Modell D: Das bedingte Wachstumsmodell ................................................... 109
 5.
 DISKUSSION ................................................................................................................ 115
 5.1.
 Das

Therapiemodell

früher

Veränderungen

bei

Patienten

mit

geringer

Besserungserwartung ........................................................................................................... 116
 5.1.1.
 Zur Wirksamkeit der Therapie............................................................................... 117
 5.1.2.
 Zum Veränderungsmechanismus Anstrengungsbereitschaft................................. 118
 5.1.3.
 Zum patientenbezogenen Veränderungsprozess positive Bewältigungserfahrungen 121
 5.1.4.
 Zum therapiebezogenen Veränderungsprozess positive Erwartungsaktivierung .. 122
 5.1.5.
 Zusammenfassung und Integration........................................................................ 126
 
 
 




IV

5.2.
 Positive Erwartungen in der Psychotherapie........................................................... 131
 5.3.
 Methodische Überlegungen ....................................................................................... 132
 5.3.1.
 Zum Design der Studie .......................................................................................... 132
 5.3.2.
 Zu den verwendeten Methoden.............................................................................. 134
 5.3.3.
 Zur Validität der Ergebnisse .................................................................................. 136
 5.4.
 Zusammenfassung und Ausblick .............................................................................. 138
 6.
 REFERENZEN.............................................................................................................. 140



 
 




V



VORWORT

„Therapists have certain epectations of how patients will act, and their behavior may influence patients to act in ways that confirm their expectations”. (Frank & Frank, 1991)

„We see what we want to see”. Diese Verzerrung der Informationsverarbeitung beschreibt den Effekt, dass Menschen sich oft in einer Art und Weise verhalten, die ihre eigenen Erwartungen erfüllen (auch self-fulfilling prophecy genannt). Ich selber hatte gewisse Erwartungen bezüglich dieser Arbeit. Diese sind bei der Entstehung der Schrift miteingeflossen. Es bleibt dem Leser vorbehalten, zu spekulieren, um welche Art der Erwartungen es sich handelt. Doch eines steht fest: Auch ich stand am Anfang der Dissertation mit einem mir sehr wichtigen Ziel (der Promotion), zu dessen erfolgreichen Erreichung mir die einzelnen Schritte nur sehr vage und undeutlich vorlagen. Meine Situation war damit vergleichbar mit der einer Patientin zu Beginn einer Psychotherapie. Ich wusste, ich werde mein Ziel erreichen! Frühe Bewältigungserfahrungen (etwa, als ich ein interessantes Thema gefunden habe, mit dem ich mich beschäftigen wollte) haben dann meine Motivation angeregt und zu mehr Anstrengungsbereitschaft verholfen. Als ich schliesslich nach zwei Jahren Projektarbeit einen herben Rückschlag einstecken musste (da kurz vor dem Start deutlich wurde, dass sich das geplante Projekt nicht umsetzen liess), sank auch meine Anstrengungsbereitschaft auf ein zwischenzeitliches Tief. An Aufgeben habe ich aber dennoch nie gedacht. Ich glaubte an die Erreichung meines Ziels. Diese positiven Erwartungen führten zu weiteren Bewältigungserfolgen (mit der Festlegung eines neuen Themas und dem Hinzuziehen von Peer-Empfehlungen), und die Bereitschaft, mich ins Zeug zu legen, kam zurück. Nun stehe ich hier, am Ende meiner Dissertationszeit und verfasse diese Zeilen mit einer gewissen Zufriedenheit. Wie wären die letzten vier Jahre verlaufen, wenn ich nicht an die Erreichung des Ziels geglaubt hätte? Wenn meine Erfolgserwartungen nur gering vorhanden gewesen wären? Ich hätte mir wohl gewünscht, dass andere mir geholfen hätten, meine positiven Erwartungen zu aktivieren, indem sie an mich geglaubt und mich auf erfolgreiche Zwischenschritte hingewiesen hätten. Genau diese explizit ausgedrückte Unterstützung war es, die mir geholfen hat, auch beim zwischenzeitlichen Tief, den Glauben an die Zielerreichung nie zu verlieren. Ich wünschte mir, Psychotherapiepatienten1 ginge es genauso. Insbesondere den Psychotherapiepatienten mit wenig Besserungserwartung.

1

Die männliche Form gilt in der ganzen Arbeit für jeweils beide Geschlechter. 1





1.



1. Theoretischer Hintergrund

THEORETISCHER HINTERGRUND Psychotherapie wirkt. Diese Aussage lässt sich heutzutage mit gutem Gewissen festhal-

ten, denn ihren Wirkungsnachweis hat die Psychotherapie schon mehrfach erbracht (Grawe, 1998; Grawe, Donati & Bernauer, 1994; R. P. Greenberg, Constantino & Bruce, 2006; Lambert, 2004; Lambert & Bergin, 1994). Doch wie wirkt sie? Was braucht es, damit eine psychische Störung sich bessert? Wie ändert sich ein Mensch? Mit diesen Fragen wird die Wirkungsweise von Psychotherapie angesprochen. Obwohl gut belegt ist, dass die Psychotherapie wirkt, gibt es noch immer grosse Lücken im Verständnis darüber, wie sie wirkt. Verschiedene Therapieschulen haben verschiedene Vorstellungen darüber, wie Veränderungen zustande kommen. So sieht zum Beispiel ein psychoanalytisch orientierter Therapeut die Überwindung einer Störung in der Bearbeitung unbewusster Konflikte aus frühkindlichen Erfahrungen. Ein stärker verhaltenstherapeutisch ausgerichteter Therapeut hingegen wird versuchen, direkt beim Verhalten anzusetzen und spezifische Fertigkeiten (Skills) zu vermitteln, die erlernte, ungünstige Verhaltensweisen wieder „löschen“ sollen. Für eine therapieschulübergreifende Allgemeine Psychotherapie beschreibt Grawe vier grundlegende Wirkfaktoren, die für alle Therapien identisch sind: die Ressourcenaktivierung, die Problemaktivierung, positive Klärungserfahrungen und positive Bewältigungserfahrungen (Grawe, 1998, 2004). Durch ihre Realisierung sollen Patienten zu mehr bedürfnisbefriedigenden Erfahrungen kommen, wodurch sich das Niveau an erlebter Spannung (Inkongruenz) reduzieren soll. Die zentrale Rolle der Therapiebeziehung ist dabei unbestritten und durch zahlreiche Forschung belegt (z.B. Norcross, 2002). Ebenso zentral ist die Veränderungsmotivation bzw. Anstrengungsbereitschaft auf Seiten des Patienten (Grawe, 1998; Grosse Holtforth, 2008; Orlinsky, Grawe & Parks, 1994; Schulte & Eifert, 2002). Erwartung-mal-Wert-Modelle suggerieren als Produkt von Valenz und Erwartung die Motivation, die sich ausdrückt im Grad der Anstrengungsbereitschaft. Diese volitionale Kraft wird multipliziert mit der erwarteten Fähigkeit, das gewünschte Ergebnis auch tatsächlich zu erreichen (Bandura, 1977; Heckhausen, 1977; Rotter, 1954; Vroom, 1964). So wird die Förderung der Anstrengungsbereitschaft von verschiedenen Therapieforschern als wichtiger Veränderungsmechanismus in der Psychotherapie angesehen (Bandura, 1977; Grawe, 1998, 2004; Miller & Rollnick, 2002). Die Anstrengungsbereitschaft wird durch empirische Ergebnisse in Zusammenhang mit frühen positiven Bewältigungserfahrungen und der Zielerreichung gebracht (Bandura, 1977; Ryan & Deci, 2000). Wie schon bei Grawe werden positive Bewältigungserfahrungen für 
 
 




2





1. Theoretischer Hintergrund

einen Veränderungsprozess als notwendig angesehen. Doch wie positive Bewältigungserfahrungen zu Beginn der Therapie angestossen werden können, blieb bisher unbeantwortet. Hinsichtlich dieser Fragestellung vielversprechend ist die Einflussnahme auf die positiven Bewältigungserfahrungen über die gezielte Aktivierung von positiven Therapie- und Besserungserwartungen, die bisher trotz ihrer in allen Therapieformen allgemeinen Gültigkeit stiefmütterlich behandelt worden ist (Weinberger & Eig, 1999). Erwartungen haben sich in zahlreichen Untersuchungen als einflussreiche Variable mit Effekte auf das Erleben und Verhalten sowie auch direkt auf das Ergebnis der Psychotherapie gezeigt (Arnkoff, Glass & Shapiro, 2002; Constantino, Arnkoff, Glass, Ametrano & Smith, 2011; Dew & Bickman, 2005; A. P. Goldstein, 1960a, 1960b; R. P. Greenberg et al., 2006; Mondloch, Cole & Frank, 2001; Schulte, 2008). Unter Besserungserwartungen in der Therapie wird also eine universell auftretende Variable verstanden, die therapieschulenübergreifend ihre Wirkung entfalten kann und sich nach bisherigem Forschungsstand sowohl auf den Therapieprozess als auch das Therapieergebnis auswirkt. Aus Sicht der Forschung und des Erkenntnisgewinns ist es in einem solchen Fall dringend notwendig zu verstehen, durch welchen Mechanismus (oder Prozesse) Erwartungen in der Therapie wirken. Aus Sicht der Anwendung ist es von grossem Wert, zu wissen, wie die Wirkung von Erwartungen in der Therapie vorteilhaft genutzt werden kann. Da die Psychotherapie, wie alle komplexen Systeme, nicht direkt zugänglich ist, muss sie erschlossen werden. Ein geeignetes Modell für eine systematische Erschliessung der Psychotherapiewirkungsweise wird von Doss (2004) vorgeschlagen und dient der vorliegenden Arbeit als Orientierungsgrundlage.

1.1.

Ein Multiphasenmodell pragmatischer Veränderungsforschung Doss (2004) beschreibt drei wichtige Komponenten der Veränderung in einer Psycho-

therapie: Veränderungsprozesse, Veränderungsmechanismen und das Therapieergebnis2 (Abb. 1.1). Veränderungsprozesse definiert er als die aktiven Bestandteile einer Therapie, die während der Sitzung oder als direkte Folge von Therapiehausaufgaben stattfinden. Doss unterscheidet hier therapiebezogene und patientenbezogene Veränderungsprozesse. Erstere sind die aktiven Zutaten einer Behandlung, die sich auf patientenbezogene Veränderungsprozesse auswirken. Diese wiederum werden als Verhaltens- oder Erlebensqualitäten beim Patienten 2

Die Begriffe wurden von der Verfasserin der Arbeit aus dem Englischen übersetzt. Im Original lauten sie: therapy / client change processes, change mechanisms, therapy outcome. 
 
 
 
 3





1. Theoretischer Hintergrund

mit einem direkten positiven Effekt auf den Veränderungsmechanismus beschrieben. Da alle Veränderungsprozesse mit der Ausnahme von Therapiehausaufgaben in der Sitzung stattfinden, sollten diese auch während der Sitzung gemessen werden. Neu erlernte Fertigkeiten oder veränderte Charakteristiken, die ausserhalb der Sitzung stattfinden und deshalb nicht unter der direkten Kontrolle des Therapeuten liegen, werden den Veränderungsmechanismen zugeschrieben. Veränderungsmechanismen sind Veränderungen beim Patienten in einer Haltung oder Fähigkeit, auf die der Therapeut keinen direkten Einfluss hat und wodurch schliesslich die Therapieziele erreicht werden können.

Abbildung 1.1. Multiphasenmodell nach Doss (2004).

Der Ansatz von Doss (2004) bietet eine Orientierungshilfe, womit sich Veränderungsprozesse von komplexen Systemen mittels rational-empirischem Vorgehen studieren lassen. Doss greift damit die Forderung nach einer Zerlegung und Lokalisierung der Veränderungsprozesse und -mechanismen auf, die schon andernorts von namhaften Psychotherapieforschern proklamiert worden sind (z.B. bei L. S. Greenberg & Foerster, 1996; L. S. Greenberg & Newman, 1996; L. S. Greenberg, Rice & Elliott, 1996; Safran, Greenberg & Rice, 1988). Auch Doss fordert eine programmatische Veränderungsforschung. Er beschreibt vier Phasen, die sich wiederum in zehn Schritte unterteilen lassen. Die erste Phase gilt der Erschaffung einer Basis für die Erforschung von Veränderungsvorgängen. In einer zweiten und dritten Phase soll zuerst der Veränderungsmechanismus, schliesslich der Veränderungsprozess verstanden werden. Erst dann kann in einer letzten Phase das Verständnis über die Veränderung zur Anwendung gelangen. Der Systematik von Doss folgend, wird die vorliegende Arbeit nach den folgenden Schritten aufgebaut: Schritt 1: die Wirksamkeit der Behandlung festlegen, Schritt 2: die Veränderung in der Ergebnisvariablen verstehen, Schritt 3: den Veränderungsmechanismus definieren und operationalisieren, Schritt 4: den Veränderungsmechanismus prüfen, Schritt 5: 
 
 




4





1. Theoretischer Hintergrund

wichtige patientenbezogene Veränderungsprozesse ableiten, Schritt 6: die Entstehung des patientenbezogenen Veränderungsprozesses modellieren, Schritt 7: Zusammenhänge von therapie- und patientenbezogenen Veränderungsprozess identifizieren. Doss beschreibt weiter die Schritte 8 bis 10, die eine experimentelle Manipulation des therapiebezogenen Veränderungsprozesses, eine Generalisierung auf therapeutische Veränderungsprozesse und Erforschung dieser Generalisierung beinhalten. Diese Schritte müssten nach einer Bestätigung der hier angenommenen Veränderungsprozesse und -mechanismus folgen. Für den jetzigen Stand der Forschung wären die Schritte 8 bis 10 noch verfrüht.

1.1.1.

Die Wirksamkeit der Allgemeinen Psychotherapie Der für die vorliegende Arbeit relevante theoretische Bezugsrahmen zum Verständnis

menschlichen Verhaltens und menschlicher Veränderungsprozesse ist das Konsistenztheoretische Modell von Klaus Grawe (1997, 1998, 2004), auf dessen Prinzipien die Allgemeine Psychotherapie basiert. Dieses soll nachfolgend zusammengefasst und prägnant im Hinblick auf die für diese Arbeit relevanten Aspekte dargestellt werden. Nach der Konsistenztheorie wird das psychische Geschehen als ein sich selbst parallelsimultan organisierendes System verstanden, das auf oberster Ebene nach Konsistenz in den psychischen Prozessen strebt. Konsistenz nach der Konzeption der Konsistenztheorie entsteht, wenn eine wirksame und ausgewogene Bedürfnisbefriedigung stattfindet. Für diese Bedürfnisbefriedigung von zentraler Bedeutung ist eine begrenzte Anzahl von Grundbedürfnissen, die universell für alle Menschen gelten. Grawe nennt in Anlehnung an Epstein (1990, zitiert nach Grawe, 1998) und gestützt auf eine breite empirische Basis vier gleichberechtigte Grundbedürfnisse. Es sind dies: (1) das Bedürfnis nach Orientierung / Kontrolle, (2) das Bedürfnis nach Lustgewinn / Unlustvermeidung, (3) das Bindungsbedürfnis und (4) das Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung / -schutz (vgl. Abb. 1.2). Diese geben den so genannten motivationalen Schemata Sollwerte vor. Motivationale Schemata sind die „implizite Theorie eines Menschen darüber, was er tun muss, um seinen Bedürfnissen gerecht zu werden“ (Grawe, 1998, S. 383). Sie sind darauf ausgerichtet, etwas anzustreben (Annäherungsschema mit Annäherungszielen) oder aber etwas zu vermeiden (Vermeidungsschema mit Vermeidungszielen), um eine möglichst ausgeglichene Bedürfnisbefriedigung zu garantieren. Motivationale Schemata umfassen bestimmte (neuronale) Bereitschaften, die sich in motivationale Bereitschaften, bestimmte Handlungsbereitschaften, Wahrnehmungsbereitschaften und emotionale Reaktionsbereitschaften einteilen lassen. Diese entstehen im Laufe der individuellen Entwick
 
 




5





1. Theoretischer Hintergrund

lung. So sind sie für jeden Menschen in ihrer Ausdifferenzierung einzigartig, obwohl übergeordnet vielen Individuen gemeinsame motivationale Schemata zur Befriedigung der universellen Grundbedürfnisse bestehen (z.B. die Intention zur Bindung). Es ist bei Grawe die Zielkomponente der neuronalen Bereitschaften, die das Schema zu einer Funktionseinheit verbindet. Den Annäherungs- bzw. Vermeidungszielen werden auch unterschiedliche Systeme der Selbstregulation zugeschrieben. Mit Annährungszielen wird die Anwesenheit erwünschter Ergebnisse maximiert, während mit Vermeidungszielen die Anwesenheit unerwünschter Ergebnisse minimiert wird (Carver & Scheier, 2002; Grosse Holtforth & Grawe, 2003). Das Annäherungsziel „eine intime Beziehung einzugehen“ besteht zum Beispiel, wenn es für einen Menschen ein grosses Bedürfnis ist, sich fest zu binden und den richtigen Partner zu finden. Demgegenüber steht bei einer anderen Person jedoch vielmehr das Vermeidungsziel „alleine zu sein“ im Vordergrund. Das beobachtbare Verhalten dieser beiden unterschiedlich motivierten Personen unterscheidet sich vielleicht nicht. Beide Personen werden versuchen, z.B. durch das Aufsuchen geeigneter Orte oder Institutionen, eine Beziehung einzugehen oder diese durch Gefälligkeiten für den Partner zu halten. Während die erste Person dies jedoch annäherungsmotiviert tut („gehe eine intime Bindung ein!“), handelt die zweite Person mit dem Vermeidungsschema vermeidungsorientiert („vermeide, alleine zu sein!“). Es ist für das therapeutische Vorgehen von zentraler Bedeutung, die Motivation hinter dem Verhalten zu explorieren, denn es sollen die Annäherungsziele gestärkt und die Vermeidungsziele geschwächt werden. Die Reduktion von Vermeidungszielen und die Stärkung von Annäherungszielen werden mit einer besseren Bedürfnisbefriedigung und somit mit einem besseren Therapieergebnis assoziiert (Grosse Holtforth, Grawe & Castonguay, 2006; Grosse Holtforth, Grawe, Egger & Berking, 2005; Grosse Holtforth, Grawe, Fries & Znoj, 2008). Die Konsistenztheorie lässt sich hierarchisch als ein bottom-up-aktivierter Prozess darstellen (Abb. 1.2). Auf unterster Ebene, der Realisierungsebene, steht das aktuelle Erleben und Verhalten eines Menschen. Die auf der Realisierungsebene entstehenden Wahrnehmungen werden kontinuierlich hinsichtlich der Grundbedürfnisse und Konsistenz im Geschehen bewertet (dazu liefern die motivationalen Schemata die Sollwerte). Parallel laufende Feedback-Schlaufen sorgen für die Selbstorganisation des Systems. Diese Prozesse können sowohl in einem bewussten wie auch impliziten Funktionsmodus ablaufen. Durch Verletzungen der Grundbedürfnisse gerät das System aus dem Gleichgewicht und führt in der Sprache von Grawe zu einer Inkonsistenz. Es wird angenommen, dass die Inkonsistenzspannung durch das Bedürfnis nach Unlustvermeidung zu Vermeidung und Verdrängung der inkongruenten Wahrnehmungen führt, wodurch letztendlich immer mehr Konflikte zwischen psychischen 
 
 




6





1. Theoretischer Hintergrund

Prozessen zustande kommen. Diese führen schliesslich zu dauerhaften Dysregulationen, die sich in psychischen oder psychosomatischen Symptomen und Störungen niederschlagen (Grawe, 1998, 2004).

Abbildung 1.2. Konsistenztheoretisches Modell nach Grawe (1998, 2004).

Aus diesem Funktionsmodell des psychischen Geschehens werden von Grawe (1998, 2004) für die Psychotherapie einige Schlussfolgerungen gezogen. Das Ziel, das sich aus dem Konzept der Allgemeinen Psychotherapie (Grawe, 1995) bildet, ist es, dem Patienten bedürfnisbefriedigende Erfahrungen zu ermöglichen (Streben nach Konsistenz) und so die Inkongruenz zwischen den aktivierten motivationalen Zielen und der realen Wahrnehmung zu verringern. Der Therapeut soll sich dafür als Teil der Umgebung auf der Realisierungsebene zum Patienten in Beziehung setzen und von den Wahrnehmungen ausgehen, die dieser macht. Es wird angenommen, dass Inkongruenzreduktion in verschiedenen Bereichen zu einer Verringerung des Gesamtinkongruenzniveaus und damit zu einer Verringerung der Symptombelastung und einer Verbesserung des Wohlbefindens führen kann. Bei einer Stichprobe von Psychotherapiepatienten mit erhöhten Inkongruenz-Ausgangswerten waren hohe Effekte für die Verringerung der Inkongruenz durch die Therapie festgestellt worden. Darüber hinaus zeigten sich 
 
 




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1. Theoretischer Hintergrund

positive Zusammenhänge zwischen der Inkongruenzveränderung und anderen Veränderungen, die während der Therapie eintraten. So sind Inkongruenzveränderung und die Veränderung in der Symptombelastung deutlich miteinander korreliert. Bei nach Annäherungszielen und Vermeidungszielen getrennter Inkongruenz zeigte sich, dass die positiven Veränderungen enger mit einer Verringerung der Annäherungsinkongruenz zusammenhängen als mit der Abnahme der Vermeidungsinkongruenz (Grawe, 2004). Die Wirksamkeit der Allgemeinen Psychotherapie, die als zentrales Ziel die Reduktion von Inkonsistenz vorsieht, hat sich sowohl in der Praxis als auch Empirie bestätigt (Fries, 2005; Gassmann, 2002; Grawe, Caspar & Ambühl, 1990; Grosse Holtforth et al., 2008; Regli, Flückiger & Grawe, 2004; Smith & Grawe, 2003).

1.1.2.

Die Veränderung in den Ergebnisvariablen Wie im vorausgehenden Kapitel eben beschrieben worden ist, werden mit der Allge-

meinen Psychotherapie positive Veränderungen erzielt, die sich messen lassen. Für das genaue Verständnis dieses Ergebnisses, d.h. die Veränderung, müssen zunächst die einzelnen Ergebnisvariablen definiert werden. Das Ergebnis einer Psychotherapie ist vielseitig und variationsreich. Abhängig von dem individuellen Ausgangsniveau und den individuellen Zielen besteht das dauerhafte Makroergebnis (Orlinsky et al., 1994) nach einem längeren Therapieprozess aus einer Veränderung (Besserung) hinsichtlich eines oder mehrerer Problembereiche. Ganz allgemein soll mit der Psychotherapie die Demoralisierung überwunden und mehr Gelassenheit und Optimismus erlangt werden (Frank & Frank, 1991). Die Reduktion von Symptomen und Inkongruenzerleben, die Erreichung der festgelegten Ziele und der Aufbau von allgemeinem Wohlbefinden sind therapieschulenübergreifende Ergebnisvariablen. Für die Feststellung einer Veränderung in diesen Variablen ist es mithin wichtig, das Ausgangsniveau sowie die Zielbereiche zu Beginn der Therapie (verbal oder schriftlich) zu definieren. Es wird angenommen, dass Psychotherapie in Phasen oder Stufen verläuft, in denen unterschiedliche Veränderungen stattfinden bzw. unterschiedliche Therapieziele angestrebt werden. Howard, Lueger, Maling & Martinovich (1993) beschreiben in ihrem Phasenmodell der Veränderung eine erste Phase der Wiederherstellung des subjektiven Wohlbefindens (remoralization), eine zweite Phase der Symptomreduktion (remediation) sowie eine dritte Phase der Verbesserung des allgemeinen Funktionsniveaus (rehabilitation). Damit definieren auch sie als Therapieergebnis die Remoralisierung, die Symptomreduktion und die Verbesserung in der allgemeinen Funktionsfähigkeit. Am Ende einer jeden Phasen steht auch ein Mikroergebnis, das im Ge
 
 




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1. Theoretischer Hintergrund

gensatz zum Makroergebnis nicht mit den selben Ergebnisvariablen erhoben werden kann. So wird bei Abschluss der ersten Phase nach Howard et al. (1993) noch nicht mit einer Symptomreduktion und Verbesserung des allgemeinem Funktionsniveaus gerechnet. Die erste Phase der Therapie hat aber einen wichtigen Stellenwert, da sie häufig über das Fortbestehen der Therapie entscheidet. Es wird Patienten geben, die über die nötigen Ressourcen verfügen, sich selber zu remoralisieren und viel Hoffnung und Zuversicht auf Besserung in die Therapie mitbringen. Ein Teil der Patienten wird jedoch mit nur geringer Besserungserwartung in die Therapie kommen. Wie gelingt da die Remoralisierung in der ersten Therapiephase? Es gilt hier also, die Unterschiede in den Ergebnisvariablen in Abhängigkeit der jeweiligen Therapiephase bei der Festlegung der Ergebnisvariablen zu beachten. Frank und Frank (1991), auf die sich auch Howard et al. in ihrem Phasenmodell beziehen, sehen in der Bekämpfung der Demoralisierung (combat demoralization) für alle Psychotherapieformen gemeinsame Aspekte, die zur frühen Remoralisierung beitragen. Diese sind: (a) eine emotional beladene, vertrauenswürdige Beziehung zu einer helfenden Person, (b) eine heilende Umgebung (Setting), (c) ein konzeptionelles Schema oder Rationale für eine plausible Erklärung der Symptome und (d) ein Ritual oder eine Prozedur im Umgang mit diesen Symptomen, die sowohl den Therapeuten als auch den Patienten umfasst und von deren Nützlichkeit beide überzeugt sind. Diese Rituale und Konzepte bekämpfen die Demoralisierung laut Frank und Frank, indem sie die therapeutische Beziehung stärken, Besserungserwartungen inspirieren, neue Lernerfahrungen ermöglichen, den Patienten emotional erfassen und indem sie Möglichkeiten zum Ausprobieren und Üben bieten. Gerade bei Patienten mit geringen Besserungserwartungen zu Beginn einer Therapie sollten diese Aspekte besonders effektvoll sein. Hinweise dafür liefern Studien zu Therapievorbereitungsgespräche, die positive Effekte solcher Gespräche auf das Therapieergebnis und verschiedene Prozessmasse zeigen (Mathier, 2005). So erzielten zum Beispiel Patienten in einer Studie mit ambulanten Psychotherapiepatienten, die ein Therapievorbereitungsgespräch führten, das dazu angelegt war, die Erwartungen der Patienten dem anzupassen, was sie tatsächlich erwarten konnten, ein besseres Therapieergebnis als Kontrollpersonen ohne ein derartiges Vorbereitungsgespräch (Hoehn-Saric et al., 1964). Nicht immer muss explizit ein Therapievorbereitungsgespräch stattfinden. Vielmehr können spezifische Erwartungen in den ersten Therapiesitzungen thematisiert und gegebenenfalls angepasst werden. Diese Möglichkeit wird z.B. von Constantino, Klein und Greenberg (2006) in ihrem Therapiemanual zur Erwartungsaktivierung vorgeschlagen (Näheres dazu in Kapitel 1.1.6). Es ist das Ziel dieses Kapitels, die Veränderung in der Ergebnisvariable zu verstehen 
 
 




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1. Theoretischer Hintergrund

(Doss, 2004). Aus diesem Grund sollen an dieser Stelle zeitliche, technische und quantitative Aspekte der Veränderung in den Ergebnisvariablen noch näher beleuchtet werden. Trotz der verschiedenen genannten Ergebnisvariablen, sei es in einer bestimmten Therapiephase oder in Bezug auf das Makroergebnis, wird in der Literatur vornehmlich auf die Symptomreduktion eingegangen. Demzufolge steht diese auch im Fokus der folgenden Ausführungen. Im Hinblick auf zeitliche Aspekte der Symptomveränderung fanden diese nach einer Untersuchung von Howard et al. (1993) graduell und erst als zweite Phase im Therapieverlauf statt, nachdem es in einer ersten Phase zu einer Veränderung im subjektiven Wohlbefinden gekommen ist. Markante Veränderungen im subjektiven Wohlbefinden zeigten sich dagegen schon in Sitzung 2. Ilardi und Craighead (1994) fanden in ihrem Review über acht relevante Studien der kognitiv-verhaltenstherapeutische Therapie (KVT) der Depression, dass annähernd die Hälfte des Therapieerfolgs in den ersten sechs Sitzungen stattfand – noch bevor spezifische Therapietechniken der KVT zur Anwendung kamen. Mit der Berechnung einer Symptomsverlaufskurve für alle acht Studien berechneten sie den Prozentanteil der Veränderung in der depressiven Symptomatik während der ersten Sitzungen. Der höchste Grad an Verbesserung ereignete sich in den ersten drei Wochen mit 60 bis 80 % Verbesserung in der Symptomatik (bis Sitzung 8 mit zwei Sitzungen pro Woche). Zum gleichen Ergebnis kommen Hayes et al. (2007) mit ihrer Studie zu Therapieverläufen der emotionsbasierten kognitiven Therapie (EBCT) für Depression. Diese Forscher fanden einen linearen Symptomrückgang in den ersten zehn Sitzungen. 41 % der Stichprobe erlebten eine rasche Veränderung bis zur fünften Sitzung. Schnelle frühere Veränderungen konnten ebenfalls bei verhaltenstherapeutischer Familientherapie und einer nicht direktiven, unterstützenden Bedingung (Renaud et al., 1998), psychodynamischer Therapie sowie in der Pharmakotherapie (Grilo, Masheb & Wilson, 2006) beobachtet werden. Im Zusammenhang mit dem Therapieergebnis zeigten sich schnelle frühe Veränderungen als prädiktiv für den Therapieerfolg (Haas, Hill, Lambert & Morrell, 2002; Ilardi & Craighead, 1994; Lambert, 2005). Wie eben schon berichtet, ereigneten sich markante frühe Symptomverbesserungen bei über der Hälfte der Patienten in einer sehr frühen Therapiephase (Ilardi & Craighead, 1994). Dieser Befund wurde schon im Jahre 1986 von Howard, Kopta, Krause und Orlinsky dargestellt. Die Analysen von Howard et al. ergaben, je nach Behandlungsdauer, Symptomverbesserungen bei 29 bis 38 % der Patienten in den ersten drei Sitzungen und bei 48 bis 58 % der Patienten in Sitzung 4 bis 7. Ilardi und Craighead erklärten sich diese frühen Veränderungen mit dem Aufbau von Hoffnung zu Beginn einer Behandlung (Frank & Frank, 1991). Auch Hayes et al. folgten dieser Hypothese und konnten bestätigen, dass so genannte rapid re
 
 




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1. Theoretischer Hintergrund

sponders, im Vergleich zu den nonrapid responders, unmittelbar vor Sitzung 4 in ihren schriftlichen Narratives über mehr Hoffnung berichteten (Hayes et al., 2007). Lambert (2005) mutmasst in seiner Übersicht, dass Patienten mit frühen Verbesserungen besser auf die Therapie vorbereitet sind, d.h. adäquate Besserungserwartungen aufweisen und stärker motiviert sind, wodurch sie für therapeutische Einflüsse jeder Art empfänglicher sind und besser mitarbeiten. Die Ergebnisse von Mathier (2005) stützen diese Annahme. Die Mitarbeit der Patienten, ihre Motivation bzw. Anstrengungsbereitschaft wird auch von ihr als wichtiger Veränderungsmechanismus angesehen, der eine Symptomreduktion voraussagen kann. Die Symptomreduktion wird durchweg mit den Variablen Anstrengungsbereitschaft, positive Bewältigungserfahrungen und der Induktion von positiven Erwartungen in Zusammenhang gebracht. Die Anstrengungsbereitschaft wird nach Doss (2004) als wichtiger Veränderungsmechanismus bestimmt und im anschliessenden Kapitel in Abgrenzung zu den Veränderungsprozessen positive Bewältigungserfahrungen und positive Erwartungsaktivierung definiert.

1.1.3.

Definition des Veränderungsmechanismus Die Anstrengungsbereitschaft wird definiert als Bereitschaft des Patienten, auch zwi-

schen den Sitzungen aus eigener Motivation an dem zu arbeiten, was in den Sitzungen besprochen worden ist. Sie beinhaltet also eine motivationale Komponente für die Umsetzung des Gelernten im Alltag. Dadurch kann diese Variable nicht in der Sitzung selber beobachtet und gemessen werden, vielmehr muss sie indirekt erfragt oder erschlossen werden. Damit erfüllt sie die Kriterien eines Veränderungsmechanismus (Doss, 2004). Auf die intrinsische Motivation zur Veränderung und deren Möglichkeiten zur Förderung gehen Miller und Rollnick (2002) mit ihrer Methode des Motivational Interviewing ein. Darin sehen sie die Anstrengungsbereitschaft (intention to change) als vierte Kategorie der Veränderungsdiskussion (change talk), angestossen durch ein Bekenntnis zur Veränderung. Dieselbe Abfolge wird nach dem transtheoretischen Modell von Prochaska und DiClemente (1983; Prochaska & Norcross, 2002) erwartet. In diesem Modell wird die Veränderung als ein Ablauf von verschiedenen motivationalen Phasen betrachtet. In einer initialen Phase (precontemplation) wird eine Veränderung noch nicht in Erwägung gezogen, wohingegen in der zweiten Phase (contemplation) ernsthafte Vor- und Nachteile der Veränderung bedacht werden. Die Planung und das Bekenntnis zur Veränderung werden in einer dritten Phase der Vorbereitung (preparation) vollzogen. Die erfolgreiche Vollendung dieser ersten Phasen führen in Phase vier zur Handlung (action), die Aufrechterhaltung der Veränderung geschieht 
 
 




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1. Theoretischer Hintergrund

schliesslich in der letzten Phase (maintenance). Die Anstrengungsbereitschaft ist ein Zustand, der in diesem Veränderungsmodell den Phasen 4 und 5 zugeordnet wird. Miller und Rollnick sind sich mit Bandura einig darin, dass die Anstrengungsbereitschaft durch eine Diskrepanz von einem aktuellen Zustand und einem angestrebten Ziel entsteht (Bandura, 1989; Miller & Rollnick, 2002). Die Inkongruenz ist die spezifische Diskrepanz zwischen den aktivierten motivationalen Zielen und der realen Wahrnehmung. Gemäss Bandura (1989) beinhaltet die Anstrengungsbereitschaft die Abschätzung des Aufwands, eine affektiv beladene Selbstbewertung der Ausführung, die Abschätzung der Selbstwirksamkeit bei der Ausführung und eine Selbstreflektion über die Angemessenheit der eigenen Wirksamkeitsbewertung und der eigenen Ansprüche. Bandura beschreibt damit einen selbstregulatorischen Prozess mit antizipatorischer Zielsetzung und permanenten Feedbackschlaufen über die Zielerreichung, wie ihn auch Grawe (1998, 2004) und Grosse Holtforth und Grawe (2003) konzipieren. Auch Wampold (2007) zählt in seinem humanistischen Modell der Psychotherapie die Anstrengungsbereitschaft zu den einflussreichsten Variablen. Als entscheidend für diesen Mechanismus bezeichnet er die Anerkennung eines adaptiven Erklärungsmodells für die zu behandelnden Schwierigkeiten. Anders ausgedrückt, die Patienten müssen mit Hilfe eines adaptiven Erklärungsmodells positive Erwartungen hinsichtlich ihrer Therapieziele entwickeln. Unterstützung für den Veränderungsmechanismus Anstrengungsbereitschaft kommt nicht zuletzt auch aus den Gedächtnis- und Neurowissenschaften. Die Verarbeitungstiefe hat beim Lernen einen positiven Einfluss auf das Lernergebnis. Je tiefer die Verarbeitung, desto besser ist der Lerneffekt (Craik & Lockhart, 1972; Craik & Tulving, 1975). Einen Einfluss auf die Tiefe der Verarbeitung hat das vernetzte Lernen (semantisches Lernen). Je mehr Sinne (und Emotionen) am Lernen beteiligt sind, desto mehr Synapsen können sich verbinden, desto stärker wird die Bahnung der neuen neuronalen Erregungsmuster (LeDoux, 2001). Dies lässt den Schluss zu, dass durch persönliches Erleben und Verhalten (mit grösserer Beteiligung verschiedener Sinneseindrücke) mehr Verarbeitungstiefe und folglich bessere Lerneffekte erreicht werden können. Die Bahnung von neuen neuronalen Erregungsmustern geschieht am effektivsten durch stetige Aktivierung der Zellverbände. So wächst die Stärke der synaptischen Zusammenhänge und die Verbindung wird in einer nächsten Situation schneller ausgelöst (Grawe, 2004). Wer also die Motivation aufbringt und auch zwischen den Sitzungen die neuen Erfahrungen im Alltag umsetzt, erzielt längerfristig nachhaltige Lerneffekte, d.h. ein besseres Therapieergebnis. 
 
 




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1.1.4.



1. Theoretischer Hintergrund

Die Prüfung des Veränderungsmechanismus: empirische Befunde zur Anstrengungsbereitschaft Der vierte Schritt einer systematischen Veränderungsforschung nach Doss (2004) sieht

die Prüfung des Veränderungsmechanismus vor. Die vom Therapeuten wahrgenommene Anstrengungsbereitschaft

seines

Patienten

beeinflusst

positiv

das

Therapieergebnis

(Symptomreduktion, Zielerreichung und allgemeines Wohlbefinden, Tschacher, Baur & Grawe, 2000). Es wurden die Dynamiken von 91 verschiedenen Therapien mit Zeitreihenanalysen untersucht und anschliessend die erwähnten Ergebnisvariablen auf diese Parameter regrediert. Die Dynamik Anstrengungsbereitschaft  Therapeuteneinschätzung der Wirksamkeit sagte dabei die Symptomreduktion signifikant vorher, während sich die Dynamik Anstrengungsbereitschaft  Patienteneinschätzung der Selbstwirksamkeit auf die direkten Masse Zielerreichung und allgemeines Wohlbefinden auswirkten. Diese Resultate sprechen für die Anstrengungsbereitschaft, beurteilt durch den Therapeuten, als Veränderungsmechanismus mit direktem Zusammenhang zum Therapieergebnis. Als Resultat einer umfassenden Zusammenstellung der empirischen Zusammenhänge von Prozess- und Ergebnisforschung zeigte sich die Anstrengungsbereitschaft als die wichtigste Determinante des Therapieerfolgs (Orlinsky et al., 1994). Elkin et al. (1999) brachten die Anstrengungsbereitschaft in Zusammenhang mit der Erwartung an eine bestimmte Behandlung und konnten zeigen, dass die Kongruenz zwischen Erwartung und tatsächlicher Behandlung die Verbindlichkeit des Patienten zu erklären vermochte (kein frühzeitiges Ausscheiden, eine positive Therapiebeziehung). Zum selben Ergebnis kam auch Mathier (2005) mit ihrer eben schon erwähnten Arbeit: Die von den Therapeuten wahrgenommene Anstrengungsbereitschaft der Patienten in den ersten fünf Sitzungen wurde durch Unterschiede in der Besserungserwartung vor der Therapie erklärt. In einer Prozessanalyse wurde die Therapiearbeit zwischen den Therapiesitzungen durch unabhängige Beobachter eingeschätzt. Diese erklärt hoch signifikant die Gruppenzugehörigkeit bezüglich erfolgreiche vs. nicht erfolgreiche Sitzungen (Egger, 2006). Es wurde ausserdem beobachtet, dass in erfolgreichen Sitzungen vermehrt an der Bewältigung des Problemverhaltens gearbeitet wurde (Egger, 2006) und Patienten deutlich häufiger von Bewältigungsmöglichkeiten bezüglich eines Problems berichteten (Gassmann, 2002). Es ist daher anzunehmen, dass positive Bewältigungserfahrungen, die in der Sitzung erfolgen, einen Einfluss auf die Anstrengungsbereitschaft ausüben. Positive Bewältigungserfahrungen werden daher als patientenbezogener Veränderungsprozess in Erwägung gezogen. 
 
 




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1.1.5.



1. Theoretischer Hintergrund

Die Ableitung des patientenbezogenen Veränderungsprozesses: die positiven Bewältigungserfahrungen Positive Bewältigungserfahrungen der Patienten sind auf der Ebene des Verhaltens und

Erlebens kleine Zwischenerfolge im Hinblick auf das Therapieziel und eine direkte Folge von therapeutischen Interventionen. Diese werden von Grawe et al. auf der Grundlage der umfassenden Metaanalyse zur Wirksamkeit der Psychotherapie mit rund 900 Therapievergleichsstudien als einer von vier Therapiewirkmechanismen definiert. Sie nennen als Beispiele für die Verwirklichung von positiven Bewältigungserfahrungen verschiedene störungsspezifische Interventionstechniken wie z.B. das Selbstsicherheitstraining, das Ersetzen von „irrationalen“ Leitsätzen durch „rationale“ oder systemische Interventionen zur Veränderung der Familieninteraktionen bei Ablösungsschwierigkeiten (Grawe et al., 1994). „Bei all diesen Vorgehensweisen nimmt der Therapeut die Schwierigkeiten des Patienten ernst als ein Nicht-Können und hilft dem Patienten aktiv, diese Schwierigkeiten besser bewältigen zu können als bisher“ (Grawe et al., 1994, S. 748). Gassmann (2002) beschreibt in seiner Dissertation zu korrektiven Erfahrungen in der Psychotherapie das Prinzip der Bewältigung als die therapeutische Unterstützung zur Entwicklung von Kompetenzen, die den Patienten befähigen, Problemsituationen besser zu meistern. Ergebnisse aus Zeitreihenanalysen von Sitzungsfragebögen ergaben, dass insbesondere die Sicht der Patienten bezüglich positiver Bewältigungserfahrungen einen ausschlaggebenden Mechanismus darstellt. Gemäss dieser Untersuchung ändern sich zuerst die Bewältigungserfahrungen und erst in den folgenden Sitzungen dann weitere Einflussgrössen wie die Therapiebeziehung, die Patientensicht über die Therapeutenbeteiligung, die Therapeutensicht der Effektivität und auch die Therapeutensicht der Anstrengungsbereitschaft ihres Patienten. Zusätzlich konnten die Autoren zeigen, dass diese wahrgenommenen Bewältigungserfahrungen statistisch und klinisch signifikant mit dem Therapieergebnis zusammenhängen (Tschacher et al., 2000). Über den Zusammenhang mit dem Sitzungserfolg wurde schon weiter oben berichtet (Egger, 2006; Gassmann, 2002). Angesichts des positiven Zusammenhangs von Bewältigungserfahrungen und dem Therapieerfolg stellt sich die Frage, wie in der Therapiesitzung beim Patienten früh in der Therapie derartige Bewältigungserfahrungen ermöglicht werden können. Studien zu frühen Veränderungen haben gezeigt, dass Verbesserungen stattfinden, bevor überhaupt mit störungsspezifischen Interventionen begonnen worden war (vgl. Kapitel 1.1.2). Wie können also in den ersten Therapiesitzungen schon positive Bewältigungserfahrungen mit Einfluss auf die An
 
 




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1. Theoretischer Hintergrund

strengungsbereitschaft erreicht werden? Untersuchungen zur Selbstwirksamkeitserwartung zeigen, dass das Vertrauen des Patienten in seine eigenen Fähigkeiten ein äusserst einflussreicher Faktor im Zusammenhang mit Bewältigungserfahrungen ist (Bandura, 1977, 1989; Kirsch, 1985b; Tschacher et al., 2000). Die Zusammenhänge zwischen Selbstwirksamkeitserwartungen und zielgerichtetem Verhalten wurden erstmals von Bandura in seiner sozialen Kognitionstheorie postuliert (Bandura, 1977). Auch er sieht persönliche Bewältigungserfahrungen als Folge von Selbstwirksamkeitserwartungen und umgekehrt. Untersuchungen an Schlangenphobikern bestätigen seine Hypothese. In diesen Studien konnte nachgewiesen werden, dass das Annäherungsverhalten zur gefürchteten Schlange je nach Interventionsbedingung (aktive Bewältigungsversuche, passives Beobachten oder keine Intervention) mit dem Ausmass an Selbstwirksamkeitserwartung einhergeht. Wie vorhergesagt, war der Anteil an erfolgreichem Annäherungsverhalten in der aktiven Bewältigungsbedingung am stärksten ausgeprägt (Bandura, 1977). Die Induktion von Besserungserwartungen wird als allgemeiner therapeutischer Wirkfaktor beschrieben (Grawe, 1998). Doch mit Bezug auf das Handlungsphasenmodell von Heckhausen (1977; Heckhausen & Gollwitzer, 1987) lässt sich festhalten, dass es für die Umsetzung eines Verhaltens (Realisierung von Intentionen / Anstrengungsbereitschaft) mehr als die Veränderung von Erwartungen braucht. Der Patient muss auch spezifische Fähigkeiten zur Problembewältigung anwenden können (positive Bewältigungserfahrungen) und das Ziel sollte eine bestimmte Wertigkeit (Wünschbarkeit) für den Patienten besitzen (u.a. Heckhausen, 1977). Mit gezielter Aktivierung von positiven Erwartungen wird auch diese Wertigkeit angesprochen.

1.1.6.

Die Entstehung des patientenbezogenen Veränderungsprozesses durch den therapiebezogenen Veränderungsprozess positive Erwartungsaktivierung Die Induktion von Besserungserwartung und die Erhöhung von Selbstwirksamkeitser-

wartung werden seit geraumer Zeit als wichtige Bestandteile einer erfolgreichen Psychotherapie erachtet (Frank & Frank, 1991; Goldfried, 1980; A. P. Goldstein, 1962; Grawe, 1998, 2004) sowie empirisch bestätigt (Arnkoff et al., 2002; Constantino et al., 2011; Dew & Bickman, 2005; A. P. Goldstein, 1960b; Mondloch et al., 2001; Schulte, 2008). Frank und Frank (1991) beschreiben in ihrem Klassiker Persuasion and Healing vier für die Effektivität aller Heilungsformen allgemeingültige Bedingungen: eine vertrauenswürdige Beziehung, eine heilende Umgebung, eine plausible Erklärung der Symptome und ein überzeugendes Ritual 
 
 




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1. Theoretischer Hintergrund

im Umgang mit den Symptomen (siehe Kapitel 1.1.2). Es stellt sich die Frage, ob diese unspezifischen Wirkfaktoren nicht auch spezifisch genutzt bzw. gefördert werden können. Dies scheint umso wichtiger zu sein je weniger Besserungserwartungen die Patienten für die Therapie mitbringen. Roger Greenberg et al. (2006) gehen gar so weit zu suggerieren, dass die meisten Psychotherapien unentwirrbar mit der Manipulation und Veränderung von Patientenerwartungen verbunden sind. Doch auch wenn viele Psychotherapien Elemente einschliessen, die verschiedene Erwartungen ansprechen, werden Strategien zum konkreten Vorgehen kaum genannt. Insbesondere für sehr frühe Besserungserwartungen besteht diese Lücke in der Literatur. In ihrem bisher unveröffentlichten Manual zur Erwartungsaktivierung versuchen Constantino et al. (2006), diesem Missstand Abhilfe zu schaffen. Darin beschreiben sie explizite Strategien zur Förderung von realistischen positiven Besserungserwartungen, die zusammengefasst kürzlich auch publiziert worden sind (Constantino et al., 2011). Um den Einfluss der Erwartungen zu Beginn der Therapie spezifisch nutzen zu können, müssen sie in der Sitzung aktiviert werden (Constantino et al., 2011; 2006). Zu Beginn der Therapie sollten die Besserungserwartungen der Patienten systematisch erfasst und der Thematisierung von prognostischen Erwartungen genügend Raum gegeben werden. Constantino et al. (2006) schlagen vor, die letzen dreissig Minuten der ersten Sitzung nur dafür zu verwenden. Im Allgemeinen sollten hoffnungserweckende Aussagen (z.B. „Es ist genau richtig, dass Sie für dieses Problem eine Therapie aufsuchen“) gemacht und Zuversicht und Kompetenz versichert werden (z.B. „Ich bin zuversichtlich, dass wir zusammen an Ihrer Depression erfolgreich arbeiten können“). Weiter schlagen die Autoren vor, die erwartungsaktivierenden Aussagen zu individualisieren und den Stärken und Möglichkeiten der Patienten anzupassen, problematische Veränderungen wie Rückschläge zu normalisieren, positive Rückmeldungen über Fortschritte explizit zu machen und vergangene Erfolge zu thematisieren. Auch wird die nachdrückliche Forcierung der Selbstwirksamkeitserwartung hervorgehoben. Zusammenfassend beschreibt das Manual zur Erwartungsaktivierung das ausdrückliche Thematisieren von verschiedenen Erwartungen wie Besserungs-, Therapie-, Prozess- und Selbstwirksamkeitserwartungen. Es werden Therapeutenäusserungen als Hilfen für die Initiierung der Erwartungsaktivierung vorgeschlagen. Entscheidend für den Veränderungsprozess ist aber die Thematisierung an sich, unabhängig davon, ob sie vom Therapeuten oder vom Patienten selber initiiert worden ist. Ein ganz ähnliches Ziel verfolgt das Manual der Ressourcenaktivierung (Flückiger & Wüsten, 2008). Darin beschreiben die Autoren Strategien und Vorgehensweisen, um die Stär
 
 




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1. Theoretischer Hintergrund

ken und Fähigkeiten (die Ressourcen) eines Patienten anzusprechen und zu fördern. Die empirische Überprüfung der Annahmen hat gezeigt, dass, wenn kurz vor der Therapiesitzung die Therapeuten an die Ressourcen ihrer Patienten erinnert werden (Ressourcenpriming), sie diese dann in der Sitzung häufiger ansprechen. Das Ausmass an Ressourcenaktivierung hat wiederum einen Einfluss auf die Therapiebeziehung und auf positive Bewältigungserfahrungen sowie das Therapieergebnis nach 20 Sitzungen (Flückiger, Frischknecht, Wüsten & Lutz, 2008). Das Aktivieren von Ressourcen ist damit sowohl mit dem Sitzungs- als auch mit dem Therapieerfolg positiv assoziiert (Flückiger & Grosse Holtforth, 2008a; Flückiger & Regli, 2007; Gassmann, 2002; Gassmann & Grawe, 2004). Die Inhalte der Ressourcenaktivierung überschneiden sich z.T. mit der Erwartungsaktivierung. So werden in der Ressourcenorientierten Mikroprozessanalyse von Flückiger und Grosse Holtforth (ROMA, Flückiger & Grosse Holtforth, 2008b) Besserungserwartungen mit dem Erfragen von Verbesserungen, dem Ausdrücken von Zuversicht und der Einschätzung der Qualität von Besserungserwartungen als Stärkung von potentiellen Ressourcen subsummiert. Das Potential der Besserungserwartung wird hier als potentielle Ressource erkannt und dem einflussreichen Therapiewirkfaktor Ressourcenaktivierung untergeordnet (Grawe, 1998, 2004). Neben den Besserungserwartungen werden als Ressourcen mit der ROMA aber auch noch positive Affektivität, positive Inhalte wie positive Fertigkeiten, Gefühle und interpersonale Stärken sowie motivationale Ressourcen und Reframing-Strategien für die Probleme erfasst. Durch diese Subsummierung aller möglichen potentiellen Einflussgrössen ist eine Differenzierung zwischen der Stärke der verschiedenen Einflussgrössen leider unmöglich. Es wird für die vorliegende Arbeit angenommen, dass insbesondere die Erwartungsaktivierung als Teilprozess der Ressourcenaktivierung für den positiven Effekt verantwortlich ist. Hinweise für die Richtigkeit dieser Annahme liefert erneut Mathier mit ihrer Untersuchung über den Effekt von Erwartungsmodifikationen in einer extra dafür konzipierten Therapievorbereitungssitzung (Mathier, 2005). Ihre Ergebnisse zeigen einen positiven Effekt auf die Sitzungsqualität durch die Verbesserung der Therapeuten- und die Anpassung der Patientenerwartungen. Dieser Effekt wird bei Grawe als positive Erwartungsinduktion beschrieben (vgl. weiter oben). Den Effekt von positiver Erwartungsaktivierung nutzt auch das Motivational Interviewing mit seiner Veränderungsdiskussion, indem der Therapeut dazu angehalten wird, Zuversicht zu äussern, positive Veränderungen in der Vergangenheit aufzuzeigen und die aktive Rolle des Patienten zu stärken (Miller & Rollnick, 2002). Dies soll die Selbstverpflichtung des Patienten bzw. dessen Anstrengungsbereitschaft stärken. 
 
