Philipps-Universität Marburg WS 2009/2010

Polizei- und Ordnungsrecht - 14 Doppelstunden Lehrbeauftragter RVGH Falko Jeuthe

Freitag, 30. Oktober 2009 (2 Doppelstunden) A. Einführung Konkretisierung des Vorlesungsinhalts Das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht ist als klassischer Teil des besonderen Verwaltungsrechts neben seiner praktischen Relevanz für Staat und Gesellschaft besonders auch für die juristische Ausbildung und Prüfung von großer Bedeutung. Für viele Bereiche des speziellen Gefahrabwehrrechts (etwa Bauordnungs-, Gewerbe-, Abfall-, Immissionsschutz- oder Versammlungsrecht) dient es der dogmatischen Grundlegung und wirkt systembildend. Die Vorlesung ist kein Repetitorium. Im Vordergrund steht die systematische und möglichst breit gefächerte Stoffvermittlung, nicht die Einübung von klausur- und examensrelevanten Fallbearbeitungstechniken. Gleichwohl sollen die ausbildungswichtigsten Problembereiche anhand von Fallbeispielen aus Prüfung und Praxis unter Berücksichtigung von Bearbeitungshinweisen teilweise auch eingehender behandelt werden; jedenfalls eine geschlossene Unterrichtseinheit soll sich der „Technik der Fallbearbeitung und (dem) Rechtsschutz“ widmen. Auch wenn es sich aus der Themenstellung nicht wörtlich ergibt, soll von dieser Zielsetzung her schwerpunktmäßig das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht behandelt werden, das allein auf den Bereich der Gefahrenabwehr beschränkt ist. Gleichwohl sollen einige auch der Gefahrenabwehr dienende spezielle Rechtsgebiete exemplarisch vorgestellt werden. Es sollen die dogmatischen Strukturen und Grundlagen des allgemeinen d.h. bundesweiten Gefahrabwehrrechts herausgearbeitet werden. Gleichwohl soll für die normative Konkretisierung auf die hessische Rechtslage, also vorrangig auf das Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) abgestellt werden. Daraus ergibt sich weiter, dass präventiv-polizeiliches Handeln im Mittelpunkt steht und die

2 repressive Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten nur im Rahmen der Abgrenzung thematisiert, aber nicht eingehend behandelt wird. B. Grundlagen I. geschichtliche Entwicklung des Begriffs, der Aufgaben und der Struktur der Polizei 1. spätes Mittelalter und Absolutismus (15. bis 18. Jahrhundert) a) Das Wort „Polizei“ gründet im griechischen „politeia“, übernommen ins lateinische „politia“, und bezeichnete die Verfassung des Gemeinwesens und den Status seiner Bürgerschaft. Als Ausgang des Mittelalters infolge der Bevölkerungsentwicklung, des Beginns arbeitsteiligen Handelns, des aufblühenden Handels und der städtischen Lebensformen eine neue Ordnungsproblematik entstand, wurde dieses Fremdwort für den Begriff „gute (oder christliche) policey“ herangezogen. Darunter wurde etwa in den Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577 sowie in Polizeiordnungen der Landesherren und der Städte der Zustand der „guten Ordnung“ eines Gemeinwesens verstanden. In den Polizeiverordnungen wurden Verhaltensregeln für Untertanen und Bürger für nahezu alle Lebensbereiche aufgestellt, etwa für Handel und Gewerbe (Monopole, Zölle, Maße, Gewichte und Preise), für die Berufsausübung, für Religion und Sittlichkeit, aber auch für Vormundschafts- und Erbschaftssachen, Vertragswesen und Liegenschaftsrecht. „Sozialdisziplinierung diente als bürgerschützende Prävention“ (Knemeyer S. 2). b) Als es nach dem Dreißigjährigen Krieg darum ging, nicht nur die „gute Ordnung“ zu bewahren, sondern das zerstörte Land wieder aufzubauen, erfuhr der Begriff der „Polizei“ im Zeitalter des Absolutismus eine inhaltliche Ausweitung und Institutionalisierung. Inhaltlich wurde die „ius politiae“ als Inbegriff der dem Fürsten zustehenden absoluten Staatsgewalt auf praktisch alle Lebensbereiche ausgedehnt. Sie umfasste nicht nur die Gewährleistung der Sicherheit im Staat, sondern auch die Förderung der öffentlichen Wohlfahrt. Dabei bedeutete die „Beförderung der allgemeinen Wohlfahrt“ und „der allgemeinen Glückseligkeit“ das fürstliche Recht, den Untertanen alles vorzuschreiben und sie im politischen Leben wie auch in ihrer wirtschaftlichen und gewerblichen Betätigung sowie in Sitte und Moral zu bevormunden. Dadurch wurde der Einfluss der Stände zurückgedrängt. Erste Systematisierungsversuche führten zur Ausgrenzung einzelner Staatstätigkeiten aus der zunächst global verstandenen Polizei, die von den auswärtigen Angelegenheiten, von Finanz- und Militärwesen und schließ-

