PETER MOTZAN ZUM 6O. GEBURTSTAG

„DENN BLEIBEN IST NIRGENDS“ Der Lyriker Werner Söllner im Kontext seiner Generation Peter Motzan I. Als Werner Söllner im Oktober 1970 das Studium der Physik im siebenbürgischen Klausenburg aufnahm, war im kleinen rumäniendeutschen Literaturbetrieb vieles in Bewegung geraten. Geboren am 10. November 1951 in Neupanat als Sohn eines Banater Schwaben und einer Siebenbürger Sächsin, wuchs Söllner in den real existierenden Sozialismus made in Romania hinein, besuchte das deutsche Gymnasium in Arad und veröffentlichte schon als Schüler unter dem Pseudonym Claus Hermann einige Gedichte. Doch der 19-jährige Abiturient wollte sich der nahrhafteren Prosa einer exakten Wissenschaft zuwenden. Glücklicherweise sollte es anders kommen. 1965 war aus der Riege der kommunistischen Spitzenfunktionäre ein geradezu unorthodox junger, 47-jähriger Mann namens Nicolae Ceauşescu zum Ersten Parteisekretär aufgestiegen, der die Rolle des Hoffnungsträgers für sich reklamierte, sich als kühner Verteidiger nationaler Interessen gegen sowjetische Hegemonieansprüche profilierte und mit verlockenden Zugeständnissen Schriftsteller und Künstler für seine Politik zu gewinnen trachtete. Ein reformwilliger Sozialismus schien mit seinen selbstkritischen Ansätzen, innenpolitischen Lockerungen und außenpolitischen Öffnungstendenzen neue Lebensperspektiven zu eröffnen. Nach dem Sturz der Diktatur des Marschalls Ion Antonescu im August 1944 waren die Siebenbürger Sachsen, die schon seit dem 12. Jahrhundert in Transsilvanien lebten, und die Schwaben, die im 18. Jahrhundert ins Banat einwanderten, in ihrer Gesamtheit zu Kollaborateuren des nationalsozialistischen Deutschland deklariert worden – eine undifferenzierte Kollektivschuldzuweisung mit folgenschweren Auswirkungen: Deportationen von rund 70.000 Männern und Frauen zu Reparationsarbeiten in die Sowjetunion hatten sie auseinander gerissen, Enteignungen und Entrechtungen ihre Existenzgrundlagen zerstört; die Eingliederung – als gleichberechtigte Bürger – in ein totalitäres Gesellschaftssystem, das nach der Ausrufung der Rumänischen Volksrepublik am 30. Dezember 1947 aufgebaut wurde, hatte den Rumäniendeutschen den Unterricht in der Muttersprache an Staatsschulen zwar gesichert, sie jedoch auch von der deutschen Bezugsgesellschaft isoliert und ihnen die gruppenrechtliche Eigenständigkeit entzogen. Kollektivierung der Landwirtschaft, forcierte Industrialisierung und Urbanisierung, gezielte Bevölkerungsumverteilung, gewachsene gesellschaftliche Mobilität führten zwangsläufig zu einer Aushöhlung siebenbürgisch-sächsischer und banat-schwäbischer Siedlungsstrukturen. Das kommunistische Regime trachtete nun danach, durch Ausweitung des kulturellen Entfaltungsspielraums der Staatsverdrossenheit und dem schwelenden Wunsch der Auswanderung

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in ein idealisiertes Sehnsuchtsland, die prosperierende Bundesrepublik Deutschland, entgegenzuwirken und sich dadurch auch einen Prestigegewinn im westlichen Ausland einzuhandeln. Der von Kontrollinstanzen überwachte deutschsprachige Literaturbetrieb – laut der Volkszählung des Jahres 1966 lebten noch rund 383.000 Deutsche (2 % der Gesamtbevölkerung) in Rumänien – wurde schrittweise zu einem funktionierenden Subsystem ausgebaut, das alle Elemente enthielt, aus denen sich eine literarische Kultur zusammensetzt: Verlage in Bukarest, Klausenburg und Temeswar mit einem breit aufgefächerten Angebot, Zeitschriften und Zeitungen mit Kulturbeilagen, Rundfunk- und Fernsehsendungen, zwei professionelle Theater, in Temeswar und Hermannstadt, zahlreiche Literaturzirkel in Universitätszentren und den größeren Städten mit deutschem Bevölkerungsanteil. In rascher Folge wurden im kulturellen Feld einige Verbotstafeln beseitigt, die ästhetisch-normativen und weltanschaulich-restriktiven Schreibkonzepte des „Sozialistischen Realismus“ als wirklichkeitsblind verworfen. Die langjährig vergitterten Traditionen der Zwischenkriegszeit befreite man zu neuem Leben, marginalisierte und verfemte Autoren konnten wieder in Erscheinung treten, zahlreiche junge Autoren drängten an die Öffentlichkeit. 31 neue Namen meldeten sich 1970 auf den Schüler- und Studentenbeilagen der Temeswarer Neuen Banater Zeitung zu Wort, 1972 erschienen in der Bukarester Zeitschrift Neue Literatur Gedichte von 27 Lyrikern, die allesamt jünger als 22 Jahre waren. Der Eiserne Vorhang öffnete sich einen Spalt breit, die auf Hochtouren laufende Rezeption moderner westeuropäischer Literatur bescherte Überraschungen, rief Minderwertigkeitskomplexe hervor, weckte Nachholbedürfnisse, verführte zur Imitation, setzte aber auch Lernprozesse, Reflexionen über die eigenen Möglichkeiten und Grenzen in Gang. Was diese Zeitspanne verwirrender Bildungserlebnisse und beschleunigter Wandlungen auszeichnet, ist ein Potpourri der Stile, die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen auf kleinem Raum. Auffällig war dabei die Dominanz der Lyrik. Die rumäniendeutschen Autoren bewegten sich in plurikulturellen und mehrsprachigen Kommunikationsräumen, ihr Alltag verlief im Zeichen eines konkurrierenden Neben- und verschlungenen Ineinander der Idiome: deutsche Insel- und rumänische Landessprache, regional unterschiedliche Mundarten, Umgangssprachen von eigenartigem Lokalkolorit, Mischsprachen. Im Gedicht konnte die erklärliche Unsicherheit im Umgang mit dem verfügbaren Sprachmaterial eher überwunden oder dank der leichteren Nachahmbarkeit lyrischer Muster zumindest kaschiert werden. Entscheidend kam noch hinzu, dass dessen gattungsspezifische Konstitution sich dazu eignete, unter Zensurdruck kumulative Aussagefunktionen zu übernehmen, nicht-konforme Botschaften in poetischer Camouflage zu übermitteln und dem lange gedrosselten Drang nach subjektzentrierter Aussage stattzugeben. Denn noch immer blieben große Bereiche historischer und gegenwärtiger Erfahrungen tabuisiert, unbeschönigte Darstellungen der Gegebenheiten und Zustände wurden durch Zensureingriffe geglättet und entschärft. Auf der tastenden Suche nach neuen Ausdrucks-Wegen begann sich die rumäniendeutsche Lyrik aus der Sackgasse des Sozialistischen Realismus und dem Korsett regionaler Traditionen hinauszuschreiben in eine zeitverschobene Ausprägung der literarischen Moderne. Vorerst machte das Gesetz der Kompensation seine Rechte geltend. Der Diskurs wird dunkel, der Ton raunend, die Aussage verrätselt. Als Reaktion auf eine sozialistische Affirmationshymnik blühte nun eine Poesie der Verweigerung, die sich nicht in den Dienst einer Ideologie nehmen ließ.

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Franz Hodjaks (geb. 1944) Debütband Brachland (1970), der elegisch getönte, an der Metaphorik Georg Trakls und Paul Celans geschulte Texte enthält, signalisiert beispielhaft die Abkehr von den Harmonieschablonen der Heimatlyrik und der plakativen Rhetorik verordneter Aufbauliteratur. Schon 1971 verabschiedete sich Werner Söllner von der Physik und wechselte zur Germanistik und Anglistik über, nachdem er ein Jahr lang immer mal wieder in philologische Studienfächer hineingeschnuppert hatte. Dazu dürfte u.a. auch Franz Hodjak, der seit Oktober 1970 als Lektor der deutschen Abteilung des neu gegründeten Dacia Verlags in Klausenburg tätig war, einiges beigetragen haben, der frühzeitig und hellsichtig die ungewöhnliche Begabung Söllners erkannt hatte. II. Doch just zu dem Zeitpunkt – im Juli 1971 –, als Söllner die Aufnahmeprüfung glänzend bestand, richtete Nicoale Ceauşescu seine 17 „Thesen zur Verbesserung der politischideologischen Arbeit, der kulturellen und erzieherischen Tätigkeit“ gegen die literarische Vielstimmigkeit. Führungsanspruch und Weisungsberechtigung der kommunistischen Partei sowie die Unfehlbarkeit der staatsideologischen Doktrin, in der repressive Züge mit nationalistischen Tendenzen verschmolzen, wurden darin ausdrücklich bekräftigt. Auf dem Weg aus der Kommandozentrale in die Redaktionen und Verlage büßten die Thesen in den folgenden Jahren indessen einiges an Schärfe ein. Das literarische Leben ließ sich offensichtlich nicht mehr schlagartig umprogrammieren und durch einen Gewaltakt verstümmeln. Und die „Juli-Thesen“ hatten einen unbeabsichtigten Nebeneffekt: Sie lenkten Blick- und Denkrichtung auf den eigenen Lebens- und Kommunikationsraum, ließen die Grenzen der erhofften Freiheit deutlicher hervortreten. Überdies war die kleine rumäniendeutsche Literaturgesellschaft im Jahrfünft 1966–1971 um einige ihrer wichtigsten Repräsentanten ärmer geworden, die auch als „Multiplikatoren“, als Befürworter der Rückgewinnung ästhetischer Schreibweisen bzw. der Formerneuerung in Erscheinung getreten waren. 1966 starb Oscar Walter Cisek, 1967 Alfred Margul-Sperber, 1966 übersiedelte Andreas Birkner in die Bundesrepublik Deutschland, ihm folgten 1968 Hans Bergel und Oskar Pastior, 1969 Dieter Schlesak, 1970 Astrid Connerth, 1971 Paul Schuster. Junge Autoren preschten nun vor und drängten in die Leerstellen, eroberten selbstbewusst die literarische Szene. „Einen besonderen Stellenwert“ erinnert sich Werner Söllner 1990, hatte in jenen Jahren die Klausenburger Kulturzeitschrift Echinox. Sie wurde von Studenten und jungen Hochschullehrern in drei Sprachen (Rumänisch, Ungarisch, Deutsch) herausgegeben und nahm mit der Zeit eine zentrale Rolle in der zeitgenössischen rumänischen Literatur ein. [...] Das Zusammenwirken von jungen Intellektuellen unterschiedlicher Nationalitäten, verbunden mit dem – so gut es ging – an bürgerliche Traditionen anknüpfenden Hochschulbetrieb, (der auf das politische Tagesgeschehen – dem er doch auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war – gelegentlich mit Herablassung blickte), ließ in Klausenburg eine Atmosphäre entstehen, die geistigen Aus-

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einandersetzungen eine Zeitlang vergleichsweise mehr Spielraum bot als in anderen rumänischen 1 Universitätsstädten.

1972 übernahm Werner Söllner die Redaktion der deutschen Seiten dieser Zeitschrift und ließ seine etwa gleichaltrigen Dichterfreunde des Öfteren mit vorwiegend nonkonformen, kritischen Texten zu Wort kommen. Im selben Jahr – April 1972 – hatten in der westrumänischen multiethnischen Universitätsstadt Temeswar mehrere junge Autoren – Werner Kremm (geb. 1951), Johann Lippet (geb. 1951), Gerhard Ortinau (geb. 1953), Anton Sterbling (geb. 1953), William Totok (geb. 1951), Richard Wagner (geb. 1952) und Ernest Wichner (geb. 1952) – die Aktionsgruppe Banat gegründet, eine Solidargemeinschaft von Schreibenden, die Gewicht auf Teamwork legten und sich als Marxisten bezeichneten. Wenige Monate später gesellte sich der Bukarester Germanistikstudent Rolf Bossert (1952–1986) – laut eigener Aussage als „korrespondierendes Mitglied“ – hinzu. Durch ihr Selbst- und Weltverständnis emanzipierten sie sich von dem ideologischen Drill der Institutionen und den nationalkonservativen Wertvorstellungen ihres Herkunftsmilieus, durch Entschlackung und Entpoetisierung der Aussage rehabilitierten sie den Mitteilungscharakter des Gedichts, mit ketzerischen Wortmeldungen schockierten sie das Leserpublikum, verulkten und provozierten die Ordnungshüter. Ein Sozialismus mit menschlichem Gesicht schwebte ihnen als Zielutopie vor, ihre weltanschaulichen und politischen Überzeugungen nährten sich von Projekten der westeuropäischen Linken. In Rundtischgesprächen, Statements und Interviews entwickelten die Literaturenthusiasten, die aus Banater Dörfern und Kleinstädten aufgebrochen waren, ihre Vorstellungen von einer gleichermaßen ästhetisch avancierten, realitätsverankerten und wirkungsorientierten Literatur, in der Kunst- und Gebrauchswert als Partner zusammenfinden müssten. Schon 1972 konstatierte Gerhardt Csejka in einem Aufsatz mit dem bezeichnenden Titel Als ob es mit Als Ob zu Ende ginge auch bei anderen jüngeren rumäniendeutschen Lyrikern eine Abwendung von hermetischen Verdunkelungsmanövern und eine Hinwendung zum „sozial verbindlichen Gedicht“2. Dabei versäumte er nicht, auf Anemone Latzinas (1942–1993) Debütband Was man heute so dichten kann (1971) hinzuweisen: Ihre Erkundungen des realsozialistischen Alltags, die das Recht auf Unzufriedenheit und Entscheidungsfreiheit einfordern, die widerspenstige Klarheit sowie der nüchtern-ironische Duktus ihrer Texte trugen wesentlich dazu bei, dass sie in eine Vorreiterrolle für die Autoren der Aktionsgruppe Banat aufrückte. Weniger scharfschnittig als diese vollzogen Frieder Schuller (geb. 1942), Rolf Frieder Marmont (1944), Franz Hodjak, Bernd Kolf (geb. 1944), Klaus Hensel (geb, 1954) und auch Werner Söllner den Bruch mit der Tradition; an der „Aura“ des Gedichts hielten sie fest, von größerer Bandbreite in der formalen Gestaltung sind ihre frühen Texte. Andererseits springen Gemeinsamkeiten mit den Gegenentwürfen und Innovationsbestrebungen der Aktionsgruppe Banat förmlich ins Auge. Aufgrund weitgehend übereinstimmender politischer Orientierungen und poetologischer Konzeptionen bilden die zwischen 1942 und 1954 Geborenen eine literarische Generation, eine Alterskohorte, deren wichtigste Repräsentanten im Laufe weniger 1 Werner Söllner: Nachwort. In: Franz Hodjak: Siebenbürgische Sprechübung. Gedichte. Frankfurt am Main: Suhrkamp (es 1622) 1990, S. 130. 2 Gerhardt Csejka: Als ob es mit Als Ob zu Ende ginge. Neues in der rumäniendeutschen Lyrik 1972. In: Neue Literatur 23(1972), H. 12, S. 66.

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Jahre einer kleinen Randliteratur, die sich auf einem zerklüfteten und abschüssigen Gelände entfaltete, einen unverwechselbaren Glanz verliehen. Ihre Denk- und Empfindungsweisen formten sich in einer Phase relativer Liberalisierung der Produktionsbedingungen und Publikationsmöglichkeiten aus, die meisten hatten sich für ein Studium der Germanistik entschieden, das Freiräume für Lesestunden und Schreibübungen bot, und danach im Literaturbetrieb Fuß gefasst – als Kulturredakteure und Verlagslektoren. Die Rezeption Bertolt Brechts und seiner mündigen Nachfahren in den beiden deutschen Staaten – von Hans Magnus Enzensberger bis Günter Kunert, von Erich Fried bis Volker Braun gehört zu den folgenreichsten Kapiteln der deutschsprachigen Literatur Rumäniens in der ersten Hälfte der 1970er-Jahre. In Bertolt Brecht fanden die jungen Autoren einen listenreichen Pädagogen des Zweifels, einen Lehrmeister pathosfeindlicher Sachlichkeit und dialektischer Argumentation. Bei den Bestandsaufnahmen der Diskrepanzen zwischen erfahrener Realität und den bombastischen Erfolgsmeldungen des Propagandaapparats paart sich in vielen Texten skeptische Nüchternheit mit dem Vertrauen in die Macht der Vernunft und die Produktivkraft Poesie. Im Juni 1975 schloss Werner Söllner sein Germanistikstudium mit einer vorzüglichen Magisterarbeit über den frühen Paul Celan ab, wenige Wochen später erschien im Dacia Verlag Klausenburg sein erster Lyrikband wetterberichte, der mit einem Preis des Zentralkomitees des kommunistischen Jugendverbandes Rumäniens ausgezeichnet wurde – wie vor und nach diesem Bücher von Frieder Schuller, Franz Hodjak, Richard Wagner, Rolf Bossert und Herta Müller (geb. 1953). Söllner zieht darin die gleichen lyrischen Register wie die meisten Autoren seiner Generation in der ersten Hälfte der 1970er-Jahre. Es handelt sich überwiegend um Texte, die Realitätserkundung anstreben, innerhalb des gegebenen Kommunikationsrahmens den Dialog mit der Gesellschaft suchen, die, im Sinne Bertolt Brechts, als veränderbar eingeschätzt und als veränderungsbedürftig begriffen wird. Die vorgefundenen Zustände werden an der Utopie eines freiheitlich-demokratischen Sozialismus gemessen. Man begegnet epigrammatischen Kurzformen, parabelhaften Konstruktionen, gerafften Situationsprotokollen, Stadt- und Landschaftsgedichten, sprachspielerischen Anleihen bei der Konkreten Poesie. Sozusagen zum freiwilligen Pflichtpensum zählen engagierte Einwürfe zum Vietnam-Krieg und zu der chilenischen Militärdiktatur Pinochets. Es geht Söllner um die Mitteilung von Sachverhalten, die mal in aussparender Raffung, mal metaphorisch verbrämt, mal in punktuellen Anspielungen oder in allegorischer Kodifizierung ausgeleuchtet und ausgebreitet werden. Der Grundgestus ist meist der des Aufklärers, der warnt, abwägt, aufzeigt. Einen unverwechselbaren Klang haben nur zwei traumhaft versponnene Gedichte (el condor pasa; lied), die in ihrer Verknüpfung von einfallsreicher Bildkombinatorik und eingängigem Rhythmus auf die liedhaften Verse der 1990er-Jahre vorausweisen. III. Der Herbst 1975, als Werner Söllner nach Bukarest übersiedelte und – nach einem einjährigen Intermezzo als Deutsch- und Englischlehrer – 1976 Lektor der deutschsprachigen Abteilung im rumänischen Kinderbuchverlags Ion Creangă wurde, markiert eine Wende in der neueren rumäniendeutschen Literatur. Im Oktober werden die Aktivitäten der Aktionsgruppe

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Banat – ihre kollektiven Auftritte hatte der rumänische Geheimdienst Securitate schon gleich nach ihrer Gründung systematisch observiert – brutal und repressiv unterbunden. Die Schreckgespenster der 1950er-Jahre – Schriftstellerprozesse, willkürliche und langjährige Inhaftierungen, Publikationsverbote – düsterten plötzlich auf. Unter der Anschuldigung staatsfeindlicher Agitation kam William Totok für acht Monate in Untersuchungshaft, 1975 wanderten Ernest Wichner, im gleichen Jahr Anton Sterbling und 1980 Gerhard Ortinau in die Bundesrepublik aus, Werner Kremm verstummte als Autor. Angesichts einer sich verhärtenden nationalkommunistischen Diktatur verfliegen die Hoffnungen auf ein Mitspracherecht wie Rauch vor starken Winden. Von der sie umschnürenden Wirklichkeit, die sie vergebens zu überreden versucht hatten, werden die Autoren nun fortschreitend eines Schlechteren belehrt. Nicolae Ceauşescu ließ sich in seinem krebsartig wuchernden Größenwahn selbst von Poeten mit geringer Hörweite in seine Zielvorstellungen von der homogenen sozialistischen Nation und vom eigenschaftslosen Menschen nicht hineinfunken. Der Illusionsverlust ging Hand in Hand mit einem Verlust an Vertrauen in die Brechtsche Schreibweise und in deren Überzeugungsstrategien. Die begrenzte Variabilität der Bauformen und die Durchschaubarkeit der Konstruktionsregeln hatten überdies zu deutlichen Abnutzungserscheinungen geführt. Waren bisher Erkenntnisinteresse und Urteilskraft auf möglichst globale Zusammenhänge ausgerichtet, rückt nun das Ich als einzig verlässliche Instanz in den Mittelpunkt der Texte. An die Stelle eingreifender und unterweisender Haltungen tritt das beobachtende, meditative Verhältnis zur Realität, sozial eingebunden und situiert bleibt das auf sich selbst zurückgeworfene Subjekt allemal. Dabei orientierten sich die Autoren mit unverminderter Leseneugier auch weiterhin an kulturellen Veränderungsbewegungen und ästhetischen Innovationen des deutschen Zentrums, zu den Positionsverschiebungen haben sicherlich auch unterschiedliche literarische Einflüsse beigetragen – u.a. Peter Handkes sprachbezogene Poetik oder Rolf Dieter Brinkmanns extreme Erweiterung des lyrischen Gegenstandsbereichs, seine fotografisch inszenierte Wahrnehmung des Disparaten, die lockere Organisation der Parlandogedichte von Günter Herburger bis Wolf Wondratschek. Charakteristisch für diese Entwicklungsphase der rumäniendeutschen Lyrik – die der Kritiker Walter Fromm mit der allgemein akzeptierten Trendetikette engagierte Subjektivität3 versehen hat – sind vor allem lange Texte, die dem Prinzip kalkulierter Lässigkeit gehorchen, jeden Strukturzwang von sich weisen und schon dadurch Widerstand leisten gegen den Kanon präskriptiver Normen.. Schreiben wird zu einem Medium der Selbstvergewisserung, zu einem Akt störrischer Selbstbehauptung, dessen Engagement durch das unbeschönigte Aufschreiben dessen, was den Autoren in der verwalteten Welt widerfährt, verbürgt ist. In den lyrischen Diskursen von Richard Wagner, Franz Hodjak, Werner Söllner, Rolf Bossert, Johann Lippet, William Totok, Hellmut Seiler (geb. 1953), Horst Samson (geb. 1954) sind die Szenerien die des Alltags: morgendliches Erwachen, der Weg zum Arbeitsplatz, ein Wochenende auf dem Lande, Busfahrten, Kino- und Kneipenbesuche, Spaziergänge und Schlangestehen, Büroplaudereien, Selbstgespräche und Gespräche mit Freunden, Wachträume in der 3

Walter Fromm: Vom Gebrauchswert zur Besinnlichkeit. Pro & Contra. In: Die Woche, 26. Januar 1979.

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Badewanne, Kopfreisen in nie betretene Länder, Liebesaffären. Wie eine Klammer umschließt der sozialistische Alltag das Ich, die Außenwelt drückt ihre Spuren in die verletzliche Innenwelt ein. Die Texte bilden Bewusstseinsbewegungen ab, erfassen das Fluktuierende der Stimmungen und das Chaotisch-Sprunghafte der Denkvorgänge. Der Verzicht auf das Ordnen und Bündeln der Apperzeptionen führt streckenweise zur Preisgabe der Stringenz und Formbestimmtheit, zum Verschwinden des Ich hinter den wuchernden Einzelheiten, doch gerade dieser antihierarchische Ansatz hat Methode, er verdeutlicht die Übermacht von Geboten und Verboten, von bürokratischen und ökonomischen Sachzwängen. Das Langgedicht der engagierten Subjektivität setzte sich durch, übte geradezu einen Nachahmungszwang auf jüngere Lyriker aus, dem sich nur wenige entziehen konnten – wie z.B. Klaus Hensel mit einem durchaus ausgereiften Debütband (Das letzte Frühstück mit Getrude, 1980). Der Wahl-Bukarester Werner Söllner war in das Literaturgeschehen der 1970er-Jahre, das trotz zahlreicher Gängelungsversuche durch eine aggressive, wieder erstarkte repressive Kulturpolitik eine gewisse Eigendynamik bewahren konnte, voll integriert und geriet damit in eine Position hinein, die der ungarische Essayist und Romancier György Dalos als kennzeichnend für viele beachtenswerte Autoren des Ostblocks in dessen beiden letzten Lebensjahrzehnten beschrieben hat: Die Ambivalenz der Situation der kritischen Literaten bestand darin, dass sie strukturell zwar der offiziellen Kultur angehörten, gleichzeitig aber Hoffnungsträger der entmündigten Gesellschaft waren.4 Söllner veröffentlichte weiterhin regelmäßig Gedichte, Übersetzungen und Rezensionen in der deutschsprachigen Presse des Landes und knüpfte auch in der Hauptstadt ohne Berührungsängste Beziehungen zu rumänischen Autoren. Als kleines Zentrum der Gegenöffentlichkeit bildete sich ein Freundeskreis heraus, zu dem u.a. Rolf Bossert, Gerhardt Csejka, Klaus Hensel zählen, in dem intensiver Austausch gepflegt wird und während endloser Debatten Pläne geschmiedet, Schreib- und Überlebensstrategien entwickelt, erarbeitet und verworfen werden. Für seinen Band Mitteilungen eines Privatmannes (1978) erhielt Söllner den Lyrikpreis, für die deutschen Fassungen der Gedichte Mircea Dinescus unter der billig gemieteten sonne (1980) den Übersetzerpreis des rumänischen Schriftstellerverbandes. 1979 veröffentlichte er in der Bundesrepublik Deutschland das Langgedicht Sprachigkeit, 1980 im Bukarester Kriterion Verlag seinen dritten Lyrikband Eine Entwöhnung. 1981 erschien in eigener Nachdichtung ein Auswahlband seiner Gedichte in rumänischer Sprache (Piramida lupilor – Die Pyramide der Wölfe). Doch die deutsche Sprachgemeinschaft war einem unaufhaltsamen Erosionsprozess ausgesetzt, ab 1978 – infolge eines Abkommens zwischen Rumänien und der Bundesre-publik Deutschland – wuchs die Zahl der Aussiedler auf rund 12.000 jährlich, die kleine Lesergemeinde schrumpfte unaufhaltsam. Ehern wie die Gestirne ziehen die 1980er-Jahre herauf. 1982 wurden die Lebensmittel rationiert, zwecks Tilgung der hohen Auslandsschul-den ein harter

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György Dalos: Vom Propheten zum Produzenten. Zum Rollenwandel der Literaten in Ungarn und Osteuropa. Wien: Wespennest 1992, S. 95.

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Sparkurs eingeleitet, der die Wirtschaft völlig zerrüttete und breite Schich-ten der Bevölkerung in Armut stürzte. In einen vom Bewusstsein der Endzeit geprägten Abschnitt tritt nun die rumäniendeutsche Lyrik. Und berichtet über zerschellte Träume, amputierte Gegenwart und den Mangel an Zukunft in einem verfinsterten Staat. Das Motiv der verkehrten Welt wird mit der alles überschattenden Erfahrung des Abschieds vernetzt. Programmatisch kündigt der Titel von Werner Söllners zweitem Band die Verengung des Sichtfeldes an: Mitteilungen eines Privatmannes. In Rückzugsbewegungen auf die gefährdeten persönlichen Erfahrungsbereiche werden darin Sinn-, Legitimations- und Schreibkrisen zur Sprache gebracht. Abwechslungsreiche raffinierte Topik, intertextuelle Kombinatorik, perspektivische Verschiebungen, eine ausgeklügelte Mischung von diagnostisch-subjektiver Schärfe und bildhafter Rede zeugen von einem artistischen Arrangement des ‚Authentischen’: [...] Ja, gewiss, ich gebs zu, für Augenblicke wich die Beklemmung, beim Atemholen vor offenem Fenster, bei Nacht. Unten die vertraut zerbröckelnde Stadt, die singend zerplatzenden Hügel am Bosporus, die kühl zerfallenden Schwäne auf den Seen der Märkischen Schweiz, der brennende Feigenbaum vor meinem Fenster zu Hause, wenn ich nicht irre, auf der Straße der Freiheit. Es ist nicht viel, wenn ichs zähle, aber auch der Tod lässt sich ein Leben lang bescheißen. Leben also: wurzellos, man weiß es, aber verbunden , mit allem, was uns geschieht, auch mit seinen Grenzen, auf Messers Schneide [...] 5 Völlig verdorrt ist der Traum von einem unverstümmelten Leben in Eine Entwöhnung (1980), dem radikalsten deutschen Gedichtbuch, das im kommunistischen Rumänien erschienen ist. Durchzogen sind dessen Texte von abgrundtiefer Verzweiflung, wütenden Klagen, heftigen Zornausbrüchen, von Metonymien und Metaphern der Verdinglichung, Vereisung, Vernichtung. Zur Forstlandschaft erstarrt das Land, ausgebrochen ist ein eisiger Winter der Gefühle:

5 Werner Söllner: Gemischte Gefühle. In: W. S.: Mitteilungen eines Privatmannes. Gedichte. Cluj-Napoca: Dacia 1978, S. 37–38.

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[...] Wie ein dunkle Vogelkralle hakt sich das lärmende Nichts in mir fest, das lärmende Nichts aus den Läden, der bleichgesichtige Schweiß aus den Bussen, die Wut der Maschinen, die die Kindheit der Kinder schnell hinter sich bringen. (Und die Erinnerung an das, was ich einst war ist ein Eisfeld.) Ich laufe raus vor den Wohnblock [...] Mit dem Tod in der Tasche kehr ich zurück und würg ihn, Bissen für Bissen hinunter. Ich esse gefrornen Zement. Ich wollte, ich hätte die Macht, Jahreszeiten durcheinander zu bringen, Eis Zeiten zu verhindern. Ach, unsere Zehnmeterfreiheit hinter dem Gitter verschlossner Wohnungstüren, unsere Spielräume im Kopf, dass alles klirrt, unsere Jobs, unser Hunger und unsere Einwände gegen den Hunger, unsere Lebensweise, auf dem Stuhl hockend, mit dem Rücken an der Wand. [...]

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Das lange Titelgedicht ist ein zerfranster Bildungsroman in Versen, ein Rekonstruktionsversuch einer zersplitternden Identität, ein Bruchstück einer rabiaten Konfession und zugleich Wegsuche eines verunsicherten Ich, das unter Zensurzwang nach Haltepunkten, nach Worten, nach Sinn fahndet, der sich verweigert und entzieht. Als Motto ist diesem Erzählgedicht ein leicht abgewandeltes Hölderlin-Zitat – aus Hyperions Schicksalslied – vorangestellt: „Uns ist gegeben, an keiner Stätte zu ruhen.“ Das Training des aufrechten Gangs, wo man doch von wachsenden unausweichlichen Kompromisszwängen umzingelt war, wurde nun von vielen Autoren als zunehmend mühsamer und kräftezehrender empfunden, obwohl der Entschluss zum erzwungenen Abschied bei den meisten nur zögernd reifte. 1981 wanderte Klaus Hensel in die Bundesrepublik Deutschland aus, ein Jahr später entschied sich Werner Söllner, von einer Lesereise nicht heimzukehren, im November 1985 wurde Rolf Bossert die Ausreisegenehmigung erteilt. 1987 verließen u.a. Richard Wagner, Johann Lippet, William Totok, 1988 Horst Samson, 1989 Hellmut Seiler

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Werner Söllner: Winter der Gefühle. In: W. S.: Eine Entwöhnung. Gedichte. Bukarest 1980, S. 18–19.

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Rumänien. Erst 1992, zwei Jahre nach der Wende, folgte ihnen Franz Hodjak, der als Lektor viele Bücher seiner Weggefährten betreut und veröffentlicht hatte. IV. Über Dezennien hinweg war die rumäniendeutsche Literaturszene in der Bundesrepublik Deutschland weggeschwiegen worden. Erst in den späten 1980er und frühen 1990er-Jahren wirkten im Zusammenspiel zahlreiche politische Ereignisse und Faktoren dahingehend, dass die Mauer der Ignoranz durchbrochen wurde: die menschenverachtende und bizarre rumänische Diktatur und der byzantinisch-stalinistische Führer-Kult als Schlagzeilen-Lieferanten, der gewaltsame Sturz des Regimes im Dezember 1989 und ein Land im Rausch der Befreiung als Medienereignisse, der Auswanderungswillen der rumäniendeutschen Minderheit, ihr massenfluchtartiger Exodus nach dem Wegfall der Reisebeschränkungen, der Zusammenbruch des Kommunismus, das Ende des Ost-Westkonflikts, das Näherrücken eines jahrzehntelang eingekerkerten Teils des Kontinents und seiner verdrängten Geschichte. Eingeleitet wurde die verspätete Rezeption mit der großen Resonanz von Herta Müllers Prosaband Niederungen (1984); der Freitod Rolf Bosserts – im Februar 1986 stürzte er sich aus dem Übergangsheim Frankfurt-Griesheim in den Tod – rief nicht nur in Literatenkreisen Erschütterung hervor, sein posthum erschienener Lyrikband Auf der Milchstraße wieder kein Licht (1986) machte das Ausmaß des Verlusts, den die gesamte deutsche Literatur erlitten hatte, deutlich und öffnete den Blick für die rumäniendeutsche Literatur und ihre Ausgangsorte, wobei sich das selektive Interesse allerdings vorrangig auf eine als Gruppe wahrgenommener jüngerer Autoren konzentrierte. Die Gedichtbände von Richard Wagner Rostregen (1986), Werner Söllner Kopfland. Passagen (1988), Klaus Hensel Oktober Lichtspiel (1988), Ernest Wichner Steinsuppe (1988), Franz Hodjak Siebenbürgische Sprechübung (1990) bildeten weitere Stationen eines Wahrnehmungswandels, einer Erfolgsgeschichte, die einsetzte, als die rumäniendeutsche Literatur unüberhörbare Signale ihrer Auflösung aussandte. Sicherlich spielte dabei auch der Überrumpelungseffekt eine Rolle: Zwar las man die Texte vorrangig als Zeugnisse existenzieller Bedrohung und abgewürgten Lebens, doch sprengten diese das Erwartungsstereotyp des Epigonalen und Provinziellen – die Lyriker hatten sich auf der fernen und zerbröckelnden Sprachinsel offensichtlich Schreibweisen von beachtlichem künstlerischen Niveau erarbeitet, die sich in einen Rezeptionsraster der Moderne einordnen ließen und dadurch vertraut wirkten, die aber andererseits eine Aura des faszinierend Unvertrauten, des Exotischen ausstrahlten. Und wohl auch angesichts der Schreckensnachrichten, die über die letzten Jahre des Ceauşescu-Regimes an die Öffentlichkeit drangen, versuchte der von wechselnden Konjunkturen und Zweckbündnissen dominierte Kulturbetrieb wieder gut zu machen, was er so lange versäumt hatte: Das Feuilleton der überregionalen Zeitungen erwies der rumäniendeutschen Literatur ausführlich Reverenz, ihre Autoren wurden mit zahlreichen Literaturpreisen und Stipendien ausgezeichnet, selbst die Universitätsgermanistik gab allmählich ihre vornehme Zurückhaltung auf. Inzwischen ist der Exotenbonus verblasst, mehrere Autoren, denen die Chance des Einstiegs großzügig geboten wurde, sind in literaturferne Brotberufe abgewandert, in die Anonymität zurückgefallen oder veröffentlichen ihre Bücher in kleinen Verlagen, doch haben immerhin

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Franz Hodjak, Werner Söllner, Richard Wagner und Klaus Hensel sich eigenständige Positionen in der deutschsprachigen Lyrik der Jahrtausendwende erschrieben. Die Attribuierung rumäniendeutsch, die neben anderen Identitätsabstempelungen wie „deutschstämmige Rumänen“, „deutsch-rumänische“ Autoren oder gar „deutsch schreibende Rumänen“ als Markenzeichen durch die Medien flimmerte, empfinden sie als restriktive Zuordnung, ihr Selbstbehauptungswille zielt auf ästhetische Bewertung ohne Rabatt. Was sie miteinander verbindet, ist nicht nur das Reisegepäck einer unverwechselbaren Erfahrungsgeschichte, sondern auch der dieser geschuldete „fremde“ Blick auf das neue Lebensumfeld sowie die gemeinsamen Themenfelder und Reflexionsbereiche nach dem Weltwechsel: der Erinnerungen Zwänge, verwirrende Ankunft und versuchte Landnahme, zersplitterte Identität und geteilte Existenz, Reflexionen des Schreibvorgangs, Fragen nach der Tragfähigkeit und Verwendbarkeit der mitgebrachten Minderheitensprache. Der Auszug aus einer überschaubaren Sphäre klar umrissener Freund- und Feindschaften in eine der verwirrenden Unübersichtlichkeit, aus einer Welt der Verbote und des Mangels in eine der unbekannten Freiheit, der Waren und der Werbung, aus der erstarrten Zeit in eine der hektischen Beschleunigung verlief für Söllner, der in Frankfurt am Main seinen Wohnsitz nahm und viele Jahre lang als freier Autor lebte, nicht ohne Anpassungsnöte und verstörende Krisenerfahrungen. Seit Anfang 2002 ist er hauptberuflich als Leiter des Hessischen Literaturforums im Mousonturm in Frankfurt tätig. Werner Söllers in der ersten Hälfte der 1980er-Jahre veröffentlichten Bücher, der Lyrikband Das Land, das Leben (1984) und die Erzählung Es ist nicht alles in Ordnung, aber o. k. (1985), fanden kaum Beachtung. Als dann 1988 der Gedichtband Kopfland. Passagen in der edition suhrkamp erschien, der ältere und neuere Texte versammelt, erkannte man – mit einiger Verspätung – in seinem Verfasser „eines der größten Talente der deutschen Lyrik“7. Und in den folgenden Jahren wurde der Erfolg zum hartnäckigen Begleiter von Söllners Texten – sowohl der eigenen Verse als seiner kongenialen Nachdichtungen der Gedichte Mircea Dinescus8, die gleichermaßen ein vielstimmiges Medienecho fanden. 1988 erhielt er den Friedrich-HölderlinFörderpreis, 1989 den Preis der Henning-Kaufmann-Stiftung (zusammen mit sieben anderen rumäniendeutschen Autoren), 1991 das Stadtschreiberamt der Stadt Zug, 1992 den Förderpreis des Kulturkreises im Bundesverband der deutschen Industrie, 1994 einen Medienpreis der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat und 1996 eine Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung Weimar. Auswahl und Anordnung der Texte des Suhrkamp-Bandes beschreiben den Weg aus einer Fremde in die andere. In Gedichten, die nach Söllners Einreise entstanden sind, wird die Ankunft als Wiederentdeckung der Ortlosigkeit, als Abweisung einer Annäherung beschrieben. In einigen der neueren Verlautbarungen bändigt schon ein strengerer Formwille die mitein7

Wolfgang Minaty: Von der Liebe und der Lüge. Die Gedichte des Rumäniendeutschen Werner Söllner. In: Die Welt, 5. November 1988. 8 Mircea Dinescu: Exil im Pfefferkorn. Gedichte. Auswahl, Nachdichtung und mit einem Nachwort versehen von Werner Söllner. Frankfurt a. Main: Suhrkamp 1989.; Mircea Dinescu: Ein Maulkorb fürs Gras. Gedichte. Rumänisch und Deutsch. Ausgewählt und übersetzt von Werner Söllner. Zürich: Ammann 1990.

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geführte bohrende Unrast. Doch verlockend und albtraumartig steigt in ausschwingenden Texten immer wieder eine Vergangenheit von oftmals obsessiver Präsenz hoch: Manchmal im Traum, hinter dem Vorhang, erscheint mir mein Land nackt, mich das Fürchten zu lehren. Ohne diese Hure bin ich ein Fremder. Ohne ihren Namen vergess ich den Namen der Liebsten. Ohne dieses Leid vergesse ich mich. Ohne dieses Gefängnis bin ich nicht frei. Ohne diese Freiheit bin ich nicht mit mir verbunden. Das Abendland möge sie fressen.9 In dem bislang letzten Lyrikband Werner Söllners – Der Schlaf des Trommlers (1992) – hat sich die bedrängende Heimat-Vergangenheit zur Erinnerungslandschaft verwandelt. Wie der Anatom entschwundener Zeiten, Marcel Proust, dem Söllner mehrfach Reverenz erweist, evoziert er nun in Texten von elegisch-magischem Zauber seine siebenbürgische Kindheit. Dabei verfremdet der Lyriker den ländlich-dörflichen Raum ins Phantastische – nach seiner Aussage handeln die Gedichte nicht von Siebenbürgen, sie handeln auch nicht von meiner Kindheit, sondern sie handeln von einer Identität und dem Verlust einer Identität, vom Verlust von Wurzeln und den Folgen die dieser Konflikt für die Identität des Schreibenden hat. Es geht mir aber auch um Landschaftsbeschreibung, um Weltbeschreibung, aber in einer Hinsicht, die einfach nur Beschreibung, sondern auch eine Art Rückgewinnung ist. [...] Die Welt verschwindet dauernd, und Literatur kann diesen Erosions10 prozess der Welt nicht aufhalten, vielleicht nicht aufheben, aber doch ein wenig bremsen.

