Physikalisches Grundpraktikum. Mechanische Schwingungen

Fachrichtungen der Physik UNIVERSITÄT DES SAARLANDES Physikalisches Grundpraktikum Mechanische Schwingungen WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: htt...
Author: Ella Jaeger
3 downloads 0 Views 166KB Size
Fachrichtungen der Physik

UNIVERSITÄT DES SAARLANDES

Physikalisches Grundpraktikum

Mechanische Schwingungen

WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/ 0H

Kontaktadressen der Praktikumsleiter: Dr. Manfred Deicher Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-58198 1H

Dr. Patrick Huber Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-3944 2H

MS 2

Mechanische Schwingungen

1. Stoffgebiet •

Mechanik des starren Körpers



Harmonische Schwingungen



Erzwungene Schwingungen



Resonanz



Trägheitskräfte



Physikalisches Pendel



Schwebung



Allgemeine Schwingungslehre

2. Literatur •

D. Meschede, Gerthsen Physik 23. Auflage (Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2006) Kap. 4

Version 2 (3/2009 MD

Mechanische Schwingungen

MS 3

3. Fragen 1.

Eine Person der Masse m steht in einem Aufzug auf einer Waage. Der Aufzug wird mit der Beschleunigung b bzw. Verzögerung -b bewegt. Welche Gewichtskraft wird in beiden Fällen von der Waage angezeigt ?

2.

Eine Raumkapsel der Masse M taucht in die Erdatmosphäre ein und erfährt dort eine (hier als konstant angenommene) Reibungskraft R. Welche Trägheitskraft wirkt auf einen Insassen der Masse m

3.

Geben Sie eine Erklärung dafür, dass sich ein metallischer Stab, der aus einer gewissen Höhe in Längsrichtung fallend auf dem Erdboden aufschlägt, im Moment des Aufschlags am oberen Ende positiv auflädt.

4.

Man formuliere für ein mathematisches Pendel die Energiebilanz für einen Zeitpunkt t, der weder mit dem Zeitpunkt des Durchgangs durch die Ruhelage, noch mit dem Zeitpunkt des maximalen Ausschlags zusammenfällt (kleine Skizze mit Bezeichnungen).

5.

Man formuliere für ein physikalisches Pendel die Energiebilanz für einen Zeitpunkt t, der weder mit dem Zeitpunkt des Durchgangs durch die Ruhelage, noch mit dem Zeitpunkt des maximalen Ausschlags zusammenfällt (kleine Skizze mit Bezeichnungen).

6.

Ein mathematisches Pendel der Länge l und der Masse m hängt an der Decke eines Aufzugs, der sich mit der Beschleunigung b nach oben bewegt. Man stelle die Bewegungsgleichung im Fahrzeug für diesen Fall auf (kleine Skizze). Hinweis: Trägheitsmoment × Winkelbeschleunigung = Σ Drehmomente.

7.

Ein Schwinger der Eigenfrequenz ω0 wird mit der Frequenz ω zu erzwungenen Schwingungen angeregt. Welche Phasendifferenz besteht zwischen erzwungener und erregender Schwingung in folgenden Fällen: a) ω > ω0? Wie lassen sich die Fälle a) und c) anschaulich deuten?

8.

Was versteht man unter einer „Schwebung“? (Skizze; Beispiel)

9.

Lässt man auf einen schwach gedämpften Schwinger der Eigenfrequenz ω0 eine Erregerkraft der Frequenz ω ≅ ω0 wirken, so sieht man zunächst eine Schwebung, deren Amplitude langsam abnimmt. Erklären Sie diesen Vorgang.

10.

An einer Stahlfeder der Federkonstanten k schwingt eine Masse m. Stellen Sie die Bewegungsgleichung für die Masse m auf. Durch welchen einfachen Ansatz kann sie gelöst werden, und welche Eigenfrequenz folgt daraus ?

MS 4

Mechanische Schwingungen

4. Grundlagen 4.1 Allgemeines Die erzwungene Pendelschwingung wird nachstehend mit Hilfe der Gesetze der Relativbewegung behandelt. Deshalb sollen diese Gesetze kurz besprochen werden. Wir unterscheiden zwei Systeme (Abbildung 1): 1. Ein raumfestes Bezugssystem (Koordinatensystem O(x,y), genannt Laborsystem). 2. Ein gegen das raumfeste System bewegtes Bezugssystem (Koordinatensystem O´(ξ,η), genannt Fahrzeug).

