Phenylketonurie (PKU)

Deutsche Interessengemeinschaft PKU und verwandte Stoffwechselstörungen e. V.   Grundlegende Denkanstöße zu Behandlungsempfehlungen für die Phenylket...
Author: Jörg Siegel
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Deutsche Interessengemeinschaft PKU und verwandte Stoffwechselstörungen e. V.  

Grundlegende Denkanstöße zu Behandlungsempfehlungen für die Phenylketonurie (PKU)

Digital unterschrieben von Michael Gall DN: cn=Michael Gall, o=DIG PKU e.V., ou, [email protected], c=DE Grund: Ich bin der Verfasser dieses Dokuments Ort:Kassel Datum: 2009.09.23 19:30:20 +02'00'

Behandlungsempfehlungen für die PKU    Die PKU - Behandlungsempfehlungen sind für die Betroffenen von existentieller Bedeutung. Die Einhaltung dieser Empfehlungen soll sicherstellen, dass die PKU zu keinen Einschränkungen der persönlichen, intellektuellen und sozialen Entwicklung führt und somit ein Leben in Gesundheit für die Betroffenen möglich ist.

Deutsche Interessengemeinschaft PKU und verw. Stoffwechselstörungen e.V. Behandlungsempfehlungen in der PKU Grundlegende Denkanstöße der

Vergleicht man die Behandlungsempfehlungen international, so fällt auf, dass diese unterschiedlich festgelegt werden. So sind die zu tolerierenden Grenzen der Phenylalaninwerte im Blut für Erwachsene in Deutschland (< 20 mg/dl) wesentlich höher als z.B. in England (< 11 mg/dl) oder in den USA (< 10 mg/dl). Der Vorstand der DIG PKU hat hierauf bereits auf unserer MV 2007 und auch in der PHEline 2/2007 hingewiesen.

DIG PKU

Diese unterschiedliche Festlegung der Behandlungsempfehlungen wirft bei unseren Mitgliedern immer wieder Fragen auf. Liegen anderen Ländern bessere Erkenntnisse vor, aus denen sich die strengeren Werte ableiten lassen? Sind die Behandlungsempfehlungen abhängig von der Liquidität des Gesundheitssystems? Daraus ergibt sich die Frage woran Behandlungsempfehlungen orientieren sollten.

‘ Allgemeine Überlegungen ‘ Rechtliche Aspekte ‘ Politische Aspekte ‘ Derzeitigen Behandlungsempfehlungen ‘ Auswirkungen der Blutwerte ‘ Denkanstöße der DIG

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Zuerst soll der Frage nachgegangen werden, welche Grundlagen für die Behandlungsempfehlungen herangezogen werden können bzw. sollen und woran sich diese Empfehlungen orientieren sollten.

Allgemeine Überlegungen ‘ Welche (rechtlichen) Grundlagen können für Behandlungsempfehlungen in der PKU im allgemeinen herangezogen werden.

Beispielhaft werden im Folgenden das Grundgesetz, das Sozialgesetzbuch sowie auch politische Aspekte näher beleuchtet.

– Grundgesetz – Sozialgesetzbuch – Politische Aspekte

Behandlungsempfehlungen PKU

Bearbeitet von:  Dr. med. Miriam Hein und Dipl.‐oec. Michael Gall

 

die

In der folgenden Präsentation werden wir diese Frage etwas genauer betrachten. Im Rahmen allgemeiner Überlegungen werden wir rechtliche und politische Aspekte mit einbeziehen und uns dann die derzeitige Behandlungsempfehlung anschauen. Von diesen Überlegungen gehen wir dann zu den bisher bekannten Auswirkungen über und werden dann abschließend die Denkanstöße der DIG erläutern.

Inhaltsübersicht

Behandlungsempfehlungen PKU

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Behandlungsempfehlungen für die PKU    Gemäß unserem Grundgesetz hat jeder das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Insbesondere wird in Artikel 3 darauf hingewiesen, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Somit müssen Voraussetzungen vorliegen, so dass auch für Behinderte die Möglichkeit zur freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit besteht.