 




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1. Theoretischer Hintergrund

Aus den obigen Ausführungen wird deutlich, dass die Aktivierung von positiven Besserungserwartungen früh in der Therapie zu frühen positiven Bewältigungserfahrungen und dadurch zu mehr Mitarbeit in der Therapie führt. So wird ein fruchtbarer Boden für die spezifischen Interventionen der Therapeuten geschaffen, die dadurch schneller und besser greifen können. Bandura (1977) bringt es auf den Punkt, wenn er festhält: ... [It] is not meant to imply that expectation is the sole determinant of behavior. Expectation alone will not produce desired performance if the component capabilities are lacking. ... Given appropriate skills and adequate incentives, however, efficacy expectations are a major determinant of people’s choice of activities, how much effort they will expend, and of how long they will sustain effort in dealing with stressful situations. (S. 194) Der Blick auf die empirische Literatur zur Erwartungsaktivierung hingegen ist eher ernüchternd. Studien über den Einfluss von prozessualer Erwartungsaktivierung existieren bislang nicht und Studien über den Zusammenhang von Besserungserwartungen vor der Therapie und dem Therapieerfolg sind noch immer rar (vgl. dazu auch das folgende Kapitel 1.1.6.1). Constantino et al. (2011) fanden für ihre Metaanalyse aus allen bis Dezember 2009 publizierten Studien in diesem Bereich insgesamt 186 Kandidaten, wovon sie schliesslich 46 in ihre Analyse einschliessen konnten. Sie fanden einen kleinen, aber signifikanten und positiven Effekt auf das Therapieergebnis über alle Stichproben hinweg. Einschränkungen bei diesen Studien waren die meist schlechten Erwartungsmasse. In der Metaanalyse von Constantino et al. wurden 67 % der eingeschlossenen Studien als Studien mit schlechter (poor) Erwartungsmessung eingeschätzt. Auch variierten die Studien in ihrer Qualität. Und schliesslich existierte keine einzige publizierte Manipulationsstudie mit dem Ziel, die Besserungserwartungen spezifisch zu stärken und diesen Effekt anschliessend zu messen. Als weitere Einschränkung bei den Studien über den Zusammenhang von Erwartung und dem Therapieergebnis gilt die Neigung, Besserungserwartung als relativ stabiles Konstrukt zu konzipieren. Dieses wird als Besserungserwartung vor der Therapie oder in der ersten Sitzung gemessen. Einige Studien suggerieren jedoch eine Veränderung der Erwartung während der Therapie (z.B. Mathier, 2005; Schulte, 2008). Es ist aber keine einzige Studie bekannt, die versucht, den Einfluss der prozessualen Erwartungsaktivierung auf den Sitzungs- oder Therapieerfolg zu messen. Vor diesem Hintergrund versucht die vorliegende Arbeit einen Beitrag zur Klärung des Einflusses von frühen positiven Erwartungen auf das Therapieergebnis zu leisten. Es 
 
 




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1. Theoretischer Hintergrund

wird angenommen, dass die Aktivierung von positiven Erwartungen früh in der Therapie zu unmittelbar mehr positiven Bewältigungserfahrungen in der Sitzung führt, die ihrerseits die spätere motivationale Haltung des Patienten, d.h. seine Anstrengungsbereitschaft erhöhen, wodurch die Therapieziele besser erreicht werden können und es dem Patienten besser geht. Auf das Modell von Doss (2004) übertragen, wird die positive Erwartungsaktivierung als spezifische Intervention in der Sitzung als therapiebezogener Veränderungsprozess gehandelt (siehe Abb. 1.3).

Abbildung 1.3. Angenommenes Veränderungsmodell in Anlehnung an Doss (2004).

Die Ergebnisse aus den Studien über den Zusammenhang von Besserungserwartungen und dem Therapieergebnis lassen vermuten, dass ein positiver Zusammenhang besteht. Es wird aus diesen Ergebnissen und den oben beschriebenen theoretischen Annahmen abgeleitet, dass Patienten mit hoher Besserungserwartung sich mehr zutrauen (stärkere Selbstwirksamkeitserwartung), dadurch mehr positive Bewältigungserfahrungen machen und dass damit im weiteren Verlauf die Anstrengungsbereitschaft auch ausserhalb der Sitzungen steigt. Diese Patienten werden in Therapiestudien häufig als erfolgreiche Patienten beschrieben. Die Erfolge stellen sich wie von alleine ein. Was aber geschieht bei Patienten mit weniger guten Voraussetzungen? Nach dem oben beschriebenen Therapieprozessmodell dürfte der positive Aufschaukelungsprozess von Bewältigung und Anstrengungsbereitschaft bei Patienten mit geringer Besserungserwartung viel schwieriger in Gang zu bringen sein. Müsste nicht gerade bei diesen Patienten zu Beginn der Therapie versucht werden, ihre Besserungs- und Selbstwirksamkeitserwartung zu fördern, indem man diese in der Sitzung aktiviert?


 
 




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1. Theoretischer Hintergrund

1.1.6.1. Der Moderator Besserungserwartung vor der Therapie Die Zusammenhänge von Besserungserwartungen und dem Therapieergebnis wurden, wie schon oben berichtet, mehrfach empirisch nachgewiesen (Arnkoff et al., 2002; Constantino et al., 2011; Dew & Bickman, 2005; A. P. Goldstein, 1960a, 1960b; R. P. Greenberg et al., 2006; Mondloch et al., 2001; Schulte, 2008). Die Ergebnisse zeigen jedoch nicht immer ein konstantes Bild. So finden Arnkoff et al. (2002) in ihrer Übersichtsarbeit neben zwölf Studien mit positiven Zusammenhängen zwischen Erwartungen und dem Ergebnis auch sieben Studien mit gemischten Ergebnissen und fünf, die keinen Zusammenhang feststellen konnten. Neuere Untersuchungen zeigen, wie oben schon erwähnt, einen über alle Studien gewichteten kleinen, aber doch positiven Effekt (Constantino et al., 2011, vgl. Kapitel 1.1.6). Schulte (2008) erklärt die uneinheitlichen Ergebnisse damit, dass der Zusammenhang durch die Art der Ergebnismessung beeinflusst wird. Die Zusammenhänge zwischen Besserungserwartung und dem Therapieergebnis werden nur dann signifikant, wenn das Therapieergebnis mit dem Postwert oder einer retrospektiven Erfolgseinschätzung gemessen wird. Schulte vermutet, dass damit die Reduktion von subjektiv wahrgenommenem Leidensdruck gemessen wird im Gegensatz zu der mit einem Prä-Post-Veränderungsmass erfassten konkreten und quantifizierbaren Symptomreduktion. Anderswo konnte nachgewiesen werden, dass eine Förderung der Besserungserwartung mit Videovorbereitungen vor Beginn der Therapie sich nicht nur positiv auf den Therapieprozess und das Ergebnis auswirken, sondern auch auf die Anstrengungsbereitschaft und Dropoutrate (Reis & Brown, 2006). Wie oben schon beschrieben, konnten Unterschiede in der Besserungserwartung vor der Therapie die von den Therapeuten wahrgenommene Anstrengungsbereitschaft der Patienten in den ersten fünf Sitzungen vorhersagen (Mathier, 2005) (vgl. Kapitel 1.1.4). Die Unterschiede sind bei Bewältigungs- und Klärungserfahrungen sowie bei der Anstrengungsbereitschaft besonders ausgeprägt. Aufgrund der inkonsistenten und doch grösstenteils existierenden Effekte auf die Psychotherapie wird eine Aufschlüsselung über die Wirkungsweise der Patientenvariable Besserungserwartung gefordert (Tschitsaz-Stucki, 2008). Es ist anzunehmen, dass die Besserungserwartung vor der Therapie als Moderatorvariable ihre Wirkung auf die Psychotherapie ausübt und insbesondere bei geringer Ausprägung die Psychotherapie negativ beeinflusst. Die Wirkung ambivalenter oder negativer Erwartungen wurde durch Studien bereits nachgewiesen (Reis & Brown, 2006; Schulte, 2005, 2008; Tschitsaz-Stucki, 2008). Für das Therapieprozessmodell früher Veränderungen bedeutet das, dass der angenommene positive Effekt von 
 
 




20





1. Theoretischer Hintergrund

positiver Erwartungsaktivierung auf positive Bewältigungserfahrungen insbesondere für Patienten mit geringer Besserungserwartung zu erwarten ist.

1.1.7.

Zusammenhänge von therapie- und patientenbezogenen Veränderungsprozessen identifizieren – Ein vorläufiges Fazit Positive Erwartungsaktivierung und positive Bewältigungserfahrungen scheinen sich

gegenseitig zu beeinflussen. Die frühe Stärkung von positiven Besserungserwartungen durch ihre Aktivierung in der Sitzung scheint im Therapieprozess eine zentrale Rolle einzunehmen. Es wird angenommen, dass dadurch weitere fruchtbare Prozesse (wie die Anstrengungsbereitschaft) angekurbelt werden, die eine erfolgreiche Veränderung durch die Therapie ermöglichen. Diese Zusammenhänge werden für Patienten, die nicht schon mit einer hohen Besserungserwartung in die Therapie starten und damit den positiven Aufschaukelungsprozess von selber anstossen können, besonders stark erwartet. Das konzeptuelle Therapieprozessmodell früher Veränderungen bezieht sich daher im Spezifischen auf Patienten mit geringer Besserungserwartung und wird mit dieser Komponente ergänzt (siehe Abb. 1.4). Es handelt sich somit um ein Therapieprozessmodell für Patienten mit geringer Besserungserwartung.

Abbildung 1.4. Therapieprozessmodell früher Veränderungen bei Patienten mit geringer Besserungserwartung.

Bevor sich nun aber der Fokus mit den Fragestellungen und Hypothesen weiter konzentriert, soll dieser erst noch einmal geöffnet werden, um die Thematik in einen grösseren Kontext einzugliedern. Es soll aufgezeigt werden, wie das Konstrukt der Erwartung die Psychologie ausserhalb der Psychotherapieforschung beschäftigt, um dann zu einem breiteren Verständnis des Erwartungskonstrukts zu gelangen. Dies ist für die Forschung und die daraus entstehenden Schlussfolgerungen von zentraler Bedeutung. Leider existieren noch immer Un
 
 




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1. Theoretischer Hintergrund

genauigkeiten in der Konzeptualisierung der Erwartung, die sich auch auf deren Messgrössen auswirken, wodurch weitere Forschung und Theoriebildung behindert werden. Das folgende Kapitel soll diesem Missstand entgegenwirken.

1.2.

Psychologie der Erwartung Erwartungen beeinflussen unsere Wahrnehmung. Sie können das, was wir wahrnehmen,

durch unsere Vorstellung oder Wissen darüber formen. Aus der Wahrnehmungspsychologie bekannt sind sogenannte Kippbilder, die, je nachdem was wir erwarten, zwei schwarze Gesichter oder eine weisse Vase zeigen (siehe Abb. 1.5). Diese Kippbilder veranschaulichen, was unser Wahrnehmungssystem leistet: Es werden nicht nur Impulse der Sinnesreizen bottom up sondern auch durch Antizipations- und Bewertungsprozesse top down verarbeitet. So wurde von der Gestaltpsychologie der Satz geprägt: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ (E. B. Goldstein, 1997, S. 169).

Abbildung 1.5. Vase oder Gesichter?

Dass auch soziale Einflussgrössen Auswirkungen auf die Wahrnehmung haben können, zeigte Asch in den 50er Jahren des letzten Jahrhundert mit seinen eindrücklichen Experimenten zum Gruppendruck (Asch, 1955). Einer Gruppe von sieben bis neun College-Studenten wurde vorgegeben, in einem Experiment zur visuellen Urteilsbildung teilzunehmen, wobei sie aus drei vertikalen Linien mit unterschiedlichen Längen diejenigen auswählen mussten, deren Länge (deutlich erkennbar) gleich lang war wie eine vorgegebene Vergleichslinie. Ab der dritten Runde wichen alle ausser einer Person (die wirkliche Versuchsperson) eindeutig im Urteil der Linienlänge ab. Die Abweichler waren Vertraute des Versuchsleiters und dement
 
 




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1. Theoretischer Hintergrund

sprechend instruiert. Im Vergleich zu einer Kontrollbedingung, in der auch die Vertrauten ihre wahre Einschätzungen äusserten, kam es in der Experimentalgruppe zu deutlich mehr Fehlern (Asch, 1955). Derartige Befunde aus der Wahrnehmungspsychologie liessen das zur damaligen Zeit stark durch den Behaviorismus geprägte Verständnis des Menschen durch kognitive Komponenten ergänzen. So vermutet z.B. Tolman (1955) als intervenierende Variablen zwischen den Umweltreizen (stimulus) und der Antwort darauf (response) kognitive Vorgänge wie Erwartungen (belief-expectancy system) zusammen mit einer Urteilsfähigkeit (discrimination system) und einem Wertesystem des Anreizes (drive-incentive-value system). Damit war Tolman der Vordenker der Erwartung-mal-Wert-Theorien (Ajzen & Fishbein, 1977; Bandura, 1977; Carver & Scheier, 1982; Edwards, 1954; Heckhausen, 1977; Kirsch, 1985a; Rotter, 1954; Vroom, 1964). Erwartungen sind zentrale Aspekte der Selbstregulation. Denn am Anfang der Planungsfähigkeit oder Selbstregulation steht die Fähigkeit, zu antizipieren oder Erwartungen zu generieren (Maddux, 1999). Maddux fasst die Erwartungstheorien bis dato in den grösseren theoretischen Bezugsrahmen der Sozialen Kognition und ermöglicht so eine theorieübergreifende Konzeptualisierung. Zur Einbettung des Erwartungsbegriffs in einen grösseren theoretischen Kontext wird in dieser Arbeit die Einteilung von Maddux (1999) übernommen. Die folgenden Kapitel folgen diesem Vorschlag.

1.2.1.

Übergeordnete Prinzipien, Prozesse und Variablen der Erwartungstheorien Maddux (1999) kommt in seinem Bestreben nach einem grösseren theoretischen Be-

zugsrahmen für die Erwartungsforschung wichtige und einflussreiche Reaktionserwartungstheorie von Kirsch (mehr zur Reaktionserwartungstheorie in Kapitel 1.2.2, Kirsch, 1985a, 1985b; 1990; Maddux, 1995) auf vier grundlegende Prinzipien der Erwartungstheorien: die reziproke Kausalität (reciprocal causation), die Wichtigkeit kognitiver Schemata (centrality of cognitive construals), die Selbstregulation (self-regulation) sowie die soziale Einbettung des Selbst und der Persönlichkeit (social embeddedness of self and personality). Das Prinzip der gegenseitigen Beeinflussung (reziproke Kausalität) wird in den Theorien der Sozialen Kognition (zu denen Maddux, 1999, die Erwartung-mal-Wert-Theorien zählt) angenommen. Umweltereignisse, Kognitionen, Emotionen und Verhalten interagieren und beeinflussen sich so gegenseitig. Um das menschliche Handeln in seinen Details zu verstehen, 
 
 




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1. Theoretischer Hintergrund

ist es unabdingbar, alle diese Einflussgrössen zu verstehen. Als zweites Prinzip betont Maddux die Wichtigkeit kognitiver Schemata (cognitive construals), die auf Verhalten und Emotionen einen grossen Einfluss ausüben. Menschen sind bestrebt, Geschehnisse zu erklären und so künftige Ereignisse vorherzusagen. Dadurch werden ihnen Anpassungsleistungen (Adaptation) erleichtert. Die Fähigkeit, Dinge vorherzusehen, erlaubt den Menschen, mentale Repräsentationen von möglichen zukünftigen Geschehnissen und Zuständen (Ziele) zu entwerfen und Strategien zu deren Erreichung (Pläne) zu entwickeln. Die wichtigsten Komponenten dieser Strategien sind Erwartungen über die Effekte gewisser Verhaltensweisen unter gewissen Bedingungen und Erwartungen über die Fähigkeit, diese Verhaltensweisen kompetent ausführen zu können. Die Selbstregulation wird von Maddux als drittes Prinzip aufgeführt. Diese besteht aus mindestens sieben interaktiven Elementen: aus (a) der Zielsetzung, (b) dem Planen, (c) der Implementierung, (d) der Überwachung der Rückmeldungen, (e) der Selbstbeurteilung, (f) den affektive Reaktionen zur Selbstbeurteilungsrückmeldung und (g) den korrektiven Handlungen. Dieser Prozess erfolgt rekursiv und nicht linear. Und schliesslich wird der Mensch immer als eingebettet in einen sozialen Kontext betrachtet, wodurch ein Verständnis eines Individuums nie ohne ein Verständnis seiner sozialen Kognitionen (Erklärungen und Vorhersagen über Verhalten, Gedanken und Gefühle anderer) und dem Verhalten in sozialen Situationen erfolgt. Um die Ausgangsfrage dieser Arbeit zu beantworten, wie sich Menschen in ihrem Veränderungsprozess unterscheiden, müssen aber zuerst gemeinsame Variablen definiert werden, hinsichtlich derer sich Menschen unterscheiden und die gemessen werden können. Die hier grundlegenden Prinzipien und Prozesse der Sozialen Kognition beinhalten alle solche gemeinsame Variablen. Maddux nennt die folgenden neun: die Verhalten-Ergebniserwartung, die Stimulus-Ergebniserwartung, die Selbstwirksamkeitserwartung, die Wichtigkeit eines Ergebnis, das Ziel, die Intention, die Attributionen, die Kompetenz und den Affekt.

1.2.1.1. Die Verhalten-Ergebniserwartung Die Verhalten-Ergebniserwartung (behavior-outcome expectancy) ist die Auffassung über eine Verknüpfung zwischen einem bestimmten Verhalten und einem bestimmten Ergebnis (Maddux, 1999). Sie ist verbalisierbar durch den Glauben, dass ein bestimmtes Verhalten (z.B. der Beginn einer Psychotherapie) zu einem bestimmten Ergebnis (z.B. besseres Allgemeinbefinden) in einer bestimmten Situation (z.B. am Ende der Therapie) führen wird. Mad
 
 




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1. Theoretischer Hintergrund

dux übernimmt dabei den Begriff vom Persönlichkeitspsychologen Mischel (1973), der in seiner theoretischen Arbeit Erwartungen als Persönlichkeitsvariablen eines Individuums konzeptualisiert und sie als spezifische (und veränderbare) Wenn-dann-Hypothesen umschreibt. Andere Bezeichnungen der (Verhalten-)Ergebniserwartung sind Rotters expectancy for behavior-reinforcement sequence (Rotter, 1954, 1978), die outcome expectancy bei Bandura (1977), Kirschs (1995) mean-end belief, Heckhausens (1977) action-outcome expectancy, die response-stimulus expectancy bei Bolles (1972) und einfach die expectancy bei Vroom (1964). In der vorliegenden Arbeit wird, wie schon im vorausgehenden Text, der für die Therapiesituation besser passende Begriff der Besserungserwartung verwendet (Grawe, 1998). Der Nutzen dieses Begriffs liegt in der Beschränkung auf die positive Valenz der Ergebniserwartung. Maddux teilt weiter die Verhalten-Ergebniserwartung in eine Verhalten-Stimuluserwartung und eine Verhalten-Reaktionserwartung auf. Die Verhalten-Stimuluserwartung ist die Erwartung, dass auf ein Verhalten ein bestimmter Stimulus (ein Umgebungsreiz) erfolgt, wohingegen bei der Verhalten-Reaktionserwartung auf ein Verhalten eine unwillkürliche Reaktion erwartet wird (z.B. eine emotionale Reaktion).

1.2.1.2. Die Stimulus-Ergebniserwartung Die Stimulus-Ergebniserwartung (stimulus-outcome expectancy) ist die Vorstellung, dass ein Reiz oder bestimmtes Signal ein bestimmtes Ereignis voraussagt. Vom Reiz wird also auf die Folgen geschlossen. Sie ist weniger gut verbalisierbar, da sie oft vorbewusst und weniger kognitiv erfolgt. Es kann die Erwartung sein, dass ein älterer, männlicher Therapeut (der Stimulus) mir zu einem guten Allgemeinbefinden (das Ergebnis) verhelfen wird. Auch diesen Begriff übernimmt Maddux von Mischel und vergleicht ihn mit den Begriffen der reinforcement-reinforcement sequences bei Rotter (1954, 1978), Heckhausens (1977) situationoutcome expectancy und Vrooms (1964) Instrumentalität. Auch die Stimulus-Ergebniserwartung unterteilt Maddux in zwei Arten: die StimulusStimuluserwartung und die Stimulus-Reaktionserwartung. Beide Begriffe wurden von Kirsch (1985a, vgl. Kapitel 1.2.2) geprägt und stehen beim Ersteren für die Erwartung, dass ein Stimulus ein Signal für eine externes Umgebungsereignis ist (z.B. signalisiert das Räuspern des Therapeuten das Ende der Sitzung) und beim Letzteren für die Erwartung, dass ein Stimulus ein Signal für eine unwillkürliche Reaktion bedeutet (z.B. beruhigt das betätigende Nicken des Therapeuten). 
 
 




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1. Theoretischer Hintergrund

1.2.1.3. Die Selbstwirksamkeitserwartung Als Selbstwirksamkeitserwartung wird der Glaube an die eigenen Fähigkeiten für ein bestimmtes Verhalten unter einer bestimmten Bedingungen beschrieben (Bandura, 1977; Maddux, 1999). Darunter fällt auch der Glaube, die Motivation, kognitive Ressourcen und Verhaltensweisen für das Meistern einer bestimmten Aufgabe oder Situation aufbringen zu können (Bandura, 1990). Die Selbstwirksamkeitserwartung bezieht sich demnach auf das Verhalten und nicht auf das Ziel. In der Literatur wird der Begriff der Selbstwirksamkeit (self-efficacy) leider unterschiedlich verwendet und gemessen. Im Minimum können zwei verschiedene Bedeutungen für die Selbstwirksamkeit beobachtet werden: zum einen als wahrgenommene Fähigkeit, ein bestimmtes Verhalten auszuüben (was Kirsch, 1995, task self-efficacy nennt) und zum anderen die wahrgenommene Fähigkeit, mit bestimmten Schwierigkeiten umzugehen (Kirschs, 1995, coping self-efficacy, vgl. Kapitel 1.2.2.1). Maddux betrachtet diese beiden Bedeutungen der Selbstwirksamkeit nicht als unterschiedliche Erscheinungsformen der Selbstwirksamkeit sondern als die Selbstwirksamkeitserwartung für unterschiedliches Verhalten. Diese Unterscheidung ist wichtig für das Verständnis der Verwirrung, die mancherorts bei diesem Begriff herrscht. So ist gerade in schwierigen Situationen (z.B. bei Antizipation von unangenehmen Gefühlen) die Messung der Selbstwirksamkeit für eine einfache Handlung (z.B. über einen Verlust zu sprechen) stark durch die Reaktionserwartungen (z.B. dass Tränen fliessen werden) beeinflusst und kann so nicht von der Messung der Absicht, diese Handlung auszuführen, unterschieden werden (nicht über einen Verlust sprechen können oder nicht wollen, da das Weinen vor dem Therapeuten als peinlich angesehen wird). Die Selbstwirksamkeitserwartung für komplexe Handlungen (coping self-efficacy) lässt sich hingegen von der Absicht der Handlung unterscheiden (Maddux, 1999).

1.2.1.4. Der Ergebniswert, Ziele und Intentionen Der Wert eines angestrebten Ergebnisses (outcome value) ist die Wichtigkeit, die diesem Ergebnis zugeschrieben wird. Das Ziel (goal) beschreibt einen erwünschten Endzustand, den zu erreichen angestrebt wird (Austin & Vancouver, 1996). Der Ergebniswert steht also für die Wichtigkeit des angestrebten Ziels. Die Absicht (intention) wiederum beschreibt das Vorhaben, sich diesem Ziel zu nähern. Um Unklarheiten in Zukunft zu vermeiden, schlägt Maddux (1999) vor, den Begriff der Absicht für die Anstrengungsbereitschaft zu verwenden, 
 
 




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1. Theoretischer Hintergrund

die aufgebracht wird, um sich auf ein als zielführend geglaubtes Verhalten einzulassen.

1.2.1.5. Attributionen, Kompetenzen und Emotionen Kausale Attributionen oder einfache Zuschreibungen sind Erklärungen für Motive, Verhaltensweisen, Gedanken und Gefühle über sich selbst und andere (Maddux, 1999). Die Funktion der Attributionen ist demnach, Vergangenes zu erklären, während sich Erwartungen auf Zukünftiges beziehen. Attributionen und Erwartungen beeinflussen sich so gegenseitig. Ursachenzuschreibungen von Vergangenem, insbesondere von Erfolgs- oder Misserfolgsattributionen, beeinflussen sowohl die Verhalten-Ergebniserwartungen als auch die Selbstwirksamkeitserwartungen für zukünftige Erfolge oder Misserfolge (Bandura, 1995; Weiner, Nierenberg & Goldstein, 1976). Angrenzend dazu steht der Begriff der Kompetenz. Damit ist nicht die Kompetenzerwartung (was jemand glaubt, zu können, d.h. Selbstwirksamkeitserwartung) gemeint, sondern die tatsächlichen Fähigkeiten und Qualifikationen einer Person. Diese umfassen intellektuelle Fähigkeiten, Verhaltensfähigkeiten oder Fähigkeiten zur Selbstregulation. Als letzte der neun Variablen in den für die Soziale Kognition grundlegenden Prinzipien und Prozessen führt Maddux (1999) schliesslich noch die Emotionen auf. Er betont zwar, dass die Betrachtung der Emotionen als eine grundlegende Einheit in Frage gestellt werden kann. Zumal die Emotionen als Resultat aus anderen sozial-kognitiver Einheiten gesehen werden können (z.B. aus der Verhaltens-Ergebniserwartung oder dem Ergebniswert). Maddux schreibt ihm dennoch einen prominenten Platz innerhalb der sozial-kognitiven Perspektive zu mit der Begründung, dass die Forschung der letzten Jahrzehnte gezeigt hat, dass affektive Reaktionen relativ automatisch ablaufen und mit Attributionen, Selbstbeurteilungs- und Selbstregulationsprozessen auf eine komplexe Art und Weise interagieren.

1.2.1.6. Die Hoffnungstheorie von Snyder Nachdem nun die grundlegenden Prinzipien, Prozesse und deren Variablen begrifflich eingegrenzt wurden, soll an dieser Stelle ein Konzept vorgestellt werden, welches ebenfalls aus der sozial-kognitiven Perspektive entstanden ist. Da nun mit den Ausführungen von Maddux (1999) ein grösserer theoretische Rahmen erstellt ist, soll nun der Fokus weg von der Breite etwas mehr in die Tiefe auf ein spezifisches Detail gelenkt werden, nämlich auf ein sozial-kognitives Modell zu positiven Erwartungen von Snyder. Er nennt sein Modell die 
 
 




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1. Theoretischer Hintergrund

Hoffnungstheorie (hope theory, Snyder, 2000, 2002; Snyder, Ilardi, Michael & Cheavens, 2000; Snyder, Lopez, Shorey, Rand & Feldman, 2003). In der Hoffnungstheorie wird Hoffnung definiert als „a positive motivational state that is based on an interactively derived sense of successful (a) agency (goal-directed energy), and (b) pathways (planning to meet goals)“ (Snyder, 2002, S. 250). Die Abbildung 1.6 veranschaulicht Snyders Modell.

Abbildung 1.6. Die Hoffnungstheorie nach Snyder (2002).

Aus Abbildung 1.6 wird der sozial-kognitiven Bezugsrahmen deutlich, indem auch hier wieder die vier grundlegenden Prinzipien reziproke Kausalität, kognitiver Schemata, Selbstregulationsprozesse sowie Einbettung des Selbst und der Persönlichkeit in ein soziales Umfeld zum Tragen kommen. Snyder spricht in seinem Modell von Hoffnung, hoffnungsvollem Denken und von Gedanken im Zusammenhang mit dem pathway (Problemlösungswege, z.B. „Wie komme ich von

A

nach

B?“)

und

dem

agency

(die

wahrgenommene

Fähigkeit,

eigene

Problemlösungswege anzuwenden, um das Ziel zu erreichen, z.B. „Ich kann das!“, Snyder, 2002, S. 251). Man könnte im Fall von pathway-Gedanken auch von VerhaltenErgebniserwartungen sprechen sowie bei agency-Gedanken von Selbstwirksamkeitserwartun
 
 




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1. Theoretischer Hintergrund

gen (Snyder, 2000). Hoffnung resultiert nach Snyders Modell, wenn ein angestrebtes Ziel als wichtig erachtet wird (hoher Ergebniswert) und zusammen mit pathway-Gedanken wie auch agency-Gedanken positiv interagiert, d.h. wenn ein wichtiges Ziel auf positive VerhaltensErgebniserwartungen und positive Selbstwirksamkeitserwartungen trifft. Hoffnung ist das positive Gefühl, das daraus entsteht und dazu führt, dass das Ziel (auch bei Hindernissen) weiter verfolgt wird. Neben der Darstellung einer zeitlichen Entfaltung von zielgerichteten Gedanken bezieht sich der Kern des Modells aber auf den iterativen Prozess zwischen Ergebniswert, pathwayund agency-Gedanken sowie dessen angestrebtes Ziel. Zu einer ähnlichen Konzeptualisierung kommt auch Kirsch, ohne sich auf Snyder zu beziehen, mit seiner Theorie über den Zusammenhang von Selbstwirksamkeitserwartung und Ergebniserwartung (Kirsch, 1995). PathwayGedanken sind bei Kirsch mean-ends beliefs, während er für agency-Gedanken auf den Begriff der Selbstwirksamkeitserwartung (self-efficacy) von Bandura (1977) zurückgreift. Da sich Kirsch explizit, ausführlich und detailliert mit dem Konstrukt der Erwartung beschäftigt, wird seine Reaktionserwartungstheorie als theoretischer Bezugsrahmen dieser Arbeit herangezogen und soll im folgenden Kapitel ausführlicher dargestellt werden.

1.2.2.

Die Reaktionserwartungstheorie von Kirsch Der einflussreiche Psychologieprofessor und Placeboforscher Irving Kirsch setzt in sei-

nen theoretischen Überlegungen Reaktionserwartungen (response expectancies) in den Fokus der Aufmerksamkeit. Dabei stützt er sich auf Rotters Soziale Lerntheorie (Rotter, 1954) und weitet diese aus auf die Vorhersage von unwillkürlichen Reaktionen, die dann ihrerseits einen Einfluss auf willkürliche Handlungen ausüben. Diese Reaktionserwartungen werden von Kirsch (1985a, 1997) definiert als Antizipationen von unwillkürlichen, subjektiven und verhaltensbasierten Reaktionen. Damit grenzt er sie ab von den Stimuluserwartungen (stimulus expectancies), die er als Erwartungen, ausgelöst durch einen externen Hinweisreiz (cue), beschreibt. In dem 1985 erschienenen Artikel berichtet Kirsch Resultate aus der Forschung zum Placebo-Effekt, zur Angstreduktion und zur Hypnose, auf die sich seine Reaktionserwartungstheorie stützen und fasst am Ende seine Reaktionserwartungstheorie mit neun Aussagen prägnant zusammen (nachzulesen in Kirsch, 1985a, S. 1198f): 1. Die Wahrscheinlichkeit einer unwillkürlichen Reaktion ist eine Funktion der Erwartung auf eine Verstärkung und deren Wert (Rotter, 1954). An diesem Punkt 
 
 




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1. Theoretischer Hintergrund

verweist Kirsch auf Bolles (1972) und seine Definition der R-S Erwartungen. 2. Gewisse Stimuli haben einen primären Verstärkerwert (zur Befriedigung physiologischer Bedürfnisse). Darüber hinaus können Stimuli zum Verstärker werden, wenn sie mit anderen verstärkenden Stimuli assoziiert sind. Verursacht wird die sekundäre Verstärkung durch die Erwartung auf weitere Verstärkung (Rotter, 1954). Diese S-S Erwartungen werden u.a. durch klassische Konditionierungsprozesse geformt (Bolles, 1972). 3. Die Summe der erwarteten Gesamtverstärkung und der primäre Wert der Verstärkung bestimmen die Wahrscheinlichkeit einer willkürlichen Handlung. 4. Unwillkürliche Reaktionen können durch unkonditionierte Reize ausgelöst werden. Gedanken können die Funktion derartiger Reize einnehmen. 5. Auftretenserwartungen können unwillkürliche Reaktionen auslösen. An der Entstehung und Modifikation von derartigen Reaktionserwartungen sind auch verbale Überzeugungsbekundungen, Attributionsprozesse, Modelllernen und Selbstbeobachtungen beteiligt. 6. Die Effekte von unkonditionierten Stimuli und Reaktionserwartungen stehen in einem additiven Verhältnis zueinander. Das bedeutet, Reaktionserwartungen können unkonditionierte Stimuli verstärken, hemmen oder umkehren. 7. Die Auftretenswahrscheinlichkeit von unwillkürlichen Reaktionen verändert sich mit der erwarteten Auftretensintensität und mit der Herausforderung der erwarteten Reaktion. 8. Unwillkürliche Reaktionen funktionieren als Verstärker. 9. Aufgrund ihres Verstärkercharakters bestimmen unwillkürliche Reaktionen willkürliches Handeln. Allgemeiner ausgedrückt: Die Wahrscheinlichkeit einer willkürlichen Handlung ist eine Funktion der Summe aller erwarteten Stimuli und unwillkürlichen Reaktionen sowie deren primäre Verstärkerwerte. Es sind nach Kirsch die erwarteten Reaktionen, die unser Vorgehen beeinflussen. Im Gegensatz zur Stimuluserwartung wirken Reaktionserwartungen direkt selbstbestätigend. So hat die Stimuluserwartung, eine gute Note zu erzielen, keinen direkten Einfluss auf die tatsächliche Notengebung. Sie kann dazu führen, dass mehr gelernt wird und so indirekt die Notenerreichung beeinflussen (Kirsch, 1997). Im Gegensatz dazu führen jedoch Erwartungen über den Aufputscheffekt von Kaffee zu einer tatsächlich erhöhten Wachheit nach dem Kaffeekonsum (auch wenn unwissentlich koffeinfreier Kaffee getrunken worden ist), die sich selbst in der Pulsrate und im systolischen Blutdruck niederschlägt (Kirsch & Weixel, 1988). 
 
 




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1. Theoretischer Hintergrund

Dieser Effekt ist als Placebo-Effekt bekannt. Placebos erzeugen nach der Konzeption von Kirsch Reaktionserwartungen, die wiederum Veränderungen im Erleben hervorbringen. Reaktionserwartungen beschreiben die subjektive Wahrscheinlichkeit, dass auf ein Verhalten eine unwillkürliche (z.B. emotionale) Reaktion erfolgt. Diese Reaktionen fungieren als Verstärker. Diese allein bestimmen jedoch noch nicht die nachfolgenden willkürlichen Handlungen, sondern werden noch durch weitere Erwartungsgrössen beeinflusst. Prominent diskutiert werden in der Literatur die wahrgenommene Selbstwirksamkeit (Bandura, 1977) und die Kontrollüberzeugungen (locus of control, Rotter, 1954). Kirsch versucht diese beiden in seine Reaktionserwartungstheorie zu integrieren und schlägt zu diesem Zweck ein integratives Erwartungsmodell vor.

1.2.2.1. Ein integratives Erwartungsmodell Das integrative Erwartungsmodell von Kirsch dient als konzeptuelle Grundlage für ein einheitliches Verständnis darüber, wie das Konzept der Erwartung in dieser Arbeit verstanden wird. Auf dieses stützt sich auch Maddux in seiner oben dargestellten Zusammenstellung der grundlegenden Prinzipien und Prozesse. Die Abbildung 1.7 zeigt den Zusammenhang von Reaktionserwartungen (response expectancy), Stimuluserwartungen (stimulus expectancy), Bewältigungserwartungen (coping self-efficacy), der Machbarkeitserwartung (task self-efficacy) sowie den Ergebnissen, d.h. die unwillkürlichen Reaktionen (subjective response) und die Verhaltensreaktionen (behavioral response).

Abbildung 1.7. Integratives Erwartungsmodell von Kirsch (1995).


 
 




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1. Theoretischer Hintergrund

Nach dem Modell von Kirsch beeinflussen Reaktionserwartungen emotionale (unwillkürliche) Reaktionen auf direktem Weg sowie indirekt über die Machbarkeitserwartung auch das Verhalten. Ebenfalls indirekt über die Machbarkeitserwartung auf das Verhalten wirken Stimuluserwartung und die Erwartung über die Bewältigungsfähigkeit.

1.2.2.2. Zusammenfassung mit Fazit für die Psychotherapiesituation Zusammenfassend kann mit Hinblick auf die für diese Arbeit relevante Situation der Psychotherapie festgehalten werden, dass schon in der ersten Therapiesitzung ganz verschiedene Erwartungen aktiviert sein müssen. Zum einen werden Erwartungen über verschiedene mögliche unwillkürliche Reaktionen (Reaktionserwartungen) aktiviert sein (z.B. „Wenn ich über meine Probleme spreche, werde ich bestimmt weinen müssen“). Diese führen zu einer Machbarkeitserwartung (task self-efficacy) der bevorstehenden Aufgabe (z.B. „Ich bin körperlich / intellektuell im Stande über meine Probleme zu sprechen“). Gleichzeitig sind aber auch Erwartungen darüber aktiviert, wie die erwarteten Aufgabe bewältigt werden kann (coping self-efficacy, z.B. „Ich werde nicht über alles sprechen können, aber ich werde es versuchen“) sowie Erwartungen darüber, was externe Hinweisreize vorhersagen (Stimuluserwartungen, z.B. „Das freundliche Zunicken des Therapeuten signalisiert mir, dass ich über meine Probleme sprechen darf“). Diese Erwartungen zusammen beeinflussen über die Machbarkeitserwartung das Verhalten in der Situation (siehe Abb. 1.8).

Abbildung 1.8. Angepasstes Modell nach Kirsch (1995).


 
 




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1. Theoretischer Hintergrund

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass, wenn ein bestimmtes Ziel mit der Therapie angestrebt wird, der Therapeut alles daran setzen muss, die Machbarkeitserwartungen zu stärken. Dies gelingt ihm, indem er die realistische Reaktionserwartungen herstellt, spezifische Techniken einführt, damit der Patient sich die nötigen Fertigkeiten dazu aneignen kann, und indem er die Selbstwirksamkeitserwartung des Patienten stärkt. Die nötigen Fertigkeiten werden in störungsspezifischen Therapiemanualen beschrieben und sind Teil des Bewältigungsvorgehens. Es gilt in der Sitzung also, die Ergebnis- und Selbstwirksamkeitserwartung zu stärken sowie die Reaktionserwartung zu thematisieren, um allenfalls anzupassen. Auf eine implizite Art geschieht dies in jeder Therapiesitzung. Was aber, wenn der Therapeut diese Erwartungen explizit anspricht? Nach den obigen Ausführungen wäre zu erwarten, dass dadurch eine Verbesserung der Therapieeffektivität erreicht werden kann. Insbesondere, wenn diese Erwartungen nur in einem geringen Ausmass vorhanden sind. Genau dies soll in der vorliegenden Arbeit untersucht werden.

1.3.

Die Psychotherapieforschung Die empirische Psychotherapieforschung beschäftigt sich mit der Überprüfung der Wir-

kungsweise von Psychotherapie. Im Spezifischen untersucht sie deren Wirksamkeit, die Effektivität in der Praxis, die Wirkfaktoren oder den therapeutischen Prozess. Das allgemeine Ziel dabei ist die Schaffung wissenschaftlicher Grundlagen für die psychotherapeutische Praxis. Die Debatte um die Wirkungsweise von Psychotherapie begann, als der amerikanische Psychotherapeut Saul Rosenzweig 1936 in einer Arbeit den Dodo-Vogel aus Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“ zitierte, der nach einem chaotischen Wettrennen entscheiden sollte, wer gewonnen hat. Sein Urteil lautete: „Everybody has won, and all must have prizes“. In die gleiche Richtung argumentierte 1952 Eysenck, indem er verlauten liess, die Psychotherapie (Psychoanalyse) sei nicht besser als Nichtstun (Spontanremmission). Diese provokante Aussage löste eine Welle teils leidenschaftlicher Diskussionen und eine Fülle an empirischen Einzeluntersuchungen aus, um diese These zu widerlegen. Heute ist die Wirksamkeit z.B. der kognitiven Verhaltenstherapie und der psychoanalytischen Kurzzeitpsychotherapie bei einer Vielzahl von psychischen Störungen nachgewiesen. Dies gilt auch für die psychodynamischpsycho-analytischen und humanistisch-gesprächspsychotherapeutischen Verfahren (Grawe et al., 1994). Die Psychotherapieforschung lässt sich in vier historische Phasen mit den dazugehören
 
 




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1. Theoretischer Hintergrund

den grundlegenden Fragen einteilen (Grawe, 1992, 1997): 1. Phase der Legitimation mit der Frage: Wirkt Psychotherapie? 2. Phase der Konkurrenz mit der Frage: Welche Form von Psychotherapie ist den anderen überlegen? 3. Phase der Indikation mit der Frage: Welche Form von Psychotherapie ist für welchen Patienten indiziert? 4. Phase der Prozessforschung mit der Frage: Wie wirkt Psychotherapie? Die Phasen der Indikation und der Prozessforschung sind noch immer hoch aktuell. Vor diesem Hintergrund ist auch die vorliegende Arbeit zu sehen. Mit der Frage, wie positive Veränderungen früh in der Therapie zustande kommen, verfolgt sie das Ziel, die Veränderungsmechanismen in der Psychotherapie besser zu verstehen und ist so der ProzessOutcome-Forschung (vgl. Kapitel 1.3.1) zuzuordnen. Gemäss Grawe ist ein derartiges Ziel nur dann sinnvoll, wenn sie mit der Intention einhergeht, die Erkenntnisse auch in neue therapeutische Prozeduren zu überführen (Grawe, 1997). Diese Absicht soll auch richtungsweisend sein für die hier vorliegende Arbeit.

1.3.1.

Was ist Prozessforschung? Die vorliegende Arbeit wird der Prozess-Outcome-Forschung zugeordnet, deren Ziel es

ist, die Erforschung des Therapieprozesses in Zusammenhang mit dessen Ergebnis zu bringen. Die Prozessforschung beschäftigt sich somit mit der Frage nach den Geschehnissen in der Psychotherapie (Caspar & Jacobi, 2010). Galt bis weit in die 1980er-Jahre hinein die Aufmerksamkeit der so genannten Erfolgs- oder Outcome-Forschung mit dem Ziel des Wirksamkeitsnachweises, ist ab den späteren 1980er-Jahren eine verstärkte Hinwendung zum eigentlich stattfindenden psychotherapeutischen Prozess zu beobachten. Greenberg und Pinsof (1986) nannten dieses neue Paradigma innerhalb der Psychotherapieforschung „the new process perspective in psychotherapy research“. Die Gründe dafür sehen Bastine, Fiedler und Kommer (1989) in der unbefriedigenden Befundlage zur Frage der differentiellen Indikation (welche Therapieform ist für welchen Patienten die am besten geeignete?) und im Streben nach einem besseren Verständnis psychotherapeutischer Veränderungen und Verläufe in ihrem Kontext. Die brennende Frage hierzu lautet: Welche Interventionen und psychotherapeutische Techniken sind in welchen therapeutischen Situationen produktiv? Nach den Forschern Orlinsky, Grawe und Parks (1994) sollen klinische Theorien veranschaulichen, wie Psychotherapie sein sollte, die Prozessforschung festlegen, was Psychothe
 
 




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1. Theoretischer Hintergrund

rapie ist und die Outcome-Forschung schliesslich das auswerten, was Psychotherapie hervorbringt (S. 270). Die Schwierigkeit, den psychotherapeutischen Prozess zu untersuchen, ergibt sich in der Gewichtung von interner vs. externer Validität. Die Maximierung der einen Ausprägung geht unweigerlich zulasten der anderen (Caspar & Jacobi, 2010). Naturwissenschaftliche Standards verlangen streng kontrollierte Experimente, in denen sich Experimental- und Kontrollgruppe einzig in der zu untersuchenden Variablen unterscheiden. Damit wird die interne Validität zwar hoch gehalten, Psychotherapie im Labor hat aber nur wenig mit echter Psychotherapie zu tun (geringe externe Validität). Die Psychotherapie ist kein isolierbarer Faktor, den man experimentell manipulieren kann. Verschiedene Einflussgrössen bestimmen überhaupt das Zustandekommen der psychotherapeutischen Wirkung (z.B. das Alter, die Diagnose oder Vorlieben der Patienten, die Erfahrung, das Geschlecht oder Orientierung des Therapeuten, die Interaktionen untereinander, die angewendeten Techniken etc.). Alle diese Faktoren zu kontrollieren, würde bedeuten, den zu untersuchenden Gegenstand (die Psychotherapie) bis zur Unkenntlichkeit zu zerlegen. Damit liesse sich zwar die Wirkung einzelner Faktoren überprüfen, die Ergebnisse liessen sich jedoch nur schlecht auf die Praxis übertragen. 1992 wurde die „Task Force on Promotion and Dissemination of Psychological Procedures“ der APA (American Psychological Association) gegründet, deren Grundsätze für die Beurteilung empirisch wirksamer Behandlungen bis heute zum Goldstandard gehören. Die Kriterien sind die zufällige Verteilung der Patienten auf Experimental- und Kontrollgruppe (Randomisierung), eine Manualisierung des Vorgehens und eine homogene Patientenauswahl nach klaren diagnostischen Kriterien (randomized clinical trial, RCT, Caspar & Jacobi, 2010). Damit soll gewährleistet werden, dass sich die verschiedenen Einflussgrössen zufällig auf beide Gruppen verteilen und die Effekte in der Experimentalgruppe nicht durch konfundierende Variablen zustande kommen. Da RCTs mit erheblichem Aufwand und nicht zu unterschätzenden Kosten verbunden sind, wird von einigen Psychotherapieforschern gefordert, dass für die Überprüfung einer vermuteten Einflussgrösse vorab eine solide theoretische Grundlage und erste empirische Hinweise geschaffen werden sollen (Doss, 2004; L. S. Greenberg & Foerster, 1996; Grosse Holtforth, Castonguay & Borkovec, 2004; Safran et al., 1988). Ohne klare Hinweise auf die Wichtigkeit der Einflussgrösse (ihren Effekt) lohnt sich das aufwendige RCT-Verfahren nicht. Die positive Erwartungsaktivierung ist ein Konzept, das so noch an keiner anderen Stelle empirisch untersucht worden ist. Die vorliegende Arbeit hat folgerichtig zum Ziel, die Erkenntnislage dazu zu erweitern und eine Basis zu schaffen für eine allenfalls spätere experi
 
 




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1. Theoretischer Hintergrund

menteller Überprüfung dieser Einflussgrösse. Sie ist, wie schon erwähnt, an der Schnittstelle von Prozess- und Ergebnisforschung anzugliedern, da sie nach der Wirkungsweise der (frühen) Psychotherapie forscht und die vermuteten Einflussgrössen in Zusammenhang mit dem Therapieergebnis stellt.


