Personalauswahl zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Prof. Dr. Uwe P. Kanning
Überblick
1. Hintergrund 2. Bewerbungsunterlagen 3. Einstellungsinterview 4. Assessment Center 5. Testverfahren 6. Absurde Methoden 7. Fazit
1. Hintergrund
1. Hintergrund
Personalauswahl als zentrale Investitionsentscheidung
Stellenbesetzungen in 2015 Bruttojahresgehalt
Volumen bei nur einjährigem Verbleib im Unternehmen
ca. 3,4 Mio. ca. 43.000 Euro
146 Mrd. Euro
1. Hintergrund Wer profitiert von guter Personalauswahl? Arbeitgeber à Personalauswahl als Investitionsentscheidung Bewerber à keine Über-/Unterforderung; guter person-job-fit Kollegen à keine Mehrarbeit, Reduzierung unnötiger Konflikte Kunden à besserer Service Volkswirtschaft à erhöhte Steuereinnahmen, geringere Arbeitslosigkeit, effizientere Arbeit im öffentlichen Dienst, Senkung der Kosten im Gesundheitswesen
1. Hintergrund Wie wählen Praktiker Personalauswahlmethoden aus?
Validität
Verbreitung
absolute Kosten 0
0,2
0,4
0,6
0,8
1
1,2
Beta-Gewicht
(König, Klehe, Berchtold & Kleinmann, 2010)
2. Bewerbungsunterlagen
2. Bewerbungsunterlagen Wie sichten Personalpraktiker Bewerbungsunterlagen?
Prozent der Unternehmen
100 90 80 70
91
88
86
84 78
60 50 40 30
41
20 10 0
AZ = Arbeitszeugnis
(Kanning, 2016)
2. Bewerbungsunterlagen
Sagen Lücken im Lebenslauf etwas über den Bewerber aus? Zusammenhang zur Länge der Lebenslauflücken % 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0
1,7
0,8
2,2
1,4
(Frank & Kanning, 2014)
2. Bewerbungsunterlagen
Tippfehler & Grammatikfehler? Zusammenhang in % 20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0
0
0
1
1
0,5 0,8
0
0,1
0
0,4
n. sig.
(Kanning, Budde & Hüllskötter, in Vorb.)
2. Bewerbungsunterlagen
Sind erfahrene Führungskräfte bessere Führungskräfte? 4 3,5
sig.
3 2,63 2,61
2,71
2,82 2,82 2,64
2,68
2,82 2,77 2,84 2,75 2,71 2,67 2,61
2,7 2,67
2,72 2,68
2,5 2 1,5 1
keine Erfahrung
Erfahrung
(Kanning & Fricke, 2013)
3. Bewerbungsunterlagen Sind engagierte Menschen sozial kompetenter?
sozial nicht engagiert
sozial engagiert
(Kanning & Woike, 2014)
3. Einstellungsinterview
3. Einstellungsinterview Aussagekraft strukturierter Interviews Zusammenhang zum Berufserfolg in %
35 30 25 20
31,4
15 10 5
4
9
0 unstrukturiert
Anforderungsbezug
hoch strukturiert
(Huffcut & Arthur, 1994)
3. Einstellungsinterview Interviews zur Auswahl von Führungskräften im Mittelstand
15%
27%
keine Vorbereitung Stichwortliste
57%
Leitfaden
(Stephan & Westhoff, 2002)
3. Einstellungsinterview Wie strukturiert sind Interviews in der Praxis?
Prozent der Unternehmen
100 90 80 70
60
60 50 40 30 20 10
19 11
15 5
4
0
(Kanning, 2015)
4. Assessment Center
4. Assessment Center Prinzipien valider Assessment Center • Anforderungsbezug herstellen • Jede Kompetenzdimension wird in mehreren unabhängigen Übungen untersucht. • Neben Verhaltensübungen kommen weitere Methoden zum Einsatz. • Die Beobachter werden für ihre Aufgabe geschult. • Die Beobachter erhalten keine Vorinformation über die Kandidaten. • Die Beobachter tauschen sich nicht zwischen den Übungen aus. • Zwischen den Übungen haben die Beobachter keinen Kontakt zu den Bewerbern. • Einsatz von verhaltensverankerten Beurteilungsskalen. • Es kommen geschulte Rollenspieler zum Einsatz. • Die Beobachter müssen nur wenige Dimensionen gleichzeitig im Blick halten. (Kanning, 2004)
4. Assessment Center Gut gemeint ist nicht gut gemacht
0,5 Prognostische Validität
0,5
0,4 0,3 0,27
0,2 0,1 0,06
0 12 von 15
10 von 15
7 von 15
Anzahl der erfüllten Qualitätsstandards
(Boltz, Kanning & Hüttemann, 2009)
4. Assessment Center
Wie gestalten deutsche Unternehmen ihre Assessment Center?
fragwürdige Konstruktionsprinzipien
Menge der Unternehmen
gezielte Vorinformation der Beobachter
50 %
Bewerberkontakt zwischen den Übungen
79,2 %
Austausch der Beobachter zwischen den Übungen
40,6 %
(Kanning, Pöttker & Gelleri, 2007)
5. Testverfahren
5. Testverfahren Aussagekraft von Intelligenztests Prognose der Leistung in % 40 35
29,2 26,1
30
26,1
25 20 15 10 5 0
Arbeitsprobe
hoch struk. Interview
Intelligenz (Schmidt & Hunter, 1998)
5. Testverfahren Einsatzhäufigkeit von Intelligenztests Prozent der Unternehmen 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0
31 4,2
1,1
5,6
0,8
(Schuler et al., 2007)
5. Testverfahren Persönlichkeitsfragebögen Typologische Verfahren
Dimensionale Verfahren
6. Absurde Methoden
6. Absurde Methoden
Graphologie Astrologie Schädeldeutung
6. Absurde Methoden Graphologie im Spiegel der Forschung Zusammenhang zwischen graphologischem Gutachten und Berufserfolg (in %)
100 80 60 40 20
3,24
3,61
0,09
4,41
0 Graphologen
Psychologen
Lebenslauf
Laien
neutrales Skript Metaanalyse von Neter & Ben-Shakhar (1989)
7. Fazit
7. Fazit
Die Potentiale der Personaldiagnostik werden in der Praxis bei Weitem nicht genutzt. Viele Entscheidungsträger wissen nicht einmal, dass es Forschung gibt. Nicht wenige Entscheidungsträger ist es vollkommen egal. Sie vertrauen ihrer vermeintlichen Menschenkenntnis.
Literatur
Kanning, U. P. (2010). Von Schädeldeutern und anderen Scharlatanen: Unseriöse Methoden der Psychodiagnostik. Lengerich: Pabst. Kanning, U. P. (2015). Personalauswahl zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Eine wirtschaftspsychologische Analyse. Berlin: Springer. Kanning, U. P. (2017). Personalmarketing, Employer Branding und Mitarbeiterbindung – Forschungsbefunde und Praxistipps aus der Personalpsychologie. Berlin: Springer. Kanning, U. P. (2017). 50 Strategien die falschen Mitarbeiter zu finden – und wie Sie es besser machen können: Weinheim: Beltz. Schuler, H. (2014). Psychologische Personalauswahl. Göttingen: Hogrefe. Schuler, H. & Kanning, U. P. (Hrsg.). (2014). Lehrbuch der Personalpsychologie. Göttingen: Hogrefe.
Online-Kolumne Wirtschaftspsychologie: www.haufe.de/personal/hr-management.