3 lich auch von der Justiz abgegrenzt wurde und damit die gesamte im Innern ausgeübte Staatsgewalt umfasste. Damit waren im Laufe des 18. Jahrhunderts die Bereiche der fünf „klassischen“ Ministerien voneinander getrennt. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurden auch erstmals mit dem Begriff „Polizei“ bestimmte Behörden bezeichnet und wurden sog. Polizeisachen mit der Trennung von Polizei und Justiz der Rechtsprechung durch Verwaltungsbehörden zugewiesen, womit die Möglichkeit der Appellation gegen Übergriffe der fürstlichen Obrigkeit an die Reichsgerichte entfiel. In dem so entstandenen Polizeistaat, in dem der absolutistische Herrscher mittels seiner Beamtenschaft verbindlich Anordnungen zum gesamten Lebensbereich der Untertanen treffen und für deren Durchsetzung mit Zwangs- und Strafgewalt sorgen konnte, gab es keine verbürgten Rechte der Untertanen und Stände mehr, keine Trennung von vollziehender und gesetzgebender Gewalt und keinen gerichtlichen Rechtsschutz. Der Zweck der guten Ordnung des Gemeinwesens rechtfertigte den weiten Umfang der polizeilichen Mittel und Befugnisse. c) Im Zuge der Aufklärung und mit dem Ziel der Einschränkung der absoluten Fürstengewalt und der Herstellung jedenfalls ökonomischer Freiheit des Einzelnen gingen Forderungen, etwa der Juristen Pütter und Svarez, dahin, die Förderung der Wohlfahrt aus dem Aufgabenbereich der Polizei herauszunehmen und diese auf die Gefahrabwehr zu beschränken. Diese Forderungen fanden Niederschlag in dem von Svarez 1794 geschaffenen Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten (ALR). In § 10 Teil II Titel 17 ALR hieß es: „Die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung, und zur Abwendung der dem Publico, oder einzelnen Mitgliedern desselben, bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist das Amt der Polizey“. Diese - anderen Bestimmungen des ALR nicht entsprechende - Beschränkung der Polizei auf die Gefahrenabwehr konnte sich im Zuge der auf die Französische Revolution nachfolgenden Restauration nicht durchsetzen. Nach einer preußischen Verordnung aus dem Jahre 1808, die die Wahrung und Beförderung der allgemeinen Wohlfahrt der Polizeigewalt zuordnete, beruhte auch das Preußische Gesetz über die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850 auf dem Grundsatz einer unbeschränkten Polizeigewalt. 2. Liberalismus und Konstitutionalismus (19. Jahrhundert) a) Das 19. Jahrhundert war durch Bevölkerungswachstum, Landflucht, Anwachsen der Großstädte, industrielle Revolution und das Entstehen der Arbeiterklasse einerseits und durch eine Zunahme und Spezialisierung der Polizei andererseits gekennzeichnet. Der Liberalismus

4 wandte sich gegen die Bedrohung der individuellen Freiheit durch die Machtfülle der Polizei. Die Administrativjustiz wurde teilweise durch unabhängige Verwaltungsgerichte ersetzt. Die Beschränkung der monarchischen Gewalt durch Verfassung, Grundrechte und Gewaltenteilung vollzog sich schleppend. Mit der Revolution von 1848 setzte eine Einschränkung der Polizeigewalt ein.