Dunkler und rätselhafter klingen Söllners Verse als jene Franz Hodjaks, der seine Abschiedsetüden mit einem Schuss Galgenhumor würzt. Doch auch in des Jüngeren Gedichten wuchert der Zerfall, geht der Tod, ein südöstlicher Meister, in vielerlei Gestalten um: Sandkuhle Verlassene Gegend: im Stroh Hühnerblut, Großmutters Kinder – Puppen im Nirgendwo. Schwalbenflug, Regenverkünder, du treibst uns die Büffel ins Joch, Herrgott, du treibst sie ins Eisen. In Großvaters Brust ist ein Loch, 9

Werner Söllner: Passagen. In: W. S.: Kopfland. Passagen. Gedichte. Frankfurt am Main: Suhrkamp (es 1504), S. 114–115. 10 Urs Engeler: Die Welt verschwindet dauernd. Ein Gespräch mit Werner Söllner. In: Zwischen den Zeilen. Eine Zeitschrift für Gedichte und ihre Poetik, Heft 1/September 1992, S. 87–88.

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draus tönen die alten Weisen. Er geht mit der Sense vorbei, brennendes Mehl im Tornister, die Asche getrennt von der Spreu. Erntezeit, Stiefelgeflüster.11 Blutspuren säumen die Wege, Greiskraut wächst, im Garten blühen die Knöchlein und eine Pilzfrau träufelt Gift in den Schlaf; ein knochiger Mann bereinigt mit der Peitsche den „Königsboden“, leer stehen die Häuser und hinweggestorben sind die Märchenerzähler. Orpheus ist verstummt und beißt auf das Eisen im Mund. Lebendig ist noch ein geheimnisumwitterter Trommler, ein Hüter im Niemandsland Nacht, doch sein Kleid ist hölzern und zerrissen, seine Nachricht gilt den taubstummen Schläfern, erhört wird er von den Wiedergängern. „Ich glaube“, erklärte Werner Söllner in dem bereits zitierten, aufschlussreichen Gespräch, das Urs Engeler 1992 mit ihm führte, dass Literatur und insbesondere die Lyrik nicht ohne das leben kann, was ihre Ursprünge ausgemacht hat, nämlich: etwas wie Aura, etwas wie ritualisierte Bildlichkeit. Melodie ist sehr wichtig, 12 Rhythmus.

Mit unaufdringlicher Eleganz werden in den Gedichten Klangbindungen geknüpft und die unterschiedlichsten Reimfolgen und Reimformen durchgespielt, der erarbeiteten Form haftet nichts Gewaltsames an, sie weist jeden Anflug von Schlampigkeit und Lässigkeit scharf von sich. Als Partner finden Anmut und Schwermut im Kleinen Emigrantenlied zueinander: Die die Fremde ertragen, lieben besser allein. Man muss Zuhause sagen und überall sein. Schreib in offnem Gelände uns beiden ein Stück vom verstümmelten Ende zum passenden Anfang zurück.13

11

Werner Söllner: Sandkuhle. In: W. S.: Der Schlaf des Trommlers. Gedichte. Zürich: Ammann 1992, S. 20. Engeler, Gespräch mit Werner Söllner (Anm. 10), S. 92. 13 Werner Söllner: Kleines Emigrantenlied. In: Söllner, Schlaf (Anm. 11), S. 63. 12

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Die Sprache der Gedichte ist hindurchgegangen durch das Repertoire der Moderne, sie taucht in die von großer Poesie aufbewahrten Erfahrungen und verleiht tot erklärter Metaphorik neue Wirkung. Schon in seinen in Rumänien entstandenen Versen führte Söllner einen intensiven Dialog mit Dichtern, den Freunden von nah und von fern, er ließ ihre Worte, ihre Gestalten, ihre Schatten und Träume durch seine Gedichte wandern. Mit geradezu virtuoser Behutsamkeit handhabt er nun die Techniken der Intertextualität und stürzt beim Weiterdichten der Vorgänger niemals in postmoderne Beliebigkeit ab. Die „gestundete Zeit“, der Ingeborg Bachmann ist aufgebrochen, die Chance des „frühen Mittags“ zerstoben. (Beredt) Das „große Gelausche“ Paul Celans wird überdröhnt vom „Großen Gerede“. (Im großen Gerede) Der alte Zigeuner in Peter Huchels Caputher Heuweg, die mythische Verkörperung des Jungenfernwehs, ist zum Begleiter eines Weges geworden, der von Wunde zu Wunde führt (Siebenbürgischer Heuweg), Gottfried Benns emphatisch-sehnsuchtsvolles „Ach, das ferne Land“ – gemeint war Italien – hat sich in dem Bilderbogen aus der Schweiz in ein artig-ironisches „Ach dieses besondere Land/ es offeriert mir Zeit und Zigarren“14 gewandelt. Durch das westliche Europa streift der Flaneur als „Hausierer in eigener Sache“ 15, eine Rolle, die keine Gewissensnöte verursacht, aber auch nicht zu den Ufern des Sinns hinführt. Denn Bleiben ist nirgends. Der eigenen Biografie, den Augenblicksempfindungen und den unvergesslichen Leseerlebnissen spüren und horchen die Verse nach; sie führen „uralte Muster im Gepäck.“16, und das erreichbare Glück ist immer nur ein „geschriebenes“17. Denn wo Welt und Ich in kurz aufleuchtendem Einklang zusammenfinden, düstert auch schon der Tod auf, er kommt als Doppelgänger des Ich, er steigt als schwarzer Engel zu Kopf, er umrahmt den Heimweg mit Knochenmusik. Des Da-seins Flüchtigkeit und Rätselhaftigkeit gerinnt zum gültigen, unvergesslichen Ausdruck in der nachdenklich-melancholischen Betrachtung von Landschaften: September am See Noch bevor der Sommer sich neigt, werden die Abende kühl. Streifiger Nebel steigt aus dem Wasser. Viel wird verschwunden sein. Wenn es dunkel ist, wird es hell. Hier ist die Nacht noch gezähmt. Hundegebell,

14

Bilderbogen aus der Schweiz. In: Ebenda, S, 48. Paris, im November. In: Ebenda, S. 58. 16 Ebenda. 17 Swanns Reise. In: Ebenda, S. 83. 15

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künstliches Licht. Fast wie gelähmt ess ich Brot, fast wie allein. Schön waren Morgen und Tag. Bisschen mühsam das Aufstehn und Gehn. Ich lag und hab ein Gesicht gesehn aus Wasser und Stein.18 V. „Man erwartet noch etwas von mir“, stellte Werner Söllner in den 1970er-Jahren in einem Text19 fest, der an das frühe, um 1925 entstandene Gedicht Was erwartet man noch von mir von Bertolt Brecht anknüpft und in dem trotz aller Behinderungen beim Schreiben der Wahrheit das Prinzip des Weitermachens, des Weitersuchens vertreten und verkündet wird. Obwohl er bereits anno 1992 als einer der „souveränsten Lyriker deutscher Sprache“20 gerühmt wurde, sind auch heute die Erwartungen nicht verebbt. ***** Bibliografie I. Werner Söllner 1. wetterberichte. Gedichte. cluj-napoca: dacia 1975. 2. Mitteilungen eines Privatmannes. Gedichte. Cluj-Napoca: Dacia 1978. 3. Sprachigkeit. Ein Gedicht. Dreieich: Pawel Pan Presse 1979. 4. Eine Entwöhnung. Gedichte, Bukarest: Kriterion 1980. 5. Das Land, das Leben. Gedichte. Büdingen: Pawel Pan Presse 1984. 6. Kopfland. Passagen. Gedichte. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1988. 7. Der Schlaf des Trommlers. Gedichte. Zürich: Ammann 1992.

II. Forschungsliteratur 8. PETER MOTZAN: Die rumäniendeutsche Lyrik nach 1944. Problemaufriss und historischer Überblick. Cluj-Napoca: Dacia 1980.

18

September am See. In: Ebenda, S. 68. Söllner: Was erwartet man noch von mir? In: Söllner, Mitteilungen (Anm. 5). S. 7. 20 Beatrice von Matt: Zwischen Schädel und Mund. Neue Gedichte von Werner Söllner. In: Neue Zürcher Zeitung, 15. Mai 1992 19

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9. DIETER SCHLESAK: Sprachwaage, Wortwaage, Heimatwaage Exil. Chancen des Verlusts auf rumäniendeutsch. In: die horen 32 (1987), H. 3, S. 183–195. 10. WILHELM SOLMS (Hrsg.): Nachruf auf die rumäniendeutsche Literatur. Marburg: Hitzeroth 1990. 11. NORBERT OTTO EKE: „Niemand ist des anderen Sprache “ . Zur deutschsprachigen Literatur Rumäniens. In: Südostdeutsche Vierteljahresblätter 39 (1990), H. 2, S. 103–118. 12. GERHARDT CSEJKA: Der Weg zu den Rändern, der Weg der Minderheitenliteratur zu sich selbst. Siebenbürgisch-sächsische Vergangenheit und rumäniendeutsche Gegenwartsliteratur. In. Anton Schwob, Brigitte Tontsch (Hrsg): Die siebenbürgisch-deutsche Literatur als Beispiel einer Regionalliteratur. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 1993 (Siebenbürgisches Archiv 26), S. 51–70. 13. HEINRICH DETERING: Werner Söllner. In: Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur (KGL) Hrsg. von Heinz Ludwig Arnold. München: edition text + kritik. 47. Nlg. Stand 1.04.1994. 14. RENÉ KEGELMANN: „An den Grenzen des Nichts, dieser Sprache ... “ Zur Situation rumäniendeutscher Literatur der achtziger Jahre in der Bundesrepublik Deutschland Bielefeld: Aisthesis 1995. 15. CRISTINA TUDORICĂ: Rumäniendeutsche Literatur (1970–1990). Die letzte Epoche einer Minderheitenliteratur, Tübingen, Basel: Francke 1997. 16. KURT ARNE MARKEL: Werner Söllners Weg als Lyriker. Oktober 1998. Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Fachbereich Neuere Deutsche Literaturwissenschaft. 17. ASTRID SCHAU: Leben ohne Grund. Konstruktion kultureller Identität bei Werner Söllner, Rolf Bossert und Herta Müller Bielefeld: Aisthesis 2003. 18. DIANA SCHUSTER: Die Banater Autorengruppe: Selbstdarstellung und Rezeption in Rumänien und Deutschland, Konstanz: Hartung-Gorre 2004.

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Leichter Wellengang im Adriatischen Meer. Mediterraner Südwind, Juni 2004. Strunjan /Slowenien. Internationale wissenschaftliche Tagung. Riesenüberraschung: Prof. Anton Schwob überreicht mir die Festschrift Brückenschlagen. Zu meinem 60. Geburtstag. Ich versuchte ein paar Dankesworte auszusprechen... Minutenlanges Ringen um Worte, die im leichten Wellengang und im Rauschen des Südwinds stimmlos untergingen... Es war Peter Motzan, der nach doch noch ehrenhaft überwundenen Momenten zu mir kam und sagte, er sei ebenso wie ich den Tränen nahe, er habe die Emotion, der ich ausgesetzt war, in seinem Herzen mit erlitten. Wie immer zeigte er sich, der gestrenge und gelehrte Stilist, von seiner menschlichen Seite. Mit der er viele seiner Zunftkollegen weit überragt... Nun haben sich die Erde und Planeten unbekümmert weiter um die Sonne gedreht, wir um unerschöpfliche Gutenberg- und Leonardo-Galaxien... Der Wind der Vergänglichkeit stöbert bereits in unseren (Jahres)Blättern, unser Lebensbaum zeigt eine immer kahlere Laubkrone... Peter Motzan steht im Jahre 2006 selbst im Neigungswinkel des 60. Geburtstages. Auch diesmal ließ er uns sprachlos: Er bitte seine Freunde von ihrem schmeichelhaften Einfall, ihm eine Festschrift zu widmen, abzusehen, weitere Versuche ihn umzustimmen seien zwecklos. Seine grenzenlose Bescheidenheit, die in einem proportional umgekehrten Verhältnis steht zu seinem enzyklopädischen Wissen, trug erneut den Sieg davon. Wir haben seinem Wunsch entsprochen, sahen von einer Festschrift ab – obwohl nicht alle seine Argumente stichhaltig waren. Das umstandsbedingte Verlassen seiner heimatlichen Klausenburger Universität hat er nie verwinden können – der größte Verlust in Peter Motzans Leben waren die dortige Lehrkanzel, die dort Studierenden, die Freunde, die sorgenlosen Plauderstunden in den Cafés und Redaktionen von Verlagen und Zeitschriften... Balkanesisches Da-sein trotz Diktatur und Bewegungsunfreiheit, er praktizierte - wie viele von uns damals – den Spruch: die Gedanken sind frei. Der atemerstickenden Atmosphäre zum Trotz nahm er sich ohne behördliche Erlaubnis die selbstverständliche Freiheit, nach bestem Wissen und Gewissen zu lesen, zu forschen, zu schreiben und zu lehren. Als Mensch stand auch Peter Motzan – wie der moldauische Chronist es einmal sagte – unter den Zeiten, zerbrechlich im Angesicht diktatorischer Machtstrukturen, doch geistig und intellektuell blieb er seinem aufrechten Gang – um diesmal Volker Braun zu zitieren – treu, der Niedertracht der Zeiten überlegen. Er habe keinen Lehrstuhl inne, er habe keine Schule gegründet, etc. Manchmal sind die mit sich selbst Gerechten zutiefst ungerecht – mit sich selbst, im Umgang mit den eigenen Leistungen. In der sprichwörtlichen Bescheidenheit schneidet sich die Personalunion Lehrer, Forscher und deutschsprachiger Stilist Peter Motzan ins eigene Fleisch. Sein moralischer Wille strahlt indessen Unbekümmertheit und Selbstgewißheit aus. Wir aber wissen: Peter Motzan ist Inhaber des zwar nicht institutionalisierten, dennoch weltweit anerkannten Lehrstuhls für Neuere Rumäniendeutsche Literaturgeschichte. Durch seine Lehre sind unzählige Wissen-

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schaftlerinnen und Wissenschaftler hindurch gegangen, seine Schülerschar ist inzwischen so groß geworden, daß er selbst bald den Überblick verlieren könnte. Obwohl sein monströses Gedächtnis dem ständig entgegenarbeitet. Kurzum: Peter Motzan hätte durchaus eine Festschrift zu seinem 60. verdient. Unser Hausfrieden wurde dennoch einvernehmlich geschlossen: Bei seinem 65. wird ihm eine solche ungefragt „verpaßt“. Einer bescheideneren Würdigung stimmte er dennoch zu – glücklicherweise. Obwohl die Zeit knapp war – unsere bereits druckreife Zeitschrift schob ihr Erscheinen um einige Wochen hinaus -, erreichte uns eine Reihe von beachtenswerten Würdigungen der Persönlichkeit und Leistungen Peter Motzans durch Freunde und Fachkollegen (obwohl sich die beiden Begriffe in seinem Falle tautologisch zueinander verhalten), die wir nachstehend wiedergeben. Ihren Verfassern gilt unser herzlichster Dank. Peter Motzan ist Gründungsmitglied der Gesellschaft der Germanisten Rumäniens (1990) und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von „transcarpathica germanistisches jahrbuch rumänien“. Er hat zusammen mit Stefan Sienerth seit dem 1994 in Neptun abgehaltenen III. Kongress der Germanisten Rumäniens auf allen weiteren Kongressen (1997 – Sinaia, 2000 – Ia[i/Jassy, 2003 – Sibiu/Hermannstadt, 2006 – Timi[oara/Temeswar) mit Begeisterung und höchster Fachkunde die angesehene Sektion „Deutsche Regionalliteraturen in Rumänien“ betreut und organisiert. Daraus entstanden zwei von ihm mit redigierte Bände [Deutsche Regionalliteraturen der Zwischenkriegszeit in Rumänien. Positionsbestimmungen, Forschungswege, Fallstudien. Internationale Tagung - III. Kongreß der rumänischen Germanisten, Neptun/Schwarzmeerküste (Hrsg. Peter Motzan, Stefan Sienerth), München 1997; Karl Kurt Klein. Leben – Werk – Wirkung. (Hrsg. Peter Motzan, Stefan Sienerth, Anton Schwob), München 2001]. Der „Zeitschrift der Germanisten Rumäniens“ stand er kollegial oft mit Rat und Tat zur Seite, dennoch erst jetzt lieferte er uns gleich zwei Aufsätze zur Erstveröffentlichung im vorliegenden (Doppel)Heft. Eine Geste, die für sich spricht. Peter Motzan hat sich in Deutschland als Inlandsgermanist etabliert, ihm haftet jedoch eines anderen Peter (allerdings sehr sichtbarer) Schatten an: der unübersehbar seinen Anfängen treue Auslandsgermanist. Die Lehraufträge in Marburg und München haben ihm erlesenen Hochschullehrergenuss bereitet, dennoch wird er in Deutschland nicht in dem ihm gebührenden Maße anerkannt – Richard Wagners Schriftsteller-Erfahrung steht der des Literaturwissenschaftlers Peter Motzan zur Seite: „Die Auswanderung ins Zentrum ist stets auch eine Kapitulation vor der Unlösbarkeit der Widersprüche der Peripherie. Im Zentrum aber wird der Minderheitenschriftsteller bald erfahren, dass ihm sein Dilemma erhalten bleibt. Ernüchtert und hartnäckig zugleich, holt er den Rand zur Mitte, auch sprachlich.“ Gerade in dem Punkt liegt die Stärke der nach Deutschland, ins Zentrum, ausgewanderten Autoren und Forscher des Randes: Sie bringen der ahnungslosen Mitte Widersprüche und Sprache des Randes zu Bewusstsein – vermittels ihrer unverwechselbaren Erfahrung und ihrer unverwechselbaren Sprache. Als „Zwischenschaftler“ (Schlesak). Peter Motzan sticht durch seine stilistische Geschliffenheit hervor: Darin steckt gleichermaßen Intelligenz und Sprachgewalt wie Protesthaltung und Unbehagen am gängigen Deutschen der Mitte. In der Literaturwissenschaft hat die deutsche Germanistik den Blaue-Mauritius-Wert eines Auslands/Inlandsgermanisten vom Range des Peter Motzan noch zu entdecken.

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Indessen genießt er in seiner früheren Heimat (ebenso jedoch in der ganzen Fachwelt) großen Respekt und verdiente Anerkennung. Lehraufträge nimmt er in Klausenburg/Cluj und Bukarest wahr, die Universität seiner glanzvollen Anfänge verlieh ihm den Titel eines Professors honoris causa – dieser Ehrensache ist der Jubilar voll und ganz und würdig ergeben. Zum Herbstanfang, da der Wind in den (Lebens)Blättern zu stöbern beginnt, kehrt der Fischer „inselher“ – die Netze voll Freud und Leid. In der schon angebrochenen zweiten „Hälfte des Lebens“ wünschen wir, rumänische Germanisten, unserem Freund und Kollegen Peter Motzan Gesundheit und inneren Sonnenschein.

 Prof. Dr. Dr. h.c. Antal Mádl (Budapest): Begegnungen in Fachkreisen sind in einer wissenschaftlichen Laufbahn häufig; nicht jede führt aber zu einer so engen Zusammenarbeit, wie unsere mit dem Jubilar. Wir lernten uns noch in seiner früheren Heimat kennen, trafen uns dann an verschiedenen internationalen Veranstaltungen und arbeiten seit geraumer Zeit an einigen Projekten zusammen. Peter Motzan ist ein harter und gleichzeitig ein sehr angenehmer, liebenswürdiger Partner. Er geht mit für ihn charakteristischen hochgestellten Ansprüchen an jede Frage heran, die auf ihn zukommt, bzw. die ihn selbst beschäftigt, führt seine logischen Argumente in einer sprachlichen Exaktheit vor, die auf eine eigenartige sachliche Weise mit Leidenschaft und Begeisterung für den Gegenstand zu Ende geführt wird. Verschoben wird nichts und auch ungeklärt darf nichts bleiben! Er holt von sich selbst das Äusserste heraus und zwingt auch den Partner zu einem vollen geistigen Einsatz. Am Schluss geht man – sich gegenseitig überzeugt oder vielleicht auch nicht – in schönster Freundschaft auseinander und bei der nächsten Begegnung kommt unser Freund schon von weitem lächelnd zur neuen Diskussion bereit mit strahlendem Gesicht auf seinen Partner zu. Ich frage mich, woher diese hohen Ansprüche und dieses über eine allgemein übliche Toleranz weit hinausweisendes Verhalten, verbunden mit einem unermüdlichen Wahrheit- und Klarheit-Suchen? Sind es die eigenen Lebenserfahrungen? Ist es der genius loci der einstigen Heimat, wo über Jahrhunderte mehrere „Nationen” einander nicht nur toleriert haben, sondern oft in Gemeinsamkeit, gelegentlich mit einander konkurrierend bedeutende geistige Werte geschaffen haben? Ich werde an einen ungarischen Dichter erinnert, der durch seinen Vater auch dieser geistig fruchtbaren Region entstammte, und in schwierigen Zeiten ein Wahrheit- und Gerechtigkeit- Suchender wurde. Er hat in Thomas Mann „den Europäer unter den Weissen” gefunden. Unser Peter Motzan ist ebenfalls ein Suchender, aber gleichzeitig auch ein Gebender; was er glaubt in einem weiteren Europa „gefunden” zu haben, davon soll auch die einstige Heimat ihren Anteil erhalten.

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Dr. h.c. Dieter Schlesak (Pieve, Italien) Peter Motzan, unserem besten Literaturwissenden zu seinem Sechzigsten von einem toskanischen Transsylvanier und immer noch erschrockenen Emigranten – in Pension

Das Unheil ist noch nicht sicher, Unheil der Glaube, dass wir alles und hinter Seinem Rücken erreichen auf unsere Schnelle! Ich aber liege: - im Pflegbett lebenslang und schreibe mich auch dir zu, deinem wachsamen Auge. Doch - besteht der innere Wert nicht darin, bettlägerig zu sein? Die metaphysische Wiege, die Toten, die Kinder, ja, alle kommen und Gehen von da an! Auch im Traum ja diese Schrift! Und du lachst: Finalität ohne Ziel? Sich abzuwenden vom Werden der Täuschung, denn damit kamen sie mir, berauscht durch Veränderung: die Roten legten das Gute in die Besiegten, die Braunen in die Sieger, doch endeten beide als Henker.

Ein Wundern jetzt schon, dass ich noch da bin, das klein geschriebene ich, wartend, ausgefüllt meine Sekunde mit diesem Satz, eine Straße die stimmt und endet gleich hier, solange ich schreibe - am Leben. Zum 7. 7. 2006

Prof. Dr. Elena Viorel (Cluj-Napoca / Klausenburg) Zu meinen ehemaligen Studenten, die sich sowohl in Rumänien als auch in Deutschland einen Namen als Literaturwissenschaftler oder Schriftsteller gemacht haben, zählt neben Franz Hodjak, Werner Söllner, Stefan Sienerth auch Peter Motzan, unser Jubilar, dem ich zu seinen 60 Lenzen ganz herzlich gratulieren möchte. Als sehr gute und motivierte Studenten haben sie sich schon früh zum Literaturkreis der Klausenburger „Echinox“-Zeitschrift hingezogen gefühlt und versucht, unter den schweren Bedingungen der kommunistischen Diktatur an gute Literatur heranzukommen und als Vertreter

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der deutschen Minderheit zum rumänischen Kulturleben der 70er und 80er Jahre einen wichtigen Beitrag zu leisten. Anfang der 70er wurde Peter Motzan als Assistent an den Germanistiklehrstuhl der Klausenburger Universität berufen. Ein hochgebildeter junger Mann begann hier eine glänzende universitäre Laufbahn, denn Peter Motzan erwies sich als Lehrer von Profession und Passion, der dank seiner sehr guten Kenntnis der deutschen und rumänischen Literatur und Kultur und seiner besonderen menschlichen Eigenschaften (Humor, Toleranz, Hilfsbereitschaft) bei vielen Generationen von Studenten sehr beliebt war und sich auch bei den Kollegen eines sehr guten Rufes erfreute. Denn es war immer eine Wonne, seinen Textinterpretationsstunden und den sich anschliessenden Diskussionen beizuwohnen. Im Laufe der Zeit hat er viele Beiträge zur deutschen oder rumäniendeutschen Literatur in „Neuer Weg", „Neue Literatur", „România literară", „Echinox“, aber auch in literarischen Publikationen aus der ehemaligen DDR, oder in Sammelbänden veröffentlicht. Dazu kamen Essays, Buchbesprechungen, Übersetzungen aus der rumänischen Literatur und Bücher, die sich nach seiner Aussiedlung nach München an Zahl zugenommen haben. Die guten freundschaftlichen Beziehungen zu rumänischen und ungarischen Kollegen, seine Bescheidenheit und seinen Gerechtigkeitssinn möchte ich aus diesem Anlass ganz besonders hervorheben. Es gibt auch persönliche Gründe mich bei Peter Motzan für die im Laufe der Zeit gute Zusammenarbeit zu bedanken. La mul]i ani!

Dr. h.c. Hans Bergel (München) Zwei Koordinaten bestimmen mein Verhältnis zu Peter Motzan, den ich dank des politischen Irrsinns des 20. Jahrhunderts zu spät kennenlernte. Die eine ist professioneller Natur: Uns verbindet das gleiche Besessensein vom Bedürfnis nach stilistischer Präzision und Eleganz des sprachlichen Ausdrucks. Der klare Stil erwächst aus klarem Denken; Stil ist nicht Fassade, er ist Spiegelbild geistiger Substanz und Beschaffenheit. Auch in der zweiten, persönlicher Natur, begegnen wir uns: Die Einfühlsamkeit, erfuhr ich als Schreibender, ist eine Komponente der Intelligenz; da Peter Motzan über das eine verfügt, besitzt er auch das andere. Dass ich den belesenen Mann der leisen Ironie zum Freund habe, betrachte ich als ein Geschenk meines Schriftstellerlebens.

Prof. Dr. Klaus Werner, (Leipzig; z. Zt. Opava / Troppau, Tschechien) Mein Bekanntwerden mit Peter Motzan reicht bis 1974/75 zurück, bis in jenes Studienjahr, als ich, seinerzeit Auslandslektor der inzwischen „entschlafenen“ DDR, gastweise am Germanistik-Katheder der Klausenburger Universität unterrichtete. Dieses Bekanntwerden verwandelte sich rasch in Freundschaft und einen Austausch der Herzen und Hirne, der bis heute anhält und

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nach wie vor zu meiner Grund„nahrung“ gehört. Die ist äußerst bekömmlich, denn Peter war und ist ein Gesprächs- und Wissenschaftspartner, von dem man stets gewinnen kann: an Drauf- und Einsichten. Wie er seine Studenten begeistert und geformt hat! Und ich weiß, wovon ich rede: meine rumäniendeutsche Frau war seine Schülerin. Was aber erst hat er an literaturwissenschaftlicher Basis- und Feinarbeit geleistet! Unüberbietbar seine fundamentale Untersuchung über die rumäniendeutsche Lyrik im 20. Jahrhundert und speziell nach 1945. Im Ohr bleibend die von größter Differenziertheit getragenen Separatinterpretationen literarischer Werke und Einzelporträts von Autoren. Immer anregend, ja herausfordernd, immer den Nagel auf den Kopf treffend und, wenn nötig, den Finger in Wunden legend, seine Problemstudien und Forschungsaufrisse. Nicht zuletzt aber: seine Beiträge auf Konferenzen und Tagungen! Waren das doch durchweg exzellente Auftritte in einer frappierenden Mischung aus tiefschürfender Analyse, spontanen Apropos und einem alles überlagernden und alles durchdringenden „Witz“ in der aufklärerischen Bedeutung des Wortes. Wie des öfteren so auch jetzt einmal wieder im Ausland tätig, notiere ich dies aus dem Stegreif, ohne bibliographische Recherche: aber mit einem kräftigen Salut, Peterleben!

Prof. Dr. Andrei Corbea-Hoi[[ ie (Ia[i Ia[i/Wien) Ia[i Der Freund Peter Motzan Für mich erweist sich in Peter Motzans Persönlichkeit seit langem, dass eine Freundschaft möglich ist, deren Entstehung nicht unbedingt an gemeinsame Jugenderfahrungen und auf einen gemeinsamen Ort bezogene Erinnerungen derjenigen, die sich Freunde nennen dürfen, geknüpft ist. Wir haben uns persönlich spät kennengelernt: als Germanistikstudent in Jassy wusste ich wohl, dass unsere Kollegen in Klausenburg die Chance hatten, im Seminar mit einem publizistisch aktiven und geistig besonders interessanten Assistenten zu arbeiten. In meinen damaligen Wertvorstellungen hatte er dann enorm gewonnen, als ich in der „Neuen Literatur“ einen Kommentar von ihm zu den mit der Konstanzer Rezeptionsästhetik zusammenhängenden theoretischen Entwicklungen zu lesen bekam; ich entdeckte plötzlich, dass meine persönlichen literaturwissenschaftlichen Hierarchien und Prioritäten von rumänischen Gleichgesinnten geteilt wurden. Es scheint umgekehrt auch – wie ich später erfuhr -, dass meine bescheidenen literaturkritischen Produktionen ihm ebenfalls nicht gleichgültig waren. Wann und wo genau wir uns darauf zum ersten Mal getroffen hatten, ist mir heute nicht mehr klar in Erinnerung – aber die „Chemie“ hat zwischen uns von Anfang an „gestimmt“. Zunächst würdigte ich in einer Rezension sein Buch, von dem ich als jemand, der in der Geschichte des deutschsprachigen Schriftums Siebenbürgens, dem Banat und der Bukowina noch recht unbewandert war, eine Menge lernte, zumal er gleichzeitig eine gewaltige Rolle in der öffentlichen Unterstützung der jungen Schriftsteller deutscher Sprache in Rumänien spielte. Sein Wissen und seine hermeneutische Begabung – z. B. als Rilke-Foscher – haben ihn dann bei namhaften Germanisten im deutschsprachigen Raum empfohlen, wenngleich er doch vor 1990 nie in den „Westen“ hatte reisen dürfen. Inzwischen entwickelte sich auch unsere Beziehung allmählich, auch wenn wir uns keine langen Briefe schrieben. Man spürt es schon irgendwie, ob und

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wann man mit jemandem rechnen kann. Ich zumindest empfand es so, wenn es sich um Peter Motzan handelte. So ziemlich als Letzter hatte ich erfahren, dass er sich für die Ausreise nach Deutschland entschieden hatte. Dieser Umstand erklärt vermutlich, warum die Zusammenfassung meiner Dissertation, die ich ihm von Bukarest nach Klausenburg gesandt hatte, ihn nie erreichte – der lange Schatten des kommunistischen Staates breitete sich damals auch über unseren Briefwechsel aus! Wie auch in anderen Fällen, in denen einige mir Nahestehende es im Lande Rumänien nun nicht mehr aushielten, schmerzte dies mich – ich selbst konnte damals aus familiären Gründen diesen Schritt doch nicht so einfach wagen und sah mich von Tag zu Tag isolierter. Verständlich schien mir ebenso sein Entschluss, 1990 das sonst recht ehrenvolle Angebot, eine GermanistikProfessur in Klausenburg anzunehmen und somit zu „bleiben“, für seine Zukunft nicht mehr in Betracht zu ziehen. Die geographische Entfernung zwischen uns wuchs freilich, aber die Öffnung der Grenzen brachte uns dann dennoch näher als zuvor. Wir konnten erst jetzt feststellen, wie nahe wir uns in unseren literaturwissenschaftlichen, aber auch ideologischen Überzeugungen standen. Ich bewunderte auch seinen Elan, mit dem er, zusammen mit seinen Kollegen, das Münchener Institut zu einer überall geschätzten wissenschaftlichen Einrichtung ausbaute, die seitdem die rumänische Germanistik großzügig fördert. Wir gingen in diesen Jahren viele Wege gemeinsam und ich lernte immer wieder Neues von Peter Motzan. Weiterhin empfinde ich es so, in München (und Augsburg) einen guten und immer verlässlichen Freund zu haben.

Lekt. Dr. Bianca Bican (Klausenburg/Cluj) Dr. Peter Motzan hat in seiner doppelten Eigenschaft als Inlands- und Auslandsgermanist das Geschick der Klausenburger Germanistik entscheidend mitgeprägt. Seinen Anregungen und seiner stets wachen Mithilfe ist es zu verdanken, dass an der Babe[-Bolyai-Universität ClujNapoca/Klausenburg, an jener rumänischen Universität, wo Dr. Peter Motzan auch als Honorarprofessor tätig ist, der Stiftungslehrstuhl der Bundesrepublik Deutschland für deutsche Literatur im südöstlichen Mitteleuropa gegründet wurde. Dem Jubilar wünsche ich aus diesem Anlass alles Gute, Gesundheit und frohes Schaffen in den nächsten sechs Jahrzehnten! Prof. Dr. Volker Hoffmann (München) Ich kenne Professor Dr. Peter Motzan seit Jahren als engagierten Kollegen und Lehrbeauftragten am Institut für Deutsche Philologie der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Dort hat er inzwischen eine Generation Studenten mit größter Fachkompetenz in die Literatur Habsburgs und Südosteuropas eingeführt, er hat sie beraten, ihre Seminararbeiten und Klausuren mit großem Aufwand betreut. Sein Lehrengagement hat dazu beigetragen, dass das Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas 2005 ein An-Institut der Münchner Universität wurde. Gratias agimus et ad multos annos!

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Richard Wagner (Berlin) Jazz in Hermannstadt für Peter Motzan

Über die Brücken machen sich die Bürger in die Berge davon

Zum Philosophen der über ihnen wohnt und damit ihre Neugier weckt

Über ihnen wohnen zwar auch die Hirten Aber das schert sie wenig

Zumal die Macht der Hirten sich auf das Lamm und auf den Hund beschränkt

Und das bedeutet heute wenig Weniger noch als das Wort

Prof. Dr. Maria Kła ń ska (Krakau, Polen) Peter Motzan bin ich wohl nur zweimal begegnet, und doch bleibt der Eindruck, den dieser tiefgründige, bescheidene, sanfte Mensch auf mich gemacht hat, ein überwältigender. Allerdings muss ich einräumen, dass ich zuerst einen Aufsatz von ihm gelesen habe, und zwar einen grundlegenden, aber wohl ist alles, was Peter schreibt, grundlegend. Es war der für eine Einsteigerin in Sachen rumänischdeutscher Literatur wie ich äußerst informative Aufsatz „Die rumäniendeutsche Lyrik nach 1944“, 1980 in Cluj-Napoca veröffentlicht, also selbst im sozialistischen Rumänien konnte man so schreiben! Es war so tiefsinnig und umfassend, aber gleichzeitig so beschwingt, dass ich den Namen des Autors mit seinen ersten drei Buchstaben gleich mit dem polnischen „motyl“ – „Schmetterling“ assoziierte. Dann folgte die Lektüre anderer Texte, die meinen Eindruck bestätigte. Erst 1990 lernte ich diesen „Schmetterling“ bei einer Grazer Tagung kennen! Ein so kluger und so schüchterner, bescheidener Mensch – einer von jenen Sanft-

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mütigen, denen nach den Seligpreisungen Christi das Reich Gottes gehört! Als ich wohl um die Jahrtausendwende von dem Südostdeutschen Kulturwerk eingeladen wurde, am Lexikon auslandsdeutscher Schriftsteller mitzuarbeiten, lehnte ich lange ab, obwohl es durchaus ehrenvoll war - ich hatte einfach zu viele Verpflichtungen und auch persönliche Gründe. Als ich aber im Teilnehmerverzeichnis eines Ludwigsburger Symposiums von 2001, an dem auch ich mich beteiligen sollte, den Namen Peter Motzans gesehen habe, wusste ich: „Dem kann ich nichts abschlagen, wenn er kommt und etwas sagt, werde ich schreiben.“ Und das traf dann ein, da mich nichts derart für kluge Wissenschaftler einnimmt, wie ihre echte Bescheidenheit. So konnte ich dem schüchternen Reiz Peters nicht widerstehen. Ad multos annos, lieber Peter, und bleib wie Du bist, so unmodern gütig, bescheiden und still, denn so sind nach dem chassidischen Glauben die 36 Gerechten, dank denen die Erde nicht untergeht. Prof. Dr. Zoltán Szendi (Pécs) Im treuen Dienst seiner Berufung Ich weiß nicht mehr genau, wo und wann wir uns zum ersten Mal getroffen haben. Bestimmt bei einer Tagung in unserer Region, wo Peter Motzan mit seinem immer wachsamen Geist die langsam schwindenden Spuren der einst blühenden deutschsprachigen Kultur zu sichern und zu bewahren sucht. Wie es aber meistens der Fall ist, wenn man in einem noch fremden Menschen doch einen schon längst gut Bekannten kennen zu lernen meint, so war es auch mit ihm. Seine urbane Bildung, die großzügig genug ist, um auch das Regionale oder sogar Provinzielle in der Literatur schätzen zu können; die Eloquenz seines Sprachgebrauchs, mit der er wohl auch in der Zeit der Inflation die Ehre der (Auslands-)Germanistik retten kann; die philologische Akribie, mit der er die Bücher redigiert und seine Kollegen aber zur Verzweiflung bringt – all das sind Tugenden, die man nur hoch achten kann und bei dieser festlichen Gelegenheit sogar feiern muss. Diese Ehre aber, reicht nicht ganz aus, wenn es sich um menschliche Beziehungen handelt. Womit Peter Motzan uns – trotz seines beruflichen Ernstes und seiner wissenschaftlichen Strenge – immer gewinnt, das ist wohl seine Unmittelbarkeit und die – wahrscheinlich in seiner multikulturellen früheren Heimat geschulte – humorvolle Ironie, die die Mitmenschen auch in ihrer Schwäche versteht. Hoch lebe er noch für seinen Beruf und für die humane Kultur, die uns verbindet! Univ.-Assist. Dr. Martin A. Hainz (Wien) Peter Motzans Texte sind durch und durch Philologie im besten Sinne: Seine Studien sind immer Antworten, die die Fragen der Literatur ernst nehmen, indem sie einerseits stringent aus der Provokation des bedachten Formproblems hergeleitet; doch andererseits die Antworten eben Motzans sind – und das ist für mich stilistische Verantwortung. Diese zeichnet dann auch die Art und Weise aus, in der Motzan seine Befunde stellt: nämlich glasklar formuliert, doch nirgends simplifizierend. Kaum ist beispielsweise eine angemessenere Würdigung Margul-Sperbers als jene denkbar, die Motzan formulierte – der aufgrund der konzisen Herausarbeitung der Rang-

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höhe des Lyrikers Alfred Margul-Sperber eben nichts verklären, auch den „Routine-Reim” Margul-Sperbers nicht unterschlagen muss, um sich vor diesem Dichter glaubhaft zu verbeugen. Und zwar vor einem, in dessen Texten mit seinen Zwischentönen Wahrheit „zunachte tritt”, was schließlich auch für nicht minder nuancierte Interpretationen Motzans gilt. Die besten Grüße und Wünsche! Eduard Schneider (München) Kompetenz, Konsequenz, Kontinuität Ende der 1960er Jahre geriet im Zuge einer politischen Tauwetterperiode, die sich auch auf das literarisch-künstlerische Leben im damaligen Einparteienstaat Rumänien förderlich auswirkte, auch der rumäniendeutsche Literaturbetrieb in Bewegung. Zahlreiche Vertreter einer jungen Generation, neue Namen von Dichtern und Schriftstellern, machten auf sich aufmerksam und Tendenzen, die, abweichend von eingefahrenen Wegen, einer verkrusteten, ideologisch gegängelten kulturellen Betätigung entgegenwirkten, begannen sich durchzusetzen. Was im Bereich der literarischen Produktion zu beobachten war, hatte seine Entsprechung auf dem Gebiet der Literaturkritik, die das Phänomen der Erneuerung, des Einzugs der Moderne in die rumäniendeutsche Literatur generationssolidarisch begleitete und unterstützte. Dies geschah aufgrund beachtlicher Professionalität, waren doch fast alle unter den Kritikern, die sich nun zu Wort meldeten, ausgebildete Germanisten, die im Umkreis dieser Jahre ihr Studium an den Universitäten des Landes, in Bukarest, Klausenburg oder Temeswar beendet hatten. In den deutschsprachigen Zeitungen und in Zeitschriften Rumäniens, u. a. in der Bukarester „Neuen Literatur“, erschienen ihre Beiträge, zuweilen polemisch zugespitzt, wenn es darum ging, den eigenen Standpunkt überholten Positionen gegenüber zu behaupten. Unter den neuen Kritikern erwies sich der Klausenburger Hochschullehrer und Publizist Peter Motzan, damals um die 25, bald schon als einer der profiliertesten. In den darauffolgenden Jahrzehnten sollte er auf die Orientierung und Entwicklung der neueren und neuesten rumäniendeutschen Literatur in vielfältiger Weise einen bestimmenden Einfluss ausüben, als aufmerksamer Beobachter der Szene, als Entdecker und Förderer neuer Begabungen, als kritischer Beurteiler literarischer Produktionen, als Buchautor und als Herausgeber wichtiger Anthologien, und nicht zuletzt, neueste Forschungsmethoden aufnehmend, propagierend und anwendend, von literaturwissenschaftlicher Warte aus. Mit gleicher Kompetenz, Konsequenz, Kontinuität und so umfassend wie breitgefächert hat sich keiner seiner Zunftkollegen mit der rumäniendeutschen Literatur nach 1945 befasst. (Parallel richtete sich sein Augenmerk auf die rumäniendeutsche Literatur der Zwischenkriegszeit, hier insbesondere auf die Herausbildung moderner Bestrebungen und Richtungen.) Dank eines Sammelbandes rumäniendeutscher Gegenwartslyrik, den Motzan nach seinen 1976 in Klausenburg erschienenen „Vorläufigen Protokollen“ mit Nachdichtungen ins Rumänische zusammenstellte, Vânt potrivit pân` la tare“ („Mäßiger bis starker Wind“, Bukarest 1982 ), bewirkte er einen Nachhall, wie ihn vorher noch kein Buch dieser Minderheitenliteratur in der rumänischen literarischen Öffentlichkeit erzielt hatte. (Der das Rumänische eindringlich beherrschende, intime Kenner zeitgenössischer rumänischer Literatur, über deren Neu-

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erscheinungen er wiederholt schrieb, trat selber öfter auch als Nachdichter neuer rumänischer Lyrik hervor.) Im Ausland machte er mit den im Ostberliner Verlag Volk und Welt veröffentlichten Auswahlbänden „Ein halbes Semester Sommer“ (Prosa, 1981) und „Der Herbst stöbert in den Blättern“ (Lyrik, 1984) auf die (auch im Westen) mit Erstaunen und zunehmendem Interesse wahrgenommene deutschsprachige Literatur in Rumänien aufmerksam, eine Regionalliteratur, die damals gelegentlich auch als „fünfte deutsche Literatur“ bezeichnet wurde. Zu einem Standardwerk wurde Peter Motzans minutiös recherchierte, sozialgeschichtlich und wirkungsästhetisch ausgerichtete Untersuchung und Darstellung „Die rumäniendeutsche Lyrik nach 1944. Problemaufriss und historischer Überblick“ (Klausenburg 1980). In gewisser Hinsicht ist das überregional angelegte (in der Fachliteratur zu diesem Thema vielzitierte) Opus auch eine Ausgangsbasis mancher der literarhistorischen Einlassungen des Germanisten, die in der Nachwendezeit in Deutschland entstanden sind, wo er seit 1990 lebt. Im Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas in München, dem vormaligen Südostdeutschen Kulturwerk, seiner neuen Wirkungsstätte, bot und bietet sich dem wissenschaftlichen Mitarbeiter die Chance sein profundes Wissen unter neuen Prämissen und mit entsprechenden Weiterungen einzubringen. Neben der deutschsprachigen Literatur Rumäniens, der er komplexe Untersuchungen, Überblickstudien wie auch größere Beiträge über Einzelautoren widmete, befasste er sich mit bedeutsamen literarischen Repräsentanten auch anderer südosteuropäischer Regionen. Neben Werkausgaben von Alfred Margul-Sperber und Oscar Walter Cisek, mit deren Oeuvre er sich nachhaltig beschäftigte und beschäftigt, betreute er als Editor eine Reihe von Tagungs- und Sammelbänden zu mitunter brisanten, grundlegenden Fragen des Forschungsbereiches. Dafür nur drei Beispiele: „Worte als Gefahr und Gefährdung. Fünf deutsche Schriftsteller vor Gericht“, eine gemeinsam mit Stefan Sienerth erarbeitete und herausgegebene Darstellung und Dokumentation über den vom kommunistischen Regime inszenierten Kronstädter Prozess 1959 (München 1993), „Schriftsteller zwischen (zwei) Sprachen und Kulturen“ (gemeinsam mit Antal Mádl/Budapest (München 1999) und „Deutsche Literatur in Rumänien und das „Dritte Reich“. Vereinnahmung – Verstrickung – Ausgrenzung“, herausgegeben mit Michael Markel (München 2003). Auch an der Herausgabe eines Sonderheftes der Pariser Zeitschrift „Seine et Danube“, in der rumäniendeutsche Autoren vorgestellt wurden, war er mitbeteiligt: „Écrivains allemands nés en Roumanie“ (2004). Wenn man heute ein wachsendes Interesse nicht zuletzt der Forschung an deutschsprachiger Literatur aus Südosteuropa und gerade auch an der deutschsprachigen Literatur Rumäniens beobachten kann, so hat Motzan dazu einen entscheidenden wissenschaftlichen Originalbeitrag geleistet. Der Umstand, dass er, der ehemalige Klausenburger Hochschullehrer und heutige Honorar-Professor der dortigen Universität sich auch als Lehrbeauftragter der Universität München dieser Problematik wie auch der Wahrnehmung und Vermittlung der rumänischen Literatur widmet, neuerdings in einem Eminescu-Seminar, unterstreicht bleibende Schwerpunkte in der gut über dreißigjährigen Karriere des Wissenschaftlers. Eines Wissenschaftlers, der, und das ist bezeichnend für Peter Motzan, auch durch die sprachliche Eleganz seines Vortrags, in Schrift wie in freier Rede, auf unverwechselbare Weise, motzanesk eben, für den von ihm behandelten Gegenstand wirbt. Beiträge des blendend formulierenden Experten, die im Feuilleton großer deutscher Tageszeitungen erscheinen, erweitern sein Wirkungsfeld.