 
 




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2.



2. Fragestellung und Hypothesen

FRAGESTELLUNG UND HYPOTHESEN Die Fragestellung dieser Arbeit lautete: Welcher Veränderungsmechanismus führt zum

Therapieerfolg und durch welche Veränderungsprozesse kann dieser Veränderungsmechanismus gefördert werden? Ein Mensch kommt in Therapie, weil er mit einem Verhalten oder einem Zustand nicht mehr zurechtkommt und dies ändern möchte. Damit sich ein Verhalten und / oder ein Zustand dauerhaft verändern kann, müssen die Veränderungen im Alltag spürbar, d.h. erlebbar werden. So muss auch ein Patient in Therapie die Erfahrung machen, wie sich die Veränderung im Alltag anfühlt und wie er sie dort ohne Hilfe erreichen kann. Er muss also auch zwischen den Therapiesitzungen von sich aus an dem arbeiten, was in der Sitzung besprochen worden ist. Kein Therapeut kann diese Anstrengungsbereitschaft für seinen Patienten übernehmen. Sie kann aber durch positive Bewältigungserfahrungen motiviert werden, die in der Therapiesitzung (oder durch Hausaufgaben) realisiert werden können. Die Realisierung von positiven Bewältigungserfahrungen sollte schon früh in der Therapie erfolgen, damit ein Patient motiviert wird, an den Inhalten weiter zu arbeiten und in Therapie zu bleiben. Es ist erwiesen, dass Erwartungen Verhalten und Erleben beeinflussen und dementsprechend auch positive Bewältigungserfahrungen. So beeinflussen auch Besserungserwartungen das Ergebnis der Therapie. Was aber ist zu tun, wenn Patienten mit keinen oder nur geringen Besserungserwartungen in die Therapie kommen? In diesen Fällen scheint es besonders wichtig, gezielt diese positiven Veränderungserwartungen zu fördern, d.h. sie zu aktivieren. Dies gelingt, so wird angenommen, durch die positive Erwartungsaktivierung mit Stärkung der Selbstwirksamkeitserwartung. Es wird erwartet, dass die Anstrengungsbereitschaft ein Veränderungsmechanismus darstellt, der mit positivem Therapieausgang assoziiert ist. Weiter wird erwartet, dass frühe positive Bewältigungserfahrungen die spätere Anstrengungsbereitschaft vorhersagen. Bei Patienten mit geringen Besserungserwartungen soll eine frühe Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie positive Bewältigungserfahrungen begünstigen. Hier wird also von einem Moderatoreffekt der Variable Besserungserwartung ausgegangen. In einem ersten Schritt werden die Zusammenhänge der angenommenen Veränderungsvariablen untersucht und auf den Moderatoreffekt geprüft. In einem zweiten Schritt sollen individuelle Unterschiede in der Vorhersagekraft von positiver Erwartungsaktivierung in Abhängigkeit der Besserungserwartung auf mehreren Ebenen modelliert werden. Hier wird erwartet, dass die positive Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie bei Patienten mit ge
 
 




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2. Fragestellung und Hypothesen

ringer Besserungserwartung frühe positive Bewältigungserfahrungen sowie deren Verlauf positiv beeinflusst. Die Abbildung 2.1 gibt einen entsprechenden Überblick.

Abbildung 2.1. Das Therapieprozessmodell früher Veränderungen mit den entsprechend eingezeichneten Hypothesen für die angenommenen Zusammenhänge und Vorhersagekraft.

Bevor in das Verständnis von Veränderungsprozessen in einer bestimmten Therapieart Ressourcen investiert werden, sollte zuerst die Wirksamkeit der untersuchten Therapie durch die Ergebnisforschung nachgewiesen sein (Doss, 2004). Wie aus der Einleitung hervorgeht, ist Psychotherapie erfolgreich. Den Wirkungsnachweis der Allgemeinen Therapie, nach deren Prinzipien an der Berner Praxisstelle gearbeitet wird, wurde schon in verschiedenen Studien erbracht (Dick, Grawe, Regli & Heim, 1999; Gassmann & Grawe, 2004; Grawe, 1999, 2004; Grosse Holtforth et al., 2008; Smith & Grawe, 2003). Diese Vorbedingung wird für die hier untersuchte Teilstichprobe als gegeben erachtet und im Ergebnisteil deskriptiv dargestellt. Wie oben schon ausgeführt, wird erwartet, dass die Anstrengungsbereitschaft ein Veränderungsmechanismus darstellt, der mit positivem Therapieausgang assoziiert ist und dass frühe positive Bewältigungserfahrungen die spätere Anstrengungsbereitschaft vorhersagen. Die Anstrengungsbereitschaft, d.h. die Motivation, aus eigenem Antrieb zu seiner Besserung beizutragen, wird in verschiedenen Modellen als wichtige Komponente im Veränderungsprozess erachtet (Bandura, 1977; Grawe, 1998, 2004; Miller & Rollnick, 2002). Es wird angenommen, dass diese Komponente einen positiven Einfluss auf das Therapieergebnis ausübt und so ein wichtiger Veränderungsmechanismus darstellt, dessen Aufbau sich aber ausserhalb der Sitzungen vollzieht und so nur indirekt in der Sitzung beobachtet und gemessen werden kann. Positive Bewältigungserfahrungen werden nach Grawe zu den vier grundlegenden 
 
 




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2. Fragestellung und Hypothesen

Wirkmechanismen gezählt (Grawe, 1998, 2004). Bandura (1977) sieht in dieser Komponente sogar den wichtigsten Veränderungsprozess beim Patienten, auf den der Therapeut direkt einwirken kann. Gerade früh in der Therapie sollten positive Bewältigungserfahrungen ermöglicht werden (Grawe, 1998, 2004). Es wird daher angenommen, dass positive Bewältigungserfahrungen in einer frühen Therapiephase beim Patienten zum Therapieerfolg führen. Die Anstrengungsbereitschaft wird als Veränderungsmechanismus angesehen, weil sich dieser nicht direkt in der Sitzung beobachten lässt (vgl. Kapitel 1.1). Die Bereitschaft, sich auch zwischen den Sitzungen mit den Inhalten der Therapie zu beschäftigen, wird, so die Hypothese, durch positive Bewältigungserfahrungen in der Sitzung angestossen. Hypothese 1.1 lautet dementsprechend: H 1.1: Die Anstrengungsbereitschaft kann den Therapieerfolg vorhersagen und frühe positive Bewältigungserfahrungen können die spätere Anstrengungsbereitschaft positiv beeinflussen. Aufgrund der Interdependenz und Selbstorganisation der Phänomene ist eine konzeptuelle Trennung zwischen Prozess und Mechanismus schwer nachzuweisen. Auch die Annahme eines linearen Ursache-Effekt-Zusammenhangs ist nicht unproblematisch (Grosse Holtforth et al., 2004). Zur Diskussion dieser Problematik soll an dieser Stelle auf den Diskussionsteil verwiesen werden. Aus der Einleitung geht hervor, wie Erwartungen Erleben und Verhalten beeinflussen. Dieses Potential wird aber in der Psychotherapie noch zu wenig genutzt. Gerade wenn Patienten mit wenig Besserungserwartung in die Therapie kommen, gibt es keine bekannten spezifischen Interventionsmöglichkeiten, um die Besserungserwartung zu fördern. Es wird daher angenommen, dass positive Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie (in Sitzung 2) die darauf folgenden frühen positiven Bewältigungserfahrungen (Sitzung 2 bis 10) bei Patienten mit geringer Besserungserwartung vorhersagen. Es wird ein Moderatoreffekt von der Besserungserwartung auf die Beziehung zwischen positiver Erwartungsaktivierung und positiven Bewältigungserfahrungen erwartet.


 
 




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2. Fragestellung und Hypothesen

Die Hypothese 1.2 lautet dementsprechend: H 1.2: Positive Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie kann frühe Bewältigungserfahrungen bei Patienten mit geringer Besserungserwartung positiv beeinflussen.

In einem zweiten Schritt soll untersucht werden, ob bei Patienten mit geringer Besserungserwartung durch das Ausmass an frühen positiver Erwartungsaktivierung auch interindividuelle Unterschiede hinsichtlich positiver Bewältigungserfahrungen erklären bzw. vorhersagen lassen. Es wird erwartet, dass: H 2: Das Ausmass an positiver Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie kann die interindividuellen Unterschiede im Ausgangswert und im Verlauf von positiven Bewältigungserfahrungen bei Patienten mit geringer Besserungserwartung vorhersagen (bedingtes Wachstumsmodell). Die Prüfung dieser Hypothese verlangt einige Vorbedingungen. Diese werden bei Mehrebenenanalysen in separaten Modellen überprüft. Die Vorhersagekraft einer Variablen auf eine Zielvariable zu prüfen, macht wenig Sinn, wenn sich die Personen hinsichtlich der Zielvariablen nicht unterscheiden. Die erste Vorbedingung lautet deshalb: (a) Patienten unterscheiden sich hinsichtlich positiver Bewältigungserfahrungen in den ersten zehn Sitzungen (unbedingtes Mittelwertmodell). Eine weitere Vorbedingung betrifft die Vorhersagekraft des angenommenen Prädiktors. Dieser sollte sich als einflussreich herausstellen. Die zweite Vorbedingung lautet deshalb: (b) Das Ausmass an frühen positiver Erwartungsaktivierung kann Mittelwertsunterschiede in positiven Bewältigungserfahrungen zusätzlich zu der Besserungserwartung vorhersagen (bedingtes Mittelwertmodell). Die nächste Vorbedingung bezieht sich auf die Form der Verlaufskurve von frühen positiven Bewältigungserfahrungen. Aufgrund früherer Untersuchungen wird ein linear ansteigender Verlauf von positiven Bewältigungserfahrungen in den ersten zehn Sitzungen angenommen (Grosse Holtforth, Flückiger & Caspar, 2009). Die dritte Vorbedingung lautet: (c) Frühe positive Bewältigungserfahrungen haben einen positiven linearen Verlauf (unbedingtes Wachstumsmodell). 
 
 




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3. Methode

3.

METHODE

3.1.

Die Stichprobe

3.1.1.

Die Gesamtstichprobe der Psychotherapeutischen Praxisstelle der Universität Bern Die Psychotherapeutische Praxisstelle ist eine ambulante psychotherapeutische Einrich-

tung des Instituts für Psychotherapie der Universität Bern. Sie besteht seit 1979 und wurde vom damaligen Lehrstuhlinhaber Klaus Grawe gegründet. An der Psychotherapeutischen Praxisstelle werden Patienten mit den unterschiedlichsten Störungsbildern behandelt. Nicht aufgenommen werden Patienten mit primärer Substanzabhängigkeit, florider psychotischer Störung oder akuter Suizidalität. Die Behandlung richtet sich nach den Prinzipien der Allgemeinen Psychotherapie von Grawe (1997, 1998; 2004, vgl. auch Kapitel 1.1.1); ein integrativer Ansatz mit kognitiv-behavioralem und interpersonalem Schwerpunkt unter Berücksichtigung von empirisch fundiertem, störungsspezifischem Wissen sowie individueller, plananalytischer Fallkonzeptionen (Caspar, 2007) mit besonderem Gewicht bei der Beziehungsgestaltung. Das Erfahrungsniveau der Therapeuten reicht von moderat (Therapeuten mit Masterabschluss in Psychologie, die sich in der postgradualen Ausbildung zum Fachpsychologen für Psychotherapie befinden) bis sehr hoch (Supervisoren der Ausbildungskandidaten mit langjähriger Therapieerfahrung). Zum Aufnahmeprozedere der Psychotherapeutischen Praxisstelle gehören ein Erstgespräch, ein Systemgespräch, ein diagnostisches Interview (SKID-Interview, Wittchen, Zaudig & Fydrich, 1997) sowie eine umfassende Fragebogenmessbatterie, die gekürzt als Zwischenmessung (jeweils nach Sitzung 10, 20 usw.) und in ihrer Gesamtversion am Ende der Therapie (und zu zwei Katamnesezeitpunkten) erneut ausgefüllt wird. Für die Prozessevaluation werden nach jeder Sitzung sowohl vom Patienten wie auch vom Therapeuten Fragen zur Sitzungsqualität (mit dem Berner Patienten- und Therapeutenstundenbogen, PSTB, TSTB, Flückiger, Regli, Zwahlen, Hostettler & Caspar, 2010, siehe Kapitel 3.3.1) beantwortet. Die Sitzungen finden in der Regel einmal wöchentlich à 50 Minuten statt.


 
 




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3.1.2.



3. Methode

Auswahlverfahren und Beschreibung der Teilstichprobe Die Teilstichprobe wurde zufällig aus der Gesamtstichprobe gezogen. Vorab wurde eine

Poweranalyse mit dem Computerprogramm G*Power 3.1 (Erdfelder, Faul & Buchner, 1996; Faul, Erdfelder, Lang & Buchner, 2007) durchgeführt, die bei einem erwarteten kleinen bis mittleren Effekt von r2 = .10, einer α-Fehlerwahrscheinlichkeit von .05 und einer Power von .80 eine Stichprobengrösse von N = 60 verlangt. Folgende vier Bedingungen mussten für die Auswahl erfüllt sein: (1) Therapie im Einzelsetting, (2) ein vorhandener Wert zur Besserungserwartung (PATHEV), (3) mindestens 10 Sitzungen, (4) Therapie abgeschlossen mit vorhandenen Zieleinschätzung (Goal Attainment Scaling, GAS, vgl. Kapitel 3.2.1.3). Ausgeschlossen wurden ausserdem Therapien, die in einem früheren Forschungsprojekt von Fabienne Mathier zur Experimentalgruppe gehörten und in diesem Zusammenhang bei geringer Besserungserwartung eine Therapievorbereitungssitzung vor der eigentlichen Therapie erhielten (Mathier, 2005). Eine erste Datenextraktion aus der Gesamtstichprobe mit diesen Kriterien (10.07.2008) ergab ein N von 299 Therapien. In einem nächsten Schritt wurden zu jeder Therapie je drei frühe Sitzungen (wo möglich die Sitzungen 2, 5 und 8) herausgesucht. Die Bereitstellung des Video-Materials (DVD) erwies sich als sehr zeitaufwendig und beschwerlich. Hinzu kam, dass einige Videos für das Rating nicht verwendet werden konnten. Diese waren entweder für die Forschung gesperrt, gerade für ein anderes Forschungsprojekt im Einsatz, beschädigt oder ungenügend für die technischen Anforderungen des Videoratings. Entsprechend wurde die Zahl der potentiell für die Analyse in Frage kommenden Therapien stark reduziert. Die Bereitstellung des Video-Materials entpuppte sich sogar als so schwierig, dass nicht bei allen alle Auswahlbedingungen erfüllt werden konnten (so musste eine Therapie in die Analyse mit aufgenommen werden, die kurz vor Abschluss stand). Bedauerlicherweise musste auch vom Kriterium der vorhanden GAS-Zieleinschätzungen zum Abschluss der Therapie Abstand genommen werden, damit überhaupt ein N von 60 Therapien zustande kam. Während der Datenerhebung mussten zuletzt schliesslich noch zwei Therapien ausgetauscht werden. Die eine Therapie entpuppte sich, obwohl anders vermerkt, als Paartherapie, die andere wurde nachträglich für die Forschung gesperrt. Die Abbildung 3.1 gibt einen Überblick über das Auswahlverfahren.


 
 




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3. Methode

Abbildung 3.1. Ablauf des Auswahlverfahrens.

Durchschnittlich sind die Patienten 35.73 Jahre alt (SD = 11.94, Range = 19 – 60) und zu 63.3 % weiblich. Die Hauptdiagnosen zu Therapiebeginn (SKID-Interview) sind gemäss den Kriterien des DSM-IV nach den folgenden Kategorien klassifiziert worden: 41.7 % (N = 25) litten an einer affektiven Störung, 25.0 % (N = 15) an einer Angststörung, 13.3 % (N = 8) an einer Anpassungsstörung, 11.9 % an anderen Störungen (sexuelle, N = 3; somatoforme, N = 2 und schlafbezogene Störungen, N = 1 sowie Partnerschaftsprobleme, N = 1). 5 % (N = 3) erhielten keine DSM-Diagnose und bei 3.3 % (N = 2) fehlen die Angaben. 40 % (N = 24) erhielten eine weitere Diagnose auf Achse 1; eine dritte erhielten 8.3 % (N = 5). Ein Patient erhielt auf Achse 2 die Diagnose einer dependenten Persönlichkeitsstörung. Die untersuchten 180 Therapiesitzungen (von 60 Therapien) wurden von insgesamt 43 Therapeuten durchgeführt. Davon waren 14 männliche Therapeuten und 29 weibliche. 14 Therapeuten haben mehr als eine Therapie durchgeführt. Die meisten Therapien wurden von Therapeuten in Ausbildung durchgeführt (55 von 60 Therapien). Das liegt daran, dass an der Psychotherapeutischen Praxisstellen Psychologiestudienabgänger postgradual zum Psycho
 
 




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3. Methode

therapeuten ausgebildet werden.

3.2.

Messung des Therapieergebnisses

3.2.1.

Direkte und indirekte Erfassung des Therapieergebnisses Das in Kapitel 1.1 vorgestellte Prozessmodell früher Veränderungen bei Patienten mit

geringer Besserungserwartung sagt voraus, dass sich durch die Erwartungsaktivierung mehr positive Bewältigungserfahrungen einstellen und so die Patienten zu mehr Mitarbeit motiviert werden, was sich bis zum Therapieende positiv auf die Symptomreduktion und das Inkongruenzerleben auswirkt (vgl. Abb. 1.4). Michalak, Kosfelder, Meyer und Schulte (2003) weisen in ihrer faktorenanalytischen Untersuchung zur Therapieerfolgsmessung darauf hin, dass retrospektive Erfolgsmasse wie das Goal Attainment Scaling eine weitgehend von Veränderungsmassen unabhängige Form der Messung von Therapieerfolg darstellen und sehen in ihnen ein subjektives Urteil über die Zufriedenheit bzw. den Grad der Zielerreichung (Postwert im Vergleich zum Ziel). Veränderungsmasse und retrospektive Erfolgsbeurteilungen korrelieren nur mässig. Entsprechend scheint es für die Autoren unverzichtbar, in der Forschung beide Erfolgswerte zu erheben. In diesem Sinne werden in der vorliegenden Arbeit neben indirekten Veränderungsmassen (Prä-Post-Unterschiede im Verhältnis zur gepoolten Streuung, sogenannte d-Effektstärken, Bortz & Döring, 2002) auch direkte, retrospektive Erfolgsmasse verwendet. Das Therapieprozessmodell früher Veränderungen bei Patienten mit geringer Besserungserwartung hat für sich den Anspruch, ein allgemeines Modell für psychotherapeutische Veränderungen zu sein. Dementsprechend wurden zu deren Überprüfung auch allgemeine Masse wie positive Bewältigungserfahrungen (vgl. Kapitel 3.3), die Symptomreduktion, Veränderungen in der Inkongruenzwahrnehmung sowie die retrospektive Einschätzung der Zielerreichung und die allgemeine Zufriedenheit mit dem Zustand zum Therapieende verwendet. Zur indirekten Erfassung des Therapieausgangs wurden d-Effektstärken (Bortz & Döring, 2002; Grawe & Braun, 1994) der Globalen Symptombelastung (GSI von der deutschen Version des Brief Symptom Inventory, BSI, Franke, 2000) sowie der Annäherungsund Vermeidungszielen des Inkongruenzfragebogens (INK, Grosse Holtforth & Grawe, 2003) gebildet. Die Cohen’s Effektstärken d wurden nach der folgenden Formel berechnet:


 
 




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3. Methode

Die Populationsstreuung s wurde nach Bortz und Döring (2002) als gemeinsame Streuung von Prä- und Postwerten wie folgt gerechnet:

Des Weiteren wurde der Reliable Change Index nach Jacobson und Truax (1991) berechnet. Dieser Index steht für eine klinisch relevante Veränderung und wird berechnet, indem die Differenz zwischen Prä- und Postwerte einer Person durch den Standardfehler der Differenz dividiert wird:

mit Der Standardfehler der Differenz kann durch den Standardmessfehler sE berechnet werden, wozu die Retest-Reliabilität verwendet wird (Jacobson & Truax, 1991). Der Standardfehler der Differenz beschreibt die Verteilung der Veränderungswerte, die ohne eine tatsächliche Veränderung erwartet würde. Wenn der RCI-Wert grösser als 1.96 ausfällt, kann davon ausgegangen werden, dass die Veränderung mit einer Fehlerwahrscheinlichkeit von p < .05 und damit also äusserst unwahrscheinlich zufällig zustande gekommen ist. Für die direkte Einschätzung wurden die auf der Goal Attainment Scaling (GAS, Kiresuk, Smith & Cardillo, 1994; Kiresuk, Smith, Cardillo & Logan, 1995) eingeschätzten Veränderungsbereiche sowie die Antworten der neuen Version des Veränderungsbogens des Erlebens und Verhaltens (VEV-VW, Willutzki, 1999) je für sich gemittelt. Zur Erfassung der Residualsymptomatik wurden die Postwerte des BSI und INK verwendet. Tabelle 3.1 gibt eine Übersicht über die in dieser Arbeit eingesetzten Masse.


 
 




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3. Methode

Tabelle 3.1. Überblick über die verwendeten Masse Vor der Behandlung PATHEV prä GSI prä INK AZ prä INK VZ prä

Prozessmasse Pos. Erwartungsaktivierung (MACE) Pos. Bewältigungserfahrungen (PSTB) Anstrengungsbereitschaft (TSTB)

Nach der Behandlung Indirekt: Δ GSI prä-post Δ INK AZ prä-post Δ INK VZ prä-post Direkt: GAS post VEV-VW post GSI post INK AZ post INK VZ post

Anmerkungen. Δ = d-Effektstärken

3.2.1.1. Das Brief Symptom Inventory von Derogatis (BSI) Die deutsche Version des Brief Symptom Inventory von Derogatis (BSI, Franke, 2000) misst die subjektiv empfundene Beeinträchtigung durch körperliche und psychische Symptome einer Person innerhalb der letzten sieben Tagen. Das BSI ist die Kurzform der SCL-90-R, die revidierte Symptom-Checkliste von Derogatis (für die deutsche Version Franke, 1995). Das BSI umfasst 53 Items, welche zu neun Skalen und drei globalen Kennwerten zusammengefasst werden. Die neun Skalen umfassen die Bereiche Somatisierung, Zwanghaftigkeit, Unsicherheit im Sozialkontakt, Depressivität, Ängstlichkeit, Aggressivität / Feindseligkeit, phobische Angst, paranoides Denken und Psychotizismus. Die drei globalen Kennwerte beschreiben das Antwortverhalten bei allen Items. Der GSI (Global Symptom Index) misst die grundsätzliche psychische Belastung, der PSDI (Positive Symptom Distress Index) misst die Intensität der Antworten und der PST (Positive Symptom Total) gibt Auskunft über die Anzahl der Symptome, bei denen eine Belastung vorliegt. Das BSI wurde mit repräsentativen Normen und zahlreichen Untersuchungen zu den Gütekriterien validiert. Die interne Konsistenz des GSI wird durchgängig als sehr hoch beschrieben und liegt je nach Stichprobe bei einem Cronbach Alpha zwischen α = 0.92 und α = 0.96 (Franke, 2000). Für die vorliegende Untersuchung wurde der GSI gemittelt und als Wert für die globale Symptombelastung verwendet. Der Mittelwert zum Postzeitpunkt diente dabei als Operationalisierung für die Residualsymptomatik; die d-Effektstärke als Mass für die Symptomveränderung bzw. -reduktion.


 
 




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3. Methode

3.2.1.2. Der Inkongruenzfragebogen (INK) Nach der Konsistenztheorie (Grawe, 1998, 2004) streben Menschen nach Bedürfnisbefriedigung durch die Umsetzung ihrer motivationalen Ziele. Die Inkongruenz ist eine Art der Inkonsistenz, wenn die realen Wahrnehmungen nicht mit den aktivierten Zielen übereinstimmen (Grawe, 2004; Grosse Holtforth et al., 2008, vgl. Kapitel 1.1.1). Es wird entsprechend den motivationalen Zielen unterschieden zwischen einer Inkongruenz in den Annäherungszielen und einer Inkongruenz in den Vermeidungszielen (Beispiel Annäherungsinkongruenz: „In der letzten Zeit lebe ich eine verlässliche Partnerschaft“ Beurteilung mit „viel zu wenig“, Beispiel Vermeidungsinkongruenz: „In der letzten Zeit bin ich einsam“ Beurteilung mit „trifft sehr stark zu“). Die Kernannahme der Konsistenztheorie ist, dass hohe Inkongruenz eine wesentliche Ursache für die Beeinträchtigung des Wohlbefindens und für die Bildung und Aufrechterhaltung psychopathologischer Symptome ist (Grawe, 1998, 2004). Bei der Entwicklung des Inkongruenzfragebogens (INK, Grosse Holtforth & Grawe, 2003) orientierten sich die Autoren inhaltlich und strukturell an den Zielbereichen des Fragebogens zur Analyse Motivationaler Schemata (FAMOS, Grosse Holtforth & Grawe, 2000). Die für den Bereich der Psychotherapie relevanten Ziele sind mit dem FAMOS bereits expliziert und validiert worden (Grosse Holtforth & Grawe, 2000, 2003). Für den Einsatz des INK als Messinstrument für die Erfolgsmessung werben Grosse Holtforth und Grawe (2003), da sich erfolgreiche Psychotherapien schliesslich dadurch auszeichnen sollten, dass die erlebte Inkongruenz abnimmt. Die Veränderungssensitivität hat sich in einer psychotherapeutischen Stichprobe erwiesen (Berking, Grosse Holtforth & Jacobi, 2003; Fries, 2005). In der vorliegenden Untersuchung diente der INK als indirektes Erfolgsmass (dEffektstärken, vgl. Kapitel 3.2.1). Dabei wird, wie von Grosse-Holtforth und Grawe (2003) empfohlen, nach Inkongruenz hinsichtlich der Annäherungsziele (INK AZ) und Inkongruenz hinsichtlich der Vermeidungsziele (INK VZ) unterschieden. Dies wird auch in der vorliegenden Untersuchung befolgt und die d-Effektstärken der Annäherungsinkongruenz sowie die der Vermeidungsinkongruenz als Ergebnismass verwendet.

3.2.1.3. Das Goal Attainment Scaling (GAS) Mit dem Goal Attainment Scaling (GAS, Kiresuk & Sherman, 1968; Kiresuk et al., 1994; Kiresuk et al., 1995) werden anfangs der Therapie ausformulierte Ziele hinsichtlich der 
 
 




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3. Methode

subjektiven Zielerreichung auf einer Skala von -2 bis 4 eingeschätzt. In der Berner Version steht der Wert -2 für die ungünstigste Verschlechterung ausgehend vom Ist-Zustand (GAS = 0), während der Wert 4 das am meisten favorisierte Zielergebnis repräsentiert. An der Psychotherapeutischen Praxisstelle werden die Therapeuten angewiesen, die GAS-Ziele zusammen mit ihren Patienten bis und mit Abschluss der fünften Sitzung ausformuliert zu haben. Der GAS-Score hat sich als standardisiertes Erfolgsmass in der Psychotherapieforschung etabliert. Für die vorliegende Untersuchung wurden die erfolgten Zieleinschätzungen nach Abschluss der Therapie zusammengezählt und gemittelt.

3.2.1.4. Der Veränderungsbogen des Erlebens und Verhaltens (VEV-VW) Die neue Version des Veränderungsfragebogens des Erlebens und Verhaltens (VEVVW, Willutzki, 1999) umfasst 27 Items zu verschiedenen Veränderungsbereichen im Vergleich zum Zeitpunkt direkt vor der Therapie in den Bereichen emotionales Empfinden (z.B. Item 3: „…sehe ich Schwierigkeiten gelassener entgegen“), Selbstsicherheit (z.B. Item 12: „…habe ich jetzt mehr Selbstvertrauen“) oder Umgang mit Schwierigkeiten (z.B. Item 22: „…kann ich mich jetzt mit meinen Problemen besser abfinden“). Die Items werden auf einer 7-stufigen, dichotomen Likertskala eingeschätzt (Skalenwerte 1 bis 7) und zu einer Skala „Optimismus und Gelassenheit“ zusammengefasst. Bei einem Summenwert von 108 spricht man von keiner Veränderung (weder Verschlechterung noch Verbesserung: Einschätzung aller Items mit dem mittleren Skalenwert 4 bei einer dichotomen Skala = 27 Items x 4 = 108). Es könnte an dieser Stelle argumentiert werden, dass die Einschätzungsmessung mit dem VEV-VW ein weiteres Veränderungsmass darstellt. In der Arbeit von Michalak und Mitarbeiter (Berking et al., 2003; Michalak et al., 2003) hatte der VEV-VW seine höchsten Ladungen jedoch auf dem zweiten Faktor „retrospektive Erfolgsbeurteilung“. Dieser Befund sowie die „geringen Korrelationen mit den Präwerten der Symptomfragebögen sprechen dafür, dass das Ausmass der Veränderung weniger in Bezug auf die Ausgangslage, sondern auf den mehr oder minder befriedigenden Zustand zu Therapieende geschätzt wird. Eine Veränderung wird demnach nicht dann befriedigend, wenn der Postzustand sich weit vom Ausgang entfernt hat, sondern wenn er sich dem (impliziten) Ziel weitgehend angenähert hat“ (Michalak et al., 2003, S. 101). Diese Interpretation teilen auch weitere Forscher (z.B. Kastner & Basler, 1997; Lambert & Hill, 1994; Lambert, Shapiro & Bergin, 1986). Für die vorliegende Untersuchung wurde der Summenwert der Skala „Optimismus und Gelassenheit“ zum Postzeitpunkt am Ende der Therapie gebildet und zur Operationalisierung 
 
 




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3. Methode

des allgemeinen Wohlbefindens verwendet.

3.3.

Messung der Anstrengungsbereitschaft und positive Bewältigungserfahrungen Die Anstrengungsbereitschaft und die positiven Bewältigungserfahrungen werden mit

dem Berner Therapeuten- bzw. Patientenstundenbogen operationalisiert.

3.3.1.

Die Berner Patienten- und Therapeutenstundenbogen PSTB und TSTB Der Berner Patienten- und Therapeutenstundenbogen Version 2000 (PSTB bzw. TSTB)

sind auf der Grundlage der Allgemeinen Psychotherapie nach Grawe (1997, 1998, 2004) entwickelt und in verschiedenen Arbeiten evaluiert worden (Flückiger & Grosse Holtforth, 2008a; Grosse Holtforth et al., 2006; Lutz, Bachmann, Tschitsaz, Smart & Lambert, 2007). Mit 22 (PSTB) respektive 27 (TSTB) Items wird die Realisierung therapeutischer Interventionen im Sinne der von Grawe konzipierten allgemeinen Wirkfaktoren sowie der Therapiefortschritt auf einer 7-stufigen bipolaren Likertskala von -3 „überhaupt nicht“ bis +3 „ganz genau“ eingeschätzt. In der zweiten Hälfte des TSTB wird nach der Realisierung der Wirkfaktoren gefragt und diese von 0 „überhaupt nicht“ bis 5 „vollkommen“ beantwortet, da hier eine dichotome Skalierung aufgrund der Fragenformulierung wenig Sinn machen würde. Der TSTB enthält zusätzlich Skalen über die Einschätzung des Basisverhaltens sowie der Interaktion mit dem Patienten und den Bezug zur realen Lebenssituation. Tabelle 3.2 gibt einen Überblick über die Skalen.


 
 




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3. Methode

Tabelle 3.2. Skalen des Patienten- bzw. Therapeutenstundenbogens 2000 Patientenstundenbogen 1. Ressourcenaktivierung I: Positive Kontrollerfahrungen

Therapeutenstundenbogen 1. Ressourcenaktivierung

2.

Ressourcenaktivierung II: Positive Selbstwerterfahrungen

2.

Therapiebeziehung

3.

Positive Bindungserfahrung: Aufgehobensein in der Therapie

3.

Basisverhalten I: Offenheit und sich einlassen

4.

Positive Therapiebeziehung

4.

Basisverhalten II: Anstrengungsbereitschaft

5.

Problemaktualisierung

5.

Problemaktualisierung

6.

Positive Problembewältigungen

6.

Problembewältigung

7.

Positive Klärungserfahrungen

7.

Motivationale Klärung

8.

Therapiefortschritte

8.

Therapiefortschritte

9.

Interaktionelle Perspektive

10.

Interaktionell schwierig

11.

Bezug zur realen Lebenssituation

Als Prozessmass für die vorliegende Arbeit wurden die folgenden Skalen hinzugezogen: Die Skala 6 des PSTB „positive Bewältigungserfahrungen“ mit den Items (11) „Ich traue mir jetzt mehr zu, meine Probleme aus eigener Kraft zu lösen“ (Faktorenladung λ = .80), (13) „Ich weiss jetzt besser, was ich will“ (Faktorenladung λ = .77) und (18) „Ich fühle mich jetzt Situationen besser gewachsen, denen ich mich bisher nicht gewachsen gefühlt habe“ (Faktorenladung λ = .85) sowie die Skala 4 des TSTB „Anstrengungsbereitschaft“ mit den Items (4) „Ich habe den Eindruck, dass der Patient auch zwischen den Sitzungen intensiv an dem arbeitet, was wir in der Therapie behandelt haben“ (Faktorenladung λ = .92) und (12) „Nahm der Patient Mühen in Kauf, um die von mir geforderten Hausaufgaben durchzuführen oder neue bzw. veränderte Verhaltensweisen zu erproben?“ (Faktorenladung λ = .68) (Flückiger et al., 2010). Für diese Skalen liegt eine gute interne Konsistenz vor (Positive Bewältigungserfahrungen: Cronbachs α = .85 für die ganze Therapie und α = .83 für Sitzungen 1-9; Anstrengungsbereitschaft: Iteminterkorrelationen r = .63 (p < .005) für die ganze Therapie und r = .63 (p < .005) für Sitzungen 1-9). Die Skala positive Bewältigungserfahrungen hat sich zudem als 
 
 




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3. Methode

deutlich veränderungssensitiv erwiesen (Flückiger et al., 2010). Für die vorliegende Untersuchung wurde die spätere Anstrengungsbereitschaft als Mittelwert der Skalenwerte ab Sitzung 10 operationalisiert. Damit ist die zeitliche Abfolge, wie sie das Modell beschreibt (die Anstrengungsbereitschaft als Folge von positiven Bewältigungserfahrungen), gewährleistet. Für die frühen positiven Bewältigungserfahrungen wurde der Mittelwert der Sitzungen 2 bis 10 gebildet. Auch hier wurde die Operationalisierung ab der Sitzung 2 bewusst so gewählt, dass diese Variable zeitlich nach der positiven Erwartungsaktivierung gemessen wird (wie es im Modell vorausgesagt wird). Da die Stundenbogen jeweils am Ende der Sitzung ausgefüllt werden, wird auch der Wert der Sitzung 2 zeitlich nach der positiven Erwartungsaktivierung (gemessen in der Sitzung 2) erfasst.

3.4.

Messung der Erwartungsaktivierung Die Erwartungsaktivierung wurde anhand eines eigens für diese Arbeit entwickelten

Ratingmanuals, „Microprocess Analysis for Changing Expectations“ (MACE), erhoben. Als Vorlage dafür diente dabei die Ressourcenorientierte Mikroprozess-Analyse (ROMA) von Flückiger und Grosse Holtforth (2008b) sowie das Therapiemanual zur Erwartungsaktivierung von Constantino et al. (2006). Auf die Entstehung und den Aufbau der MACE wird nachfolgend im Detail eingegangen.

3.4.1.

Aufbau und Entstehung des Ratingmanuals MACE Das Ratingmanual besteht aus 15 Kategorien und zwei Fokusse, die auf der Minuten-

ebene eingeschätzt werden. Die Analyse auf Minutenebene erlaubt die Einschätzung von Therapieprozessthemen auf der Mikroebene. Die einzelnen Kategorien der MACE wurden auf der Grundlage des unveröffentlichten Therapiemanuals zur Erwartungsaktivierung von Constantino et al. (2006) extrahiert und definiert. Das Therapiemanual zur Erwartungsaktivierung in der kognitiven Therapie für Depression ist in Kapitel 1.1.6 ausführlich beschrieben worden. Basierend auf dieser Ausführung wird nun an dieser Stelle auf die Kategorien des Ratingmanuals der MACE einzeln eingegangen. Die Items werden nacheinander beschrieben und vorgestellt. Dieses Kapitel hat folglich zum Ziel, die Entstehung des Ratingmanuals darzustellen und den Einsatz der spezifischen Kategorien aufzuzeigen.


 
 




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3. Methode

3.4.1.1. Die Generierung der MACE-Kategorien Das Therapiemanual zur Erwartungsaktivierung in der kognitiven Therapie für Depression (Constantino et al., 2006) beschreibt erwartungsaktivierende Strategien (expectancy enhancement strategies) systematisch auf vier Ebenen: (1) für die erste Sitzung, (2) während der Behandlung, (3) generelle Strategien für die Beziehung und (4) für die Abschlusssitzung. Die einzelnen Strategien werden dabei an das Therapiemanual der Kognitiven Therapie für Depression von Beck (Beck, Rush, Shaw & Emery, 1999) angepasst. So soll nach einer standardisierten ersten Sitzung von 50 Minuten Dauer ein 30-minütiger Teil der Erwartungsaktivierung folgen. Während dieser Zeit sollte der Therapeut sorgsam und ausführlich auf die Erwartungen der Patienten eingehen und positive Erwartungen fördern, indem er z.B. generelle hoffnungsgenerierende Aussagen macht, Selbstwirksamkeitserwartungen weckt oder den Patienten für den Therapieprozess sozialisiert. Strategien während der Behandlung beinhalten u.a. positives Feedback über Verbesserungen, Normalisieren von problematischem Erleben und Diskussionen über die Glaubwürdigkeit / Nützlichkeit von neuen Fertigkeiten. Bei der Aktivierung von Erwartungen sollten dabei stets ihre Realisierbarkeit thematisiert und auch potentielle „Nebeneffekte“ besprochen werden (vgl. Kapitel 1.1.6). Nach einem ersten Schritt der Extrahierung und Zusammenstellung der wesentlichsten Handlungsanleitungen aus dem Therapiemanual von Constantino et al. entstand eine erste Version des Ratingmanuals mit 45 einzuschätzenden Kategorien. Eine englische Übersetzung davon wurde mit dem Erstautor des Therapiemanuals, Michael Constantino, ausgetauscht und besprochen. In einem nächsten Schritt erfolgte die Kürzung auf 18 Kategorien und die Verfassung eines Ratingmanuals als Grundlage für das Training mit den Raterinnen. Das Manual wurde dann im Training zusammen mit den Raterinnen diskutiert und den Erfahrungen beim Raten angepasst. Die verschiedenen Versionen sowie das definitive Ratingmanual sind in Anhang B zu finden. Auf die Raterinnen und das Ratertraining wird in den Kapiteln 3.6.2.1 und 3.6.2.3 eingegangen. Die definitive Version der MACE beinhaltet zwölf Kategorien zur Beurteilung auf Minutenbasis und drei Kategorien zur Beurteilung auf Stundenbasis. Die Kategorien werden während dem Betrachten einer Therapiesitzung einzeln am Computer mit Hilfe einer Ratingmaske des Computerprogramms FileMaker Pro auf einer 7-stufigen Likertskala von 0 – 6 eingeschätzt. Die Leitfrage lautet jeweils „In welchem Ausmass wird über ... gesprochen?“ Die Entscheidungsregel für die Skala lautete für 0 = überhaupt nicht, 1 = ein wenig und 6 = ausführlich. Es wurde absichtlich auf eine Bezeichnung der einzelnen Abstufungen verzichtet 
 
 




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3. Methode

und nur die Extreme eines Kontinuums bezeichnet. Nach Bortz und Döring (2002; Wirtz & Caspar, 2002) kann eine derart gestaltete Skala als annähernd intervallskaliert angesehen werden, da durch die ausschliessliche Bezeichnung der Endpunkte auf gleiche Abstände der Skalenpunkte geschlossen werden kann. So wurde gewährleistet, dass spätere Berechnungen auf dem Niveau von intervallskalierten Daten erfolgen können. Das Eingabeprogramm wurde so konfiguriert, dass zuerst alle Kategorien eingeschätzt sein mussten bevor die nächste Minute beurteilt werden konnte. Die MACE ist verhaltensbasiert konzipiert. Eingeschätzt werden nur explizite sprachliche Äusserungen. Damit wird einerseits die Reliabilität der Beurteilungsübereinstimmung erleichtert (Wirtz & Caspar, 2002), andererseits wird das explizite Thematisieren von Erwartungen theoretisch verlangt. So wird im Therapiemanual zu erwartungssteigernden Interventionen (Constantino et al., 2006) davon ausgegangen, dass durch dieses explizite und systematische Thematisieren von Erwartungen diese stärker gefördert werden können und dadurch deren positiver Einfluss auf die Therapie spezifisch genutzt werden kann (vgl. auch Kapitel 1.1.6). Dieses explizite Thematisieren von Erwartungen, die Erwartungsaktivierung, stand im Fokus der hier vorliegenden Arbeit. Constantino et al. (2006) beschreiben zwar therapeutische Strategien, um die Erwartungen zu fördern. In der vorliegenden Studie, die in ihrem Design als Beobachterstudie angelegt ist, interessierte aber vielmehr die Frage, in welchem Ausmass Erwartungen in einem naturalistischen, ambulanten Setting überhaupt in einer Sitzung thematisiert werden. Die Unterscheidung nach dem Sender (ob Therapeut oder Patient) ist in diesem Zusammenhang sekundär. Vielmehr ist der Zeitpunkt der Thematisierung früh in der Therapie ausschlaggebend (Hayes et al., 2007; Howard et al., 1986; Howard et al., 1993; Ilardi & Craighead, 1999; Mathier, 2005; Regli, Bieber, Mathier & Grawe, 2001, siehe auch Kapitel 1.1.2). Deswegen wurde in der vorliegenden Arbeit die Sitzungen 2, 5 und 8 untersucht. Es wurden drei Sitzungen ausgewählt, um später auch differentielle Aussagen machen zu können. So wird erwartet, dass im Besonderen die Erwartungsaktivierung in Sitzung 2 das Therapieergebnis voraussagen kann. Obwohl die Unterscheidung nach dem Initiator der Erwartungsaktivierung nicht im Fokus stand, wurde dennoch eine Differenzierung dementsprechend in die MACE eingebaut, um später auch Aussagen diesbezüglich machen zu können. Die differentielle Auswertung dieser Daten ist Gegenstand zukünftiger Analysen und wurde in der vorliegenden Arbeit nicht berücksichtigt. Für die Definition der positiven Erwartungsaktivierung, die Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind, wurden die Kategorien K01, Positive Erwartungen (Hoffnung / Zu
 
 




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3. Methode

versicht), K03, Positive Erwartungen bezüglich der Behandlung und K09, Selbstwirksamkeitserwartung, zusammengefasst. Im Folgenden wird auf diese Kategorien im Vergleich zu den anderen etwas ausführlicher eingegangen wird. K01: Positive Erwartungen (Hoffnung / Zuversicht) Positive Erwartungen werden codiert, wenn über Wünsche, Hoffnung und Zuversicht gesprochen wird, die auf ein in der Zukunft liegendes Ziel gerichtet sind. Constantino et al. (2006) weisen zu Recht darauf hin, dass die Konstrukte Hoffnung und Erwartung nicht zwingend Synonyme sind. So kann Hoffnung in weniger konkreten Wünschen ausgedrückt werden (z.B. „Ich hoffe, dass es mir besser gehen wird“), während sich Erwartungen durch eine stärkere realitätsbasierte Abschätzung dessen auszeichnen, was eintreten wird (z.B. „Ich erwarte, dass die Therapie mir helfen wird“). Diese Unterscheidung ist jedoch eine theoretische und in der Beurteilerpraxis nur schwer zu treffen, weshalb bei der MACE darauf verzichtet wird. In die Kategorie Positive Erwartungen fallen daher auch Äusserungen über Hoffnung und Zuversicht. Beispielindikatoren sind Aussagen wie „Was wünschen Sie sich von ihrem Mann?“ (Therapeut) oder „Ich möchte, dass ich endlich über dieses Gefühl hinwegkomme“ (Patient). Beziehen sich die Erwartungen spezifisch auf die Therapie (Rollenerwartung, Besserungserwartung, Erwartung über die Nützlichkeit von Interventionen) werden sie unter der Kategorie 03, Positive Erwartungen bezüglich der Behandlung, oder 04, Negative Erwartungen bezüglich der Behandlung, kodiert. K02: Negative Erwartungen (Befürchtungen) Negative Erwartungen (Befürchtungen) werden codiert, wenn in der aktuellen Minute Befürchtungen, Ängste und Zweifel thematisiert werden, die sich auf einen zukünftigen Zustand beziehen. Constantino et al. (2006) sprechen in diesem Zusammenhang von möglichen side effects, die nicht ignoriert werden sollen. Vielmehr sollten sie auch thematisiert werden, damit die Möglichkeit zu einer realistischen Sichtweise gegeben. Beispielindikatoren hierzu sind Äusserungen wie „Was ist das Schlimmste, was Ihnen dann passieren könnte?“ (Therapeut) oder „Ich glaube, das bringt nichts“ (Patient). K03: Positive Erwartungen bezüglich der Behandlung In diese Kategorie fallen alle Äusserungen zu Erwartungen, die sich spezifisch und positiv auf die aktuelle Therapiesituation beziehen. Darunter fallen die Rollenerwartung, die Besserungserwartung und die Erwartung über die Nützlichkeit eingesetzter Interventionen. 
 