Auszug Grundgesetz ‘Artikel 2 – Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit […]

‘Artikel 3 (3) – […] Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Behandlungsempfehlungen PKU

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Für die Behandlungsempfehlungen für die PKU heißt dies, dass diese Forderungen auch berücksichtigt werden sollten. D.h., Behandlungsempfehlungen müssen sicherstellen, dass bei Einhaltung dieser Empfehlungen keine Beeinträchtigungen für die Betroffenen vorliegen und dass die Einhaltung dieser Empfehlungen keine Beeinträchtigung in der Persönlichkeitsentfaltung darstellt. Weitere Aspekte lassen sich Sozialgesetzbuch wieder finden.

‘ § 1 Aufgaben des Sozialgesetzbuches: – Das Sozialgesetzbuch soll dazu beitragen: • ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, • gleiche Voraussetzungen für die freie Entfaltung der Persönlichkeit, insbesondere auch für junge Menschen, zu schaffen,

im

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Auszug Sozialgesetzbuch 1 ‘ § 4 Sozialversicherung: – Wer in der Sozialversicherung versichert ist, […] hat ein Recht auf: • notwendige Maßnahmen zum Schutz, zur Erhaltung, zur Besserung und zur Wiederherstellung der Gesundheit und der Leistungsfähigkeit […]

‘ § 10 Teilhabe behinderter Menschen: – Menschen, die körperlich, geistig oder seelisch behindert sind […], haben ein Recht auf Hilfe die notwendig ist, um • die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. • ihre Entwicklung zu fördern und ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft […] zu ermöglichen Behandlungsempfehlungen PKU

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auch

So ist gemäß SGB sicher zu stellen, dass die notwendigen Maßnahmen, die zum Schutz und zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit notwendig sind, allen Betroffenen zur Verfügung gestellt werden. Die entsprechenden Voraussetzungen sind in §1 Abs. 1 SGB I - Allgemeiner Teil - formuliert: − Gleiche Voraussetzungen sind für die freie Entfaltung der Persönlichkeit zu schaffen.

Auszug Sozialgesetzbuch 1

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Insb. die Paragraphen 4 und 10 des SGB I weisen darauf hin, dass die Betroffenen ein Recht auf alle erforderlichen Maßnahmen haben, die dazu führen ihre Entwicklung zu fördern und eine Verschlimmerungen ihrer Behinderung zu verhüten. Zu beachten ist, dass nach § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB I aus den vorgenannten Grundsätzen Ansprüche nur insoweit geltend gemacht oder hergeleitet werden können, als deren Voraussetzung und Inhalt durch die Vorschriften der besonderen Teile des SGB im Einzelnen bestimmt sind. Festzuhalten bleibt, dass die PKU eine Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist. Die Betroffenen haben deshalb die notwendigen Leistungen der GKV zu erhalten, zu deren im Rahmen der Krankenbehandlung neben der ärztlichen Behandlung auch die Versorgung mit Arznei- und Heilmittel gehört (s. §27 SGB V).

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Behandlungsempfehlungen für die PKU    Weiterhin ist auch das SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - zu berücksichtigen, wonach Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen Leistungen erhalten, um: - ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, - Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken.

Auszug Sozialgesetzbuch 9 ‘ § 1 Selbstbestimmung und Teilhabe: – Behinderte […] erhalten Leistungen, um […] Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken.

‘ § 2 Vorrang vor Prävention: – Die Rehabilitationsträger wirken darauf hin, dass der Eintritt einer Behinderung […] vermieden wird.

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Dabei wird auch den besonderen Bedürfnissen behinderter und von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder Rechnung getragen. 7

Insbesondere soll hier auf § 4 des SGB IX hingewiesen werden, wonach die Leistungen zur Teilhabe auch dazu dienen, eine Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern.

Auszug Sozialgesetzbuch 9 ‘ § 4 Leistungen zur Teilhabe: – Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen um unabhängig von der Ursache der Behinderung

D.h., Behandlungsempfehlungen sollten den genannten Kriterien Rechnung tragen, sodass die Teilhabe der Betroffenen gewährleistet ist und dass eine Verschlimmerung der Behinderung verhütet und Folgen vermieden bzw. gemildert werden.

• Die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. • Die persönliche Entwicklung ganzheitliche zu fördern, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft […] zu ermöglichen oder zu erleichtern.