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... Im Münchener Institut begegnen und sprechen wir uns seit einer guten Weile fast täglich. Trotzdem, auch auf diesem Wege: Nur das Beste, lieber Peter Motzan, zu deinem Sechzigsten, und weiterhin! Hilfsassist. Dd. Raluca (Lulu) Rădulescu (Bukarest) Als ich mich 2003 noch als Studentin dazu entschied, über Alfred Margul-Sperber eine Diplomarbeit zu schreiben, empfahl mir die Sekundärliteratur Dr. Peter Motzan als den Fachmann im Bereich. Persönlich lernte ich ihn beim Germanistenkongress in Hermannstadt in demselben Jahr kennen. Der damalige erste Eindruck bewahrheitete sich zwei Jahre später anlässlich meines Aufenthalts im IKGS als Stipendiatin; Herr Dr. Motzan zögerte nicht, mich trotz seiner vielseitigen Projekte mit wertvollen Ratschlägen und Anregungen zu meiner Dissertation zu betreuen. Unvergesslich bleiben jedoch seine humorvollen und nicht selten bissigen Bemerkungen sowie die auf den ersten Blick verblüffenden Fragen, mit denen der Fachmann die Doktoranden im Institut in große Verlegenheit brachte. Von einem Essaytitel von Hans Bergel ausgehend, fragte er mich eines Tages im Vorbeigehen, was ich denn vorziehe, das „Spiel" oder den „Chaos". Solche wissenschaftliche Herausforderungen bildeten keine Ausnahme. Doch beschränkten sich unsere Gespräche nicht nur auf fachliche Anliegen. Beispielsweise warnte er mich und eine slowenische Doktorandin, als er sich in der Institutsküche eine Tasse Kaffe holen wollte, davor, dass Liebe gefährlich sei, weil sie Zeit raube. Weitere Auskunft über Dr. Peter Motzan kann übrigens seine schwarze Katze Lulu geben, die die Richtigkeit der obigen Aussagen vom Hören und Sehen bestätigen kann. Hoch sollen Sie leben, sehr geehrter Herr Motzan! Mariana L ` z ` rescu (Bukarest) Einem Freund wünscht man zum Geburtstag alles Gute, viel Gesundheit und Glück, er solle hoch leben, all seine Träume mögen in Erfüllung gehen und Ähnliches. Für den kultivierten Literaturwissenschaftler Peter Motzan möchte man zum Geburtstag Worte und Wendungen erfinden, und wenn das nicht möglich sein sollte, dann sollten es zumindest Worte sein, die nicht abgedroschen klingen. Er verdient es einfach nicht, mit banalen Floskeln beglückwünscht zu werden. Wie kaum einem anderen sind ihm die unendliche Aussagekraft und die versteckte Magie des Wortes vertraut. Aus den Titeln seiner zahlreichen Aufsätze und Studien, Bücher und Buchkritiken, Übersetzungen und Interpretationen, Rezensionen und Interviews will ich den Werdegang des Jubilars aus meiner Sicht skizzieren. Das soll ein Beweis dafür sein, dass er sein ganzes Leben der Literatur, Wissenschaft, Lehre und Forschung widmet. Ein Glücksfall für Germanisten. Meine Hommage – ein vielleicht etwas außergewöhnlicher Glückwunsch. Er gilt einem Kollegen, bei dem ich die Arbeitskraft, die gedankliche Originalität und Tiefe, den unverwechselbaren Galgenhumor, die feine Ironie und das geistreiche Auftreten besonders schätze:

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Stationen des Lebens – Aspekte des Werkes Werkes – Spuren der Wirkung Für Peter

I

„ ch begrüße Sie am Anfang einer großen Karriere.“ Alles, was nötig war. Abitur, Promotion zum Dr. Phil., Hochschulassistent und Dozent, Professor honoris causa, kommissarischer Direktor. Deutsche Literatur. Rumäniendeutsche Lyrik. Lesezeichen. Interpretationen. Klassische Zitate und Verse. Rilke. Die Turmuhr lässt der Zeit den Lauf. Reflexe. Ein Einzelgänger. Mäßiger bis starker Wind. Ein Proteus. Entlassung aus dem Hochschuldienst wegen Antragstellung auf Ausreise/ in die Bundesrepublik Deutschland. Widersprüchliche Konsequenz und konsequente Widersprüche. Von der Aneignung zur Abwendung. Die vielen Wege in den Abschied. Ein halbes Semester Sommer. Der Herbst stöbert in den Blättern. Identität als Vielfalt. Realitätserkundung, Selbstausforschung und der melancholische Traum/ vom geschriebenen Glück. Schriftsteller zwischen (zwei) Sprachen und Kulturen. Worte als Gefahr und Gefährdung. Was aber stiften die Literaturhistoriker? Vorläufige Protokolle. Reflexion. Bruchstücke einer ironischen Konfession. Wegbereiter und Wegbegleiter.

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Stefan Sienerth (München) Peter Motzan wird 60 Es ist vielfache Befangenheit, die sich meiner bemächtigt, wenn ich mich anschicke, dem Freund und Kollegen Peter Motzan anlässlich seines 60. Geburtstages öffentlich zu gratulieren. Eine Laudatio darf es nicht werden, weil er Lobpreisungen, die aus der Feder eines ihm sehr nahe stehenden Gefährten stammen, mit großer Skepsis begegnet. Loben und gelobt zu werden ist seinem Charakter eher fremd, und wer dazu neigt, sich selbst und andere ungebührend zu überschätzen – und in den Berufskreisen, in denen wir verkehren, sind es nicht wenige, die nach Ehrenbezeugungen regelrecht gieren –, den weist er unumgänglich in die Schranken und treibt ihm das (Selbst)Loben aus. Auf den Applaus der Mitmenschen kommt es ihm nicht unbedingt an, und wo es um seine Person geht, untertreibt er lieber. Darüber hinaus mit unbefangenem Blick einen Menschen und seine wissenschaftliche Leistung zu würdigen, dem man bereits aus der Studentenzeit freundschaftlich verbunden ist, mit dem man sich gedanklich seit anderthalb Jahrzehnten sozusagen täglich austauschen kann und dessen liebenswerte Charaktereigenschaften und Schrullen man nach mehr als vierzig Jahren Bekanntschaft zu kennen glaubt, ist alles andere als leicht. Was hier in dürren Worten versucht wird, ist keine Würdigung seiner Leistungen, sondern ein Grußwort zu gegebenem Anlass. Unsere Lebens- und Berufswege sind parallel verlaufen, haben sich aber immer wieder gekreuzt. Was uns in der vergleichsweise liberalen Phase der Ceau[escu-Diktatur, als wir in zwei aufeinander folgenden Jahrgängen in Klausenburg studierten, zunächst zusammen führte, war die Liebe zur Literatur und zu ihrem Studium, die uns auch mit anderen der Dichtung zugewandten Kommilitonen verband. Selbst wenn wir am Sinn unseres Tuns vor allem nach unserer Aussiedlung in die Bundesrepublik Deutschland zweifelten, blieb die Prägung, die wir durch die Beschäftigung mit den großen Werken der Weltliteratur, der deutschen, der rumänischen und der rumäniendeutschen, erfahren hatten, nachhaltig. Sie wurde besonders in den Zeiten der nationalkommunistischen Diktatur auch zur Hilfe in der Überwindung existentieller Herausforderungen. Nachdem sich unsere Wege nach dem Studium getrennt hatten, begegneten wir einander als junge Universitätslehrer dennoch immer wieder bei Tagungen und Studentenveranstaltungen, in Prüfungskommissionen, vor allem aber bei Autorenlesungen und im vertrauten Kreis befreundeter Literaten, sei es in Klausenburg oder in Hermannstadt. Während ich mich der älteren siebenbürgischen Literatur annahm und mich Themen und Gegenständen widmete, die dem bewunderten Freund Stirnerunzeln und bestenfalls ein müdes Lächeln abnötigten, hat er sich von vornherein auf die Gegenwartsliteratur hin orientiert. Peter Motzan erschrieb sich zunächst mit Kritiken, mit denen er den Entwicklungsgang junger rumäniendeutscher Autoren begleitete, einen führenden Platz im zu Beginn der 1970er Jahre noch recht lebendigen rumäniendeutschen Literaturbetrieb. In den in den 1980er Jahren zunehmend schrumpfenden Kreisen der deutsch schreibenden Literaten Rumäniens bewunderte man seine urteilsfreudigen Rezensionen, die pointiert formuliert und nicht selten bohrend spitz, letztendlich aber nie verletzend waren. Auch

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seine umfangreicheren monographischen Darstellungen, Anthologien und Studien zur Geschichte der rumäniendeutschen Literatur des 20. Jahrhunderts fassten die Erträge der Forschung zusammen, breiteten ein beachtenswertes literaturwissenschaftliches Wissen aus, setzten Maßstäbe analytischer Schärfe und zeichneten sich durch einen kultivierten Sprachgebrauch aus. Nicht lange nach unserer Ausreise fanden wir einander zu Beginn des Jahres 1992 im damaligen Südostdeutschen Kulturwerk e. V. in München wieder – einer Nische am Rande des buntscheckigen bundesrepublikanischen Kultur- und Literaturbetriebs. An der Qualität und der ansehnlichen Zahl von Büchern, die der Verlag des Kulturwerks, das sich gegen Ende des vorausgegangenen Jahrhunderts sichtlich zu einem Forschungsinstitut mauserte und etwas später die Anerkennung als An-Institut an der Ludwig-Maximilians-Universität errang, intensiver zu produzieren begann, war nicht zuletzt auch Peter Motzan, sowohl als Autor und Herausgeber wie auch als sorgfältiger Redakteur, beteiligt; ebenso als Mitarbeiter an der institutseigenen Zeitschrift „Südostdeutsche Vierteljahresblätter“, deren Rezensions- und Literaturteil er seit Jahren betreut, und als beliebter und geschätzter Universitätslehrer, der es, wie vormals in Klausenburg, versteht, seine Studenten und Doktoranden in München wie an den südosteuropäischen Hochschulen für seinen Forschungsgegenstand zu begeistern. Peter Motzans wissenschaftliche Karriere ist – so könnte man aus Anlass des 60. Geburtstages vorerst resümieren – insgesamt zielstrebig, wenig kurvenreich und glücklich verlaufen, selbst wenn er in akademischer Hinsicht infolge des Landeswechsels nicht die höchsten universitären Stufen hat erklimmen können. Eine von der Universität Klausenburg 2002 verliehene Ehrenprofessur trägt so gesehen neben der damit im Zusammenhang ausgesprochenen wissenschaftlichen Anerkennung auch Züge einer Trost spendenden Wiedergutmachung. Die leicht gebeugten Schultern, das zunehmend von Falten durchzogene, jedoch jugendlich wirkende Gesicht, die immer noch von überwiegend blonden Haaren bedeckte Stirn, die sich besonders dann verdüstert, wenn in seiner Anwesenheit über Dinge diskutiert wird, die ihn nicht interessieren, lassen erkennen, dass die Zeit nicht spurlos an ihm vorbeigegangen ist. In solchen Augenblicken trübt gelegentlich Müdigkeit seinen Blick, der abwesend in die Ferne sticht. Doch wenn von Literatur, Politik oder gemeinsamen Erfahrungen und Erlebnissen die Rede ist, kehrt die Frische in sein Antlitz zurück, ein hellwaches Interesse macht sich in griffigen und markanten Sprachbildern, wie eh und je, bemerkbar. An der Schwelle zum letzten beruflichen Jahrfünft weiß man, dass man die Zeit nicht mehr aus einem Fass ohne Boden schöpft, und so wünscht man dem Freund und Kollegen, neben Gesundheit und Wohlergehen, dass es ihm gelingen möge, die zahlreichen Projekte, die er noch umsetzen möchte, zu verwirklichen. Sein hohes Perfektionsstreben, das immer noch fabelhafte Gedächtnis und seine Verausgabungsbereitschaft bilden die Gewähr für deren Umsetzung, sein feiner Witz und seine beißende Ironie schaffen trotz starker Resignationsneigung die nötige und ihm wichtige Distanz zu seinem Tun.

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Matthias Buth (Freudenthal/Berlin) Albumblatt für P. M. „Und ist so blass wie Kreide“ (Heinrich Heine). So sehe ich ihn seit Jahren, teilnehmend, zuhörend in Mitten der Worte, der Poesie und der Wissenschaft und doch irgendwie nicht zugehörig der Welt, die seine Lebenssehnsucht wirklich stillen könnte. Er kniet sich in die Verse, stromauf wie die Rheinschiffe, die zur Quelle wollen. Er weiß, dass Rumänien ein naher Nachbar ist, dass die Donau Deutschland und Rumänien verbindet. Das Unterwegssein, das ist sein Ort, „Hand in Hand mit der Sprache / bis zuletzt“ (Hilde Domin). Er hilft anderen, Verse zu finden und zu erhalten, die Geländer sind und ins Offene führen. Alle Dichter aus dem Banat und aus Siebenbürgen, die noch immer dort lebenden und die schon seit langem ins Binnendeutsche gewechselten, gingen durch sein Kopfland. Die Leichtigkeit und Präzision seiner Wissenschaftsprosa sind dem Zweifel abgerungen. Seine Sätze wirken wie lässig geworfene Lassos und fügen sich Wort für Wort zu einem Text, der Verantwortlichkeit und Wärme ausstrahlt. Er verletzt nie und ist doch ein unbeirrbarer Analytiker der Dichtung des 20. Jahrhunderts und der sechs Jahre, die seitdem ins neue Jahrtausend gegangen sind. Er ermutigt, weil er weiß, dass nichts mehr als Trost und Zuspruch die Sprache beflügeln. Er ist ein trauriger Passant in den Alleen der Wolken und den Welten dazwischen. Und gerade deshalb ein so aufmerksamer Sprachbeobachter und nobler Freund der Dichter. Blass wie Kreide – so schaut er mich gelegentlich an: ein Gesicht, das leuchtet auf dunklem Grund.

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PROF. H. C. (UNIV. KLAUSENBURG/CLUJ) DR. PETER MOTZAN Bio-bibliographische Angaben

Beruflicher Werdegang: 1964

Abitur

1965-1970

Studium der Germanistik und Rumänistik in Klausenburg

1970-1988

Hochschulassistent und (ab 1978) Dozent für Neuere deutsche Literatur im Fachbereich Germanistik der Universität Klausenburg

1980

Promotion zum Dr. phil. an der Universität Bukarest

1988

Entlassung aus dem Hochschuldienst wegen Antragstellung auf Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland

1988-1990

Tätigkeit als Privatlehrer und freier Übersetzer

1991

Vertretungsprofessur im Fachbereich Neuere deutsche Literatur der Universität Marburg

1992 ff

Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der LudwigMaximilians-Universität München

2001 ff

Lehrbeauftragter der Universität München

2003

Professor honoris causa der Universität Klausenburg

2004

Kommissarischer Direktor des IKGS

2005

Stellvertretender Direktor des IKGS

Forschungsschwerpunkte: • •

Sozialgeschichte der deutschen Regionalliteraturen Südosteuropas Neuere deutsche, rumänische und rumäniendeutsche Literatur (20. Jahrhundert)

Arbeitsbereiche: • • •

Deutsch-jüdische Literatur in der Bukowina Lexikon deutschsprachiger Autoren aus Ostmittel- und Südosteuropa im 20. Jahrhundert Erscheinungsformen der Mehrsprachigkeit in den Literaturen Südosteuropas

Weitere Zuständigkeiten:

Prof. h.c. Dr. Peter Motzan – Bio-bibliographische Angaben

• •

Mitglied im Redaktionskollegium der "Südostdeutschen Vierteljahresblätter" Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat von "transcarpathica germanistisches jahrbuch rumänien"

Veröffentlichungen: Eigene Buchpublikationen • •

Die rumäniendeutsche Lyrik nach 1944. Problemaufriss und historischer Überblick. Klausenburg: Dacia Verlag 1980, 220 S. Lesezeichen. Aufsätze und Buchkritiken. Klausenburg: Dacia Verlag 1986, 170 S.

Mitverfasser • • • • • •

Interpretationen deutscher und rumäniendeutscher Lyrik. Hrsg. von Brigitte Tontsch. Klausenburg: Dacia Verlag 1971. [Sechs Interpretationen zu Gedichten von Stefan George, Rainer Maria Rilke, Gottfried Benn, Paul Celan u. Alfred Kittner.] Reflexe. Kritische Beiträge zur rumäniendeutschen Gegenwartsliteratur. Hrsg. von Emmerich Reichrath. Bukarest: Kriterion Verlag 1977. [Zehn literaturkritische Aufsätze zur deutschen Literatur in Rumänien.] Reflexe II. Aufsätze, Rezensionen und Interviews zur deutschen Literatur in Rumänien. Klausenburg. Hrsg. von Emmerich Reichrath. Dacia Verlag 1984. [Vier Aufsätze zur rumäniendeutschen Literatur.] Deutsche Literatur für den III. Jahrgang der Lyzeen. Bucure[ti; Editura Didactic` [i Pedagogică 1974. [Kapitel: Naturalismus, Literatur der Jahrhundertwende, Expressionismus, S. 114-173.] Deutsche Literatur für die XII. Klasse. Bucure[ti; Editura Didactică [i Pedagogic` 1977. [Kapitel: Die deutsche Literatur unserer Heimat nach 1944, S. 319-362.] Deutsche Literatur. Lehrbuch für die X. Klasse. Bucure[ti; Editura Didactic` [i Pedagogic` 1980 [Kapitel: Jahrhundertwende, S. 5-35, Rumäniendeutsche Gegenwartsliteratur, S. 178-200.]

Herausgeber • • • •

Hans Liebhardt: Alles, was nötig war. Ausgewählte Prosa. Cluj: Dacia Verlag 1972, 167 S. Rainer Maria Rilke: Lyrik und Prosa. Bukarest: Kriterion Verlag 1976, 344 S. Vorläufige Protokolle. Anthologie junger rumäniendeutscher Lyrik. Cluj: Dacia Verlag 1976, 110 S. Ein halbes Semester Sommer. Moderne rumäniendeutsche Prosa. Berlin: Volk und Welt 1981, 361 S.

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Vânt potrivit până la tare [Mäßiger bis starker Wind. Anthologie neuerer rumäniendeutscher Lyrik in rumänischer Übersetzung]. Bucure[ti: Editura Kriterion 1982, 173 S. Der Herbst stöbert in den Blättern. Deutschsprachige Lyrik aus Rumänien. Berlin: Volk und Welt 1984, 191 S. Richard Wagner: Călăre] pe unde scurte [Kurzwellenreiter; Gedichte in rumänischer Übersetzung]. Bucure[ti: Editura Kriterion 1984, 124 S. Klassische Zitate und Verse. Niedernhausen: Falken 1991, 224 S. Alfred Margul-Sperber: Ins Leere gesprochen. Ausgewählte Gedichte 1914-1966. Aachen: Rimbaud 2002, 236 S. Oscar Walter Cisek: Das entfallene Gesicht. Erzählungen. München: Südostdeutsches Kulturwerk 2002 (Veröff. d. Südostdt. Kulturwerks. A 70), 384 S.

Mitherausgeber •



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Worte als Gefahr und Gefährdung. Fünf deutsche Schriftsteller vor Gericht (15. September 1959 - Kronstadt/Rumänien). Zusammenhänge und Hintergründe, Selbstzeugnisse und Dokumente [mit Stefan Sienerth]. München: Südostdeutsches Kulturwerk 1993 (Veröff. d. Südostdt. Kulturwerks. B 64), 447 S. Die Turmuhr lässt der Zeit den Lauf. Siebenbürgen in Bildern von Horst Schäfer und in Texten von Wolf von Aichelburg, Hans Bergel, Andreas Birkner, Franz Hodjak, Frieder Schuller, Werner Söllner und Joachim Wittstock [mit Krista Zach]. München: Südostdeutsches Kulturwerk 1995 (Veröff. d. Südostdt. Kulturwerks. A 42), 72 S. Die deutschen Regionalliteraturen in Rumänien (1918-1944). Positionsbestimmungen, Forschungswege, Fallstudien [mit Stefan Sienerth]. München: Südostdeutsches Kulturwerk 1997 (Veröff. d. Südostdt. Kulturwerks. B 72), 280 S. Schriftsteller zwischen (zwei) Sprachen und Kulturen [mit Antal Mádl]. München: Südostdeutsches Kulturwerk 1999 Veröff. d. Südostdt. Kulturwerks. B 74), 412 S. Karl Kurt Klein. Stationen des Lebens - Aspekte des Werkes - Spuren der Wirkung [mit Stefan Sienerth u. Anton Schwob]. München: Südostdeutsches Kulturwerk 2001 (Veröff. d. Südostdt. Kulturwerks. B 87), 220 S. Deutsche Literatur in Rumänien und das "Dritte Reich" [mit Michael Markel]. München: IKGS Verlag 2003 (Literatur- und Sprachgeschichte 94), 328 S. Écrivains allemands nés en Roumanie. Dossiers coordonné par Peter Motzan et Dieter Schlesak avec la collaboration de Stefan Sienerth. Sonderheft der Literaturzeitschrift Seine et Danube, Éditions Paris-Méditeranée 2004, Heft 5, 190 S.

Vor- bzw. Nachworte •

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Adolf Meschendörfer: Die Stadt im Osten. Roman. Bukarest: Kriterion Verlag 1984, S. 317-331.

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Alfred Kittner: Schattenschrift. Ausgewählte Gedichte. Aachen: Rimbaud Verlag 1988, S. 104-121. Hans Bergel: Zuwendung und Beunruhigung. Essays. Innsbruck: Wort und Welt 1994, S. 9-13. Ana Blandiana: EngelErnte. Gedichte. Rumänisch und Deutsch. Aus dem Rumänischen von Franz Hodjak. Zürich: Ammann 1994; S. 129-139. Hans Bergel: Prosa - Lyrik. Göttingen u. München 1995 (Veröff. des Südostdt. Kulturwerks. A 44.), S. 3-9. Matthias Buth: Die Stille nach dem Axthieb. Gedichte / Lini[tea de după lovitura de secure. Versuri. [Edi]ie bilingvă / Zweisprachige Ausgabe]. Rumänisch von George Gu]u. Mit einem Nachwort von Peter Motzan. Bucure[ti: Editura Funda]iei Culturale Române 1998, S. 264-275 (deutsch und rumänisch).

Übersetzungen (Auswahl) • • •

Nicolae Prelipceanu: Was tatest du in der bartholomäusnacht? Gedichte. Cluj: Dacia Verlag 1986. Texte der rumänischen Avantgarde 1907-1947. Hrsg. von Eva Behring. Leipzig: Reclam 1988. [Mitübersetzer] Gefährliche Serpentinen. Rumänische Lyrik der Gegenwart. Hrsg. von Dieter Schlesak. Berlin: Galrev 1998. [Mitübersetzer] Matthias Buth: Die Stille nach dem Axthieb. Gedichte. Eisingen: Heiderhoff 1997, S. 140-149.

Studien und Aufsätze (Auswahl) • • • • • • • • •

Überlegungen zu einer Geschichte der rumäniendeutschen Literatur nach 1944. In: Neue Literatur 24(1973), H. 3, S. 73-86. Rumäniendeutsche Lyrikreflexion (1944-1977). Ein Forschungsbericht. In: Neue Literatur 26(1975), H. 8, S. 18-29, u. H. 9, S. 83-109. Widersprüchliche Konsequenz und konsequente Widersprüche. Zu Rainer Maria Rilkes 100. Geburtstag. In: Neue Literatur 26(1975), H. 12, S. 5-12. Die rumäniendeutsche Literatur nach 1944. In: Neue Literatur 27(1976), H. 2, S. 92104, u. H. 3, S. 59-71. Die Lyrik Irene Mokkas. In: Neue Literatur 28(1977), H. 9, S. 79-86. Ein Proteus. Der Lyriker Alfred Margul-Sperber. In: Neue Literatur 28(1977), H. 12, S. 74-95. Ein Einzelgänger: Der Lyriker Oscar Walter Cisek. In: Neue Literatur 29(1978), H. 12, S. 3-12. Erlebnis und Bildungslyriker: Alfred Kittner. In: Neue Literatur 29(1978), H. 5, S. 7885. Rumäniendeutsche Lyrik 1918-1944. Versuch eines Überblicks. In: Neue Literatur 30(1979), H. 2, S. 78-98.

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"Ich begrüße Sie am Anfang einer großen Karriere.". Briefe Alfred Margul Sperbers an Peter Neagoe. In: Neue Literatur 30(1979), H. 4, S. 5-12. Lucian Blaga und Rainer Maria Rilke. In: Rumänischdeutsche Kulturinterferenzen Interferente-culturale românogermane. Hrsg. von Andrei Corbea und Octavian Nicolae. Ia[i 1986 (Jassyer Beiträge zur Germanistik IV), S. 115-123. Rainer Maria Rilke: "Früher Apollo". Versuch einer Interpretation. In: Neue Literatur 37(1986), H. 12, S. 44-56. Was heißt literarischer Regionalismus und auf welche Weise studiert man ihn? In: Neue Literatur 40(1989), H. 10 S. 75-81. Ein südöstlicher Spross Postkakaniens: der rumäniendeutsche Schriftsteller Franz Hodjak. In: Der Literatur-Bote (19)1990, S. 59-64. Der Lyriker Alfred Margul-Sperber. Ein Forschungsbericht. Nebst einer kurzen Nachrede. In: Die deutsche Literaturgeschichte. Ostmittel- und Südosteuropas von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute. Forschungsschwerpunkte und Defizite. Hrsg. von Anton Schwob. München: Südostdeutsches Kulturwerk 1992 (Veröff d. Südostdt. Kulturwerks. B 54), S. 119-136. Risikofaktor Schriftsteller. Ein Beispielsfall von Repression und Rechtswillkür. In: Worte als Gefahr und Gefährdung. Fünf deutsche Schriftsteller vor Gericht (15. September 1959 - Kronstadt/Rumänien). Zusammenhänge und Hintergründe, Selbstzeugnisse und Dokumente. Hrsg. von Peter Motzan und Stefan Sienerth. München: Südostdeutsches Kulturwerk 1993 (Veröff. d. Südostdt. Kulturwerks. B 64), S. 51-81. Die Poesie erstickt an zuviel Poesie. Erneuerungsversuche und Gegenentwürfe der Generation '80 in der rumänischen Lyrik. In: Herkunft Rumänien: Freunde, wundert euch schleunigst. Hrsg. von Ludwig Krapf. Eggingen: Edition Isele 1993, S. 93-102. Alfred Margul-Sperber: "Der Tag der Landschaft". Eine Lesart. In: Südostdeutsche Vierteljahresblätter 43(1993), H. 1, S. 56-52. Sieben schillernde Jahre. Rumäniendeutsche Lyrik in der Zeitschrift "Neue Literatur", Bukarest (1965-1971). In: Methodologische und literarhistorische Studien zur deutschen Literatur Ostmittel- und Südosteuropas. Hrsg. von Anton Schwob. München: Südostdeutsches Kulturwerk 1994 Veröff. d. Südostdt. Kulturwerks. B 67), S. 175-194. Was aber stiften die Literaturhistoriker? In: Südostdeutsche Vierteljahresblätter 44(1995) H. 2, S. 125-140. Realitätserkundung, Selbstausforschung und der melancholische Traum vom geschriebenen Glück. Der Lyriker Werner Söllner. In: Der Gemeinsame Weg 79/Juli 1995, S. 32-37. Laudatio auf Marian Nakitsch. In: Jahrbuch 10 der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Schaftlach: Oreon 1996, S. 378-387. Am Scheideweg. Emil Ciorans letzte rumänische Schrift und ihre Vorgeschichte. In: Südostdeutsche Vierteljahresblätter 46(1997), H. 2, S. 156-161. Die deutschen Regionalliteraturen in Rumänien (1918-1944). Forschungswege und Forschungsergebnisse der Nachkriegszeit. In: Die deutschen Regionalliteraturen in Rumänien (1918-1944). Positionsbestimmungen, Forschungswege, Fallstudien. Hrsg.

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von Peter Motzan und Stefan Sienerth. München: Südostdeutsches Kulturwerk 1997 (Veröff. d. Südostdt. Kulturwerks. B 72), S. 33-68. Die Szenerien des Randes: Region, Insel, Minderheit. Die deutsche(n) Literatur(en) in Rumänien nach 1918 - ein kompilatorisches Beschreibungsmodell. In: Deutsche Literatur im östlichen und südöstlichen Europa. Konzepte und Methoden der Geschichtsschreibung und Lexikographie. Hrsg. von Eckhard Grunewald und Stefan Sienerth. München 1997 (Veröff. des Südostdt. Kulturwerks. B 69), S. 73-102. Maresi - mein kleines Welttheater. Der donauschwäbische Erzähler Johannes Weidenheim wird wiederentdeckt. In: Durch aubenteuer muess man wagen vil. Festschrift für Anton Schwob zum 60. Geburtstag. Hrsg. von Wernfried Hofmeister und Bernd Steinbauer. Innsbruck 1997 (Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft. Germanistische Reihe. 57), S. 323-336. Die vielen Wege in den Abschied. Die deutsche(n) Literatur(en) in Rumänien (19191989). In. Wortreiche Landschaft. Deutsche Literatur aus Rumänien - Siebenbürgen, Banat, Bukowina. Ein Überblick vom 12. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Sonderheft Rumänien. Leipzig: BlickPunkt-Buch 1998, S. 108-116. Bruchstücke einer ironischen Konfession. Ungarische Nachkriegsgeschichte für deutsche Leser erzählt und kommentiert: der Schriftsteller und Publizist György Dalos, S. 375-395. In: Schriftsteller zwischen (zwei) Sprachen und Kulturen. Hrsg. von Antal Mádl und Peter Motzan. München: Südostdeutsches Kulturwerk 1999 (Veröff. d. Südostdt. Kulturwerks. B 74), S. 375-395. Identität als Vielfalt. Versuch über Oscar Walter Cisek. In: Südostdeutsche Vierteljahresblätter 49(1999), H. 2, S. 131-144. Von der Aneignung zur Abwendung. Der intertextuelle Dialog der rumäniendeutschen Lyrik mit Bertolt Brecht. In: Im Dienste der Auslandsgermanistik. Festschrift für Dr. Dr. h.c. Antal Mádl. Hrsg. von Ferenc Szász und Imre Kurdi. Budapest 1999 (Budapester Beiträge zur Germanistik 34), S. 139-165. Laudatio auf György Dalos. In: Südostdeutsche Vierteljahresblätter 49(2000), H. 3, S. 235-240. Dingsymbol kollektiver Identität. Die Schwarze Kirche als "Gegenstand" der siebenbürgisch-deutschen Literatur (1919-1944). In: 50 Jahre Südostdeutsches Kulturwerk Südostdeutsche Vierteljahresblätter 1951-2001. München: Südostdeutsches Kulturwerk 2001 (Veröff. d. Südostdt. Kulturwerks. E 6), S. 55-65 Wegbereiter und Wegbegleiter. Karl Kurt Klein und die siebenbürgische Zeitschrift "Klingsor". In: Karl Kurt Klein. Stationen des Lebens - Aspekte des Werkes - Spuren der Wirkung [mit Stefan Sienerth u. Anton Schwob]. München: Südostdeutsches Kulturwerk 2001 (Veröff. d. Südostdt. Kulturwerks. B 87), S. 157-180. Zwischen Kur und Pflichtübung, Freundschaftsdienst und Opportunismus. Zur Präsenz rumänischer Gegenwartsliteratur in der Zeitschrift "Banater Schrifttum / Neue Literatur" (1949-1989). In: Wortverbunden - zeitbedingt. Perspektiven der Zeitschriftenforschung. Hrsg. von Wolfgang Hackl u. Kurt Krolop. Innsbruck. Studien Verlag 2001, S. 219-234.

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Literaturstadt Czernowitz? Schreib- und Lebensumfeld der deutsch-jüdischen Bukowiner Autoren im Königreich Rumänien (1919-1940). In: "Worte stellen mir nach, ich stelle sie vor." Dokumentation des Ludwigsburger Symposiums 2001: 100 Jahre Rose Ausländer. Hrsg von Michael Gans, Roland Jost u. Harald Vogel. Stuttgart: Schneider Hohengehren 2002, S. 39-52. Hunger des Magens und Sehnsucht des Herzens. Welt- und Menschenbild in Oscar Walter Ciseks Erzählungen. In: Germanistische Beiträge der Universität Hermannstadt 10(2002), H. 15-16, S. 65-93. Alfred Margul-Sperber: Eine Portraitskizze. In: Stundenwechsel. Neue Perspektiven zu Alfred Margul-Sperber, Rose Ausländer, Paul Celan und Immanuel Weissglas. Hrsg. von Andrei Corbea-Hoi[ie u. George Gu]u. Konstanz: Hartung-Gore 2002, S. 10-42. Die ausgegrenzte Generation. Voraussetzungen literarischer Produktion und Barrieren der Rezeption. Alfred Margul-Sperber und seine Bukowiner Weggefährten im Jahrzehnt 1930-1940. In: Deutsche Literatur in Rumänien und das "Dritte Reich" [mit Michael Markel]. München: IKGS Verlag 2003 (Literatur- und Sprachgeschichte 94), S. 193-230. "Ich wohne in einem Türrahmen." Über Franz Hodjak. In: Ostragehege 6(2004), H. 3, S. 12-17. Expressionistischer Synkretismus. Oscar Walter Ciseks unveröffent-lichter Roman "Vermenschung" (1920/1921). In: Brücken schlagen. Studien zur deutschen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts. Festschrift für George Gu]u. Hrsg. von Anton Schwob, Stefan Sienerth und Andrei Corbea-Hoi[ie. München: IKGS Verlag 2004 (Literaturund Sprachgeschichte 101), S. 285-303. Quelle: www.ikgs.de (Redaktionell geringfügig geändert und ergänzt; Anm. d. ZGR-Red.)

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DIE LESEPROBE MICHAEL ASTNER Gedichte moderne poetik in grundbegriffen. ein proseminar I das aufblitzen im triller der dreisamamsel! dazwischen ein offenes fenster und das wird geschlossen. * kein wunder wie schmeckt es denn so, das mohnkorn im plunder? wohl gibt es keine großen wunder und mohntag für mohntag viele kleine nöte töte deine illusionen!, quakt sie, die abendkröte. von mohn- zu mohntag wird das mohnkorn runder. abendkröten und goethen nippen am burgunder. * es ist ein rest die gedanken kommen, gehen als versatzstücke, gleich würmern – ohne kopf und ende.

Die Leseprobe

der rauch der zigarette. „Es ist ein Stoppelfeld.“ es ist ein rest stets auf dem sprung zur blüte. abwasser spiegelt erschlaffende gesten. * grummet von der grummet her, durch die staubige scheune und den vergrasten hühnerhof, vor das fernsehgerät zum interview im ersten. die grummet hat ihre zeit, ihre tage, ihre stunden. Ionesco also, ein alter mann, berühmt und vielleicht weise: Tout finit miserablement! aber die grummet, die hat ihre zeit, ihre tage, ihre stunden. * großer vogel schwarz für Franz (Kafka) es ist, als ob

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Michael Astner: Gedichte

der große vogel schwarz nur mich hätte. dabei bin ich ihm, kann ich mir gut vorstellen, gewiß ziemlich gleichgültig da ich ihm doch zweifellos so gut wie sicher scheine. * seminargedicht eins „Sieht man jedoch einmal von einzelnen Autoren ab, muss man vor allem wohl, auch sich selbst bespöttelnd, sagen, dass das Ich als erfahrende, als sprechende, als eine substantiierende Instanz viel reicher, viel entfaltbarer und ein viel stärker mit Erfahrung aufladbarer Ort, eine viel unerschöpflichere Stelle im dichterischen Sprechsystem ist, als wir dachten.“ (Jörg Drews im Merkur 600) wo ist es? fragt mike. das ich? fragt ralf. ja, sagt mike. seite 310, oben, sagt ralf. so früh schon? fragt mike -. „Sieht man jedoch einmal von einzelnen Autoren ab, muss man vor allem wohl“ siehe oben „sagen, dass das Ich als“ - siehe oben – „eine viel unerschöpflichere Stelle im“ - siehe oben – „ist, als“ siehe oben.