b) In Preußen leitete das „Kreuzberg-Urteil“ des Preußischen Oberverwaltungsgerichts vom 14. Juni 1882 (PrOVGE 9 S. 353 = DVBl 1985 S. 219) eine Wende ein: Gegenstand war eine Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung. Das Polizeipräsidium in Berlin hatte eine Polizeiverordnung erlassen, nach der „in dem das Siegesdenkmal auf dem Kreuzberg umgebenden Bauviertel ... Gebäude fortan nur in solcher Höhe errichtet werden (dürfen), daß dadurch die Aussicht von dem Fuße des Denkmals auf die Stadt und deren Umgebung nicht behindert und die Ansicht des Denkmals nicht beeinträchtigt wird“. Wegen Verunstaltung der Aussicht auf die Stadt und auf das Denkmal war die „baupolizeiliche Genehmigung“ für ein vierstöckiges Wohngebäude versagt worden. Das Preußische Oberverwaltungsgericht hatte der Klage stattgegeben. Bauverbot und Verordnung seien durch § 10 II 17 ALR nicht mehr gedeckt, weil sie nicht Gefahrenabwehr, sondern Wohlfahrtspflege durch ästhetische Bauweise bezweckten. Damit hatte das Preußische Oberverwaltungsgericht die Wohlfahrtspflege aus dem Kompetenzbereich der Polizei eliminiert und diesen auf die Gefahrenabwehr begrenzt. Allerdings beruhte dies nach Äußerungen aus dem Schrifttum auf einem Irrtum, weil § 10 II 17 ALR nach seiner systematischen Stellung nur die Abgrenzung der polizeilichen von der ordentlichen Gerichtsbarkeit und nicht die Eliminierung der Wohlfahrtspflege aus der Polizei bezweckt habe, das Gericht habe auch lediglich das selbständige Recht der Polizeiexekutive begrenzt, ohne besondere gesetzliche Grundlage aufgrund der allgemeinen Polizeigewalt Anordnungen zu erlassen, und dadurch den Grundsatz des Vorbehalts des förmlichen Gesetzes für Eingriffe in Freiheit und Eigentum verwirklicht (vgl. Götz S. 7 f.). Weiter wird vertreten, das Gericht habe der durch die zwischenzeitige Gesetz- und Verordnungsgebung eigentlich bedeutungslos gewordenen Vorschrift des § 10 II 17 ALR in Wahrheit neuerliche Geltung verschafft und sie uminterpretiert. Die Reduktion der Polizeiaufgaben auf die Gefahrenabwehr sei im ALR nur als Forderung programmatisch angeklungen. Zudem habe das Gericht aus der reinen Aufgabennorm eine Aufgaben- und Befugnisnorm gemacht und auch in seiner späteren Rechtsprechung zunehmend die Eignung und Erforderlichkeit polizeilicher Mittel untersucht und dabei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entwickelt. Diese Gerichtsentscheidung als Signal des Abschieds vom Polizeistaat verdeutliche, dass das deutsche Bürgertum die Demokratie nicht revolutionär, sondern in weitgehender Anpassung an vorge-

5 gebene Machtverhältnisse den Rechtsstaat hervorgebracht habe. „Die Franzosen haben die Bastille gestürmt, die Deutschen haben die Verwaltungsgerichtsbarkeit und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfunden“ (vgl. Pieroth u. a. S. 5 f.). c) In den süddeutschen Staaten vollzog sich die rechtsstaatliche Begrenzung des Polizeibegriffs demgegenüber im Wege der Gesetzgebung. In enger Verbindung zum Strafrecht ergingen Polizeistrafgesetzbücher, die unmittelbar strafbewehrte Verbotsvorschriften und Verordnungsermächtigungen enthielten (Baden 1863/1871, Bayern 1861/1871, Hessen 1847, Württemberg 1839/1871). Durch dieses Rechtssystem war die Polizei schon im 19. Jahrhundert von der allgemeinen inneren Verwaltung getrennt. Während im preußischen Rechtskreis das Ziel der Gefahrenabwehr den polizeilichen Aufgabenkreis bestimmte, wurde hier auf das Mittel der Zwangsbefugnisse zum Eingriff in Grundrechte abgestellt; im Vordergrund standen deshalb nicht Generalklauseln, sondern Spezialbefugnisse. Die Frage einer subsidiären Generalermächtigung war teilweise geregelt, teilweise gewohnheitsrechtlich anerkannt und teilweise umstritten. 3. Weimarer Republik In der Weimarer Zeit wurde sowohl im Landesrecht als auch in der Reichsverfassung vom 11. August 1919 an dem in der Zeit der konstitutionellen Monarchie entwickelten liberalrechtsstaatlichen Polizeibegriff festgehalten. Neben einer Ermächtigung zur Regelung des gesamten Polizeirechts („Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“) enthielt die Reichsverfassung polizeifeste Grundrechte. Die vom Preußischen Oberverwaltungsgericht entwickelten rechtsstaatlichen Polizeirechtsgrundsätze wurden im Preußischen Polizeiverwaltungsgesetz vom 1. Juni 1931 (PrPVG) kodifiziert. Die Generalklausel in § 14 Abs. 1 PrPVG lautete: „Die Polizeibehörden haben im Rahmen der geltenden Gesetze die nach pflichtgemäßem Ermessen notwendigen Maßnahmen zu treffen, um von der Allgemeinheit oder dem Einzelnen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird.“ 4. Nationalsozialismus Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Januar 1933 wurde das rechtsstaatliche System der Weimarer Reichsverfassung (Gewaltenteilung, Föderalismus, Individualrechte, Demokratieprinzipien) systematisch zerstört. Unter Auflösung ihrer bisherigen Strukturen wurde die Polizei zu einem Instrument der Gewaltherrschaft umgestaltet. Durch Eingliede-