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Beauftragte für die Belange behinderter Menschen

‘ Die Politik hat das Ziel, in allen Lebensbereichen gleichwertige Bedingungen für Menschen mit und ohne Behinderung zu schaffen. –

Quelle: http://www.behindertenbeauftragte.de

‘ Auszug Behindertengleichstellungsgesetz § 1 – Ziel […] ist es, die Benachteiligung von behinderten Menschen zu beseitigen und zu verhindern sowie die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten.

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Die Beauftragte für die Belange behinderter Menschen (Karin Evers-Meyer) formuliert das Ziel, dass gleichwertige Bedingungen für Menschen mit und ohne Behinderung geschaffen werden müssen. Die Aufgaben des Beauftragten sind durch das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (Behindertengleichstellungsgesetz BGG) geregelt. Hier heißt es u.a. im § 1: - Ziel dieses Gesetzes ist es, die Benachteiligung von behinderten Menschen zu beseitigen und zu verhindern sowie die gleichberechtigte Teilhabe von behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. PKU-Betroffene unterscheiden sich von Nicht-Betroffenen in erster Linie dadurch, dass sie eine lebenslange semisynthetische Diät einhalten müssen. Die Einhaltung einer konsequenten Diät führt zu keiner weiteren Einschränkung der persönlichen und intellektuellen Entwicklung. Kontrolliert wird die Güte der Diättherapie im Wesentlichen durch die Bestimmung von Phenylalanin und Tyrosin im Blut gemäß den Empfehlungen der APS.

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Behandlungsempfehlungen für die PKU    PHE-Blutwerte

– Phe-Werte eines Nicht-

Betroffenen • • • • •

Neugeborene bis 1 Monat: bis 2,5 mg/dl Säuglinge bis 1 Jahr: bis 2 mg/dl Kleinkinder 2 bis 6 Jahre: bis 2,5 mg/dl Schulkinder 7 bis 14 Jahre: bis 3 mg/dl Erwachsene: bis 4 mg/dl Quelle: Laborlexikon.de

– Empfehlungen der APS für PKU-Betroffenen • 1. bis 10 LJ: 0,7 bis 4 mg/dl • 11. bis 16. LJ: 0,7 bis 15 mg/dl • > 16. LJ: < 20 mg/dl

Quelle: Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Stoffwechselstörungen (APS) bestehend aus: H. J. Bremer, P. Bührdel, P. Burgard, P. C. Clemens, D. Leupold, E. Mönch, H. Przyrembel, F. K. Trefz, und K. Ullrich (Sprecher der Arbeitsgruppe)

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Um eine Gleichstellung von PKU-Betroffenen und Gesunden zu erreichen, erscheint somit ein Vergleich der Phe-Werte der Betroffenen mit den Phe-Werten von NichtBetroffenen erforderlich. Hierfür sollen im Folgenden die Phe-Blutwerte der NichtBetroffenen mit den Behandlungsempfehlungen der APS für PKU-Betroffene herangezogen werden. Bei den Nicht-Betroffenen liegen je nach Altersstufe die Phe-Werte im Bereich von 2 bis 4 mg/dl. Gemäß den Empfehlungen der APS werden bei PKUBetroffenen im Alter von 1 bis 10 Jahren Phe-Werte 0,7 bis 4 mg/dl (safe-level) toleriert. Bei den Kindern im Alter von 11 bis 16 Jahren werden Phe-Werte bis 15 mg/dl als akzeptabel angesehen. Ab dem 16. Lebensjahr werden gemäß den APS Empfehlungen Phe-Werte unter 20 mg/dl toleriert. Betrachtet man nun die Behandlungsempfehlungen der APS, so fallen die doch relativ großen Abweichungen zwischen Normalwert und Maximalwert der Behandlungsempfehlung in den Altersstufen ab 11 Jahren auf. Besonders auffällig sind jedoch die Abweichungen im Erwachsenenalter. Während Nicht Betroffene im Erwachsenenalter einen PheWert von bis zu 4 mg/dl aufweisen, werden bei den PKUBetroffenen, aufgrund der Empfehlungen der APS, PheWerte bis zu 20 mg/dl toleriert. Diese Grenzen zählen auch im internationalen Bereich zu den höchsten (UK < 11 mg/dl; USA < 10 mg/dl s. o.).