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HUGO LOETSCHER MEIN TRICKFILM

Auch ich habe meine special effects. Die sind gut, wenn man sie nicht als solche wahrnimmt ("er ist halt so"). Erst recht gut, wenn man nicht merkt, wie sie gemacht sind ("komisch aber anscheinend"). Am besten, wenn man sich gar nicht fragt, wie ist er über das oder über jenes hinweggekommen - ob Entlassung, Liebe, Alltag oder Tod. In der Tat, ich lernte einiges an Tricks. Und sei es nur, dass ich Gesagtes noch einmal belichte. Siehe da, was klar schien, erhält einen Geistereffekt, natürlich erst, nachdem ich die Erinnerung zurückgespult habe. Ja, die Kunst der Mehrfachbelichtung. Bei der ersten Aufnahme eine Hälfte abgedeckt und auf der andern Hälfte mein Gesicht abgelichtet. Bei der zweiten Aufname das eigene Gesicht abgedeckt und den Leerplatz dem andern überlassen. Und beim dritten Mal beide zusammen aufgenommen, als würden wir uns je Aug in Aug gegenüber stehen. So kriege ich im Bild zusammen, was sich im Bett nicht fand - und sei's nur als Photo überm Bett. Natürlich ging das nicht ohne Übung. Es brauchte einiges, bis ich im Ofen das Gesicht backen konnte, das ich im Verlauf der Lebensjahrzehnte jeweils benötigt habe. Glücklicherweise diente für jedes Make-up der immer gleiche Abguss meines Originalgesichts: den Negativabdruck mit Hartgips ausgieβen und davon ein Positiv machen. Danach an die Anpassung gehen. So hab ich mir mit Plastilin das fröhlichste Gesicht zugelegt: wie anders schon wirkt, verdickt man die Brauen oder verbreitert man das Kinn, mühelos, mein Alter zu korrigieren. Schwierig allerdings vom Aufmodellierten zusammen mit dem Gipspositiv wieder einen Negativabdruck verfertigen. Bis nur das Plastilin entfernt und der Raum zwischen dem Gipspositiv und dem Gipsnegativ mit einem speziellen Latexschaum ausgefüllt ist. Dann die Gipsschalen in einen Ofen von gleichmäβiger Temperatur schieben. Was für eine Entdeckerfreude, den ausgebackenen Schaumteil in den Händen zu halten: ofenfrisch mein AnteilnahmeGesicht, meine Gemütlichkeits-Visage oder meine Kommissions-Fratze. Jetzt nur noch die Feinarbeit des Einschminkens - mit einigem Geschick lege ich mir, wenn's sein muss, eine appetitgeile Fresse zu; selbst mein innerstes Monster ist modellierbar, ein Horror, den das Originalgesicht nie gezeigt hätte. All meine Abdeckmasken, ein Leben voll Applikationen, für die mich Maskenbildner beneiden und Karrieristen loben. Nein, nicht alles war umständlich. Wenn ich daran denke, was es braucht, bis ein Gebäude bei einer Feuersbrunst einstürzt, nur schon all die brennbaren Hausruinen und Flammensäulen, die separat vor einem geschwärzten Himmel aufgenommen werden müssen. Mein Gott, ich habe eine jahrelange Beziehung mit einem einzigen Wort im Bruchteil einer Minute zu Fall gebracht. Für meine Pyrotechnik stieg nicht Rauch von einem Trümmerfeld hoch, sondern der Qualm einer Zigarette.

Hugo Loetscher: Mein Trickfilm

Man sollte natürlich den Umgang mit Spiegeln pflegen, auch wenn sich da vieles altmodisch ausnimmt. In meinem Fall war es ergiebig, dass ich mit Hilfe eines gemalten Hintergrunds zur unglücklichen Kindheit zurückfand. Erstaunlich, was ich mit dem kolorierten Jungen, der sich im Kohlenkeller versteckte, an Effekt erzielte. Ich habe weiβgott genug schwarz-weiss erlebt. Wäre es da nicht unbedacht wenn nicht gar sträflich, all dem in der Kopier- und Reflexion-Maschine nicht zu etwas Farbe zu verhelfen, viragieren, wie man in unseren Kreisen sagt, eine Methode, die vom Gericht übernommen wurde fürs Einfärben von Urteilen. Ohne Kniff wäre ich nicht am Leben geblieben. Eine Nummer, nicht nur fürs Cabaret, sondern auch für die groβe Bühne. Da steh ich auf der Brücke und unter mir der Fluss, ein einladendes Rauschen. Wenn ich jetzt gesprungen wäre, hätte ich nie davon erzählen können, wie abgrundtief meine Verzweiflung war. Also ersetzte ich mich für den Sprung durch einen Dummy, der während des Sturzes glaubwürdig mit Armen und Beinen ruderte. Für die Wellen nach dem Aufprall benutzte ich einen Quirl, wie ich dies bei einer indischen Gottheit lernte. Um nie den Anschluss an mich selber zu verlieren, diente mir zuweilen das Nabel-SchauKabel - was soll's, ich war immer mein eigener Originalschauplatz. Bei diesem Gang durch die Welt - nur nicht verraten, worauf sich meine Beine abstützen, lediglich vorführen, wie und dass sie sich bewegen, als wären die Füβe auf sich selber gestellt und nicht auf Stelzen einer Animationsschiene, die, das Bodenlose überbrückend, mich einen Alltag weiter in die nächste schlaflose Nacht bringt - nicht aufzulisten, was mich alles animierte. Vieles war Kleinarbeit - nicht nur, um Miniaturen mit Weitwinkelaugen zu betrachten. Ich habe Gefühle in unzählige Bilder zerlegt, auch meine Vorstellungen vom Küssen und Streicheln, und die unzähligen Einzelbilder auf Streifen aneinander gereiht. Wenn ich diese Teilchen durch den Projektionsapparat meiner Wünsche schicke, sieht es aus, als würde geküsst und geliebt, und dieser Eindruck von Laufbildern erlange ich dank der Langsamkeit des Auges und der des Herzens, um nicht von deren Trägheit zu reden. Bei entsprechender Bildgeschwindigkeit bringe ich es pro Sekunde bis zu 96 Küssen. Wie wichtig die Geschwindigkeit ist, habe ich allerdings bei einem Magier gelernt. Mit den Fingern einen Blumenstrauβ aus einer Kerze zaubern, und damit die Aufmerksamkeit vom Gesicht ablenken, wo gleichzeitig geweint wird. Die Augen erst auftreten lassen, nachdem sie getrocknet sind, und als Kunststück unter der Hemdmanschette hervor die benutzten Taschentücher ziehen, eines bunter als das andere, eines ans andere geknüpft, eine Leine lang. Anderseits habe ich mich nicht sehr an Kartenspieler gehalten. Was sollen mir gezinkte Karten bei dem heutigen Ausstoβ von schöner Literatur. Was soll mir der gutgemeinte Tip, den Schatten nicht zur Mittagszeit verkaufen, wenn die Sonne hochsteht, sondern gegen Abend, wenn die Schatten länger sind. Der mir das riet, hatte eine Gesinnung wie ein Wassertropfen, der lässt sich bekanntlich nicht verkleinern, aber er kann verdunsten. Man kann in der Effektenbranche manches dazu lernen. Auch von Politikern, wie von jenen, die ein Schweinchen zum Reden bringen, das vom Glück im Kober erzählt, froh, Speck werden zu dürfen fürs allgemeine Schinken- Programm. Dass Schafe nicht einfach blöcken, sondern jubilieren, kann man getrost dem Tonmeister der Partei überlassen; der ist fürs Synchrone verantwortlich, damit Schafe nicht applaudieren, bevor der Vorsitzende gesprochen und der Gute

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Hirt gepredigt hat - einer, der sich auskennt bei der Applaus-Zugabe und der darauf achtet, dass die Solidarität lippensynchrom ist.. Den Verlockungen der Kniffe bin ich schon als Teenager erlegen. Als Gymnasiast war ich Statist an einer renommierten Bühne. Ich hatte das Vertrauen des Requisiteurs gewonnen, ich durfte zwei halbe Kokosschalen rhythmisch gegeneinander schlagen, so dass der Hauptdarsteller auf der Bühne aufhorchte: "Uff, ich höre Pferdegetrampel" Und ich half, auf Blech einzuschlagen, so dass man ob dem Donner im Zuschauerraum erschrak und die Komparsen sich duckten. Das war in einem Alter, als ich nicht mehr davon träumte, einer der sieben Zwerge zu werden, der Schneewittchen antwortet: "Ja, du hast aus meinem Tellerchen gegessen, und ja, du hast in meinem Bettchen geschlafen". Damals gab es noch nicht computer-animierte Urtiere, die über die Bildschirm Steppe liefen; da hat noch kein Brachosaurier bei einem Tyrannus Rex aufgetrumpft mit dem Speicher von Gygabyte, die für seine Zeugung notwendig waren. Natürlich hab ich gestaunt, wenn ich hörte, ich hätte bei den Wahlen mitgelacht, obwohl ich gar nicht an die Urne gegangen war - das Lachen kam aus der Konservenbüchse wie so manche Zustimmung, wenn wieder ein Dosenöffner-Regisseur fürs Volkswohl an der Serienarbeit war. Nicht dass ich jeden Trick übernehmen würde - das mit der Falltür finde ich hinterhältig mies, ich bin auf andere Weise zu meiner Leiche im Keller gekommen; schwieriger war das Wegretouchieren von Blutspritzern. Nicht alles Retouchieren ist mir gelungen. Da habe ich auf Souvenirphotos versucht die oder jene Person auszuradieren. Es gelang mir zwar, sie zu entfernen, aber es blieb ein hässlicher Klecks zurück, sofort sichtbar, dass dort, wo nun ein Geschmier ist, einmal was anderes war. Nein, nicht gegen alle Personen, die man kannte, hilft Fleckenwasser. Natürlich bewundere ich Einfälle, auf die ich selber nie gekommen wäre: Mehl benutzen für den Staub, der aufwirbelt, wenn das Raumschiff, an Hartgummi Planeten vorbei, auf der Plattform aufsetzt. Dankbar übernahm ich den Hinweis, für eine persönliche Sintflut Gewitterwolken aus der Füllwatte herzustellen, wie man sie für Polstermöbel verwendet. Gerne legte ich mir die höhere Bildung dessen zu, was die Fachleute morphing nennen: Das stufenlose Verwandeln eines Objekts oder eines Wesens in ein anderes vorgegebenes Wesen. Mittels dieser Kenntnis könnte mir die Schöpfungsgeschichte einleuchten. Der stufenlose Übergang vom Affen zum Menschen. Hätte Darwin die Technik des digitalen morphing beherrscht, wir hätten uns nicht mit dem missing link abquälen müssen. Andererseits habe ich studiert, Tote auferstehen zu lassen - genauer nur einen Toten, jemanden, der mir weggestorben war und den ich lieb gehabt habe. Im Namen der SanskritAvatar-Methode, der Wiedergeburt eines Gottes in verschiedenen Gestalten, habe ich ihn aus dem Totenreich eines Photoalbums auf ein Magnetband zurückgeholt, und ihm, der sehr jung das Leben verlieβ, zu verschiedenen Gestalten verholfen, soweit ich von seinen Träumen wuβte. Ich habe ihn zum Rennfahrer Formel 1 gemacht wie zum Dichter. Da er zur Lebzeit nur einen Leser hatte, mich, habe ich mich im Rechner geklont, so dass er zu tausend Zuhörern kam nein, das ist keine Leichenfledderei, das ist Ostern mit elektronischem Impuls.

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Hugo Loetscher: Mein Trickfilm

Ohne Schulbildung hätte ich manchen Dreh nicht gelernt, dankbar für das Pflichtfach Filterkunde: der blauäugige Filter fürs Patriotische, in der Mathematik der rote fürs Soll und der schwarze fürs Haben und in der Naturkunde der Hetero-Filter. Für die tausendfächrige Trickkiste hat es mir jedoch nie gereicht, denke ich an Adolfo und seinen Honoris causa für Phantomatik, ein Meister der Klappmaulfiguren. Tief religiös war er überzeugt, dass Gott das Budget nicht reichte, als der die Welt schuf, worauf er die Altlasten den Menschen überlieβ. Adolfo hatte sich zum Forschungsziel gesetzt, eine Katze zu erfinden, die Computermäuse frisst, aber hatte es dabei lediglich zu einigen Viren gebracht. Ich weiβ nicht mehr, wie der Höhlenbewohner hieβ, der mir beibrachte, dem Wildeber sechs Beine zu zeichnen, in der Erwartung, dass er deswegen, auf die Felswand gekritzelt, rascher läuft. Ich hätte nie wie meine Mutter die Geduld aufgebracht, auf ein Wunder zu warten; als sie bettlägrig war, kam keiner und sagte: Steh auf, nimm dein Bett und wandere. Wir besorgten ihr einen Rollstuhl und gingen mit der Krankenkasse bis vor Gericht, ahnungslos, dass der Trick im Kleingedruckten liegt. Man hat auch mir mit einem Taufschein einen Himmel versprochen. Damit an diesem Himmel Engel flogen, brauchte es Kranen und Hängevorrichtungen. Seile und Drähte wurden dank dem Exegesen-Trick der Heaven Control Factory unsichtbar; mit einigen nachträglichen Zeitlupen war manche Halleluja- Korrektur am Paradies möglich. Nicht nur aus Respekt zu meiner Mutter, sondern, da man mit allen Himmeln rechnen muss, habe ich im Labor neben der Alarmanlage einen Seitenalter für einen Heiligen eingerichtet, für Santo Provisorio; ich hatte ihn auch dem Vatikan als Schutzpatron fürs Fegefeuer empfohlen. Jedenfalls hat er sich, ein Steuersitz im Schädel und ein Blasbalg in der Brust, bewährt, als wir Kochen im siedenden Öl und Grillieren mit Echtzeit Teufeln simulierten, lediglich das Schreien der Andersgesinnten war unerträglich; aber wir haben den Ton mit einem Mausklick abgestellt. Was wollen Sie - ich war als Säugling kein Designermodell. Als Treatment hatte ich lediglich eine Geburtsurkunde, was für action kaum genügte. Verstehen Sie, warum ich zunächst einmal reklamierte - statt einer Brust ein Trick- Schnuller, an den sie Honig schmierten, als wäre die Welt ein Honiglecken. Ach ja, der Weg allen Fleisches vom Zelluloid zum Bildschirm. Nein ohne Kniffe ging es nicht. Das galt schon für den Anfang: in der Wärme gezeugt und in die Kälte geboren, das war mein erster Trick. Anmerkung der Redaktion: Vorliegender noch unveröffentlichter Text wurde uns vom Verfasser aus Anlaß seines Rumänien-Besuchs im März 2005 freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

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ZU GAST IN BUKAREST

HUGO LOETSCHER - EINE EINFÜHRUNG Jeroen Dewulf So wie St. Petersburg an der Newa, Lissabon am Tag oder Paris an der Seine liegt, so liegt Zürich an der Limmat. Allerdings, durch Zürich flieβt auch ein anderer Fluss: die Sihl. Und wo die Limmat für das offizielle, das ‚reiche’ Zürich steht, so liegen an der Sihl mehrheitlich Arbeiterviertel. Dort, nahe der Sihl, wurde am 22. Dezember 1929 Hugo Loetscher geboren. So wie sich, beim Zusammenfluss der beiden, das trübe Sihlwasser lange gegen das klare der Limmat wehrt, so hatte auch Loetscher als ‚Proletensohn’ sich im ‚reichen’ Zürich zu behaupten. Das Sihlviertel als Symbol für diejenigen, die ‚am Rande’ leben, diejenigen, die zwar dazugehören, aber doch nicht ganz, diesem Viertel ist Hugo Loetscher immer treu geblieben. Er studierte Sozialwissenschaften in Zürich und Paris und schloss sein Studium 1956 ab mit einer Dissertation über Den Philosophen vor der Politik. Für seinen ersten Roman, Abwässer (1963), wurde er mit dem Charles-Veillon-Literaturpreis ausgezeichnet. Mit dem überraschenden Thema dieses Werkes versuchte Loetscher deutlich zu machen, dass trotz aller Unterschiede in Reichtum und Status, alle Menschen in der Produktion von Dreck völlig gleich sind. Dies gilt um so mehr für ein Land wie die Schweiz, wo Sauberkeit fast zu einem Mythos geworden ist. Mit dem Geld des Preises hatte Loetscher die Möglichkeit, ein Jahr lang im Ausland zu leben. Er wählte dazu Portugal. Sein kritischer TV-Film Ach, Herr Salazar (1965) über die portugiesische Diktatur machte es ihm aber unmöglich, sich weiterhin dort aufzuhalten, wobei die Weigerung von Seiten des Schweizer Fernsehens, den Film – aus politischen Gründen – nicht zu senden, im eigenen Land zu einem Skandal führte. Sein nächster Roman, Die Kranzflechterin (1964), handelt von einer Frau, die, genauso wie Loetschers Groβmutter, aus Süddeutschland in die Schweiz kommt und dort, alleine, ihre Tochter groβziehen muss. Erst viel später wurde dieses Werk neuentdeckt als eines der ersten Beispiele der Frauenemanzipation in der deutschsprachigen Literatur. 1967 erschien Noah, ein ironisches Werk über die Probleme, die sich Noah auf den Hals lädt, als er den Entscheid trifft, von allen Tieren der Welt wenigstens ein Paar für die Arche zu retten, so dass er am Ende einsehen muss, dass die Sintflut seine letzte Hoffnung geworden ist. Seine Edition der Predigt des heiligen Antonius an die Fische (1966), einer Übersetzung des Meisterwerkes vom portugiesischen Jesuiten António Vieira, setzte Loetscher wieder in Kontakt mit der sogenannten ‚portugiesischsprachigen Welt’. Da er allerdings nicht mehr nach Portugal reisen konnte, entschloss er sich dazu, in Brasilien als Journalist zu arbeiten, und machte daneben Reisen durch Asien auf der Suche nach Reste des ehemaligen portugiesischen Imperiums. Über Brasilien lernte er auch die meisten anderen lateinamerikanischen Länder kennen und wurde so in der deutschsprachigen Presse allmählich zu einem Experten auf dem

Hugo Loetscher - eine Einführung

Gebiet der lateinamerikanischen Politik und Kultur. So entstand auch seine Reportage und Analyse über Cuba: Zehn Jahre Fidel Castro (1969). Diese und andere Erfahrungen verarbeitete er später in seinem berühmtesten Werk Der Immune (1975), einem der ersten postmodernen Romane der deutschsprachigen Literatur. Es handelt sich um einen autobiographischen Roman, in dem der Autor allerdings nicht das Thema ist, sondern lediglich die Hauptfigur und dies in der Gestalt des Immunen. Dieser Immune möchte gerne „in alle Richtungen gehen und aus allen Richtungen zurückkehren, bis jeder fremde Ort ein vertrauter wurde, jeder vertraute sich einem fremden anglich und es keinen Unterschied mehr gab zwischen vertraut und unvertraut“, aber hierzu muss er sich immunisieren, denn : „Hätte er voll und ganz mitempfunden an dem, was an einem einzigen Tag auf dieser Welt geschah, er hätte am Abend an seinen Gefühlen sterben müssen“. Es ist auch das Werk, in dem Loetschers bekannteste Geschichte erschienen ist: die Entdeckung der Schweiz. In Kolumbien hatte ihn ein Mädchen gefragt, wer denn sein Land entdeckt hatte, und je mehr er sich überlegte, umso verlegener wurde er über diese typisch amerikanische Frage. Bis bei ihm der Verdacht aufstieg, dass sein Land vielleicht noch gar nicht entdeckt worden war. Daraufhin entschied er sich dazu, sein eigenes Land literarisch entdecken zu lassen, und zwar von einer Gruppe Indios, die mit ihrem Boot den Rhein hinauffahren und so die heutige Schweiz aus ihrer Perspektive beschreiben. Mit Den Papieren des Immunen erschien 1986 eine Fortsetzung der Immunen-Thematik. Brasilien bedeutete für Loetscher auch die Begegnung mit Fatima, einem Mädchen, das im armen Nordosten das Opfer sozialer Ungerechtigkeit geworden war und von dessen Beerdigung er zufälligerweise Zeuge geworden war. Da Fatima in einem Alter gestorben war, wo sie noch zu jung war, als das sie hätte sündigen können, wurde sie nach lokaler Tradition als ein Engelchen betrachtet, das seinem Platz im Himmel sicher war. Für dieses Engelchen schrieb Loetscher ein Buch, Wunderwelt (1979), in dem er als Ausländer Fatima über ihre eigene Region – den brasilianischen Nordosten – erzählt. Den Winter 1979/80 verbrachte Loetscher in Los Angeles, wo er seinen 50. Geburtstag feierte. Dort schrieb er seinen Roman Herbst in der groβen Orange (1982), ein Werk über Südkalifornien und über die Herbstzeit eines Menschenlebens. Mit Die Fliege und die Suppe (1989) machte sich Loetscher an eine Thematik heran, bei der es nicht leicht ist, originell zu sein: Fabeln. Dennoch gelang es ihm, neue Fabeln zu schreiben, indem er zwar die Tiere mit dem Menschen in Verbindung setzte, aber dies ohne ihnen dafür einen menschlichen Charakter zu erteilen. Tiergeschichten aus der ganzen Welt brachte Hugo Loetscher 1992 in seinem enzyklopädisch-literarischen Werk Der predigende Hahn zusammen. 1995 erschien Saison, ein Roman, in dem wieder der erzählende Aspekt vorherrscht, wie damals in seinen früheren Werken aus den 60er Jahren. Es ist die Geschichte Philipps, der gerade zwanzig geworden ist und die Schule verlassen hat. Philipp arbeitet eine Saison als Bademeister in einer Badeanstalt und diese kleine Welt der Badeanstalt dient als Vorspiel für Philipps groβen Schritt in die Welt, in der er sich nach der Sommersaison alleine durchzuschlagen hat. Loetschers letzter Roman, Die Augen des Mandarin (1999), wird allgemein als eine Fortsetzung der Immunen-Romane betrachtet. Auch diesmal handelt es sich um ein Werk mit einer

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deutlich autobiographischen Basis, in dem Geschichten aus der ganzen Welt und aus den verschiedensten Epochen erzählt werden. Der Roman fängt an mit der Frage eines chinesischen Mandarin, der zum ersten Mal einem Europäer begegnet: „Kann man auch mit blauen Augen sehen ?“ Über die Begegnung von Kulturen und die immer rascher werdende Kulturverschmelzung geht das Gespräch zwischen den beiden Hauptfiguren: einem Schweizer und einem Chinesen. Im Vergleich zum Immunen ist dieses Werk jedoch viel radikaler, da die Kulturen nicht mehr nebeneinander, sondern durcheinander erscheinen. Man könnte es als eine Art ‚literarische Mulattisierung’ betrachten, das heiβt, als ein Werk, in dem versucht wird, der Kulturmischung der heutigen Welt gleichzukommen. Es ist auch ein Buch, in dem Überlegungen angestellt werden über das neue Jahrhundert, das Internet-Jahrhundert, wo alle Grenzen verschwinden und wo Multikulturalität nicht mehr die Ausnahme, sondern die allgemeine Regel wird. 2002 erschien Der Buckel, ein Sammelband mit Erzählungen, die alle direkt oder indirekt auf das Thema des Buckels hindeuten. Im Zentrum steht derjenige, den man sonst ausweicht oder mit Gottes Hilfe ändern will: den lädierten Menschen, den Ausgestoβenen. Loetschers Bucklige jedoch fliehen vor dem heilenden Wunder. Präsentiert werden eine Reihe von Erzählungen, wobei die Verletzlichkeit des Menschen zu Literatur geworden ist. In Lesen statt klettern (2003) setzte sich Loetscher mit der Literatur der Schweiz auseinander. Entgegen einer Tradition, die den Einstieg in die Schweizer Literatur mit den Alpengedichten Albrecht von Hallers monopolisiert hat, fängt Loetscher provokativ mit der Autobiographie Thomas Platters an, eines Walliser Geiβbubs, der die Bergwelt verlieβ und sich zur Stadt bekannte. Aber nicht nur wegen dieses unorthodoxen Einstiegs und herausfordernden Titels löste das Werk eine Polemik aus, auch seine persönliche Auseinandersetzung mit Max Frisch, Adolf Muschg und Friedrich Dürrenmatt lieβ viel Staub aufwirbeln. 2004 überraschte Loetscher mit einem Lyrikband, denn nie vorher hatte er Gedichte publiziert. In Es war einmal die Welt legt sich Loetscher nicht auf eine einzige lyrische Sprache fest, sondern tastet die Möglichkeiten des Dichtens ab. Es ist die poetische Bilanz eines Autors, der seine Poesie als „in Grammatik gebrachte Gefühle“ bezeichnet, die Fledermaus seine „Vogel der Liebe“ nennt und sich zu einem Leben mit „Luftwurzeln“ bekannt. Diese Werke ziehen Bilanz von dem, was Hugo Loetscher in dieser Welt siebzig Jahre lang mit seinen blaugrünen Augen gesehen und gelesen hat. Eine Bilanz auch, von jemand, der im Immunen im Kapitel „Der Brief an die Schwester“ über das Ziel seines Lebens schrieb. Während sie die Ausbildung ihrer Kinder zu ihrem Ziel gemacht hatte, hat er ein Leben lang über eine Welt geschrieben, die nicht in Ordnung ist. Warum er dies tat, sagt er folgenderweise: „Für einen anderen Kampf als den mit der Schreibmaschine bin ich nicht geeignet. Deine Zukunft läuft und streitet und plärrt, und meine ist nicht aus Fleisch, sondern aus Papier, und ich glaube an Papier.“

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BÜCHERBÜCHER - UND ZEITSCHRIFTENSCHAU ZEITSCHRIFTENSC HAU

Carmen Elisabeth Puchianu: Unvermeidlich Schnee. Gedichte. Gedichte Mit einem Nachwort von Rudolf Segl. Passau: Verlag Karl Stutz, 2002 Der im Passauer Verlag Karl Stutz jüngsterschienene Band von Carmen Elisabeth Puchianu ist Fortsetzung und Neubeginn. Ihr 1991 vom Dacia Verlag in Klausenburg herausgegebener Gedichtband Das Aufschieben der zwölften Stunde auf die dreizehnte endete mit dem Gedicht „Zeitlos“. Darin lautete der letzte Vers „Unvermeidlich steht uns allen Schnee bevor“, aus dem der etwas kürzer gefasste Titel des jetzigen Lyrikbandes Unvermeidlich Schnee wurde. Es handelt sich also entweder um ältere, aus den 80er Jahren stammende oder um bisher noch unveröffentlichte Gedichte, die nun unverändert bzw. von der Autorin oder dem Herausgeber leicht geändert, in Druck gegeben wurden. Es kann kein Zufall sein, dass uns schon auf dem Buchumschlag das Bild einer Amsel entgegenblickt. Man wird von Anfang an grafisch auf den Vogel aufmerksam gemacht und stellt sich die Frage nach seiner inhaltlichen Bedeutung für den Band. Wenn man darin zu blättern und sich einzulesen beginnt, so trifft man tatsächlich an vielen Stellen das Wort „Amsel“. In dem Gedicht „Schneesturm im Februar“ (S. 10) lesen wir: „Krähen und Amseln / gefrieren gleichermaßen / in den Herzen, / zersplittern in tausende / Stücke von Eis.“ Amseln haben im Winter das Schicksal der Menschen. „Wer jetzt ins Auge der Amsel schaut,/darf sich ruhig auch später noch umdrehen“, heißt es in „Mitte Oktober“ (S. 12). In der kalten, brüchigen, winterlichen Welt findet die Autorin Trost und Hoffnung nur im Amsellied. Aufschlussreich für die Quelle und für die symbolische Bedeutung der Amsel ist das englische Motto im Gedicht „Stillleben mit Menschen“ (S. 15): „Among twenty snowy mountains, / The only moving thing / Was the eye of a blackbird. / W. Stevens“ Die Amsel ist demnach ein Wegweiser und Begleiter durch die Zeiten und die Jahreszeiten. Ihr Lied versetzt die Menschen in Schlaf und Ruhe, aber es kann auch ihre Herzen bewegen. In „Alleinunterhalter“ (S. 21) heißt es: „Ein Amselnest pocht in meiner Kehle“. Die Amsel verhilft der Autorin zur Artikulation und zur eigentlichen Sprache. In „Krönungstag“ (S. 25) schreibt die Dichterin: „Magnolien beleuchten / mir den Park, die Amsel / hüpft zehnfach im Gras.“ Der Amselruf ist das wertvollste Geschenk, das die Autorin dem Geliebten, ihren Mitmenschen, der Nachwelt zu geben weiß. „Bilder im Photoalbum“ (S. 28) erwähnen auch mehrfach die Amsel: „bunt erbreche ich das Laub sämtlicher Sommer / und schrei wie die Amsel / vom Kreuz unter dem Berg.“ Denn: „Geständnisse liegen in Photoalben / verschlossen, die Amsel zieht / ihre Spuren über meine Hand.“ Der Höhepunkt der dichterischen Aussage um die Chiffre der Amsel ist das hermetische Gedicht „Poesie“ (S. 39): „Amsel im Herz ist Amsel am Zaun. / Wort im Mund ist Wort im Gedicht. / Amsel im Herz ist Wort im Gedicht.“ Das Gedicht ist symptomatisch für die Schreibweise der Lyrikerin, die gern Sprichwörter und Redensarten neu interpretiert, eigene Aphorismen erfindet und geistreiche Wortspiele prägt. Puchianus Aussage ist lakonisch, aber bildreich. Dass man zu einer gebrochenen Generation gehören kann, weil man nicht wie die meisten Deutschstämmigen aus Rumänien ausgewandert ist, dass man nichtsdestotrotz mit gespaltenen Gefühlen im Geburtsland weiterlebt, beweisen es Verse wie die im Gedicht „Offenbarung“ (S. 5): „Kopflos wenden sich Tage gegen mich: / seit gestern schmerzen sehr laut meine

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Jahre, / sie schleppen mich weiter, wie eine launige Bürde, / denn abgerechnet wird lange schon ohne den Gast, / so steht es geschrieben. / Ich träume schwer / und morgens platzen viele, kleine Seifenblasen. / Das O gibt es nicht mehr und / A zu sagen, wagt keiner mehr.“ Puchianu schreibt wie der Dichter aus ihrem gleichnamigen Gedicht, dessen Schuhsohlen an lehmigen Boden haften, „Er schreibt vom kläglichen Rest, /den er zu fassen noch wagt“ (S. 6), auch wenn das große deutschsprachige Publikum nicht mehr so zahlreich vorhanden ist wie vor dem Exodus. Aber „Schreibend kommt er zur Sprache“, der Dichter. Wenn alles vergänglich ist, so bleibt der Dichterin das Amsellied, das heißt der Halt in der Poesie, die dazu verhilft, den grauen Alltag zu vergessen, hoffnungsvoll in die Zukunft zu schauen. Logische Feststellungen und nüchterne Formulierungen deuten auf tief greifende Veränderungen der Geschichte und der Gesellschaft hin („Soulscape“, S. 7): „Ein Knacken geht durch die Welt und deren Fugen: / an etwas anderes, sagt man, ist gar nicht zu denken.“ All das hat Puchianu erlebt und lässt daraus ihre Dichtung entstehen. Traumatische Erlebnisse werden immer wieder wach („Soulscape“, S. 7): „und das unsichtbare Auge, das stets bespitzelt. / Sonntäglich gekleidet scheitern Gedanken, / noch ehe mein Byzanz nur erahnt: / nie begonnen lohnt die Reise nicht, / zu büßen bleiben tausend Kleinigkeiten in meiner Seele. / Argusaugen aus dem Niemandsland: / ich spüre sie, wie sie starren / und Wunden reißen, dass alles / stockt, stottert und sich staut.“ Wörter, die Hass und Resignation, Langeweile und Verzweiflung ausdrücken, verraten das Gefühl einer verlorenen Geborgenheit, deuten auf eine gebrochene Tradition ihrer Vorfahren hin („An die Anstehenden“, S. 43): „Wir stehen uns die Zeiten / in den Bauch, / zerfleischen und blicken solcherart / einander in die Zähne“; „Ich denke, / wie klein die Kirche auch sein mag, / nie ist sie klein genug, / unseren Rest zu bergen.“ („Ostersonntag“, S. 42) Die Amsel ist im Wirbel aller Geschehnisse, der großen wie der kleinen, ein treuer Übermittler von Geheimnissen, eine mögliche Brücke zwischen den Welten, eine Prophezeiung. Sie setzt die eigene Seelenwirklichkeit der Autorin in Sprache um. Carmen E. Puchianu gelingt mit ihren Gedichten der Übergang zwischen der „großen“ binnendeutschen und der „kleinen“ rumäniendeutschen Literatur. Sie hat das geschichtliche Bewusstsein einer Generation und sieht sich als Fortsetzende von alten Traditionen: „Im lichten Bogen des Doms / atmen wir heimisch, sind, / was unsere Ahnen gewesen / und gewusst.“ (Motettenabend. In der schwarzen Kirche, S. 30) Puchianus Amsel wohnen magische Kräfte inne, die schwarze Farbe des Vogels erinnert meines Erachtens an die Unterwelt oder an den Untergang, gilt er doch meistens als Bote aus dem Reich der Toten. Als Vogel wohnt er heute auch im Winter in menschlichen Siedlungen, bringt den Bewohnern Glück und beschützt sie. Amsel und Drossel sind also nicht zwei verschiedene Vögel, so wie es dem bekannten Kinderlied „Amsel, Drossel, Fink und Star und die ganze Vogelschar“ zu entnehmen ist. Die Amsel ist eben eine Schwarzdrossel. Sie wird bei Puchianu zur Identifikationsfigur und Signalgestalt wie in den Gedichten von Georg Trakl („Gesang einer gefangenen Amsel“). Sie ist ein Symbol oder eine Chiffre. Bei beiden kann sie auch die Versuchung des Fleisches bedeuten, ist aber bestimmt mehrdeutig. Die Palette der Bedeutungen reicht in beiden Fällen von der Amsel als Erscheinungsform des Bösen bis zu ihrer Bedeutung als Hausgeist und Glücksbringerin. Die Amsel taucht bekanntlich in sehr vielen Gedichten von Georg Trakl auf. Bei ihm lesen wir im Ge1 dicht „Verfall“ : „Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen.“ Oder im Gedicht „An den Knaben Elis“: „Elis, wenn die Amsel im schwarzen Wald ruft, / Dieses ist dein Untergang“ (ebd., 17, 49). In „Kindheit“ heißt es:

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Georg Trakl: Das dichterische Werk. Auf Grund der historisch-kritischen Ausgabe von W. Killy und H. Szklenar. München 151998. S. 35.

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„Sanft ist der Amsel Klage“ (ebd., 47). In „Sebastian im Traum“: „Trunken vom Safte des Mohns, der Klage der Drossel“ (ebd., 52). Vögel gelten seit jeher als Mittler zwischen Himmel und Erde, als Verkörperung des Immateriellen, namentlich der Seele. Die Vögel in Puchianus Lyrik, sei es die Amsel, die Möwe, die Taube u.a., haben meiner Meinung nach vor allem eine Weissagungskraft. Die Mehrdeutigkeit der Amsel in Puchianus Dichtung ist demnach unverzichtbar sowie konstituierend und kann an den genannten Bespielen verfolgt werden. Walther Killy behauptet mit Recht, dass es eine Besonderheit der modernen Dichtung von Rang ist, sich nur aus sich selbst zu erläutern. „Um sie zu verstehen, muss man sich erst die Vokabeln er2 werben“, denn: „Das Dichterwerk ist eine Welt in sich selbst, eine Welt in der Welt.“ Bei Trakl taucht die Amsel an zahlreichen Stellen auf. Die Komposition „Amselruf“ kommt einige Male vor: „Am Abendweiher starben die Blumen, / Ein erschrockener Amselruf“ (Sommersneige, a.a.O., 75) Trakls Symbol der Amsel stellt hauptsächlich ein akustisches Phänomen dar, das ‚lauschend‘ und mit dem ‚Ohr‘ wahrgenommen wird, wenn sie traurige, erschrockene Rufe und Schreie flötet, schlägt und klagt. Letzteres wird ihr am häufigsten zugeschrieben: „Im Hollunder vor der Kammer / Kläglich eine Amsel flötet“ (Die junge Magd, ebd., 9); „Im Haselstrauch die Amsel musiziert“ (Ein Frühlingsabend, ebd., 161); „Ein Amselruf verirrt und spät, / Es ist schon Herbst geworden“ (Schwesters Garten, ebd., 179); „Lauschend der sanften Klage der Amsel“ (Siebengesang des Todes, ebd., 70f.); „Immer folgt das Ohr / Der sanften Klage der Amsel im Haselgebüsch“ (Stunde des Grams, ebd., 183); „Balde verstummt die Klage der Amsel“ (Am Hügel, ebd., 213); „Im gleitenden Kahn und die dunklen Rufe der Amsel / In kindlichen Gärten[...] (Frühling der Seele, ebd., 77). Die Amsel als treuer Vogel hat bei Puchianu die Rolle einer Identifikationsfigur des lyrischen Ichs, mit dem sie das Ausgeliefertsein an Schnee, Kälte und Einsamkeit des nahenden Winters gemeinsam hat. „Um Mitternacht / wird mir übel vor Einsamkeit“, heißt es in ihrem Gedicht „Um Mitternacht“ (S. 18). Die Amsel ist subjektive Empfindung, sie ist Bild und Klang zugleich. Sie hat einen Signalcharakter, weil sie singt und somit auf sich aufmerksam macht, so dass man ihr zuhören muss. Sowohl bei Puchianu als auch bei Trakl hat demnach die Amsel eine mehrdeutige Rolle. Sie ruft, was als Lautäußerung aufgefasst werden kann. Sie klagt, was einen gewissen seelischen Zustand ausdrückt. Sie ist schwarz, was symbolhaft wirkt: sie deutet auf die Nähe von Tod und Leben hin. Und in keiner Jahreszeit kann das besser veranschaulicht werden als im Winter. Puchianus Gedicht „Winters Nähe“ (S. 44) ist ein Beleg dafür: „Es ist so kalt, / daß Kälte in mir widerhallt / und sich ein fein' Gewebe spinnt / um Herz und Sinn, / spät wie Sand verrinnt / und ich nicht weiß, wohin / und wer ich bin.“ In Puchianus Welt als Dichterin sind außer Amsel die Vokabeln Schnee, Neuschnee, Kälte oft anzutreffen. Eine statistische Tabelle der Worthäufigkeit mag dies bestätigen, doch schwingt in diesen Wörtern vieles mit, was Puchianu eigen, dem Grundtenor ihrer Gedichte gemäß ist und auf die meisten Inhalte und Aussagen vieldeutig und überraschend bezogen sein kann. Schnee kann als Metapher für Werdegang und Weltanschauung der Autorin stehen: „die Stille des Schnees hat / unsere Lippen zufrieren lassen“ („Neuschnee“, S. 19). Oder: „Schneesehnsucht, plötzlich da: / der matte Schatten vor dem Tor / erinnert an fallenden Schnee“ („Schauer“, S. 17). Kälte herrscht draußen und drinnen: „Wesentlich kalt glüht es in mir“ („Schauer“, S. 17) Oder: „zuhause erbreche ich Kälte“ („Abends auf der Calea Victoriei“, S. 13). Oder: „Zu Beginn des Sommers/lebt spürbar unwiderstehlich/Kälte in mir“ („Ohne Hoffnung auf Genesung“, S. 11). Prophetisch klingen die Verse: „Unvermeidlich steht uns allen Schnee bevor“ („Zeitlos“, S. 26). Der Frühling, das Gras, die Knospen, die Wärme werden auch, wenn nur selten, angesprochen: „Deine Hand ist warm / und riecht nach Frühling, / darin erlebe ich den Knospensprung“ („Krönungstag“, S. 25). 2

Vgl. Walther Killy: Über Georg Trakl. Göttingen ³1967. S. 19 f.).