6 rung der Polizeien der Länder in das Reich wurde das Polizeiwesen zentralisiert. Bereits 1933 wurde die Geheime Staatspolizei (Gestapo) aufgebaut, deren Verfügungen („Vorbeugehaft“ und „Schutzhaft“) verwaltungsgerichtlicher Nachprüfung entzogen waren. Die Polizei wurde mit Parteimitgliedern der NSDAP durchsetzt und 1936 mit der SS verschmolzen. Die vollständige Veränderung des Polizeirechts zur Durchsetzung nationalsozialistischer Ziele erfolgte maßgeblich durch Notverordnungen. In der Rechtslehre wurde die polizeirechtliche Generalklausel im nationalsozialistischen Sinne ausgelegt. 1939 wurde die Verwaltungsgerichtsbarkeit durch einen Führererlass aufgehoben. Die Polizei im „Sondereinsatz“ wurde der normalen Strafjustiz entzogen. II. Rechtsgrundlagen Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg 1. Alliierte Besatzung Mit dem Ende des zweiten Weltkriegs ging die gesamte staatliche Gewalt auf die alliierten Besatzungsmächte über, die auf den Konferenzen von Jalta und Potsdam im Jahre 1945 beschlossen hatten, die polizeilichen Einrichtungen in Deutschland aufzulösen, die Polizei organisatorisch neu aufzubauen und gleichzeitig deren Befugnisse zu beschränken. Das deutsche Polizeiwesen sollte „entnazifiziert“, „entmilitarisiert“ und durch „Dezentralisierung“ und „Entpolizeilichung“ „demokratisiert“ werden. Dezentralisierung bedeutete Schaffung von Länder- und Gemeindepolizeien anstelle des zerschlagenen Reichspolizeiapparates (Föderalisierung und Kommunalisierung), Entpolizeilichung bedeutete Reduzierung der Polizeibehörden auf bloße Exekutiv- oder Vollzugsmaßnahmen und Übertragung der Gefahrenabwehr auf Sicherheits- oder Ordnungsbehörden. Dementsprechend wurde in der britischen Besatzungszone die Polizei auf die eigentlichen polizeilichen Befugnisse (Gefahrenabwehr, Strafverfolgung) beschränkt und der Ordnungsverwaltung die Bereiche Meldewesen, Fremden-, Vereins- und Versammlungspolizei zugewiesen. In der amerikanischen Besatzungszone gab es neben Landespolizeieinheiten auch Gemeindepolizeien. In der französischen Besatzungszone fand keine Reorganisation statt und in Berlin galt das preußische Polizeiverwaltungsgesetz fort. In der sowjetischen Besatzungszone wurde die Deutsche Volkspolizei schon 1948/1949 zentralisiert und teilweise kaserniert.

7 2. Deutsche Demokratische Republik Dementsprechend wurde in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik 1950 der sog. Staatssicherheitsdienst (SSD oder „Stasi“) aus der Volkspolizei ausgegliedert, für die durch Gesetz vom 11. Juni 1968/24. Juni 1971 die Geltung des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes abgeschafft wurde. Die Generalklausel wurde auch auf die Förderung der gesellschaftlichen Entwicklung entsprechend den herrschenden politischen Wertvorstellungen ausgedehnt. Gegen Entscheidungen der Volkspolizei konnte Beschwerde eingelegt, aber kein gerichtlicher Rechtsschutz begehrt werden. 3. Bundesrepublik Deutschland a) Maßgebend für Struktur und Aufgaben der Polizei in der 1945 gegründeten Bundesrepublik Deutschland ist in erster Linie die – noch unter den bis 1955 geltenden alliierten Vorbehaltsrechten erfolgte – Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im Grundgesetz vom 23. Mai 1949 (GG) sowie das grundgesetzliche Gebot der Trennung von Polizei und Geheimdiensten (streitig). In Übereinstimmung mit dem von den westlichen Alliierten verfolgten Ziel der Dekonzentration sieht das Grundgesetz grundsätzlich keine Gesetzgebungs- und keine Verwaltungskompetenz des Bundes für das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht vor, das deshalb nach den „Auffangregelungen“ der Art. 30 und 70 GG grundsätzlich in den Kompetenzbereich der Länder fällt.

b) Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes beschränkt sich auf einzelne, ihm enumerativ zugewiesene Sachbereiche, die selbst dem Gefahrenabwehrrecht zugeordnet werden können oder für die er nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls wegen untrennbaren Sachzusammenhangs eine „Annex“-Kompetenz für das einschlägige Gefahrenabwehrrecht hat.

So besitzt der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz nach Art. 73 Abs. 1 GG für das Pass-, Melde- und Ausweiswesen (Nr. 3; PaßG), den Zoll- und Grenzschutz (Nr. 5; BPolG), den Luft- und Bundeseisenbahnverkehr (Nr. 6 und 6 a; LVG, AEG), die Terrorismusabwehr durch das Bundeskriminalpolizeiamt (Nr. 9 a; BKAG), die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in der Kriminalpolizei (Nr. 10 a), das Waffen- und Sprengstoffrecht (Nr. 12; WaffG, SprengG) und das Kernenergierecht (Nr. 14; AtG).