Vergleich der PHE-Werte ‘ Bei dem Vergleich der Phe-Werte eines NichtBetroffenen mit den Maximalen Empfehlungen der APS fallen die gravierenden Abweichungen ab dem 11. Lebensjahr auf. ‘ Da diese maximalen Empfehlungen von den Stoffwechselzentren umgesetzt werden, wäre zu vermuten, dass die hohen PHE-Spiegel keine negativen Auswirkungen auf die Betroffenen haben

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Wie bereits erwähnt, wird die Güte der Diättherapie im Wesentlichen durch die Bestimmung von Phenylalanin und Tyrosin im Blut gemäß den Empfehlungen der APS kontrolliert. Für die PKU Behandlung bedeutet dies u.a., dass für Jugendliche und Erwachsen ein Phe-Blutwert unter 20 mg/dl toleriert wird. D.h., solange die Betroffenen diese Grenze einhalten, wird ihnen eine gute Diättherapie bescheinigt. Eine Änderung der Therapie ist bei einem Phe-Wert von z.B. 14, 16 oder sogar 18 mg/dl nicht zwingend erforderlich. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass mittlerweile einige Behandlungszentren, entgegen den APS Empfehlungen, Phe-Blutwerte bis 10 bzw. 15 mg/dl im Erwachsenenalter empfehlen. Hierbei stellt sich die Frage welche Kriterien für diese Festlegungen angenommen wurden. D.h., warum wurden z.B. nicht Werte von 9, 11 oder 14 bzw. 16 mg/dl festgelegt. Somit erscheinen diese Empfehlungen doch sehr willkürlich, zumal sie auch nicht bundesweit Anwendung finden. Festzuhalten bleibt, dass auch diese Empfehlungen erheblich von den Werten eines Nicht-Betroffenen abweichen.

Bearbeitet von:  Dr. med. Miriam Hein und Dipl.‐oec. Michael Gall

 

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Behandlungsempfehlungen für die PKU    Andere Behandlungszentren hingegen tolerieren PheWerte bis zu den Maximalwerten der APS. Begründet wird diese Empfehlung damit, dass niedrige Phe-Werte nur mit einer konsequenten Diätführung möglich sind, die aber zu einem erheblichen Verlust der Lebensqualität führe. Die behandelnden Mediziner, die zum Teil kaum Erfahrungen mit der PKU haben, orientieren sich letztendlich an den Empfehlungen der APS, ohne diese Werte konkreter zu hinterfragen. Die Betroffenen selbst gehen häufig davon aus, dass sie trotz dieser hohen Phe-Werte ein ganz normales Leben führen können und dass diese hohen Phe-Werte zu keiner weiteren Beeinträchtigung führen. Vergleich der PHE-Werte ‘ Dennoch werfen die unterschiedlichen PHE-Werte für PKU-Betroffene und Nicht-Betroffene Fragen auf. ‘ Aufgrund der internationalen niedrigeren Werte wird immer wieder die Frage aufgeworfen, ob permanent hohe PHE-Werte wirklich ohne Konsequenzen für die Betroffenen sind. ‘ Festzuhalten bleibt, dass sich die derzeitigen Leitlinien für die PKU in Überarbeitung befinden ‘ Somit sollte der Frage nachgegangen werden, welche PHE-Werte eingehalten werden sollten, um weitere Beeinträchtigungen für die Betroffenen auszuschließen. Behandlungsempfehlungen PKU

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Letztendlich stellt sich aber die Frage, warum ein PheWert von < 20 mg/dl für PKU Betroffene toleriert wird, während dieser Wert für Nicht-Betroffenen bei 4 mg/dl liegt. In diesem Zusammenhang muss nochmals auf die Anfangs erwähnten internationalen Werte hingewiesen werden, die erheblich unter den deutschen Empfehlungen liegen. Es stellt sich somit auch die Frage, ob derart permanent hohe Phe-Werte wirklich ohne Konsequenzen für die Betroffenen bleiben. Anzumerken bleibt, dass sich die derzeitigen Leitlinien für die PKU nach Auskunft unseres Wissenschaftlichen Beirates in Überarbeitung befinden. Somit sollte der Frage nachgegangen werden, welche Phenylalaninblutwerte vorliegen sollten, damit sicher gestellt werden kann, dass für die Betroffenen keine weiteren Beeinträchtigungen auftreten bzw. welche Erkenntnisse und Studien vorliegen, die eine derart hohen Phenylalaninwert im Blut weiterhin rechtfertigen. Bei der Recherche findet man Literatur aus dem Jahre 2000 und 2006, die darauf hinweist, dass keine Erkenntnisse darüber vorliegen, wie sich hohe Phenylalaninkonzentrationen über ein oder mehrere Jahrzehnte auf das Gehirn auswirken. Weiterhin wird die Vermutung geäußert, dass bei kontinuierlichen hohen Phenylalaninkonzentrationen im Gehirn deutlich messbare Veränderungen und klinische Symptome auftreten.