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Liebes- und Freundschaftserinnerungen machen die Welt der Autorin aus „und das bittersüße Aroma / vieler, vieler Tage“ („Kronstadt '87“, S. 24). Liebesgeständnisse sind zart und schlicht: „Indem ich dich denke/bist du mir nah“ („Indem ich dich denke“, S. 29) oder „Mein Gesicht berge ich in/deiner Hand“ („Krönungstag“, S. 25). Man erkennt in Puchianus Gedichten auch das Bild von Kronstadt, ihrer siebenbürgischen Heimatstadt, auch wenn der Name nicht immer ausdrücklich fällt. Aber es ist oft die Rede vom Marktplatz mit den Tauben, vom schwarzen Dom oder der Schwarzen Kirche, von der am Rathaus verankerten Tanne zu Weihnachten, von der Zinne und von der Trachtenschau, mit der die berühmten „Junii Bra[ovului“ gemeint sind, wie aus den Versen „Nimm auch das / Hufgeklapper auf sonntäglichem Pflaster mit / und das Schillern der Trachten“ („Kronstadt '87“, S. 24) ersichtlich. Bei aller Achtung vor einer solchen dreifachen Leistung, nämlich der Autorin, des Herausgebers und des Verlegers, muss ich bemerken, dass ein Gedichtband ohne Inhaltsverzeichnis das gezielte Suchen und Finden des gewünschten Textes wesentlich erschwert. Nichtsdestoweniger spricht uns aus den Gedichten Carmen E. Puchianus ein Universum von Bildern, Klängen, Farben an, die in ihrer Unmittelbarkeit und Ungekünsteltheit überzeugend wirken. Die Gedichte haben Struktur, Stil und Musikalität, eine ästhetisch wohl tuende Wirkung. Die Autorin arbeitet alles sorgfältig aus dem Inneren heraus, wie eine Amsel, die uns mit ihrem Lied auf dem Weg nach innen begleitet. In der Lyrik von Carmen Puchianu erscheinen die Dinge anders als das, was sie sind: sie werden poetisch verwirklicht. Marianarescu Mariana-Virginia Lăz L zărescu * *

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Klaus Demus: Sternzeit. Kurze Gedichte, Wien: Löcker Verlag 2001; Gleichartigem Zugeflüster, Wien: Löcker Verlag 2002 Die Literaturgeschichte verfährt nicht immer gerecht mit jenen, aus deren Werken destilliert zu sein sie vorgibt. So scheint ausgemacht, daß Klaus Demus – poeta doctus und moderner Mystiker – allenfalls als Fußnote: Freund des jungen Celan in sie eingehen wird. Die Fußnote, die so lautete, betröge uns indes um den Dichter, der Demus gewesen sein wird – ein Dichter, dessen Werke sich durch ein hohes Maß an Konzentration und einen in seiner Gesuchtheit unverwechselbaren Stil auszeichnen. Alles beginnt bei Demus mit dem Wort – seine Liebe zu ihm drückt sich in ungewöhnlichen Wendungen, einem Wortschatz, der auch Altes und Exotisches in sich birgt, kurzum: einer steten Auseinandersetzung mit dem Sagbaren aus. Die Vorliebe für antike Versatzstücke, die auf den ersten Blick Manier zu sein scheint, ist von eben dieser Liebe desgleichen geprägt – das „Werk der Vergangenheit ist ihm nicht abgeschlossen”, so ließe sich mit Benjamin sagen; es ist ihm Material, das weiterer Bearbeitung harrt. Das Wort als Erkenntnismöglichkeit ist nur ernstgenommen, wo auch die früher in ihm aktualisierte Erkenntnis präsent ist: auf „den Schultern / abgeschloßner Geschichte” steht das lyrische Ich in Envoi, einem Gedicht aus Demus’ Band Sternzeit (2001). Ein Beispiel für diese Fort- und Umschreiben ist die Figur des Thamyris in ebendiesem Band: Thamyris, der sich vermaß, mit den Musen im Wettstreit zu siegen, machten sie stumm und ließen den Sänger vergessen. (S) Auch wenn dies aus der Ilias nicht klar hervorgeht – es heißt dort (II. Gesang, V.597ff.) jener habe sich gebrüstet, selbst die Musen im Gesang zu übertreffen, worauf diese ihn aus Zorn blendeten und des holden Gesangs wie der Kunst des Lyraspiels beraubten –, wird zumeist Thamyris als Verlierer eines Wett-

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streits mit den Musen gesehen, den jene in der Folge seiner Hybris willen straften. Demus tut hier also zweierlei – er erinnert daran, daß jener als vermessener, doch am womöglich greifbaren Sieg gehinderter Kombattant verstummte, und nimmt den Unglücklichen als Ebenbild des Dichters, der Worte nach ihrem Maß schafft: bedrohte Worte. Darum ist auch alles Provisorium bei Demus – provisorisch zumeist im besten Sinne. Er schafft Erkenntnis und setzt sie den nachfolgenden Worten aus, alles ist in der Schwebe. Das Wirken der Worte läßt verstehen, was Demus meint, schreibt er von einem „Schein, / deß Scheinen Sinn des Welt-Seins ist.” (S) Selbst sein Zurückblicken – ins „Dunkel unserer Herkunft” (S) – ist eines, das „den Akut des Heutigen”, wie Celan es nannte, im Überlieferten sieht. Die Möglichkeit ist, was in das Sein kraft des Scheins wirkt; das macht die Dignität dessen aus, was als bloßer Schein nur scheinbar desavouiert ist. Dieser verbindlichen Gestaltung von Utopie wegen müht sich Demus um Transzendenz: Wenn die hilflose Seele, von der Welt Hilflosigkeit eingestimmt, die Wahrheit des Ganzen singen möchte, was bietet sie auf, das nicht sie als das Ganze wäre? (S) Die Verse deuten an, die Entäußerung der Seele führte zu etwas, das sie übersteigt, das Ganze in ihr zum Schillern brächte. Genauer: die Entäußerung müßte etwas zeugen, ohne das die Seele das Ganze verfehlen muß. Von diesem rätselhaft Hinzutretenden schreibt auch einer, der dem Irrationalismus schwerlich zuzuschlagen ist, nämlich Kant – er schreibt in der Kritik der Urteilskraft vom „genius, dem eigentümlichen einem Menschen bei der Geburt mitgegebenen schützenden und leitenden Geist, von dessen Eingebung jene originale Ideen herrührten”, welche verbindlich und zugleich nach keiner Regel formuliert sind. Das Wort wird zur ewigen Möglichkeit. „Im Unbewegten / gespiegelt”, so schrieb Demus in Die Jahrtausende (1994) – und solche ewige Spiegel sind ihm immer wieder Medium des Verstehens. Die Offenheit des Unterfangens führt in das essentielle „»Ich weiß es nicht!«” (S) dessen, der befragt, woran er arbeite, die Antwort immer vorerst schuldig geblieben sein wird. Es muß etwas sein, worin „kein Mehr fast Platz hat” (S), allein das scheint gewiß. Das lyrische Ich hat, so schreibt Demus in dem Gedichtband Gleichartigem Zugeflüster, seine Behausung im „Haus der Sprache” (G). Heidegger schreibt: „Die Sprache ist das Haus des Seins.” Etwas unpoetischer heißt es in Sein und Zeit: „Als die existentiale Verfassung der Erschlossenheit des Daseins ist die Sprache konstitutiv für dessen Existenz.” Die Sprache ist bei ihm, was das Sein aufschließt, doch nicht erschafft oder wandelt – also konstitutiv und impotent zugleich. Demus wandelt das Bild ingeniös; das, worin Sprache haust und wirkt, ist „nirgends fest” (G), man ahnt, es ist das Sein, das kraft der Sprache jeden Begriff und jede Essenz von sich als vorläufig oder erlogen enthüllt. Sagt Demus Natur, so ist es das, was das Gerinnen in einer Ordnung unendlich aufschiebt: „Unendlichkeit blüht voll / Unendlichkeiten.” (G) Foucault schrieb einst vom liebenden Blick: Es handelt sich um ein Vervielfältigen und Knospentreiben des Körpers, um eine gewissermaßen autonome Steigerung seiner kleinsten Partien, der geringsten Möglichkeiten eines seiner Bruchstücke. So läßt sich sagen, daß Demus über die Liebe zum Wort die Liebe zum Möglichen als Inbegriff des an allem Geliebten Aufscheinenden findet. Er tut dies in vorsichtigen, kleinen Schritten – falls die Maßlosigkeit der poetischen Erkenntnis, die sich zu Quantitäten nicht leicht in Beziehung setzen läßt, nicht trügt. Ganz scheint sie nicht zu trügen, denn oftmals ist es, als sei Demus auch ein dogmatisch Unmoderner. Jandl schrieb einst in seinem berühmten Gedicht Zeichen:

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Zerbrochen sind die harmonischen Krüge, die Teller mit dem Griechengesicht, die vergoldeten Köpfe der Klassiker – aber der Ton und das Wasser drehen sich weiter in den Hütten der Töpfer. Das Gedicht weiß um die zerstörte Angemessenheit und das gewandelte Fortleben der (Dicht-) Kunst; wie eine Antwort liest sich Demus’ Produktionswechsel Lyrik: Es „stinken die neuen Töpfe” (S), heißt es da – und in einem anderen Gedicht: „Wort und Bild und Schrift / kennt keine Neuerung; / nur den Verrat.” (S) In diesen Momenten, in denen Demus die klassische Form als verbindliche und notwendige feiert, wird er selbst beliebig. Demus’ Lyrik, so läßt sich zusammenfassend dennoch sagen, hält viel bereit; sie ist konzentriert gedrechselt und dort, wo sie am wenigstens weiß, zu ihren wesentlichsten Erkenntnissen in der Lage. Klaus Demus ist ein Vergessener – durchaus nicht zurecht. Martin A. Hainz * *

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Karl Hohensinner, Peter Wiesinger (unter Mitarbeit von Hermann Scheuringer Scheuringer und Michael Schefbäck): Ortsnamenbuch des Landes Oberösterreich (Bd. 11): Die Ortsnamen der politischen Bezirke Perg und Freistadt (östliches Mühlviertel), Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien, 2003 Das historisch-philologisch angelegte „Ortsnamenbuch des Landes Oberösterreich“ dokumentiert in 11 Bänden jeden amtlich geführten Ortsnamen in Oberösterreich und leistet somit Grundlagenforschung für die Siedlungsgeschichte dieses österreichischen Bundeslandes, für die es kein anderes Quellenmaterial als 3 die diesbezügliche Aussage der Ortsnamen gibt. Ein geplanter abschließender Einleitungsband soll das Quellenverzeichnis, die Erläuterung der phonetischen Transkriptionen und dialektalen Verhältnisse sowie die Schreibentwicklung häufiger und wiederkehrender Ortsnamentypen enthalten. Die Publikation des Ortnamenbuchs wurde 1989 mit dem das südliche Innviertel betreffenden Band 1 „Die Ortsnamen des Politischen Bezirkes Braunau am Inn“ begonnen. Im Abstand von zwei bis drei Jahren folgten kontinuierlich die weiteren Bände: 1991 Band 2: „Die Ortsnamen des Politischen Bezirkes Ried im Innkreis“, 1994 Band 3: „Die Ortsnamen des Politischen Bezirkes Schärding“, 1997 Band 4: „Die Ortsnamen des Politischen Bezirkes Vöcklabruck“, 1999 Band 6: „Die Ortsnamen des Politischen Bezirkes Gmunden“, Band 7: „Die Ortsnamen der Politischen Bezirke Kirchdorf an der Krems, Steyr-Land und SteyrStadt“ und nun liegt Band 11, „Die Ortsnamen der Politischen Bezirke Perg und Freistadt“ vor, so daß bereits wesentlich mehr als die Hälfte der geplanten Bände publiziert werden konnte. Nun legen Karl Hohensinner und Peter Wiesinger den jüngst erschienenen Band 11 „Politische Bezirke Perg und Freistadt“ dieses Ortsnamenbuchs vor. Dieser achte des auf 12 Bände (den Einleitungsband mit 4 eingeschlossen) angelegten Werkes stellt alle amtlich registrierten Siedlungsnamen der beiden Bezirke

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Dieser wird im Ortsnamenbuch unter der Abkürzung „EB“ genannt. Siehe zu Konzeption des Ortsnamenbuches: Wiesinger, Peter: Das „Ortsnamenbuch des Landes Oberösterreich“. In: Beiträge zur Namenforschung, NF 25 (1990), S. 169-179. 4

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Perg und Freistadt dar. Die beschriebenen Ortschaften befinden sich in nordöstlichster Lage in Oberösterreich und sind von den benachbarten Gebieten teils stark geographisch und historisch abgegrenzt, teils enden sie an mehr oder weniger modernen Verwaltungsgrenzen. Starke naturräumliche Abgrenzungen sind im Osten zum niederösterreichischen Waldviertel und im Norden nach Böhmen hin gegeben. Im untersuchten Gebiet liegt liegt auch Südabdachung des Granit- und Gneishochlandes der Böhmischen Masse, die im Süden von der Donau begrenzt wird. Der Großteil des südlichen Untersuchungsbereichs bildet die Machlandebene, welche eigentlich der Landschaftsregion des Alpenvorlandes zugerechnet werden muß. Das Untersuchungsgebiet umfaßt insgesamt 1065 Ortsnamen aus 53 Gemeinden in zwei Politischen Bezirken, in den sechs Gerichtsbezirken, Pregarten, Freistadt und Unterweißenbach im Politischen Bezirk Freistadt und Mauthausen, Perg und Grein in Politischen Bezirk Perg. Die anhand der Volkszählungsdaten 1980/81 getroffene Auswahl an Siedlungsnamen entspricht den heutigen Gegebenheiten und ist auch für den historischen Namenbestand repräsentativ. Beginnend mit der an Ort und Stelle erhobenen Dialektaussprache und der Zusammenstellung der oft weit ins Mittelalter zurückreichenden urkundlichen Schreibungen wird in sprachwissenschaftlichen Analysen der Herkunft und Bedeutung eines jeden Namens ein kürzerer oder längerer Artikel in dem 283 Seiten starken Werk gewidmet. Ein alphabetisches Register erleichtert die Auffindbarkeit in dem nach Gemeinden gegliederten Buch. Anhand von 32 Karten wird die Verteilung der historischen Namentypen gezeigt, die Aufschluß über die Siedlungsgeschichte des Unteren Mühlviertels geben. Da das Werk die amtlichen Ortsnamen, ihre in der Existenz gefährdeten dialektalen Aussprachen, die urkundlichen Bezeugungen und die Herkunft ihrer Bedeutung und Entwicklung bringt, leistet es nicht alleine einen wertvollen sprachwissenschaftlichen Beitrag, sondern ist auch eine beachtliche Leistung zur oberösterreichischen Landeskunde und Heimatforschung. Es werden außerdem in Verbindung mit Hofnamen nicht nur zahlreiche oberösterreichische Familiennamen erläutert, sondern auch rund 20.000 urkundliche Belege gebracht, wodurch zusätzlich ein Wegweiser durch die reichen Archivbestände des Landes entsteht. Historisch-urkundliche Zeugnisse und die dialektale Aussprache der Ortsnamen bilden die Grundlage für die sprachwissenschaftlich-etymologische Erklärung der Ortsnamen nach sprachlicher Herkunft, Namenbildung, Namenbedeutung und lautlich-formaler Entwicklung vom Frühmittelalter bis in die Gegenwart. Namentypen wie jene auf -ing, -heim, -reit, -schlag werden angesichts ihrer Aussagekraft für einzelne Perioden der Siedlungsgeschichte des östlichen Mühlviertels auch kartiert. Das Namenmaterial der untersuchten Gemeinden umfaßt neben den Bezeichnungen für größere oder kleinere Siedlungen auch solche für Fluren, Geländeformationen und Gewässer, die später auf Orte übertragen wurden. Die Autoren identifizieren hinsichtlich der Wortbildung der Ortsnamen auffallende, häufig wiederkehrende sprachliche Elemente, mittels derer bestimmte semantische Inhalte ausgedrückt werden. Diese bilden die Grundlage für die Zuordnung der Namen zu den einzelnen Ortsnamentypen, wie die Komposita auf -hausen, -hofen, -stetten, -kirchen, -dorf, -bach, -berg, -reit, -schlag, -schlag, -schwand, sang oder die Ableitungen auf -ing. Mittels makrotoponymischer Untersuchungen schränken Hohensinner und Wiesinger die Entstehung dieser Ortsnamentypen anhand ihrer räumlichen Verbreitung und ihrer urkundlichen Überlieferung auf bestimmte Zeiträume ein. Allerdings sind die urkundlichen Erstnennungen in den seltensten Fällen auch mit der ungefähren Entstehung der Orte konform. Zumeist verstreichen 5 Jahrhunderte, bis der Name eines neugegründeten Ortes urkundlich belegt ist. 5

Hier ist auch anzumerken, daß die Autoren als Erstnennungen nur originale Bezeugungen gelten lassen. Gefälschte Urkunden aus späteren Jahrhunderten sind als Zeugnisse meist nur für die Zeit der Fälschung relevant. Besonders für das Früh- und Hochmittelalter weisen die Autoren viele Fälschungen unterschiedlichen Charakters nach, die sie von den kopialen Überlieferungen, die oft mehr oder weniger starke Abweichungen von der originalen Schreibung auf-

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Die Autoren unterscheiden zwischen Namentypen, die bereits in althochdeutscher Zeit auftreten, wie jene auf -ing, -hausen, -hofen, -kirchen und -stetten und Namentypen der mittelhochdeutsche Zeit: dorf-, -berg-, -bach. Eine weitere Siedlungsperiode, in der die unwirtlicheren Waldgegenden gerodet wurden, spiegelt sich in den Namen auf -reit, -schlag, und -schwand wider. Die Ortsnamen selbst scheinen als Simplizia aufs (z. B.: Reith, Schlag, Schwandt) oder wesentlich häufiger als Komposita. Je nach der Bedeutung der Bestimmungswörter in den Komposita entscheiden sich die Autoren für ihre Klassifizierung in Besitznamen (BN), Lagenamen (LN) und Artnamen (AN). Sie stellen fest, dass sich die Besitznamen hauptsächlich von Personennamen ableiten, wobei der Personenname zumeist im Genitiv steht. Zweigliedrige, aus zwei Lexemen bestehende Namen (z.B. Ruodpreht in Ruprechtshofen flektieren stark auf -s, eingliedrige (z.B. Pabo in Barndorf) schwach auf ahd. -in/mhd. -en. Zu den Lagenamen stellen Hohensinner und Wiesinger fest, dass sie meistens durch Reihung gebildet werden und die Lage eines Ortes im Gelände beschreiben. Als Bestimmungswörter der Komposita fungieren dann Bezeichungen für das Gelände, dessen Nutzung oder Form, wie auch bestimmte Bauwerke wie Kirchen und Mühlen. Unter den Artnamen fassen die Autoren jene Ortsnamen zusammen, die mit einem Adjektiv gebildet sind und meist auf Alter, Größe und Gestalt der Siedlung oder auf ihre begünstigte oder widrige Lage Bezug nehmen. Namen wie Altenburg führen sie auf syntaktische Fügungen zurück. Bezüglich der sprachlichen Herkunft unterscheiden Hohensinner und Wiesinger zwischen einer vordeutsch-slawischen und einer deutschen Namenschicht, geben jedoch zu, dass im Einzelnen nur schwer angegeben werden kann, ob ein Name slawischer Name älter, ähnlich alt oder unter Umständen sogar jünger ist, als ein benachbarter altbairischer Name. Zum ältesten Namengut zählen die Autoren die Bezeichnungen der großen Donauzuflüsse, wie Gusen, Aist und Naarn, sowie die Donau selbst, die in antike, bzw. vorantike Zeit zurückgehen. Namen mit slawischer Wurzel finden sie einerseits im Machland und dem angrenzenden Hügelland, andrerseits entlang einer relativ schmalen Linie, welche von der Riedmark bei Mauthausen über die Aistfurche, Freistadt und den Kerschbaumer Sattel an die Landesgrenze (Wullowitz) reicht und dort an einen Streifen alttschechischer Namen anschließt, der ins Innere Böhmens führt. Entspricht das Verbreitungsgebiet der 6 Slawen im Bezirk Perg ungefähr jenem der echten -ing-Namen als Kennzeichen altbairischer Besiedlung , so entsprechen die slawischen Namen im Bezirk Freistadt vom Verbreitungsgebiet keinem deutschen Namentyp und dürften ursächlich mit den sehr alten Handelsbeziehungen zwischen Böhmen und dem Donauraun zusammenhängen. Dies gilt auch für die beiden tschechischen Exonyme für Freistadt (Cáhlov) und Kerschbaum (Třešnovice v. Třešnové), die bereits auf der bairisch-deutschen Namenebene aufbauen. Hohensinner und Wiesinger stellen fest, dass sich slawische Gewässer- und Siedlungsnamen in Oberösterreich nur im südlichen Salzkammergut und im Osten (im Bereich der Flüsse Steyr, Enns, Krems und in einigen Bereichen des Mühlviertels) finden. Seit dem 8. Jahrhundert scheinen Slawen in Oberösterreich urkundlich auf. Zwischen dem 9. und dem 12. Jahrhundert haben sie sich gemeinsam mit den Baiern am Siedlungsausbau beteiligt. In diesem Zeitraum vollzog sich auch die Eindeutschung der slawischen Toponyme. Ihre ungefähre Eindeutschungszeit kann aufgrund der von Hohensinner und Wiesinger vorgelegten Arbeit erfolgreich ermittelt werden. Allerdings kann man die Eindeutschung der Namen nicht gleichsetzen mit dem Aussterben der slawischen Sprache. Dies zeigen viele Beispiele aus Kärnten, wo slowenische Namen bereits im Mittelalter ins Deutsche entlehnt wurden und die deutsche Lautentwicklung mitgemacht haben und gleichzeitig der slowenische Dialekt bis in die Neuzeit, teils bis heute gesprochen wurde bzw. wird. Ähnlich problematisch ist eine Zuordnung des slawischen Namengutes in Oberösterreich zu heute bestehenden slawischen weisen, sehr wohl unterscheiden. 6 Siehe hierzu die Karte 7: -ing-Namen im besprochenen Werk, ONB OÖ Bd. 11.

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Sprachen wie Slowenisch oder Tschechisch. Einerseits sind geographische Zusammenhänge in den Randbereichen unleugbar, andrerseits fehlen sehr oft - besonders im Donauraum - sprachliche Kriterien, die eine Zuordnung ermöglichen würden. Die ausführliche urkundlich-dokumentarische Bezeugung eines jeden einzelnen Artikels dieser Arbeit ermöglicht es dem Leser, die formale Entwicklung der Ortsnamen bis zur heutigen amtlichen Schreibform zu verfolgen. Diese hervorragende urkundliche Dokumentation wird von in den einzelnen Gemeinden erhobenen Dialektaussprachen (Hermann Scheuringer) abgerundet. Sorin Gădeanu deanu * *

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Hans Gehl, Viorel Ciubotă: Ciubot : Materielle und geistige Volkskultur des Oberen Theißbeckens. Einfluss der deutschen Bevölkerung auf die anderen Ethnien der Region, Editura Muzeului Sătmărean, Satu Mare / Tübingen, 2003 Der von Hans Gehl und Viorel Ciubotă herausgegebene Band faßt die Abschlußberichte eines dreijährigen gleichnamigen Forschungsprojektes des Kreismuseums Sathmar und des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde Tübingen zusammen. Das multiethnische Forschungsgebiet des Projektes umfaßte 54 Ortschaften im Gebiet des Oberen Theißbeckens, die in teils in Rumänien, teils in der Slowakei, teils in der Ukraine und teils in Ungarn liegen. Diese wurden in der Zeitspanne 2000 - 2003 von den beteiligten Sprachwissenschaftlern, Historikern und Ethnologen untersucht. Dementsprechend bunt gemischt fallen die teils in deutscher, teils in rumänischer Sprache veröffentlichten Forschungsergebnisse der Projektmitarbeiter aus. Eine einführende Studie zu den Minderheiten in Mitteleuropa von Vasile Vesa (Klausenburg) leitet den Band ein. Dieser folgt der erste Abschnitt des Bandes, der unter dem Titel: Geschichte, Landeskunde, und Soziologie, 14 Beiträge, davon vier zur Lage der Minderheiten in der Ukraine und zwei zu jener der Minderheiten in der Slowakei umfaßt. Für den rumänischen und ungarischen Leser sind die Beiträge der zwei ukrainischen Projektmitarbeiter Mihai Zan (Die Deutschen in Transkarpatien) und Volodimir Fenici (Konfessionelle und nationale Identität der Katholiken griechischer Konfession von Transkarpatien [sic!] im 18. – 20. Jahrhundert) besonders interessant, da sie Informationen zu einer bislang wenig erforschten Region liefern. Ebenso liefern die Beiträge von Elisabeth Gallhoff (Deutsche in der Slowakei. Die Bergstädte der Unterzips zwischen Tradition und Anpassung) und Richter Kovarik (Orientierungslosikeit in einer Randregion) wertvolle Einblicke in das Leben der Deutschsprachigen in der Slowakei. Der zweite Abschnitt des Bandes faßt unter dem Titel Linguistik und Ethnografie weitere 14 Beiträge zusammen. Darunter befinden sich weitere zwei Beiträge aus der Ukraine. Georg Melikas Aufsatz untersucht die Ethnorealien der deutschsprachigen Bevölkerung auf Entlehnungen aus den anderen Sprachen der Region (Fremdes Wortgut in der Kochkunst der Karpatendeutschen). Olha Hvozdiaks geht in ihrem Beitrag den umgekehrten Weg und untersucht die Wortfelder Lebensmittel und Küchengeräte in den ukrainischen Dialekten auf Entlehnungen aus dem Deutschen (Deutsche Lehnwörter in den ukrainischen Dialekten Transkarpatiens). Den Herausgebern wäre eine einheitliche terminologische Festlegung auf eine der beiden im Band verwendeten Bezeichnungen: „Deutsche in Transkarpatien“, beziehungsweise „Karpatendeutsche“ anzuraten gewesen. Auch wäre vielleicht die Voranstellung des englischsprachigen „Abstract“ (S. 429f.), das im Wortlaut mit dem zweisprachigen (deutsch und rumänisch) Vorwort der Herausgeber identisch ist, sinnvoll gewesen.

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Ansonsten besteht der unbestreitbare Verdienst dieses Bandes in der Heranführung des Lesers an die noch wenig erforschten kulturellen und sprachlichen Aspekte des Deutschen in der Ukraine. Sorin Gădeanu G deanu * *

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Norman Manea: Die Rückkehr des Hooligan. Ein Selbstporträt. Aus dem Rumänischen von Georg Aescht. München: Hanser 2004. 411 S. Ein Jahr nach dem Erscheinen der rumänischen Originalausgabe in Jassy liegt nun die Übersetzung des jüngsten Werkes von Norman Manea im Münchner Hanser Verlag vor, in dem bereits 1995 Maneas Roman Der schwarze Briefumschlag und 1998 seine Essaysammlung Über Clowns dem deutschen Lesepublikum zugänglich gemacht wurde. Es handelt sich bei diesem Werk um Ein Selbstporträt, wie der Untertitel deutlich macht, also um eine Art Autobiographie, in der man vieles über die Lebensgeschichte des Autors, aber auch einiges über seine momentane Situation als rumänischer Schriftsteller und Professor für Europäische Kulturstudien am Bard College in den Vereinigten Staaten von Amerika erfährt. Der Titel des Buches Die Rückkehr des Hooligan ist erklärungsbedürftig: er spielt an auf einen 1935 erschienenen Roman von Mircea Eliade mit dem Titel Die Hooligans an sowie auf den im selben Jahr erschienen Essay Wie ich zum Hooligan wurde eines anderen bedeutenden rumänischen Dichters und Intellektuellen Mihail Sebastian. Der Begriff ‘Hooligan’ wandelt sich dabei vom Schimpfwort über Radau machende Randalierer und Ruhestörer zum Ehrentitel für die in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts aufbegehrende rumänische Jugend, wobei die geistige Nähe dieses Aufbegehrens zum Faschismus nicht zu verkennen ist: „Die Legionäre erklären sogar den Nationaldichter Mihai Eminescu zum Großen Hooligan der Nation! Zum heiligen Vorläufer der grünbehemdeten Märtyrer, die aufs Kreuz und ihren Căpitan Codreanu schwören!“ (S. 81). Diesen freilich fragwürdigen Ehrentitel macht sich Norman Manea zu eigen, wenn er seine Rückkehr nach Bukarest, elf Jahre nach seinem Weggang im Jahre 1986, zur Rückkehr des Hooligan stilisiert. Das Selbstporträt des rumänischen Schriftstellers gibt Einblick in seine Lebensgeschichte und die Geschichte mehrerer Generationen seiner Familie. Nach der Geburt im Jahre 1936 in dem in der Bukowina gelegenen Burdujeni verdienen folgende Stationen Erwähnung: die Deportation der jüdischen Familie ins transnistrische Moghilev 1941; die Rückkehr der Familie nach Kriegsende 1945 nach Fălticeni in der Bukowina; die Schulausbildung des jungen Norman und sein Wirken als kommunistischer Verbandssekretär seines Lyzeums bei stalinistischen Schauprozessen im Jahre 1952; die Aufnahme eines Ingenieursstudiums 1954 und seine ersten beruflichen Erfolge als Hydrotechniker 1959; die Verhaftung des Vaters 1958, dessen Verurteilung und Einweisung in die Arbeitskolonie Periprava; die Epoche der Liberalisierung in Rumänien seit Mitte der 60er Jahre und die Zweifel Maneas an seiner beruflichen Tätigkeit, die später in der Frühpensionierung des schreibenden Ingenieurs kulminieren sollten; das Erdbeben 1977 in Bukarest; der endgültige Weggang aus Bukarest 1986, zunächst mit einem Stipendium des Literarischen Colloquiums Berlin; dann die Weiterreise über Paris und schließlich die Einreise in die U.S.A. am 9. März 1988, die Manea als Beginn eines neuen Lebens (vgl. S. 14), als „Leben nach dem Tode“ (S. 11) feiert; schließlich der Tod der Mutter 1988 und die Emigration des 81jährigen Vaters 1989 nach Israel. Die amerikanische Gegenwart, die Manea im ersten Präliminarien betitelten Teil seines Selbstporträts beschreibt, die rumänische Vergangenheit, die vor allem im zweiten Teil Die erste Rückkehr (Vergangenheit als Fiktion) zur Sprache kommt, sowie die inneren Probleme seiner Existenz, die im dritten Teil, der in Anspielung auf Freud Der Wiener Diwan überschrieben ist, verhandelt werden, bilden gleichsam die Voraussetzung für den vierten und letzten Teil des Selbstporträts, den Manea mit der Überschrift Die

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zweite Rückkehr (Die Nachwelt) versehen hat. In diesem Schlußkapitel wird der erste und bisher einzige Besuch Maneas in seinem Heimatland seit seinem Weggang 1986 geschildert, und zwar in Form von tagebuchartigen Aufzeichnungen, die die zwölf Tage seiner Rumänienreise vom 21. April 1997 bis zum 2. Mai 1997 umfassen. An der Beschreibung der äußeren Form des Maneaschen Werkes wird bereits deutlich, daß es sich hierbei um kein einheitlich durchgestaltetes episches Werk handelt, sondern viel eher um ein collagehaftes, assoziativ montiertes Ensemble von Eindrücken, Erinnerungen und Reflexionen, mit dem der Autor kaleidoskopartig verfährt und das er nach der Art eines Spiegelkabinetts arrangiert. Dies erleichtert den Leseprozeß nicht gerade, zumal es sich in Maneas Werk in erster Linie um unbekannte Daten einer privaten Familien- und Lebensgeschichte, und nicht um bekannte Daten der Zeitgeschichte handelt, die als strukturierendes Zeitgerüst vorausgesetzt werden könnten. Ein linearer Aufbau der Biographie, wie sie etwa in der Lebensgeschichte des Vaters vorliegt, die der Autor in seinen Text einschaltet (vgl. S. 192197), hätte dem Text mehr Kraft und Authentizität verliehen. Diese Authentizität, die der Leser von einem Selbstporträt erwartet, wird jedoch durch die ubiquitäre Tendenz zur Stilisierung, die Maneas Werk kennzeichnet, gleichsam annihiliert. Wenn das autobiographische Ich einmal als Shakespearscher Romeo (vgl. S. 122f.), dann wieder als Joycescher Leopold Bloom alias Ulysses (vgl. S. 138f., 207, 299) oder als Proustsche Erzählerfigur Marcel (vgl. S. 223) auf der Bühne der Lebensgeschichte Norman Maneas seinen Auftritt hat, wird das Erzählte letztlich theatralisch. Wenn dieses theatralische Element, das ins 19. Jahrhundert weist, sich jedoch mit der postmodernen Auflösung von erzählerischen und biographischen Kontinuitäten verschwistert, verschwindet gerade das, was eine Autobiographie oder einen autobiographischen Roman lesenswert macht: das offene, ungeschminkte, schonungslose und authentische Hervortreten eines besonderen und einzigartigen Individuums. Der deutschen Ausgabe dieses Selbstporträts hätte sicher ein Glossar oder ein erklärendes Vorwort gutgetan, das den deutschen Leser, der mit den rumänischen Verhältnissen nicht vertraut ist, ein wenig leitet: Mircea Eliade ist bekannt, wer aber kennt in Deutschland seinen Schüler Ioan Petru Culianu, und wer weiß von Mihail Sebastian oder Nicu Steinhardt, und wer hat schon hierzulande von Moses Rosen oder Iosif Sava gehört! Und man möchte doch sein historisches Wissen nicht allein auf die Auslassungen in einem fiktionalen Werk gründen! Am Ende bleiben viele Fragen offen, die aber in ihrem Unbeantwortetbleiben wohl von der seelischen Zerrissenheit des Autors Zeugnis geben! Warum begegnet Norman Manea seinem Heimatland mit den Augen eines Wiedergängers, der wie ein Zombie und Revenant in der Gegenwart nur das Vergangene wahrzunehmen in der Lage ist? Warum möchte er in diesem Land publizieren und wirken, dem er letzten Endes doch distanziert, verkrampft und larmoyant gegenübersteht? Warum taucht in seinem Selbstporträt nicht e i n m a l der Wunsch nach Rückkehr auf, ein aus der Exilliteratur nicht wegzudenkender Topos? Warum treibt er in seinem Werk einen Keil zwischen Rumänien und die rumänische Sprache (vgl. S. 292)? Warum verweigert er Rumänien - Rumänien wird bei Manea als „Land Dada“ (S. 29, 336) enthistorisiert oder mit Culianu als „Jormania“ (S. 17) ahistorisch literarisiert - das Recht auf Geschichte, die doch auch und gerade Offenheit auf die Zukunft hin impliziert? Das aber sind Fragen an den Menschen Norman Manea und nicht an die Literatur! Ein aufrichtiges Selbstporträt hätte gleichwohl eine Antwort auf diese Fragen erahnen lassen. Markus Fischer * *

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Lipceanu, Ala / Rotaru, Sergiu (Hrsg.): Stufe für Stufe. Deutsch erwerben.. Chi[inău: Editura Arc, 2002. 248 Seiten

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Das im Jahre 2002 im Arc Verlag erschienene Lehrbuch für Fortgeschrittene “Stufe für Stufe. Deutsch erwerben” von Ala Lipceanu und Sergiu Rotaru gibt es nun auch in einigen großen Buchhandlungen in Bukarest zu bekommen. Die im Vorwort formulierten Ziele dieses Buches, der günstige Kaufpreis, der augenfreundliche Buchdruck und die gute Papierqualität bewegen die sich für den DaF-Bereich interessierenden Leser es zu kaufen. Wenn man sich aber die Zeit nimmt, um das Vorwort aufmerksam zu lesen und die hier großzügig formulierten Absichten der Autoren auf den Inhalt des Buches hin zu überprüfen, so wird man recht viele Ungereimtheiten feststellen. Dem Vorwort (S. 5) kann man entnehmen, dass sich das vorliegende Lehrbuch durch eine bestimmte Struktur kennzeichnet, nämlich ”1. Übungen vor dem Text, 2. Lesetexte, 3. Übungen nach dem Text, 4. Wortschatzlisten.“ Diese Gliederung deutet darauf hin, dass die Lesetexte den so genannten “Kern“ einer jeden Einheit bilden, und dass die Übungsformen (vor und nach dem Text) im grossen Maße darauf abgestimmt sein könnten. Auf die Kriterien, die bei der Auswahl der Texte (vielleicht?) eine Rolle gespielt haben, gehen die Autoren leider nicht ein. Dafür aber erklären sie im Vorwort recht ausführlich, wie das Buch strukturiert ist, nämlich: „Die Textmaterialien sind nach Problemen / Themen / chronologischem Prinzip Schwierigkeitsgrad geordnet“. Diese Behauptung wird aber vom Aufbau des Buches grundsätzlich widerlegt, denn jedwelche Gruppierung der Texte nach irgendeinem Kriterium, ob thematisch, chronologisch, textsortenspezifisch, nach dem Schwierigkeitsgrad, nach wichtigen grammatischen Strukturen oder nach dem kommunikativen Gehalt fehlt leider. Wenn man nach einem Text sucht, der irgendeinem oben erwähnten Kriterium entsprechen sollte, dann muss man bereits das ganze Buch kennen und nicht darüber verzweifeln, dass das Inhaltsverzeichnis unübersichtlich gestaltet ist. Auch die fehlende Kapiteleinteilung und die nicht einheitlichen bzw. manchmal sogar fehlenden visuellen Gliederungssignale erschweren die Suche nach Texten und/oder Übungen in diesem Buch. Ausgehend von der im Vorwort angekündigten viergliedrigen Lehrbuchstruktur möchte ich nun anhand von einigen Zitaten auf ein ein paar gravierende Fehler aufmerksam machen, die man bei einer zukünftigen Revidierung dieses Buches bedenken müsste. 1. Übungen vor dem Text Nur für 17 von allen 73 didaktisierten Texten gibt es so genannte „Übungen vor dem Text“. Für die restlichen 56 muss sich der Lehrende selbst verschiedene Übungen und Strategien ausdenken, die ihm den Einstieg ins Thema erleichern würden. An sich stört diese Tatsache nicht allzu sehr, aber sie widerlegt die angekündigte Lehrbuchstruktur. 2. Lesetexte Versucht man mithilfe des Inhaltsverzeichnisses die Struktur des Buches besser zu verstehen, so stellt man überrascht fest, dass hier nur die Titel der 73 Texte angeführt werden, ohne den Verfasser mitzuerwähnen. Für den Text “Der Mensch“ von Seite 158 geben Lipceanu / Rotaru auch keinen Autor an, aber ein aufmerksamer Leser kann mithilfe einer zum Text gestellten Frage, das Rätsel auflösen. (“Könnte Tucholskys Text auch in einem Biologiebuch stehen?“) Selbst wenn man den Text im Lehrbuch nachschlägt, kann man überraschenderweise auch nicht immer den Namen des Autors erfahren. Nur für einige, sehr wenige Autoren – 9 (neun) insgesamt- , deren Name angeführt wird, gibt es auch eine sehr kurze Biografie. 3. Übungen nach dem Text Selbst wenn die Übungen vor dem Text (s. Lehrbuchstruktur!) nicht vor allen 73 Texten erscheinen, so findet man dennoch erfreulicherweise durchgehend die so genannten Übungen nach dem Text.