 




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3. Methode

Beispielindikatoren für diese Kategorie sind z.B. „Was soll sich durch diese Therapie ändern?“ (Therapeut) oder „Ich glaube, dass mir mit dieser Therapie geholfen werden kann“ (Patient). K04: Negative Erwartungen bezüglich der Behandlung Analog zur K02 und K03 werden in dieser Kategorie spezifische negative Erwartungen und Befürchtungen zur Behandlung subsummiert. Indikatoren sind kritische oder zweifelnde Äusserungen über die Behandlung wie z.B. „Was glauben Sie, wird passieren, wenn Sie auch Kritik äussern werden?“ (Therapeut) oder „Ich weiss nicht, ob mir die Therapie dabei helfen kann“ (Patient). K05: Hilflosigkeit Die MACE enthält eine Kategorie zur Hilflosigkeit, die codiert wird, wenn über Verzweiflung, Ohnmacht- und Hilflosigkeitsgefühle gesprochen. Hilflosigkeit wird von verschiedenen Theoretikern als das Gegenteil von Selbstwirksamkeit betrachtet (Abramson, Seligman & Teasdale, 1978; Bandura, 1977; Fennell & Teasdale, 1987; Snyder, 2000). Im Therapiemanual zur Erwartungsaktivierung empfehlen die Autoren, die gelernte Hilflosigkeit zu reduzieren, indem deren Rolle im Zusammenhang mit der bestehenden Problematik (insbesondere bei einer depressiven Symptomatik) besprochen und kritisch hinterfragt wird. Dadurch solle sich beim Patienten ein Gefühl der Selbstkontrolle (Selbstwirksamkeit) einstellen, das ihm hilft, weitere Schritte zur Veränderung in Angriff zu nehmen (Constantino et al., 2006). Indikatorbeispiele für diese Kategorie in der MACE wären z.B. „Ich merke, dass Sie sich in dieser Sache völlig hilflos fühlen“ (Therapeut) oder „Das schaffe ich doch eh nie!“ (Patient). K06: Verbesserungen in Richtung Ziel Diese Kategorie wird codiert, wenn Verbesserungen thematisiert werden, die in Richtung des erwünschten Ziels gehen. Positive Rückmeldungen über Therapiefortschritte gehören ebenso in diese Kategorie wie Vergleiche zu früheren Erfahrungen. Beispiele dazu wären Äusserungen wie „Dass Sie sich das getraut haben ist ein enormer Fortschritt!“ (Therapeut) oder „Früher hätte ich da ganz anders reagiert“ (Patient). K07: Vergangene Lernerfahrungen Die Kategorie vergangene Lernerfahrungen wird codiert, wenn über Erlebnisse gesprochen wird, welche die aktuellen Erwartungen geformt und geprägt haben. Beispielindikatoren 
 
 




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3. Methode

hierzu wären Äusserungen wie „Hat diese Erfahrung Sie geprägt und beeinflusst sie heute Ihre Urteilskraft?“ (Therapeut) oder „Wenn ich vor Publikum stehe, werden mich alle auslachen wie damals in der Schule“ (Patient). K08: Problemlösungswege (pathway) Problemlösungswege werden codiert, wenn explizit darüber gesprochen wird, wie etwas gemacht wird. Dazu gehören auch das Besprechen von Anstrengungen oder Hausaufgaben, die vorgeschlagen oder durchgeführt worden sind, um neue Verhaltensweisen zu erproben. Grawe spricht in diesem Zusammenhang vom Wirkmechanismus der Bewältigung. Beispielsäusserungen wären „Wie gehen Sie damit um?“ (Therapeut) oder „Ich habe mir gut zugeredet, damit ich die Situation trotz meiner Angst bewältigen konnte“ (Patient). K09: Selbstwirksamkeitserwartung (agency) Der Selbstwirksamkeitserwartung wird von verschiedenen Theoretikern und Forschern eine zentrale Rolle bei therapeutischen Veränderungen zugeschrieben (Bandura, 1977; Grawe, 1998; Kirsch, 1985a, 1985b, 1995; Maddux, 1995; Tschacher et al., 2000, vgl. Einleitung). In der MACE wird diese Kategorie codiert, wenn darüber gesprochen wird, wie wirksam die eigenen Fähigkeiten für das Gelingen einer Handlung sind. Charakteristisch für Äusserungen der Selbstwirksamkeit sind auch motivationale Aspekte in den Äusserungen wie z.B. „Ich weiss, Sie schaffen das!“ (Therapeut) oder „Ja, ich kann das!“ (Patient). Diese Kategorie entspricht der agency-Komponente aus Snyders Hoffnungsmodell ( Snyder, 2000, vgl. Kapitel 1.2.1.6) und der Selbstwirksamkeit in Kirschs Reaktionserwartungstheorie (Kirsch, 1985a, 1985b; 1995, vgl. Kapitel 1.2.2). K10: Normalisieren Die zehnte Kategorie der MACE wird codiert, wenn Wahrnehmungen relativiert oder normalisiert werden. Beispielindikatoren wären Äusserungen wie „In dieser Situation hätten wohl die meisten Menschen so gehandelt“ (Therapeut) oder „Ich denke, andere hätten genau so reagiert wie ich“ (Patient). K11: Rahmenbedingungen / Informationen Diese Kategorie ist vorgesehen für alle Äusserungen, die den Rahmen der Therapie betreffen. Dazu gehören das Besprechen des Settings, die Festlegung von Terminen und Ferienkoordinationen sowie das Thematisieren einer allfälligen (Teil-)Berentung oder Medikamen
 
 




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3. Methode

ten. K12: Therapierationale und Psychoedukation Die zwölfte Kategorie Therapierationale und Psychoedukation fungiert als eine Art Sammelkategorie für Inhalte auf einer Metaebene. Wenn also das Grundprinzip hinter einer Übung thematisiert wird oder wenn der Therapeut gewisse Störungsmechanismen hinter den Symptomen erläutert. Constantino et al. (2006) betonen die Wichtigkeit derartiger Informationen für die Aktivierung und Förderung von realistischen Erwartungen. Beispielindikatoren sind: „Die Zuschreibung negativer Erfahrungen zu der eigenen Persönlichkeit ist eine falsche Wahrnehmung, die Teil Ihrer Symptomatik ist. Diese falsche Wahrnehmung können Sie mit Hilfe dieser Therapie hinterfragen und gegebenenfalls verwerfen“ (Therapeut) oder „Wozu machen wir das?“ (Patient). K13: Stundenratings Die Stundenratings wurden in die MACE aufgenommen, um den globalen Eindruck der Rater zur Therapiebeziehung, den Stand der Hoffnung beim Patienten und die Besserungserwartung der gegebenen Sitzung erfassen zu können. Diese subjektiven Einschätzungen der Rater könnten eventuell zu Verzerrungen führen. Mit ihrer Erhebung können sie später kontrolliert werden.

3.5.

Messung der Besserungserwartung Im theoretischen Therapieprozessmodell früher Veränderungen bei Patienten mit gerin-

ger Besserungserwartung wird die Besserungserwartung vor Beginn der Therapie als Moderator gehandelt. Zur Überprüfung dieser Annahme wird die Variable Besserungserwartung vor der Therapie mit der ersten Skala aus den Patientenfragebogen zur Besserungserwartung und Therapieevaluation (PATHEV) von Schulte (2005) operationalisiert. Die vier Items der Skala Hoffnung auf Besserung / Zuversicht werden auf einer fünfstufigen Likertskala von 1-stimmt überhaupt nicht bis 5-stimmt vollkommen eingeschätzt und zusammengefasst. Drei der vier Items müssen dafür wegen negativer Formulierung umgepolt werden (Item 1, 4 und 6). Die Skala verfügt über eine gute interne Konsistenz mit einem Cronbachs Alpha = .89. Ausserdem hat sie sich neben der faktoriellen Validität auch bei der Konstruktvalidierung als valide erwiesen (Schulte, 2005). Bei der Überprüfung des Zusammenhangs der Skala Hoffnung auf Besserung / Zuversicht mit dem Therapieerfolg fand Schulte (2005) hoch signifikante (p ≤ 
 
 




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3. Methode

.001) positive Korrelationen (r = .18 mit einem Veränderungsmass, r = .40 mit einem retrospektiven Mass und r = -.26 mit einem Postwert, N = 299). Die Besserungserwartung ist ein Moderator M der Beziehung zwischen der Zielvariable positiver Erwartungsaktivierung Z und der Ergebnisvariable positiven Bewältigungserfahrungen E, wenn die Besserungserwartung erklären kann, unter welchen die Bedingungen die positive Erwartungsaktivierung mit den positiven Bewältigungserfahrungen zusammenhängen (Kraemer, Kiernan, Essex & Kupfer, 2008). Nach den Kriterien der MacArthur Foundation Network Subgroup (Kraemer, Stice, Kazdin, Offord & Kupfer, 2001; Kraemer, Wilson, Fairburn & Agras, 2002) muss M zeitlich vor Z stattfinden und M und Z müssen unabhängig voneinander sein (Kraemer et al., 2008). Für die vorliegende Arbeit wurde die Variable Besserungserwartung mittels Terzilbildung dichotomisiert, wobei wenig Besserungserwartung mit dem unteren Terzil (geringster Wert bis 3.75) und viel Besserungserwartung mit dem oberen Terzil (4.5 bis höchster Wert) operationalisiert wurde. Es wird angenommen, dass der Moderator keinen linearen Einfluss auf den Zusammenhang zwischen der Ziel- und Ergebnisvariable ausübt (je mehr Besserungserwartung, desto mehr positive Bewältigungserfahrungen), sondern vielmehr zwei Subgruppen definiert, für die der Prädiktor ab einer gewissen Stufe einen unterschiedlichen Einfluss ausübt. Wenig Besserungserwartung soll die Patienten besonders ansprechbar auf positive Erwartungsaktivierung machen, wohingegen Patienten mit viel Besserungserwartung die Fähigkeit zur positiven Erwartungsinduktion von sich aus mitbringen und daher auf die positive Erwartungsaktivierung weniger angewiesen sind (Baron & Kenny, 1986; Kraemer et al., 2001, vgl. auch die Ausführungen im Einleitungsteil).

3.6.

Vorgehen

3.6.1.

Vorgehen in Anlehnung an das Multiphasenmodell pragmatischer Veränderungsforschung (Doss, 2004) In der Einleitung wurde das Multiphasenmodell pragmatischer Veränderungsforschung

von Doss (2004) vorgestellt. Das Vorgehen dieser Arbeit folgt den Schritten 1 bis 7 dieses Modells (vgl. Kapitel 1.1). Die Schritte 8 bis 10 sind Gegenstand von nachfolgenden Untersuchungen, sollten sich die Annahmen der Schritte 1 bis 7 bestätigen lassen, und werden in der Diskussion besprochen. 
 
 




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3. Methode

Schritt 1: Die Wirksamkeit der Behandlung bestimmen Die Wirksamkeit der Behandlung (nach den Prinzipien der Psychologischen Psychotherapie) wurde schon mehrfach nachgewiesen und berichtet (Dick et al., 1999; Gassmann & Grawe, 2004, 2006; Grawe, 2004; Grawe et al., 1990; Grawe, Smith, Dick & Regli, 1999; Grosse Holtforth et al., 2006; Grosse Holtforth et al., 2008; Smith & Grawe, 2003). Für die Teilstichprobe im Rahmen dieser Arbeit wird die Wirksamkeit deskriptiv überprüft. Schritt 2: Die Veränderung in der Ergebnisvariable verstehen Die Art der Veränderung in den Ergebnisvariablen wurde in der Einleitung beschrieben (vgl. Kapitel 1.1.2). Schritt 3: Den Veränderungsmechanismus definieren und operationalisieren Als Veränderungsmechanismus wurde in Kapitel 1.1.3 aus theoretischen Überlegungen und empirischen Befunden die Anstrengungsbereitschaft auf Seiten des Patienten abgeleitet. Dieser wird in der vorliegenden Arbeit mit der Skala 4 des Berner Therapeutenstundenbogens operationalisiert (vgl. Kapitel 3.3.1). Schritt 4: Den Veränderungsmechanismus prüfen Der Veränderungsmechanismus Anstrengungsbereitschaft wird mit der Hypothese 1.1 geprüft. Schritt 5: Wichtige patientenbezogene Veränderungsprozesse ableiten Als patientenbezogener Veränderungsprozess wurden aus Theorie und Empirie die positiven Bewältigungserfahrungen abgeleitet (vgl. Kapitel 1.1.5). Schritt 6: Die Entstehung von patientenbezogenen Veränderungsprozessen modellieren Die Funktion der positiven Erwartungsaktivierung wurde in der Einleitung ausführlich beschrieben (vgl. Kapitel 1.1.6). Schritt 7: Zusammenhänge von therapie- und patientenbezogenen Veränderungsprozessen identifizieren Die Zusammenhänge von der positiven Erwartungsaktivierung (therapiebezogener Veränderungsprozess) mit den positiven Bewältigungserfahrungen (patientenbezogener Verände
 
 




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3. Methode

rungsprozess) werden mit den Hypothesen 1.2 und 2 geprüft.

3.6.2.

Die Datenerhebung der MACE-Daten

3.6.2.1. Die Rater Für die vorliegende Studie wurden 180 Sitzungen (60 Patienten mit je 3 Sitzungen) eingeschätzt. Die Einschätzung einer Sitzung beanspruchte nach einer gewissen Routine ungefähr das Anderthalbfache der Sitzungsdauer (übliche Sitzungsdauer = 50 Minuten). Alle 180 Sitzungen wurden von studentischen Raterinnen auf Masterniveau im Rahmen der Abschlussarbeit ihres Studiums (Masterarbeit) beurteilt. Gemäss Studienreglement sollte die Masterarbeit nicht mehr als einen Zeitraum von zwölf Monaten einnehmen, weshalb auch die Anzahl der Sitzungen, die von einer einzelnen Raterin beurteilt werden konnte, beschränkt war. Für die 180 Sitzungen plus 15 zusätzliche Sitzungen für die Überprüfung der Interraterreliabilität wurden deshalb vier Raterinnen angeworben und trainiert. Die Datenerhebung fand ausschliesslich durch diese vier Raterinnen statt. Alle vier Raterinnen waren blind hinsichtlich der genauen Hypothesen sowie hinsichtlich verschiedener Merkmale der zu beurteilenden Therapien wie z.B. des Therapieerfolgs, der Diagnosen und anderen Patientenmerkmalen. Die Raterinnen wiesen einige therapeutische Grundkenntnisse auf, die sie während des Studiums und im Praktikum erworben haben. Jede Raterin schätzte 60 (45 + 15) Sitzungen unabhängig voneinander ein. Davon überschnitten sich 20 Sitzungen, die von allen vier Raterinnen zur Überprüfung der Übereinstimmung (Interraterreliabilität, vgl. Kapitel 3.6.2.2) eingeschätzt worden sind. Wirtz und Caspar (2002) schlagen vor, 10 % des Materials für die Überprüfung der Interraterreliabilität zu verwenden. Drei Sitzungen von den 20 mussten dafür verwendet werden, um die Übereinstimmung zwischenzeitlich gemeinsam zu prüfen und allfällige Unsicherheiten zu erkennen und zu beheben. Die verbleibenden 17 (Gesamt N = 180) wurden zur Berechnung der Interraterreliabilität hinzugezogen. Zusätzlich stand den Raterinnen während der gesamten Ratingphase eine Internetplattform zur Verfügung, auf der aufkommende Fragen gestellt und diese mit den anderen Raterinnen sowie mit der Autorin dieser Studie diskutiert werden konnte. Auch damit wurde sichergestellt, dass Abweichungen oder Missverständnisse frühzeitig erkannt und behoben werden konnten. Tabelle 3.3 gibt einen Überblick über das Vorgehen.


 
 




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3. Methode

Tabelle 3.3. Überblick über die eingeschätzten Therapiesitzungen Sitzungen Interraterreliabilität (ICC)

ICC-Zwischenprüfung

Raterin A

1 – 45

51 – 54, 95 – 99, 142 – 144

50, 140, 141

Raterin B

46 – 90

5 – 9, 95 – 99, 142 – 144

50, 140, 141

Raterin C

91 – 135

5 – 9, 51 – 54, 142 – 144

50, 140, 141

Raterin D

136 – 180

5 – 9, 51 – 54, 95 – 99

50, 140, 141

Anmerkungen. Die Nummerierung der Sitzungen erfolgte randomisiert.

3.6.2.2. Beurteilerübereinstimmung (Interraterreliabilität)3 Für die vorliegende Studie wurden von den insgesamt 180 Sitzungen vier Untermengen à je 45 Sitzungen gebildet, die von vier Raterinnen eingeschätzt worden sind. Die Beurteilung der Reliabilität der so erhobenen Daten war daher unabdingbar. Nur so lässt sich sicherstellen, dass die Varianz in den Daten von der tatsächlichen Varianz im beobachteten Ereignis stammt und nicht von der Varianz zwischen den Raterinnen. Für die Beurteilung der Reliabilität wurden 17 Sitzungen von allen Raterinnen eingeschätzt (vgl. Kapitel 3.6.2.1). Zur Bestimmung der Interraterreliabilität und -übereinstimmung existieren verschiedene Methoden (einen exzellenten und umfassenden Überblick gibt Wirtz & Caspar, 2002). Entscheidend ist die Wahl des richtigen Verfahrens: „Welche Informationen für eine gegebene Studie am wichtigsten sind, damit die Qualität der Daten als gesichert gelten kann, muss vom Untersucher jeweils speziell entschieden und begründet werden“ (Wirtz & Caspar, 2002. S. 23). Die Entscheidung basiert auf Basis der erhobenen Daten mit Hinblick auf die Informatio3

Wird die Ausprägung eines psychologischen Merkmals durch einen oder mehrere Beobachter eingeschätzt, ist zu prüfen, ob das Urteil zuverlässig und genau, d.h. reliabel ist. Nach Wirtz und Caspar (2002) ist „eine Beurteilung […] reliabel, wenn andere Beurteiler mit gleichem Wissensstand zu einem ähnlichen Urteil kommen“ (S. 15). Nur so lässt sich sicherstellen, dass in Wirklichkeit bestehende Zusammenhänge auch erkannt werden. Mangelnde Reliabilität führt zu hohen Fehleranteilen in den Daten, wodurch Merkmalszusammenhänge systematisch unterschätzt werden können (Regressionseffekt, vgl. Wirtz & Nachtigall, 2006). Dadurch steigt die Gefahr eines β-Fehlers und das Verfahren verliert an Teststärke. Das bedeutet, die Wahrscheinlichkeit, tatsächliche Zusammenhänge oder Effekte statistisch nachzuweisen, sinkt (Bortz, 1999). Oder anders ausgedrückt: Um eine statistische Signifikanz nachzuweisen, muss ein ziemlich markanter Effekt vorhanden sein. In der ProzessOutcome-Forschung ist das jedoch nur selten der Fall (der grösste stabile Effekt, derjenige der Therapiebeziehung, liegt in einem Konfidenzintervall zwischen r = .25 und r = .30 (Metaanalyse von Horvath, Del Re, Flückiger & Symonds, in press). Wenn also, wie in der vorliegenden Studie, mehrere Beobachter dasselbe Merkmal, die Erwartungsaktivierung in einer Therapiesitzung, beurteilen, sollten die Unterschiede zwischen den Ratern für dasselbe Ereignis vernachlässigbar klein sein. Wenn dann, wie Caspar und Wirtz (2002) schreiben, „die Präzision der einzelnen Beurteilungen sichergestellt ist, ist es nicht notwendig, die Einschätzungen von mehreren Ratern einzuholen“ (S. 15). Dadurch lassen sich zeitliche und personelle Ressourcen einsparen. 
 
 




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3. Methode

nen, die für die Überprüfung der Hypothesen wichtig sind. Werden also für die spätere Auswertung der Daten parametrische Verfahren angestrebt, sollte bei der Wahl des Reliabiltätsmass ebenfalls eine Intervallskalierung vorausgesetzt werden. Die Kategorien der Microprocess Analysis of Changing Expectations (MACE) wurden, wie schon in Kapitel 3.4.1.1 erwähnt, bewusst so formuliert, dass sie als annähernd intervallskaliert angesehen werden können. Werden in einer Ratingskala lediglich die Endpunkte bezeichnet, wird die Annahme der Intervallskaliertheit über die Äquidistanz der Skalenpunkte gar nicht oder nur unwesentlich verletzt (Bortz & Döring, 2002; Wirtz & Caspar, 2002). Für eine derartig gestaltete Ratingskala ist die Ähnlichkeit der Urteile entscheidend. Die Einschätzung der Erwartungsaktivierung wird als ausreichend reliabel angesehen, wenn Raterin 1 und 3 das Ausmass in einer Minute auf 4 und Raterin 2 und 4 auf 5 einschätzt. Wirtz und Caspar (2002) sprechen in diesem Zusammenhang von einem Reliabilitätsmass in Abgrenzung zu einem Übereinstimmungsmass, welches die absolute Übereinstimmung der Daten verlangt. Wird also von intervallskalierten Daten ausgegangen, so stellt die Intraklassenkorrelation (ICC) nach Wirtz und Caspar (2002) das geeignete Verfahren dar. Die Intraklassenkorrelation basiert auf dem varianzanalytischen Modell. Sie fordert, dass für dasselbe Merkmal mehrere Messwertreihen mit derselben Metrik vorliegen. Daher wird im Modell der ICC die Gleichheit der Varianzen für die verschiedenen Ratern vorausgesetzt. Es empfiehlt sich somit, die Varianzhomogenität mit dem Levene-Test zu prüfen. Shrout und Fleiss (1979) weisen auf die Tatsache hin, dass es verschiedene ICCKoeffizienten gibt, die, wenn falsch angewendet, zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Sie schlagen deshalb vor, bei der Entscheidung für den angemessenen ICC-Koeffizienten drei Fragen zu beantworten (S. 420): 1. Ist für die Reliabilitätsanalyse ein einfaktorielles oder zweifaktorielles varianzanalytisches Modell angebracht? 2. Sind Mittelwertsunterschiede zwischen den Ratereinschätzungen für die zu prüfende Reliabiliät relevant? 3. Ist die Analyseeinheit ein individueller Wert oder der Mittelwert aus mehreren Ratings? Die Fragen sollen für die vorliegende Studie beantwortet werden. Für die Einschätzung der MACE-Kategorien wurden vier Raterinnen zufällig aus einer grösseren Population von möglichen Ratern ausgewählt (Studierende auf der Suche nach einem Thema für ihre Abschlussarbeit, vgl. Kapitel 3.6.2.1). Die Ergebnisse der Ratereinschätzungen sollen später auch auf andere potentielle Rater generalisierbar sein. Für die Reliabilitätsanalyse wurden alle 
 
 




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3. Methode

Ereignisse von allen vier Raterinnen eingeschätzt. Dadurch lässt sich der Ratereffekt separat berechnen. Es lässt sich also schlussfolgern, dass untersucht werden kann, ob sich die eingeschätzten Kategorien (Faktor 1) und die Rater (Faktor 2) unterscheiden. Die erste Frage lässt sich also wie folgt beantworten: 1. Das passende Modell für die Reliabilitätsanalyse der MACE-Einschätzungen ist die zweifaktorielle Varianzanalyse. Da für die Reliabilitätsprüfung der MACE 17 Sitzungen von allen vier Raterinnen eingeschätzt worden sind, sollten die Mittelwerte für dieselben Ereignisse ähnlich sein. Unterschiede in den Mittelwerten sind daher relevant für die Reliabilität der Einschätzungen. Die Antwort auf Frage zwei lautet dementsprechend: 2. Die Mittelwertsunterschiede zwischen den Ratereinschätzungen sind relevant. Mit der MACE wurde das Ausmass an Erwartungsaktivierung in einer Minute eingeschätzt. Diese Einschätzungen wurden auf Sitzungsebene aggregiert (vgl. Kapitel 3.6.2.5), um eine Aussage über das Ausmass an Erwartungsaktivierung in einer bestimmten Sitzung machen zu können. Diese Mittelwerte und deren Zusammenhang mit dem Therapieergebnis stehen im Fokus des Interesses. Die Frage drei lässt sich demnach wie folgt beantworten: 3. Die Analyseeinheit der MACE ist ein Mittelwert aus mehreren Ratings. Zusammenfassend lässt sich für die Prüfung der Interraterreliabilität der MACEEinschätzungen festhalten, dass eine zufällige Auswahl von Ratern alle Ereignisse beurteilte, die Gesamtstichprobe der Daten damit raterunabhängig als Referenzstichprobe betrachtet werden kann und die Ratervarianz explizit in der Analyse enthalten sein soll ("agreement", Shrout & Fleiss, 1979). Es wird also eine Ähnlichkeit der absolut vergebenen Werte gefordert. Ausserdem beruht die Analyseeinheit auf Mittelwerten. Unter diesen Voraussetzungen und den oben ausgeführten Herleitung, ist in Anlehnung an Shrout und Fleiss (1979) sowie Wirtz und Caspar (2002) das angemessene Verfahren die ICC Modell zweifaktoriell, zufällig, Typ Übereinstimmung („Agreement“) für Durchschnittsmasse.

3.6.2.3. Ratertraining Vor dem eigentlichen Beginn der Datenerhebung fand ein sehr ausführliches und intensives Training statt, in dem ein gemeinsames Verständnis für die einzuschätzenden Kategorien anhand von Videobeispielen erarbeitet und eingeübt wurde. Das Ratingmanual wurde den Formulierungen und Beispielen der Raterinnen angepasst. Das Training konzipierte und leitete die Autorin dieser Arbeit. Es umfasste fünf Wochen. Während dieser Zeit wurde an fünf 
 
 




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3. Methode

Tagen etwa 4 Stunden gemeinsam unter der Leitung der Autorin dieser Arbeit geübt und diskutiert. In der Zwischenzeit wurden individuell beispielhafte Therapiesitzungen für eine erste Überprüfung der Übereinstimmung eingeschätzt. Insgesamt wurden in dieser Zeit von jeder Raterin 15 Therapiesitzungen von 11 unterschiedlichen Therapien beurteilt. Die erste Interraterreliabilitätsprüfung nach fünf Wochen fiel jedoch ungenügend aus, worauf eine zweite Trainingsphase einberufen wurde. Die MACE wurde angepasst. So wurden die Einschätzungen zu den Wirkfaktoren nach Grawe aus dem Manual gestrichen, da diese für die Studierenden ohne Therapieausbildung zu abstrakt waren und für Missverständnisse gesorgt haben. Die Erhebung der Wirkfaktoren wurde zudem schon durch die Informationen aus den Stundenbogen (vgl. Kapitel 3.3.1) abgedeckt. Die Kategorien Diskussion der Glaubwürdigkeit neuer Fertigkeiten und Kulturelle Erwägungen wurden aus dem Manual entfernt, da diese in den Beispielsitzungen, die als eine Zufallsstichprobe aus dem Datenarchiv gezogen wurde, während des ganzen Trainings nie von den Raterinnen beobachtet worden sind. Ausserdem wurden die Kategorien Forschungsfundiertes Therapierationale, Sozialisierung für den Behandlungsprozess und andere Strategien zu der Kategorie Therapierationale und Psychoedukation zusammengefasst. In dieser zweiten Trainingsphase wurden noch einmal sechs Sitzungen von zwei Therapien eingeschätzt. Der Übereinstimmungscheck am Ende dieser zweiten Trainingsphase fiel vielversprechend aus, worauf die Datenerhebung begann. Eine Zwischenprüfung der Übereinstimmung im Januar 2010 hielt sich innerhalb eines akzeptablen Rahmens, bewegte sich jedoch an einer kritischen Grenze. Die Raterinnen wurden deshalb noch einmal mit der Autorin der Studie zu einem gemeinsamen Einschätzen einer Sitzung zur Konsolidierung des gemeinsamen Verständnis der Kategorien aufgerufen und dazu angehalten, eine weitere Sitzung gemeinsam ohne die Studienleiterin zu raten.

3.6.2.4. Die Datenerhebung Die Datenerhebung fand an der Psychotherapeutischen Praxisstelle der Universität Bern in einem eigens für diese Zwecke eingerichteten Ratingraum statt. Die einzuschätzenden Therapiesitzungen wurden von der Autorin der Arbeit aus dem Datenarchiv zusammengestellt und für das Rating vorbereitet (vgl. Kapitel 3.1.2). Die Videos wurden, wenn möglich, kopiert und hinsichtlich der Therapie- und Sitzungsnummer unkenntlich gemacht. Die Reihenfolge der Sitzungen erfolgte randomisiert und nach einer Durchnummerierung wurden sie den vier Raterinnen zugewiesen (vgl. Tab. 3.3). Alle vier Raterinnen unterzeichneten eine schriftliche Erklärung zur Einhaltung der Schweigepflicht. Die Daten wurden in das Programm Filemaker 
 
 




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3. Methode

(vgl. Kapitel 3.4.1.1) eingegeben, das den Raterinnen als Studentenversion auf ihren Laptops zur Verfügung gestellt wurde. Die Datenerhebungsphase dauerte vier Monate von Dezember 2009 bis März 2010.

3.6.2.5. Aufarbeitung der MACE-Daten Für jede MACE-Kategorie auf Stundenbasis wurde die Intraklassenkorrelation (ICC, Modell zweifaktoriell, zufällig, Typ Übereinstimmung für Durchschnittsmasse; vgl. Kapitel 3.6.2.2) berechnet. Auf die Ergebnisse der Interraterreliabilität wird im Ergebnisteil unter Kapitel 4.1.1 eingegangen. Die Daten der Videoeinschätzungen sollten gemäss der Fragestellungen dieser Arbeit in Zusammenhang mit Massen zum Therapieprozess sowie -ergebnis gestellt werden. Dazu wurden die MACE-Daten innerhalb der einzelnen Kategorien durch Bildung eines Mittelwerts auf Sitzungsebene aggregiert. Die Aggregierung der Minutendaten zu einem Sitzungsmittelwert erlaubt eine generelle Aussage über das mittlere Ausmass an Erwartungsaktivierung in der gegebenen Therapiesitzung. Darüber hinaus wurden damit ein metrisches Skalenniveau sowie die Unabhängigkeit der Messwerte erreicht. Der Mittelwert hat gegenüber dem Summenwert den Vorteil, dass unterschiedliche Sitzungslängen mit verrechnet werden. Ausreisserwerte könnten den Mittelwert beeinflussen und somit die Werte in die eine oder andere Richtung verzerren. Ein Augenschein der Rohdaten und der Varianzen ergab jedoch keine Hinweise auf Ausreisserwerte.

3.7.

Datenanalyse

3.7.1.

Fehlende Werte Fehlende Werte stellen häufig ein Problem für die Datenanalyse dar. Diese können die

Analysen verzerren und zu fehlerhaften Interpretationen führen (Allison, 2001). Bei knapp berechneter Stichprobengrösse haben sie auch eine negative Auswirkung auf die Teststärke. Die Stichprobengrösse für die vorliegende Arbeit wurde mit Hilfe des Computerprogramms G*Power berechnet (Erdfelder et al., 1996; Faul et al., 2007, vgl. Kapitel 3.1.2). Die Berechnungen ergaben eine Stichprobengrösse von N = 60. Es wurden dementsprechend die Daten von 60 unterschiedlichen Patienten für die Studie aus dem Archiv zusammengetragen 
 
 




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3. Methode

und mit der MACE beurteilt. Bei der Analyse der Fragebogendaten wurde deutlich, dass eine grosse Menge an Daten zum Postzeitpunkt fehlte. Den Gründen über diese grosse Menge an fehlenden Werten wurde nachgegangen und in Tabelle 3.4 zusammengetragen. Daraus wird ersichtlich, dass die Ursache für die fehlenden Daten grösstenteils auf organisatorische Mängel bei der Erhebung der Daten zurückzuführen sind (unklare Abschlusssituation, fehlendes Insistieren auf die Abschlussmessung, Aufgeben nach erfolglosem Mahnen).

Tabelle 3.4. Übersicht über die Gründe fehlender Postwerte von 26 Patienten Patient Datum letzte Sitzung Gründe 3 12.09.06 Unklarer Abschluss 4 31.05.06 Gemahnt 8 12.06.07 Therapieabbruch, Wegzug des Pat., keine Abschlussmessung 9 27.02.07 Unklarer Abschluss 10 14.01.05 Therapieabbruch, keine Abschlussmessung 11 17.06.05 Unklarer Abschluss 13 01.06.05 Unklarer Abschluss 14 05.10.05 Unklarer Abschluss 16 14.07.05 Abschluss verpasst 18 26.07.06 Unklarer Abschluss 22 19.10.06 Weigerung durch den Pat. 25 16.12.05 Weigerung durch den Pat. 26 20.02.06 Zweifach gemahnt 29 30.08.05 Therapieabbruch, keine Abschlussmessung 31 20.12.06 Unklarer Abschluss 32 20.12.06 Weigerung durch den Pat. 41 27.02.06 Therapieabbruch, keine Abschlussmessung 42 28.12.06 Abschluss verpasst 46 23.09.08 Unklarer Abschluss, da Wechsel in Gruppe 48 15.03.07 Unklarer Abschluss 50 05.03.08 Therapieabbruch, keine Abschlussmessung 54 22.08.08 Abschluss verpasst 55 09.07.09 Ausstehend 54 Ausstehend, Therapie nicht abgeschlossen 58 13.07.09 Zweifach gemahnt 60 17.04.08 Abschluss verpasst

Nachdem alle Möglichkeiten ausgeschlossen worden sind, doch noch an die fehlenden Daten zu kommen (z.B. wurde eine erneute Kontaktaufnahme mit den Patienten nicht in Betracht gezogen, da die Abschlüsse der Therapien z.T. schon mehrere Jahre zurücklagen), begann eine intensive Auseinandersetzung mit den statistischen Möglichkeiten, um mit fehlenden Werten umzugehen. Die fehlenden Werte wurden als MCAR (Missing Completely At 
 
 




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3. Methode

Random) klassifiziert. Der vorhandene Datensatz wurde auf Regelmässigkeiten in den fehlenden Werten überprüft. Unter der Berücksichtigung aller in dem Modell verwendeten Variablen (beobachtete Prä- und Postwerte aller Ergebnisvariablen) ist die Annahme zulässig, dass die fehlenden Werte vollkommen zufällig verteilt sind (MCAR Test nach Little: χ2(40) = 36.2, p > .64). Als MCAR werden in der Literatur fehlende Werten beurteilt, wenn die Wahrscheinlichkeit für einen fehlenden Wert bei Yj weder von den Werten von Yj selber noch von den Ausprägungen aller restlichen Variablen abhängig ist. In der vorliegenden Arbeit fehlen die Werte zur Symptombelastung, zur Inkongruenz, zur Zielerreichung und zu den Veränderungen im Erleben und Verhalten zum Postzeitpunkt. Es wird vermutet, dass diese Werte vielmehr aufgrund mangelhafter Gewissenhaftigkeit des Therapeuten für die Durchführung der Datenerhebung und aufgrund mangelhafter Kontrolle durch die Institution fehlen und nicht aufgrund der Variablen selber (also z.B. aufgrund der Symptombelastung, des Inkongruenzniveaus, der Zielerreichung oder der Veränderung im Erleben und Verhalten) oder den anderen erhobenen Variablen.

Exkurs: Über den Umgang mit fehlenden Werten In der Literatur werden für den Umgang mit fehlenden Werten verschiedene Massnahmen diskutiert. Die häufigsten sind der Ausschluss von Fällen, der paarweise Ausschluss fehlender Werte, das Ersetzen durch Mittelwerte, Maximum Likelihood-Methoden und die Multiple Imputation (Allison, 2001; Baltes-Götz, 2008; Schafer & Graham, 2002). Der Ausschluss von Fällen Beim fallweisen Ausschluss (listwise deletion) werden alle Beobachtungen mit fehlenden Werten in irgendeiner Variablen des Modells ausgeschlossen. Die Analysen werden dann auf das resultierende vollständige Datenset angewendet (Allison, 2001). Diese Methode hat den Nachteil, dass dadurch viele Informationen verloren gehen. Bei Verletzung der MCARBedingung können auch potentiell verzerrte Schätzer entstehen. Der Vorteil liegt klar in der einfachen Handhabung, sie kann für alle Arten von statistischen Analysen verwendet werden und die Daten bleiben im Rohzustand, d.h. unverfälscht. Ausserdem ist der fallweise Ausschluss gegen Verletzungen der MAR-Bedingung (Missing At Random) die robusteste Methode bei unabhängigen Variablen in einer Regressionsanalyse (Baltes-Götz, 2008). Für Regressionsanalysen sei sie sogar robuster als die anspruchsvollen Methoden der Maximum Likelihood und Multipler Imputation. Allison (2001) kommt sogar 
 
 




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3. Methode

zum Schluss, dass der fallweise Ausschluss immer dann bessere Schätzer als Maximum Likelihood oder Multiple Imputation abgibt, wenn die Wahrscheinlichkeit eines fehlenden Wertes in einer bestimmten unabhängigen Variable von deren Wert (Prädiktor) und nicht vom Wert der abhängigen Variablen (Kriterium) abhängt. Paarweiser Ausschluss fehlender Werte Eine Alternative zum fallweisen Ausschluss stellt der paarweise Ausschluss fehlender Werte (pairwise deletion) dar. Unter diesem Verfahren werden alle statistischen Kennwerte wie Mittelwerte, Standardabweichungen, Varianz etc. einzeln mit all den Fällen, die dafür vorhanden sind, geschätzt. Nachdem die statistischen Kennwerte berechnet sind, werden sie zur Berechnung der interessierten Parameter, z.B. einem Regressionskoeffizienten, eingesetzt (Allison, 2001). Durch dieses Vorgehen gehen weniger Informationen verloren, was auch der Vorteil gegenüber dem fallweisen Ausschluss darstellt. In der Literatur werden zwei grosse Nachteile dieser Methode besprochen (Allison, 2001). Zum einen sind mit dem paarweisen Ausschluss die geschätzten Standardfehler und Teststatistiken aus einem konventionellen Statistikprogramm (wie z.B. SPSS) verzerrt. Zum anderen kann es vorkommen, dass die errechnete Kovarianz oder Korrelationsmatrix nicht positiv definiert ist, wodurch Regressionsberechnungen gar nicht erst durchgeführt werden können. Dieses Problem tritt besonders bei kleinen Stichproben auf. Ersetzen fehlender Werte durch den Mittelwert Das Ersetzen fehlender Werte durch den Mittelwert ist die einfachste Imputationstechnik. Dabei werden die fehlenden Werte einer Variablen durch die Mittelwerte derjenigen Variablen ersetzt, von denen die Daten vorhanden sind. Allison (2001) weist jedoch in seinen Ausführungen mit Verweis auf Haitovsky (1968, zitiert nach Allison, 2001) darauf hin, dass diese Methode zu verzerrten Schätzern von Varianzen und Kovarianzen führt und daher grundsätzlich zu vermeiden wäre. Bei der bedingten Mittelwertinputation (conditional mean imputation), auch Regressionsimputation (RI) genannt, werden für eine Variable Y mit fehlenden Werten aus Fällen X1, …, Xk ohne fehlende Werte mit einer prognostischen Relevanz für Y ein Prognosemodell ermittelt und auf die Fälle mit fehlenden Werten angewendet (Baltes-Götz, 2008). Bei der deterministischen RI werden die Prognosen des Imputationsmodells direkt als Ersatz für fehlende Werte verwendet. Dabei entstehen Verzerrungen bei mehreren statistischen Kennwerten (z.B. Varianzen, Korrelationen, Regressionskoeffizienten) und insbesondere bei der Imputati
 
 




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3. Methode

on von fehlenden Kriteriumswerten, kommt es zu einem überschätzten Determinationskoeffizienten im Analysemodell (Baltes-Götz, 2008). Daher wird in der Regel bei der stochastischen RI eine Zufallskomponente mit geeigneter Varianz zu den Prognosen addiert. BaltesGötz (2008) kommt zum Schluss, dass die RI nicht angewendet werden soll, wenn ausschliesslich Kriteriumswerte fehlen (wie es in der vorliegenden Arbeit der Fall ist). Der fallweise Ausschluss wird dort aufgrund der konsistenten und effizienten Schätzer sowie korrekten Standardfehlern empfohlen. Das Statistikprogramm SPSS bietet mit der MVA (Missing Value Analysis) eine Ersetzung der fehlenden Werte mit eigens geschätztem Regressionsmodell für jedes Muster der fehlenden Werte. Die dort errechneten Regressionskoeffizienten entstehen jedoch auf der Grundlage von Mittelwerten, die auf Varianzen und Kovarianzen unter dem Verfahren des paarweisen Ausschlusses aufbauen. Entsprechend wird für dieses Verfahren die Erfüllung der MCAR-Bedingung vorausgesetzt. Maximum Likelihood-Methoden Bei der Maximum Likelihood (ML)-Schätzung werden Werte errechnet, die, falls sie wahr wären, die Wahrscheinlichkeit erhöhen, den tatsächlich beobachteten Wert einzunehmen. Bei bivariater Normalverteilung von X und Y mit fehlenden Werten in X werden für die gesamte Stichprobe Mittelwert und Varianz von Y errechnet. Für die Fälle mit Daten in X wird in einem nächsten Schritt X auf Y zurückgeführt (Regression). Die darauf resultierenden Parameterschätzer können zusammengefasst als ML-Schätzer für alle anderen Parameter von Interesse eingesetzt werden (Allison, 2001). Eine geläufige Methode zur Errechnung von ML-Schätzer, ist der EM-Algorithmus. EM steht für die beiden Schritte bei diesem Vorgehen: In einem ersten Schritt, der Erwartungsschritt (expectation), werden Schätzer errechnet, die dann in einem zweiten Schritt, der Maximierung (maximization), zusammen mit den vorhandenen Daten zu neuen Mittelwerten und Kovarianzen verrechnet werden. Diese Schritte werden so oft wiederholt, bis sich die Schätzer kaum mehr von Iteration zu Iteration unterscheiden. Der EM-Algorithmus hat gegenüber der konventionellen Regressionsimputation zwei Vorteile: Zum einen muss bei der Anwendung des EM-Algorithmus keine Entscheidung über die Wahl der Prädiktoren für die Regressionsimputation getroffen werden und zum anderen kann der EM-Algorithmus mit der Tatsache umgehen, dass unterschiedliche Muster von fehlenden Daten auch unterschiedliche Prädiktoren haben. 
 
 




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3. Methode

Multiple Imputation Bei der Multiplen Imputation (MI) wird jeder fehlende Wert mit einem Set an simulierten Werten ersetzt. Dadurch entstehen m plausible Alternativen für den kompletten Datensatz. Jeder der m Datensets wird auf dieselbe Art mit einer Methode für vollständige Datensätze analysiert. Das Resultat, das variieren kann, wird dann mit simpler Arithmetik zusammengeführt. Es entstehen Gesamtschätzer und Standardfehler unter der Berücksichtigung der Messunsicherheit fehlender Daten sowie der Streuung des finalen Datensets (Schafer & Graham, 2002). Die imputierten Werte sind an keine spezifische Verteilungsform gebunden. Zusammenfassung und Fazit zum Umgang mit fehlenden Werten Mit Verweis auf Allison (2001) lässt sich zusammenfassend festhalten, dass unter den konventionellen Methoden, wie mit fehlenden Daten umgegangen werden kann, der fallweise Ausschluss das am wenigsten problematische Vorgehen darstellt. Obwohl durch dem fallweisen Ausschluss eine grosse Menge an Daten verloren gehen, werden keine substantiellen Verzerrungen erwartet, solange die fehlenden Daten vollkommen zufällig verteilt sind (MCAR). Die MCAR-Bedingung für die fehlenden Werte der vorliegenden Studie ist gegeben (vgl. Kapitel 3.7.1). Weitere Möglichkeiten im Umgang mit den fehlenden Werten wären gewesen, den Therapieerfolg anstatt mit der Postmessung als Mini-Outcome zu operationalisieren und dafür die Daten aus den Zwischenmessungen 1 oder 2 zu verwenden. Oder aber den letzten vorhandenen Wert, der für eine Person gemessen wurde, „vorwärts zu kopieren“ (Last-ObservationCarried-Forward, LOCF). Doch auch diese beiden Möglichkeiten mussten verworfen werden, da bei den Zwischenmessungen kein BSI und nur eine Kurzversion des INKs ausgefüllt werden, sodass die Berechnung der Effektstärken deutlich erschwert gewesen wäre. Ausserdem zeigte eine Inspektion des Gesamtdatensatzes (alle Messdaten, die seit ihrer Gründung an der Psychotherapeutischen Praxisstelle erhoben worden sind) noch mehr fehlende Werte bei den Zwischenmessungen. Zu erwähnen bleibt, dass das Datenerhebungssystem und die Kontrolle an der Psychotherapeutischen Praxisstelle als Reaktion auf diese Missstände umgehend überarbeitet und angepasst worden sind. Es bleibt zu hoffen, dass künftige Prozessforscher an der Psychotherapeutischen Praxisstelle von derartigen Schwierigkeiten verschont bleiben. Unter diesen Gesichtspunkten werden in der vorliegenden Arbeit die korrelativen Analysen (Zusammenhangshypothesen) mit der Methode des fallweisen Ausschlusses als Completeranalysen durchgeführt. Im Speziellen kommt mit den Mehrebenenanalysen für die Be
 
 




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3. Methode

antwortung der zentralen Hypothese H 2 ein Verfahren zum Einsatz, das tolerant ist gegenüber fehlender Werten (vgl. Exkurs 3.7.3.1).

3.7.2.

Versuchsplan Der Versuchsplan der Studie ist korrelativer Art. Es handelt sich um eine post-hoc Be-

obachterstudie mit einer Teilstichprobe aus einer naturalistischen Gesamtstichprobe, die sich dem Ziel verpflichtet, den therapeutischen Prozess post-hoc anhand theoretischer Überlegungen und beobachteter Ereignismuster zu beschreiben (Seligman, 1995). Überprüft werden sollen die aus der Theorie abgeleiteten Zusammenhänge zwischen patienten- und therapiebezogenen Veränderungsmechanismen, Veränderungsprozess und Therapieergebnis (Doss, 2004). Die Kernhypothese der Arbeit betrifft eine erste Validierung des Prozessmodells mit der Vorhersage eines therapiebezogenen Veränderungsmechanismus (positiver Bewältigungserfahrungen) und dessen Verlauf durch den patientenbezogenen Veränderungsmechanismus (positive Erwartungsaktivierung). Für die Überprüfung der Zusammenhangshypothesen stellen multiple Regressionen (für Hypothesen 1.1) und eine moderierte multiple Regression (für Hypothese 1.2) geeignete Verfahren dar. Bei der Hypothese 2 interessieren die Veränderungen von positiven Bewältigungserfahrungen über die Zeit und dessen Vorhersagen durch positive Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie in Sitzung 2. Veränderungen über die Zeit können mit sogenannten Mehrebenenmodellen dargestellt werden. Voraussetzung sind Messdaten zu mehreren Messzeitpunkten. In Mehrebenenmodellen werden Unterschiede innerhalb Personen (intraindividuelle Veränderungen) Unterschieden zwischen Personen (zwischen Gruppen oder Individuen) gegenüber gestellt. So erlauben sie eine differenzierte Aussage darüber, inwiefern individuelle Ausgangswerte einer Ergebnisvariablen und deren individuell unterschiedlichen Verläufe von einem (oder mehreren) Prädiktoren vorhergesagt werden können. Die Hypothese 2 wird daher mit Mehrebenenmodellen geprüft.

Exkurs: Regressionsanalyse Mit den einfachen linearen Regressionen lassen sich die Effekte eines Prädiktors (in diesem Fall z.B. der patientenbezogene Veränderungsprozess positive Erwartungsaktivierung) auf ein Kriterium (z.B. den therapiebezogenen Veränderungsprozess positive Bewältigungser
 
 




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3. Methode

fahrungen) schätzen. Mit der multiplen moderierten Regression kann zusätzlich eine potentielle Einflussvariable kontrolliert (hier die Symptombelastung zum Therapiebeginn, vgl. Kapitel 3.7.3) und ein potentieller Moderator (hier die Besserungserwartung vor der Therapie) geprüft werden. Im Gegensatz zur bivariaten Korrelation, welche die Stärke eines Zusammenhangs zweier Variablen quantifiziert, kann eine Regression mittels Berechnung einer Regressionsgerade unbekannte Werte voraussagen. Mit der multiplen Regression lässt sich abschätzen, welchen Beitrag verschiedene Variablen (Prädiktoren) zur Erklärung einer abhängigen Variablen (Kriterium) leisten. Ein Mass dafür ist der Regressionskoeffizient. Zur Überprüfung des Regressionskoeffizienten werden bei der multiplen Regression der standardisierte Regressionskoeffizient, d.h. der Beta-Wert, und der t-Wert zu Rate gezogen (Backhaus, Erichson, Plinke & Weiber, 2006). Der Beta-Wert Der Beta-Wert ist der standardisierte Regressionskoeffizient. Dabei wird der Regressionskoeffizient βj mit dem Verhältnis der Standardabeichung von Xj und der Standardabweichung von Y multipliziert (Backhaus et al., 2006, Gleichung 11, S. 62). Dadurch werden verschiedene Messdimensionen der Variablen ausgeschaltet, die sich ohne Standardisierung in den Regressionskoeffizienten niederschlagen. Der t-Wert Die t-Statistik testet die Nullhypothese, dass der einzelne Regressionskoeffizient βj gleich Null ist: H0: βj = 0. Dabei wird der Regressionskoeffizient einer Variablen durch dessen Standardfehler dividiert. Weicht der t-Wert stark von Null ab, ist unwahrscheinlich, dass die Nullhypothese gilt. Wenn also in der Grundgesamtheit tatsächlich ein Einfluss von X auf Y existiert und somit βj ungleich Null ist, ist die Nullhypothese folglich zu verwerfen. Ausserdem soll bei der Regressionsanalyse die Güte des Gesamtmodells geprüft werden. Globale Gütemasse zur Prüfung der Regressionsfunktion sind das Bestimmtheitsmass (R2), die F-Statistik und der Standardfehler (Backhaus et al., 2006). Das Bestimmtheitsmass Das Bestimmtheitsmass setzt die erklärte Streuung in Relation zur Gesamtstreuung. Sie ist eine normierte Grösse mit einem Wertebereich zwischen Null und Eins. Je grösser der Wert, desto höher ist der Anteil der erklärten Streuung an der Gesamtstreuung, d.h., desto mehr Varianz wird durch das Modell aufgeklärt. Das Bestimmtheitsmass ist abhängig von der 
 
 




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3. Methode

Anzahl der Prädiktoren. Abhilfe dagegen schafft ein korrigiertes Bestimmtheitsmass R2korr. Die F-Statistik Mit der F-Statistik wird die Frage geprüft, ob das geschätzte Modell auch über die Stichprobe hinaus für die Grundgesamtheit Gültigkeit aufweist. Damit wird mit ihrer Berechnung auch auf den Umfang der Stichprobe eingegangen. Der F-Test prüft die Nullhypothese, die besagt, dass zwischen den unabhängigen Variablen X (Prädiktoren) und der abhängigen Variablen Y (Kriterium) kein Zusammenhang besteht und somit die Regressionskoeffizienten in der Grundgesamtheit gleich Null sind: H0: β1 = β2 = ... = 0. Der Standardfehler Der Standardfehler ist ein Mass zur Schätzung des mittleren Fehlers bei der Verwendung der Regressionsfunktion zur Schätzung der abhängigen Variablen Y (Kriterium). Die Durchführung einer Regressionsanalyse ist an bestimmte Prämissen gebunden. Diese Annahmen beruhen auf der Grundlage eines stochastischen Modells, in dem die Störgrösse als eine Zufallsgrösse aufgefasst wird. Für die lineare Regression sind dies: Linearität zwischen den Prädiktoren und dem Kriterium, keine lineare Abhängigkeit zwischen den Prädiktoren (Multikollinearität) sowie Normalverteilung, konstante Varianz (Homoskedastizität) und keine Autokorrelation der Residuen (Backhaus et al., 2006). Die Linearität zwischen den Modellparametern wird in den Analysen dieser Arbeit als gegeben erachtet, wenn Prädiktor und Kriterium miteinander korreliert. Auch die Prämisse der Normalverteilung der Residuen wird als erfüllt angenommen, da bei einer grossen Anzahl Beobachtungen K (Backhaus et al. (2006) sprechen bei K > 40 von gross) die Signifikanztests unabhängig von der Verteilung der Residuen sind (Backhaus et al., 2006). Die Homoskedastizität bzw. Heteroskedastizität wird visuell anhand von Streudiagrammen der Residuen, während die Autokorrelation rechnerisch in SPSS mit dem Durbin-Watson-Test überprüft wird. Niedrige Werte deuten auf eine positive Autokorrelation hin (Backhaus et al., 2006). Im Falle extremer positiver Autokorrelation nimmt die Durbin-Watson-Statistik einen Wert von Null, bei extrem negativer Autokorrelation einen Wert nahe vier und bei keiner Autokorrelation einen Wert nahe zwei an. Die Abschätzung der kritischen Werte dieses Tests sind tabelliert und in Statistikbüchern oder im Internet (z.B. http://hadm.sph.sc.edu/courses/j716/dw.html) nachzuschlagen. Diese Testentscheidungsprozedur ist jedoch vergleichsweise umständlich. In der Praxis hat sich daher die Daumenregel bewährt, dass beim Auftreten eines Teststatistik
 
 




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3. Methode

werts nahe zwei davon ausgegangen werden kann, dass weder positive noch negative Autokorrelation erster Ordnung vorliegt (Rottmann & Auer, 2010). Auf das Problem der Multikollinearität soll an dieser Stelle eingegangen werden, da diese bei moderierten Regressionsanalysen häufig besteht (Diehl & Staufenbiel, 2007). Ein Mass zur Prüfung der Multikollinearität ist der Variance Inflation Factor, VIF. Der VIF ist umso grösser, je grösser das Bestimmtheitsmass eines Prädiktors in Bezug auf die übrigen Prädiktoren ist. In SPSS kann der VIF-Wert angewählt werden. Als problematisch gelten Werte von > 10 (Diehl & Staufenbiel, 2007). Eine Möglichkeit, der Multikollinearität zu begegnen, ist die Standardisierung der Prädiktorvariablen (z.B. durch Zentrierung der Variablen durch Subtraktion des Mittelwertes, Diehl & Staufenbiel, 2007).