Auswirkungen hoher PHE-Werte ‘ Obwohl bei Magnetresonanzutersuchungen des Gehirns Veränderungen in

der weißen Substanz ab 6 mg/dl Phenylalanin gefunden wurden, die bei niedrigeren Konzentrationen wieder restlos verschwanden, scheinen höhere Phenylalaninkonzentrationen für kürzere Zeit in der Regel zu keinen Schäden oder gravierenden, neurophysiologisch und psychologisch nachweisbaren Schäden oder Funktionsstörungen bei Erwachsenen zu führen. Wie sich allerdings hohe Phenylalaninkonzentrationen über ein oder mehrere Jahrzehnte auf ein bislang normal entwickeltes Gehirn auswirken, wissen wir heute noch nicht zuverlässig. ‘ Es wird vermutet, dass bei den Patienten mit klassischer Phenylketonurie bereits 4 bis 7 Jahre nach Beendigung der Diät und kontinuierlich hohen Blutphenylalaninkonzentrationen deutlich messbare Veränderungen und klinische Symptome auftreten. Quelle: Mönch, E.; Link, R.: Diagnostik und Therapie bei angeborenen Stoffwechselstörungen; 1. Aufl. 2000, 2. Aufl. 2006

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Behandlungsempfehlungen für die PKU    Weiterhin wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass in Experimenten mit Zellkulturen von embryonalen Neuronen die Zahl der absterbenden Neuronen in Abhängigkeit von der Phenylalaninkonzentration zu sehen ist. Hierbei wird deutlich darauf hingewiesen, dass auch bei Phenylalaninspiegel unter 20 mg/dl mit Hirnschäden zu rechnen ist, sofern diese Beobachtung auch für reifere Gehirne zutrifft.

Auswirkungen hoher PHE-Werte ‘ Bei Experimenten mit Zellkulturen von embryonalen Neuronen zeigte sich eine signifikante Verminderung der Neuronenzahlen in Abhängigkeit von der Phenylalaninkonzentration. Die Zahl der apoptotischen Neuronen hatte sich nach Phenylalaninexposition durch eine unnormale genetische Expression drastisch erhöht. ‘ Falls diese Beobachtungen auch für Neuronen reifer Gehirne zutrifft, ist langfristig auch bei erwachsenen PKUPatienten bei erhöhten Phenylalaninspiegel auch unter 20 mg/dl mit Hirnschäden zu rechnen. Quelle: Mönch, E.; Link, R.: Diagnostik und Therapie bei angeborenen Stoffwechselstörungen; 1. Aufl. 2000, 2. Aufl. 2006

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Auswirkungen hoher PHE-Werte ‘ Weitere Studien aus den vergangenen Jahren unterstützen die Behauptung, dass sich hohe PheSpiegel negativ auf die Betroffenen auswirken. Folgende Auffälligkeiten konnten u.a. festgestellt werden: • • • • • • • • •

Konzentrationsstörungen Verlängerte Reaktionsgeschwindigkeit Aufmerksamkeitsstörungen Störungen im komplexen Denken Persönlichkeitsstörungen EEG Veränderungen Verlängerte Latenzzeiten der Visuell evozierte Potentiale (VEP) Verlangsamung der Nervenleitgeschwindigkeit Etc.

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Aus den uns vorliegenden Informationen können wir die beschriebenen Auswirkungen hoher Phenylalaninspiegel ebenfalls bestätigen. In vielfältigen Gesprächen mit unseren jugendlichen und erwachsenen Mitgliedern wird vermehrt auf die oben beschriebenden Auswirkungen hingewiesen. Gleichzeitig ist darauf hinzuweisen, dass bei Einhaltung des safe-level derzeit keine Beeinträchtigungen für die Betroffenen bekannt sind.