8 Zum Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 GG gehören etwa das Strafrecht, die Gerichtsverfassung und das gerichtliche Verfahren (Nr. 1; StGB, GVG, StPO), das Vereinsrecht (Nr. 3; VereinsG), das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer (Nr. 4; AufenthG), das Gewerberecht (Nr. 11; GewO), das Gesundheitsrecht (Nr. 19; AMG, BtMG, IfSG), das Lebensmittel- und Futtermittel-, das Pflanzen- und Tierschutzrecht (Nr. 20; LFGB, PflSchG, TierSG, TierSchG), das Straßenverkehrsrecht (Nr. 22, StVG, StVO), die Abfallwirtschaft, Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung (Nr. 24, KrW-/AbfG, BImSchG, FluglärmG) und Naturschutz und Landschaftspflege (Nr. 29, BNatSchG). Seit Inkrafttreten der ersten Stufe der sog. Föderalismusreform am 1. September 2006 gibt es durch Streichung des Art. 75 GG keine Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes mehr und ist das Versammlungsrecht in die Kompetenz der Länder übergegangen, allerdings ist die Übergangsregelung in Art. 125a GG zu beachten. Die die Behördenorganisation, die Aufgabenzuweisung und die Verfahrensgestaltung betreffende Verwaltungskompetenz des Bundes für die Gefahrenabwehr bleibt hinter seiner Gesetzgebungskompetenz zurück, weil die Länder nicht nur nach Art. 30 GG die Ländergesetze, sondern grundsätzlich auch die Bundesgesetze nach Art. 83 GG als eigene Angelegenheiten und nach Art. 85 GG ausnahmsweise im Auftrage des Bundes ausführen. In Abweichung von diesem Grundsatz können Bundesgesetze in den in Art. 86 ff. GG aufgeführten Fällen auch in bundeseigener Verwaltung vollzogen werden. Nach Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG können durch Βundesgesetz Bundesgrenzschutzbehörden, Zentralstellen für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen, für die Kriminalpolizei und zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes eingerichtet werden. In Vollzug dieser Vorschrift sind Aufgaben und Befugnisse der Bundespolizei, die bis zum 30. Juni 2005 die Bezeichnung Bundesgrenzschutz trug, durch das Bundespolizeigesetz vom 19. Oktober 1994 geregelt worden. Dazu zählen insbesondere der Grenzschutz, die Bahnpolizei, die Gewährleistung der Luftsicherheit, der Schutz von Verfassungsorganen, Aufgaben auf See und im Notstands- und Verteidigungsfall sowie die Unterstützung anderer Bundesbehörden. Das Bundesverfassungsgericht hat die Unbenennung im Jahre 2005 hingenommen, obwohl es nach der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern keine allgemeine Bundespolizei geben dürfe, weil damit keine Aufgabenerweiterung verbunden gewesen sei. Als weiteres Beispiel für Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG ist die Errichtung des Bundeskriminalamtes (BKA) zu nennen, das nach dem Bundeskriminalamtgesetz vom 7. Juli 1997 die Zu-

9 sammenarbeit mit den Landeskriminalämtern im Bereich der Verbrechensbekämpfung koordiniert, im Wege der internationalen Zusammenarbeit für die Verhütung und Verfolgung internationaler Straftaten und als Strafverfolgungsbehörde bei bestimmten Straftaten des international organisierten Verbrechens zuständig ist. Daneben können auch polizei- und ordnungsrechtliche Verwaltungskompetenzen aus dem Sachzusammenhang mit gesetzgeberischen Sachkompetenzen entstehen und können die gemäß Art. 87 Abs. 3 GG im Bereich der Gesetzgebungskompetenz des Bundes errichteten und die in den Art. 87 a ff. GG aufgeführten Bundesoberbehörden auch Gefahrabwehrmaßnahmen ergreifen. b) In den danach für das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht allein zuständigen Ländern der alten Bundesrepublik wurden in einer ersten Periode zwischen 1950 und 1970 neue Polizeigesetze – zumeist orientiert am Preußischen Polizeiverwaltungsgesetz – mit den klassischen Elementen des rechtsstaatlichen Polizeirechts (Generalermächtigung, StörerVerantwortlichkeit, Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und polizeispezifische Entschädigungsnormen) erlassen. Dabei hielten die Länder Baden-Württemberg, Bremen, Saarland und zunächst auch Rheinland-Pfalz am preußischen Einheitsmodell der einheitlichen Gefahrenabwehr durch die Polizei fest. Sieben Bundesländer der ehemaligen amerikanischen und britischen Besatzungszone führten dagegen unter Abkehr vom preußischen Modell im Sinne der von den Westalliierten angestrebten „Entpolizeilichung“ eine institutionelle Trennung der Gefahrenabwehr durch. Die Polizeibehörden wurden auf den eigentlichen Vollzugsdienst „vor Ort“ reduziert, während die Gefahrenabwehr “vom Schreibtisch aus“ grundsätzlich an Ordnungs-, Sicherheits- bzw. Gefahrabwehrbehörden übertragen wurde. Dieses sog. Trennsystem, das bis auf Sachsen auch von den neuen Bundesländern und 1993 auch von Rheinland-Pfalz übernommen wurde, ist in den Ländern Bayern, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Thüringen am konsequentesten dahin umgesetzt worden, dass über die verwaltungsorganisatorische Aufteilung hinaus Aufgaben und Befugnisse der Polizei- und Ordnungsbehörden in getrennten Gesetzen geregelt sind (vgl. etwa NWPolG und NWOBG), während in Berlin, Hamburg, Hessen, MecklenburgVorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein trotz der organisatorischen Trennung einheitliche Sicherheitsgesetze bestehen. Die Unterschiede zwischen Einheits- und Trennsystem sind nicht überzubewerten, weil im Trennsystem für beide Behördenzweige inhaltlich gleiche Grundlagen gelten und auch in den