3.7.3.

Modellformulierungen für Hypothesen 1.1 und 1.2 Die Hypothesen 1.1 und 1.2 werden durch die Regressionsmodelle 1 bis 7 geprüft. Bei

allen Modellen wird die Variable Symptombelastung bei Therapiebeginn (der GSI vom BSI zum Zeitpunkt prä) oder, wo sinnvoll, die Annäherungs- bzw. Vermeidungsinkongruenz (INK AZ oder INK VZ zum Zeitpunkt prä) als Kontrollvariable ins Modell mit aufgenommen. Dadurch wird gewährleistet, dass der Einfluss der Ausgangsbelastung statistisch kontrolliert, d.h. konstant gehalten, wird (Diehl & Staufenbiel, 2007). Gerade dort, wo als Ergebnismass die Symptombelastung zum Postzeitpunkt GSIpost oder das Veränderungsmass ∆ GSIprä-post oder ∆ INKprä-post verwendet wird, ist die Kontrolle für eine mögliche Konfundierung mit der Ausgangsbelastung (GSIprä oder INKprä) wichtig. Die einzelnen Modelle sind (für eine bessere Übersicht, vgl. auch Abb. 2.1 auf S. 38): Modell 1 (H 1.1): Regression des Therapieergebnisses auf die Anstrengungsbereitschaft unter Kontrolle der Ausgangsbelastung (Veränderungsmechanismus  Ergebnis). Modell 2 (H 1.1): Regression der Anstrengungsbereitschaft auf die positiven Bewältigungserfahrungen unter Kontrolle der Ausgangsbelastung (patientenbezogener Veränderungsprozess  Veränderungsmechanismus). Modell 3 (H 1.2): Regression der positiven Bewältigungserfahrungen auf die positive Erwartungsaktivierung unter Kontrolle der Ausgangsbelastung (therapiebezogener Veränderungsprozess  patientenbezogener Veränderungsprozess). Für die Prüfung des Moderatoreffekts (H 1.2, Vorgehen nach Baron & Kenny, 1986; Kraemer et al., 2001): Modell 4: Regression der positiven Bewältigungserfahrungen auf die Besserungserwar
 
 




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3. Methode

tung unter Kontrolle der Ausgangsbelastung (Moderator  Ergebnisvariable, vgl. Kapitel 3.5). Diese soll signifikant ausfallen (Moderator M wirkt zeitlich vor der Zielvariable Z, Kraemer et al., 2008). Modell 5: Regression der positiven Erwartungsaktivierung auf die Besserungserwartung unter Kontrolle der Ausgangsbelastung (Moderator  Zielvariable). Diese soll nicht signifikant ausfallen, da nach dem McArthur-Ansatz die Moderatorvariable und die Zielvariable voneinander unabhängig sein sollen (Kraemer et al., 2008). Damit wird der Uneindeutigkeit über die Richtung des Einflusses Rechnung getragen. Wird in den sozialen Wissenschaften nach dem Ansatz nach Baron und Kenny (1986) vorgegangen, werden derartige Unklarheiten häufig dadurch gelöst, indem auf ein a priori festgelegtes theoretisches oder konzeptuelles Modell verwiesen wird. Das wurde auch in der vorliegenden Arbeit so gemacht. In diesem Sinne wird der angenommene Moderator in dieser Arbeit durch doppelte Argumente bestimmt. Modell 6: Dichotomisierung des Moderators mittels Terzilbildung in wenig bzw. viel Besserungserwartung (vgl. Kapitel 3.5). Modell 6 wird separat für jede Subgruppe gerechnet (Baron & Kenny, 1986; Kraemer et al., 2001). Es wird die positiven Bewältigungserfahrungen auf die positive Erwartungsaktivierung unter Kontrolle der Ausgangsbelastung und der Besserungserwartung vor der Therapie regrediert (Subgruppe 1: Zielvariable  Ergebnisvariable, Subgruppe 2: Zielvariable  Ergebnisvariable) und die Resultate anschliessend miteinander verglichen (Baron & Kenny, 1986).

Exkurs: Modellierung von individuellen Unterschieden mit Mehrebenenmodellen In der vorliegenden Arbeit soll der individuelle Verlauf des therapiebezogenen Veränderungsprozesses (die positiven Bewältigungserfahrungen) vorhergesagt werden. Diese individuellen Verlaufsparameter auf Level 1 werden dann zu Ergebnisvariablen auf Level 2, die wiederum durch Unterschiede zwischen den Personen (z.B. durch den patientenbezogenen Veränderungsprozess, namentlich das Ausmass an positiver Erwartungsaktivierung) erklärt werden können. Formell ausgedrückt, sind mehrere Beobachtungen eines Individuums (z.B. Prozessdaten) verschachtelt innerhalb der Person (vgl. Abb. 3.2).


 
 




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3. Methode

Abbildung 3.2. Schematische Darstellung der hierarchischen Struktur der Daten, übernommen aus Tasca & Gallop (2009).

Rechnerische Grundlage bilden dabei ineinander geschachtelte Regressionsgleichungen, mit denen die Varianzanteile von Ausgangswert und Steigung geschätzt werden.

Wie auch Regressionsanalysen erlauben Mehrebenenanalysen eine vorläufige, vorsichtige Kausalinterpretation, wenn bei der Interpretation der Ergebnisse genauestens darauf geachtet wird, dass die Hypothese stets auf ihre Plausibilität hin geprüft wird (Backhaus et al., 2006). Die Plausibilität einer Kausalbeziehung ist gemäss dem Philosophen John Stuart Mill gegeben, wenn (1) die Ursache dem Effekt zeitlich vorgeschaltet ist, (2) ein Zusammenhang besteht zwischen Ursache und Effekt und (3) keine andere plausible Erklärung für den Effekt als Ursache gefunden wird (Shadish, Cook & Campbell, 2002). Diese Bedingungen sind mit der sorgfältigen theoretischen Herleitung und der zeitlichen Abfolge von Ursache (UV) und Effekt (AV) für die Hypothesen der vorliegenden Arbeit gegeben. Mit Hilfe von Mehrebenenmodellen soll überprüft werden, ob positive Erwartungsaktivierung die Unterschiede zwischen den Patienten sowohl im Ausgangswert wie auch im Verlauf von positiven Bewältigungserfahrungen voraussagen kann und so zu einer ersten vorsichtigen Validierung des in dieser Arbeit vorgestellten Prozessmodells zu gelangen.


 
 




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3. Methode

Vorteile gegenüber herkömmlichen Methoden wiederholter Messung Mehrebenenmodelle haben gegenüber der herkömmlichen Methoden zur Analyse wiederholter Messung wie die Varianzanalyse (ANOVA) oder die Kovarianzanalyse (ANCOVA) bestimmte Vorteile (Tasca & Gallop, 2009). Wesentlich bei der Varianzanalyse mit wiederholter Messung ist der Test auf Unterschiede zwischen den Mittelwerten über Messzeitpunkte. Es werden zum Beispiel individuelle Werte von Sitzung 1, 2, 3 etc. gemittelt. Von diesen gemittelten Werten werden dann die Varianzen geschätzt und die Unterschiede zwischen diesen Mittelwerten im Verhältnis zu den gepoolten Varianzen der Signifikanzprüfung unterzogen. Dabei stellt besonders die strikte Annahme der Sphärizität für Varianzanalysen mit Messwiederholungen die Psychotherapieprozessforscher vor Schwierigkeiten. Die Annahme der Sphärizität verlangt gleichwertige Fehlervarianzen und homogene Korrelationen zwischen den einzelnen Faktorstufen (Bortz, 1999). In der Psychotherapieprozessforschung interessiert aber oft gerade die Variabilität nach Hinzufügen einer Intervention und dessen Einfluss auf die Variabilität zu einem späteren Zeitpunkt. Zum Beispiel wird in der vorliegenden Arbeit erwartet, dass das Ausmass an positiven Bewältigungserfahrungen zu Beginn der Therapie (Messzeitpunkt prä) variiert. Patienten werden wenig, moderat oder schon zu Beginn der Therapie viel positive Bewältigungserfahrungen machen, je nach Persönlichkeit und individueller Verfassung der Patienten. Mit der Behandlung, die im Schnitt erfolgreich verlaufen soll, wird erwartet, dass Patienten mit der Zeit zu mehr positiven Bewältigungserfahrungen kommen. Das heisst, die Variabilität zu einem späteren Zeitpunkt im Verlauf (Messzeitpunkt post) sollte um einiges geringer sein als noch zu Beginn der Behandlung, denn es wird erwartet, dass alle Patienten viele positive Bewältigungserfahrungen machen konnten. Noch komplizierter wird die Voraussetzung der homogenen Fehlervarianzen, wenn erwartet wird, dass die Werte und Variabilität bei den Patienten mit wenig positiver Erwartungsaktivierung weniger stark zunehmen. Ein weiteres Problem betrifft die Interkorrelation der fortlaufenden Sitzungsmessdaten. Wie das eben beschriebene Beispiel zeigt, ist hier die Sphärizitätannahme verletzt. Dies kann zu progressiven Entscheidungen (Typ I-Fehler) mit gravierenden Konsequenzen führen, d.h., zu Entscheidungen, die die H1 häufiger begünstigen, als nach dem nominellen α-Niveau zu erwarten wäre (Bortz, 1999). Die Varianzanalyse mit Messwiederholungen ist also wegen ihrer Gewichtung auf gemittelte Gruppenveränderungen und Gruppenvarianzen limitiert. Im Gegensatz dazu berücksichtigen Mehrebenenmodelle individuelle Veränderungen und Varianzen. Kovarianzanalysen werden hauptsächlich dazu verwendet, um Therapieverläufe unter 
 
 




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3. Methode

der Berücksichtigung des Ausgangsniveaus zu messen. Wenn die Verläufe pro Patient aber nicht parallel verlaufen und dadurch die Ergebnisvarianz zwischen den Patienten nicht die selbe ist, dann werden mit der Kovarianzanalysen irreführende Resultate erzielt (Gottman & Rushe, 1993). Ebenfalls ungenaue Schätzungen resultieren im Ausgangsniveaueffekt, wenn der Verlauf über die Messzeitpunkte nicht linear ist. Ein weiterer wesentlicher Vorteil der Mehrebenenanalysen zu den herkömmlichen Varianz- oder Kovarianzanalysen mit Messwiederholungen ist deren Toleranz von fehlenden Werten. Bei varianzanalytischen Untersuchungen werden Gruppenmittelwerte und -varianzen berücksichtigt, die verlangen, dass jedes Individuum zu jedem Messzeitpunkt vollständige Daten hat. In der Praxis ist dies jedoch meist nicht der Fall. Mit dem fallweisen Ausschluss von Fällen mit fehlenden Werten kann dem Problem entgegnet werden, dies reduziert aber die Stichprobengrösse und damit die Power (vgl. Kapitel 3.7.1.1). Alternativ können fehlende Daten mit verschiedenen Methoden imputiert werden, so z.B. mit der Methode LOCF (last obsevation carried forward), mit der Maximum Likelihood-Schätzung (ML) oder der Methode der Multiplen Imputation (MI). Jede der Techniken erzielt jedoch nur eine Annäherung an die realen Werte und bietet so immer auch einiges Potential für Verzerrungen (Baltes-Götz, 2008 vgl. Kapitel 3.7.1). Mehrebenenanalysen verlangen keine Spärizitätsannahmen, sie erlauben die Formung individueller Verläufe und Varianzen und Veränderungen können auch ohne listweise Löschung oder multiple Imputation von Werten modelliert werden, wenn bei einigen Individuen fehlende Werte vorliegen. Vorausgesetzt die fehlenden Werte erfüllen mindestens die MARBedingung, die besagt, dass die Wahrscheinlichkeit für einen fehlenden Wert bei Y unter der Kontrolle von anderen Variablen nicht von der Variablen Y abhängen darf (Allison, 2001). Die fehlenden Daten der vorliegenden Studie erfüllen alle die MCAR-Bedingung (vgl. Kapitel 3.7.1).

3.7.4.

Modellformulierungen für Hypothese 2 In Kapitel 1.1 wurde ein theoretisch hergeleitetes Therapieprozessmodell für frühe Ver-

änderungen durch positive Erwartungsaktivierung und deren Zusammenhang mit dem Therapieergebnis bei Patienten mit geringer Besserungserwartung eingeführt. Gemäss diesem Modell führt frühe positive Erwartungsaktivierung zu mehr positiver Bewältigungserfahrungen, wodurch die Anstrengungsbereitschaft der Patienten steigt und sich längerfristig positiv auf das Therapieergebnis auswirkt (vgl. Abb. 2.1). Die Beziehung zwischen den Variablen positi
 
 




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3. Methode

ve Erwartungsaktivierung und positive Bewältigungserfahrungen mit dem potentiellen Moderator Besserungserwartungen vor der Therapie soll anhand eines Mehrebenenmodells über die ersten zehn Therapiesitzungen hinweg modelliert werden. Durch die zeitliche Anordnung der Variablen und die Differenzierung zwischen Ausgangswert und Verlauf kann der theoretisch angenommene kausale Einfluss der positiven Erwartungsaktivierung auf die positiven Bewältigungserfahrungen weiter gestützt oder verworfen werden. Sollte sich der hypothetisch angenommene Kausalzusammenhang weiter erhärten, ist in einem weiteren Schritt die zeit- und kostenaufwendigere experimentelle Überprüfung mit gezielter Manipulation von positiver Erwartungsaktivierung gerechtfertigt. Die abhängige Variable Y ij posBew Es soll untersucht werden, ob und wie sich positive Bewältigungserfahrungen über den Zeitraum der ersten zehn Therapiesitzungen verändern und ob diese Veränderung durch das Ausmass an positiver Erwartungsaktivierung vorhergesagt werden kann. Weiter soll überprüft werden, ob diese Beziehung durch das Ausmass an Besserungserwartung vor der Therapie moderiert wird. Die abhängige Variable positive Bewältigungserfahrungen wird mit der sechsten Skala des Berner Patientenstundenbogens (PSTB, Flueckiger, Regli, Zwahlen, Hostettler & Caspar, 2010) operationalisiert (vgl. Kapitel 3.3.1). Die Prädiktorvariable posEA.2 Es wird vorausgesagt, dass die Prädiktorvariable positive Erwartungsaktivierung in Sitzung 2 das Ausmass und den Verlauf an positiven Bewältigungserfahrungen erklären kann. Dabei wird angenommen, dass der Einfluss von positiver Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie besonders stark sei. Zur Operationalisierung der Variable werden daher die Minuteneinschätzungen der MACE-Kategorien 1, 3 und 9 (positive Erwartungen allgemein, positive Erwartungen hinsichtlich der Therapie und Selbstwirksamkeitserwartungen, vgl. Kapitel 3.4.1.1) von der Sitzung 2 auf Stundenebene gemittelt. Die Moderatorvariable BE Wie unter Kapitel 1.1.6.1 ausgeführt, wird angenommen, dass die Besserungserwartung (BE) eines Patienten gemessen vor der Therapie als Moderator zwischen positiver Erwartungsaktivierung und dem Therapieergebnis fungiert. Gemäss dem Prozessmodell für frühe Veränderungen sollen besonders Patienten mit geringer Besserungserwartung von positiver Erwartungsaktivierung profitieren. Die Besserungserwartung vor der Therapie wird mit der 
 
 




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3. Methode

Prä-Messbatterie durch den Mittelwert der ersten Skala Hoffnung auf Besserung des Fragebogens PATHEV (Schulte, 2005, siehe Kapitel 3.5) operationalisiert und dichotomisiert. Für die Dichotomisierung wurden Terzile gebildet, wobei das unterste Terzil (tiefster Wert bis 3.75) den Wert 0 (wenig Besserungserwartung) und das oberstes Terzil (4.5 bis höchster Wert) den Wert 1 (viel Besserungserwartung) erhielt. Die Besserungserwartung repräsentiert also zwei Extremgruppen mit Werte für wenig Besserungserwartung < 3.75 und viel Besserungserwartung mit > 4.5. Die Besserungserwartung wird als Kontrollvariable ins Modell mit aufgenommen. Zur Überprüfung des Moderators wird das Modell für die Subgruppen wenig bzw. viel Besserungserwartung separat gerechnet und die Resultate anschliessend miteinander verglichen (Baron & Kenny, 1986). Das Messwiederholungsmodell (Level 1) Wir nehmen an, dass Y ij (hier positive Bewältigungserfahrungen) der beobachtete Wert zum Zeitpunkt i für das Individuum j, eine Funktion einer systematischen Wachstumskurve mit zufälligem Fehler ist. Die Variable Xij bezeichnet den Wert des Zeitpunkts (hier die wievielte Sitzung), an der Person i zum jten Mal gemessen wird. Bei der Annahme eines linearen Verlaufs ist die personenspezifische Level-1-Regressionsgrade für den Verlauf von Yij mit i = 1, …, n Personen:

Jede Person hat j Messzeitpunkte, wobei die Anzahl und der Abstand zwischen den Messzeitpunkten von Person zu Person variieren können. Der Intercept-Parameter π0i ist der Ausgangswert einer Person i bei X = 0. Die spezifische Bedeutung von π0i beruht demzufolge auf der Skalierung von X. Gewöhnlich wird eine simple Fehlerstruktur für εij angenommen, d.h., εij ist unabhängig und normal verteilt mit einem Mittelwert von 0 und einer konstanten Varianz, σ2 (Raudenbush & Bryk, 2002). Das Personenebenenmodell (Level 2) Eine wichtige Besonderheit der Level-1-Gleichung ist die Annahme, dass der Intercept und der Wachstumsparameter über die Individuen hinweg als eine Funktion von Personeneigenschaften variieren. Ausgangswert und Wachstum werden so auf Level-2 zur Ergebnisvariablen und die Personeneigenschaften werden auf Level-2 als Prädiktoren aufgenommen:


 
 




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3. Methode

Zu beachten sind die zwei zufälligen Level-2-Effekte ζ0i und ζ1i mit den Varianzen σ02 und σ12, die in den hier vorgestellten Modellen, wenn angebracht, frei geschätzt werden. Dadurch wird mathematisch ermöglicht, dass sich Personen sowohl im Ausgangswert als auch in der Veränderungsrate unterscheiden. Mit Hypothese 2 wird in dieser Arbeit erwartet, dass das Ausmass an positiver Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie das Ausmass an positiven Bewältigungserfahrungen in den ersten zehn Sitzungen der Therapie voraussagen kann. Rechnerisch gesehen wird erwartet, dass positive Erwartungsaktivierung einen positiven Effekt sowohl auf das unmittelbare Sitzungsergebnis (Intercept / Ausgangswert) als auch auf den weiteren Verlauf (Steigung / Wachstumskurve) von positiven Bewältigungserfahrungen hat. Es wird weiter erwartet, dass dieser Zusammenhang durch das Ausmass an Besserungserwartung vor Beginn der Therapie moderiert wird. Das unbedingte Mittelwertmodell (Basismodell) In einem ersten Schritt soll überprüft werden, ob überhaupt Unterschiede bestehen zwischen den Personen in einer Ergebnisvariablen, hier positive Bewältigungserfahrungen in den ersten zehn Sitzungen.

In diesem Modell wird jeder individuelle Mittelwert über die Sitzungen von der Level1-Gleichung, π0i, als Funktion des Gesamtmittelwerts der abhängigen Variablen Y über alle Personen und die Zeit hinweg, γ00, und der Abweichung jedes individuellen Mittelwertes vom Gesamtmittelwert, ζ0i, dargestellt. Eine wichtige Funktion dieses Basismodells ist die Schätzung der totalen Varianz zwischen den Personen, σ02, mit der Berechnung einer χ2-Verteilung zur Prüfung signifikanter Schwankungen im Varianzparameter (hier Schwankungen in den personenspezifischen Mittelwerten, ζ0i). Bei signifikanten Schwankungen in der Restvarianz macht es Sinn, Prädiktoren ins Modell aufzunehmen. Ein zweiter wichtiger Nutzen dieses Modells sind die Werte der Varianzkomponenten, die als Vergleichsbasis für weitere Modelle zu Rate gezogen werden können, um den zusätzlichen Gewinn an Varianzaufklärung durch 
 
 




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3. Methode

das Hinzufügen von Prädiktoren zu ermitteln (durch die Berechnung von Pseudo-R2, vgl. anschliessender Abschnitt).

Das bedingte Mittelwertmodell In einem zweiten Schritt interessiert, ob der theoretisch hergeleitete Prädiktor und der Moderator tatsächlich Gesamtunterschiede in der abhängigen Variable voraussagen können. Es wird angenommen, dass der Moderator zwei qualitativ verschiedene Subgruppen (wenig bzw. viel Besserungserwartung) bildet, auf die der Prädiktor unterschiedlich wirkt (vgl. Kapitel 1.1.6.1). Das Modell wird daher für die Subgruppen wenig Besserungserwartung und viel Besserungserwartung getrennt gerechnet (Baron & Kenny, 1986). Der Prädiktor (hier positive Erwartungsaktivierung in Sitzung 2, am Mittelwert zentriert) wird auf Level-2 zusammen mit einer Kontrollvariablen (Einfluss der Besserungserwartung vor der Therapie, am Mittelwert zentriert) eingefügt. Mit der Zentrierung am Mittelwert lässt sich der Intercept π0i als unbereinigter Mittelwert von Y ij interpretieren (π0i= µYi).

Zur Berechnung des zusätzlich aufgeklärten Varianzanteils durch das Hinzufügen der Prädiktoren kann nach folgender Formel das Pseudo-R2 berechnet werden:

Die χ2-Verteilung der Varianzkomponente, σ02, vom bedingten Mittelwertmodell gibt einen Anhaltspunkt, ob noch weitere Schwankungen in der Varianz zwischen den Personen bestehen und ob weitere Prädiktoren zur Aufklärung der Varianz ins Modell aufgenommen werden sollen. Das unbedingte Wachstumsmodell In einem weiteren Schritt soll die Form des intraindividuellen Verlaufs der abhängigen Variablen geprüft werden. Deskriptive Darstellungen wie Streudiagramme sollen zur Hypothesenbildung zu Rate gezogen werden (Singer & Willett, 2003). Mit Voraussetzung (c) wird von einem linearen Verlauf von positiven Bewältigungserfahrungen ausgegangen. Zu dieser Annahme führten sowohl frühere Untersuchungen (Grosse Holtforth et al., 2009) sowie auch die Inspizierung der empirischen Verlaufskurven der Teilstichprobe (vgl. Abb. 3.2). 
 
 




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3. Methode

Abbildung 3.3. Verlauf von positiven Bewältigungserfahrungen.

Auf Level-1 wird also ein linearer Verlauf von positiven Bewältigungserfahrungen modelliert:

Der Zeitparameter wird auf Sitzung 2 zentriert und unzentriert in das Modell aufgenommen. Mit diesem Vorgehen wird der Intercept als Ausgangswert, d.h. als Wert für die positiven Bewältigungserfahrungen in der Sitzung 2 und nicht als Mittelwert über alle Messzeitpunkte hinweg definiert (vgl. Abb. 3.4).

Abbildung 3.4. Gemittelter Verlauf von positiven Bewältigungserfahrungen.


 
 




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3. Methode

In diesem Modell von besonderer Relevanz ist der Wert der Steigung (hier: die lineare Veränderungsrate). Ist dieser positiv signifikant, so nimmt die abhängige Variable (hier: positive Bewältigungserfahrungen) reliabel über die Zeit hinweg (hier: über die ersten zehn Sitzungen) zu. Das bedingte Wachstumsmodell Nachdem nun der Verlauf der abhängigen Variablen modelliert und der mutmassliche Prädiktor daraufhin überprüft worden ist, ob er Varianz in der abhängigen Variable erklären kann, wird das endgültige Modell modelliert. Mit diesem Modell soll der Frage nachgegangen werden, ob der Prädiktor (hier positive Erwartungsaktivierung, am Mittelwert zentriert) unter der Kontrolle der potentiellen Moderatorvariable (hier Besserungserwartung, unzentriert) signifikant über das lineare Modell hinaus Intersubjektunterschiede unmittelbar und in der Veränderung über die Zeit erklären kann. Die Prädiktorvariablen werden hier an ihrem Gesamtmittelwert zentriert. Mit dieser Zentrierung lässt sich der Steigungsparamter, π1i, als durchschnittliche Veränderung pro Sitzung bei durchschnittlichem Einfluss der Kontrollvariablen interpretieren. Das Modell wird für die Subgruppen wenig Besserungserwartung und viel Besserungserwartung getrennt gerechnet (Baron & Kenny, 1986).

Für die Darstellung der Wachstumskurven wird das Modell für die Gesamtgruppe gerechnet und die potentielle Moderatorvariable Besserungserwartung (BE) unzentriert ins Modell aufgenommen. Aufgrund dieser Dichotomisierung (vgl. oben) lassen sich die Werte später für niedrige (BE = 0) und hohe Besserungserwartung (BE = 1) ablesen.

3.7.5.

Multiples Testen Werden, wie in der vorliegenden Studie, mehrere Hypothesen an derselben Stichprobe

getestet, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, dass fälschlicherweise die Nullhypothese zurückgewiesen wird (α-Fehler), d.h. die Wahrscheinlichkeit auf zufällig signifikante Ergebnisse zugunsten der H1 steigt. In der Statistik wird in diesem Zusammenhang von einer αFehler-Inflation gesprochen. 
 
 




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3. Methode

Die gebräuchlichste Methode, einer derartigen α-Fehler-Inflation entgegenzuwirken, ist die Korrektur des α-Niveaus nach Bonferroni (Bortz, 1999). Nach dieser Methode wird das globale α-Niveau durch die Anzahl der Einzeltests dividiert. Die Einzeltests werden dann unter dem angepassten α-Niveau beurteilt. Diese Prozedur hat verschiedene Nachteile. Sie ist sehr konservativ und geht zu Lasten der Teststärke (wodurch sich die Wahrscheinlichkeit für den β-Fehler erhöht). Bei vielen Einzeltests muss ein Ergebnis unter der Bonferroni-Korrektur einen sehr geringen α-Wert aufweisen, um als statistisch signifikant zu gelten. Dadurch können kleine bis mittlere Effekte, wie sie teilweise in dieser Arbeit erwartet werden (z.B. beim Einfluss der positiven Erwartungsaktivierung auf das Stundenergebnis), kaum entdeckt werden. Ein weiteres Problem besteht darin, dass oft nicht eindeutig ist, welche Tests nun genau betroffen sind. Des Weiteren schreiben Bender, Lange und Ziegler (2007, S. 28): „Prinzipiell gilt, dass keine Berücksichtigung für multiples Testen erforderlich ist, wenn es genügt, das lokale Signifikanzniveau einzuhalten. Soll dagegen das multiple oder zumindest das globale Signifikanzniveau kontrolliert werden, so ist eine Adjustierung für multiples Testen zwingend erforderlich.“ Dem Problem des multiplen Testens kann auch begegnet werden, indem die Anzahl abhängiger Variablen reduziert und multiple Einzeltests so gänzlich vermieden werden. Auf ein globales Ergebnismass wurde bewusst verzichtet, da ein derartiges Mass keine differenzierenden Aussagen zulässt und mögliche Einflüsse auf eine Variable durch einen gegenteiligen Einfluss auf eine andere Variable durch deren Mittelung „aufheben“ kann. Darüber hinaus wird in der Literatur der Einbezug von direkter und indirekter Ergebnismessung gefordert (Michalak et al., 2003) und auf deren Unterschiedlichkeit hingewiesen (Schulte, 2008). Der Einsatz von multivariaten Analyseverfahren macht multiple Einzeltests überflüssig. So könnten die vorliegenden Fragestellungen mit Strukturgleichungsmodellen berechnet werden (Backhaus et al., 2006). Da die Power und die Reliabiliät der geschätzten Parameter von der Stichprobengrösse abhängt wird als Faustregel eine Mindeststichprobengrösse von über 100, besser jedoch noch über 200 gefordert (Backhaus et al., 2006; Orth, 2009). Eine derart grosse Stichprobe war mit einem so aufwendigen Ratingverfahren, wie es hier zum Einsatz kam, unter den gegebenen strukturellen und personellen Ressourcen nicht zu erreichen. Ein weiterer Lösungsansatz für multiples Testen sind a priori geordnete Hypothesen: Wird im Voraus festgelegt, in welcher Reihenfolge die Hypothesen getestet werden, ist eine Adjustierung nicht erforderlich (Williams, 1971). Wird ein Test nicht signifikant, wird abge
 
 




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3. Methode

brochen. Angesichts der Tatsache, dass in der vorliegenden Arbeit ein konzeptionelles Modell überprüft werden soll, ist die Abfolge der Hypothesenprüfung von vornherein gegeben. Eine Adjustierung wird dadurch obsolet. Darüber hinaus rechtfertigt der explorative Charakter der Arbeit und die z.T. geringe Teststärke durch die unerwartete Menge an fehlenden Werten (vgl. Kapitel 3.7.1) das gewählte Vorgehen. Die Interpretationen erfolgen unter Berücksichtigung möglicher Artefakte mit dem unkorrigierten α-Niveau. Wo bei der Hypothesen H1.1 mehrere abhängige Variabeln geprüft werden, wird das lokale Signifikanzniveau entsprechend angepasst.

3.7.6.

Einseitiges Testen Bei gerichteten Alternativhypothesen kann einseitig getestet werden. Dabei wird das Si-

gnifikanzniveau in nur einer Richtung gesetzt, wodurch sich diese halbiert. Eine Irrtumswahrscheinlichkeit von p = 0.05 wird bei einseitiger Testung zu p = 0.025. Die Entscheidung für eine gerichtete Alternativhypothese hängt alleine von der Fragestellung ab. Eine gerichtete Hypothese darf nur dann formuliert werden, wenn nur ein Unterschied in eine bestimmte Richtung von theoretischer oder praktischer Bedeutung ist (Bortz & Döring, 2002). In dieser Arbeit sind die Hypothesen gerichtet formuliert. Die einseitige Formulierung ist durch die zeitliche Ordnung der untersuchten Variablen zwingend und auch sinnvoll (die Anstrengungsbereitschaft bzw. positive Bewältigungserfahrungen werden vor dem Therapieergebnis gemessen, genau so wie die positive Erwartungsaktivierung vor den positiven Bewältigungserfahrungen gemessen wird). Dennoch sollte nur dann einseitig getestet werden, wenn der Einfluss in nur eine bestimmte Richtung von Interesse und Bedeutung ist (Papousek, 2007), wenn es also keine Rolle spielt, ob z.B. die Anstrengungsbereitschaft keinen Einfluss auf das Therapieergebnis ausübt oder die positive Erwartungsaktivierung positive Bewältigungserfahrungen negativ beeinflusst. Diese Tatsache wäre aber für die vorliegende Arbeit sehr wohl von Bedeutung, denn die Erwartung alleine rechtfertigt aber noch kein gerichtetes Testen: „... a one-tailed test (a) ... can never lead us to conclude that we are wrong about the direction of the population effect and (b) is therefore never appropriate in a research setting“ (Harris, 1997, S. 8). Folglich wird in dieser Arbeit zweiseitig getestet.


 
 




86



4.



4. Ergebnisse

ERGEBNISSE Alle Ergebnisse wurden, wenn nicht anders vermerkt, mit dem Statistikpaket SPSS 16

(Statistical Package for the Social Sciences) bzw. PASW 17 (Predictive Analysis Software) durchgeführt.

4.1.

Ergebnisse zur Operationalisierung von Erwartungsaktivierung und deren Zusammenhang mit dem Therapieergebnis

4.1.1.

Interraterreliabilität Die Interraterreliabilität wurde über 17 zusätzlich von allen Raterinnen beurteilten Sit-

zungen auf Stundenebene gerechnet, da später in den Analysen auch die auf Stundenebene aggregierten Werte verwendet werden. Die 17 Sitzungen wurden zufällig ausgewählt und nicht nach Sitzung 2, 5 oder 8 unterschieden. Die Varianzhomogenität wurde mit dem Levene-Test für alle Kategorien ausser der Kategorien K06, Verbesserungen in Richtung Ziel, K07, Vergangene Lernerfahrungen und K10, Normalisieren, bestätigt. Die Ergebnisse sind in Tabelle 4.1 dargestellt. Je näher die Intraklassenkorrelation bei 1 ist, desto grösser ist die Interraterreliabilität. Ein ICC von 1 beschreibt eine perfekte Reliabilität, entsprechend gilt: Je höher die Reliabilität, desto geringer ist der Standardmessfehler und desto geringer ist folglich das Konfidenzintervall. Als „gute“ Reliabilität wird in der Literatur eine Intraklassenkorrelation von mindestens =.70 genannt (Wirtz & Caspar, 2002). Dies ist jedoch nur eine sehr vage Richtlinie, da die Ausprägung der Koeffizienten immer in Abhängigkeit von dem zu messenden Merkmal und der untersuchten Stichprobe beurteilt werden muss. Bei der untersuchten Stichprobe handelt es sich um eine sehr heterogene Stichprobe mit je nach Therapeuten unterschiedlichen Therapiestilen. Diese wurde von vier Raterinnen beurteilt hinsichtlich eines Merkmals, dessen Konzeptualisierung im Allgemeinen neu und im Entstehen begriffen ist, und dessen Verständnis sich die Raterinnen erst aneignen mussten. Das Merkmal war dementsprechend schwierig zu beurteilen. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen, werden ICC von über .80 als sehr gut betrachtet. Die Intraklassenkorrelation der Kategorien 1 bis 12 geht von .56 (K07, Vergangene Lernerfahrungen) bis .97 (K04, Negative Erwartungen bezüglich der Behandlung) und kann als akzeptabel bis sehr gut eingestuft werden. Die ICC des Gesamtwertes über die Kategorien 1 bis 12 fiel unbefriedigend aus. Es wird in den weite
 
 




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4. Ergebnisse

ren Analysen deshalb auf ein Einbeziehen des Gesamtwertes verzichtet und mit den Kategorien einzeln gearbeitet. Nach den theoretischen Ausführungen in der Einleitung, soll insbesondere die Selbstwirksamkeitserhöhung zu positivem Einfluss führen. Die positive Erwartungsaktivierung wurde daher als Mittelwert der Kategorien K01, K03 und K09 definiert (vgl. Kapitel 3.4.1.1). Tabelle 4.1. Intraklassenkorrelationen der MACE-Kategorien auf Stundenbasis ICCa .80 .80 .84 .97 .80 .60 .56 .69 .87 .59 .94 .94 .82 .25

Kategorie K01 Pos. Erwartungen (Hoffnung / Zuversicht) K02 Neg. Erwartungen (Befürchtungen) K03 Pos. Erwartungen bzgl. der Behandlung K04 Neg. Erwartungen bzgl. der Behandlung K05 Hilflosigkeit K06 Verbesserungen in Richtung Ziel K07 Vergangene Lernerfahrungen K08 Problemlösungswege K09 Selbstwirksamkeitserwartung K10 Normalisieren K11 Rahmenbedingungen / Informationen K12 Therapierationale und Psychoedukation Positive Erwartungsaktivierung (K01, 03, 09) Gesamtwert über die Kategorien K01-12 (EA)b

95%-Konfidenzintervall .57 - .92 .58 - .92 .67 - .93 .93 - .99 .57 - .92 .17 - .82 .16 - .81 .36 - .87 .73 - .95 .17 - .83 .87 - .98 .88 - .98 .62 - .93 -.46 - 68

Stundenratings: K13 Therapiebeziehung .82 .63 - .93 K14 Stand der Hoffnung .72 .36 - .89 K15 Besserungserwartung .75 .48 - .90 a Anmerkungen. Intraklassenkorrelation, Modell zweifaktoriell, zufällig, Typ Übereinstimmung für Durchschnittsmass; N = 17. b Die ICC des Gesamtwerts über alle Kategorien lässt sich aus dem aggregierten Datenfile aufgrund reduzierter Varianzen nicht mehr adäquat eruieren.

4.1.2.

Die positive Erwartungsaktivierung Um die positive Erwartungsaktivierung besser einordnen zu können, wurde mit einer

explorativen Datenanalyse Mittelwerte, Standardabweichungen, Spannweite und Zusammenhänge mit bestimmten Ausgangsvariablen verglichen. Die Werte sind in Tabelle 4.2 dargestellt. Positive Erwartungsaktivierung zeigt sich in sehr geringer Ausprägung. Bei einem Maximalwert von 6 bewegt sich ihr Mittelwert mit 0.27 und einer Spannweite von 0.01 bis maximal 1.36 im unteren Bereich der Skala (Bodeneffekt). Durch die Kodierung auf Minuten
 
 




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4. Ergebnisse

ebene und die spätere Aggregierung auf Stundenebene konnte in der Variablen Erwartungsaktivierung dennoch eine genügend grosse Differenzierung erreicht werden, um systematische Variation aufdecken zu können. Tabelle 4.2. Deskriptive Statistik der positiven Erwartungsaktivierung zu den verschiedenen Messzeitpunkte M (SD), Spannweite Pearson-Korrelationen (r) Pos. EA in S 2 Pos. EA in S 5 Pos. EA in S 8 Alter Anzahl Sitzungen GAF SWE prä BDI prä GSI prä INK AZ prä INK VZ prä

Pos. EA in S2 0.27 (0.18), 0.01 – 1.20

Pos. EA in S5 0.27 (0.25), 0.02 – 1.36

Pos. EA in S8 0.27 (0.26), 0.03 – 1.34

1 ---.03 -.31* .18 -.01 -.05 -.03 .01 .13

.20 1 --.08 -.06 .02 -.10 .12 -.06 .13 -.06

.54*** .21 1 -.05 -.11 .04 -.09 -.10 .07 -.12 .24†

Hauptdiagnosen Affektive Störungen a .22 .05 .13 a Angststörung -.10 -.16 -.14 Anpassungsstörung a .08 .08 .12 a † Andere Störung -.23 -.17 -.08 Keine Diagnose a -.08 .33* -.09 Anmerkungen. N = 60. Pos. EA in S 2, 5, 8 = positive Erwartungsaktivierung in Sitzung 2, 5 und 8, GAF = Globales Funktionsniveau nach DSM-IV, SWE = Selbstwirksamkeitserwartung, BDI = Beck’s Depressionsinventar, GSI = Global Symptom Index des BSI, INK AZ = Inkongruenzfragebogen Annäherungsziele, INK VZ = Inkongruenzfragebogen Vermeidungsziele. a Punktbiseriale Korrelation mit dichotomer Variable. † p < .10; * p < .05; ** p < .01; *** p < .001, zweiseitig.

Die positive Erwartungsaktivierung bleibt auf einem geringen Niveau von Sitzung zu Sitzung stabil und korreliert nur mässig untereinander, wobei einzig die Korrelation zwischen der Sitzungen 2 und 8 signifikant ausfällt (vgl. Tab. 4.2). Weiter zeigt sich ein signifikant negativer Zusammenhang zwischen der positiven Erwartungsaktivierung in Sitzung 2 und der Gesamtanzahl Sitzungen. Mehr positive Erwartungsaktivierung in Sitzung 2 geht demzufolge mit einer geringeren Sitzungszahl einher. Das Ausmass an positiver Erwartungsaktivierung in Sitzung 8 hat zudem einen tendenziell positiven Zusammenhang mit der Vermeidungsinkongruenz. Keinen Zusammenhang hat die positive Erwartungsaktivierung mit den Patientenva
 
 




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4. Ergebnisse

riablen Alter, Selbstwirksamkeitserwartung, Depressivität, Symptombelastung und Ausmass der Annäherungsinkongruenz. Die positive Erwartungsaktivierung in Sitzung 2 hängt auch tendenziell signifikant negativ mit der Hauptdiagnose „andere Störungen“ zusammen. Die Variable „andere Störungen“ ist ein Sammelbegriff für die Störungen der Stichprobe, die nicht als affektive, Angstoder Anpassungsstörungen klassifiziert werden konnten (das sind sexuelle, somatoforme und schlafbezogene Störungen sowie Partnerschaftsprobleme, siehe Kapitel 3.1.2). Das Minuszeichen bedeutet, dass der Zusammenhang mit der als „0 (= nicht vorhanden)“ klassifizierte Kategorie besteht: Die Diagnose „andere Störung“ hing tendenziell mit weniger positiver Erwartungsaktivierung in Sitzung 2 zusammen. Und bei keiner Hauptdiagnose scheinen signifikant mehr positive Erwartungen in Sitzung 5 aktiviert zu werden.

4.2.

Ergebnisse zur Validierung des Therapieprozessmodells früher Veränderungen bei Patienten mit geringer Besserungserwartung Tabelle 4.3 zeigt die Mittelwerte, Standardabweichungen und Spannweiten der Besse-

rungserwartung, positive Erwartungsaktivierung in den Sitzungen 2, positiven Bewältigungserfahrungen, der Anstrengungsbereitschaft sowie der Ergebnisvariablen für die Stichprobe und die Subgruppen (wenig / viel Besserungserwartung). Im Ausmass an positiver Erwartungsaktivierung sind bei Patienten mit geringer vs. hoher Besserungserwartung keine bemerkenswerten Unterschiede festzustellen. In der Tendenz werden jedoch mehr positive Erwartungen bei Patienten mit geringer Besserungserwartung aktiviert (grössere Spannweite). Patienten mit geringer Besserungserwartung scheinen in einer frühen Therapiephase auch hoch signifikant weniger positive Bewältigungserfahrungen zu machen und die Anstrengungsbereitschaft wird von ihren Therapeuten als geringer eingeschätzt (der Unterschied wird tendenziell signifikant). Wie erwartet, scheint die Besserungserwartung einen moderierenden Einfluss auf die Qualität der Therapie auszuüben. Auch hinsichtlich der Ergebnisvariablen scheinen sich die Patienten in Abhängigkeit von der Variable Besserungserwartung zu unterscheiden. Und zwar dahingehend, dass Patienten mit geringer Besserungserwartung durchgehend etwas schlechter abschneiden als Patienten mit hoher Besserungserwartung (vgl. Tabelle 4.3). Für die Zielerreichung (GASpost), der Symptomreduktion (∆ GSIprä-post) und tendenziell auch bei der Abnahme der Annäherungsinkongruenz (∆ INK VZprä-post) fallen diese Unterschiede signifikant aus. 
 
 




90





4. Ergebnisse

Tabelle 4.3. Deskriptive Statistik der Stichprobe und den nach dem potentiellen Moderator getrennten Subgruppen M (SD), M (SD), M (SD), Spannweite Spannweite Spannweite Sig.a Gesamt Wenig BE Viel BE Prä- und Prozessmasse N = 60 N = 28 N = 24 Besserungserwartung vor der Therapie 4.00 (0.85) 3.28 (0.60) 4.81 (0.20) *** Pos. Erwartungsaktivierung Pos. Bewältigungserfahrungen Anstrengungsbereitschaft Ergebnismasse GSIpost GASpost VEV-VWpost ∆ GSIprä-post ∆ INK AZprä-post ∆ INK VZprä-post

1.00 – 5.00

1.00 – 3.75

4.50 – 5.00

0.27 (0.18)

0.27 (0.23)

0.26 (0.15)

0.01 – 1.20

0.09 – 1.20

0.01 – 0.60

0.84 (0.84)

0.31 (0.89)

1.40 (0.57)

-1.56 – 2.83

-1.56 – 2.17

0.67 – 2.83

1.14 (0.86)

0.89 (0.80)

1.32 (0.87)

-1.20 – 2.90

-1.20 – 2.30

-1.00 – 2.88

N = 34 N = 15 0.45 (0.45) 0.50 (0.49)

N = 13 0.39 (0.46)

0 – 1.94

0 – 1.94

0.04 – 1.70

2.82 (1.05)

2.31 (1.30)

3.24 (0.53)

-0.50 – 4.00

-0.50 – 4.00

2.33 – 4.00

153.91 (23.00)

145.73 (24.40)

163.85 (22.95)

96.00 – 189.00

96.00 – 189.00

108.00 – 189.00

0.68 (0.52)

0.44 (0.51)

1.02 (0.45)

-0.80 – 1.78

-0.80 – 1.12

0.26 – 1.78

1.00 (0.74)

0.95 (0.83)

0.97 (0.76)

-0.49 – 2.92

-0.49 – 2.39

-0.19 – 2.92

0.81 (0.56)

0.67 (0.65)

1.05 (0.44)

-0.76 – 1.95

-0.76 – 1.86

0.38 – 1.95

n.s. *** †

n.s. * n.s. ** n.s. †

Anmerkungen. BE = Besserungserwartung vor der Therapie (Itemskala von 1 – 5), pos. Erwartungsaktivierung in Sitzung 2 (Itemskala 1 – 6), pos. Bewältigungserfahrungen in den Sitzungen 2 – 10 (Itemskala -3 – 3), Anstrengungsbereitschaft ab Sitzung 10 (Itemskala -3 – 3), GSI = Global Symptom Index des BSI (Itemskala von 0 – 4), INK AZ = Inkongruenzfragebogen Annäherungsziele (Itemskala von 1 – 5), INK VZ = Inkongruenzfragebogen Vermeidungsziele (Itemskala von 1 – 5), GAS = Goal Attainment Scaling (Skala von -2 – 4), VEV-VW = Veränderungsbogen des Erlebens und Verhaltens (Summenwert, Itemskala 1 – 7, keine Veränderung = 108), Δ = Cohen’s d-Effektstärken. a t-Test für unabhängige Stichproben. † p < .10; * p < .05; ** p < .01; *** p < .001, zweiseitig.

Für die Überprüfung der Wirksamkeit der Therapie wurden, wo möglich, d-Effektstärken und den Reliable Change Index (RCI, Jacobson & Truax, 1991) berechnet sowie die Werte der direkten Erfolgsmessung deskriptiv betrachtet (vgl. Kapitel 3.2.1). Die Hypothesen 1.2 
 
 




91





4. Ergebnisse

und 1.2 wurden mit multiplen linearen Regressionen unter Kontrolle der Ausgangsbelastung (Methode Einschluss) überprüft. Als Voraussetzung für die Regressionen wurden vorab Partialkorrelationen unter der Kontrolle der Ausgangsbelastung gerechnet, die einen linearen Zusammenhang nahe legten (siehe Ergebnisse im Anhang C). Weitere Voraussetzungen für die Berechnung von Regressionsanalysen wurden rechnerisch und anhand Streudiagramme überprüft. Es ergaben sich keine Auffälligkeiten, anhand derer von der Durchführung von Regressionsanalysen hätte abgesehen werden müssen. Auch positive Autokorrelationen der Residuen konnten ausgeschlossen werden (Durbin-Watson-Statistik mit Werten zwischen 1.55 und 2.44 bei Stichprobengrössen N = 34, 35 bzw. N = 55 für H1.1 und N = 59, 28 und 23 für H2, 0.05Signifikanzniveau und zwei Prädiktoren, vgl. Exkurs zur Regressionsanalyse). Wie schon in Kapitel 3.7.5 ausgeführt, wird grundsätzlich infolge a priori festgelegter Hypothesen auf eine Korrektur des α-Niveaus verzichtet. Bei Hypothese H1.1, bei der sieben abhängige Variablen geprüft werden, wird das lokale Signifikanzniveau angepasst, indem es durch die Anzahl abhängiger Variablen dividiert wird (Bonferroni-Korrektur). Bei dieser Hypothese ergibt sich daher ein korrigiertes Signifikanzniveau von pkorr = α / 7 = 0.05 / 7 = 0.007 und einer korrigierten Tendenz von pkorr = α / 7 = 0.10 / 7 = 0.014.

4.2.1.