Zusammenfassung ‘ Aufgrund der beschriebenen Auswirkungen scheint, die Aussage widerlegt, dass hohe PHE-Werte zu keiner weiteren Beeinträchtigung führen. ‘ Somit sind Nachteile sowohl im schulischen als auch im beruflichen oder im sozialen Umfeld nicht auszuschließen. ‘ Somit ergibt sich jedoch ein Widerspruch zu den Anforderungen gleichwertige Bedingungen für Menschen mit und ohne Behinderung zu schaffen. Behandlungsempfehlungen PKU

Weitere Studien aus den vergangenen Jahren unterstützen die Aussage, dass sich hohe Phe-Spiegel negativ auf den Betroffenen auswirken. Folgende Auffälligkeiten konnten u.a. festgestellt werden: • Konzentrationsstörungen • Verlängerte Reaktionsgeschwindigkeit • Aufmerksamkeitsstörungen • Störungen im komplexen Denken • Persönlichkeitsstörungen • EEG Veränderungen • Verlängerte Latenzzeiten der Visuell evozierte Potentiale (VEP) • Verlangsamung der Nervenleitgeschwindigkeit Nach Aussagen unseres Wissenschaftlichen Beirates ist die Datenlage dennoch nicht ausreichend, um daraus Therapieempfehlungen herzuleiten.

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Bei näherer Betrachtung der oben genannten Beeinträchtigungen erscheint somit die Annahme widerlegt, dass PKU - Betroffene trotz hoher Phe - Werte ein ganz normales Leben führen können und dass diese hohen Phe-Werte zu keiner weiteren Beeinträchtigung führen. Sofern aufgrund hoher Phenylalaninblutspiegel und unzureichender Diätbehandlung Beeinträchtigungen wie z.B. Aufmerksamkeitsstörungen bzw. Störungen im komplexen Denken aber auch Persönlichkeitsstörungen auftreten, sind Probleme im schulischen, beruflichen aber auch im sozialen Umfeld zu erwarten.

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Behandlungsempfehlungen für die PKU    Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Beeinträchtigungen für den Betroffenen aufgrund hoher Phe-Werte festgestellt wurden. Dies steht aber im krassen Widerspruch zu den anfangs genannten Anforderungen für PKU Behandlungsempfehlungen, nämlich: • Es sind gleichwertige Bedingungen für Menschen mit und ohne Behinderung zu schaffen. Zusammenfassung ‘ Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: – Jeder soll eine faire Chance erhalten, sein Gesundheitspotential voll auszuschöpfen, d.h. alle vermeidbaren Hemmnisse zur Erreichung dieses Potentials sollen beseitigt werden. ‘

Quelle: (BZgA, Gesundheitsförderung für sozial Benachteiligte, Band 22, 13)

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Zusammenfassung ‘ Wir erwarten, dass den Betroffenen alle Erkenntnisse und Informationen in einer verständlichen Sprache vorgelegt werden. ‘ Die Betroffenen müssen somit auch über mögliche negative Auswirkungen hoher PHE-Spiegel hinreichend informiert werden. ‘ Um gleichwertige Voraussetzungen zu erhalten und die genannte Auswirkungen zu vermeiden erscheint die Annäherung an den safe level am sichersten.