10 Ländern mit Einheitssystem eine organisatorische Unterscheidung zwischen der Vollzugspolizei bzw. dem Polizeivollzugsdienst einerseits und den (allgemeinen) Polizeibehörden bzw. Polizeiverwaltungsbehörden andererseits gemacht wird. Die schon früher angelegte und nach 1945 verstärkte Entwicklung der Entpolizeilichung hat dadurch zu einer Auflösung des früheren einheitlichen Polizeibegriffs geführt, dass die Begriffe „Gefahrenabwehr“ und „Polizei“ nicht mehr deckungsgleich sind. Der materielle Polizeibegriff beschreibt inhaltlich die Aufgabe der Gefahrenabwehr unabhängig von dem verwaltungsorganisatorischen Aspekt, welche staatliche Stelle die Angelegenheit wahrnimmt. „Polizei“ im materiellen Sinne ist die mit Zwangsgewalt verbundene Staatstätigkeit zur Abwehr drohender Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder zur Beseitigung bereits eingetretener Störungen. Der institutionelle bzw. organisatorische Polizeibegriff bezeichnet die dem Organisationsbereich der Polizei zugehörigen Polizeibehörden, umfasst also in Ländern mit Trennsystem die Vollzugspolizei und in Ländern mit Einheitssystem alle mit der Gefahrabwehr befassten Polizeibehörden. In diesen Ländern sind materieller und institutioneller Polizeibegriff deckungsgleich geblieben. Unabhängig von den terminologischen Unterschieden ist der Polizeivollzugsdienst (im Einheitssystem) bzw. die Polizei (im Trennsystem) in die Schutz-, Kriminal-, Bereitschafts- und Wasserschutzpolizei untergliedert. Der formelle Polizeibegriff umfasst die Summe aller Aufgaben, die der Polizei im institutionellen Sinne übertragen worden sind, unabhängig davon, ob es sich um Gefahrenabwehr oder um sonstige Verwaltungstätigkeiten handelt, wie etwa die Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten. Veranlasst durch Ende der 60er Jahre beginnende studentische Demonstrationen und Bürgerproteste, den einsetzenden Terrorismus (RAF), das Anwachsen der Kriminalität in den heutigen Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität und wegen der organisatorischen und materiellen Abweichungen der bisherigen Polizeigesetze beschloss die Ständige Konferenz der Innenminister/-senatoren des Bundes und der Länder (IMK) 1974 die Vereinheitlichung der Polizeigesetze. Dies führte zu dem im Juni 1976 beschlossenen „Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder“, der nach einem „Alternativentwurf“ im November 1977 in einer überarbeiteten Fassung beschlossen wurde. Im Mittelpunkt des Musterentwurfs stand die Erweiterung der sog. polizeilichen Standardbefugnisse. In

11 einer zweiten Periode der Landesgesetzgebung haben die Länder in den 70er und 80er Jahren dieses Programm in ihre Gesetze aufgenommen. Die dritte Periode der Landesgesetzgebung von 1983 bis in die Gegenwart wurde durch das Volkszählungs-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983 (BVerfGE 65 S. 1) und das Bremische Polizeigesetz vom 21. März 1983 eingeleitet. Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergab sich die Notwendigkeit, die polizeiliche und ordnungsbehördliche Erhebung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten auf ausreichende gesetzliche Grundlagen zu stellen. Daraufhin erhielt der Musterentwurf 1986 eine geänderte Fassung, die die offene und verdeckte Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Informationen zum Gegenstand besonderer polizei- und ordnungsrechtlicher Befugnisnormen machte und mit der Befugnis zur Rasterfahndung die vorbeugende Verbrechensbekämpfung in das Polizeirecht übernahm. III. Organisation, Aufgaben und Zuständigkeiten der Gefahrenabwehr- und Polizeibehörden in Hessen 1. Grundlagen Nachdem in Hessen zu Beginn des 20. Jahrhunderts teilweise noch das Preußische Polizeiverwaltungsgesetz und eine Kreis- und Provinzialordnung gegolten hatten, wurde nach 1945 durch die amerikanische Militärregierung eine stark dezentralisierte und kommunalisierte Vollzugspolizei errichtet, der Gefahrabwehraufgaben zugunsten der Behörden der allgemeinen Verwaltung entzogen wurden. Das 1954 erlassene Hessische Polizeigesetz (HPolG) sparte noch Organisationsfragen aus, mit dem HSOG von 1964 wurden das HPolG, das PrPVG und die Kreis- und Provinzialordnung aufgehoben. In diesem Gesetz fielen schon materieller und institutioneller/organisatorischer Polizeibegriff auseinander. Die kommunale Vollzugspolizei wurde zunächst teilweise, dann bis 1974 vollständig verstaatlicht. Mit dem Änderungsgesetz von 1989 wurden in Konsequenz aus dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts die Befugnisse zur Datenerhebung und -verarbeitung sowie zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erweitert. Im Jahre 2000 ergingen Gesetze über die Umorganisation der Polizei (HPUOG) und über den Freiwilligen Polizeidienst (HFPG), die gleichzeitig in Kraft getretene Verordnung über Organisation und Zuständigkeit der hessischen Polizei wurde durch die Verordnung zur Durchführung des HSOG und des HFPG vom 12. Juni 2007 (HSOG-DVO) abgelöst.