Die Wirksamkeit der untersuchten Therapie Die untersuchte Stichprobe stellt eine heterogene Patientengruppe aus einer universitä-

ren, ambulanten Therapieeinrichtung. Die Therapie wurde in einem naturalistischen Setting durchgeführt. In Tabelle 4.4 wird die Wirksamkeit der Therapie für die untersuchte Teilstichprobe deskriptiv dargestellt. Die Effektstärke für die Symptomreduktion der untersuchten Stichprobe fallen mittel bis hoch aus (Bortz, 1999; Kazdin, 1994). Die Prä-Post-Mittelwerte verbesserten sich bei allen drei indirekten Massen hoch. Gemäss dem reliablen Veränderungsindex (RCI) verbesserten sich mehr als die Hälfte der Patienten klinisch signifikant. Die gewonnenen Effektstärken für die Inkongruenz hinsichtlich der Annäherungs- und Vermeidungsziele fallen sogar noch höher aus. Bei den direkten Veränderungsmasse wurden die Therapieziele im Durchschnitt ein Postwert von knapp 3 erreicht, wobei sich die Spannbreite von einer Verschlechterung bis zur vollständigen Erreichung der Therapieziele bewegt. Der Wert für das allgemeine Wohlbefinden übersteigt den für Verbesserungen kritischen Wert von 108 bei weitem (Willutzki, 1999, vgl. Kapitel 3.2.1.4). Doch auch hier variieren die Werte erheblich. 
 
 




92





4. Ergebnisse

Tabelle 4.4. Deskriptive Statistik der Symptombelastung, Inkongruenz, Zieleinschätzung und allgemeines Wohlbefinden N Spannbreite M (SD) t (df)a p ES Δ RCI (% ja) GSIprä 59 0.04 – 3.55 1.10 (0.08) 6.04 (32) .000 0.68 54.5 % GSIpost 34 0.00 – 1.94 0.45 (0.08) INK AZprä 60 1.21 – 4.51 3.00 (0.09) 8.38 (34) .000 1.00 71.4 % INK AZpost 35 1.11 – 3.32 2.02 (0.10) INK VZprä 60 1.24 – 4.78 2.66 (0.78) 8.09 (34) .000 0.81 60.0 % INK VZpost 35 1.00 – 3.38 1.82 (0.10) GAS1 35 -0.50 – 4.00 2.79 (0.21) GAS2 29 0.00 – 4.00 3.00 (0.18) GAS3 16 1.00 – 4.00 2.84 (0.25) GASpost 35 -0.50 – 4.00 2.81 (0.18) VEV-VWpost 34 96.00 – 189.00 153.93 (3.94) Anmerkungen. GSI = Global Symptom Index des BSI (Itemskala von 0 – 4), INK AZ = Inkongruenzfragebogen Annäherungsziele (Itemskala von 1 – 5), INK VZ = Inkongruenzfragebogen Vermeidungsziele (Itemskala von 1 – 5), GAS = Goal Attainment Scaling (Skala von -2 – 4), VEV-VW = Veränderungsbogen des Erlebens und Verhaltens (Summenwert, Itemskala 1 – 7, keine Veränderung = 108). ES Δ = Cohen’s d-Effektstärken, RCI = Reliable Change Index nach Jacobson & Truax (1991). a t-Test bei gepaarten Stichproben, fallweiser Ausschluss von Test zu Test. † p < .10; * p < .05; ** p < .01; *** p < .001, zweiseitig.

Fazit: Die untersuchte Therapie kann als wirksam erachtet werden. Damit ist die Voraussetzung für die Prüfung des Veränderungsmechanismus und der Veränderungsprozesse gegeben.

4.2.2.

H1.1: Vorhersage des Therapieergebnis durch die spätere Anstrengungsbereitschaft und Vorhersage der Anstrengungsbereitschaft durch frühe positive Bewältigungserfahrungen Für die Regression diente die spätere Anstrengungsbereitschaft (ab Sitzung 10) als Prä-

diktor, unter der Kontrolle der Ausgangsbelastung, für verschiedene direkte und indirekte Therapieergebnisvariablen. Für jede Ergebnisvariable wurden separate Regressionsmodelle gerechnet. In einem zweiten Modell wurde die spätere Anstrengungsbereitschaft (ab Sitzung 10) auf frühe positive Bewältigungserfahrungen (Sitzung 2 – 10) unter der Kontrolle der Ausgangsbelastung regrediert. Die Ergebnisse sind in Tabelle 4.5 und Tabelle 4.6 zusammengefasst. Mit dem strengeren Kriterium der α-Niveau-Korrektur nach Bonferroni wirkt sich die Anstrengungsbereit
 
 




93





4. Ergebnisse

schaft auf die Zielerreichung signifikant und auf die Residualsymptomatik tendenziell signifikant aus. Ausserdem erklärt die Anstrengungsbereitschaft unter Konstanthaltung der Ausgangsbelastung mit 37 % bzw. 28 % und 44 % nicht unwesentliche Varianzanteile in der Residualsymptomatik, der Zielerreichung und der Symptomreduktion. Die frühen positiven Bewältigungserfahrungen können die spätere Anstrengungsbereitschaft unter einem unkorrigierten α-Niveau signifikant vorhersagen. Tabelle 4.5. Multiple Regression zur Vorhersage der Therapieergebnisvariablen durch die Anstrengungsbereitschaft ab Sitzung 10, kontrolliert für die Ausgangsbelastung Variablen N B SE Beta T p R2korr GSIpost Anstrengungsbereitschaft 34 -0.23 0.09 -0.39 -2.66 .013 .37 GSIprä 0.34 0.10 0.51 3.51 .002 GASpost Anstrengungsbereitschaft 34 0.73 0.21 0.54 3.55 .001 .28 GSIprä 0.21 0.13 0.14 0.92 .368 VEV-VWpost Anstrengungsbereitschaft 34 9.47 5.02 0.33 1.89 .070 .06 GSIprä -2.69 5.68 -0.08 -0.47 .639 Δ GSIprä-post Anstrengungsbereitschaft 34 0.20 0.09 0.29 2.14 .042 .44 GSIprä 0.48 0.10 0.63 4.64 .000 Δ INK AZprä-post Anstrengungsbereitschaft 35 0.22 0.14 0.24 1.55 .132 .26 INK AZprä 0.53 0.15 0.54 3.53 .001 Δ INK VZprä-post Anstrengungsbereitschaft 35 0.20 0.11 0.27 1.73 .095 .25 INK VZprä 0.45 0.14 0.51 3.32 .002 Anmerkungen. Methode Einschluss, GSI = Global Symptom Index des BSI, INK AZ = Inkongruenzfragebogen Annäherungsziele, INK VZ = Inkongruenzfragebogen Vermeidungsziele, GAS = Goal Attainment Scaling, VEV-VW = Veränderungsbogen des Erlebens und Verhaltens, Δ = Cohen’s dEffektstärke, unkorrigiertes α-Niveau: p < .05, zweiseitig, nach Bonferroni korrigiertes α-Niveau für p < .05: pkorr < .007, zweiseitig, nach Bonferroni korrigiertes α-Niveau für p < .10: pkorr < .014, zweiseitig.


 
 




94





4. Ergebnisse

Tabelle 4.6. Multiple Regression zur Vorhersage der späteren Anstrengungsbereitschaft durch frühe positive Bewältigungserfahrungen, kontrolliert für die Ausgangsbelastung Variablen N B SE Beta T p R2korr Anstrengungsbereitschaft positive Bewältigungserfahrungen 55 0.29 0.14 0.28 2.07 .044 .04 GSIprä -0.004 0.18 -0.003 -0.03 .980 Anmerkungen. Methode Einschluss, GSI = Global Symptom Index des BSI, unkorrigiertes α-Niveau: p < .05, zweiseitig, nach Bonferroni korrigiertes α-Niveau für p < .05: pkorr < .007, zweiseitig, nach Bonferroni korrigiertes α-Niveau für p < .10: pkorr < .014, zweiseitig.

Fazit: Die Hypothese 1.1 wird teilweise bestätigt. Die Anstrengungsbereitschaft kann die Zielerreichung signifikant und die Residualsymptome tendenziell signifikant vorhersagen (korrigiertes α-Niveau), während frühe positive Bewältigungserfahrungen die spätere Anstrengungsbereitschaft signifikant vorhersagen können (unkorrigiertes α-Niveau).

Einschub: Post hoc explorative Mediatoranalyse Es stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob positive Bewältigungserfahrungen das Therapieergebnis auch voraussagen können und ob die Anstrengungsbereitschaft als vollständigen oder partiellen Mediator fungiert (Baron & Kenny, 1986; Kraemer et al., 2008; Kraemer et al., 2001). Dies wurde post hoc nach dem Vorgehen von Baron und Kenny (1986) mit einer explorativen Mediatorhypothese überprüft: H post hoc: Frühe positive Bewältigungserfahrungen können den Therapieerfolg vorhersagen und die spätere Anstrengungsbereitschaft mediiert den Zusammenhang von frühen positiven Bewältigungserfahrungen und dem Therapieergebnis (Zielerreichung und Residualsymptome). Da es sich um eine explorative, post-hoc formulierte Hypothese handelt, wird auf eine Anpassung des α-Niveaus verzichtet (Bortz & Döring, 2002). Die Ergebnisse sind in Tabellen 4.7 und 4.8 aufgeführt.


 
 




95





4. Ergebnisse

Tabelle 4.7. Multiple Regression zur Vorhersage der Therapieergebnisvariablen durch frühe positive Bewältigungserfahrungen, kontrolliert für die Ausgangsbelastung Variablen N B SE Beta T p R2korr GSIpost Positive Bewältigungserfahrungen 34 -0.23 0.07 -0.47 -3.39 .002 .43 GSIprä 0.41 0.09 0.60 4.40 .000 GASpost Positive Bewältigungserfahrungen 34 0.62 0.17 0.57 3.70 .001 .28 GSIprä 0.002 0.24 0.001 0.01 .992 VEV-VWpost Positive Bewältigungserfahrungen 34 13.74 3.63 0.58 3.79 .001 .29 GSIprä -8.32 5.06 -0.25 -1.64 .111 Δ GSIprä-post Positive Bewältigungserfahrungen 34 0.29 0.62 0.52 4.61 .000 .61 GSIprä 0.39 0.09 0.50 4.42 .000 Δ INK AZprä-post Positive Bewältigungserfahrungen 35 0.19 0.12 0.25 1.64 .112 .26 INK AZprä 0.55 0.16 0.53 3.53 .001 Δ INK VZprä-post Positive Bewältigungserfahrungen 35 0.20 0.09 0.34 2.38 .024 .31 INK VZprä 0.41 0.13 0.46 3.23 .003 Anmerkungen. Methode Einschluss, GSI = Global Symptom Index des BSI, INK AZ = Inkongruenzfragebogen Annäherungsziele, INK VZ = Inkongruenzfragebogen Vermeidungsziele, GAS = Goal Attainment Scaling, VEV-VW = Veränderungsbogen des Erlebens und Verhaltens, Δ = Cohen’s dEffektstärke, unkorrigiertes α-Niveau: p < .05, zweiseitig, nach Bonferroni korrigiertes α-Niveau für p < .05: pkorr < .008, zweiseitig, nach Bonferroni korrigiertes α-Niveau für p < .10: pkorr < .017, zweiseitig.

Frühe positive Bewältigungserfahrungen können den Therapieerfolg sehr gut vorhersagen. Die Betas gehen alle in die erwartete Richtung und sind mit der Ausnahme der Inkongruenzreduktion in den Annäherungszielen alle statistisch signifikant. Schliesslich werden 43 %, 28 %, 29 % der Residualsymptomatik, Zielerreichung und allgemeinen Wohlbefinden und beachtliche 61 % der Symptomreduktion durch die frühen positiven Bewältigungserfahrungen unter Kontrolle der Ausgangsbelastung erklärt.


 
 




96





4. Ergebnisse

Tabelle 4.8. Mediatoranalyse zum Zusammenhang der späteren Anstrengungsbereitschaft, frühe positiven Bewältigungserfahrungen und dem Therapieergebnis, kontrolliert für die Ausgangsbelastung Variablen 1. Schritt GSIpost positive Bewältigungserfahrungen GSIprä GASpost positive Bewältigungserfahrungen GSIprä 2. Schritt GSIpost Anstrengungsbereitschaft GSIprä GASpost Anstrengungsbereitschaft GSIprä 3. Schritt GSIpost positive Bewältigungserfahrungen Anstrengungsbereitschaft

N

GSIprä

B

SE

Beta

T

p

R2korr

34

-0.23 0.41

0.07 0.09

-0.47 0.60

-3.39 4.40

.002 .000

.43

34

0.62 0.002

0.17 0.24

0.57 0.001

3.70 0.01

.001 .992

.28

34

-2.23 0.34

0.09 0.10

-0.39 0.51

-2.66 3.51

.013 .002

.37

34

0.73 0.21

0.21 0.13

0.54 0.14

3.55 0.92

.001 .368

.28

34

-0.20 -0.19

0.06 0.07

-0.41 -0.33

-3.11 -2.57

.004 .016

.52

0.41

0.09

0.61

4.67

.000

GASpost positive Bewältigungserfahrungen 34 0.49 0.16 0.45 3.17 .004 .45 Anstrengungsbereitschaft 0.62 0.18 0.46 3.38 .002 GSIprä 0.01 0.21 0.01 0.06 .950 Anmerkungen. Methode Einschluss, GSI = Global Symptom Index des BSI, GAS = Goal Attainment Scaling, unkorrigiertes α-Niveau: p < .05, zweiseitig.

Die post hoc explorative Mediatorhypothese konnte nicht bestätigt werden. Die Anstrengungsbereitschaft und positive Bewältigungserfahrungen haben unabhängig voneinander einen direkten Einfluss auf das Therapieergebnis.

4.2.3.

H1.2: Vorhersage der frühen positiven Bewältigungserfahrungen durch positive Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie bei Patienten mit geringer Besserungserwartung Für die Fragestellung, ob positive Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie (in

der Sitzung 2) frühe positive Bewältigungserfahrungen (Sitzung 2 – 10) voraussagen kann, wurde die Hypothese 1.2 mit einer moderierten multiplen Regression unter der Kontrolle der 
 
 




97





4. Ergebnisse

Ausgangsbelastung geprüft. In Tabelle 4.9 sind die Ergebnisse dargestellt. Nach der konservativen Bonferroni-Korrektur zu beurteilen, kann die positive Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie die frühen positiven Bewältigungserfahrungen nicht vorhersagen. Das Beta geht zwar in die erwartete positive Richtung und erreicht eine beachtliche Stärken von β > .20. Betrachtet man die Daten vorsichtig, unter der Berücksichtigung potentieller Artefakte, mit dem unkorrigierten α-Niveau, zeige sich ein signifikant positiver Einflüsse von der positiven Erwartungsaktivierung auf positive Bewältigungserfahrungen. Tabelle 4.9. Multiple Regression zur Vorhersage der frühen positiven durch frühe positive Erwartungsaktivierung, kontrolliert für die Ausgangsbelastung Variablen N B SE Beta T p R2korr Positive Bewältigungserfahrungen Positive Erwartungsaktivierung 59 1.32 0.59 0.29 1.24 .029 .06 GSIprä 0.17 0.17 0.13 1.03 .309 Anmerkungen. Methode Einschluss, GSI = Global Symptom Index des BSI, INK AZ = Inkongruenzfragebogen Annäherungsziele, INK VZ = Inkongruenzfragebogen Vermeidungsziele, GAS = Goal Attainment Scaling, VEV-VW = Veränderungsbogen des Erlebens und Verhaltens, Δ = Cohen’s dEffektstärke, unkorrigiertes α-Niveau: p < .05, zweiseitig.

Ohne strenge α-Korrektur zeigt sich ein signifikanter Effekt der positiven Erwartungsaktivierung auf positive Bewältigungserfahrungen. Mit dem Ziel, die positive Erwartungsaktivierung genauer zu explorieren, wird dieser Effekt nicht ignoriert. Genau genommen ist ein nicht signifikanter Einfluss auf positive Bewältigungserfahrungen gar nicht so erstaunlich. Es wird erwartet, dass die Besserungserwartung als Moderator fungiert und der Einfluss der positiven Erwartungsaktivierung besonders für die Subgruppe der Patienten mit geringer Besserungserwartung signifikant ausfällt. Das nicht signifikante Ergebnis legt nahe, dass die Besserungserwartung puffernd wirkt und der Moderator beide Subgruppen auf unterschiedliche Weise beeinflusst (vgl. auch Kapitel 3.5). Für die Überprüfung dieser Moderatorhypothese wird nach den Empfehlungen von Baron & Kenny (1986) sowie Kraemer et al. (2008; 2001) vorgegangen (vgl. Kapitel 3.7.3): Modell 4: Regression der positiven Bewältigungserfahrungen auf die Besserungserwartung (Moderator  Ergebnisvariable) unter Kontrolle der Ausgangsbelastung. Diese soll signifikant ausfallen (Moderator M wirkt zeitlich vor der Zielvariable Z, Kraemer et al., 2008). Modell 5: Regression der positiven Erwartungsaktivierung auf die Besserungserwartung (Moderator  Zielvariable) unter Kontrolle der Ausgangsbelastung. Diese soll nicht signifi
 
 




98





4. Ergebnisse

kant ausfallen, da nach dem McArthur-Ansatz die Moderatorvariable und die Zielvariable voneinander unabhängig sein sollen (Kraemer et al., 2008). Damit wird der Uneindeutigkeit über die Richtung des Einflusses Rechnung getragen. Wird in den sozialen Wissenschaften nach dem Ansatz nach Baron und Kenny (1986) vorgegangen, werden derartige Unklarheiten häufig dadurch gelöst, indem auf ein a priori festgelegtes theoretisches oder konzeptuelles Modell verwiesen wird. Das wurde auch in der vorliegenden Arbeit so gemacht. In diesem Sinne wird der angenommene Moderator in dieser Arbeit durch doppelte Absicherung bestimmt. Modell 6: Dichotomisierung des Moderators mittels Terzilbildung in wenig bzw. viel Besserungserwartung (vgl. Kapitel 3.5). Modell 6 wird separat für jede Untergruppe gerechnet. Es wird die positiven Bewältigungserfahrungen auf die positive Erwartungsaktivierung unter Kontrolle der Ausgangsbelastung und der Besserungserwartung vor der Therapie regrediert (Subgruppe 1 und 2: Zielvariable  Ergebnisvariable) und die Resultate anschliessend miteinander verglichen (Baron & Kenny, 1986). Hier wird, wie anderswo ausgeführt, keine Korrektur des α-Niveaus vorgenommen. Die Resultate werden in Tabelle 4.10 zusammengefasst.


 
 




99





4. Ergebnisse

Tabelle 4.10. Moderatoranalyse zum Einfluss der Besserungserwartung vor der Therapie auf die Vorhersage von frühen positiven Bewältigungserfahrungen durch positive Erwartungsaktivierung, kontrolliert für die Ausgangsbelastung Variablen N B SE Beta T p R2korr 1. Schritt Positive Bewältigungserfahrungen Besserungserwartung 59 0.69 0.10 0.69 7.12 .000 .47 GSIprä 0.04 0.13 0.03 0.33 .744 2. Schritt Positive Erwartungsaktivierung Besserungserwartung 59 0.003 0.03 0.01 0.10 .923 -.04 GSIprä -0.01 0.04 -0.03 -2.20 .841 3. Schritt wenig Besserungserwartung Positive Bewältigungserfahrungen Besserungserwartung 28 0.68 0.21 0.51 3.27 .003 .35 Positive Erwartungsaktivierung 1.39 0.57 0.40 2.45 .022 GSIprä -0.03 0.24 -0.02 -0.13 .898 viel Besserungserwartung Positive Bewältigungserfahrungen 23 Besserungserwartung 0.79 0.60 0.28 1.30 .208 .07 Positive Erwartungsaktivierung 0.64 0.89 0.16 0.71 .484 GSIprä 0.19 0.16 0.25 1.14 .267 Anmerkungen. Methode Einschluss, GSI = Global Symptom Index des BSI, unkorrigiertes α-Niveau: p < .05, zweiseitig.

Fazit: Die Moderatorhypothese 1.2 wird bestätigt. Positive Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie kann positive Bewältigungserfahrungen bei Patienten mit geringer Besserungserwartung signifikant vorhersagen (unkorrigiertes α-Niveau). Bei Patienten mit hoher Besserungserwartung hat die positive Erwartungsaktivierung keinen Einfluss.


 
 




100





4.3.

4. Ergebnisse

Ergebnisse zur Vorhersage interindividueller Unterschiede von positiven Bewältigungserfahrungen durch die positive Erwartungsaktivierung bei Patienten mit geringer Besserungserwartungen Für die Berechnung der interindividuellen Unterschieden in frühen positiven Bewälti-

gungserfahrungen durch die positive Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie wurde das Statistikprogramm HLM.6 (Raudenbush & Bryk, 2002) angewendet. Die Anpassungsgüte der Modelle wird in HLM.6 mit einer χ2-Statisktik ausgegeben und gibt an, wie gut ein statistisches Modell eine Menge von Beobachtungen erklären kann, bzw. wie viel schlechter das Modell im Vergleich zu dem best möglichen ist (Deviance-Statistik). Ein Deviance-Wert von Null würde ein perfektes Modell darstellen. Mit der Funktion „Hypothesen testen“ können zwei gerechnete Modelle miteinander verglichen werden (Höhe des Deviance-Werts und Signifikanz des Vergleichs mit χ2-Statisktik). Da davon ausgegangen wird, dass unterschiedliche Verläufe von positiven Bewältigungserfahrungen existieren (Level 1-Varianz) und die Patienten sich sowohl im Ausgangswert wie auch im Verlauf unterscheiden (Level 2-Varianz), werden alle Residuen frei geschätzt. Für die Schätzung der Residuen wurde mit der Schätzermethode Full MaximumLikelihood (FML) gerechnet. Bei der FML-Schätzung kann die Goodness-of-fit-Statistik für die Testung aller Parameter (fixierte oder Varianzkomponenten) verwendet werden (Singer & Willett, 2003). Die Goodness-of-fit-Statistik der zweiten Schätzer-Methode, die Restricted Maximum-Likelihood-Schätzung (RML), kann im Gegenzug nur zur Testung von Hypothesen über die Varianzkomponenten verwendet werden. Obwohl die RML-Schätzung im Unterschied zur FML-Schätzung die Unsicherheiten berücksichtigt, die mit einer Schätzung der Regressionsparameter einhergehen, haben Simulationsstudien keinen klaren Gewinner dieser beiden Methoden feststellen können (Singer & Willett, 2003). Raudenbush und Bryk (2002) weisen darauf hin, dass bei genügend grossen Level-2-Einheiten beide Methoden vergleichbare Ergebnisse produzieren.4 Wie in Kapitel 2 ausgeführt, verlangt die Prüfung der Hypothese einige Vorbedingungen. Diese sollen vorab überprüft werden.

4

Vergleiche mit beiden Schätzermethoden haben dann auch tatsächlich keine Unterschiede in den Ergebnissen ergeben. 
 
 
 
 101





4.3.1.

4. Ergebnisse

Vorbedingung (a): Unterschiede zwischen den Patienten im Verlauf von positiven Bewältigungserfahrungen in den ersten zehn Sitzungen

4.3.1.1. Modell A: Das unbedingte Mittelwertmodell = Basismodell Bevor die Unterschiede hinsichtlich einer Variablen zwischen den Personen auf mehreren Ebenen modelliert werden kann, macht es Sinn, zu prüfen, ob überhaupt Unterschiede zwischen den Personen bestehen. Mit dem unbedingten Mittelwertmodell (Basismodell) lässt sich diese Vorbedingung prüfen: Level 1: Yij = π0i + εij

wobei εij ~ N (0, σε2)

Level 2: π0i = γ00 + ζ0i

wobei ζ0i ~ N (0, σ02)

Die Resultate zeigen hoch signifikante Unterschiede im Gesamtmittelwert von positiven Bewältigungserfahrungen über die Personen und die Ereignisse hinweg (γ00 ) sowie in der Zwischensubjektvarianz (σ02). Für die Innersubjektvarianz σε2 lässt sich keine χ2-Statistik berechnen, weshalb dort die Signifikanzangaben fehlen. Die Berechnung des Intraklassenkorrelationskoeffizienten (ICC, ρ) gibt an, welcher Anteil der Gesamtvarianz auf Unterschiede zwischen den Personen zurückzuführen sind. Für die positiven Bewältigungserfahrungen in den ersten zehn Sitzungen sind die Unterschiede zwischen den Personen für geschätzte 58 % der Gesamtvarianz verantwortlich (Tab. 4.11). Tabelle 4.11. Unbedingtes Mittelwertmodell A mit Parameter, Koeffizienten und Standardfehler Parameter Fixierte Effekte Ausgangswert, π0i

Intercept

γ00

Varianzkomponenten Level 1

Innersubjekt

σε

Level 2

Ausgangswert

σ0

ρ ICC Anmerkungen. Keine Angaben zum Signifikanzniveau. † p < .10; * p < .05; ** p < .01; *** p < .001.

2

2

Unbedingtes Mittelwertmodell 0.83*** (0.11) 0.45a (0.67) 0.62*** (0.79) 0.58

a


 
 




102





4. Ergebnisse

Fazit: Vorbedingung (a) ist gegeben. Patienten unterscheiden sich hinsichtlich früher positiver Bewältigungserfahrungen signifikant.

4.3.2.

Vorbedingung (b): Vorhersage der Mittelwertunterschiede zwischen den Patienten in frühen positiven Bewältigungserfahrungen durch das Ausmass an positiver Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie

4.3.2.1. Modell B: Das bedingte Mittelwertmodell Im zweiten Schritt wurde ein bedingtes Mittelwertmodell gerechnet. Es wurde überprüft, ob der Prädiktor positive Erwartungsaktivierung in Sitzung 2 auf Level 2 die Mittelwertsunterschiede zwischen den Personen voraussagen kann. Dafür wurde der Prädiktor am Mittelwert zentriert (grand mean centered). Dadurch nimmt der Mittelwert von positiver Erwartungsaktivierung den Wert 0 an und der Intercept wird zum unbereinigten Mittelwert von positiven Bewältigungserfahrungen (Sitzungen 2-10) bei durchschnittlicher positiver Erwartungsaktivierung in Sitzung 2 (π0i= µYi). Level 1: Yij = π0i + εij Level 2: π0i = γ00 + γ01posEA.2 + ζ0i Tabelle 4.12 fasst die Resultate zusammen. Die positive Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie kann den Mittelwert von positiven Bewältigungserfahrungen signifikant vorhersagen (γ01, p = 0.036). Werden durchschnittlich viele positive Erwartungen in Sitzung 2 aktiviert, werden positive Bewältigungserfahrungen der Sitzungen 2 bis 10 im Durchschnitt auf 0.83 geschätzt.


 
 




103





4. Ergebnisse

Tabelle 4.12. Bedingtes Mittelwertmodell B1mit dem Prädiktor positive Erwartungsaktivierung in Sitzung 2, Parameter, Koeffizienten und Standardfehler Unbedingtes WachParameter stumsmodell Fixierte Effekte Ausgangswert, π0i Intercept γ00 0.83*** (0.10) posEA.2 γ01 1.33* (0.62) Anmerkungen. posEA.2 = positive Erwartungsaktivierung in Sitzung 2, am Mittelwert zentriert. † p < .10; * p < .05; ** p < .01; *** p < .001.

Wie sich der Prädiktor positive Erwartungsaktivierung verhält, wenn für die Besserungserwartung vor der Therapie (BE) kontrolliert wird, wurde mit Modell B2 geprüft: Level 1: Yij = π0i + εij Level 2: π0i = γ00 + γ01posEA.2 + γ02BEdich + ζ0i Die positive Erwartungsaktivierung wurde wiederum an ihrem Mittelwert zentriert ins Modell aufgenommen; die Besserungserwartung wurde dichotomisiert. Für die Dichotomisierung wurden Terzile gebildet, wobei das unterste Terzil (tiefster Wert bis 3.75) den Wert 0 (wenig Besserungserwartung) und das oberste Terzil (4.5 bis höchster Wert) den Wert 1 (viel Besserungserwartung) erhielt. Die Besserungserwartung repräsentiert also zwei Extremgruppen mit Werte für wenig Besserungserwartung < 3.75 und viel Besserungserwartung mit > 4.5 (vgl. Kapitel 3.7.4). Tabelle 4.13 präsentiert die Resultate.


 
 




104





4. Ergebnisse

Tabelle 4.13. Bedingtes Mittelwertmodell B2 mit den Prädiktoren positive Erwartungsaktivierung in Sitzung 2 und der Besserungserwartung mit Parameter, Koeffizienten und Standardfehler Parameter Fixierte Effekte Ausgangswert, π0i

Intercept

Unbedingtes Wachstumsmodell

γ00

0.41** (0.12) posEA.2 γ01 1.28* (0.56) BEdich γ02 0.95*** (0.16) Anmerkungen. posEA.2 = positive Erwartungsaktivierung in Sitzung 2, am Mittelwert zentriert, BE = Besserungserwartungen vor der Therapie, dichotomisiert, unzentriert. † p < .10; * p < .05; ** p < .01; *** p < .001.

Beide Prädiktoren können den Mittelwert von positiven Bewältigungserfahrungen signifikant vorhersagen (pos.EA.2, γ01, p = 0.026; BE, γ02, p = 0.000). Da der Wert 0 hier für wenig Besserungserwartung steht, wird der durchschnittliche Wert von positiven Bewältigungserfahrungen bei durchschnittlicher positiver Erwartungsaktivierung und wenig Besserungserwartung auf 0.41 geschätzt. Bei viel Besserungserwartung (BE = 1) und durchschnittlicher positiver Erwartungsaktivierung (posEA.2 = 0) hingegen auf 1.36 (0.41 + 0.95). Dieser Unterschied ist hoch signifikant. Der in Hypothese 2 angenommene Moderator Besserungserwartung konnte mit der linearen Regression bestätigt werden und zeigt auch hier erwartungsgemäss einen signifikanten Einfluss. Von einem linearen Effekt des Moderators (Besserungserwartung) auf den Zusammenhang von Ziel- und Ergebnisvariable (positive Erwartungsaktivierung bzw. positive Bewältigungserwartung) wird nicht ausgegangen. Es wird vielmehr ein Effekt ab einer gewissen Stufe erwartet (Baron & Kenny, 1986, vgl. Kapitel 3.5). Dazu wurde, wie schon für Hypothese 1.2, der Moderator mittels Terzilbildung dichotomisiert, und nach der Dichotomisierung Subgruppen gebildet (siehe Kapitel 3.7.3). Die Modelle wurden dann für jede Subgruppe separat gerechnet (Baron & Kenny, 1986; Kraemer et al., 2001). Die Besserungserwartung als Kontrollvariable wurde als stetige Variable, am Mittelwert zentriert, in das Modell aufgenommen. Die Resultate entsprechen, wie erwartet, denen aus Hypothese 1.2. Die positive Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie kann unter Konstanthaltung der Besserungserwartung den Mittelwert der frühen positiven Bewältigungserfahrungen bei Patienten mit wenig Besserungserwartung vor der Therapie erfolgreich vorhersagen (posEA.2, γ01, p = .037; BE, 
 
 




105





4. Ergebnisse

γ02, p = .000). Bei Patienten mit viel Besserungserwartung vor der Therapie hingegen nicht (posEA.2, γ01, p = 0.268; BE, γ02, p = .187, siehe Tab. 4.14). Tabelle 4.14. Bedingtes Mittelwertmodell B4 mit den Prädiktoren positive Erwartungsaktivierung in Sitzung 2 und der Besserungserwartung, nach Subgruppen getrennt Unbedingtes WachUnbedingtes Wachstumsmodell stumsmodell Fixierte Effekte Wenig BE (N = 28) Viel BE (N = 24) Ausgangswert, π0i Intercept γ00 0.32** 1.38*** (0.11) (0.11) posEA.2 γ01 1.42* 1.03 (0.64) (0.90) BE γ02 0.67*** 0.70 (0.15) (0.51) Anmerkungen. posEA.2 = positive Erwartungsaktivierung in Sitzung 2, am Mittelwert zentriert, BE = Besserungserwartungen vor der Therapie, am Mittelwert zentriert. † p < .10; * p < .05; ** p < .01; *** p < .001.

Fazit: Vorbedingung (b) ist gegeben. Positive Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie kann zusätzlich zum Moderator Besserungserwartung die Mittelwertsunterschiede zwischen den Patienten hinsichtlich früher positiver Bewältigungserfahrungen signifikant erklären.

4.3.3.

Vorbedingung (c): Form der Verlaufskurve von frühen positiven Bewältigungserfahrungen

4.3.3.1. Modell C: Das unbedingte Wachstumsmodell Als nächstes interessiert die Form der Veränderungskurve von frühen positiven Bewältigungserfahrungen. Aufgrund früherer Untersuchungen (Grosse Holtforth et al., 2009) sowie der Betrachtung der empirischen Verlaufskurven wird ein linearer Verlauf angenommen. Der Verlauf wird auf Level 1 modelliert: Level 1: Yij = π0i + π1iTIME-2ij + εij Level 2: π0i = γ00 + ζ0i π1i = γ10 + ζ1i 
 
 




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4. Ergebnisse

Die Variable TIME (= Sitzungszahl) wird auf die Sitzung 2 zentriert (TIME-2), d.h. die Sitzung 2 erhält den Wert 0 und wird unzentriert ins Modell aufgenommen. Der Ausgangswert π0i beschreibt so den Wert bei TIME-2 = 0, d.h. den Mittelwert von positiven Bewältigungserfahrungen der Sitzung 2 (π0i= µYi). Die Resultate sind in Tabelle 4.15 dargestellt. Tabelle 4.15. Unbedingtes Wachstumsmodell C mit Parameter, Koeffizienten und Standardfehler Unbedingtes WachParameter stumsmodell Fixierte Effekte Intercept 0.62*** Ausgangswert, π0i γ00 (0.11) Intercept 0.06*** Verlauf, π1i γ10 (0.02) Anmerkungen. † p < .10; * p < .05; ** p < .01; *** p < .001.

Die Resultate zeigen, dass ein linearer Term die Unterschiede im Verlauf von frühen positiven Bewältigungserfahrungen hoch signifikant beschreiben kann (γ10, p < 0.001). Pro Sitzung nehmen die positiven Bewältigungserfahrungen im Durchschnitt um einen Wert von 0.06 zu (siehe für eine schematische Darstellung Abb. 4.1). Ausserdem besagt dieses Resultat, dass die Sitzungszahl auch die Unterschiede zwischen den Patienten im Ausgangswert der positiven Bewältigungserfahrungen hoch signifikant beschreiben kann (γ00, p = 0.000). Die Modellierung des Verlaufes von positiven Bewältigungserfahrungen durch einen linearen Term scheint daher gerechtfertigt.

Abbildung 4.1. Schematische Darstellung des Verlaufs von positiven Bewältigungserfahrungen.

Ein Blick auf die Varianzkomponenten ergibt noch hoch signifikante Unterschiede zum wahren Wert für den Ausgangswert wie auch für den Verlauf (σ02, p < 0.001; σ12, p < 0.001). 
 
 




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4. Ergebnisse

Das Hinzuziehen von Prädiktoren auf Level 2 wird dadurch gerechtfertigt. Tabelle 4.16 gibt den Überblick. Tabelle 4.16. Varianzkomponenten des unbedingten Wachstumsmodells C mit Parameter, Koeffizienten, Standardfehler Unbedingtes WachParameter stumsmodell Varianzkomponenten Level I Innersubjekt σ ε2 0.35 a (0.59) Level II Im Ausgangswert σ 02 0.63*** (0.79) 2 Im Verlauf σ1 0.01*** (0.09) Anmerkungen. a Keine Angaben zum Signifikanzniveau. † p < .10; * p < .05; ** p < .01; *** p < .001.

Das Pseudo-R2 quantifiziert den Anteil an aufgeklärter Varianz durch die Modellierung eines linearen Verlaufs. Dazu wird das unbedingte Wachstumsmodell mit dem unbedingten Mittelwertmodell (= Basismodell) verglichen. Die Level-1-Varianz σε2 von Modell C wird dabei von der Level-1-Varianz σε2 von Modell A subtrahiert und durch die Level-1-Varianz σε2 von Modell A dividiert. Mit einem Pseudo-R2 von .22 kann das unbedingte Wachstumsmodell mit einem linearen Verlauf 22 % der Level 1-Varianz aufklären (Innersubjektvarianz, vgl. Tab. 4.17). Tabelle 4.17. Vergleich von Modell A und C mit Parameter, Koeffizienten und Standardfehler Unbedingtes Parameter Mittelwertmodell Varianzkomponenten 2 Level 1 Innersubjekt 0.45 σε (0.67) Level 2

Pseudo-R

Im Ausgangswert

σ 02

Im Verlauf

σ 12

0.62*** (0.79)

2



2

Unbedingtes Wachstumsmodell 0.35 a (0.59) 0.63*** (0.79) 0.01*** (0.09) .22

Anmerkungen. a Keine Angaben zum Signifikanzniveau. † p < .10; * p < .05; ** p < .01; *** p < .001.


 
 




108





4. Ergebnisse

Fazit: Vorbedingung (c) ist gegeben. Positive Bewältigungserfahrungen nehmen in einer frühen Therapiephase linear zu.

4.3.4.

H2: Vorhersage der interindividuellen Unterschiede in frühen positiven Bewältigungserfahrungen durch das Ausmass an positiven Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie bei Patienten mit geringer Besserungserwartung

4.3.4.1. Modell D: Das bedingte Wachstumsmodell Das Modell D wird als bedingtes Wachstumsmodell bezeichnet, da dieses das Wachstum eines Parameters (hier die positive Bewältigungserfahrungen) durch eine oder mehrere Prädiktoren (hier die positive Erwartungsaktivierung kontrolliert für die Besserungserwartung) vorhersagen möchte. Es wurde die positive Erwartungsaktivierung in Sitzung 2 als Prädiktor ins Modell aufgenommen und für die Besserungserwertung vor der Therapie kontrolliert. Tabelle 4.18 gibt einen Überblick über alle Modelle mit deren zentralen Aussagen. Tabelle 4.18. Übersicht über die Modelle Level-1-Modell Level-2-Modell Modell A: Unbedingtes Mittelwertmodell Y ij = π0i + ε ij π0i = γ00 + ζ0i

Aussage Gibt es Unterschiede im Ausgangswert?

Modell B: Bedingtes Ausgangswertmodell Y ij = π0i + ε ij π0i = γ00 + γ01posEA.2 + ζ0 Y ij = π0i + ε ij

π0i = γ00 + γ01posEA.2 + γ02BEdich + ζ0

Modell C: Unbedingtes Wachstumsmodell Y ij = π0i + π1i TIME-2ij + ε ij π0i = γ00 + ζ0i π0i = γ10 + ζ1i Modell D: Bedingtes Wachstumsmodell (nach Subgruppen getrennt) Y ij = π0i + π1i TIME-2ij + ε ij π0i = γ00 + γ01posEA.2 + γ02BE + ζ0i π0i = γ10 + γ11posEA.2 + γ12BE + ζ1i

Erklärt posEA.2 alleine bzw. kontrolliert für BE Unterschiede im Ausgangswert?

Erklärt ein linearer Term den Verlauf?

Erklärt posEA.2, kontrolliert für BE, einen Teil der Varianz im Ausgangswert und im Verlauf bei Patienten mit geringer BE? Anmerkungen. TIME-2 = Sitzungszahl auf Sitzung 2 zentriert, unzentriert, posEA.2 = positive Erwartungsaktivierung in Sitzung 2, am Mittelwert zentriert, BEdich = Besserungserwartung vor der Therapie, dichotomisiert, unzentriert, BE = Besserungserwartung vor der Therapie, am Mittelwert zentriert.


 
 




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4. Ergebnisse

Tabelle 4.19 gibt einen Überblick über die relevanten Werte des bedingten Wachstumsmodells D. Das unbedingte Wachstumsmodell (Modell C) wird zur Berechnung der Varianzkomponenten und dem Pseudo-R2 herangezogen.

Tabelle 4.19. Ergebnisübersicht der Modelle mit Parameter, Koeffizienten und Standardfehler Unbedingtes Bedingtes WachstumsWachstumsParameter modell C modell D

Fixierte Effekte Ausgangswert, π0i

Verlauf, π1i

Intercept

γ00

posEA.2

γ01

BE

γ02

Intercept

γ10

posEA.2

γ11

BE

γ12

Varianzkomponenten Level 1 Innersubjekt

σ ε2

Level 2

σ 02

Im Ausgangswert Im Verlauf

0.62*** (0.11)

0.06*** (0.02)

0.35 a (0.59) 0.63*** (0.79) 0.01*** (0.09)

σ 12

Pseudo-R2

Bedingtes Wachstumsmodell D

Wenig BE (N = 28) 0.15 (0.12) 1.23** (0.42) 0.51** (0.16) 0.05* (0.02) 0.10 (0.16) 0.05† (0.02)

Viel BE (N = 24) 1.12 (0.15) 0.82 (1.21) 1.09 (0.73) 0.07 (0.02) 0.04 (0.15) -0.09 (0.11)

0.30*** (0.55) 0.01*** (0.10)

0.38*** (0.61) 0.01** (0.08)

R ε2 0.22 2 R0 0.52 0.40 2 R1 0.00 0.00 Anmerkungen. posEA.2 = positive Erwartungsaktivierung in Sitzung 2, am Mittelwert zentriert, BE = Besserungserwartungen vor der Therapie, am Mittelwert zentriert. a Keine Angaben zum Signifikanzniveau. † p < .10; * p < .05; ** p < .01; *** p < .001.

Für die Subgruppe der Patienten mit wenig Besserungserwartung kann die positive Erwartungsaktivierung in Sitzung 2, kontrolliert für den Einfluss der Besserungserwartung (Modell D), die frühen positiven Bewältigungserfahrungen signifikant voraussagen (Ausgangswert, γ01, p = 0.007). Wie vorhergesagt ist der Verlauf von positiven Bewältigungserfahrungen positiv, d.h. steigend. Pro Sitzung nehmen die positiven Bewältigungserfahrungen bei 
 
 




110





4. Ergebnisse

Konstanthaltung der Besserungserwartung um 0.10 Einheiten zu. Die positive Erwartungsaktivierung in Sitzung 2 kann jedoch diese Steigung in den ersten zehn Sitzungen der Therapie nicht vorhersagen (Verlauf, γ11, p = 0.528). Interessant ist der unabhängige, tendenziell signifikante Einfluss der Besserungserwartung auf den Verlauf (Verlauf, γ12, p = 0.063). Für die Subgruppe der Patienten mit viel Besserungserwartung kann die positive Erwartungsaktivierung, wie erwartet, weder den Ausgangswert noch die Steigung von positiven Bewältigungserfahrungen in den ersten zehn Sitzungen vorhersagen (Ausgangswert, γ01, p = 0.506; Verlauf, γ11, p = 0.782). Die durchschnittlichen positiven Bewältigungserfahrungen bei Patienten mit geringer Besserungserwartung liegen mit 0.15 deutlich unter dem der Patienten mit viel Besserungserwartung mit 1.12. Die Varianzkomponentenanalyse der Residuen zeigt für alle Modelle statistisch signifikante Unterschiede zum wahren Ausgangswert und im Verlauf. Wie zu erwarten ist, sind für die Varianzaufklärung von positiven Bewältigungserfahrungen noch weitere Prädiktoren verantwortlich. Die mit den Prädiktoren positive Erwartungsaktivierung und Besserungserwartung vor der Therapie zusätzlich aufgeklärte Varianz von positiven Bewältigungserfahrungen in Sitzung 2 (Ausgangswert) bei Patienten mit geringer Besserungserwartung beträgt beachtliche 52 % (Pseudo-R02 = σ02 (Modell C) – σ02 (Modell D) / σ02 (Modell C) = .52). Im Verlauf wird mit den Prädiktoren keine zusätzliche Varianz aufgeklärt (Pseudo-R12 < 0.001).5 Ein Blick auf die Deviance-Statistik zeigt, dass mit dem bedingten Wachstumsmodell D verglichen mit dem unbedingten Wachstumsmodell Modell C der Deviance-Wert jeweils gesenkt werden konnte, und dass diese Reduktion auch statistisch signifikant ausfällt (Deviance Modell C für wenig BE = 594.93 vs. Deviance Modell D für wenig BE = 559.22, χ2 (df) = 35.72 (7), p < 0.001; Deviance Modell C für viel BE = 479.71 vs. Deviance Modell D für viel BE = 451.02, χ2 (df) = 28.69 (5), p < 0.001). Für die Darstellung der vier prototypischen Verlaufskurven wurde das bedingte Mittelwertmodell für die Gesamtstichprobe mit der dichotomisierten und unzentrierten Variable Besserungserwartung zur Gruppenbildung erneut gerechnet: Level 1: Yij = π01 + π1iTIME-2ij + εij Level 2: π0i = γ00 + γ01posEA.2 + γ02BEdich + ζ0i π0i = γ10 + γ11posEA.2 + γ12BEdich + ζ1i 5

Möglichkeiten zur Erhöhung der erklärten Varianzanteile durch Fixierung der Verlaufsfehlervarianz und Berechnung mit der RML-Methode oder durch das Weglassen der Verlaufsprädiktoren führten zu keinem besseren Modell-Fit und werden deshalb hier nicht weiter vertieft. 
 
 
 
 111





4. Ergebnisse

Abbildung 4.2 zeigt vier prototypische Verlaufskurven. Die Daten lassen sich aus Tabelle 4.20 entnehmen und in die entsprechende Regressionsgleichung einsetzen (Tab. 4.21). Für die Dichotomisierung der stetigen Variable positive Erwartungsaktivierung wurde ihr Mittelwert genommen und für wenig positive Erwartungsaktivierung eine halbe Standardabweichung abgezogen während für viel positive Erwartungsaktivierung eine halbe Standardabweichung dazugezählt wurde (M = 0.26, SD = 0.17; Singer & Willett, 2003).

Tabelle 4.20. Ergebnisübersicht der Modelle mit Parameter, Koeffizienten und Standardfehler Bedingtes WachParameter stumsmodell D Fixierte Effekte Ausgangswert, π0i Intercept γ00 0.23† (0.12) posEA.2 γ01 1.18* (0.49) BEdich γ02 0.89*** (0.19) Verlauf, π1i Intercept γ10 0.05* (0.02) posEA.2 γ11 0.06 (0.13) BEdich γ12 0.02 (0.03) Varianzkomponenten Level 1 Innersubjekt σ ε2 0.35 a (0.59) Level 2 Im Ausgangswert σ 02 0.38*** (0.62) Im Verlauf σ 12 0.001*** (0.09) Anmerkungen. posEA.2 = positive Erwartungsaktivierung in Sitzung 2, im Modell am Mittelwert zentriert, BE = Besserungserwartungen vor der Therapie, dichotomisiert und unzentriert. a Keine Angaben zum Signifikanzniveau. † p < .10; * p < .05; ** p < .01; *** p < .001.


 
 




112





4. Ergebnisse

Abbildung 4.2. Prototypische Verlaufskurven für Modell D.

Tabelle 4.21. Prototypische Verlaufskurven für Modell D mit Dichotomisierung der positiven Erwartungsaktivierung am Stichprobenmittelwert plus/minus eine halbe Standardabweichung BE posEA2 Ausgangswert (π0i ) Wachstumsrate (π1i ) π0i = γ00 + γ01posEA.2 + γ02BE dich + ζ0i

π1i = γ10 + γ11posEA.2 + γ12BE dich + ζ1i

Wenig

Wenig

0.23 + 1.18 (0.17) + 0.89 (0) = 0.44

0.05 + 0.06 (0.17) + 0.02 (0) = 0.06

Wenig

Viel

0.23 + 1.18 (0.35) + 0.89 (0) = 0.64

0.05 + 0.06 (0.35) + 0.02 (0) = 0.07

Viel

Wenig

0.23 + 1.18 (0.17) + 0.89 (1) = 1.32

0.05 + 0.06 (0.17) + 0.02 (1) = 0.08

Viel

Viel

0.23 + 1.18 (0.35) + 0.89( 1) = 1.53

0.05 + 0.06 (0.35) + 0.02 (1) = 0.09

Anmerkungen. Wenig posEA.2 = M – 0.5(SD) = 0.26 – 0.09 = 1.17; viel posEA.2 = M + 0.5(SD) = 0.26 + 0.09 = 0.35; wenig BE = 0, viel BE = 1.

In Abbildung 4.2 wird ersichtlich, dass das Ausmass an Besserungserwartung die Stichprobe in zwei Gruppen teilt, die sich im Ausgangswert signifikant voneinander unterscheiden. Bei geringer Besserungserwartung (BE = 0) beträgt der Ausgangswert in positiver Bewältigungserwartung 1.18; bei hoher Besserungserwartung (BE = 1) liegt er signifikant höher bei 2.07 (1.18 + 0.89). Ebenfalls signifikant ist der Unterschied im Ausgangswert zwischen viel und wenig positiver Erwartungsaktivierung. Es ist auch hier eine leicht positive Steigung zu erkennen, die für die Gruppe mit viel positiver Erwartungsaktivierung etwas steiler verläuft als für die Gruppe mit wenig positiver Erwartungsaktivierung. 
 
 




113





4. Ergebnisse

Fazit: Die Hypothese 2 wird teilweise bestätigt. Positive Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie kann das Ausmass an unmittelbaren positiven Bewältigungserfahrungen bei Patienten mit geringer Besserungserwartung signifikant vorhersagen.