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In diesem Zusammenhang können auch Ziele der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung herangezogen werden, wonach: • Jeder soll eine faire Chance erhalten sein Gesundheitspotential voll auszuschöpfen, d.h. alle vermeidbaren Hemmnisse zur Erreichung dieses Potentials sollen beseitigt werden Es stellt sich somit die Frage, ob die genannten Ziele bei den derzeit vorliegenden Behandlungsempfehlungen überhaupt erreicht werden können. Nach den derzeit vorliegenden Erkenntnissen ist dies nicht der Fall, da wie bereits erwähnt hohe Phenylalaninblutspiegel u.a. zu Konzentrations- bzw. Aufmerksamkeitsstörungen oder aber auch zu Störungen im Bereich des komplexen Denkens oder zur Verlangsamung der Nervenleitgeschwindigkeit führen können. Somit können aufgrund der vorliegenden Behandlungsempfehlungen derzeit keine gleichen Bedingungen für PKU-Betroffene mit hohen Phe-Spiegeln und Nicht-Betroffenen bzw. PKU-Betroffene mit niedrigen Phe-Spiegeln geschaffen werden. Die DIG PKU erwartet, dass den Betroffenen alle Erkenntnisse und Informationen vorgelegt werden. Diese müssen ihnen in einer verständlichen, nicht mit medizinischen Fachausdrücken versehenen Sprache erklärt werden. Somit müssen die Betroffenen auch über die möglichen negativen Auswirkungen bei hohen Phe-Spiegeln ausreichend informiert werden. Es darf nicht sein, dass hohe Phe-Werte von den Betroffenen aber auch von den behandelnden Medizinern im guten Glauben toleriert werden, obwohl Erkenntnisse vorliegen, die für die Einhaltung einer konsequenten Diät sprechen und somit auch für niedrige Phe-Werte einstehen. Um gleichwertige Bedingungen für die PKU Betroffenen zu schaffen, erscheint es ratsam, dass die Phenylalaninblutwerte bei gegebener Diätcompliance denen der Nicht-Betroffenen entsprechen. Nur so können die genannten Auswirkungen vermieden werden.

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Behandlungsempfehlungen für die PKU    Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse, nämlich dass hohe Phe-Werte zu Beeinträchtigungen und somit auch zu Einschränkungen für den PKU-Betroffenen führen können, sollten die derzeit gültigen Behandlungsempfehlungen überarbeitet werden. Die DIG PKU empfiehlt hierzu folgende Formulierung:

Empfehlungen der DIG PKU ‘ Aufgrund der bisher vorliegenden Erkenntnisse sollten die Behandlungsempfehlungen nach Auffassung des Vorstandes neu überarbeitet werden. Die Empfehlungen der DIG PKU hierfür sind in Anlehnung an die Politik:

– Jeder PKU-Betroffene mit ausreichender Diätcompliance soll in die Lage versetzt werden, Zielwerte zu erreichen, die denen eines Nicht-Betroffenen im gleichen Alter möglichst nahe kommen. Daher wird der safe-level 0,7 bis 4 mg/dl Phe im Blut formuliert. Im Erwachsenenalter kann ggf. ein Grenzwert im einstelligen Bereich toleriert Behandlungsempfehlungen werden. PKU

•Jeder PKU-Betroffene mit ausreichender

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Ende des Vortrags Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit

Behandlungsempfehlungen PKU

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Diätcompliance soll in die Lage versetzt werden, Zielwerte zu erreichen, die denen eines Nicht-Betroffenen im gleichen Alter möglichst nahe kommen. Daher wird der safe-level 0,7 bis 4 mg/dl Phe im Blut formuliert (wie im Kindesalter). Im Erwachsenenalter kann ggf. ein Grenzwert im einstelligen Bereich (< 10 mg/dl) toleriert werden (s. Empfehlungen UK und USA). Wir hoffen, dass wir mit unserem Beitrag die Notwendigkeit für die Überarbeitung der derzeitigen PKU Behandlungsempfehlungen aufzeigen konnten. Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass Beeinträchtigungen aufgrund hoher Phenylalaninblutspiegel festgestellt wurden. Auch wenn unser Wissenschaftlicher Beirat auf die unzureichende Datenlage hinweist, stellt sich bereits jetzt die Frage wie sich permanent hohe Phenylalaninblutwerte in der Zukunft auswirken. Derzeit bekannte Auswirkungen haben wir in unserem Bericht angeführt. Somit sollten wir zum Schutz unserer Mitglieder bereits jetzt auf die Orientierung anhand des safe-levels hinweisen. Letztendlich hoffen wir, dass wir gemeinsam mit den medizinischen Verantwortlichen Überlegungen für eine Anpassung der derzeitigen Behandlungsempfehlungen anstreben können. Schließlich sollten wir alle im Sinne der Betroffenen für eine verbesserte Behandlung und Betreuung einstehen. Unterstützen Sie uns in unseren Bemühungen, und plädieren Sie für die Umsetzung unserer Denkanstöße. Sprechen Sie mit Ihrem Behandlungszentrum und plädieren Sie für die Umsetzung unserer Empfehlung. Nur gemeinsam können wir dazu beitragen, dass zukünftige Generationen bessere Voraussetzungen für die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit haben. Für weitere Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung unter: -

[email protected]

-

[email protected]

 

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