12 2. Behördenorganisation a) Einen Überblick über die in Hessen mit der Aufgabe der Gefahrenabwehr betrauten Behörden ergibt sich schon aus der Aufgabenzuweisung in § 1 Abs. 1 Satz 1 des derzeit (bis 31. Dezember 2009) gültigen HSOG i.d.F. vom 14. Januar 2005. Danach stehen sich einerseits die „Gefahrenabwehrbehörden (Verwaltungsbehörden, Ordnungsbehörden)“ und andererseits die „Polizeibehörden“ gegenüber. Die Gefahrenabwehrbehörden sind in „Behörden der allgemeinen Verwaltung“ (§§ 82 bis 84) und „Ordnungsbehörden“ (§§ 85 bis 90) aufgeteilt. Die „Polizeidienststellen“ sind in den §§ 91 bis 99 HSOG im Einzelnen aufgeführt. Die Unterscheidung zwischen diesen drei Behördentypen durchzieht das ganze Gesetz. Sie ist für die Aufgabenzuteilung und damit für die sachliche Zuständigkeit gemäß §§ 1 und 2 HSOG und für die materiellen Befugnisnormen der §§ 11 ff. HSOG wie auch etwa für die Aufsichtsbefugnisse übergeordneter Behörden, das Vollstreckungsrecht und die örtliche Zuständigkeit von Bedeutung. b) Die Aufgaben der Gefahrenabwehr werden auf der unteren Ebene gemäß § 82 Abs. 1 HSOG von den Landkreisen und Gemeinden als Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung wahrgenommen; dementsprechend handeln für sie als Verwaltungsbehörden bzw. Behörden der allgemeinen Verwaltung nach den entsprechenden kommunalrechtlichen Vorschriften gemäß § 41 der Hessischen Landkreisordnung (HKO) der Kreisausschuss mit dem Landrat als Vorsitzendem und der Gemeindevorstand gemäß § 66 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) mit dem Bürgermeister als Vorsitzendem (in Städten: Magistrat und Ober/Bürgermeister). Aufsichtsbehörden sind gemäß § 83 HSOG für die Landkreise, kreisfreien Städte und kreisangehörigen Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern das Regierungspräsidium und die zuständigen Ministerien und für die übrigen Gemeinden auf unterer Ebene zusätzlich der Landrat. Die Weisungsbefugnisse beschränken sich gemäß § 84 HSOG und §§ 4 Abs. 1 HGO und HKO auf allgemeine Weisungen; Einzelfallweisungen können nur bei rechtswidriger Aufgabenwahrnehmung und Nichtbefolgung der allgemeinen Weisungen erteilt werden. c) Die Ordnungsbehörden sind in „allgemeine Ordnungsbehörden“ und „Sonderordnungsbehörden“ aufgeteilt. Nach § 85 HSOG sind die allgemeinen Ordnungsbehörden vierstufig in Landes-(Ministerien), Bezirks-(Regierungspräsidien), Kreis-(Landräte und Oberbürgermeister in kreisfreien Städten) und örtliche Ordnungsbehörden (Bürger/Oberbürgermeister) gegliedert. Die Landräte und Bürgermeister(Oberbürgermeister) nehmen die Gefahrabwehraufgaben als Auftragsangelegenheiten nach §§ 4 Abs. 2 HGO und HKO „in alleiniger Verant-