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All diese Übungen sind nicht weiter von den Autoren je nach Schwierigkeitsgrad oder Übungstyp gruppiert worden, so dass man von Fragen zum Leseverstehen über Wortschatz- und Grammatikübungen bis hin zu Aufgaben zur schriftlichen Stellungnahme eine grosse Vielfalt hat, die in einer Neuauflage dieses Lehrbuches einer besseren Gliederung bedarf. Einige Übungen sind durchaus interessant und zum Teil auch originell. (Bsp. S. 51 / Üb.3, S. 64 / Üb. 1- Frage 16, S. 79, Üb.3, S. 100 / Üb. 5, S. 154 / Üb. 5, S. 168 / Üb. 1 ). Dennoch gibt es auch Übungen, deren Formulierung leider nicht gelungen ist, z.B. : Gespräch (als Hausaufgabe) S. 13, Wie glauben Sie, warum heißt der Text „Egon Witty“? S. 24, Wie meinen Sie, worüber ist die Rede im Text? S. 33, Sprechen Sie zum Sprichwort: „Gesagt, getan“ S. 82, Vergleichen Sie die deutsche Sprache mit Ihrer Sprache. Vergleichen Sie Ihr Erlebnis mit dem der Gruppe S. 96. Andere, recht viele fehlerhafte Strukturen könnten dazu führen, dass Lehrende und Lerner sich diese unreflektiert aneignen oder aus Unkenntnis einfach so übernehmen und gebrau-chen. Ein paar Beispiele (in Auswahl): „Geben Sie die direkte Rede der Fahrgäste durch! Schreiben Sie die Wörter des Autors und zwar die Verben heraus!“ (S. 44), „Aufgaben und Übungen zur Herstellung eines Lebenslaufes in erzählender und tabellarischer Form“ (S. 52), „Lesen Sie, übersetzen Sie den Text. Erzählen Sie den Text von Namen a).des Rattenfängers, b).eines Bürgers, c). eines Kindes“ (S.126), „Bilden Sie zusammengesetzte Wörter, die „Kind“ als Bildelement enthalten“ (S.131), „Bitte demonstrieren Sie in ihrem Heimatland typische körpersprachliche Signale, die Angst ausdrücken oder erregen können, und erklären Sie sie“ (S. 157) und „(...) Die Aufgabe der ersten Gruppe ist die Frau, Marie rechtzufertigen, ihr Benehmen zu akzeptieren und dazu die Beweise beizubringen“ (S. 206). Eine andere Übung (S. 100) lässt - abgesehen von zwei Orthografiefehler (“Lähme“ statt Lämmer und “Tel“ statt Tell) - jeden Fortgeschrittenen schmunzeln, wenn man alle von den Autoren gestellten Fragen nach dem von ihnen vorgegebenen Modell beantwortet: “Suchen und finden. Mögen Sie Tiere? Muster: Ja, vor allem Lähme“. Es werden unter anderem noch folgende Fragen gestellt: „Mögen Sie Tel?“ und “Mögen Sie Diebe?“ Wie soll man denn darauf antworten, wenn man vom obigen Muster ausgeht ? Vielleicht so: ‘ja, vor allem Wilhelm Tell’ und ’ja, vor allem Taschendiebe’?! Die Autoren haben in diesem Lehrbuch aber auch zahlreiche Übungen zu verschiedenen Schwerpunkten aus der Grammatik ausgewählt z.B. zur Adjektivdeklination (S. 9, S. 206), zu den Zeiten des Verbs (S. 12, S. 18), zum Relativpronomen (S. 16, S. 82, S.169), zum Konjunktiv II (S. 20, S. 93), zur Präposition (S. 22, S.127, S. 188), zur Rektion der Verben (S. 32), zur Komparation der Adjektive (S. 42), zu den trennbaren Partikeln beim Verb (S. 70), zu den Modalverben (S. 85) u.a. Nur ist die Grammatikprogression in diesem Lehrbuch insgesamt flach und besteht grundsätzlich aus der Wiederholung des Grundstufenmaterials. Die Lerner finden weder Regeln, noch Erläuterungen zu den Grammatikübungen, aber selbst der Anlaß diese in verschiedenen Übungen zu erarbeiten oder darüber zu reflektieren fehlt. Solche Übungen hätten den Lernern bestimmt geholfen die erworbenen Grammatikstrukturen zu wiederholen und zu festigen. Leider hat dieses Lehrbuch keinen Lösungsschlüssel für die zahlreichen (Grammatik)Übungen, so dass die Lerner die Fehlerkorrektur nicht selbstständig durchführen können, und so ist dieses Buch in der vorliegenden Variante nicht wirklich zum Selbststudium geeignet. Auch eine kurze systematische Darstellung der oben in Auswahl zitierten Grammatikthemen und / oder ein Stichwortregister der benutzten Fachtermini wäre für die Lerner sehr nützlich gewesen. Überraschenderweise bringen die Autoren an zwei Stellen grammatische Begriffe durcheinander und verwenden falsche Bezeichnungen. Ein erstes Beispiel findet man auf Seite 70, in Übung IV, wo es heißt: „Präpositionen als Verbzusätze. Welche Präposition passt wo? – aus – an - unter – über - : sich im Hotel ....melden“. Zwar fungieren die Lexeme (aus, an, unter, über) auch als Präpositionen, aber in dieser Übung spielen sie eine andere Rolle. Sie werden in der traditionellen Grammatik „trennbare Partikeln“ genannt

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und in der Dependenzgrammatik Ulrich Engels (2002, 85) „Verbzusätze“. Sie sind aber keinesfalls Präpositionen! Ein zweiter falscher „Grammatikhinweis“ ist auf Seite 144 zu finden : „Wann? An Ostern = Terminangabe: An Ostern kommt Besuch.“ Und weiter „ Wozu? Zu Ostern = final: Zu Ostern bekommen die Kinder Geschenke. (süddeutsch)“. Eigentlich gibt es in den oben zitierten Beispielen drei Fehler! Erstens heißt es richtig „Zeitangabe oder Temporalangabe“ und nicht „Terminangabe“, zweitens ist „zu Ostern“ nicht final, sondern auch eine Temporalangabe. Man erfragt zu Ostern nicht mit „wozu?“, sondern mit „wann?“. Drittens ist die Angabe „süddeutsch“ wichtig, aber sie trifft laut Duden (2003, S. 1172) für die Struktur „an Ostern“ zu. Nur “zu Ostern“ ist typisch Norddeutsch. Der Anteil der Grammatikübungen wird aber bei weitem nicht von der großen Anzahl der Übungen übertroffen, die vor allem auf die Entwicklung der kommunikativen Sprechfertig-keiten abzielt. Ein großer Pluspunkt für die Autoren, denn sie bieten dem Deutschdozenten die Möglichkeit in ihren Unterricht unterschiedliche Übungstypen einzubringen. Kehrt man zurück zur Lehrbuchstruktur, so muss jetzt vor den Schlussgfolgerungen nur noch ein letztes Element besprochen werden. Also: 4. Wortschatzlisten Diese Bezeichnung kann man überraschenderweise außer im Vorwort, nirgendwo mehr im Lehrbuch finden. Die für das Textverständnis wichtige Wörter werden den Lernern mithilfe von Definitionen und / oder Synonymen auf Deutsch erklärt. Diese Worterläuterungen könnte man natürlich auch als „Wortschatzlisten“ verstehen, denn die Autoren sind sich, was die Bennenung dieses Abschnittes anbelangt überhaupt nicht einig, solange sie dafür folgende unterschiedliche Bezeichnungen verwenden: “Worterklärung“, “Worterläuterung“, “Vokabelerläuterung, „Wortschatz“, “Erläuterungen“, “Wörtererklärung“ und auch das umlautlose “Worterlauterung“. Es ist wichtig und selbstverständlich sinnvoll, dass die Erklärung neuer Strukturen auch in der zu erlernenden Fremdsprache erscheinen, aber leider geben die Autoren für einige Wörter entweder unschlüssige Erklärungen oder Kreisdefinitionen an, so dass die Bedeutung des Wortes nicht erfasst werden kann, z.B.: „Anlauf nehmen: er nahm einen guten kräftigen Anlauf, ließ aber wieder ab“ (S. 103), „ der Hohlkörper: eine Form, die innen hohl ist“ (S. 120), „der Rattenfänger: der Fänger der Ratten; jmd, der die Ratten fängt“ (S. 126), „vor Gericht kommen: vor Gericht erscheinen, aussagen“ (S. 132). Aus diesen zitierten Bedeutungserklärungen kann der Lerner nicht verstehen, was “Anlauf nehmen“, “Hohlkörper“, “Rattenfänger“ und “vor Gericht kommen“ bedeuten. Außerdem ist die Darstellung der Wörter in den so genannten Wortschatzlisten absolut uneinheitlich. Viele Substantive werden entweder ohne Genusangabe oder sogar auch ohne Pluralform aufgelistet. Selbst der Gebrauch der Abkürzungen ist verwirrend und ärgerlich, weil die Autoren zum Beispiel für das Pronomen jemand unterschiedliche Formen benutzen: j-d (S. 9), jmd (S. 19), jd. (S. 190) und für die deklinierte Form jemandem: jdm. (S. 190), jm. (S. 195), jmdm (S. 194), j-m (S. 211). Auch zahlreiche Tipp- und Sprachfehler und selbst ein entstelltes Sprichwort – „Lügen haben schöne Beine“ (sic!) (S. 22) - müssen bei einer Revidierung dieses Lehrbuches unbedingt ausgemerzt werden. Die Tatsache, dass ein und dieselbe Übung in leicht abgewandelter Form an zwei verschiedenen Stellen (s. S. 127 / Üb. IV und S. 131 / Üb. III) und eine andere auch zwei Mal in diesem Lehrbuch erscheint (S. 118 / Üb. unten und S. 122 / Üb. X), zeugt von auch redaktioneller Oberflächlichkeit. Weitere Kommentare zur viergliedrigen Struktur dieses Buches würden den Rahmen einer Rezension sprengen. Kehrt man zurück zum Vorwort (S. 5), so kann man diesem entnehmen, dass zum Adressatenkreis dieses Buches Lipceanu / Rotaru sowohl Hochschullektoren und “Studenten des 2. und des 3. Studienjahres“, als auch den “breiteren Leserkreis“ zählen. Leider präzisieren die Autoren nicht welches Eingangs-

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niveau die Lerner haben müssen, um mit diesem Lehrbuch arbeiten zu können. Es heißt nur: “Zweifellos wird es das Interesse erwecken, dass dieses Lehrbuch sowohl im Unterricht als auch für die selbständige Arbeit verwendet werden kann, und es besteht auch die Möglichkeit, das Sprachniveau der Studenten zu berücksichtigen “ (?) (S. 5). Wie soll man denn diese unklar formulierte Äußerung verstehen? Nicht unerwähnt darf in diesem Zusammehang auch das im Vorwort formulierte Ziel des Buches bleiben, und zwar „die Entwicklung der Lese-, Verstehens- und Sprechfertigkeit“ (S. 5). Ob aber die von den beiden Autoren vorgeschlagenen Inhalte und Lehrziele die bereits erworbenen Sprachfertigkeiten der Lerner wirklich berücksichtigen können, und ob dadurch die Lernmotivation gefördert wird, muss in Frage gestellt werden, solange Lipceanu / Rotaru das Eingangsniveau und das durch dieses Buch angestrebte Ausgangsniveau der Deutschlerner nicht näher beschrieben haben. Die Bezeichnung “Lehrbuch für Fortgeschrittene“ ist folglich zu vage (s. dazu den Europäischen Referenzrahmen und die dort beschriebenen Niveaustufen für Fremdsprachen). Das Quellenverzeichnis dieses Lehrbuches gibt wenig zuverlässige Angaben zur zitierten Literatur. Die Autoren der hier 11 angeführten Titel sind leider nicht alphabetisch geordnet und die fehlenden Angaben bezüglich Erscheinungsort, Jahr und Verlag erschweren die Suche nach den Büchern oder Zeitschriften. Ein Eintrag im Quellenverzeichnis ist bedauerlicherweise von den Lehrbuchautoren so entstellt worden, dass jedwelcher Versuch das im Geramond Verlag erschienene Buch ”Deutsch mit Fortgeschrittene“ von George Rădulescu, ausfindig zu machen, mit Sicherheit scheitern wird. Das Buch heißt in Wirklichkeit ”Germana pentru avansa]i“, ist von Gheorghe Rădulescu geschrieben worden und erschien im Garamond Verlag. Ein weiterer gravierender Fehler in der Quellenangabe ist auf Seite 44 zu finden. Der Text “Vater im Baum” stammt nicht von Margret Steenfatt, sondern von Margret Wendt. (siehe Deutsch mit Spaß, 10. Klasse (1998, 15 und 240). Solche bibliographische Fehlangaben stellen leider die wissenschaftliche Akribie der Herausgeber sehr in Frage und zeugen von einer oberflächlichen Auseinandersetzung mit ihrem Manuskript. Trotz der zahlreichen Ungereimtheiten und Druckfehler, die vielleicht nur durch redaktionelle Hast entstanden sind und für weitere Ausgaben leicht eliminierbar sind, könnten einzelne Texte aber auch viele Übungsformen dieses Lehrbuches an Hochschulen verwendet werden. Die Voraussetzung dafür ist aber, dass der Unterrichtende der deutschen Sprache mächtig ist, und so viel Lehrerfahrung hat um die guten Seiten dieses Buches hervorzuheben und die weniger gelungenen zu überspringen. Alle hier dargelegten kritischen Bemerkungen zu diesem Lehrbuch sind als ein Zeichen des Interesses für die Entwicklung guter, lernerzentrierter Unterrichtsmaterialien zu verstehen und keinesfalls als ein Anlass die Arbeit anderer Fachkollegen in Frage zu stellen, umso mehr, wenn es sich, so wie es die Autoren im Vorwort betonen, um einen ersten Versuch handelt.

Literatur: 1. 2. 3. 4.

DUDEN (2003): Deutsches Universalwörterbuch, 5.überarb. Auflage, Dudenverlag, Mannheim. ENGEL, ULRICH (2002): Kurze Grammatik der deutschen Sprache, Iudicium, München. KOCH, MARIANNE; GHEORGHE NICOLAESCU (1998): Deutsch mit Spass, Editura Didactică [i Pedagogică, Bucure[ti. Ana Iroaie * *

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Ludwig Wittgenstein în filosofia secolului XX, hrsg. v. Mircea Flonta u. Gheorghe Ştefanov. Iaşi: Polirom 2002 (A Treia Europ`) Wittgenstein ist vielleicht der wichtigste, gewiß aber einer der zentralen Denker des 20. Jahrhunderts – und verspätet, aber doch hat seine Rezeption auch in Rumänien eingesetzt, wo sich nun unter dem Titel 7 Ludwig Wittgenstein în filosofia secolului XX ein Band mit Aufsätzen des Philosophen annimmt. Die Aufsatzsammlung zielt dabei auf das rumänische, aber auch internationale Publikum – alle Beiträge sind in rumänischer Sprache wiedergegeben, ihnen sind jedoch englische oder deutsche Fassungen meist beigefügt. Der Aufbau des Buches ist nicht unbedingt originell, doch vernünftig – begonnen wird bei der argumentativen Struktur des Tractatus Logico-Philosophicus und der Konzeption der Notwendigkeit darin, ehe Verbindungen zum Wiener Kreis, zur Psychoanalyse und zur Populärpsychologie gezogen werden, wobei ein Essay zum Verstehensprogreß im Sprachspiel in diesen Block gerutscht ist, in der Folge werden Einzelaspekte wie das Problem der Metaphorik diskutiert, den Abschluß bildet die Frage, wie Wittgenstein zu Quine stehe. Leider lassen viele Beiträge jedoch arg zu wünschen übrig – schon deshalb, weil die Verehrung der Analyse ausgerechneet bei diesem uneitlen und auf Schärfe bedachten Denker im Wege steht. So setzt Mircea Flonta natürlich den Akzent, wenn es um Wittgensteins Lektüren geht, auf Lichtenberg, „un contemporan al lui Kant” (93), wie der Interpret hinzusetzt, als würde dies die Bedeutung des PhysikerPhilosoph-Aphoristikers noch erhöhen, und nicht auf die Kriminalromane, die Wittgenstein bekanntlich verschlang, über deren mögliche Bedeutung für den Philosophen zu spekulieren aber zu originell und unprätentiös wäre. Und wenn nun schon Lichtenberg genannt wird, so auch dies ohne Folgen für den Fortgang der Überlegungen; festgehalten wird die – ich möchte sagen: fragwürdige – These, daß man Lichtenbergs Aphorismen als letztlich doch nur (?) schriftstellerische Produkte eines gebildeten Autors nehmen dürfe, doch nicht mit Wittgensteins Texten, die ihn als Philosophen erkennen lassen, zu vergleichen sind. Immerhin verfolgt Flonta jene Eigenheit und sieht als zentrales Bestreben Wittgensteins: „Miza ultimă pare să fie ceea ce Wittgenstein a numit schimbarea stilului gândirii” (99) – daß es also um die Wandlung des Denkstils gehe. Ob allerdings die Lektion des Multi-Perspektivismus dann der Weisheit letzter Schluß ist? Ungleich schlechter ist der Beitrag von Rainer Schubert, Schubert der schreibt, Wittgenstein wolle „die Sprache als Ganzes unter eine Metapher stellen” (186), nämlich unter die des Sprachspiels: Das Sprachspiel aber ist gerade die Erfahrung, daß die Sprache nicht definitiv zu bestimmen ist. Darum schreibt Wittgenstein auch das Gegenteil dessen, was sein Interpret behauptet, die „ganze Sprache kann man nicht interpretieren” (Wittgenstein: Wiener Ausgabe, Bd. III, S.325) – womit die Annäherung Schuberts eigentlich erledigt ist. Das Spiel als solches vereitelt den sinnvollen Gebrauch jeder Generalmetapher; die Sprache gleicht nicht dem, was sie ist, es „gibt keinen Weg zur Unendlichkeit, a u c h n i c h t d e n e n d l o s e n .” (WA I, S.85) Schubert will aber ohnehin nicht Wittgenstein verstehen, sondern in einer Objektspaltung, die jedes hochgradig Schizophrenen würdig ist, „den guten und den schlechten Wittgenstein” (184) trennen. Der gute Wittgenstein ist der Sprachanalytiker, der dem Sprechen und Denken Grenzen setzt, der schlechte soll darum keine Moral gelten lassen – zwei Effekte des einen berühmten Satzes: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen” (TLP, § 7), den Schubert aber nicht begreift, insofern er den Wechsel der Ebenen (wovon – darüber) verkennt. Gerade deshalb, weil sich die Grenzen der Sprache als die meiner Welt nicht metasprachlich formulieren lassen, ist dieser berühmte siebte Paragraph 7

Rumänisch fehlerhafte Schreibweise: Es solte richtig heißen: al XX-lea. (Red. der ZGR.)

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nicht nur jeder falsch-eigentlichen Rede, die privilegierte Wahrheiten beansprucht, mittels der Klärung im Wege, sondern auch dem Vulgärpositivismus, den Schubert Wittgenstein letztlich unterstellt. So beginnt hier der Anspruch, tatsächlich poetisch Sprache und Denken weiterzuentwickeln, gerade auch auf den Anderen und das Andere zu, „Philosophie dürfte man eigentlich nur dichten”, wie Wittgenstein schreibt: „Insofern könnte man den Philosophen auch Sprachschöpfer nennen.” (WA I, S.74) Das Fazit zu diesem Beitrag: Wovon man nichts versteht, davon soll man tunlichst nicht schreiben… Vergleichsweise erfrischend ist der Essay zum Verstehensprogreß im Sprachspiel von Gheorghe-Ilie Fârte. Er geht davon aus, daß der Sinn des Satzes nicht dessen Seele ist, „nicht pneumatisch”, wie Wittgenstein schreibt, was doch bedeutet, daß der Satz sein Sinn ist, ihn konkretisiert – und im jocurile de limbaj, im Sprachspiel immer neue Möglichkeiten von Verstehen nicht findet: sondern, und zwar „în mod principal” (47), erfindet. Vielleicht wird dabei das unterschätzt, was in Ilie Pârvus gleichfalls nicht uninteressantem Beitrag überakzentuiert ist. Nach einer gründlichen Einleitung versucht er, Wittgenstein vor allem als einen Denker und Formulierer im Geiste der Mechanik Newtons zu zeigen, was wesentliche Aspekte nicht erfaßt. Neben diesen Essays, die den Nexus der Philosophie Wittgensteins suchen, stehen wie erwähnt jene, die den Kontext erhellen – oder zu erhellen vorgeben: Oft wird nur wiederholt, was andere schon sagten, beispielsweise zum Wiener Kreis wenig festgehalten, das Janik und Toulmin nicht schon formuliert hätten – ein Grund, weshalb der Essay Wittgenstein şi Cercul de la Viena nicht aus dem Rumänischen übersetzt wurde..? Paul Kuns Kun Beitrag ist hier eine angenehme Überraschung, insofern er das Sprachspiel, das er zwar mit etwas Schiefauge definiert, doch treffend als Wesen des Willens und der diesem Vorschub leistenden Rationalität definiert, woraus er folgert, daß gerade im Sprachspiel die Möglichkeit oder Basis von Gerechtigkeit, Moral und menschlicher Kultur (oder Kultur der Menschlichkeit?), „bazele justiŃiei, moralitatăŃii şi culturii umane” (70) liegt. Insgesamt liegt ein nicht unspannender Band vor – der jedoch als die Einführung in Wittgensteins Denken, die er vielleicht auch sein will, untauglich ist, weil er zwar anregend, aber teils auch recht zweifelhaft geriet. Als Zeugnis des Ideen- und Kulturtransfers zwischen Österreich (und Großbritannien) sowie Rumänien ist der Band ebenso wie als Diskussionsbeitrag sehr zu begrüßen. Martin A. Hainz

Orlando Balaş: Bala : Limba Germană. Simplu şi eficient. Editura Polirom, Iaşi 2005, 352 S. Mit einem Vorwort von Rudolf Windisch „Limba Germană. Simplu şi eficient“ (Autor Orlando Balaş, Lektor an der Universität Großwardein, Lehrstuhl für Germanistik) ist das Resultat mehrjähriger Erfahrung im DAF-Unterricht. Als solches verbindet das Buch den praxisorientierten Ansatz des Didaktikers mit der theoretischen Wissenschaftlichkeit des Germanisten. Das komplexe – vielleicht für den Lernenden zu komplexe – Lehrwerk umfasst in 22 Lektionen fast alles, was in der deutschen Grammatik wichtig ist, erklärt und illustriert es durch zahlreiche Beispiele. Die Texte am Anfang jeder Lektion versichern als Konversationsteil die direkte Verbindung zur Praxis der Sprache. Die in ihnen auftretenden Gestalten und die Handlung bieten Kontinuität an, wichtig für die Lernereffizienz. Durch die erstklassige Einführung in die Phonetik und Phonologie der deutschen Sprache, den kontrastiven Ansatz und ständigen Rückgriff aufs Rumänische haben die Lernenden den passenden Schlüssel zur deutschen Sprache in der Hand. Natürlich entdeckt man als Außenstehender, dank der Distanz, auch kleine Mängel, die der Autor während der Arbeit am Buch übersehen hat. So wäre z. B. die relativ späte Besprechung der Fragesätze und der Negation im Laufe des Buches. Großer Akzent wird aber auf einen wichtigen Aspekt der deutschen Sprache gelegt, nämlich den Unterschied zwischen Richtung/Bewegung und Ruhelage, der entsprechend umfangreich, mit Beispielsätzen für alle

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Fälle: Personen, geographische Namen usw. behandelt wird. Innovativ ist in diesem Sinne die Anlage am Ende des Buches mit einer Landkarte Europas, als Synthese dieser Informationen. Weitere Lernhilfen bieten die Anhänge zum Genus der Substantive oder zur Valenz der Verben und Adjektiven/Adverbien. Diese letzten zwei gelten durch ihre Neuartigkeit als besondere Stärken des Lernmaterials. Von der Praxisbezogenheit des Autors zeugen auch die ausführlichen Erklärungen zum Kasus der Substantive. Während die meisten Lehrwerke davon ausgehen, die Termini Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ und was sie decken, seien dem Leser bekannt, hält Orlando Balaş für nötig – von der Praxis des DAF-Unterrichts her – diese Begriffe näher einzugehen. Es werden nicht nur klassische Fehler vorgestellt, sondern auch Unterscheidungs- und Kontrollmöglichkeiten dargeboten. Der kontrastive Ansatz Deutsch-Rumänisch, im ganzen Werk durchaus, ist im Lernprozess von großem Nutzen. Einen neuen Ansatz findet man auch bei der Deklination der Substantive und Adjektive. Es wird nicht über starke/schwache/gemischte Deklination gesprochen, sondern es werden Deklinationsmuster angegeben. Dabei fehlt mir die ausführliche Erklärung, das Bewusstmachen dieser Deklinationsmodelle, besonders im Falle der Deklination der Substantive. In der Überzeugung, dass es kein perfektes Lehrwerk gibt, halte ich aber als Deutschlehrer und selber Autor von didaktischen Werken „Limba germană. Simplu şi eficient“ für ein nützliches Mittel nicht nur zur Einführung in die deutsche Sprache, sondern durch die Behandlung von komplexeren grammatischen Problemen auch zur Vervollkommnung der Sprachkenntnisse, ein Mittel, das im Pluralismus der Lehrbücher und Ansätze sicherlich seinen Platz findet. Andrea Hamburg *

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Rezeptionsgeschichte und Reparation. Reparation. Bican, Bianca: Die Rezeption Paul Celans in Rumänien, Böhlau Verlag, Köln/Weimar/Wien 2005. 230 Seiten Einer der neueren Trends und zugleich eine noch nicht ausgehöhlte Nische in der Celan-Forschung ist die Rezeptionsgeschichte. Die literarhistorischen Voraussetzungen für die neue Orientierung sind erfüllt, denn vom Tod des aus der Bukowina stammenden jüdischen Lyrikers deutscher Zunge trennen uns bereits mehr als drei Jahrzehnte, im Laufe derer sein Werk eine kaum übertroffene Aktualität erlebt hat. Die 2005 erschienene Studie Bianca Bicans, Die Rezeption Paul Celans in Rumänien, zählt zu den notwendigen Schritten, die man tun muss, um die Zeitgenossenschaft Celans mit der Literatur seines Ursprungslands bzw. seine Nachwelt in Rumänien nachzeichnen zu können. Ähnliche Demarchen haben denselben Problemkreis aus anderen Perspektiven angegangen. Dazu gehören z. B. die hermeneutisch artikulierte Studie Bianca Rosenthals (Pathways to Paul Celan. A History of Critical Responses as a Chorus of Discordant Voices, 1995) und die meines Wissens noch unveröffentlichte Pariser Dissertation von Dirk Weissmann, deren Anliegen es ist, die Rezeption Paul Celans in seiner Adoptivheimat, Frankreich, unter drei wesentlichen Aspekten zu betrachten: Dichtung, Judentum und Philosophie. Der knappe Hinweis auf die jeweils herangezogene Methode der obigen Arbeiten mag vielleicht veranschaulichen, dass die Rezeptionsgeschichte im Grunde keinen eigenen wissenschaftlichen Apparat besitzt, sondern höchstens eine Wissenschaft sui generis darstellt. Weil sie über die Immanenz der historischen Fakten nicht hinausblicken kann, verschafft sie sich eine Darstellungssystematik gerade aus der Dominanz bestimmter Phänomene. So macht Bianca Bican die Zensur als das Vorherrschende aus, welches das literarische Geschehen im kommunistischen Rumänien begleitet haben soll. (Die Zeit von der politischen Wende 1989 bis heute, die von der Autorin nicht minder untersucht wird, war ja einfach zu kurz, um andere Dominanten hervorgerufen zu haben.) Von den harschen Verboten und den „sorgenvoll“ festgelegten ästhetischen Vorgaben der kommunistischen Propaganda der späten 40er bis 60er Jahre,

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über die grauenvollen Autoren-Indices, bis hin zur subtilen, gar undurchdringlichen Selbstzensur jeglicher Autoren (des establishment wie des „inneren Exils“) in den von der Figur des (möchte-gern-) „aufgeklärten Despots“ Ceauşescu dominierten 70er und 80er Jahren – diese ganze Entwicklung kann der Leser, dem die rumänischen Verhältnisse fremd waren, in der ausführlichen Darstellung Bianca Bicans entdecken (S. 917). Umso gerechtfertigter ist vor diesem Hintergrund die Erwartung des Lesers, die Implikationen der Zensur auch im konkreten Fall der Rezeption Paul Celans in Rumänien verfolgen zu dürfen, doch leider wird die Problematik in den folgenden Kapiteln von der Autorin nur noch mit Streifschüssen getroffen. Man erfährt zwar, dass die deutschsprachigen Publikationen Rumäniens mehr Interesse am Werk Paul Celans denn die rumänischsprachigen gezeigt haben, dass die Einsetzung des Deutschen an sich gewissermaßen eine Strategie zur Umgehung der Zensur war, dass bestimmte Aspekte der Biografie des Dichters systematisch verschwiegen wurden, indes ist die zusammenfassende Formel “Zensur als Mitautor“ (S. 14) viel zu verschwommen, um grundlegende Fragen beantworten zu können: War Celans Werk von den Kommunisten jemals indiziert? Was war die Situation seiner Übersetzer oder Kommentatoren? Hatten diese die Zensur frontal zu bekämpfen, oder war die Herausgabe Celans eine nicht gerade widrige Angelegenheit, die „lediglich“ Selbstzensur (im Sinne der Vermeidung der Tabus bzw. einer vorsichtigen, ambivalenten Ausdrucksweise) verlangte? Ferner und damit verbunden findet keine Antwort die Frage nach der kreativen Rezeption des deutschsprachigen Lyrikers, d. h., ob und inwiefern das Werk Paul Celans auf die rumänische oder rumäniendeutsche Lyrik der Nachkriegszeit eingewirkt hat, solange es über das Umgekehrte bereits spekuliert wurde. Zweckdienlich wäre meines Erachtens mindestens ein Streifzug durch das poetische Werk der eminenten “Rezipienten” Celans (Übersetzer und Anthologisten), von denen man weiß, dass sie selber literarisch tätig waren (Petre Stoica, Nina Cassian oder Maria Banuş, um nur einige Namen zu erwähnen). Dass andererseits Celan übersetzungstechnische und literarhistorische Debatten auch in Rumänien ausgelöst hat, liegt nahe. Schließlich hatten Czernowitz und Bukarest als wichtige Lebensstationen des Dichters hochwertiges, unabdingbares biografisches und literarisches Material anzubieten. Zum einen durch die Bemühungen Alfred Kittners oder George GuŃus, unbekannte Quellen aus dem Nachlass verschiedener Celan-Freunde zu veröffentlichen, zum anderen durch die Memoiren zeitgenössischer Schriftsteller (Petre Solomon, Ovid S. Crohmălniceanu u. a.) wurde die Bio-Biblio-grafie Celans von Rumänien aus um viele wichtige Anhaltspunkte bereichert. Eher dem trägt das Buch Bianca Bicans Rechnung, indem die Kontroversen um diese oder jene chronologische Einordnung der Texte (S. 22-45), um diese oder jene Übersetzungsvariante besser als die zensurbedingten Übersetzungsstrategien dokumentiert sind. Mehr noch: viele Textzeugen werden wiederholt diskutiert, einmal im Original, dann als Übersetzungen. Insofern kann man sagen, dass die Autorin vielmehr einen mit Fakten reichlich belegten hermeneutischen Zirkel (in Synchronie) bzw. eine hermeneutische Spirale (in Diachronie) zu schließen versucht, als dass sie eine kultursoziologische Perspektive eröffnet. Nur das scheinbar Paradoxe der Heimat Paul Celans – die Mehrsprachigkeit und die kulturelle Pluralität – hat die Autorin dazu verleiten können, dass sie zwei sprachlich differente, in Rumänien jedoch koexistierende, also ineinandergeschachtelten „Kulturfelder“– das deutsche und das rumänische – der getrennten Analyse unterzog, wobei die vielversprechende, indes nicht risikofreie Methode nicht mehr auf ihre Relevanz für das ausgewählte Studienobjekt hin befragt wurde. Es sei dahin gestellt, ob das „deutschsprachige Kulturfeld“ in Rumänien jene ausgesprochene „strukturale Homologie“ aufweist, von der Bourdieu sprach, die es ihm erlaubte, als ein kultursoziologisches Distinktum betrachtet werden zu können, zumal die Autorin selber im anschließenden Kapitel („Celan und die rumäniendeutsche Literatur“, S. 46-67) den missbräuchlich syntagmatisch verwendete Ausdruck „rumäniendeutsche Literatur“ mit oft kritischen Akzenten hinterfragt. Es scheint, dass es nicht einfach reicht, von der Terminologie Bourdieus Gebrauch zu machen, ohne seine Theorie vom Kulturfeld zugleich durch die zu erforschenden Phänomene zu aktualisieren, und sie erst anhand des spezifischen Untersuchungsobjekts sich bewähren zu lassen.

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Soviel zur Theorie. Dem ungeachtet hat die Studie Bianca Bicans im angewandten Teil unleugbare Verdienste: Sorgfalt beim Sammeln des Beweismaterials und Rigorosität der Beschreibung wird der Leser keineswegs vermissen. Selbst dort, wo die Darstellung allzu pedantisch-deskriptiv zu wirken beginnt, wird das Verfahren durch die eigens gestellte, berechtigte Forderung nach einem möglichst präzisen Wertungsapparat legitimiert. Damit werden Schwächen und Stärken der jeweils diskutierten Anthologien oder Übersetzungen aufgedeckt. Die einzelnen Einträge im Inventar der einschlägigen „Rezeptionsgesten“ sind mit Kommentaren versehen, welche die Stellung Paul Celans in der Ökonomie des Tauschs zwischen der rumänischen und der deutschen Literatur (bzw. der Weltliteratur) klären. Auch trägt die Auflistung von unterschiedlich übersetzten Band- und Gedichte-Titeln dazu bei, dass der Leser selbst eine rezeptionsgeschichtlich umfangreiche Synopsis gewinnt. Auf diese Weise wird die ganzheitliche Dimension der Rezeption des Dichters in Rumänien sichtbar, und weil jede Rezeptionsgeschichte schließlich eine implizite Reparation ist, vermag die Studie Bianca Bicans zu verbildlichen, dass die Bedeutsamkeit des Werks Paul Celans für die rumänische Kultur größer ist als die Anerkennung, der es sich bisher erfreut hat. In diesem Sinne würde die übersetzte Version des Buchs sicherlich auch beim rumänischen Publikum auf Interesse stoßen. Gabriel H. Decuble * *

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TAGUNGEN, SYMPOSIEN, KOLLOQUIEN, KURSE "Identität und Differenz. Geschlechterkonstruktion und Interkulturalität “ . Tagung des DFG-Graduiertenkollegs der Universität Trier, 12.11. -14.11.2004, Trier Die Frage nach Vernetzungen und Analogien zwischen Konstruktionsprozessen von Geschlecht, Rasse und Nation stellt seit den 1990er Jahren einen zentralen Forschungsgegenstand sowohl der postcolonial als auch der gender studies dar. Die übergeordnete Fragestellung der internationalen Konferenz "Verhandeln, Verwandeln, Verwirren: Interdependenzen von Ethnizität und Geschlecht", die vom 12. bis 14. November 2004 vom DFG-Graduiertenkolleg Identität und Differenz. Geschlechterkonstruktion und Interkulturalität an der Universität Trier veranstaltet wurde, knüpfte an diese Forschungszusammenhänge an. Grundlage dieser neueren Forschungen sind Texte einschlägiger TheoretikerInnen (u. a. Homi Bhaba, Stuart Hall, Edward Said, Gayatri Spivak), die neben einer kritischen, auch eine möglichst hierarchiefreie Darstellung kolonialer Diskurse fordern. Die übergeordnete Fragestellung der international besetzten dreitägigen Veranstaltung galt vor diesem Hintergrund den Überschneidungen von Geschlecht und Ethnizität in verschiedenen wissenschaftlichen und künstlerischen Kontexten. Aus dem Trierer Graduiertenkolleg waren die Disziplinen Ethnologie, Germanistik, Geschichtswissenschaft, Japanologie, Kunstwissenschaft und Medienwissenschaft vertreten. Der erste inhaltliche Block war dem alteritätstheoretisch erhellenden Blick auf koloniale und geschlechtlich codierte Repräsentationsformen der außereuropäischen ‚Neuen Welten' gewidmet. Der Untersuchungsbereich reichte hier von den Kolonialmissionen Ost-Afrikas über afrikanische Kolonialsoldaten im 1. Weltkrieg bis hin zu den kolonialen Bildchiffren der Mutter-Kind-Repräsentation in der Fotografie. Maike Christadler, Kunsthistorikerin und Theoretikerin der Postcolonial Studies vom Historischen Seminar an der Universität Basel führte am Beispiel der Darstellungen von "Frauen mit Kindern" in die Welt der Bildchiffren im postkolonialen Diskurs ein. Der kenntnisreiche und engagierte Vortrag fokussierte auf die Inszenierung des außereuropäischen ‚Anderen' am Beispiel von Reiseberichten, Trachtenbüchern in ihrem wechselseitigen Bezug der Lokalisierung von ‚Eigenem' und ‚Anderem' und spannte den Bogen der Betrachtung von der Algonkin-Motivik des ausgehenden 16. Jahrhunderts bis hin zu den VölkerschauFotographien des 19. Jahrhunderts. Der klar strukturierte Vortrag von Sandra Maß, Historikerin und Südosteuropa-Expertin von der Universität Bochum, knüpfte an das Thema ihrer Disputation an der Universität Bielfeld an. Unter der Überschrift "Afrikanische Kolonialsoldaten auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges" beleuchtete die Referentin, die auf Erfahrungen am Europäischen Hochschulinstitut Florenz sowie in der Historischen Politikforschung an der Universität Bielefeld zurückgreifen kann, die koloniale Imagination von "weißen Helden" und "schwarzen Kriegern". Die Stereotypen der Darstellung reichten, so Maß, im Anschluss an den Ersten Weltkrieg aus deutscher Sicht vom barbarischen französischen Kolonialsoldaten bis hin zum treuen Gefolgsmann in Gestalt des Tirailleurs. Neben der Geschlechtercodierung in den Propagandatexten ging es in der anschließenden kontroversen Diskussion vor allem auch um die Möglichkeiten und Grenzen des diskursanalytischen Verfahrens. Michael Weidert, Historiker und Politikwissenschaftler aus dem Trierer Graduiertenkolleg beendete die Sektion mit einem kulturwissenschaftlich vertieften Vortrag über "Neue Formen der Missionsgeschichtsschreibung" am Beispiel der Kolonialmissionen in Deutsch-Ostafrika. Neben der Frage nach dem Zu-

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sammenhang zwischen Ethnizität, Kulturverständnis und Geschlecht ging es dem Referenten in dem mit anschaulichem Bildmaterial (u. a. die "Kathedrale im Urwald") unterstützten Vortrag vor allem um die vielfältigen Prozesse der Eigendefinition und Fremdzuschreibung von Missionarinnen und Missionaren im kolonialen Umfeld. An den prägnanten Vortrag schloss sich eine kurze Debatte um die notwendige Breite des Quellenmaterials der Missionsgeschichtsschreibung an. Auf den ersten thematischen Block folgte die zweite, thematisch dichte und abwechslungsreiche Sektion zur Produktion von Alterität. Das verknüpfende Band zwischen den sich an Film und Populärkultur entlang arbeitenden Vorträgen bestand dabei in der Frage nach den Konstruktionsprozessen von ‚Weiblichkeit' und ‚Männlichkeit' vor dem Hintergrund ‚orientalischer' bzw. ‚US-amerikanischer' ethnischer Lokalisierung. Eingeleitet wurde die Sektion durch den fundierten Vortrag "Die orientalische Frau aus der hellen Kammer" eines weiteren Mitglieds des Trierer Graduiertenkollegs, der Kunsthistorikerin und Theaterwissenschaftlerin Silke Förschler, Mitherausgeberin des 2004 in Marburg erschienenen Sammelbandes "Medien der Kunst". Förschler dokumentierte, theoretisch orientiert an Foucaults These von der produktiven Machtdimension, anhand von kolonialen Postkarten motivische Übernahmen und Inszenierungspraxen aus der Tradition der Malerei in das neue technische Bild der Postkarte um 1900, wobei es, wie sie plausibel darlegte, zu einer vielgestaltigen Neuverhandlung des Verhältnisses von Ethnizität und Geschlecht kam. Filmtheoretische Akzente der Tagung setzte der Anglist und Medienwissenschaftler Bernd Elzer, ebenfalls vom Trierer Graduiertenkolleg, der in seiner Untersuchung von George Stevens Filmepos "Giant" aus dem Jahr 1956 "Männlichkeiten und Alteritäten" hinterfragte. Elzer, der bereits mit einer genderorientierten Publikation zu Walt Whitman hervorgetreten ist, entfaltete in seinem engagierten Vortrag ein Panorama von Männlichkeitsentwürfen, das auch den Kontext sozialgeschichtlicher Entwicklungen in den USA sowie die Rassismuskritik der Romanvorlage von Edna Ferber berücksichtigte. Doris Mosbachs semiotisch orientierter Beitrag mit dem Titel "Was macht Bilder politisch inkorrekt?" setzte den etwas langatmigen Schlusspunkt zur zweiten Sektion. Die Linguistin und Politikwissenschaftlerin legte den Schwerpunkt auf die Bilderwelt der ethnischen Minoritäten in der amerikanischen Populärkultur. Das untersuchte Spektrum der Strategien von Political Correctness reichte von der Repräsentation nordamerikanischer indianischer Bevölkerung bis hin zu in Deutschland lebenden ImmigrantInnen. Einen Link zwischen Repräsentationstheorie und (künstlerischer) Praxis bildete ein beeindruckendes, an feministischer Handlungsmacht orientiertes Screening der KünstlerInnengruppe FO/Go Lab aus Wien, das zusammen mit der Duisburger Dokumentarfilmerin Hatice Ayten durchgeführt wurde. Kulturelle Identitäten in Japan und Deutschland standen im Mittelpunkt der dritten Sektion, die sich vor allem mit künstlerischen Selbstverortungsmustern, Aneignungsverfahren und Zuweisungsstrukturen beschäftigte und einen beherzten Gang in die Laboratorien innerer wie äußerer ‚Fremde' im Bewusstsein postmoderner Produktivitätsdiskurse wagte. Die bekannte Düsseldorfer Kulturwissenschaftlerin und Japanologin Michiko Mae, Mitherausgeberin der Reihe "Geschlecht und Gesellschaft", thematisierte unter der Überschrift "Innere Fremde und äußere Fremde" das komplexe Verhältnis von Ethnizität und Geschlecht von in Japan lebenden koreanischen AutorInnen, so genannter zainichi, die Korea selbst kaum je kennen gelernt haben und in ihren literarischen Werken die Konstruiertheit von nationaler wie geschlechtlicher Identität offenbar werden lassen. Auch die vielfältigen Streitpunkte der AutorInnen untereinander wurden beleuchtet, insofern es sich um Momente der Inklusion und Exklusion in Bezug auf die japanische Gesellschaft handelte. Zwei öffentlich breit debattierte Essays standen im Mittelpunkt der im Trierer Graduiertenkolleg arbeitenden Literaturwissenschaftlerin Ruth Kersting: Zum einen "Anschwellender Bocksgesang" von Botho