 
 




114



5.



5. Diskussion

DISKUSSION Das Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Rolle der positiven Erwartungsaktivierung

zu Beginn der Therapie genauer zu analysieren. Dabei interessierte insbesondere die Subgruppe von Patienten, die mit wenig Besserungserwartung in die Therapie starten. Es wurde vermutet, dass das Aktivieren von positiven Erwartungen (allgemeine, bezüglich der Behandlung und die Selbstwirksamkeitserwartung) in der Sitzung zu mehr positiven Bewältigungserfahrungen führt, wodurch direkt und indirekt über die Anstrengungsbereitschaft der Therapieerfolg positiv beeinflusst wird. Für die Untersuchung des bis dato noch nicht untersuchten Konzepts der positiven Erwartungsaktivierung wurde das Ratinginstrument Microprocess Analysis for Changing Expectations (MACE) entwickelt. Damit wurden drei frühe Sitzungen aus 60 ambulanten, naturalistischen Therapien bezüglich deren Ausmass an Erwartungsaktivierung untersucht. Die ICC für die drei in dieser Untersuchung verwendeten Kategorien K01, positive Erwartungen (Hoffnung / Zuversicht), K03, positive Erwartungen bezüglich der Behandlung und K09, Selbstwirksamkeitserwartungen, mit den Werten .80, .84 und .87 und den akzeptablen Konfidenzintervallen können als gut bis sehr gut bezeichnet werden. Ebenfalls gut bis sehr gut ist die ICC für die aggregierte Kategorie positive Erwartungsaktivierung. Die ICC für den Gesamtwert über die Kategorien 1 bis 12 fiel aufgrund Varianzeinschränkungen unbefriedigend aus. Die Varianzeinschränkungen sind auf ein Versäumnis bei der Aufarbeitung der Datenfiles zurückzuführen, weshalb der Gesamtwert auf Grundlage der aggregierten Stundendaten (anstelle der Rohdaten) errechnet wurde. Dadurch ist Varianz in den Daten verloren gegangen und die ICC fällt im Vergleich zu den einzelnen Kategorien befremdend gering aus. Wie in der Einleitung ausführlich beschrieben, sollte die Studie der von Doss (2004) geforderten Systematik für die Untersuchung psychotherapeutischer Veränderungen folgen. Damit wird mit dieser Arbeit die Grundlage geschaffen, worauf weitere, auch experimentelle Untersuchungen aufbauen können. Die Befunde der Untersuchung werden nachfolgend zusammengefasst und diskutiert. Dabei soll hypothesenübergreifend im Hinblick auf ihre zentralen Aussagen vorgegangen werden. Besondere Vorsicht wird der Versuchung einer kausalen Interpretation begegnet. Zu kausalen Aussagen sind die hier erhobenen und untersuchten Daten nicht in der Lage. Die in der Diskussion der Arbeit aufgrund der gefundenen Ergebnisse neu aufgestellten kausalen Hypothesen müssen in einem nächsten Schritt erstmal experimentell überprüft und bestätigt werden. Für eine bessere Orientierung wird die vorangegangene Struktur mit Fokus auf die 
 
 




115





5. Diskussion

untersuchte Therapie, den Wirkmechanismus sowie die patienten- und therapiebezogenen Veränderungsprozesse beibehalten. Zum Abschluss der Modelldiskussion wird schliesslich der Fokus wieder weg vom allzu Spezifischen hin zu einem vermehrt allgemeinen Gesamtbild gerichtet und so eine Integration der Ergebnisse ermöglicht. Im Anschluss werden das Vorgehen und die Gesamtarbeit aus einer kritischen Perspektive heraus betrachtet, um dann am Ende ein Ausblick auf zukünftige und ergänzende Forschung zu wagen, deren Realisierung den Rahmen dieser Arbeit gesprengt hätten.

5.1.

Das Therapiemodell früher Veränderungen bei Patienten mit geringer Besserungserwartung Das Therapieprozessmodell für frühe Veränderungen war ursprünglich als allgemeines

Therapieprozessmodell konzipiert worden. Durch die intensive Beschäftigung mit der theoretischen Grundlage kristallisierte sich die Patientenvariable Besserungserwartung als Moderator heraus und zeichnete einen differentiellen Einfluss der positiven Erwartungsaktivierung für Patienten mit geringer Besserungserwartung ab. Das Therapieprozessmodell früher Veränderungen konnte durch die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit für die Subgruppe der Patienten mit geringer Besserungserwartung im Allgemeinen bestätigt werden. Positive Erwartungsaktivierung zu Beginn einer als wirksam erwiesenen Therapie führt zu mehr positiven Bewältigungserfahrungen, die dann ihrerseits die spätere Anstrengungsbereitschaft fördern, was mit einem besseren Therapieergebnis in Verbindung gebracht werden kann. Für Patienten mit hoher Besserungserwartung hat die Aktivierung von positiven Erwartungen keinen Einfluss auf das Ausmass an positiven Bewältigungserfahrungen. Die Resultate sind in Abbildung 5.1 zusammengefasst.


 
 




116





5. Diskussion

Abbildung 5.1. Schematische Zusammenfassung der Resultate.

5.1.1.

Zur Wirksamkeit der Therapie Das Therapieprozessmodell wurde an einer naturalistischen Stichprobe im ambulanten

Setting überprüft. Die durchgeführte Therapie nach der Konzeption der Allgemeinen Therapie (Grawe, 1995, 1998, 2004) hat ihre Wirksamkeit in früheren Studien schon mehrfach erbracht (Fries, 2005; Gassmann, 2002; Grawe et al., 1990; Grosse Holtforth et al., 2008; Regli et al., 2004; Smith & Grawe, 2003). Auch an der untersuchten Teilstichprobe zeigte sie sich wirksam: Die Symptombelastung und das Inkongruenzniveau reduzierte sich signifikant und mehr als die Hälfte der Patienten erzielten auch eine reliable Veränderung. Dass kein höherer Anteil an Patienten eine reliable Veränderung erzielte, lässt sich mit der z.T. geringen Ausgangsbelastung erklären. Patienten, die sich aufgrund einer geringen Ausgangsbelastung wenig veränderten (z.B. von einer geringen Symptombelastung zu keiner Symptombelastung), werden als nicht reliable Veränderung eingestuft, obwohl sie evtl. am Ende der Therapie symptomfrei sind. Der Mittelwert der Symptombelastung z.B. lag bei einer Skala von 0 – 4 bei 1.10 mit einer Spannbreite von 0.04 – 3.55. Diese Zahlen widerspiegeln die z.T. tiefen Ausgangswerte der untersuchten Stichprobe. Auch die individuellen Therapieziele konnten im Durchschnitt gut erreicht werden. Doch auch hier täuschen die Mittelwerte über individuelle Ergebniswerte hinweg, die für 11.6 % der Patienten kaum eine Veränderung (Zielerreichung < 2) und für 2.9 % sogar eine Verschlechterung (Zielerreichung < 0) zeigen. Dasselbe Muster zeigt sich auch hinsichtlich des allgemeinen Wohlbefindens. Auch hier schneidet die Stichprobe im Mittel gut ab und den
 
 




117





5. Diskussion

noch gibt es Patienten, die am Ende der Therapie eine Verschlechterung erzielten (Veränderungsfragebogen < 108). Die nach dem Moderator differenzierte Betrachtung der Ergebnisresultate deckt auf, dass sich diese „wenig erfolgreichen“ Patienten allesamt in der Subgruppe der Patienten mit geringer Besserungserwartung befinden (vgl. Tab. 4.3). Die hier untersuchte Therapie scheint also insbesondere für Patienten mit viel Besserungserwartung wirksam zu sein. Auch die Therapiedauer hängt mit der Besserungserwartung zusammen, in dem Sinne, dass je mehr Besserungserwartungen die Patienten in die Therapie bringen, desto kürzer diese ausfällt.

5.1.2.

Zum Veränderungsmechanismus Anstrengungsbereitschaft Die geringe Stichprobengrösse erschwert die Interpretation der Resultate zur Variable

Anstrengungsbereitschaft. Mit einer Stichprobengrösse von N = 34 bzw. 35 müssen die Effekte schon sehr gross sein, um statistische Signifikanz zu erreichen, weshalb hier die Resultate auch über die statistische Signifikanz hinaus interpretiert werden. Diese Interpretationen müssen dementsprechend als vorläufig betrachtet und sollten in einem nächsten Schritt für ihre Absicherung experimentell überprüft werden. Die durch den Therapeuten eingeschätzte Anstrengungsbereitschaft der Patienten kann aber dennoch erwartungsgetreu die Zielerreichung sowie tendenziell auch die Residualsymptomatik vorhersagen. Die Resultate gehen in die erwartete Richtung. Insbesondere der Effekt auf die Zielerreichung fällt so stark aus, dass er auch mit der strengen Bonferroni-Korrektur signifikant ausfällt und damit sehr unwahrscheinlich zufällig entstanden ist. Auch das korrigierte Bestimmtheitsmass R2korr, das keiner Signifikanzprüfung unterzogen und damit von einer Inflation des α-Fehlers nicht tangiert wird, zeigt für die Psychotherapieforschung beachtliche Effekte der Anstrengungsbereitschaft auf die Residualsymptomatik, die Zielerreichung und die Symptomreduktion. Für die Zielerreichung erklärt die Anstrengungsbereitschaft unter Kontrolle der Ausgangsbelastung 28 % der Gesamtvarianz. Da das Bestimmtheitsmass aber von allen Prädiktoren im Modell beeinflusst wird – also auch von der Kontrollvariable Ausgangsbelastung – lohnt sich ein Blick auf die Betas. Diese beschreiben den partiellen Effekt der Anstrengungsbereitschaft auf die Ergebnisvariablen, unabhängig von der Kontrollvariable. Auch hier sehen wir nennenswerte Effekte mit Betas von .17 (Reduktion Annäherungsinkongruenz) bis .54 (Zielerreichung), die allesamt in die erwartete Richtung gehen. Der angenommenen Veränderungsmechanismus Anstrengungsbereitschaft übt einen 
 
 




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5. Diskussion

unbestrittenen Effekt auf die Zielerreichung aus und beeinflusst auch tendenziell positiv die Residualsymptomatik (im Sinne einer geringeren Symptombelastung am Ende der Therapie). Dieser Effekt spiegelt sich auch im standardisierten Beta wider: Die Anstrengungsbereitschaft hat auf die Zielerreichung den stärksten Effekt. Die Reduktion der Inkongruenz scheint die Anstrengungsbereitschaft dabei nicht wesentlich zu beeinflussen. Bei erhöhter Anstrengungsbereitschaft können die Therapieziele zwar besser erreicht, doch die eigenen Bedürfnisse werden nicht als besser befriedigt erachtet, obwohl sich die Therapie bei der untersuchten Stichprobe in beiden Ergebniskriterien als wirksam erwiesen hat. Dieses Ergebnis ist interessant, legt es doch mindestens zwei unterschiedliche Wege zum Therapieerfolg nahe. Der eine scheint ein verhaltensorientierter, motivationaler Weg zur Zielerreichung darzustellen, der durch Bahnung neuer neuronaler Erregungsmuster das Problemverhalten hemmt oder ersetzt. Der zweite Strang scheint dagegen auf prozessualer Ebene über eine bessere Bedürfnisbefriedigung zu führen. Eine Störungs- und Prozessperspektive unterscheidet auch Grawe (2004). Nach seinem Modell führen störungs- und problemspezifische Interventionen zur Bahnung neuer neuronaler Erregungsmuster, die weiter eine Verringerung der Symptome und Probleme begünstigt. Unter der Prozessperspektive nennt Grawe die beiden therapeutischen Strategien Ressourcenaktivierung und massgeschneiderte Beziehungsgestaltung, über die Patienten zu mehr positiven Erfahrungen hinsichtlich des Bindungs-, Kontroll-, Selbstwert- und Lustbedürfnis kommen sollen. Bedürfnisbefriedigende Erfahrungen führen gemäss diesem Modell zur Abnahme von Inkongruenz. In den Erwartungs-mal-Wert-Theorien, auf deren Grundlage das hier diskutierte Prozessmodell entstanden ist, wird der Wert des angestrebten Ergebnisses bzw. Ziels betont. Damit wird der Einfluss der Ergebniserwartung auf bewusst zugängliche, fassbare Ziele beschränkt. Gerade psychotherapeutische Ziele müssen aber nicht immer fassbar sein. Motivationale Ziele, hinsichtlich derer Patienten Inkongruenz erleben können, sind oft unklar und diffus (Grawe, 1998, 2004; Grosse Holtforth, 2008). Es ist daher nicht erstaunlich, dass die Inkongruenzreduktion durch die spezifisch gerichtete Anstrengungsbereitschaft weniger beeinflusst wird. Das gilt selbst dann, wenn mit dem Inkongruenzfragebogen die zum Therapieende bewusst erlebte Inkongruenz bezüglich der (während der Therapie fassbar gewordenen) motivationalen Zielen gemessen wird. Die Anstrengungsbereitschaft eines Patienten, wie sie hier gemessen worden ist, stellt die Beurteilung seines Therapeuten dar. Dieser beurteilt im Stundenbogen die Anstrengungsbereitschaft hinsichtlich der aktuellen Therapieinhalte und diese werden durch die gemeinsam erarbeiteten konkreten Therapieziele bestimmt. Damit es 
 
 




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5. Diskussion

dennoch zu einer (breiten) Reduktion des Inkongruenzerlebens am Ende der Therapie kommt, sind wohl, wie schon oben ausgeführt, weitere Prozesse verantwortlich (siehe auch weiter unten). Der charakteristische Effekt der Anstrengungsbereitschaft auf die Zielerreichung wird auch durch Kirschs integratives Erwartungsmodell (Kirsch, 1995) gestützt. Gemäss diesem Modell wird das Verhalten durch die aufgabenspezifische Selbstwirksamkeitserwartung beeinflusst. Für die Reduktion der Inkongruenz ist bislang noch keine spezifische Aufgabe beschrieben worden, denn diese sind abhängig von den patientenspezifischen Inkongruenzquellen. Diese zu explorieren und dadurch fassbar zu machen, ist Gegenstand der motivationalen Klärungsarbeit (Grawe, 2004; Sachse, 2003). Es ist z.B. denkbar, dass ein anderer Veränderungsstrang besteht, der als patientenbezogenen Veränderungsprozess positive Klärungserfahrungen beinhaltet, die zu einem Veränderungsmechanismus Einsicht führen, was sich wiederum auf die Reduktion von erlebbarer Inkongruenz auswirkt. Die Inkongruenzreduktion ist so im Modell von Kirsch als unwillkürliche (emotionale) Reaktion zu verstehen, die unabhängig von einer aufgabenspezifischen Selbstwirksamkeitserwartung direkt und ausschliesslich durch die Reaktionserwartung beeinflusst wird. Für die in der Praxis oft gefundene Korrelation zwischen der Zielerreichung und der Inkongruenzreduktion könnte eine dritte Variable (z.B. die allgemeine Therapiezufriedenheit) verantwortlich sein. Das persönliche Engagement, das ein Mensch für sein Ziel entgegenbringt, wird weitgehend als zentrales Element für eine erfolgreiche Zielerreichung gesehen. Ganz im Sinne der Selbstregulation in den Erwartungs-mal-Wert-Theorien werden durch die Anstrengungsbereitschaft erstrebenswerte Ziele festgelegt, zu deren Erreichung durch permanente Abgleichungs- und Rückmeldungsprozesse das weitere Vorgehen geplant wird. Die Anstrengungsbereitschaft kann in diesem Prozess als Motor verstanden werden, der die Selbstregulation am Laufen hält. Angetrieben wird dieser Motor durch positive Ergebniserwartungen. Diese wiederum werden durch Erfolgserlebnisse (positive Rückmeldungen) aufrechterhalten (z. B. Carver & Scheier, 1982; Kirsch, 1985a, vgl. auch Kapitel 1.2). Mit Übersetzung auf die Begrifflichkeiten der hier vorliegenden Arbeit heisst das: Die Motivation, auch zwischen den Sitzungen an den Therapieinhalten zu arbeiten (die Anstrengungsbereitschaft), wird durch frühe positive Bewältigungserfahrungen unterstützt.


 
 




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5.1.3.



5. Diskussion

Zum patientenbezogenen Veränderungsprozess positive Bewältigungserfahrungen Frühe positive Bewältigungserfahrungen können die spätere Anstrengungsbereitschaft

bedeutsam vorhersagen. Der schwache bis mittlere Effekt von frühen positiven Bewältigungserfahrungen auf die spätere Anstrengungsbereitschaft kann im ersten Moment vielleicht etwas irritieren. Diese Irritation relativiert sich jedoch, wenn man bedenkt, dass es sich bei der Messung der positiven Bewältigungserfahrungen, dem Therapieergebnis und der Anstrengungsbereitschaft um Messungen aus zwei unterschiedlichen Perspektiven handelt: Positive Bewältigungserfahrungen und Ergebnismessung erfolgten aus der Perspektive der Patienten, wohingegen die Anstrengungsbereitschaft aus der Perspektive der Therapeuten gemessen wurde. Patienten- und Therapeutenperspektive korrelieren nur gering bis moderat (Flückiger et al., 2010). Daher wird der Effekt von frühen positiven Bewältigungserfahrungen auf die spätere Anstrengungsbereitschaft als bedeutsam interpretiert, obwohl er nicht sehr stark ausfällt und auch nur knapp statistische Signifikanz erreicht. Dennoch ist die Frage berechtigt, ob die Anstrengungsbereitschaft ihrem prominenten Status als Veränderungsmechanismus tatsächlich gerecht wird. Zu überprüfen wäre dies spezifisch bei der Subgruppe von Patienten mit geringer Besserungserwartung, für die das Modell im Besonderen seinen Geltungsbereich beansprucht. Die post hoc durchgeführte explorative Mediatoranalyse zeigte, dass frühe positive Bewältigungserfahrungen Residualsymptome, die Zielerreichung, das allgemeine Wohlbefinden und die Symptomreduktion am Ende der Therapie deutlich vorhersagen können. Doch auch frühe positive Bewältigungserfahrungen scheinen keinen bedeutsamen Einfluss auf die Abnahme von Inkongruenz auszuüben. Abgesehen davon gehen die gefundenen Resultate in die erwartete Richtung. Die geringe Stichprobengrösse erschwert auch hier die Interpretation der Resultate. Die Effekte sind hier jedoch so stark, dass sie auch mit strenger Bonferroni-Korrektur statistische Signifikanz erreichen und damit mit grösster Wahrscheinlichkeit tatsächlich in der Population vorhanden sind. Das korrigierte Bestimmtheitsmass R2korr zeigt zudem beachtliche Effekte von positiven Bewältigungserfahrungen auf die Residualsymptomatik, die Zielerreichung, das allgemeine Wohlbefinden und die Symptomreduktion. Auch hier erklären positive Bewältigungserfahrungen unter Kontrolle der Ausgangsbelastung wie schon die spätere Anstrengungsbereitschaft 28 % der Gesamtvarianz in der Zielerreichung. Und wie schon oben lohnt sich ein Blick auf die Betas der signifikanten Ergebnisse (partieller Effekt von frühen positiven Be
 
 




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5. Diskussion

wältigungserfahrungen auf die Ergebnisvariablen, unabhängig von der Kontrollvariable): Die Effekte gehen alle in die erwartete Richtung und fallen sehr stark aus mit Betas von -.47 (Residualsymptomatik) bis .57 und .58 (Zielerreichung und allgemeines Wohlbefinden). Frühe positive Bewältigungserfahrungen können wie die Anstrengungsbereitschaft den Therapieerfolg erklären. Das von Grawe und diversen anderen Autoren beschriebene Wirkprinzip der Bewältigung wird damit aufs Neue bestätigt. Doch die beiden Variablen wirken unabhängig voneinander auf den Therapieerfolg (Mediatorhypothese wurde nicht bestätigt), womit die Anstrengungsbereitschaft als Veränderungsmechanismus zusätzlich Gewicht erhält. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass frühe positive Bewältigungserfahrungen einen einflussreichen patientenbezogenen Veränderungsprozess darstellen. Sie entfalten ihre Wirkung in der Sitzung und üben deutliche positive Effekte sowohl auf den Veränderungsmechanismus wie auch direkt auf diverse Ergebnisgrössen aus. Positive Bewältigungserfahrungen werden von unterschiedlichen Forschern und Praktikern als wichtiger Veränderungsprozess beschrieben (vgl. Kapitel 1.1.5). Die hier gewonnenen Ergebnisse gelten als Replizierung früherer Ergebnisse und bestätigen aufs Neue deren Wichtigkeit. Der nicht signifikante Effekt positiver Bewältigungserfahrungen auf die Inkongruenzreduktion lässt sich im Zusammenhang mit der im Rahmen der Anstrengungsbereitschaft diskutierten Punkte einordnen (vgl. Kapitel 5.1.2).

5.1.4.

Zum therapiebezogenen Veränderungsprozess positive Erwartungsaktivierung Der Hauptfokus dieser Untersuchung lag auf der Funktion von positiver Erwartungsak-

tivierung als therapiebezogener Veränderungsprozess. Ziel war es, die Wirkung dieser Variablen näher zu beschreiben und zu überprüfen. Es wurde mit dem Therapieprozessmodell früher Veränderungen erwartet, dass positive Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie insbesondere bei Patienten mit geringer Besserungserwartung zu mehr frühen positiven Bewältigungserfahrungen führt, die über den Veränderungsmechanismus Anstrengungsbereitschaft ein positives Therapieergebnis fördern. Die positiven Effekte von frühen positiven Bewältigungserfahrungen auf die spätere Anstrengungsbereitschaft und von der Anstrengungsbereitschaft auf das Therapieergebnis konnten nachgewiesen werden. Ursprünglich wurde erwartet, dass das Therapieprozessmodell früher Veränderungen eine allgemeine Gültigkeit aufweist. Im Verlauf der Beschäftigung mit dem Thema Erwartung wurde das Modell dann für Patienten mit geringer Besserungserwartung spezifiziert. Es findet sich ein positiver Zusammenhang zwischen der Diagnose einer affektiven Stö
 
 




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5. Diskussion

rung mit der positiven Erwartungsaktivierung in Sitzung 2. Dieser Zusammenhang erreichte aber keine statistische Signifikanz (vgl. Kapitel 4.1.2, Tab. 4.2). Mit dem selben Datenmaterial konnte Zosso (2010) zeigen, dass die positive Erwartungsaktivierung mit der Diagnose einer affektiven Störung positiv assoziiert ist. Zosso definierte die positive Erwartungsaktivierung jedoch als Gesamtmass über die drei untersuchten Sitzungen hinweg. Dadurch erhielten sie mehr Gewicht, was die Power steigen liess. Dennoch scheint die Tendenz in Richtung mehr positiver Erwartungsaktivierung bei depressiven Störungen zu gehen. Dieses Resultat ist intuitiv einleuchtend, wird doch die Hoffnungslosigkeit als symptomatisch für depressive Patienten beschrieben. Dementsprechend wird sie in den gängigen Therapiemanualen früh thematisiert (z.B. durch das Formulieren von positiven Zielen und den Aufbau von positiven Aktivitäten, z.B. bei Hautzinger, 2003). Dem widerspricht das Resultat von Boxler (2010). Sie fand mit demselben Datenmaterial keine bedeutende Assoziation zwischen der positiven Erwartungsaktivierung und einer erhöhten Ausgangsdepressivität (BDI-Wert). In naturalistischen und videoaufgezeichneten Sitzungen wurde beobachtet, wie häufig erwartungsaktivierende Äusserungen in real stattfindenden Therapiesitzungen auftreten. Die gefundenen Ergebnisse zeigen keine systematische Thematisierung von positiven Erwartungen. Das Ausmass der positiven Erwartungsaktivierung in den Sitzungen 2, 5 und 8 ist dann auch nicht systematisch untereinander korreliert. Nur das Ausmass in Sitzung 2 und 8 steht in einem signifikanten positiven Zusammenhang. Wenn also in der zweiten Sitzung viele positive Erwartungen aktiviert worden sind, so ging das mit einer vermehrten positiven Erwartungsaktivierung in der Sitzung 8 einher. In der fünften Sitzung scheint etwas anderes stattzufinden. Da aufgrund der eingeschränkten Verfügbarkeit des Videomaterials nicht immer genau die fünfte Sitzung beurteilt werden konnte, wurde häufig auf die Sitzung davor oder danach ausgewichen. In diese Zeitspanne fällt die Ausformulierung der Therapieziele (eine Weisung der Psychotherapeutischen Praxisstelle verlangt die Formulierung der Therapieziele und die Erstellung der Fallkonzeption bis Sitzung 5). Dieses stärker strukturierte Vorgehen könnte eine Erklärung sein für die Andersartigkeit der positiven Erwartungsaktivierung in Sitzung 5. Demnach scheint die positive Erwartungsaktivierung kein stabiles Konstrukt zu sein, sondern abhängig von verschiedenen Einflussfaktoren. Patienten sowie Therapeutenmerkmale kommen dabei nur bedingt in Frage, da diese ja über alle Sitzungen konstant bleiben. Vielmehr ist es denkbar, dass das Ausmass an positiver Erwartungsaktivierung in Abhängigkeit von Therapieinhalten variiert. Gassmann (2002) fand, dass der tiefgreifendste Unterschied zwischen erfolgreichen und wenig erfolgreichen Patienten darin bestand, in welchem Ausmass sich die Patienten in der Therapiesitzung als kompetent und fähig erleben 
 
 




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5. Diskussion

konnten. Des Weiteren konnte Gassmann zeigen, dass erfolgreiche Patienten mit positiven Gefühlen in die Sitzung kommen. Sie fühlen sich schon zu Beginn der Sitzung kompetent, fähig und selbstsicher. Gassmann gibt dann auch die Handlungsempfehlung an die Therapeuten, ihre Patienten zu expliziten Äusserungen über ihre positiven Seiten zu ermuntern. Dass erfolgreiche Patienten schon positiv gestimmt (man kann sagen, mit positiven Erwartungen) in die Sitzung kommen (Gassmann, 2002), unterstreicht die Bedeutung der hier untersuchten Besserungserwartung und die Notwendigkeit, Strategien zu entwickeln für den Fall, dass eben wenig Besserungserwartung vorhanden ist. Das Aktivieren von positiven (Besserungs- und Selbstwirksamkeits-)Erwartungen scheint diesbezüglich eine vielversprechende Möglichkeit zu sein. Für die Abhängigkeit positiver Erwartungsaktivierung von Therapieinhalten sprechen auch die Eindrücke, die während des Ratings entstanden sind: In Sitzungen mit mehr positiver Erwartungsaktivierung wurde vermehrt problem- und lösungsorientiert gearbeitet, während in Sitzungen mit weniger positiver Erwartungsaktivierung mehr das Verständnis eines Phänomens im Vordergrund stand (klärungsorientiert). Dies sind jedoch unsystematische Beobachtungen, die noch weiterer empirischer Überprüfung bedürfen. Erste positive Hinweise diesbezüglich liefert diese Studie mit dem Nachweis eines positiven Einflusses von positiver Erwartungsaktivierung auf positive Bewältigungserfahrungen. Im Detail zeigte sich, dass die positive Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie zwar das Ausmass an positiven Bewältigungserfahrungen bei Patienten mit geringer Besserungserwartung voraussagen kann, nicht aber deren Verlauf. Das erste Teilergebnis ist vielversprechend. Gibt es doch Hinweise darauf, dass wenn in der Sitzung positive Erwartungen thematisiert werden, Patienten deutlich mehr positive Bewältigungserfahrungen machen. Dieses Resultat verspricht eine Möglichkeit, wie bei Patienten mit geringer Besserungserwartung wichtige frühe Erfolgserlebnisse gefördert werden können. Diese sind wichtig für ein positives Therapieergebnis. Es scheint, als könne mit positiver Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie Besserungs- und Selbstwirksamkeitserwartungen aufgebaut werden, welche die Patienten für die Inhalte der Therapie motivieren. Mehr positive Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie geht mit einer geringeren Anzahl Therapiesitzungen einher. Mehrere Interpretationen dieser Korrelation sind möglich. Es ist denkbar, dass die Patienten durch die Förderung von positiven Bewältigungserfahrungen mit der Aktivierung von positiven Erwartungen schneller ihre Therapieziele erreichen und daher weniger Therapiesitzungen brauchen. Ebenso ist es nicht auszuschliessen, dass positive Erwartungsaktivierung durch eine weitere Variable beeinflusst wird. Zum Beispiel könnte die vermehrte positive Erwartungsaktivierung 
 
 




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5. Diskussion

ein Ausdruck der Hoffnungslosigkeit bei schwierigen Patienten sein, die dann auch frühzeitig die Therapie beenden. In den erhobenen Daten findet sich keine Unterstützung für die zweite Interpretation. Positive Erwartungsaktivierung war unabhängig von verschiedenen Patientenvariablen wie der Besserungserwartung, dem globalen Funktionsniveau oder der Symptomschwere, die als Hinweise für schwierige Patienten gelten können. Patienten mit einer Hauptdiagnose auf Achse II des DSM-IV oder Patienten mit einer Suchterkrankung befanden sich keine in der Stichprobe, eine komorbide Störung lag bei fast allen Patienten vor und alle Patienten kamen freiwillig in die Psychotherapie. Für die erste, kausale Interpretation dagegen liefern die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit stärkere Hinweise. Auch wenn nicht alle potentiellen Störvariablen durch das nichtexperimentelle Design der Untersuchung kontrolliert werden konnten, kann aufgrund ihrer theoretischen Plausibilität, zeitlichen Ordnung und statistischen Assoziation dennoch ein kausaler Einfluss von der positiven Erwartungsaktivierung auf positive Bewältigungserfahrungen als sehr wahrscheinlich eingestuft werden. Für eine abschliessende Beurteilung sind jedoch weitere Untersuchungen mit experimentellem Design notwendig. Die Ergebnisse dieser Arbeit legen eine Differenzierung des Einflusses von positiver Erwartungsaktivierung nahe. Es scheint so, dass die Aktivierung von positiven Erwartungen nur dann sinnvoll ist, wenn sie nicht schon beim Patienten vorhanden sind. Es ist naheliegend, dass bei Patienten mit hoher Besserungserwartung positive Ergebnis- und Selbstwirksamkeitserwartungen ohne explizite Thematisierung in der Sitzung aktiviert sind. Die Aktivierung von positiven Ergebnis- und Selbstwirksamkeitserwartungen sind nur dann sinnvoll, wenn diese nicht schon vorhanden sind (Kirsch, 1995). Das zweite Teilergebnis der detaillierten Analyse ergab eine Unabhängigkeit der positiven Erwartungsaktivierung von der Entwicklung früher positiven Bewältigungserfahrungen. Auch bei Patienten mit geringer Besserungserwartung. Dafür dass bei Patienten früh in der Therapie positive Bewältigungserfahrungen kontinuierlich ansteigen, müssen andere Faktoren verantwortlich sein. Die Besserungserwartung, mit der die Patienten in die Therapie kommen, hatte einen tendenziell signifikanten Einfluss auf den Anstieg von frühen positiven Bewältigungserfahrungen. Sie scheint damit einen relativ stabilen Zustand abzubilden mit weitreichenden Auswirkungen auf den Therapieprozess. Mit positiver Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie können diese zwar bei geringer Besserungserwartung kurzfristig neutralisiert werden, es reicht jedoch nicht, dies in nur einer Sitzung zu tun. Vielmehr scheint es bei Patienten mit geringer Besserungserwartung zur Förderung von frühen positiven Bewältigungserfahrungen hilfreich zu sein, positive Erwartungen durch explizites Thematisieren in 
 
 




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5. Diskussion

jeder Sitzung Beachtung zu schenken. Durch die positive Erwartungsaktivierung gewinnen demoralisierte Patienten das verlorengegangene Vertrauen in die eigene Wirksamkeit zurück. Durch das explizite Thematisieren ihrer Ergebnis- und Selbstwirksamkeitserwartungen gelangen sie zu realistischen Einschätzungen ihrer Situation. Sie wissen wieder besser, was sie erreichen können, wie sie dort hinkommen und was es von ihnen an Engagement und Mitarbeit dazu braucht. Diese Zusammenhänge haben schon Frank und Frank (1991) beschrieben und die Wichtigkeit, sich diesen Wirkung in der Therapie zum Nutzen zu machen, betont. Diese Idee wurde seither von verschiedenen Autoren aufgegriffen und in Studien zu Therapievorbereitungen mit Fokus auf Therapieerwartungen auch empirisch bestätigt (Hoehn-Saric et al., 1964; Mathier, 2005). Constantino et al. (2006) haben versucht, dieses Potential für die Therapiepraxis nutzbar zu machen und dies in ihrem Manual zur Erwartungsaktivierung beschrieben. Nur wurde die Wirkung positiver Erwartungsaktivierung in der Praxis noch nie empirisch untersucht. Über die Gründe dafür lässt sich nur mutmassen. Einer davon wird sein, dass zu wenig empirische Nachweise für deren Relevanz existieren. Ohne empirischen Nachweis auf deren Relevanz werden auch keine Gelder für aufwendige und kostenintensive randomisierte kontrollierte Studien gesprochen. Mit der vorliegenden naturalistischen Studie in einer Routinepraxis wird dieser empirische Nachweis erbracht.

5.1.5.

Zusammenfassung und Integration Dass Psychotherapie wirkt, ist unbestritten. Durch Psychotherapie kann vielen Patienten

auf ganz persönlicher, individueller Ebene geholfen werden. Störungen werden kuriert, Symptome gehen zurück und das Wohlbefinden steigt an. Die Wirksamkeit der Psychotherapie wird im Durchschnitt mit einer Effektstärke von d = .85 angegeben (Smith, Glass & Miller, 1980, in Wampold, 2001). Dies ist ein grosser Effekt und bedeutet, dass es dem durchschnittlichen Patient mit Psychotherapie besser geht als 80% nicht behandelter Patienten. Doch es gibt immer wieder Patienten, die nicht von der Psychotherapie profitieren und die keine Veränderung nach der Behandlung feststellen oder sich gar verschlechtern. Ein Anliegen der aktuellen Psychotherapieforschung besteht darin, die Psychotherapie auch für Patienten wirksam zu machen, die bisher nicht davon profitieren konnten. Ganz im Sinne der differenziellen Indikation stellt sich je länger wie mehr die Frage nach der passenden Psychotherapie für den spezifischen Patienten unter den gerade vorherrschenden Bedingungen. Durch die zunehmende Differenzierung soll die Psychotherapie noch weiter verbessert und den individuellen Be
 
 




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5. Diskussion

dürfnissen der Patienten noch besser angepasst werden (z.B. Caspar, 2007). Es wird die Erforschung von Moderatoren gefordert, die es erlauben, mit der Psychotherapie noch mehr Patienten wirkungsvoll zu helfen. Es sind kleine oder mittlere Effekte, nach denen geforscht wird. Diese aber sollen den feinen Unterschied ausmachen. Wie zum Beispiel die Optimierung der Therapieanfangsphase bei Patienten mit geringer Besserungserwartung. Mittlerweile ist breit anerkannt, dass Erwartungen auf Besserung einen einflussreichen Effekt auf den Therapieprozess ausüben (R. P. Greenberg et al., 2006; Kirsch, 1990, 1999; Schulte, 2008; Snyder, 2000; Weinberger & Eig, 1999). Experten mit ganz unterschiedlicher Orientierung fordern verschiedentlich, die vorhandenen positiven Erwartungen zu nutzen und sie gerade bei Beginn der Therapie zu fördern. Einen praxisorientierten Vorschlag zur Umsetzung dieser Aufrufe machen Constantino et al. (2006) mit ihrem Konzept der Erwartungsaktivierung. Mit der Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie wird Patienten mit geringer Besserungserwartung geholfen, ihre Probleme schneller zu bewältigen und am Ende der Therapie besser von ihr zu profitieren. Ganz wie im Therapieprozessmodell früher Veränderungen vorausgesagt, hängt eine bessere Therapiezielerreichung mit einer stärkeren Anstrengungsbereitschaft zusammen. Der Knackpunkt für eine erfolgreiche Psychotherapie scheint im Engagement der Patienten zu liegen, d.h. in deren Bereitwilligkeit zur Mitarbeit und Arbeit auch ausserhalb der Sitzungen. Ganz im Sinne der Sozialen Kognition stehen aber Patientenvariablen wie die Anstrengungsbereitschaft oder Motivation immer auch in einer Wechselwirkung zu andern Patientenvariablen sowie auch zu Therapeutenvariablen. Das bedeutet, dass der Einfluss einer Variablen immer nur so gross sein wird, wie der Therapeut sich auf sie einzustellen vermag (Caspar & Grosse Holtforth, 2009). Für eine optimale Förderung der Anstrengungsbereitschaft ist schliesslich entscheidend, wie der Therapeut auf diese reagiert. Ein Patient wird sich nur solange motiviert zeigen, wie er sein angestrebtes Ziel (das für ihn einen bestimmten Wert besitzt) mit dem ihm vorhandenen Möglichkeiten zu erreichen glaubt (Austin & Vancouver, 1996; Snyder, 2000). Diese positiven Ergebniserwartungen sind notwendig, um den selbstregulatorischen Prozess durch Zwischenerfolge, die seine Selbstwirksamkeitserwartung stärken, aufrecht zu erhalten (Carver & Scheier, 1998). Wenn noch keine Zwischenerfolge erreicht worden sind (wie es häufig zu Beginn der Therapie der Fall sein wird) und der Patient auch wenig an eine Besserung glaubt, kann ein Therapeut diese positiven Ergebnis- und Selbstwirksamkeitserwartungen durch explizites Ansprechen fördern. Schwierig wird es, wenn sich Patienten ihrer Ziele noch wenig bewusst sind. Diese werden sich dadurch diffus und unfassbar präsentieren. Es ist denkbar, dass ein Patient dann 
 
 




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5. Diskussion

nach etwas strebt, was er vermeintlich als sein Ziel betrachtet, das jedoch sein vorbewusstes motivationales Ziel verdeckt. Zum Beispiel könnte ein Patient seine Autonomie gross schreiben und seine Unabhängigkeit in rastlosen Reisen zelebrieren, um sich vor Zurückweisung in einer Beziehung zu schützen. Dieser Patient würde auch in einer Psychotherapie als sein bewusstes Ziel die Unabhängigkeit anstreben. Es könnte sich jedoch im Verlauf der Therapie durch einen Klärungsprozess ein motivationales Konfliktschema herausstellen. Es ist denkbar, dass er auf einer motivationalen Ebene eigentlich nach einer verlässlichen intimen Beziehung strebt, sein Verhalten jedoch durch die Angst vor Zurückweisung und Verletzung geprägt ist. Seine Unabhängigkeit wird aufgewertet, um die erlebte Inkongruenz zu reduzieren. Doch auch wenn er sein verbalisierbares Ziel der Unabhängigkeit erreichen würde, würde das in diesem Fall die Inkongruenz nicht reduzieren. Im Gegenteil, es würde sie aufrecht erhalten. Für einen positiven Ausgang der Therapie ist es folglich unumgänglich, motivationale Bedürfnisse der Patienten mit den dazugehörenden motivationalen Zielen zu erkennen und durch Verbalisieren diese dem Bewusstsein zugänglich und damit fassbar zu machen. Nach Grawe (1998, 2004), der sich dabei auf Sachse (u.a. 2003) bezieht, wird im Klärungsprozess die Explizierung von motivationalen Zielen und Schemata ermöglicht. Frühe Klärungserfahrungen (erstes Therapiedrittel) können die Reduktion der Vermeidungsmotivation (Vermeidungsziele) vorhersagen, währenddem die Bewältigungserfahrungen erst im letzten Therapiedrittel prädiktiv sind (Grosse Holtforth et al., 2006). Die Reduktion der Vermeidungsmotivation am Ende der Therapie wird also durch Klärungs- und Bewältigungserfahrungen differenziell vorhergesagt. Es liegt nahe, dass Klärungs- und Bewältigungserfahrungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten in der Therapie auch die Abnahme der Inkongruenz bezüglich dieser motivationalen Ziele (Vermeidungsinkongruenz) vorhersagen. Gemäss der Studie von Grosse Holtforth et al. (2006) wäre demnach ein prädiktiver Effekt von späten positiven Bewältigungserfahrungen mit der Inkongruenzabnahme zu erwarten. In einer frühen Therapiephase scheinen es Klärungserfahrungen zu sein, die auf das Erleben von Inkongruenz einwirken. Der differentielle Veränderungsprozess in verschiedenen Phasen der Therapie kann neben der Unterscheidung zwischen Störungs- und Prozessperspektive als eine weitere Erklärung für die Nichtbestätigung des Therapieprozessmodells hinsichtlich der Ergebnisvariable Inkongruenzabnahme angesehen werden. Das Therapieprozessmodell früher Veränderungen wird also hinsichtlich der Ergebnisvariablen spezifiziert. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass das Modell weniger einen globalen Veränderungsprozess, als vielmehr einen Zielerreichungsprozess beschreibt. Die positiven Zusammenhänge mit der Symptomreduktion sind wohl zustande gekommen, weil eine Ab
 
 




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5. Diskussion

nahme der Störungssymptome fast immer auch als Therapieziel formuliert worden ist.

Abbildung 5.2. Angepasstes Therapieprozessmodell früher Veränderungen.

Die detaillierte Betrachtung der individuellen Zusammenhänge von positiver Erwartungsaktivierung und positiven Bewältigungserfahrungen hat gezeigt, dass bei Patienten mit geringer Besserungserwartung die Aktivierung von positiven Erwartungen in der zweiten Sitzung die individuellen Unterschiede in positiven Bewältigungserfahrungen unmittelbar beeinflusst (Ausgangswert, Intercept). Positive Bewältigungserfahrungen nehmen in den ersten zehn Sitzungen von Sitzung zu Sitzung zu. Diesen Anstieg vermag die positive Erwartungsaktivierung in Sitzung 2 jedoch nicht zu erklären. Auch nicht bei Patienten mit geringer Besserungserwartung. Zu untersuchen bleibt, ob sich wiederholte positive Erwartungsaktivierung günstig auf die Zunahme von positiven Bewältigungserfahrungen auswirkt. Im Gegensatz zu den Regressionsmodellen der Hypothesen H1.1 und H1.2 wurde in der detaillierten Analyse die individuelle Vorhersagekraft der positiven Erwartungsaktivierung in einer heterogenen Stichprobe einer Routinepraxis unter die Lupe genommen. Damit wurde die positive Erwartungsaktivierung einer strengen Prüfung unterzogen, welche die Wichtigkeit von positiven Erwartungen in der Anfangsphase der Psychotherapie zusätzlich unterstreicht. Die hier gefundenen Effekte sind alle nicht besonders gross. Verglichen mit anderen Effekten aus der Psychotherapieforschung, können sie jedoch problemlos mithalten. Wampold (2001) interpretiert einen Anteil an aufgeklärter Varianz ab r2 = 0.138 als einen grossen Effekt. Insbesondere in Anbetracht der hier untersuchten heterogenen Stichprobe einer Routinepraxis sind die in der vorliegenden Studie gefundenen Effekte als bemerkenswert einzustufen. Es ist theoretisch denkbar, dass die positiven Erwartungen über die Anstrengungsbereitschaft die positiven Besserungserwartungen vorhersagen, und dass der Zusammenhang von positiven Bewältigungserfahrungen und der Anstrengungsbereitschaft in die umgekehrte Richtung verläuft (Bandura, 1977). In den Untersuchungen von Bandura (1977) zeigte sich die Bewältigung einer gefürchteten Aufgabe als kein geeigneter Prädiktor für weitere Bewältigungserfahrungen. Besser konnte die Erwartung über die Selbstwirksamkeit das Ausmass an 
 
 




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5. Diskussion

Verhaltensänderung resultierend aus positiven Bewältigungserfahrungen voraussagen. Es ist daher auch denkbar, dass positive Bewältigungserfahrungen positive Erwartungen fördern, die sich wiederum auf das Verhalten auswirken. Aufgrund der Inderdependenz und Selbstorganisation der Phänomene sind solche Zusammenhänge durchaus zu erwarten. Insbesondere die Interdependenz von therapie- und patientenbezogenem Veränderungsprozess (positive Erwartungsaktivierung und Bewältigungserfahrungen) wird im Therapieprozessmodell explizit angenommen. Mit der zeitlichen Anordnung der Phänomene wurden die Richtungen der Einflüsse festgelegt. Es wurde explizit die spätere Anstrengungsbereitschaft (ab der zehnten Sitzung) durch die frühen positiven Bewältigungserfahrungen (bis zur zehnten Sitzung) vorhergesagt, wodurch ein umgekehrter Einfluss ausgeschlossen werden kann. Aus den gleichen Überlegungen heraus wurden die positiven Bewältigungserfahrungen ab Sitzung 2 bis 10 auf die positive Erwartungsaktivierung in Sitzung 2 regrediert. Nicht ausgeschlossen werden kann jedoch eine Beeinflussung der frühen Anstrengungsbereitschaft auf positive Bewältigungserfahrungen und eine Beeinflussung der vortherapeutischen positiven Bewältigungserfahrungen auf die positiven Erwartungen. In der vorliegenden Arbeit wurden nicht die positiven Erwartungen per se in Sitzung 2 gemessen, sondern deren explizite Aktivierung. Hinweise darauf, dass explizites Aktivieren von positiven Erwartungen bei Patienten mit geringer Besserungserwartung in einem stärkeren Ausmass festzustellen war, gab es keine. Einen gewissen remoralisierenden Einfluss ausüben könnte aber das an der Psychotherapeutischen Praxisstelle der Universität Bern vor Therapiebeginn durchgeführte Abklärungsprozedere bestehend aus Erstgespräch, diagnostischem Interview und Systemgespräch. Es ist denkbar, dass durch diesen ersten Therapeutenkontakt positive Erwartungen gestärkt werden können. Erste Resultate von T. Berger (persönliche Kommunikation, 5. Mai 2011) deuten darauf hin, dass ein telefonisch durchgeführtes diagnostisches Interview (SKID-Interview) die Übungsrate bei einem internetbasierten therapeutengeleiteten Selbsthilfeprogramm vorhersagen kann. In der vorliegenden Arbeit wurden die Subgruppen aufgrund der Besserungserwartung gebildet, deren Messzeitpunkt nach dem Erstgespräch und oft auch nach dem diagnostischen Interview stattgefunden hat. Die Daten zeigen, dass es trotz Erstgespräch und diagnostischem Interview Patienten gibt, die noch immer mit wenig Besserungserwartung in die Therapie starten. Weitere Untersuchungen dazu sind in Arbeit. Über den Ursache-Wirkungszusammenhang geben die Ergebnisse keine abschliessende Auskunft. Sie stellen allein Beobachtungen dar, die auf Unterschiede hinsichtlich des Faktors Erfolg überprüft worden sind. Ob die Patienten nun erfolgreich waren, weil sie mit mehr positiven Selbstwirksamkeitserwartungen in die Sitzung kamen oder ob ihre Bewältigungserfah
 
 




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5. Diskussion

rungen sie positiver bzw. zuversichtlicher stimmten, sei dahingestellt. Die Erwartungstheorien würden einen kausalen Einfluss von der Erwartung auf das Ergebnis voraussagen. Die hier vorliegenden Ergebnisse sind zu dieser abschliessenden Klärung aber nicht in der Lage. Auch sind patienten- und therapiebezogene Veränderungsprozesse aufgrund ihrer Interdependenz schwerlich in Ursache und Wirkung zu trennen (Grosse Holtforth et al., 2004), was jedoch für therapeutische Handlungsanweisungen wichtig wäre. Aus diesem Grund wird hier bewusst auf Handlungsregeln für die Therapeuten verzichtet.

5.2.

Positive Erwartungen in der Psychotherapie Die vorliegende Arbeit verfolgte das Ziel, Erwartungen in der Anfangsphase der Psy-

chotherapie besser zu verstehen. Im Spezifischen beschäftigte sie sich mit dem Konzept der positiven Erwartungsaktivierung als Veränderungsprozess bei Patienten, bei denen eben diese positiven Erwartungen zu gering vorhanden sind. Patienten mit geringer Besserungserwartung machen weniger positive Bewältigungserfahrungen in den ersten zehn Sitzungen, strengen sich in der Folge weniger an und erreichen insgesamt ihre Therapieziele weniger gut als Patienten mit hoher Besserungserwartung. Es scheint, dass mit der expliziten Thematisierung von positiven Erwartungen (Besserungs- und Selbstwirksamkeitserwartungen) auf die wichtigen positiven Bewältigungserfahrungen Einfluss genommen werden kann. Wenn bei Patienten mit geringer Besserungserwartung zu Beginn der Therapie Besserungs- und Selbstwirksamkeitserwartungen thematisiert werden, machen die Patienten mehr positive Erfahrungen hinsichtlich der Bewältigung ihrer Probleme. Erwartungen sind ein wichtiger aktiver Bestandteil jeder Heilform. So auch in der Psychotherapie. Verschiedene Autoren haben dies propagiert und mit der vorliegenden Arbeit wird ihr Potential für die Psychotherapie noch zusätzlich empirischen untermauert. Doch mit der näheren Betrachtung tauchen auch wieder neue, unbeantwortete Fragen auf: Ist ein mehr an positiven Erwartungen immer besser oder gibt es ein zuviel an positiver Erwartungen? Was ist, wenn die positiven Erwartungen enttäuscht werden? Welche Rolle spielen negative Erwartungen? Sollte man diese besser nicht ansprechen, um sie nicht noch stärker zu aktivieren? Welche Rolle spielen die Erwartungen des Therapeuten? Und wie interagieren diese mit den Erwartungen des Patienten? Es gibt noch keine abschliessenden Antworten auf diese Fragen. Für die Erreichung des Ziels, die Psychotherapie ein wenig besser zu verstehen, werden noch viele kleine Zwischenschritte nötig sein. Doch Fragen stehen immer am Anfang jeglichen Verständnisses. 
 