13 wortung“ wahr. Ihnen können von den Fachaufsichtsbehörden Weisungen auch im Einzelfall erteilt werden; der Aufsichtsbehörde steht u. U. auch ein Selbsteintrittsrecht zu. Landrat, Oberbürgermeister und Bürgermeister sind in der Funktion als allgemeine Ordnungsbehörde selbst die handelnde Behörde. Die Bedeutung der in § 90 HSOG geregelten Sonderordnungsbehörden außerhalb der allgemeinen Verwaltung ist durch ihre weitgehende Eingliederung gering. d) Die Polizeibehörden im institutionellen/organisatorischen Sinne sind als „Polizeidienststellen“ in den §§ 91 ff. HSOG mit ihren Aufgaben und u. a. der Aufsicht im Einzelnen geregelt. Nähere Bestimmungen finden sich im Zweiten Teil der HSOG-DVO. Nach § 94 HSOG und § 5 HSOG-DVO sind die sieben Polizeipräsidien in ihren Dienstbereichen grundsätzlich für die Erfüllung aller polizeilichen Aufgaben zuständig, soweit sie nicht einer anderen Polizeidienststelle übertragen sind. Solche besonderen Aufgabenübertragungen finden sich in §§ 92, 93 und 95 für das Hessischen Kriminalamt, das Hessische Bereitschaftspolizeipräsidium und das Präsidium für Technik, Logistik und Verwaltung, Hessische Polizeischule. 3) Aufgaben/sachliche Zuständigkeit Nach der allgemeinen Aufgabenzuweisung in § 1 Abs. 1 Satz 1 HSOG haben die Gefahrabwehrbehörden (Verwaltungsbehörden, Ordnungsbehörden) und die Polizeibehörden die gemeinsame Aufgabe der Gefahrenabwehr. Dabei statuiert § 2 Abs. 1 HSOG für die „Aufgabenabgrenzung“ aber den auch in anderen Landesgesetzen geregelten Grundsatz der Subsidiarität, wonach Ordnungs- und Polizeibehörden – abgesehen von den erforderlichen Vorbereitungen für die Hilfeleistung in Gefahrenfällen (vorbeugende Gefahrenabwehr, § 1 Abs. 1 Satz 2 HSOG) – nur tätig werden, soweit die Abwehr der Gefahr durch andere Gefahrenabwehrbehörden, also die mit diesen Aufgaben betrauten allgemeinen Verwaltungsbehörden, nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint; dies wird als „Eilfallkompetenz“ der Ordnungs- und Polizeibehörden bezeichnet. Da Ordnungs- und Polizeibehörden im Falle der Dringlichkeit ohne weitere Zuständigkeitsabgrenzung gleichermaßen zuständig sind, gilt für ihr Eingreifen der Grundsatz der Erstbefassung, wonach die mit der Gefahrenlage zuerst konfrontierte Behörde die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen hat. Nach § 1 Abs. 2 HSOG haben die Gefahrenabwehr- und Polizeibehörden über die allgemeine Aufgabenzuweisung hinaus die ihnen durch andere Rechtsvorschriften zugewiesenen weiteren Aufgaben zu erfüllen. Die insoweit bedeutsamste Zuweisung für die „Aufgabenwahrnehmung der allgemeinen Ordnungsbehörden“ ist in § 1 HSOG-DVO geregelt, wonach

14 diese etwa für das Pass-, Personalausweis- und Ausländerwesen, das Versammlungs- und Waffenwesen, die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Straßenverkehr und die Angelegenheiten der StVO, die Aufsicht über die Beförderung radioaktiver Stoffe und Lagerung gefährlicher Güter, für die Lärmbekämpfung, die Festsetzung der Sperrzeit und die Bekämpfung der verbotenen Prostitution zuständig sind. Die Polizeibehörden haben gemäß § 1 Abs. 4 und 5 HSOG zu erwartende Straftaten zu verhüten sowie für die Verfolgung künftiger Straftaten vorzusorgen (vorbeugende Bekämpfung von Straftaten) und anderen Behörden nach den §§ 44 bis 46 HSOG auf Ersuchen, also nicht von Amts wegen oder auf Weisung, Vollzugshilfe zu leisten. Diese umfasst – neben angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahmen - bei allgemeinen Ordnungsbehörden die Durchführung ordnungsbehördlicher Maßnahmen, die diese mangels eigener befugter Bediensteter nicht selbst vornehmen können, während sie sich bei anderen Behörden insoweit auf unmittelbaren Zwang und den Schutz der Vollzugsorgane dieser Behörden und weiterer Personen beschränkt. Die Polizeibehörden sind nur für die Art und Weise der Durchführung der Vollzugshilfe verantwortlich. 4) Örtliche Zuständigkeit Die örtliche Zuständigkeit ist in den §§ 100 bis 103 HSOG geregelt. Nach § 101 Abs. 1 HSOG sind Polizeidienststellen im ganzen Landesgebiet zuständig, wobei die Polizeipräsidien und das Hessische Bereitschaftspolizeipräsidium als Wasserschutzpolizei in der Regel in ihrem Dienstbereich tätig werden. Die örtliche Zuständigkeit der Gefahrenabwehrbehörden ist dagegen gemäß § 100 Abs. 1 HSOG grundsätzlich auf ihren Amtsbereich beschränkt.