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Strauß, zum anderen Yoko Tawadas "Verwandlungen". Dabei stellte Kersting vor allem die gesellschaftliche Funktion von Literatur und Kunstproduktion heraus und problematisierte anschaulich die Prozesse der Exotisierung und des Primitivismus. Künstlerische Selbststilisierungen - einmal als Seher am Beispiel von Strauß, einmal als Schamanin im Falle Tawadas - konnten von Kersting pointiert als ein wichtiges Moment der Selbstverortung der AutorInnen in einem Spannungsfeld kultureller, poetischer und geschlechtlicher Fremdheitsmuster beschrieben werden. Ethnologische und kunstwissenschaftliche Einblicke in die ‚Dokumentarismen des Anderen' boten die Beiträge der vierten Konferenzeinheit, die den Strategien des Fort-, Fest- und Gegenschreibens von Sex/Gender-Machtasymmetrien im kulturellen Austauschhorizont Nordfrankreichs, Benins sowie des Amazonasgebiets nachgingen. Den Anfang machte hier Angelika Bartl, Wiener Kunsthistorikerin und DOC-Stipendiatin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Sie stellte am Beispiel von "Hot Water - L´Eau Chaude" von Alejandra Riera feministische Überlegungen zur zeitgenössischen Dokumentarvideokunst an. Unter dem Titel "Dokumentarismen der Anderen/Andere Dokumentarismen" führte die Referentin in die Schwierigkeiten einer postkolonial und geschlechtlich sensiblen Analyse von Distanz und Differenz ein. Bestechend arbeitete sich heraus, wie im Falle des medial repräsentierten Protests von Frauen in einem nordfranzösischen Minengebiet aus der ‚Verortung' der Akteurinnen im Kunstraum dennoch ein emphatisches Miteinander erwachsen kann. In eine kulturwissenschaftlich fundierte Betrachtung ethnologischer Feldforschung im Amazonastiefland führten die anregenden und kompetent vorgetragenen Überlegungen, die Iris Edenheiser über das "Ludisch-Komische im Umgang mit dem Anderen" anstellte. Edenheiser, Ethnologin im Trierer Graduiertenkolleg, demonstrierte - unter Verweis auf Malinowski - eine ‚Blickumkehr' zwischen Eigenem und Anderem und knüpfte hierbei an das Mimikry-Konzept Roger Caillois vom Ende der 1950er Jahre an. Fremdwahrnehmung wird im Rahmen der Umkehrung, aus Sicht der Indigenen, zur amüsanten Projektion von kulturellen und sexuellen Stereotypen auf die EthnologInnen "im Feld". Kerstin Schankweiler, Kunsthistorikerin im Trierer Kolleg, beschäftigte sich in ihrem lebendig gestalteten Vortrag über "Männliche Künstlerlegenden" mit dem Werk des in Cotonou/Benin lebenden Installationskünstler Georges Adéagbo, dessen Exponate auf der dokumenta 2002 vielfach als bedeutsame Leistungen westafrikanischer Kunst gewürdigt wurden. Schankweiler gelang es überzeugend, die Problematik des Biographismus euroamerikanischer Kunstkritik zu beleuchten und die Verwobenheit von Ethnizität und Geschlecht am Beispiel "männlicher" Künstleridentität und "westlicher" Ausstellungspraxis vorzuführen. Die abschließende Sektion mit dem Titel "VerORTungen" lenkte schließlich den Blick auf die interkulturellen literarischen Interferenzen im osteuropäischen Raum, speziell in der Bukowina und im Banat. Den ReferentInnen gelang es, differenziert die Spielräume der Artikulation und Selbstverortung von ‚Weiblichem', ‚Jüdischem' und ‚Östlichem' im Spannungsfeld von fiktionaler und nonfiktionaler Selbstund Fremdkolonisierung abzumessen. Iulia Pătru], Literatur- und Kulturwissenschaftlerin im Trierer Graduiertenkolleg, legte ihren Schwerpunkt auf die "Ebenen der literarischen Auseinandersetzung mit Eigenem und Anderem" am Beispiel eines im Zweiten Weltkrieg in rumänischer Sprache entstandenen Gedichts von Paul Celan. Das Netz der Verweise reicht hier, so die Referentin, von den ethnisch und geschlechtlich codierten Beziehungsmustern der literarischen Gestalten, den Gewaltmomenten der künstlerisch repräsentierten Deportation bis hin zu einer Kritik fundamentaler Machtasymmetrien westlicher Kunst- und Kulturtradition repräsentiert in der Gestalt des "Raphael". George Gu]u, Präsident der Gesellschaft der Germanisten Rumäniens, der Goethe-Gesellschaft in Rumänien und derzeit Lehrstuhlinhaber der Elias-Canetti-Professur an der Viandrina-Universität in Frankfurt

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an der Oder, referierte in dem abschließenden Vortrag über die "Entmythisierung der Bukowina" am Beispiel des Schaffens Paul Celans. Gu]u, der auch Gründungsmitglied des Instituts für Deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Universität München ist, gelang es vortrefflich, sowohl die biographische wie auch die sozialgeschichtliche Dimension des Schreibens in der Bukowina aufzuarbeiten und in den Kontext künstlerischer Produktivität in pluriethnischen Regionen einzuordnen. Die von der Marburger Literaturwissenschaftlerin Andrea Geier und dem Trierer Ethnologen Christoph Antweiler ausgezeichnet vorbereitete und moderierte Abschlussdiskussion bot unter Verweis auf die Problematik einer (ungewollten) Reproduktion eurozentrischer Wissensordnungen im Wissenschafts- und Kulturbetrieb ausreichenden Raum für eine profunde Selbstkritik der GastprofessorInnen und NachwuchswissenschaftlerInnen. Die Struktur des Konferenzprogramms mit seinen fünf klar gegliederten und theoretisch wohldurchdachten Sektionen konnte den hohen Erwartungen der Zuhörenden gerecht werden. Die selbstreflexive Auseinandersetzung der WissenschaftlerInnen mit den eigenen Repräsentationsformen im Kontext der Postulate von Postcolonial und Gender Theory sowie die wechselseitigen Einflussnahmen zwischen Forschendem und Erforschtem wurden - mitunter heiß diskutiert, aber zumeist produktiv - in den Forschungs- und Diskussionszusammenhang einbezogen. Ein Sammelband, der die einzelnen Beiträge und Diskussionszusammenhänge dokumentiert, wird im Herbst dieses Jahres im Böhlau-Verlag erscheinen. Alexander Pătru P tru] tru] [Quelle und URL zur Zitation dieses Beitrages: ]

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„Streiflichter. Einblicke in die deutsche Literatur im südöstlichen Mitteleuropa “ . Simposion des Elias-Canetti-Lehrstuhls der Viadrina, des Instituts für Deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) an der Universität München und der Gesellschaft der Germanisten Rumäniens. Frankfurt (Oder), 12. Mai 2005 Im Rahmen des Lehrstuhls für interkulturelle Südosteuropa-Studien „Elias Canetti“ an der EuropaUniversität Viadrina Frankfurt (Oder), an dem in den letzten Jahren bulgarische und rumänische Gastprofessoren gewirkt haben, fand am 12. Mai 2005 eine wissenschaftliche Tagung zum Thema „Streiflichter. Einblicke in die deutsche Literatur im südöstlichen Mitteleuropa“ statt. Organisiert wurde die Tagung vom gastgebenden Lehrstuhl, vom Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians Universität München (IKGS), vom Lehrstuhl für Sprachwissenschaft, Linguistische Kommunikations- und Medienforschung der Europa-Universität Viadrina Frankfur (Oder), vom Germanistiklehrstuhl der Universität Bukarest und von der Gesellschaft der Germanisten Der an derRumäniens Universität(GGR). Viadrina eingerichtete Gastlehrstuhl ist Teil eines Programms zur Förderung von Gastprofessuren in Deutschland mit dem Ziel, die deutsche Lehre und Forschung durch Erfahrungen und Inhalte ausländischer akademischen Einrichtungen aufzufrischen, zu ergänzen und zu internationalisieren. Die DAAD-Tagung zur Internationalisierung der Lehre, die vom 4.-5. Juli 2005 in Bonn stattfand, erläuterte die Hauptaspekte, die sich aus der im Rahmen des genannten Programms gewonnenen Erfahrung ergaben: Bringen

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Professoren und Professorinnen aus aller Welt neue Inhalte, Methoden und Denkansätze in deutsche Hörsäle? Wie erleben Studierende diese Gastdozenten? Können sie den Veranstaltungen auf Englisch folgen? Wie groß ist der Zugewinn an interkultureller Kompetenz durch die Erfahrung mit fremden Lehr- und Arbeitsformen? Im Zuge interkulturell angelegter Studien wurden am Elias Canetti-Lehrstuhl bereits mit seinem ersten Inhaber, dem bulgarischen Professor Christo Todorov, interreferentielle Erscheinungen im südosteuropäischen Raum angegangen. Mit Professor George GuŃu gewann der Lehrstuhl an Profil sowohl durch die von ihm gehaltenen Lehrveranstaltungen (Identitätsbewußtsein und Identitätsverlust – Rumäniendeutsche Literatur im Wandel; Multikulturelle Interreferentialität - Deutschsprachige Lyrik der Bukowina; "Das Fenster im Südturm" - Paul Celans Frühwerk) als auch durch die von ihm initiierten öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten, von denen einige hier kurz erwähnt werden sollen: Gründung der Fachbibliothek des Elias-Canetti-Lehrstuhls, Antrittsvorlesung zum Thema „’Das Fenster im Südturm.’ (Celan) Aspekte von Interreferentialität und Interkulturalität im südosteuropäischen Kontext“, Präsentation deutschschreibender Autoren aus Rumänien: "Multikulturelle Lebensräume: Brücken, Passagen, Verflechtungen, Übergänge" im Donauschwäbischen Zentralmuseum Ulm, nicht zuletzt durch die Teilnahme an zahlreichen internationalen Fachtagungen und Treffen. (Über all diese Aktivitäten gibt die überaus informative und aktuelle Rubrik: www.ggr.ro/viadrina.htm auf der Webseite der Gesellschaft der Germanisten Rumäniens: www.ggr.ro Auskunft, die sich auch während des gesamten Studienjahres 2004-2005 bei den Studierenden der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder sowie bei vielen anderen Interessenten weltweit einer großen Beliebtheit erfreute.) Auf Initiative von Professor George GuŃu hin fand Mitte Mai 2005 die Tagung „Streiflichter. Einblicke in die deutsche Literatur im südöstlichen Mitteleuropa“ statt, auf der Vertreter der Veranstalter sprachen: Prof. Dr. Karl Schlögel, Schlögel Dekan der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), Prof. Dr. Hartmut Schrö Schröder, der Lehrstuhl für Sprachwissenschaft, Linguistische Kommunikations- und Medienforschung der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), Prof. Dr. George Guţu Gu u, Inhaber des Elias Canetti-Lehrstuhls der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) und Leiter des Germanistklehrstuhls der Universität Bukarest, Hon.-Prof. Dr. Stefan Sienerth, Sienerth Direktor des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Alle hoben die Bedeutung des Elias-Canetti-Lehrstuhls als wirksame akademische Einrichtung zur Erforschung südosteuropäischer Interferenzen im geistig-kulturellen Bereich hervor und waren sich einig in der Behauptung, daß die Inhaber dieses Lehrstuhls sehr viel getan haben für die vielfältigere Gestaltung des Lehrangebots sowie der Lehrmethoden an der deutschen Universität, die im Jahre 2006 ihren 500. Geburtstag feiert. Zugleich wurde auf die beispielhafte Zusammenarbeit der veranstaltenden Einrichtungen aus Deutschland und Rumänien hingewiesen, die im Sinne der von ihnen geförderten interkulturellen Forschungsansatzes diese Tagung vorbereitet und durchgeführt haben. Im wissenschaftlichen Teil der Tagung wurden folgende Vorträge gehalten: Hon.-Prof. Dr. Stefan SieSienerth (München): Deutsche Regionalliteraturen im südöstlichen Mitteleuropa. Eine Annäherung; Prof. Dr. George Guţu Gu u (Bukarest – Frankfurt/Oder): Bukowina – Mythoskonstruktion und Mythoszerstörung; Hon.Prof. Dr. Peter Motzan (München): Vom erzwungenen Abschied zur schwierigen Ankunft. Rumäniendeutsche Lyrik auf dem Weg vom Rand zur Mitte (1970–2000); PD Dr. Barbara Breysach (Frankfurt/Oder): Weltwechsel. Herta Müllers autofiktionale Prosa der 1980er Jahre

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Aus Anlass des 100. Geburtstags von Elias Canetti ergriff die extra dafür angereiste bulgarische Germanistin, Leiterin der Elias-Canetti-Gesellschaft Russe, Prof. Dr. Penka Angelowa (Rousse) das Wort zu ihrem Vortrag: Topoi der Heimat in Elias Canettis Autobiographien. Die Vortragenden, hervorragende Persönlichkeiten auf dem Gebiete der interkulturellen Regionalliteraturproblematik, stellten die Vielfalt und Vielschichtigkeit der literarischen und kulturellen Interferenzen im deutschsprachigen Schrifttum Südosteuropas unter Beweis, deren Bedeutung auch vom Dekan der gastgebenden Fakultät für Kulturwissenschaften besonders hervorgehoben worden war. Zum Abschluß der Tagung las der aus Rumänien stammende Autor Hans Bergel, der Dr. h.c. der Universität Bukarest ist, ein Fragment aus dem zweiten Teil („Die Rückkehr der Wölfe“) seiner autobiographisch angelegten Romantrilogie. Er weckte das rege Interesse der Zuhörerschaft sowohl durch die erzähltechnisch und inhaltlich hervorragende Evokation einer der bewegtesten Epochen des 20. Jh.s als auch durch die faszinierende Art seines Vortrags. (Auf Wunsch der Rumänischen Botschaft in Berlin wiederholte Hans Bergel die Lesung am 13. Mai 2006 in den Räumlichkeiten der rumänischen diplomatischen Vertretung in Berlin, in denen sich ein zahlreiches Publikum einfand.) Der angereiste Kulturattaché der rumänischen Botschaft in Berlin, Claudiu Florian, lud zum Abschluß der niveauvollen Veranstaltung zu einem Umtrunk ein. Er hob bei dieser Gelegenheit die besondere Bedeutung des interkulturellen Beitrags des amtierenden rumänischen Inhabers des Elias-Canetti-Lehrstuhls für den deutsch-rumänischen und europäischen Dialog hervor. Wojciech Zabek * *

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"Goethes Schiller - Schillers Goethe". 79. wissenschaftliche Konferenz und Hauptversammlung der Goethe-Gesellschaft in Weimar. Weimar, 18. - 21. Mai 2005. Bericht von der Sektion Q: „Zutrauliche Teilhabe“ – Goethe und Schiller in der Essayistik von Thomas Mann: Hat sich die Arbeitsgruppe P mit der meist kritisch-distanzierenden Aufnahme Goethes durch Heinrich Heine, Karl Gutzkow oder Ludwig Börne auseinandergesetzt, so untersuchte die Arbeitsgruppe Q die äußerst produktiv-aneignende, auf weiten Strecken sich mit dem Modell identifizierende Beschäftigung Thomas Manns mit kreatürlichen sowie schöpferisch-theoretischen Gedankengängen Goethes und Schillers. Somit wurde der Gegenstand der diesjährigen Konferenz – das geistige Weimarer Duumvirat – zu einem geistigen Triumvirat erweitert. Prof. Irmela von der Lühe referierte über die lebenslänglichen Reflexionen Thomas Manns über Leben und Werk der Weimarer Dioskuren, die als Projektionen, Imitationen oder Bewunderung gedeutet werden können. Thomas Manns Bezugnahme auf den einen oder den anderen Dichter gestaltet sich zu einer geistigen Annäherung und kreativen Aneignung von Schillers Wort- und Gedankenwelt. Meist unmarkierte Zitate und Eingeständnisse projektiver Zwänge lassen stets Treue zum Gegenstand und die Sehnsucht nach Selbststeigerung, nach Verobjektivierung der eigenen künstlerischen Existenz erkennen: „imitierende Selbstverkleinerung und bewundernde Selbstbestätigung“ charakterisieren diesen Selbsterläuterungsprozeß. Der Frage, ob sich im Verhältnis Thomas Manns zu Schiller eher ein lebenslanges Mißverständnis feststellen ließe, ging die Referentin bewußt nicht nach. Andererseits habe sie in den Essays Thomas Manns

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die Polyperspektivität der epischen Darstellungen seiner geistigen Auseinandersetzung mit beiden Autoren vermißt. Entsprechend dem Spruch Schillers: „Die Hemmung ist des Willens bester Freund“, der der kurzen Mannschen Erzählung „Schwere Stunde“ (1905) zugrunde liegt und sowohl Schiller als auch den Erzähler dem Gedanken Adalbert Stifters: „Ich bin kein Goethe, aber einer aus seiner Familie“ in die Nähe rücken läßt, kreisen Thomas Manns Relationierungen um die Antithese komparatistisch angelegter Konstellationen wie Goethe-Tolstoj und Schiller-Dostojewski, die den naiven bzw. sentimentalischen Dichtertypus modellhaft illustrieren sollen. Goethe-Reflexion ist bei Thomas Mann stets mit Schillerschen ästhetischen Überlegungen verfrachtet. Goethe werde von Thomas Mann für den eigenen politischen Wandlungsprozeß instrumentalisiert und gelte somit paradigmatisch als Mensch in Dichtergestalt. Der Selbstverständigungsprozeß Thomas Manns entwickelt sich vom Unpolitischen zu Beginn seines Jahrhunderts bis zu der Einsicht in die Verantwortung des Schriftstellers kurz vor seinem Tode: in jeder geistigen Haltung verberge sich auch eine politische. Aus der gegensätzlichen Dualität ist somit eine in sich stimmige Konkordanz geworden. Von Thomas Manns anfänglicher Begeisterung für Schillers leidendes Heldentum, für den Künstler als Schmerzensmann bis zu der Mannschen Widmung: „Seinem Andenken in Liebe“ im Sterbejahr 1955 mischen sich bewunderndes Selbstverständnis, Pathosbereitschaft sowie verehrende Instrumentalisierung mit deutlichen Zügen von Eigenrepräsentanz. Kunst und Lebenskunst schmelzen bei Thomas Mann schließlich zusammen in der widersprüchlich-polyvalenten Zusammenführung literaturgeschichtlicher Modelle und eigenspezifischer Weltaneignungsprozesse. Die an Stelle von Ndiaga Gaye aus Dakar eingesprungene Moskauer Komparatistin Galina Yakuschewa nahm in ihrem sprachlich leider recht schwer wahrnehm- und aperzipierbaren Koreferat Bezug auf Thomas Manns Essay aus dem Jahre 1955 „Versuch über Schiller“, hob dabei die daraus abzulesende männliche Identität beider Autoren hervor und wies auf die 1880 gehaltene Puschkin-Rede Dostojewskis hin, der den Spruch „Schönheit rettet die Welt“ hinterfragt haben soll. Es wäre für die Konferenzveranstalter eine Überlegung wert zu prüfen, inwiefern bei Ausfall von Koreferenten nicht lieber die Zeit des Hauptreferats und der sich daran anschließenden Diskussion ausgedehnt werden sollte, als Einschübe oft nicht darauf eingestellter, demzufolge dem Konferenzniveau in sehr fragwürdigem Maße Genüge leistender Beiträge zuzulassen, die nicht selten schon wegen mangelnder Sprachkenntnisse ihre Forschungsergebnisse nicht angemessen zu artikulieren vermögen. In der Diskussion wurden Gedankengänge der angegangenen Thematik durch weitere Aspekte grundsätzlich bestätigt oder teils kontrovers ergänzt. Dadurch wurde die Lebensbürgerlichkeit des geistigen Triumvirats Goethe-Schiller-Thomas Mann noch differenzierter und nuancenreicher umrissen. George GuŃu Gu u * *

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„Germanistik im Europäischen Hochschulraum. Studienstruktur, Qualitätssicherung, Internationalisierung “ . Tagung des DAAD und der HRK (Hochschulrektorenkonferenz):, Freiburg, 15. – 18. Juni 2005;16. Juni: Arbeitstagung der Vertreter europäischer Germanistenverbände.

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Unter diesem anspruchsvollen Motto riefen der Deutsche Akademische Austauschdienst und die Deutsche Hochschulrektorenkonferenz zahlreiche Vertreter europäischer Germanistiken am 15.-18. Juni 2005 zu einer großangelegten Tagung in Freiburg i. Br. auf. In der uns zugeschickten Einladung hieß es u.a.: „Die Umsetzung des Bologna-Prozesses, zu dessen Kernelementen die Einführung gestufter und modularisierter Studiengänge gehört, schreitet in Europa rasch voran. Die einzelnen akademischen Fächer haben die Diskussion auch überregional aufgenommen. DAAD und HRK möchten die Diskussion für das Fach Germanistik zusammenfassen und ihre Weiterführung auf nationaler und internationaler Ebene unterstützen.“ [...] „Auf dem Programm der Tagung stehen vor allem die Auswirkungen des BolognaProzesses für die Germanistik. Themen sind u.a.: Kerncurricula der einzelnen Teildisziplinen im B.A., Mobilität und Anerkennung zwischen In- und Ausland sowie Qualitätssicherung bei der Lehrerausbildung und Promotion.“ In Anerkennung der bisherigen Bemühungen der Gesellschaft der Germanisten Rumäniens und des Germanistiklehrstuhls der Universität Bukarest wird weiter ausgeführt: „Die Erfahrungen, die Sie als Vertreter der Germanistik in Ihrem Land bei der Konzeption modularisierter und gestufter Studiengänge oder bei den Themen Mobilität und Anerkennung gewinnen konnten, sind uns wichtig.“ Infolge der Initiative der GGR und des Bukarester Germanistiklehrstuhls auf dem Deutschen Germanistentag (September 2004), der sich dieser voll und ganz angeschlossen hat, wurde auf der Tagung auch die Fortsetzung der Diskussion über Aspekte der Vernetzung der Information über die Tätigkeit der europäischen Germanistenverbände eingeplant, wie im Einladungsschreiben ebenfalls ausgeführt wird: „Wir verbinden mit dieser Einladung eine zweite. Dabei nehmen wir eine Initiative des Deutschen Germanistenverbandes auf: Es ist an der Zeit, die Germanistenverbände der europäischen Länder besser als bisher zu koordinieren und eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit voran zu bringen. Dies wurde im September 2004 in München in einer Arbeitsgruppe erörtert. Wir wollen diese Überlegungen konkretisieren und zusammen mit Ihnen die nächsten Schritte bedenken.“ Auf dem Treffen in Freiburg wurde eine sechsköpfige Gruppe von Vertertern europäischer Verbände gewählt und bestätigt, der auch wir angehören. Die Zielsetzungen der Tätigkeit dieser Gruppe wurden allgemein sowie konkret besprochen und in mehreren Punkten als Anregungen formuliert. Spätere Debatten auf elektronischem Wege sollen die ganz konkreten Schritte einer europaweiten Zusammenarbeit bestimmen und in Angriff nehmen. Wenn dabei die Anregungen der europäischen Germanistenverbände – als der gewählten und somit anerkannten Vertreter der Germanisten in den jeweiligen Ländern – strikt berücksichtigt und in die Tat umgesetzt werden, ohne dabei allzu sehr bürokratischen Überlegungen und Hindernissen das Wort zu reden, dann kann sich die Zusammenarbeit frei und gewinnbringend gestalten. Dabei soll davon ausgegangen werden, daß man dabei mit souveränen, zur Zusammenarbeit stets gewillten Verbänden zu tun hat, die von den konkreten Bedingungen ihrer einzelnen Länder auszugehen haben. Im Sinne dieser Rechte stellten die GGR und der Bukarester Germanistilklehrstuhl auf der Freiburger Tagung ein ausführliches Informationsmaterial über die zur Debatte stehende Thematik zur Verfügung, das auch über Internet abrufbar ist: www.ggr.ro/TagJun05_ggr_GL.htm. Die Diskussion sowie die persönlichen Kontakte zwischen Inlands- und Auslandsgermanisten erwiesen sich im Hinblick auf die Bewältigung des Bologna-Prozesses als vielversprechend. George GuŃu Gu u

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MITTEILUNGEN DER GESELLSCHAFT GES ELLSCHAFT DER GERMANISTEN RUMÄNIENS RUMÄNIEN S I. In Bukarest fand die IV. Landeskonferenz der Gesellschaft der Germanisten Rumä Rum ä niens statt Wie schon lange vorher angekündigt, fand am 24. September 2005 die IV. Landeskonferenz der Gesellschaft der Germanisten Rumäniens statt. Die Landeskonferenz ist das höchste Organ der GGR, das für die wichtigsten Organisatorischen Fragen der des germanistischen Fachverbandes in Rumäniens zuständig ist. Es nimmt den Rechenschaftsbericht des amtierenden Landeskomitees und des Präsidenten der GGR entgegen, berät über die bisherige sowie über die weitere Tätigkeit der GGR im Hinblick auf die Bündelung der einheimischen auslandsgermanistischen Potenzen des Landes für die Inangriffnahme und Durchführung von landesweit bedeutenden germanistischen Aktivitäten sowie für die internationale Zusammenarbeit der GGR im Kontext Europas und der Welt und nimmt schließlich die Wahl in die neuen leitenden Ämter der GGR für die nächsten vier Jahre vor. Nach Bukarest kamen Vertreter von 10 GGR-Zweigstellen des Landes. Die Zweigstelle Alba Iulia – Karlsburg entsandte keine Vertreter und bestätigte somit die bereits vorher sich abzeichnende Perspektive der Auflösung dieser Zweigstelle aufgrund der fehlenden Kräfte und Aktivitäten in den letzten Jahren. Die Zahl der zur Landeskonferenz entsandten bzw. für die Konferenz schriftlich bevollmächtigten Vertreter belief sich auf 26 und bewirkte die Beschlußfähigkeit der Landeskonferenz. Der Präsident der GGR, Prof. Dr. George Gu]u bot eine beeindruckende Darstellung der von der GGR seit der letzten Landeskonferenz im Jahre 2000 durchgeführten vielseitigen Aktivitäten, die sich im „Archiv“ der GGR, in der neu gestalteten und stets aktualisierten Homepage der GGR www.ggr.ro einprägsam widerspiegele. Er unterstrich die Bemühungen aller GGR-Zweigstellen und der Germanistiklehrstühle des Landes um die Festigung der Fachsolidarität aller GermanistInnen in Rumänien, um die Durchführung echter Höhepunkte auslandesgermanistischer Veranstaltungen, die im Endeffekt zur ständigen Zunahme des Ansehens der GGR innerhalb der Auslands- und Inlandsgermanistiken: Es waren dies die bedeutenden Kongresse der Germanisten Rumäniens in Jassy (2000) und in Hermannstadt (2003), deren Vorträge in mehrere Bände der izwischen auf 18 Bände angewachsenen „Zeitschrift der Germanisten Rumäniens“ sowie in das neu geschaffene, von der GGR in Zusammenarbeit mit dem DAAD herausgegebene Fachorgan „transcarpathica germanistisches jahrbuch rumänien“ Aufnahme gefunden haben. Dadurch wurde auch die publizistische Landschaft in Rumänien weiterhin diversifiziert, bereichert. Besonders hervorgehoben wurden die von der GGR initiierten und in Zusammenarbeit mit dem Bukarester Germanistiklehrstuhl, mit dem DAAD oder mit anderen Fachverbänden in Europa durchgeführten Fachtagungen über die sich aus dem Bologna-Prozeß ergebenden vielfältigen Herausforderungen, über die kontinuierlichen Bemühungen um die Einführung der Bologna-Vorgaben im Rahmen des sich gegenwärtig konstituierenden Europäischen Hochschulrahmens. Zugleich wurde einige der wichtigsten künftigen Aktivitäten der GGR ins Auge gefaßt. Der Tätigkeitsbericht wurde von den Delegierten der IV. Landeskonferenz der GGR einstimmig angenommen.

Mitteilungen der Gesellschaft der Germanisten Rumäniens

Diesen Ausführungen schloß sich ein ausführlicher und mit Belegen untermauerter Bericht über die Finanzlage der GGR, über in dem Zeitraum seit 2000 getätigten Einnahmen und Ausgaben, über die gegenwärtige gute Finanzlage der GGR. Vorgeschlagen wurde die Teilfinanzierung wichtiger Veranstaltungen in Bukarest (100. Jubiläum des Germanistiklehrstuhls; 2005) sowie in Temeswar (50. Jubiläum des Germanistiklehrstuhls sowie VII. Kongreß der Germanisten Rumäniens; 2006), nachdem bereits wissenschaftliche Tagungen in Klausenburg und Temeswar von der GGR finanziell mit getragen wurden. Die von der Vizepräsidentin der GGR, Prof. Dr. Doina Sandu, und vom Schatzmeister der GGR, Doz. Dr. Ioan L`z`rescu, eingesehenen und mit unterzeichneten Belege standen den Delegierten zur Einsicht zur Verfügung. Nach den Wortmeldungen der Delegierten (Temeswar, Kronstadt, Constan]a, Pite[ti, Bukarest) wurde über den Finanzbericht abgestimmt: Einstimmig wurde der Bericht angenommen. Das bisherige Landeskomitee und der Präsident der GGR wurden hiermit entlastet. Der nächste Tagesordungspunkt sah die Wahl des neuen Landeskomitees der GGR vor. Nachdem die statutmäßigen Vorgaben im Zusammenhang mit der Wahl vorgelesen und erläutert wurden, wurden Vorschläge für das Amt des Präsidenten der GGR sowie für die Ämter der Vizepräsidenten und des Sekretärs der GGR unterbreitet. Im Namen mehrerer GGR-Zweistellen wurde Prof. Dr. George Gu]u erneut vorgeschlagen, in das Amt des Präsidenten der GGR gewählt zu werden. Die Wahl der leitenden Kräfte der GGR und des gesamten Landeskomitees ergab folgendes Ergebnis: Prof. GuŃu wurde einstimmig in das Amt des Präsidenten wieder gewählt. Als Vizepräsidentinnen wurden Prof. Dr. Elena Viorel (Klausenburg) und Prof. Dr. Doina Sandu (Bukarest) und als Sekretärin der GGR wurde Prof. Dr. SperanŃa Stănescu gewählt. Doz. Dr. Ioan L`z`rescu wurde erneut ins Amt des Schatzmeisters der GGR gewählt. Dem Landeskomitee gehören außerdem die Leiter der GGR-Zweigstellen an, die ebenfalls gewählt wurde. Die Wahl erfolgte in geheimer schriftlicher Abstimmung. Für die Wahl bestimmten die Delegierten eine Arbeitsgruppe, die die ordnungsgemäße Zählung der Stimmen durchführte und das Wahlergebnis bekannt gab: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14.

Univ.-Prof. Dr. George GuŃu, Bukarest/Bucureşti - Präsident Univ.-Prof. Dr. Elena Viorel, Klausenburg/Cluj-Napoca - Vizepräsidentin Univ.-Prof. Dr. Doina Sandu, Bukarest/Bucureşti - Vizepräsidentin Univ.-Prof. Dr. SperanŃa Stănescu, Bukarest/Bucureşti - Sekretärin Univ.-Doz. Dr. Cornelia Cujbă, Jassy/Iaşi - Mitglied Univ.-Doz. Dr. Ioana Crăciun-Fischer, Bukarest/Bucureşti - Mitglied Univ.-Doz. Dr. Angelika Ionaş, Temeswar/Timişoara - Mitglied Univ.-Lekt. Carmen Elisabeth Puchianu, Kronstadt/Braşov - Mitglied Univ.-Assist. Oana Nora CăpăŃână, Hermannstadt/Sibiu - Mitglied Univ.-Assist. Maria Muscan, ConstanŃa - Mitglied Deutschlehrerin I. Grades Ana Stan, Piteşti - Mitglied Deutschlehrer I. Grades Gheorghe Cerăceanu, Craiova - Mitglied Univ.-Lekt. Dd. Orlando Gelu Balaş, Großwardein/Oradea - Mitglied Univ.-Doz. Dr. Ioan Lăzărescu, Bukarest/Bucureşti, Schatzmeister

Dadurch, daß Prof. Viorel zugleich Leiterin der Klausenburger GGR-Zweigstelle ist, erschient sie hier nur als Vizepräsidentin der GGR, die zugleich auch als Leiterin stimmberechtigt ist. Wir wünschen dem Landeskomitee Schaffenskraft und Ideenreichtum bei der Gestaltung der zukünftigen Aktivitäten der Gesellschaft der Germanisten Rumäniens als einer der bedeutenden Auslandsgermanistiken unserer Zeit.

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II. Ehrendoktorwürde Eh rendoktorwürde der Universität Bukarest an den Schriftsteller D IETER SCHLESAK verve rliehen Den festlichen Abschluss der Jubiläumsveranstaltungen aus Anlass des 100. Gründungstages des Bukarester Germanistiklehrstuhls (5.-7. November 2005) bildete – wie schon anfangs berichtet - die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Bukarest an den Schriftsteller, Essayisten und Publizisten Dieter Schlesak im Senatssaal der Universität Bukarest. Die Laudatio hielt Prof. Dr. George Gu]u, der Leben und Werk des Geehrten vorstellte und dabei Fragen zu Begriffen wie Heimat, Grenze, Auswanderung und Ortlosigkeit aufwarf. Dieter Schlesak bedankte sich mit einem Vortrag, der den von ihm geprägten Begriff der „Zwischenschaft“ in den Mittelpunkt stellte und den er definierte als „dieses Nicht-Dazugehören, dieses zwischen alle Stühle Gefallen-Sein“. Der Rektor der Universität Bukarest Prof. Dr. Ioan Pânzaru sowie der vormalige Rektor und jetzige Präsident des Verwaltungsrates der Universität Bukarest Prof. Dr. Ioan Mih`ilescu antworteten darauf mit kurzen Ansprachen, die auf das Problem der Grenze in einer zusehends sich globalisierenden Welt eingingen: indem beide darin inhaltlich und über das Höfliche und Konventionelle hinaus auf die in der Rede von Dieter Schlesak geäußerten Bemerkungen eingingen, machten sie deutlich, wie sehr das Werk des Bukarester Ehrendoktors aktuelle Fragen unserer zeitgenössischen Gegenwart berührt. Neben Hans Bergel ist Dieter Schlesak ein weiterer Siebenbürger Sachse, der von der Bukarester Alma Mater mit der Ehrendoktorwürde geehrt wurde. Nachstehend geben wir den Wortlaut der Laudatio sowie jenen der Ansprache des hohen Gastes wieder:

AUF DER SUCHE NACH DER DER HEIMKEHR Laudatio auf Dieter Schlesak zur Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Bukarest (7. November 2005) George Gu] Gu]u Meine Damen und Herren, eines der Phänomene, die die gegenwärtige Welt seit einiger Zeit prägt, ist jenes des Exils und der Migration. Dies bedeutet, eine vertraute Umgebung notgedrungen zu verlassen und zugleich den Versuch zu unternehmen, sich in einer fremden, oft feindlich gesinnten Umgebung einzurichten. Das 20. Jahrhundert steht von Anbeginn, in höherem Maße seit den 30-er Jahren, in der langen Zeit der Machtergreifung und der Herrschaft zweier Diktaturarten, Faschismus und Kommunismus, im Zeichen des unfreiwilligen Verlassens der eigenen Heimat in dem Versuch, das eigene Recht auf ein freies, würdevolles Leben zu retten. Unser Gast, der Schriftsteller, Essayist und Publizist Dieter Schlesak war im Zuge seines Schicksals einer von den vielen, die die Emigrationswelle mitgerissen hat, zugleich jedoch einer der nicht allzu vielen, die das Drama der Auswanderung bewußt erlebt, darüber Auskunft gegeben und über jene Momente der Qual, des inneren Bruchs, des Sich-wieder-Aufrichtens nachgedacht hat. Dabei legte er darüber in dauerhaften literarischen Werken, in tiefsinnigen Essays, in pragmatischen Stellungnahmen Zeugnis ab. Schlesak war ein Ausgewanderter, der über sein Schicksal sinniert, sich seines Grenzgängertums, seines Freiheitsdrangs, seiner Ent-Wurzelung, Entfremdung, seines Bruchs und seiner enttäuschenden Bodenlosigkeit bewußt ist. Er sieht sich im unendlichen, eiskalten Weltraum schweben wie ein Kosmonaut, der notgedrungen sein Raumschiff verlassen mußte und nun durch den eisigen Abgrund des unendlichen Alls herum irrt, den allein

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die Erinnerungen an die früheren Erlebnisse am Leben halten und der sich nun in den endlosen Raum des Geistes flüchtet, in die Polysemantik der Sprache, in die ätherische Sprache der Kunst. Am 7. August 1934 in Schäßburg geboren, war unser früherer Landsmann deutscher Herkunft Dieter Schlesak eine Zeit lang Lehrer. Dann kam er nach Bukarest, um fünf Jahre hier Germanistik an der Universität zu studieren, die ihm nun die Ehre erweist, ihm eine hohe Auszeichnung zu verleihen. 1959 wird er Redakteur der Bukarester deutschsprachigen Literaturzeitschrift „Neue Literatur”, geriet ins Visier der Geheimpolizei unter dem Verdacht, Texte eines verbotenen Autors, Mircea Palaghiu, versteckt zu haben. Und spürte am eigenen Leibe, was Paul Goma in einem an ihn gerichteten Schreiben eine häßlichere „Freiheit” nannte als das Leben in einem Gefängnis. Er ist beeindruckt von der rebellischen Geste Ceauşescus vom 21. August 1968 und entdeckt auf dem Hintergrund einer biographischen „Schuld“, unter seinen Verwandten Mitglieder der SS gehabt zu haben, seine linken Überzeugungen. Daher das Taktieren mit dem Marxismus, der damals im Westen grassierte. 1968 bedeutet für ihn auch das Jahr, in dem sein erster Gedichtband „Grenzstreifen” erschienen ist, das Jahr seiner ersten Reise in den Westen zusammen mit Ion Caraion und Veronica Porumbacu – diese Reise wurde zu seiner ersten traumatischen Auseinandersetzung mit dem Westen Europas, den er vorher auf dem Hintergrund der Unterdrückung daheim mit idyllisierenden Zügen versehen hatte. Zeugnis über diese innere Zerrissenheit legt er ab in seinen Reiseeindrücken „Visa Ost West Lektionen” oder in seinem Kardinalwerk, dem Roman „Vaterlandstage”, der 1995 auch ins Rumänische übersetzt wurde: „Wir kamen von einem anderen Planeten, gingen wie auf dem Mond spazieren”, gesteht der Verfasser. „Der Mond” war Luxemburg als Fenster zu einer anderen Welt, zu anderen Planeten. Der nächstliegende Planet, Deutschland, ließ ihn erschauern, er war froh, sich mit der Realität dieses Landes nicht konfrontieren zu müssen, weil Deutschland für ihn, den ethnischen Minderheitler, die „Mitte” einer Kultur-, Zivilisations- und Sprachwelt bedeutete, die er aus der Ferne, von der „Peripherie”, vom Inseldasein einer seit Jahrhunderten fern von Deutschland, im Herzen Rumäniens, in Siebenbürgen lebenden Minderheit aus pietätvoll bewundert hatte... Deshalb reist er nach Paris, wo er Celans Bukarester Freundin Nina Cassian trifft – Celan jedoch nicht, da dieser in einer Nervenklinik eingeliefert worden war. Das Unvermeidliche tritt ein: Der „Schock” des Kontakts mit der damaligen Bundesrepublik, mit den dreimal – durch die Nazis, durch die Bomben des Krieges und schließlich „durch die gräßliche Architektur des ‚Wirtschaftswunders’“ – zerstörten Städten, wie sich der Nobelpreisträger Heinrich Böll geäußert hatte, sitzt tief: „Auch die Natur künstlich ... Hetze, menschliche Kälte” – das alles sind Eindrücke, die Schlesak in seinem Roman „Vaterlandstage” oder in „Wenn die Dinge aus den Rahmen fallen” (in rumänischer Übersetzung: „Revolta morŃilor”) akribisch beschreibt. „Das „ceausistische Zuhause” nimmt sich sofort seiner an – „innere Zensur, Redaktion, Spitzelatmosphäre, Elend, nicht mehr aushalten”. Schlesak verspürt immer mehr eine innere Leere, schwebt bereits im intergalaktischen Raum des Vaterlandslosen umher, der beide Heimaten, das Herd, das Zuhause, den Schutz, all das, von dem die Existenz eines jeden Menschen abhängt, verloren hat. Er entscheidet sich für das kleinere Übel – für den Westen. Aus seiner Reise nach Frankfurt zusammen mit Nichita Stănescu und Virgil Theodorescu kehrt er nicht mehr zurück. Illusion: Das Sich-Wieder-Einrichten in der neuen Heimat kommt nicht zustande. „In Deutschland dachte ich, meine Sinne zu verlieren, sogar das Essen schien mir künstlich” – so Schlesak in einem Interview. Oder in der Sprache der Dichtung: „Von Westen her täuschend / Ein Licht, gekonnte / Sonnenuntergänge/ Rot / Freizeit Ferienfreude Und / Zweihundertfünfzig Sorten Brot (...) // Schön dieses Mutter / Land // Woher wir kamen / Vor fast tausend Jahren / Dort kommen wieder an. / Mit Grabsteinen im Gepäck.” Innere Zerrissenheit: das Gefühl des „Verrats” an seiner bisherigen Heimat verbindet sich immer deutlicher mit dem Gefühl der historischen „Schuld”. Der Sprachmeister sieht sich genötigt, seine Erinnerungen und Kindheitserinnerungen zu korrigieren, die Selbstgewißheit wird schwächer angesichts handfester Tatsachen: „Fast alle meine männlichen Verwandten waren in der SS gewesen und hatten zu den Wachmannschaften deutscher KZs gehört” – so auch Victor Capesius, ein Verwandter mütterlicherseits. Ein Mega-Thema. Das Er-

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gebnis: 6.000 beschriebene Seiten, aus dem sich der Roman „Vaterlandstage oder die Kunst des Verschwindens” herauskristallisierte – zehn Jahre Arbeit im Schreibprozeß, am Sprachmaterial der Muttersprache, des Deutschen. Ein bekenntnishafter Opus, eine komplexe und komplizierte Textur von Erlebnissen und Reflexionen über das Schreiben, ein unkommerzieller, schwer verdaulicher Roman in einer Welt des Konsumrausches, ein publikumsunwirksamer Roman, keine Spur von Bestseller – die Verlage meiden solche Werke, fallen jedoch leicht in die Falle rezeptgerecht angefertigter Machen nach dem Geschmack naiver, unwissender Leser, die um den Sachverhalt keinerlei Ahnung besitzen um das darin enthaltene, manchmal gravierend verfälschte Zeugnis. Dieter Schelesak ist derart aufrichtig mit sich selbst, daß er oft das SprachMesser in der eigenen Wunde dreht, sein poetischer Ausdruck erkundet die historische Wahrheit und die seiner Biographie. Und ist imstande, sich selbst als „Deutschen der dritten Art” zu bezeichnen: Er ist also kein deutscher Deutscher, von der „Mitte”, kein Rumäniendeutscher von der „Peripherie” – er geht sogar weiter und nennt sich gerne, wie Sie gerade auch heute hören werden, einen heimatlosen Deutschen, einen „Zwischenschaftler” – das ist ein Begriff, der schwerlich ins Rumänische übersetzt werden kann und den wir, in gemeinsamer Entscheidung, riskanterweise mit „om aflat în intermediaritate” wiedergeben wollen. Wir halten allerdings fest: Dieter Schlesak nimmt für sich den Zustand eines Ausgewanderten, Exilierten in Anspruch – wir wundern uns (vielleicht entzieht sich das bloß unserer Kenntnis), daß niemand ihn mit Ovid verglichen hat, dem nach Tomis Verbannten. Vieles spricht gegen eine solche Annäherung – und dennoch: Agliano, die Ortschaft, in der Dieter Schlesak seit mehr als 25 Jahren lebt, klingt zauberhaft, der Deutschsprechende mag fasziniert sein, doch wir, die lateinischen Rumänen, aber auch Dieter Schlesak selbst, ein guter Kenner unserer Sprache, spüren den Hauch von „Entfremdung” (lat. „alieno” – der Fremde, Fremde). Dieter Schlesak ist allein in einem echten Paradies... Ovid war ein Fremder im thrakischen Inferno am Pontus Euxinus. Ein vaterlandsloser Fremder, verirrt in einer Sackgasse, Tristan Tzara ähnlich, dem heimatlosen Dichter, den Dieter Schlesak wie folgt darstellte: „Anstatt Selbstmord / beging er / die Fremde / sprachauf / sprachab - // Und fand / keinen Ausgang.” Ein anderer großer Ausgewanderte, der Rumäne Emil Cioran, bestätigte in einem Brief aus Paris nach der Lektüre von „Visa Ost West Lektionen” Schlesaks „unbarmherzige Anklage gegen den Osten und Westen” als „eine verzweifelte Konfession von jemandem, der nicht wählen kann”; Schlesaks Werk hätte den Untertitel „’Geschichte einer Enttäuschung’” tragen können. Wir könnten auch vorschlagen: Der Scharfblick eines kühlen Verstandes. Als Angehöriger der Sechziger Generation, als Generationskollege von Nichita Stănescu definierte sich Dieter Schlesak als „antiwilhelmeisterlich”, setzte seine Grenzgänge fort in Bereichen der Politik und Literatur, im Bereich der „Transkommunikation” und der Parapsychologie – diese Problematik legte er dar in einem beachteten Band, der 1975 im Rowohlt-Verlag erschienen ist. Darin ging es um das, was er „die wichtigste, die innere (bewachte) Grenze, die innere Zensur” nannte, aber auch um das „Verschwiegene”, das Parapsychologische. Nach Schelask ist die Errichtung einer neuen Welt notwendig, die „der neuen Zeit” entsprechen soll. „Nach Öffnung der äußeren Grenzen geht es nun um die inneren Grenzen und Verhärtungen”, um das Verhältnis zwischen Mensch und Tod als einem der „Erbsünden”, als dem größten „Betrug”, dem „Sold sozusagen unserer ’Blindheit’ und von allen Herrschaften der Welt usurpiert, ihre Grundlage: Zeit, Empirie, geronnen in Macht und Geld.” In all diesen Abenteuern innerhalb der Gegenwart hat Dieter Schlesak zweierlei Halt: die deutsche Sprache (mit all ihrem geistigen Gehalt) und die rumänische Kultur: „ohne die rumänische Kultur kann ich mein geistiges Dasein nicht vorstellen“ – wie er sich einmal ausdrückte. Er bewegte sich ertragreich zwischen beide Polen, war eigentlich stets zu Hause in beiden Kulturen. Schlesak verwandelt beide in Brückenköpfe dessen, was ich fachliterarisch „Interreferentialität” nenne, einen zweispurigen Kommunikationskanal. Die rumänische Kultur verdankt Schlesak die umfangreichste Anthologie rumänischer Lyrik im deutschsprachigen Raum, ein Riesengeschenk an die rumänische Literatur!