Abb. 1: Laborsystem und bewegtes Bezugssystem. Das Laborsystem sei ein Inertialsystem bezüglich der hier betrachteten Kräfte, d.h. ein System, in dem die drei Newtonschen Axiome gelten. Die Bewegung eines Massenpunktes m kann auf irgendeines dieser Systeme bezogen werden, je nachdem welchen Standpunkt der Beobachter hat; er kann die Bewegung vom Laborsystem aus studieren, er kann sich aber auch mit dem Fahrzeug bewegen. Wir wollen der Einfachheit halber und im Hinblick auf unser Pendelproblem annehmen, dass das Fahrzeug gegenüber dem Laborsystem keine Drehungen, sondern nur Translationen ausführt.  Die zeitliche Änderung des Vektors r0' , von O´ nach P, beschreibt die Bahn des Massenpunktes, die vom mitbewegten Beobachter verfolgt wird. Entsprechend beschreibt die zeitliche  Änderung von r0 die Bahnkurve, die ein ruhender Beobachter sieht (Abbildung1). Wenn sich das Fahrzeug gegenüber dem Laborsystem nicht dreht, gilt:    r0 = s0 + r0′

(1)

(Berücksichtigt man auch Drehungen, so tritt an die Stelle von Gl. (1) die Beziehung    = r0 s0 + Ωr0′ , wobei Ω die Matrix der Drehung ist. Dann treten zusätzliche Trägheitskräfte, nämlich Zentrifugalkraft und Corioliskraft auf). Die Bewegungsgleichung des Massenpunktes im Laborsystem lautet mit der eingeprägten Kraft K0:

    = mr0 K= ( x,= y ) und  r0 (  x,  y) 0 , mit r0

(2)

   Ersetzt man nach Gl. (1) r0 durch s0 + r0' , so ergibt sich:

   mr0′ = K 0 - ms0

(3)

Mechanische Schwingungen

MS 5

 d.h. der mitbewegte Beobachter stellt fest, dass auf die Masse m nicht nur die Kraft K 0 (ein geprägte Kraft), sondern auch die Scheinkraft -ms0 , die man als Trägheitskraft bezeichnet, wirkt. Beispiel: An der Decke eines Wagens sei ein Fadenpendel aufgehängt (Abbildung 2). Der Wagen wird gegenüber dem Laborsystem mit der Beschleunigung b beschleunigt.

Abb. 2: Fadenpendel an der Decke eines Wagens.

 s0 . Auf die Pendelmasse wirkt die eingeDas entspricht in unserer Darstellung dem Vektor  prägte Kraft mg und die Trägheitskraft mb. Diese Kräfte erzeugen die Drehmomente mbl cos φ und −mgl sin φ .Das Pendel ist im Gleichgewicht, wenn diese Drehmomente betragsmäßig gleich sind, also tan φ = b / g ist. Natürlich spürt auch der Beobachter die auf ihn wirkende Trägheitskraft Mb. 4.2 Die erzwungene Pendelschwingung Das für den Versuch verwendete Resonanzpendel ist in Abbildung 3 skizziert. Ein Schlitten Sch wird über eine Pleuelstange (annähernd) sinusförmig hin und her bewegt. Der Schlitten wird durch die Stange St geführt. Das Pendel kann sich um eine fest mit dem Schlitten verbundene Achse A drehen. Die Kurbelscheibe K wird durch einen Elektromotor angetrieben, dessen Frequenz regelbar ist. Außerdem ist das Pendelsystem mit einer variablen Dämpfung versehen, die nach dem Prinzip der Wirbelstromdämpfung arbeitet.

Abb. 3: Resonanzpendel.

MS 6

Mechanische Schwingungen

Zur Behandlung des Problems wählen wir ein starr mit dem Laborsystem verbundenes Koordinatensystem und ein fest mit dem Schlitten Sch verbundenes System als Fahrzeug (Abbildung 4).

Abb. 4: Laborsystem und Fahrzeugsystem des Resonanzpendels. Im Fahrzeug ist die Lage des Schwerpunktes S des Pendels (Pendelstange und Pendelmasse m) durch den Schwerpunktabstand s und den Winkel φ festgelegt (ebene Polarkoordinaten). Im Fahrzeug beobachtet man eine reine Pendelschwingung, während die Bewegung, vom Laborsystem aus beurteilt, sich aus einer Translations- und einer Schwingungsbewegung zusammensetzt, also komplizierter ist. Deshalb ist es vorteilhaft, die Bewegung im Fahrzeug zu studieren.  In S wirkt als eingeprägte die Komponente mg sin φ der Schwerkraft mg . Sie erzeugt   Kraft  ein Drehmoment Ds = s × mg mit dem Betrag Ds = −mgs sin φ , das negativ zu rechnen ist, da es nach Abbildung 4 den Winkel φ zu verkleinern sucht. Zusätzlich wirkt in S die Trägheits  cos φ erzeugt. Die Dämpfung erzeugt kraft mz , die ein Drehmoment vom Betrag DT = − mzs ebenfalls ein dämpfendes Drehmoment, das bei Wirbelstromdämpfung proportional zur Winkelgeschwindigkeit gesetzt werden kann, sodass man für dessen Betrag erhält: Dd = − ρφ . Die Bewegungsgleichung für Drehbewegungen lautet: Trägheitsmoment × Winkelgeschwindigkeit = Σ(Drehmomente). Da alle Drehmomente in dieselbe Richtung weisen, können wir ihre Beträge addieren und erhalten:

oder

 0 cos φ − mgs sin ι − ρφ Θφ =−mzs φ + mgs sin φ / Θ + ρφ / Θ = −msz cos φ / Θ

(4)

Der Ausschlag φ sei so klein, dass annähernd sinφ ≅ φ und cosφ ≅ 1 gilt. Dann lautet Gl. (4), wenn man noch mgs / Θ ≡ ω02 und ρ /Θ ≡ γ setzt, wobei ω0 die Eigenfrequenz des Pendels und γ ein Maß für den Einfluss der Dämpfung ist:

Mechanische Schwingungen

MS 7

φ + ω02φ + γ φ = −ω02  z/g

(5)

Gl. (5) ist die typische Bewegungsgleichung für eine erzwungene Schwingung (inhomogene Differentialgleichung zweiter Ordnung). Auf der rechten Seite steht der antreibende Term (Inhomogenität), der hier von einer Trägheitskraft herrührt. Ruht das Fahrzeug im Laborsystem, so ist  z = 0 , und Gl. (5) stellt die Bewegungsgleichung für die freie gedämpfte Schwingung des Pendels dar (homogene Differentialgleichung zweiter Ordnung). Ihre Lösung ist für hinreichend kleine Dämpfung ( ω02 > γ 2 4 ):

= φ (t ) φ0 e −γ

2t

sin(ω ′t )

mit ω ′= ω02 − γ 2 4

(6)

Sie stellt eine Sinusschwingung der Frequenz ω´ dar, deren Amplitude exponentiell mit der Zeit abklingt (Abbildung 5).

Abb. 5: Freie gedämpfte Schwingung des Pendels.

φ1 und φ2 seien zwei Auslenkungen, die den zeitlichen Abstand T = 2π/ω´ haben: φ1 (t1 ) = φ0 e −γ t 2 sin(ω ′t1 ) 1

= φ2 (t2 ) φ0 e −γ

2⋅( t1 +T )

sin(ω ′(t1 + T )

sin(ω ′(t1 + T )) folgt φ1 φ2 = eγ 2T . Das logarithmische Dekrement ist defiWegen sin(ω ′t1 ) = niert als  φ1  γ = T δ ln=    φ2  2

Ist also die Dämpfung proportional zur Winkelgeschwindigkeit φ , so ist das Verhältnis zweier aufeinanderfolgender Maximalauslenkungen (gleicher Phase, vgl. Abbildung 5) konstant. Umgekehrt kann man prüfen, ob die Dämpfung proportional zu φ ist, denn dann sind die Verhältnisse aufeinanderfolgender Maximalauslenkungen konstant. Wird der Aufhängepunkt A harmonisch hin und her bewegt, also z = z0sin(ωt), so lautet Gl. (5):

ω φ + γφ + ω02φ =0 z0ω 2 sin(ωt ) g 2

(7)

MS 8

Mechanische Schwingungen

Die stationäre (d.h. für den eingeschwungenen Zustand gültige) Lösung lautet (Lösungsmethode z.B. Variation der Konstanten):

φ (t )=

z0ω02 ω2 sin(ωt − α )= φ0 (ω ) sin(ωt − α ) ⋅ g (ω02 − ω 2 ) 2 + γ 2ω 2

(8)

ωγ ω −ω2

(9)

mit

tan α =

2 0

α ist die Phasendifferenz zwischen erzwungener und erregender Schwingung. Die Funktion φ0 = φ0 (ω ) stellt eine typische Resonanzkurve dar (Abbildung 6).