 




131





5.3.

Methodische Überlegungen

5.3.1.

Zum Design der Studie

5. Diskussion

In der vorliegenden Arbeit sollte ein angemessener Zugang zum Phänomen der positiven Erwartungen in der Psychotherapie und deren früher Aktivierung geschaffen werden. Die in der Theorie viel diskutierte Rolle von positiven Ergebniserwartungen in der Psychotherapie sollte auf empirischer Basis erkundet und beschrieben werden. Das Interesse lag insbesondere auf dem Therapieprozess und der Frage, wie positive Erwartungen besser dafür genutzt werden können. Die hier verwendeten Methoden wurden dementsprechend gewählt. Das Vorhaben erwies sich als anspruchsvoll, da die Stichprobe nicht auf experimentell-randomisierter Grundlage gezogen werden konnte und deshalb eine quasiexperimentelle bzw. Post-hocSelektion stattfand. Als Herausforderung erwies sich auch das Konstrukt der Erwartung an sich. In der Literatur wird unter dem Begriff Erwartung ganz Unterschiedliches verstanden, wodurch auch in den empirischen Ergebnissen Unklarheiten vorherrschen. So wird häufig nicht spezifiziert, ob nun Ergebnis-, Selbstwirksamkeits- oder Rollenerwartungen untersucht werden. Therapieerwartungen ist ein Oberbegriff, der Ergebnis- und Rollenerwartungen subsummiert. Besserungserwartungen sind positive Ergebniserwartungen. Als Reaktionserwartung beschreibt Kirsch die Erwartungen über unwillkürliche Reaktionen auf einen Stimulus oder ein Verhalten (Kirsch, 1985a). In diesem Sinne betont die Reaktionserwartung stärker als der etwas allgemeiner gefasste Begriff der Ergebniserwartung die aktive Beteiligung des Erwartenden am Ergebnis. Für den Psychotherapiekontext ist sie damit noch präziser. Die konzeptuell sinnvolle Präzisierung der Erwartungen ist bei der Operationalisierung der Beurteilung aufgrund ihrer Interdependenz jedoch kaum zu bewerkstelligen. In der vorliegenden Arbeit wurde die Definition möglichst auf positive Ergebniserwartung (Besserungserwartung) und Selbstwirksamkeitserwartungen eingegrenzt. Reaktionserwartungen sind in diesen Definitionen unweigerlich auch mit eingeschlossen. Mit der definitionsgemäss vorhandenen Abhängigkeit der Erwartungen vom Kontext zeigte sich eine weitere konzeptuelle Schwierigkeit. Dadurch lässt sich eine Isolierung der Erwartung von anderen Einflüssen nur schwer bewerkstelligen. Das Konzept der Erwartungsaktivierung von Constantino et al. (2006) bot da eine interessante Möglichkeit, das Thema der Erwartung in der Psychotherapie anzugehen, ohne von den genannten Schwierigkeiten schachmatt gesetzt zu werden. Die Idee hinter der Erwartungsaktivierung ist die Nutzung der Erwartungen für einen besseren Prozess und ein erfolgreiches Therapieergebnis. Mit dem 
 
 




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5. Diskussion

Ansprechen und Thematisieren von Patientenerwartungen sollte die Aufmerksamkeit auf sie gerichtet werden, womit positive Erwartungen gefördert und negative entkräftet werden sollen. Dieses Vorgehen eignet sich, um den Einfluss von Therapieerwartungen indirekt zu untersuchen. Die Rahmenbedingungen, innerhalb derer diese Arbeit entstanden ist, stellten eine weitere Herausforderung dar. Einerseits sollte Prozessforschung betrieben werden, auf der anderen Seite sollte aber auch der gewohnte Ablauf an der Psychotherapeutischen Praxisstelle so wenig wie möglich gestört werden. Es wurde ein pragmatisches Vorgehen gewählt, das dem Stand der Forschung gerecht wurde und gänzlich nicht-invasiv ist. Das umfangreiche Archivmaterial an videoaufgezeichneten Therapiesitzungen bot dazu eine optimale Möglichkeit. Für die Ableitung von theoretisch fundierten gerichteten Hypothesen bot die Literatur zur Erwartung genügend Material. Es sollte beobachtet werden, ob die Thematisierung von positiven Erwartungen den angenommenen positiven Einfluss auf die Therapie ausüben. Da die Therapiesitzungen alle schon durchgeführt worden sind, konnte die Erwartungsaktivierung nicht manipuliert werden. Die Sitzungen fanden unter grösstmöglichen naturalistischen Bedingungen statt. Das Vorgehen war passiv-beobachtend. Damit ist der Versuchsplan an der Grenze zu den explorativen Verfahren anzuordnen, deren Ziel es ist, zu entdecken, ob eine unabhängige Variable einen potentiellen Erklärungswert für eine abhängige Variable hat. Streng methodisch betrachtet, sollte bei einer derartigen Untersuchung nicht hypothesenprüfend vorgegangen werden. Da aber in der Literatur, wie schon erwähnt, genügend Hinweise für ein theoretisches Modell vorhanden waren, hätte es wenig Sinn gemacht, diese Tatsache zu ignorieren und auf die Formulierung von Hypothesen zu verzichten. Doss (2004) liefert mit seinem Rahmenwerk eine Systematik, die beide Aspekte in ein umfassendes Forschungsvorgehen integriert. Das Vorgehen ist hypothesenprüfend, wobei bei der Interpretation der Resultate die Entdeckung von Zusammenhängen stärker gewichtet wurde als auf deren Nachweis. Für zukünftige Studien wäre aber auf die experimentelle Prüfung der hier untersuchten Hypothesen in einem z.B. additiven Design mit Kontrolle aller möglichen patientenbzw. therapeutenbezogener Störvariablen durch Randomisierung der Stichprobe nicht zu verzichten. Grundsätzlich wäre es auch denkbar gewesen, Subgruppen miteinander zu vergleichen (z.B. in einem 2x2-Design mit den Variablen positive Erwartungsaktivierung und Therapieerfolg). Die Nachteile eines Gruppenvergleichs beschreibt das folgende Kapitel. Aufgrund der hier angewendeten Ein-Gruppen-Studie war eine Ausbalancierung von möglichen Störvariablen nicht möglich. Deshalb können auch keine abschliessenden Aussa
 
 




133





5. Diskussion

gen über die hier untersuchten Zusammenhänge gemacht werden (vgl. dazu auch Kapitel 5.3.3 zur Validität der Ergebnisse). Für die Beurteilung der statistischen Ergebnisse ist ausserdem wichtig zu betonen, dass die Ergebnisse aus der Prozessbeurteilung (Erwartungsaktivierung) stärker einer gewissen „sozialen Konstruktion“ unterliegen (Hill et al., 2005). Mit den verhaltensnahen Definitionen, exemplarischen Beispielen, ausgiebigen und intensiven Trainings sowie stetiger Überprüfung und Überarbeitung des Manuals sind die Kategorien der Erwartungsaktivierung weitgehend standardisiert worden. Doch obwohl sie sich auch in der entsprechenden Überprüfung als reliabel erwiesen haben, erfordert die Beurteilung vom Beobachter immer eine interpretative Leistung, deren Ergebnis interindividuell ähnlich, jedoch unterschiedlich sein kann. Egger (2006) schreibt dazu: „Eine hohe Beurteilerübereinstimmung lässt zwar Rückschluss auf ein vergleichbares Verständnis der manualisierten Regeln zu, gleichzeitig könnte sie allerdings auch auf ein ähnliches übergeordnetes Interpretationssystem der Beobachter zur Beschreibung der Erfahrungen in der äusseren Welt zurückgeführt werden. Dieses muss sich nicht zwingend mit den der Untersuchung zugrunde liegenden theoretischen Postulaten decken“. (S. 213) Die Ergebnisse dieser Studie sollten immer auch unter diesen Gesichtspunkten betrachtet werden. Trotz diesen Herausforderungen und Einschränkungen bleibt hervorzuheben, dass mit dieser Arbeit qualitatives Vorgehen mit quantitativen Verfahren kombiniert wurde, um einen einzigartigen, naturalistischen Einblick in die Anfangsphase der Psychotherapie zu ermöglichen. Die nicht-invasive Videokodierung verhinderte ausserdem Störeffekte, die durch einen Beobachter entstehen können (sog. Beobachterparadoxon, Brinker & Sager, 2001). Zudem bestand die Möglichkeit, die Sequenzen unbeschränkt zu wiederholen.

5.3.2.

Zu den verwendeten Methoden Die zu untersuchende Variable konnte wegen der Post-hoc-Selektion keiner experimen-

tellen Manipulation unterzogen werden und wurde folglich in ihrer naturalistischen Bedingungen beobachtet. Dazu wurde ein Ratingverfahren entwickelt, das erlaubt, die explizite Aktivierung von Erwartungen auf Mikroprozessebene zu erfassen. Die Kategorien der MACE zeigten sich bei der Überprüfung als akzeptabel bis sehr reliabel. 
 
 




134





5. Diskussion

Anstatt der hier verwendeten Regressionsanalysen wären für die Überprüfung der Modellhypothesen auch partielle Korrelationen mit Kontrolle der Ausgangsbelastung denkbar gewesen. In beiden Verfahren werden empirische Masse ermittelt, die etwas über die Abhängigkeit zweier Merkmale aussagen. Die Regression sagt zusätzlich etwas über die Beschaffenheit des Zusammenhangs aus, während die Korrelation lediglich dessen Stärke beschreibt. Mit der Regression lassen sich ausserdem die Werte einer Variable voraussagen, womit die Aufdeckung kausaler Zusammenhänge mehr Gewicht erhält. Eine partielle Korrelation hätte dem grundlegenden kausalen Charakter noch stärker widersprochen. An dieser Stelle drängt sich die Frage auf, weshalb denn nicht auf Kausalanalysen für Ein-Gruppen-Studien zurückgegriffen worden ist (z.B. lineare Strukturgleichungsmodelle, Pfadanalysen). Diese Verfahren erlauben kausale Abhängigkeiten zwischen bestimmten Merkmalen zu untersuchen. Durch das ressourcenintensive Datenerhebungsverfahren des Sitzungsratings sowie durch die Einschränkungen beim Videomaterial konnte die Stichprobengrösse nicht beliebig vergrössert werden. Die Stichprobengrösse für Strukturgleichungsmodelle werden in der Literatur und von angesehenen Statistiker bei einem Minimum von N = 100 angesetzt (z.B. Backhaus et al., 2006; Orth, 2009). Dieses Minimum hätte ein Rating von 300 Sitzungen bedeutet. Mit der Beschränkung des Ratings auf nur eine Sitzung (z.B. Sitzung 2) hätte sich die Anzahl der untersuchten Therapien steigern lassen können. Im Nachhinein betrachtet wäre ein derartiges Vorgehen wohl sinnvoll gewesen. Zum Zeitpunkt der Planung der Studie stand ganz im Sinne eines explorativen Vorgehens die Breite der zu erhebenden Daten im Vordergrund. Damit sollte sicher gestellt sein, dass nach dieser ersten Auswertung weitere explorative Analysen zum besseren Verständnis der Erwartungsaktivierung durchgeführt werden können (z.B. über den frühen Verlauf von Erwartungsaktivierung, über die Auswirkung der Thematisierung von negativer Erwartung oder über die Differenzierung zwischen der vom Therapeuten und der vom Patienten initiierten Erwartungsaktivierung). Es wäre grundsätzlich auch möglich gewesen, die Subgruppen mit Verfahren für Gruppenvergleiche einander gegenüber zu stellen (z.B. mit t-Tests für unabhängige Gruppen oder Varianzanalysen). Gruppenvergleiche hätten aber mehrere Nachteile gebracht. Eine Teilung der Gruppe anhand des Medians ist immer eine künstliche Teilung. Es wäre inhaltlich schwierig zu argumentieren gewesen, weshalb ein Patient mit einem bestimmten Wert in die eine Gruppe gehört, währenddessen ein anderer mit einem Wert knapp darüber zur anderen Gruppe gezählt wird. Extremgruppenvergleiche wiederum gehen auf Kosten der Power, indem sie die Stichprobengrösse reduzieren. Die Nachteile von Varianzanalysen im Vergleich zu Mehrebenenmodellen wurden schon im Methodenteil beschrieben (vgl. Exkurs zu den Mehrebe
 
 




135





5. Diskussion

nenmodellen). Ein weiterer Nachteil hätte sich durch die für einen Teilbereich reduzierte Stichprobengrösse (aufgrund der vielen fehlenden Werten) ergeben. Dadurch wären Gruppen von einem N =13 für Patienten mit wenig Besserungserwartung und einem N = 15 für Patienten mit viel Besserungserwartung entstanden. Diese Auswirkung auf die Power hätte eine Signifikanzprüfung quasi verunmöglicht. Um nicht noch mehr Power einzubüssen, wurde auf ein Gruppendesign verzichtet.

5.3.3.

Zur Validität der Ergebnisse Die hier berichteten Ergebnisse sollten immer auch im Hinblick ihres Kontextes disku-

tiert werden, in dem sie entstanden sind. Die erhobenen Daten sind durch Selbsteinschätzungen der Patienten oder Therapeuten sowie durch unabhängige Beobachter entstanden. Dies bedeutet immer nur eine Annäherung an das tatsächliche Konstrukt, das erhoben werden soll. So kann dieselbe Anstrengungsbereitschaft, dieselbe positive Bewältigungserfahrung oder dasselbe Ausmass an positiver Erwartungsaktivierung je nach Kontext (oder Perspektive) unterschiedlich wahrgenommen und beurteilt werden. Zu berücksichtigen gilt es auch die vielen fehlenden Werte in den Therapieergebnisvariablen. Die Resultate über den Einfluss der Anstrengungsbereitschaft auf das Therapieergebnis (H1.1) sind dadurch eventuell beeinträchtigt. Hinweise auf eine Systematik gab es zwar keine. Dennoch könnte eine bestanden haben durch eine Variable, die nicht erhoben worden war (z.B. die Unsicherheit des Therapeuten). Eine weitere Schwäche der Ergebnisse besteht in der Undifferenziertheit der Perspektiven Patient oder Therapeut bei der positiven Erwartungsaktivierung. Obwohl in der Theorie auf eine derartige Abhängigkeit nicht eingegangen wird, ist dennoch denkbar, dass positive Erwartungsaktivierung, die vom Therapeuten oder vom Patienten initiiert wird, differenziell auf das Stundenergebnis wirkt. Vom Patienten initiierte Erwartungsaktivierung könnte sogar ein Hinweis auf schon vorhandene positive Erwartungen sein. Eine zusätzliche Erwartungsaktivierung könnte dann überflüssig sein. Bei der Entwicklung der MACE wurde darauf geachtet, dass diese Differenzierung möglich wird. Die Ratingmaske wurde aber leider so konfiguriert, dass die so erhobenen Daten für derartige Differenzierung erst in einem umständlichen und aufwendigen Verfahren aufgearbeitet werden müssen. Diese Schwierigkeit bei der Datenanalyse aufgrund der Erfassungsmodalität wurde vor der ersten Datenerhebung nicht vorausgesehen. Für weitere Analysen lohnt es sich, die Ratingmaske neu zu konfigurieren, um später die Perspektivenabhän
 
 




136





5. Diskussion

gigkeit leichter in die Analysen einzubeziehen. Auf die Herausforderungen durch das multiple Hypothesentesten wurde im Methodenteil unter Kapitel 3.7.5 schon eingegangen. Die Interpretation der Ergebnisse sollten auch immer unter diesem Aspekt betrachtet werden. Die grösste Schwierigkeit für die Validität der Ergebnisse liegt wahrscheinlich im Einstichprobe-Design ohne Kontrollgruppe (vgl. auch Kapitel 5.3.1). So können potentielle Störvariablen nicht ausbalanciert werden und die Effekte lassen sich nicht ausschliesslich auf die unabhängigen Variablen zurückführen. Aufschlussreich wären allenfalls die Analyse von interpersonalem Verhalten der Patienten (und in der Interaktion mit dem Therapeuten). Rumpold et al. (2005) konnten zeigen, dass kompetitives interpersonales Verhalten und die Therapieerwartung negativ korrelieren. Ausserdem werden schwierige Patienten durchgehend mit schlechterem Therapieergebnis in Zusammenhang gebracht (Grosse Holtforth, Pincus, Grawe, Mauler & Castonguay, 2007; Horowitz, Rosenberg & Bartholomew, 1993; Puschner, Kraft & Bauer, 2004; Rossberg, Karterud, Pedersen & Friis, 2008). Eine wichtige Variable könnte auch die Fähigkeit des Therapeuten sein, sich auf besondere Voraussetzungen bei einem Patienten so gut wie möglich einzustellen (sog. „Responsiveness“, Caspar & Grosse Holtforth, 2009). Mit dem Konzept der „Motivorientierten Beziehungsgestaltung“ (Caspar, 2007, 2008) sehen Caspar und Grosse Holtforth (2009) eine Form von Responsiveness. Das Modell der Motivorientierten Beziehungsgestaltung sieht vor, dass sich Patienten vor dem Hintergrund ihrer Motive verhalten. Ein Therapeut sollte sich zu diesen Motiven komplementär in Beziehung setzen, d.h. diese unterstützen (Komplementarität wird hier nicht im Sinne der Interpersonalen Kreismodelle nach Leary gemeint). Dadurch kann sich der Patient erst auf die Therapie und ihre Inhalte einlassen. Es entsteht eine Beziehung, die tragbar, wertschätzend und korrigierend ist. Korrektive Erfahrungen in der Beziehung können sehr direkt zur Veränderung beitragen (Caspar & Grosse Holtforth, 2009). Der Vorschlag, das Modell von Doss (2004) durch dyadische und systemische Aspekte der therapeutischen Beziehung als separates Veränderungskonstrukt zu ergänzen, wurde auch schon angebracht (Grosse Holtforth et al., 2004). Zum Schluss bleibt abermals darauf hinzuweisen, dass weitere und kausale Analysen zur positiven Erwartungsaktivierung sowie ihren Gegenpart der negativen Erwartungsaktivierung und weiteren erwartungsaktivierenden Komponenten (u.a. das Ansprechen von Verbesserungen, der Hilflosigkeit, das Normalisieren etc.) nötig sind. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit sind der erste Schritt dazu. 
 
 




137



5.4.



5. Diskussion

Zusammenfassung und Ausblick Es war Ziel dieser Arbeit, die Erkenntnislage zum Konzept der positiven Erwartungsak-

tivierung als psychotherapeutischer Veränderungsprozess zu erweitern und deren Auswirkung auf die Therapie zum ersten Mal zu überprüfen. Dazu wurde nach dem Vorgehen von Doss (2004) ein theoretisches Modell aus der Theorie abgeleitet und dieses auf seine Validität hin überprüft. Die Diskussion der Ergebnisse verdeutlicht, dass positive Erwartungsaktivierung bei Patienten mit geringer Besserungserwartung positive Bewältigungserfahrungen voraussagen können. Mit positiven Bewältigungserfahrungen wird die Anstrengungsbereitschaft positiv beeinflusst, die sich wiederum positiv auf die Erreichung der Therapieziele auswirkt. Es zeigte sich auch ein differenzieller Effekt dahingehend, dass bei Patienten mit geringen Besserungserwartungen die positive Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie zwar unmittelbar die Wahrnehmung von positiven Bewältigungserfahrungen voraussagen kann, nicht aber deren weiteren Verlauf. Es wurde argumentiert, dass bei diesem Klientel positive Erwartungsaktivierung in jeder Sitzung eingebaut werden soll. In der methodenkritischen Diskussion dieser Arbeit wurde darauf hingewiesen, dass abschliessende Kausalaussagen als verfrüht erachtet werden. Ganz im Sinne von Doss würden an dieser Stelle die Schritte 8, 9 und 10 einer systematischen Erforschung der Wirkungsweise von Psychotherapie folgen. Diese liessen sich wie folgt spezifizieren: Schritt 8, die experimentelle Manipulation des therapiebezogenen Veränderungsprozesses. Die Notwendigkeit dieses Schrittes wurde schon mehrfach gefordert. Die positive Erwartungsaktivierung als therapiebezogener Veränderungsprozess sollte in einem experimentellen Design manipuliert und überprüft werden. Schritt 9, das ganze Therapiepaket kürzen, um den Fokus auf therapeutische Veränderungsprozesse zu richten. Für weitere (manipulierte) Studien sollten ineffektive Therapeuteninterventionen oder Therapiekomponenten eliminiert werden, um so einen grösseren klinischen Nutzen aus der Therapie zu erzielen. Und schliesslich Schritt 10, für eine Generalisierung das Veränderungsmodell einer Wirksamkeitsüberprüfung unterziehen. Das experimentell überprüfte und validierte Veränderungsmodell sollte schliesslich wieder in verschiedenen Patientenpopulationen und Subpopulationen untersucht werden. Die Arten, Zeitpunkte und Anwendungen von Veränderungsprozessen sollten wenn nötig modifiziert und angepasst werden. So gesehen wurden in der vorliegenden Arbeit die Schritte 9 und 10 schon ansatzweise umgesetzt. 
 
 




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5. Diskussion

Zum Abschluss schliesslich noch dies: Auch der Psychotherapeut ist durch bestimmte Erwartungen geprägt. Diese umfassen ebenfalls persönliche Reaktionserwartungen (z.B. darüber, wie gut es ihm gelingt, eine tragfähige Beziehung aufzubauen), aber auch ganz spezifische Erwartungen aufgrund seiner Fallkonzeption des Patienten. Diese ist geprägt durch sein theoretisches Wissen über das menschliche Verhalten und menschlicher Veränderungsprozesse. Jeder Therapeut bewegt sich innerhalb eines theoretischen Bezugsrahmens, der auch seine Erwartungen beeinflusst (gegenseitige Beeinflussung von Attributionen und Erwartungen, Ajzen & Fishbein, 1977; Fishbein & Ajzen, 1974). Interessant wäre, diese Interaktion von Therapeut- und Patientenerwartungen zu untersuchen, um Aussagen über die Funktion der Passung zwischen Therapeut- und Patientenerwartungen machen zu können. Dazu könnten anhand der vorliegenden MACE-Daten Episoden mit und ohne positive Erwartungsaktivierung ausgewählt werden, um diese hinsichtlich ihrer interpersonalen Prozesse mit Hilfe z.B. der Structural Analysis of Social Behavior (SASB) von Benjamin (1974) zu kodieren und zu vergleichen. Die Ergänzung des Therapieprozessmodells früher Veränderungen um interpersonale Prozesse würde das Verständnis relevanter Veränderungsprozesse im Zusammenhang mit positiven Erwartungen in der Psychotherapie zusätzlich bereichern.


 
 




139



6.



6. Referenzen

REFERENZEN

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148





6. Referenzen

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Abbildungsverzeichnis

ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1.1: Multiphasenmodell nach Doss (2004)

4

Abbildung 1.2: Konsistenztheoretisches Modell nach Grawe (1998, 2004)

7

Abbildung 1.3: Angenommenes Veränderungsmodell in Anlehnung an Doss (2004)

19

Abbildung 1.4: Therapieprozessmodell früher Veränderungen bei Patienten mit geringer Besserungserwartung 21 Abbildung 1.5: Vase oder Gesichter?

22

Abbildung 1.6: Die Hoffnungstheorie nach Snyder (2002)

28

Abbildung 1.7: Integratives Erwartungsmodell von Kirsch (1995)

31

Abbildung 1.8: Angepasstes Modell nach Kirsch (1995)

32

Abbildung 2.1: Das Therapieprozessmodell früher Veränderungen mit den entsprechend eingezeichneten Hypothesen für die angenommenen Zusammenhänge und Vorhersagekraft 37 Abbildung 3.1: Ablauf des Auswahlverfahrens

42

Abbildung 3.2: Schematische Darstellung der hierarchischen Struktur der Daten, übernommen aus Tasca & Gallop (2009) 75 Abbildung 3.3: Verlauf von positiven Bewältigungserfahrungen

82

Abbildung 3.4: Gemittelter Verlauf von positiven Bewältigungserfahrungen

82

Abbildung 4.1: Schematische Darstellung des Verlaufs von positiven Bewältigungserfahrungen 106 Abbildung 4.2: Prototypische Verlaufskurven für Modell D

112

Abbildung 5.1: Schematische Zusammenfassung der Resultate

116

Abbildung 5.2: Angepasstes Therapieprozessmodell früher Veränderungen

128


 
 




150





Tabellenverzeichnis

TABELLENVERZEICHNIS Tabelle 3.1: Überblick über die verwendeten Masse

45

Tabelle 3.2: Skalen des Patienten-, bzw. Therapeutenstundenbogens 2000

49

Tabelle 3.3: Überblick über die eingeschätzten Therapiesitzungen

60

Tabelle 3.4: Übersicht über die Gründe fehlender Postwerte von 26 Patienten

65

Tabelle 4.1: Intraklassenkorrelationen der MACE-Kategorien auf Stundenbasis

87

Tabelle 4.2: Deskriptive Statistik der positiven Erwartungsaktivierung zu den verschiedenen Messzeitpunkte 88 Tabelle 4.3: Deskriptive Statistik der Stichprobe und den nach dem potentiellen Moderator getrennten Subgruppen 90 Tabelle 4.4: Deskriptive Statistik der Symptombelastung, Inkongruenz, Zieleinschätzung und allgemeines Wohlbefinden 92 Tabelle 4.5: Multiple Regression zur Vorhersage der Therapieergebnisvariablen durch die Anstrengungsbereitschaft ab Sitzung 10, kontrolliert für die Ausgangsbelastung 93 Tabelle 4.6: Multiple Regression zur Vorhersage der späteren Anstrengungsbereitschaft durch frühe positive Bewältigungserfahrungen, kontrolliert für die Ausgangsbelastung 94 Tabelle 4.7: Multiple Regression zur Vorhersage der Therapieergebnisvariablen durch frühe positive Bewältigungserfahrungen, kontrolliert für die Ausgangsbelastung 95 Tabelle 4.8: Mediatoranalyse zum Zusammenhang der späteren Anstrengungsbereitschaft, frühe positiven Bewältigungserfahrungen und dem Therapieergebnis, kontrolliert für die Ausgangsbelastung 96 Tabelle 4.9: Multiple Regression zur Vorhersage der frühen positiven durch frühe positive Erwartungsaktivierung, kontrolliert für die Ausgangsbelastung 97 Tabelle 4.10: Moderatoranalyse zum Einfluss der Besserungserwartung vor der Therapie auf die Vorhersage von frühen positiven Bewältigungserfahrungen durch positive Erwartungsaktivierung in Sitzung 2, kontrolliert für die Ausgangsbelastung 99 Tabelle 4.11: Unbedingtes Mittelwertmodell A mit Parameter, Koeffizienten und Standardfehler 101 Tabelle 4.12: Bedingtes Mittelwertmodell B1 mit dem Prädiktor positive Erwartungsaktivierung in Sitzung 2, Parameter, Koeffizienten und Standardfehler 102 Tabelle 4.13: Bedingtes Mittelwertmodell B2 mit den Prädiktoren positive Erwartungsaktivierung in Sitzung 2 und der Besserungserwartung mit Parameter, Koeffizienten und 
 
 




151





Standardfehler

Tabellenverzeichnis

103

Tabelle 4.14: Bedingtes Mittelwertmodell B4 mit den Prädiktoren positive Erwartungsaktivierung in Sitzung 2 und der Besserungserwartung, nach Subgruppen getrennt 104 Tabelle 4.15: Unbedingtes Wachstumsmodell C mit Parameter, Koeffizienten und Standardfehler 105 Tabelle 4.16: Varianzkomponenten des unbedingten Wachstumsmodells C mit Parameter, Koeffizienten, Standardfehler 106 Tabelle 4.17: Vergleich von Modell A und C mit Parameter, Koeffizienten und Standardfehler 107 Tabelle 4.18: Übersicht über die Modelle

108

Tabelle 4.19: Ergebnisübersicht der Modelle mit Parameter, Koeffizienten und Standardfehler 110 Tabelle 4.20: Ergebnisübersicht der Modelle mit Parameter, Koeffizienten und Standardfehler 111 Tabelle 4.21: Prototypische Verlaufskurven für Modell D mit Dichotomisierung der positiven Erwartungsaktivierung am Stichprobenmittelwert plus/minus eine halbe Standardabweichung 112


 
 




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Philosophisch-humanwissenschaftliche Fakultät Dekanat Gesellschaftsstrasse 49, CH-3012 Bern

Erklärung zur Dissertation Hiermit bestätige ich, dass ich die Dissertation (Titel):

Positive Erwartungsaktivierung in der Psychotherapie – Der Einfluss von positiver Erwartungsaktivierung zu Beginn der Therapie auf frühe Bewältigungserfahrungen und die spätere Anstrengungsbereitschaft bei wenig zuversichtlichen Patienten

im Fach

Psychologie

unter der Leitung von Prof. Dr.

Hansjörg Znoj ohne unerlaubte Hilfe ausgeführt und an keiner anderen Universität zur Erlangung eines akademischen Grades eingereicht habe.

Datum

Unterschrift

Bern, 11.8.2011

153 


Anhang A

ANHANG A

- Brief Symptom Inventory (BSI) - Inkongruenzfragebogen (INK) - Goal Attainment Scaling (GAS) - Veränderungsbogen des Erlebens und Verhaltens (VEV-VW) - Berner Patienten- und Therapeutenstundenbogen 2000 (PSTB und TSTB) - Patientenfragebogen zur Besserungserwartung und Therapieevaluation (PATHEV)


 
 




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Anhang A


 
 




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Anhang A


 
 




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Anhang A


 
 




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Anhang A


 
 




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Anhang A


 
 




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Anhang A


 
 




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Anhang A


 
 




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Anhang A


 
 




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Anhang A


 
 




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Anhang A


 
 




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Anhang A


 
 




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Anhang A


 
 




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Anhang A


 
 




168

Anhang A


 
 




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Anhang A


 
 




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ANHANG B

- Das Ratingmanual Microprocess Analysis for Changing Expectations (MACE)


 
 




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Kategorien der EEMA (Vorversion der MACE) Version 20.08.2009 EEMA – Expectancy Enhancement Micro-process Analysis Version 20.08.2009 1. Grundlegende Erwartungsbeurteilung 1.1 Die Hoffnungen und Erwartungen des Patienten werden angesprochen. (1) 1.2 Vergangene Lernerfahrungen, die mit den aktuellen Erwartungen zusammenhängen werden angesprochen. (2) 2. Spezifische Erwartungsbeurteilung 2.1 Kulturelle Erwägungen werden angesprochen. (3) 3. Spezifische erwartungssteigernde Strategien 3.1 Das Rationale wird auf die Erwartungen des Patienten zugeschnitten. (4) 3.2 Die internen Kontrollüberzeugungen (Locus of Control) werden gesteigert. (5) 3.3 Die Selbstwirksamkeit (self-efficay) wird gefördert. (6) 3.4 Die Gelernte Hilflosigkeit wird gemindert. (7) 3.5 Das forschungsfundierte Therapierationale wird erläutert. (8) 3.6 Die Sozialisierung für den Behandlungsprozess ist Thema. (9) 3.7 Hoffnungen und Erwartungen werden individualisiert geäussert. (10) 3.8 Die Patientenreaktionen werden angesprochen. (11 ) 3.9 Andere spezifische erwartungssteigernde Strategien:…………………………………………..(12) 4. Allgemeine erwartungssteigernde Strategien 4.1 Die Erwartungen bzgl. der Behandlung und potentiellen “Nebeneffekten” werden überprüft. (13) 4.2 Positive Rückmeldungen über Verbesserungen kommen zur Sprache. (14) 4.3 Es wird über die Glaubwürdigkeit neuer Fertigkeiten (skills) diskutiert / gesprochen. (15) 4.4 Andere allgemeine erwartungssteigernde Strategien……………………………………………(16) 5. Selbstwirksamkeit fördern 5.1 Zwischen vergangenem und jetzigem Verhalten wird unterschieden. (17) 5.2 Veränderungen werden von einer „objektiven“ und subjektiven Seite betrachtet. (18) 5.3 Erfolgreiches Verhalten aus der Vergangenheit ist Thema. (19) 5.4 Andere selbstwirksamkeitsfördernde Strategien :………………………………………………(20) 6. Normalisieren 6.1 Störungserlebnisse werden normalisiert. (21) 7. Andere Interventionen – was wird inhaltlich gemacht? 7.1 ………………………………………………………………………………………………..…(22) 8. Wirkmechanismen 8.1 Welcher Wirkmechanismus wird gerade verfolgt? Ressourcenaktivierung Problemaktivierung Bewältigung Klärung (23) 9. Optimale Therapeutische Allianz 9.1 Globale Einschätzung der Therapiebeziehung (24) 9.2 Der Therapeut zeigt Wärme. (25) 9.3 Der Therapeut zeigt Empathie. (26) 9.4 Der Therapeut zeigt Mitgefühl. (27) 9.5 Der Therapeut zeigt authentische Beachtung. (28) 9.6 Der Therapeut zeigt Kompetenz. (29) 9.7 Der Therapeut bleibt realistisch optimistisch. (30) 9.8 Der Therapeut widersteht Angriffe auf seine Glaubwürdigkeit. (31) 9.9 Andere Merkmale der Therapiebeziehung…………………………………………………………………………(32) 10. Stand der Hoffnung im Hier und Jetzt 10.1 Wenn er/sie in der Patsche sitzen würde, würde er/sie mehrere Möglichkeiten finden, um daraus wie
 
 




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Anhang B der herauszukommen. (33) 10.2 Gerade jetzt verfolgt er/sie energisch seine Ziele. (34) 10.3 Es gibt viele Möglichkeiten, die er/sie wegen seines/ihres Problems momentan angeht. (35) 10.4 Momentan betrachtet er/sie sich selbst als ganz schön erfolgreich. (36) 10.5 Er/sie sieht verschiedene Möglichkeiten, wie er/sie seine/ihre momentanen Ziele erreichen kann. (37) 10.6 Zurzeit erreicht er/sie die Ziele, die er/sie für sich gesetzt hat. (38) 11. Therapieerwartung: 11.1 Er/sie befürchtet, dass ihm/ihr auch durch Psychotherapie nicht geholfen werden kann. (39) 11.2 Er/sie hat Angst davor, sich zu verändern. (40) 11.3 Er/sie glaubt, dass seine/ihre Probleme jetzt endlich gelöst werden können. (41) 11.4 Er/sie glaubt wohl, dass auch durch eine Therapie sich an seinen/ihren Problemen nicht viel ändern wird. (42) 11.5 Er/sie befürchtet manchmal, dass er/sie sich durch eine Therapie mehr verändere als er/sie will. (43) 11.6 Er/sie ist eher skeptisch, ob die Therapie ihm/ihr helfen kann. (44) 11.7 Er/sie macht sich gelegentlich auch Sorgen, was sich alles ändern wird, wenn seine/ihre Probleme einmal verschwunden sind. (45)


 
 




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Anhang B

Kategorien der MACE Version 21.09.2009 MACE – Micro-process Analysis of Changing Expectations Version 21.09.2009 1. Wirkmechanismen 1.1 Welcher Wirkmechanismus ist gerade aktiviert? Ressourcenaktivierung Problemaktivierung Bewältigung Klärung Beziehungsgestaltung (01) 2. Spezifische erwartungsverändernde Strategien 2.1 Die Hoffnungen und Erwartungen des Patienten werden individualisiert thematisiert. (02) positive Erwartungen (Hoffnungen) negative Erwartungen (Befürchtungen) 2.2 Die Erwartungen bzgl. der Behandlung und potentiellen “Nebeneffekten” werden thematisiert. (03) positive Erwartungen (Hoffnungen) negative Erwartungen (Befürchtungen) 2.3 Die Hilflosigkeit wird thematisiert. (04) 2.4 Verbesserungen werden thematisiert. (05) 2.5 Vergangene Lernerfahrungen, die mit den aktuellen Erwartungen zusammenhängen, werden thematisiert. (06) 2.6 Die Überzeugungskraft neuer Fertigkeiten (skills) wird thematisiert. (07) 2.7 Verschiedene Lösungswege werden thematisiert (pathway thinking). (08) 2.8 Die wahrgenommenen Fähigkeiten werden thematisiert (agency thinking). (09) 2.9 Erlebnisse werden normalisiert. (10) 2.10 Die Rahmenbedingungen werden erläutert. (11) 2.11 Das Therapierationale wird thematisiert. (12) 2.12 Kulturelle Erwägungen werden thematisiert. (13) 3. Andere Themen – was geschieht inhaltlich? 3.1 ……………………………………………………………………………………………(14) Stundenrating: 4. Therapiebeziehung 4.1 Generelle Einschätzung der Therapiebeziehung (16) 5. Stand der Hoffnung im Hier und Jetzt 5.1 Wie hoffnungsvoll scheint der Patient im Moment? (17) 6. Therapieerwartung: 6.1 Wie erwartungsvoll scheint der Patient im Moment? (18)


 
 




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MACE - Ratingmanual zur Mikroprozessanalyse der Erwartungsveränderung Erwartungsbetonende Interventionen K01 Positive Erwartungen (unspezifisch) Leitfrage: 01 In welchem Ausmass wird über positive Erwartungen des Patienten gesprochen? Beschreibung: Es wird über Wünsche, Hoffnungen und Zuversicht gesprochen, die zukunftsgerichtet sind. Beispiel: Th: „Was wünschen Sie sich?“ Th: „Was bräuchten Sie?“ Th: „Was versprechen Sie sich davon?“ Th: „Was erwarten Sie?“

Entscheidungsregel: 0: überhaupt nicht 1: ein wenig 6: ausführlich Wer initiiert das Thema?  Therapeut  Patient

K02 Negative Erwartungen (unspezifisch) Leitfrage: 01 In welchem Ausmass wird über negative Erwartungen des Patienten gesprochen? Beschreibung: Es wird über Befürchtungen, Äusserungen über Ängste und Zweifel gesprochen, die zukunftsgerichtet sind. Beispiel: Th: „Was befürchten Sie?“ Th: „Was ist das Schlimmste, was Ihnen passieren könnte?“ P: „Ich glaube, das bringt nichts.“

Entscheidungsregel: 0: überhaupt nicht 1: ein wenig 6: ausführlich Wer initiiert das Thema?  Therapeut  Patient


 
 




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K03 Positive Erwartungen bzgl. der Behandlung Leitfrage: 03 In welchem Ausmass wird über positive Erwartungen bzgl. der Behandlung gesprochen? Beschreibung: Spezifischer als i02 (Erwartungen). Es wird über die Wünsche, Hoffnungen und Zuversicht bezüglich der Therapie oder deren Fortsetzung (z.B. in einer Klinik) gesprochen. Die Hoffnung / der Glaube an eine Intervention oder deren Wirksamkeit wird angesprochen und thematisiert. Hoffnung auf Besserung wird geäussert. Wenn über Erwartungen bezüglich der Gestaltung der Behandlung gesprochen wird, soll auch i11 (Rahmenbedingungen) codiert werden. Beispiel: Th: „Was soll sich durch diese Therapie ändern?“

Entscheidungsregel: 0: überhaupt nicht 1: ein wenig 6: ausführlich Wer initiiert das Thema?  Therapeut  Patient K04 Negative Erwartungen bzgl. der Behandlung Leitfrage: 04 In welchem Ausmass wird über negative Erwartungen bzgl. der Behandlung gesprochen? Beschreibung: Spezifischer als i02 (Erwartungen). Es wird über die Befürchtungen und Ängste bezüglich der Therapie oder deren Fortsetzung (z.B. in einer Klinik) gesprochen. Befürchtungen oder Ängste an eine Intervention oder deren Wirksamkeit werden angesprochen und thematisiert. Ängste bezüglich potentieller „Nebeneffekte“ werden geäussert. Wenn über Erwartungen bezüglich der Gestaltung der Behandlung gesprochen wird, soll auch i11 (Rahmenbedingungen) codiert werden. Beispiel: P/Th: „Ja, aber…“ P: „Ich glaube nicht, dass mir dies helfen wird.“ P: „Die letzte Therapie hat mir auch nicht helfen können.“ P: „Das hilft mir doch auch nicht.“

Entscheidungsregel: 0: überhaupt nicht 1: ein wenig 6: ausführlich Wer initiiert das Thema?  Therapeut  Patient


 
 




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K05 Hilflosigkeit = den Symptomen ausgeliefert sein Leitfrage: 05 In welchem Ausmass wird über die Hilflosigkeit gesprochen? Beschreibung: Die Überzeugung, dass nichts mehr hilft. Es wird kein Weg mehr gesehen. Verzweiflung / Ohnmacht wird geäussert. Beispiel: P: „Es bringt ja eh nichts.“ P: „Das schaffe ich eh nie.“ P: „Ich weiss, dass ich nichts kann.“

Entscheidungsregel: 0: überhaupt nicht 1: ein wenig 6: ausführlich Wer initiiert das Thema?  Therapeut  Patient

K06 Verbesserungen Leitfrage: 06 In welchem Ausmass wird über Verbesserungen gesprochen? Beschreibung: Fortschritte, Vergleiche was angenehmer, besser geworden ist. Veränderungen in die erwünschte Richtung (in Richtung Ziel). Beispiel: P/Th: „Früher war es viel besser / schlimmer.“ P: „Jetzt kann ich wenigstens wieder...“

Entscheidungsregel: 0: überhaupt nicht 1: ein wenig 6: ausführlich Wer initiiert das Thema?  Therapeut  Patient

K07 Vergangene Lernerfahrungen Leitfrage: 07 In welchem Ausmass wird über vergangene Lernerfahrungen gesprochen, die mit den aktuellen Erwartungen zusammenhängen? Beschreibung: Erlebnisse, welche die aktuellen Erwartungen formten und prägten, und welche, die Spuren hinterlassen haben. Auch Erfahrungen, die das jetzige Vermeidungsverhalten beeinflussen. 
 
 




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Anhang B Beispiel: P: „Die letzte Therapie hat mir nicht helfen können.“ (vgl. i03) P: „Als ich dann vor der ganzen Klasse stand, haben sie mich ausgelacht.“

Entscheidungsregel: 0: überhaupt nicht 1: ein wenig 6: ausführlich Wer initiiert das Thema?  Therapeut  Patient

K08 Problemlösungswege (pathway thinking) Leitfrage: 08 In welchem Ausmass wird über die Problemlösungswege gesprochen? Beschreibung: Das Problemlösen, zielgerichtete Lösungswege und -möglichkeiten (konkrete Vorschläge, das Wie ist wichtig), Zwischenschritte, um zu einem bestimmten Ziel gelangen zu können („I know, how to reach the aim!“). Anstrengungen, die dazu führen, dass es einem besser geht. Alle Verhaltensweisen, die dazu dienen, dem Ziel näher zu kommen. Hausaufgaben: Wenn sie inhaltlich thematisiert werden. Pathway und agency werden häufig gemeinsam angesprochen. Wenn die Äusserung nicht spezifisch ist, werden pathway und agency codiert. Siehe auch i01c (Wirkmechanismus „Bewältigung“). Beispiele: Th: „Wie gehen Sie damit um?“ Th: „Gelingt es Ihnen gut, Ihre Ziele zu erreichen?“ (nicht spezifisch  pathway und agency codieren!) Th: „Was hilft Ihnen?“ Th: „Wie gelingt es Ihnen, …“

Entscheidungsregel: 0: überhaupt nicht 1: ein wenig 6: ausführlich Wer initiiert das Thema?  Therapeut  Patient K09 Selbstwirksamkeitserwartung (agency thinking) Leitfrage: 09 In welchem Ausmass wird über die Selbstwirksamkeitserwartung des Patienten gesprochen? Beschreibung: Die Selbstwirksamkeitserwartung = efficacy expectation = die Wahrnehmung darüber, wie wirksam die eigenen Fähigkeiten sind, die für das Handeln benötigt werden. Eine innere, treibende Kraft („Yes, I can!“), die vorwärts- und zielgerichtet ist. Pathway und agency werden häufig gemeinsam angesprochen. Wenn die Äusserung nicht spezifisch ist, werden pathway und agency codiert.


 
 




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Anhang B Beipiele: P: „Ich gehe trotzdem...“ P: „Ich machs!“ P: „Ich kanns!“ Th: „Sie schaffen das!“ Th: „Sie können das!“ Th: „Gelingt es Ihnen gut, Ihre Ziele zu erreichen?“ (nicht spezifisch  pathway und agency codieren!)

Entscheidungsregel: 0: überhaupt nicht 1: ein wenig 6: ausführlich Wer initiiert das Thema?  Therapeut  Patient

K10 Normalisieren Leitfrage: 10 In welchem Ausmass werden Erlebnisse des Patienten normalisiert? Beschreibung: Relativierungen des Erlebten (auf die Situation bezogen) mit z.B. Vergleichen zu anderen / sich selber. Beispiele: Th: „Das würde mir auch so ergehen.“ Th: „Das wäre in so einer Situation zu erwarten.“ Th: „Es ist normal, dass...“ Th: „In dieser Situation hätten die Meisten so gehandelt / empfunden.“

Entscheidungsregel: 0: überhaupt nicht 1: ein wenig 6: ausführlich Wer initiiert das Thema?  Therapeut  Patient

K11 Rahmenbedingungen / Informationen = Gestaltung der Therapie Leitfrage: 11 In welchem Ausmass wird über die Rahmenbedingungen der Therapie gesprochen? Beschreibung: Organisatorisches über die Therapie, Gestaltung der Therapie, Planung der Termine / Ferien, Planung / Besprechung des Settings (sollen noch andere Personen hinzugezogen werden?), Rollendefinitionen, Diskussion über eine IV-Anmeldung, Medikamenteneinnahmen, Klinikaufenthalt (werden auch Erwartungen angesprochen? Dann auch i03 codieren), organisatorische Besprechung / Planung der Hausaufgaben. Anamnesegespräche, Informationen, die für das Verständnis der Problematik wichtig sind.


 
 




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Anhang B Beispiele: Th: „Was ist heute Thema?“

Entscheidungsregel: 0: überhaupt nicht 1: ein wenig 6: ausführlich Wer initiiert das Thema?  Therapeut  Patient

K12 Therapierationale und Psychoedukation = Grundprinzip / Begründung und „Belehrung“ Leitfrage: 12 In welchem Ausmass wird über das Therapierationale gesprochen? Beschreibung: Die Theorie, Logik hinter der Therapie / den Interventionen (Hausaufgaben: Wenn sie in Frage gestellt werden). Psychoedukation über störungsspezifische Symptome, Aufklärung über die Störung, der Therapeut ist „belehrend“, referiert aus dem Lehrbuch.

Entscheidungsregel: 0: überhaupt nicht 1: ein wenig 6: ausführlich Wer initiiert das Thema?  Therapeut  Patient

Stundenratings – einmal am Ende der Sitzung zu raten! K13 Therapiebeziehung Leitfrage: 15 In welchem Ausmass gelingt es dem Therapeuten, eine gute Therapiebeziehung herzustellen? Beschreibung: Der Therapeut ist empathisch, zeigt positive Wertschätzung / Wärme und ist echt.

Entscheidungsregel: 0: überhaupt nicht 1: ein wenig 6: optimal


 
 




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Anhang B

K14 Stand der Hoffnung Leitfrage: 17 Wie ausgeprägt ist die Hoffnung des Patienten? Beschreibung: - Wenn er in der Patsche sitzen würde, würde er mehrere Möglichkeiten finden, um daraus wieder herauszukommen. - Gerade jetzt verfolgt er energisch seine Ziele. - Es gibt viele Möglichkeiten, die er wegen seines Problems momentan angeht. - Momentan betrachtet er sich selbst als ganz schön erfolgreich. - Er sieht verschiedene Möglichkeiten, wie er seine momentanen Ziele erreichen kann. - Zurzeit erreicht er die Ziele, die er für sich gesetzt hat. (vgl. Adult Stat Hope Scale; Snyder, 200)

Entscheidungsregel: 0: überhaupt nicht 1: ein wenig 6: sehr stark

K15 Besserungserwartung Leitfrage: 17 Wie ausgeprägt ist die Besserungserwartung des Patienten? - Er / sie glaubt, dass ihm / ihr durch Psychotherapie geholfen werden kann. - Er / sie glaubt, dass seine / ihre Probleme jetzt endlich gelöst werden können. - Er / sie glaubt wohl, dass auch durch eine Therapie sich an seinen / ihren Problemen nicht viel ändern wird. - Er / sie ist nicht skeptisch, ob die Therapie ihm / ihr helfen kann. (vgl. Patienten Therapieerwartung und Therapieevaluation, PATHEV; Schulte, 2005)

Entscheidungsregel: 0: überhaupt nicht 1: ein wenig 6: sehr stark


 
 




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Anhang C

ANHANG C

- Partialkorrelationen zwischen Besserungserwartung, positiver Erwartungsaktivierung, positiven Bewältigungserfahrungen, der Anstrengungsbereitschaft und dem Therapieerfolg


 
 




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Anhang C


 
 
 



 



 



 
 
 







 



 



 



 



 



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