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Der Mensch und Dichter Dieter Schlesak – der mehrere Heimaten und zugleich keine besitzt – begab sich schon lange auf geistige Suche nach einer „tieferen Heimat”, der „’geistigen’ Diaspora”. Um eine Hölderlin-Metapher zu verwenden, begab er sich auf die Suche nach den „Vaterlandstagen”. Unter Heranziehung des Titels der erwähnten rumänischen Lyrik-Anthologie begab er sich auf „Gefährliche Serpentinen”. Er sucht nach dem, was Ernst Bloch in seiner berühmten Studie „Das Prinzip Hoffnung” als etwas bezeichnete, „das allen in der Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat”. Dieter Schlesak hat nun durchaus die Chance, eine Heimat wieder zu finden und meridianhaft zum Ausgangspunkt zu gelangen. Was „Meridian“ bedeutet, erklärte uns einmal Paul Celan, ein weiterer aus Rumänien stammender großer Ausgewanderter, in seiner berühmten Rede bei der Entgegennahme des Georg-Büchner-Preises, und zwar anhand seines eigenen, alles andere als glücklichen Weges. In einem Brief von 1962 an seinen Bukarester Förderer, den Schriftsteller Alfred Margul-Sperber, schrieb er: „In einem gewissen Sinne ist mein Weg noch einmal der Ihre, wie der Ihre beginnt er am Fuße unserer heimatlichen Berge und Buchen, er hat mich, den – um es mit einem Scherzwort zu sagen – karpathisch Fixierten – weit 1 ins Transkarpathische hinausgeführt” . Celan selbst kehrte oft in Gedanken und in seiner Lyrik an den karpatischen Raum zurück wie zu einer „tieferen geistigen Heimat” – so wie auch Dieter Schlesak immer wieder zum rumänischen geistigen Raum zurück kehrte und ihn in seinem literarischen, essayistischen und publizistischen Werk in den verschiedensten Hypostasen evozierte, zu einem Raum, der seine Erinnerungen, seine Vergangenheit und die Gegenwart prägte. Dieter Schlesak weilt wieder unter uns, an der Seite eines anderen doctor honoris causa der Universität Bukarest, des Schriftstellers, Essayisten und Publizisten Hans Bergel, zusammen mit weiteren seiner Landsleuten und unseren ehemaligen Landsleuten, die im Dienst der deutschen Sprache stehen wie die bekannten Schriftsteller Oskar Pastior, ehemaliger Student der Bukarester Universität, Herta Müller und Richard Wagner, Werner Söllner, Klaus Hensel und Ernest Wichner, Übersetzer wie Gerhardt Csejka und Georg Aescht – um nur einige anzuführen. Ohne schriftliche Zeugnisse seitens rumänischer Regierungen weisen sich all diese Persönlichkeiten durch ihre Werke als echte Botschafter der rumänischen Kultur und Literatur aus. Ebenso wie Dieter Schlesak, unser Laureatus von heute, dem wir uns erlauben – in höchster Aufrichtigkeit und in Dankbarkeit zu sagen: Willkommen aus der „Zwischenschaft”, mindestens für einige Tage, in der Realität einer möglichen tieferen Heimat, in der realen Welt des rumänischen geistigen Lebens! * *

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DIE ZWISCHENSCHAFT Ansprache anlässlich der Verleihung des Dr. honoris causa der Universität Bukarest (7. November 2005) Dieter Schlesak Meine Damen und Herrn, es ist nicht nur ein großes geistiges „Andenken“, ja Werk- aber auch Gefühlsabenteuer, dass ich heute am 7. November an meiner alten Alma Mater den Ehrendoktor erhalte, nein, es ist wie eine schöne neue Heimkehr aus einer fast vierzigjährigen, sehr lange diktaturbedingten Fremde: 40 Jahre zwischen Sprachen und Ländern, heute nun Heimkehr aus dieser „Zwischenschaft“ zu einer festeren

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Brief vom 12.12.1962, in: "Neue Literatur", 7, 1975, S. 59.

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terra cognita einer neuen Zugehörigkeit. Und mein Dank gilt heute dem Rektor der Universität Bukarest, Herrn Prof. Dr. Ioan Pânzaru, Frau Dekan, Prof. Dr. Alexandra Cornilescu, den Vertretern der akademischen Gremien, im besonderen Professor Dr. George GuŃu für seine mit mir und meiner zwischenschaftlichen Heimkehr tief mitempfundenen Laudatio, die mit dieser Ehrung mein literarisches Werk mit krönt, zu ihm gehört, weil sie den Bogen schlägt zu meiner alten Uni. Hier nun fast nach einem halben Jahrhundert traumatischer Zeit, die geliebte rumänische Kultur und Sprache immer inmitten, sind in mir noch die Stimmen der Kollegen und Freunde wach; und ich möchte die heutige Ehrung nicht nur auf meine Person bezogen wissen, sondern auch auf meine Kollegen der sechziger Generation, die unter Druck bedeutende geistige Werte hier und in aller Welt geschaffen haben, vor allem auf jene, die in Diktaturzeiten wegen ihres Talentes leiden mussten. Viele Generationskollegen leben nicht mehr; und doch höre ich sie, so höre ich die Stimme meines toten Freundes Nichita Stănescu: „Singurele lucruri reale, singurele lucruri pe care le ducem cu noi până la urmă sunt propriile noastre sentimente, dragostele noastre… Mă-ntreb: noi, la capătul vieŃii noastre, ce-am lăsa în afară? Bănuiesc că putem lăsa nişte sentimente... de dragoste mai ales.“ Ja, eingedenk sein dieser Liebe, die mich in der Fremde geleitet und behütet hat, die Erinnerung, das Land und die Unsterbliche Geliebte, die Kunst, wurden zu einem Leben und Werk. Eine Liebe, die auch ein Raum der Vermittlung zwischen der deutschen und rumänischen Literatur war, ans Zentrum meines Werkes rührt, nun mit dem Glück der Verbindung auch durch den heutigen Tag. Sagen wir es scherzhaft, dass die immer ferne Geliebte Rumänien, dass Ferne und Trennung meine erkennende Liebe gesteigert und wach gehalten hat! Nun Rückkehr, Wiederkehr. Die Tür aber bleibt, die verschlossene, die offene? Die Angst des Draußenvor-der-Tür-Stehens? Des Ausgeschlossen-Seins? Mir ist, als wäre ich heute auf ganz besondere Weise wieder eingelassen worden. Doch lassen Sie mich auch etwas Scherzhaftes zu meiner fast naturgegebenen „Zwischenschaft“ sagen, die ja auch mein bestes Erkenntnismittel ist, dieses Nicht-Dazugehören, dieses zwischen alle Stühle Gefallen-Sein. Schon in Bukarest, bevor ich Deutschland kannte, bevor ich überhaupt die Grenze meiner Heimat Rumänien überschreiten durfte, wo nur in der Sprache diese Sehnsucht saß, wie ein verhindertes Fluggerät, ein Vogel mit gebundenen Flügeln, ein Mensch, der einen Vogel im Kopf hat, da wurde ich gefragt, es war um 1964: was ich denn eigentlich sei, ein Rumäne doch nicht, du bist ja als Siebenbürger Sachse geboren, aber ein Deutscher bist du doch auch nicht: du warst ja noch nie in Deutschland? Du musst ein Jude sein. Als einem Deutschen mit seinem Schuldgefühl kam das einem kleinen Schock gleich! Weil sich jeder deutsche Autor naturgemäß mit Jüdischem beschäftigen muss, und ich es ein Leben lang auch getan habe, mein jüngstes Buch ist ein Roman über den Auschwitzapotheker Capesius, einem transsylvanischen Landsmann! Doch - Stimmt es etwa nicht, das mit dem Jüdischen? Von Marina Zwetajewa, der russischen Lyrikerin, stammt ein erhellendes Wort: Bce poety jidy - alle Dichter sind Juden, d.h., sie bleiben immer Fremde und sie gehen einem Handwerk nach, das, laut Paul Celan, keinen Goldenen Boden, sondern überhaupt keinen Boden hat. Identität gibt es also für diese „Fremden“ nur punktuell, nämlich im Augenblick der inspirierten Selbstherstellung via Schreiben, denn Sprache ist der einzige feste Boden, die stärkste Kraft dieses verhinderten Vogels, der da Mensch heißt. Aber nicht nur die Herkunft hat mich zum Zwischenschaftler gemacht, sondern auch die rote Diktatur, sie hat die Verletzlichkeit und die Sprach-Hellhörigkeit in ihren Gefahrenzonen - für ein Gedicht konnte

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man jahrelang hinter Gitter kommen, wie mein toter Freund Ion Caraion. Sprachangst aber hat den Sprachmut und Sprachsinn enorm geschärft. Ich bin davon überzeugt, und dieses wurde auch nach meiner Herausgabe der vielleicht umfangreichsten deutschen Anthologie (450 Seiten) rumänischer Gegenwartslyrik „Gefährliche Serpentinen“ in Berlin, vielfach analytisch-lobend geschrieben, dass die Weltklasse rumänischer GegenwartsPoesie genau auf diesen Erfahrungen und diesem verletzlichen Erleben von Sprache beruhe. Es gab damals, diese besondere Kunst der Zwischenschaft, eine Art Interlinearversion, Versteckspiel mit der Metapher, um mit der Wahrheit an den Leser zu kommen, ohne von der Zensur ertappt zu werden. Unsere Generation, die sechziger Generation, vor allem ihr Geist lebt auch in meiner Sprache, in meinem Werk, ihr fühle ich mich zugehörig, vor allem dem Geist ihres wichtigsten Repräsentanten, meines zu früh verstorbenen Kollegen und Freundes Nichita St`nescu, dessen Elf Elegien eben in meiner Übersetzung und mit meiner neuen Deutungs-Studie in Deutschland erschienen sind. St`nescu ist meiner Meinung nach als Dichter in finsterer Zeit ein Pendant zu seinem Landsmann Paul Celan; Celan sublimierte das Trauma der Nazizeit zur abgründigen Metapoesie, St`nescu das Trauma der fünfziger und sechziger Jahre roter Diktaturzeit. Was aber die rumänische sechziger Generation und besonders St`nescu dazu befähigte diese abgründige Metasprache der Weltsprache der Poesie zu schenken, ist nun ganz paradox: nämlich diese Polyphonie und das ästhetisch kodierte hermetische Metaphernspiel, das auch als Ort zu sehen ist, wo man sich verstecken, wohin man flüchten und im Versteckspiel mit der Metapher auch der Zensur ein Schnippchen schlagen konnte. Das ist Geschichte. Doch das Resultat bleibt und ist merkwürdigerweise heute aktuell in der Postmoderne: Es waren Interlinearversionen, wenn auch die einer stilistisch hoch entwickelten Sklavensprache während der Diktatur, in der brisante Aussagen an den Leser gebracht wurden, vor allem „Transzendenz als Politikum“ galt damals. War das für die Diktatur so gefährliche Unsichtbare unser eigentliches Zuhause. Aber dieses Zuhause war und ist immateriell UND irdisch wie die Sprache, wir erinnern uns: es durchkreuzt alle Tropen und trifft sich als Meridian im Pol des Einen, ist also in der puren Körperwelt nicht anzutreffen, und muss auch bei einer versuchten zu direkten, zu konkreten „Heimkehr“ wie meiner jetzt zu einer Enttäuschung werden. Die tief in uns eingedrungene Herkunft, die wir anscheinend verloren haben, ist nur ein kleiner, aber intensiver Hohl-Spiegel für eine andere, eine verstellte Herkunft und Heimat, die viel tiefer geht und vielleicht unverstellt nur in der Bodenlosigkeit aufleuchten kann! Es könnte sein, dass auch Constantin Noicas unübersetzbares rumänisches Grenz- und Feld-Wort „întru ceva“ (Zwischen etwas) diese Zwischenräume der Aura und des kaum aussagbaren Zustandes genau trifft; întru ist ein Limit zwischen Innen und Außen und auch beides zugleich ist, ein Dazwischen- und zugleich Inmitten-Sein, ein zu einer rätselhaften Vollendung Aufdemwegsein, das Eine, das uns nicht verlässt, unser Leben auf diese Eine Heimat zuhält, die späte, reifste Heimkehr ist. Sie sehen, meine Damen und Herrn, wir müssen immer wieder dies umkreisen, immer wieder zum eigentlichen Herkunfts-Problem kommen, das uns in unserem Herkunftsbruch ebenfalls besonders angeht: „Zukunft braucht Herkunft.“ Wenden wir uns noch einmal unserem Begriff „Zwischenschaft“ und auch der Chance des Verlustes zu. ZWISCHENSCHAFT benennt nicht nur das Nirgends-Zuhause-Sein, das zwischen alle Stühle Gefallene, das

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Bodenlose, sondern inzwischen auch das heute so wichtige Interdisziplinäre, das ja das global Verbindende, ja, Vernetzte ist, sie muss der neuen Immaterialität unserer Wirklichkeit eingedenk sein, um in der wirklichen Gegenwart, in dem, was Historie heute meint, anzukommen. Auch das Handfesteste heute ist davon bestimmt: ich schrieb diese Rede in Italien auf einem PC, ich schickte sie per E-mail in Sekundenschnelle nach Bukarest, damit sie übersetzt, und so von allen hier verstanden werden kann; ich war mir bei komplizierteren Formulierungen nach 40 Jahren Abwesenheit meines geliebten Rumänisch nicht mehr sicher; und das haben viele so im Fremden gehalten, auch von Emile Cioran, erhielt ich viele Briefe, jedoch keinen einzigen rumänischen. Das Fremde ist in uns Heimatfremden zuhause, auch wenn die Geliebte Rumänien heißt. Die Trennung aber wurde von mir jetzt in zwei Stunden mit einer Boeing von Frankfurt nach Bukarest überwunden. Nicht so schnell zwar wie meine Erinnerungen und Gedanken, doch undenkbar schnell. Von unseren lichtgeschwinden „elektronischen Haustieren“, Computer, Radio, Fernsehen ganz zu schweigen. Und diese lichtschnellen Hausgeräte des Alltags heute beruhen auf Formeln, die einmal „Einfälle“ von genialen Menschen waren, ähnliche „Gedankenblitze“ wie in der Poesie? Das Nicht-Materielle, das „Geistige“ bestimmt heute mehr denn je alles, was geschieht, mentale Prozesse machen mit einer durchschlagenden Evidenz Geschichte, Denken wird „objektiv“, lernt sich als mathematische Struktur selbst denken, erfährt sich als Ort, wo Naturgesetze offenbar werden, wird praktisch, beherrscht im Gerät die Natur und die Gesellschaft. Völlig im Gegensatz dazu beherrscht der krasseste Materialismus die Köpfe und das Handeln der Politiker, Ökonomen, Intellektuellen, und auch der Universitäten. Dabei lebt heute im atlantischen Raum niemand mehr in jener alten Körperwelt, heute ist niemand mehr wirklich auf einem festen Boden und nur im geliebten sinnlichen Wahrnehmungs-Raum zu Hause. Nur die arme tägliche Arbeit der Arbeitssklaven vielleicht, doch das Kapital ist immateriell, blitzschnell weltweit aktiv!! Wer meint, es gebe heute noch eine beschränkbare „Heimat“, ist hoffungslos im Gestern befangen. Für mich weiß ich, dass Künstler und Literaten Brückenbauer sein müssen zwischen der alten Sinnenwelt und jener anderen, immateriellen Welt, die geister- und geistnah ist, wo Zeit und Raum aufgehoben sind! Meine Damen und Herren, ja, diese Grenzgänge, diese auch nach jenem Einen, einer höheren Heimkehr suchende Anamnesis in der Erinnerungsheimat eines grösseren Sinnraumes von Zusammenhängen sind das Zentrum meines Werkes. Das Motto meines Romans „Vaterlandstage und die Kunst des Verschwindens“ stammt aus Hölderlins „Anmerkungen zur Antigonä“, es lautet: „ … dass jedes, als von unendlicher Umkehr ergriffen, und erschüttert, in unendlicher Form sich fühlt, in der es erschüttert ist. Denn vaterländische Umkehr ist die Umkehr aller Vorstellungsarten und Formen.“ Es geht nicht nur um die lichtschnellen Geräte, die Zeit und Raum überwinden, es geht auch und vor allem um unsere Zeit nach Auschwitz, den Gulag und Hiroshima, Hiroshima, das erst durch diese lichtschnellen Geräte möglich wurde. Wir leben in einer Zeit „unendlicher Umkehr“ durch Schock im radikalen Perpektivwandel zwischem posthumem Leben und sprachlosem Tod. Lassen Sie mich aus meinem jüngsten Buch „Zeugen an der Grenze unserer Vorstellung“, das noch in diesem Jahr in München erscheinen wird, einen Absatz zitieren, er ist dem an der Endstation unserer Zivilisation, in Auschwitz 1944 ermordeten rumänischen Poeten und Denker Fundoianu/ Benjamin Fondane gewidmet, er lautet: „Voller Verachtung und Todesverachtung kam Fondane an jenem infernalen Grenzort

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an, wo alles, was die Geschichte hervorgebracht hatte, ad absurdum geführt wurde. Auch die Sprache, und gerade sie! (…) Mit seinem Tod erlebte Fondane ihren Tod. In jenem grauenhaften Augenblick, über den er nicht mehr Zeugnis ablegen kann, war alles, was er gedacht und geschrieben hatte, bestätigt worden. Angesichts der Gaskammer gilt kein Glaubens- oder Trostspruch mehr, geschweige denn Literatur. Es war etwas offenbar geworden, was nicht seinesgleichen hatte. Fundoianu hat das, worüber wir nur nachdenken können, erfahren, und dann ganz konsequent mit dem Leben bezahlt.“ Es gibt keinen Vergleich mehr. Unvergleichliches ist auch in den Diktaturen geschehen. Und der neue vielortige zwischenschaftliche Standpunkt ist nur mit einem Blick vom bewusst gewordenen eigenen und historischen Tode her erfassbar. Sie werden verstehen, warum auch Paul Celan ein Vor-Bild für mich geworden ist, in seinem Gedicht lebte der Tod seiner Mutter an jener Endstation der Zivilisation: Celans Lyrik ist ein metasprachliches, Phänomen, Grenzgang zwischen Leben und Tod. Ein schöner Bogen auch zu unserem Fest hier, wenn ich an rumänische Urgründe, auch die Paul Celans rühre: und an die wahlverwandtschaftliche Gemeinsamkeit in meiner Celan-Forschung mit der Arbeit von George Gu]u denke. Dabei geht es in seiner Arbeit auch um Kontaminationen mit rumänischer Lyrik. Und die wichtigste Einsicht bei diesen Interferenzen ist, dass auch bei Celan die Grenze zwischen Lebenden und Toten aufgehoben ist, wie etwa bei Lucian Blaga - ein fließender, ununterbrochener Dialog mit den Toten entsteht. Dieser Dialog geht über Zeit- und Raumgrenzen hinaus ins Unsichtbare, ein eigener Raum der Begegnung mit den Opfern entsteht. Das Kreative geht voraus: es ist eine Art Teleskop, Fernrohr, Elektronenmikroskop für Orte, die mit freiem Auge oder NichtSprachlichem Erleben gar nicht da und nachvollziehbar sind. Und das Unsichtbare ist mehr denn je die Hirnsyntax der Geschichte. Unser Weltentwurf scheint an eine Grenze gekommen zu sein, wo es auf gewohnte begriffliche oder anschauliche und sinnliche Weise nicht mehr weiter geht. „Die Wissenschaft führt an eine Schwelle von Erfahrung, die sich der Meditation, aber nicht der Reflexion erschließt“, heißt es beim Physikerphilosophen Carl Friedrich von Weizsäcker, „dies ist vernünftig. Das begriffliche Denken kann einsehen, dass es den Grund seiner Möglichkeit nicht begrifflich bezeichnen kann.“ Zu jenem Grund seiner eignen Möglichkeit des Denkens zu kommen: Das ist die Chance des geistigen, metaphorischen, also zwischenschaftlichen Brückenbaus, Chance der Literatur. Und nicht ist zu vergessen, dass das Gedicht im Gegensatz zur Macht und Zerstörung durch die „Hure Historie“, wie sie Cioran nennt, immer Gegenwart, aufgeblühtes Jetzt ist, Zuwendung, Gewährenlassen eines Anderen in uns, der inspirativ, anbindend in uns spricht, Gespräch im Augenblick, im Herzen bewegt, „Innigkeit“, Sprache so nah wie möglich im Einen, mit sich im Reinen, Heimkehr.

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III. Der VII. Kongress der Germanisten Rumäniens. Timi[oara/Temeswar, 22.22. - 25. Mai 2006

VII. Kongress der Germanisten Rumäniens Timişoara/Temeswar, 22.-25. Mai 2006 - Comitetul / Das Komitee Str. Pitar Moş 7-11 / RO-010451 Bucuresti Tel. + Fax.: 0040-21-252.59.72; Tel.: 0040-21-252.15.51; 0040-21-211.18.20 (int. 27) E-mail: [email protected]; [email protected] Homepage: http://www.ggr.ro

--------------------------- Das Organisationskomitee für den VII. Kongress der Germanisten Rumäniens, Timişoara/Temeswar, 22.-25. Mai 2006 -

EINLADUNG An Frau/Herrn .................................................................................................... ................................................................................................... ................................................................................................... Bukarest und Temeswar, den 30.05.2005 Sehr geehrte Kollegin, sehr geehrter Kollege! Nachdem 2003 der VI. Kongress der Germanisten Rumäniens in Sibiu/Hermannstadt stattfand, veranstaltet die Gesellschaft der Germanisten Rumäniens (GGR) vom 22. - 25. Mai 2006 den VII. Kongress der Germanisten Rumäniens, der sich - wie die bisherigen - als eine niveauvolle wissenschaftliche Tagung versteht, zu der nicht nur rumänische, sondern auch ausländische GermanistInnen und DeutschlehrerInnen eingeladen werden. Auch dieser Kongress will – ebenso wie die vorangegangenen - den gegenwärtigen Stand der rumänischen germanistischen Forschung, der rumänischen Überlegungen zu Fragen des Deutschunterrichts als Fremd-, Mutter- und Unterrichtssprache, zu Aspekten der kulturellen und geistigen deutsch- bzw. österreichisch-rumänischen Interferenzen veranschaulichen, diesbezüglich Mängel und Lücken aufweisen und damit die Aufgaben sichtbar werden lassen, die die rumänische Germanistik im Zuge verstärkter grenzübergreifender Zusammenarbeit sowie der europaweiten Umwälzungen im Bildungssystem zu bewältigen hat. Zugleich sollen rumänische GermanistInnen und DeutschlehrerInnen Einblick nehmen in die weltweit relevanten Aspekte der inlands- und auslandsgermanistischen Forschung in den Bereichen, die die Sektionen des Kongresses anvisieren. Nicht zuletzt wird der Kongress den rumänischen GermanistInnen die Möglichkeit bieten, einander auch persönlich kennenzulernen und einen nützlichen Erfahrungsaustausch vorzunehmen sowie

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Mitteilungen der Gesellschaft der Germanisten Rumäniens mit ihren ausländischen KollegInnen, die freundlicherweise zum Kongreß kommen werden, Kontakte anzuknüpfen. Der Kongress markiert durch ein Sonderkolloquium den 50. Gründungstag des Temeswarer Germanistiklehrstuhls als bedeutender Lehr- und Forschungseinrichtung der Germanistik in Rumänien.

Wir laden Sie herzlichst ein, an unserem Kongress teilzunehmen ! 1

Mitveranstalter

dieser wissenschaftlichen Tagung sind:

* Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD) * Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) an der Universität München * Gerhart-Hauptmann-Haus Düsseldorf * Deutscher Germanistenverband (DGV) * Österreichische Gesellschaft für Germanistik (ÖGG) * Institut zur Erforschung und Förderung österreichischer und internationaler Literaturprozesse (INST), Wien * Universität Trier * Robert-Bosch-Stiftung * Hans-Seidel-Stiftung * Conrad-AdenauerStiftung * Deutscher Balkanromanistenverband * Demokratisches Forum der Deutschen in Rumänien, Temeswar * Goethe-Gesellschaft in Rumänien T e r m i n: 22. - 25. Mai 2006 (24. Mai 2006 - Landeskundliche Tagesexkursion in der Banater Gegend) T a g u n g s o r t: Timişoara – Temeswar / Banat S e k t i o n e n: 1) Theoretische und angewandte Linguistik; 2) Literaturwissenschaft; 3) Deutsche Regionalliteraturen in Rumänien. Die Banater deutsche Literatur im interkulturellen Beziehungsgeflecht (in der Betreuung des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Universität München) 4) Didaktik des Deutschunterrichts (DaF, DaM, DaU); 5a) Rumänisch-Deutsche/Österreichische interkulturelle Grenzgänge (in dt. Sprache); 5b) Interculturalitate transfrontalieră româno-germană/austriacă (in rum. Sprache); 6) Interkulturelle Kommunikation und anthropologische Interreferentialität; 7) Sonderkolloquium zum 50. Gründungstag des Germanistiklehrstuhls der West-Universität Timişoara/Temeswar. F o r e n: F o r e n: 1. Forum: 'Zigeuner' als Fremde und Arme? Zur Darstellung von 'Zigeunern' in literarischen und ethnographischen Texten; 2. Forum: Miteinander im Gespräch - Interkulturelle Kommunikation aus der Perspektive der Pragmalinguistik; 3. Forum: Nicht nur Pulverfass - Der europäische Südosten als agonale Interkulturalitätsarena und kreative Fundgrube (in Zusammenarbeit mit dem Balkanromanistenverband in Deutschland) 4. Forum: Südosteuropäische Germanistik im Zuge des Bologna-Prozesses; 5. Forum studentischer Forschung: Phänomene der Exklusion, Trennungsängste, gefährdete und langwierige Meinungsbildung Zusätzliche Veranstaltungen: * L e s u n g e n (deutsche, österreichische, rumäniendeutsche und rumänische Autoren; 22., 23. u. 24. Mai 2006); individuell: Kulturangebot der Stadt Temeswar: Konzert, Theateraufführung, Ausstellungen * Tagesexkursion: Ausflüge in die Banater Region (Timişoara/Temeswar und Sehenswertes in

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Einige unserer Partner haben bereits ihre Zusage erteilt. Mit den anderen stehen wir in Verbindung.

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Mitteilungen der Gesellschaft der Germanisten Rumäniens der Umgebung) – am 24. Mai 2006 Für die (etwa 110) rumänischen Teilnehmer (Mitglieder der GGR) übernehmen die Organisatoren: * Fahrt- und Übernachtungskosten * Vollpension. Rumänische Teilnehmer zahlen selbst eine Kongressgebühr: 600.000 ROL bzw. 60.- RON für Mitglieder der GGR, 700.000 ROL bzw. 70.- RON für Sonstige.

WICHTIG: Die ausländischen Gäste werden gebeten, sich mit Einrichtungen und Institutionen, die in ihren Ländern die akademische Forschung fördern, in Verbindung zu setzen, um Möglichkeiten für die Finanzierung ihrer Teilnahme am VII. Kongress der Germanisten Rumäniens ausfindig zu machen. Teilnahme aufgrund von Selbstfinanzierung ist selbstverständlich möglich. * Ausländische Teilnehmer zahlen eine Kongressgebühr von 35.- EUR und eine Tagesexkursionsgebühr (einschl. Mittagessen) von 30.- EUR. Der Wunsch auf Teilnahme, der Titel des Vortrags sowie eine kurze (20zeilige) Zusammenfassung (in zweifacher Anfertigung) werden dem Organisationskomitee spätestens bis zum 25. April 2006 schriftlich mitgeteilt. Anmeldungen ohne Zusammenfassung sowie später einlaufende Anmeldungen können leider nicht mehr berücksichtigt werden. Die Dauer der Vorträge: 20’ (mit Diskussion). Die Tagungsbeiträge werden in den nächsten Heften der "Zeitschrift der Germanisten Rumäniens" (ZGR) sowie - in ausgebauter Fassung - in "transcarpathica. germanistisches jahrbuch. Rumänien" (GJR) veröffentlicht. Deshalb empfehlen wir, die zu veröffentlichende Fassung des Vortrags während des Kongresses (möglichst auf Diskette 3,5”, Word unter Windows, höhere Versionen und Ausdruck) abzugeben. Die Option für die landeskundliche Exkursion muß bis 25. April 2006 dem Organisationskomitee schriftlich und bindend bekanntgemacht werden. (Genauere Angaben bitte unserer KongressWeb-Seite entnehmen: http://www.ggr.ro/cong7.htm ) Sonstige persönliche Wünsche im Zusammenhang mit dem Rumänienaufenthalt unserer ausländischen Kollegen (Fahrten, Besuche, Kontakte etc.) können der GGR ([email protected]) ebenfalls bis zum 25.04.2006 mitgeteilt werden. Die GGR wird sich als Vermittlerin bemühen, damit diese Wünsche in Erfüllung gehen. Weitere, neueste Informationen werden den Interessenten in einem Rundschreiben im März 2006 mitgeteilt. Die GGR und das Organisationskomitee erteilt auf Wunsch nähere Informationen. Sehen Sie sich von Zeit zu Zeit die Web-Seite der GGR www.ggr.ro an! Mit freundlichen Grüßen, Prof. Dr. George GuŃu, Präsident des Organisationskomitees, Präsident der GGR

Prof. Dr. Roxana Nubert, Leiterin des Germanistiklehrstuhls der West-Universität Temeswar

Doz. Dr. Angelika Ionaş, Leiterin der GGR-Zweigstelle Temeswar

------------Berichterstattung vom VII. Kongress und Vorträge in den Sektionen und Foren im nächsten Heft der „ZGR“ sowie in „transcarpathica germanistisches jahrbuch rumänien“.

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Die Autorinnen und Autoren dieses Heftes 1.

AKTA{, AYFER – Doz. Dr., Marmara Universität Istanbul, Türkei

2.

ASTNER, MICHAEL – freischaffender Schriftsteller, Ia[i/Jassy

3.

BERGEL, HANS – freischaffender Schriftsteller, Gröbenzell bei München, Deutschland

4.

BERNIC, CORINA – Assist., Universität “Al. I. Cuza” Ia[i/Jassy

5.

BICAN, BIANCA – Lekt. Dr., Stiftungsprofessur der BRD an der Babeş-Bolyai-Universität, Cluj/Klausenburg

6.

BRAUN, HELMUT – freischaffender Herausgeber und Publizist, Köln

7.

BUTH, MATTHIAS – Dichter und Publizist, Ministerialrat im Bundesministerium des Innern, Berlin

8.

CORBEA-HOI{IE, ANDREI – Prof. Dr., Universität “Al. I. Cuza” Iaşi/Jassy

9.

CHEIE, LAURA – Lekt. Dr. West-Universität Timişoara/Temeswar

10. CORNILESCU, ALEXANDRA – Prof. Dr., Dekanin der Fakultät für Fremdsprachen der Universität Bukarest; Eglisch-Lehrstuhl 11. COSMA, RUXANDRA – Doz. Dr., Universität Bukarest 12. CYBENKO, LARISSA – Doz. Dr. Universität Lemberg, Ukraine 13. DECUBLE, HORAłIU - Doz. Dr., Universität Bukarest 14. DEWULF, JEROEN – DAAD-Lekt. Dd., Universität Porto, Portugal 15. DOSCA, ALIONA – Lekt. Dd., Universität Chişin`u/Kischinjow, Republik Moldova 16. E{IANU, DELIA – Assit. Dr., Universität “Al. I. Cuza” Iaşi/Jassy 17. E{IANU, CORNELIA - Assit. Dd., Universität “Al. I. Cuza” Iaşi/Jassy 18. FISCHER, MARKUS – PD. Dr., Universität Heidelberg 19. GĂDEANU, SORIN – Doz. Dr., Universität „Spiru Haret“ Bukarest und Universität Wien 20. GÁLL, KINGA – M.A., Germanistiklehrstuhl der Babeş-Bolyai-Universität Cluj/Klausenburg 21. GEHL, HANS – Dr., Mitarbeiter des Instituts für Donauschwäbische Geschichte und Landeskunde an der Universität Tübingen, em. 22. GILLE, KLAUS F. – Prof. Dr., Universität Amsterdam, Niederlande 23. GRUBER, WILFRIED – Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Rumänien 24. GUłU, GEORGE – Prof. Dr., Universität Bukarest 25. HAINZ, MARTIN A. – Assist. Dr., Universität Wien 26. HAMBURG, ANDREA – Assist. Dd., Universität Oradea/Großwardein 27. HOFFLER, GÜNTER – Doz. Dr., Universität Graz, Österreich 28. HOFFMANN, VOLKER – em. Prof. Dr., Ludwig-Maximilians Universität München 29. IROAIE, ANA – Assist. Dd., Universität Bukarest

Die Autorinnen und Autoren dieses Heftes

30. KARABALIĆ, VLADIMIR – Doz. Dr., Universität Novi Sad 31. KŁAŃSKA, MARIA – Prof. Dr., Universiät Krakau, Polen 32. KLEES, MICHAEL – Doz. Dr., Universität Tallin 33. KORY, BEATE PETRA – Doz. Dr., West-Universität Temeswar/Timişoara 34. LĂZĂRESCU, MARIANA-VIRGINIA – Doz. Dr., Universität Bukarest 35. LOETSCHER, HUGO – freischaffender Schriftsteller, Zürich 36. MÁDL, ANTAL – em. Prof. Dr., ELTE-Universität Budapest 37. MEIER, ALBERT – Prof. Dr., Universität Kiel 38. MOCANU, MIOARA – Assist. Dr., ??? 39. MOISE, ILEANA MARIA – Lekt. Dr., Universität Bukarest 40. MOTZAN, PETER – Prof. h.c. Dr., Institut für Deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians Universität München 41. NISTOR, ADINA-LUCIA, Lekt. Dr., Universität “Al. I. Cuza” Iaşi/Jassy 42. PĂTRUł, ALEXANDER – Dr., Universität Trier 43. PETRESCU, CORINA – MA, New Europe College, Bukarest 44. POENARU, V. VASILE – MA Dd., Universität Toronto, Kanada 45. PUCHIANU, CARMEN ELISABETH – Transilvania-Universität Braşov/Kronstadt 46. RĂDULESCU, RALUCA – Hilfsassist. Dd., Universität Bukarest 47. SCHNEIDER, EDUARD – Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität München 48. SCHLESAK, DIETER – Dr. h.c., freischaffender Schriftsteller, Pieve, Italien 49. SIENERTH, STEFAN – Prof. h.c. Dr., Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität München 50. STROE, MIHAI A. – Doz. Dr., Universität Bukarest 51. SZÉLL, ANITA-ANDREA – Assist. MA, Babeş-Bolyai-Universität Cluj/Klausenburg 52. SZÉNDI, ZOLTAN – Prof. Dr., Universität Pécs, Ungarn 53. VANHAEGENDOREN, KOEN – Lekt., Universität Thessaloniki, Griechenland 54. VIOREL, ELENA – em. Prof. Dr., Babeş-Bolyai-Universität Cluj/Klausenburg 55. WAGNER, MARGARETE – Doz. Dr., Universität Wien 56. WAGNER, RICHARD – freischaffender Schriftsteller, Berlin 57. WEBER, ANNEMARIE – Deutschlehrerin, München 58. WERNER, KLAUS – Prof. Dr., Universität Opava/Troppau, Tschechien 59. WINKLER, MANFRED – freischaffender Schriftsteller, Jerusalem 60. ZABEK, WOJCIECH – MA, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

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