Abb. 6 (links): Resonanzzkurve, Abb. 7 (rechts): Resonanzzkurve nach Gl. (11). Die Resonanzfrequenz ist dabei gegeben durch:

ωmax =

ω02 ω02 + γ 2 2

(10)

Achtung: In den Lehrbüchern der Physik wird für die normale erzwungene Schwingung der Erregerterm auf der rechten Seite von Gleichung (8) als const × sin(ωt-α) geschrieben, während er sich bei unserer experimentellen Anordnung zu const × ω2 × sin(ωt-α) ergibt. Das bedeutet keinen prinzipiellen Unterschied im Resonanzverhalten, aber die Lösungen des Problems sehen etwas anders aus; so ist bei unserer Lösung noch ein zusätzliches ω2 im Zähler, was zu einer Asymmetrie der Resonanzkurve führt. Auch die Ausdrücke für ωmax unterscheiden sich. Zeichnet man das Quadrat des durch die Amplitude der erregenden Kraft K 0 = ω02 z0ω 2 g dividierten Amplitudenwertes 2

 φ0 (ω )  1   = 2 2 2 (ω0 − ω ) + γ 2ω 2  K0 

so erhält man den in Abbildung 7 skizzierten symmetrischen Verlauf.

(11)

Mechanische Schwingungen

MS 9

Eine wichtige Größe ist der sogenannte Q-Faktor (Qualitätsfaktor) eines schwingenden gedämpften Systems: Als Q-Faktor bezeichnet man das mit 2π multiplizierte Verhältnis der Gesamtenergie zum mittleren Energieverlust während einer Schwingungsperiode T. Für unseren Fall ergibt sich der Q-Faktor zu Q=

ω0 γ

(12)

Wenn γ 2 / 2  ω02 ist, dann wird ωmax ≅ ω0. Die Breite der Resonanzkurve an derjenigen Stelle, an der die Amplitude auf den Wert φmax / 2 gefallen ist, soll Halbwertsbreite ∆ω genannt werden. Mit der Näherung ωmax ≅ ω0 ergibt sich nach einer kleinen Rechnung:

∆ω = γ

(13)

Demzufolge lässt sich γ außer aus dem logarithmischen Dekrement auch aus der Halbwertsbreite ∆ω bestimmen. Anmerkung: Der Ausdruck Gl. (8) ist nicht die allgemeine Lösung der Differentialgleichung (7). Die Theorie der linearen Differentialgleichung lehrt, dass die allgemeine Lösung einer inhomogenen linearen Differentialgleichung (inhomogen heißt: rechte Seite ≠ 0) sich als Summe der allgemeinen Lösung der homogenen Differentialgleichung (homogen heißt: rechte Seite = 0) und einer speziellen Lösung der inhomogenen Gleichung zusammensetzt. Die Lösung der homogenen Differentialgleichung beschreibt aber gedämpfte Schwingungen, die zeitlich exponentiell abklingen. Solche Schwingungen treten bei dem Einschwingvorgang auf. Im Experiment lässt sich das gut beobachten. Es dauert eine gewisse Zeit, bis der Einschwingvorgang beendet ist und sich die Amplitude, die der Lösung (8) entspricht, eingestellt hat. Je größer die Dämpfung, umso schneller ist der Einschwingvorgang abgeklungen. Deshalb lässt man ihn meist unberücksichtigt und betrachtet nur den eingeschwungenen Zustand.

MS 10

Mechanische Schwingungen

5.Versuchdurchführung Aufgabe 1 Zunächst wird die Frequenz ω0 des ungedämpften Pendels bestimmt. Dann bestimme man für eine eingestellte Dämpfung die Eigenfrequenz des Pendels. Dazu messe man die Zeit für 10 Schwingungen. Aufgabe 2 Man prüfe, ob die Dämpfung annähernd geschwindigkeitsproportional ist, indem man das Verhältnis aufeinanderfolgender Maximalauslenkungen (natürlich auf derselben Seite der Skala ablesen) misst. Der Versuch ist mehrmals durchzuführen, und die erhaltenen Maximalauslenkungen sind zu mitteln. Aus dem Mittelwert wird die Dämpfungskonstante γ bestimmt. Aufgabe 3 Man nehme eine Resonanzkurve auf, indem man, bei niedrigen Erregerfrequenzen beginnend, die Frequenz des den Schlitten treibenden Motors langsam erhöht und die sich nach der Einschwingzeit einstellenden Amplituden φ0 (ω ) auf der Winkelskala abliest. (Vorsicht im Resonanzgebiet: dort verursachen geringe Frequenzänderungen große Amplitudenänderungen!) Aufgabe 4 Aus der Halbwertsbreite der Resonanzkurve bestimme man die Dämpfungskonstante und vergleiche sie mit der in Aufgabe 2 bestimmten. Geben Sie den Q-Faktor an. Die Aufgaben 1 bis 4 sind für zwei verschiedene Dämpfungen durchzuführen.

Suggest Documents