Diplomarbeit

Perioperative Schmerztherapie

eingereicht von

Stefan Rößler

zur Erlangung des akademischen Grades

Doktor der gesamten Heilkunde (Dr. med. univ.)

an der

Medizinischen Universität Graz ausgeführt am Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie unter der Anleitung von Univ. Prof. i.R. Mag. pharm. Dr. phil. Eckhard BEUBLER und ao. Univ.-Prof. Dr. med. univ. Josef DONNERER

Graz, Juni 2016

Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Graz, am 22.6.2016

Stefan Rößler eh.

i

Vorwort Nach einer allgemeinen Einführung in das Thema Schmerz und dessen Physiologie sowie über häufig eingesetzte Medikamente beschäftigt sich diese Arbeit mit dem Thema der perioperativen

Schmerztherapie.

Es

wird

vor

allem

auf

postoperative

Schmerztherapiemöglichkeiten eingegangen und es werden deren Nutzen sowie Risiken diskutiert. Aber auch das nach wie vor kontroverse Feld der präemptiven, sozusagen der prophylaktischen Schmerztherapie, wird beleuchtet.

Es wird davon ausgegangen, dass bei der Hälfte aller chirurgischen Eingriffe eine unzureichende Schmerzbehandlung erfolgt. Diese Schmerzen können lange über die tatsächliche Heilung des Gewebes hinaus persistieren, in manchen PatientInnen zur Entstehung eines Schmerzgedächtnissen führen und den gesamten Krankheitsverlauf negativ beeinflussen.(1)

ii

Danksagungen Ich möchte mich an dieser Stelle herzlichst bei jenen Menschen bedanken, die mir während meines Studiums immer an meiner Seite waren und dazu beigetragen haben, dass ich dieses abschließen und diese Arbeit verfassen konnte.

Vielen Dank Herr Univ. Prof. i.R. Mag. pharm. Dr. phil. Eckhard Beubler für die Bereitstellung des Themas sowie die gute und freundliche Betreuung während der Ausarbeitung.

Ebenso möchte ich mich bei Herrn Univ. Prof. Dr. med. univ. Josef Donnerer bedanken, der sich bereit erklärt hat, meine Arbeit als Zweitbetreuer zu begutachten.

Zuletzt möchte ich mich bei meinen Eltern bedanken, die es mir nach einer längeren Orientierungsphase nach der Matura und zwei Aufnahmetests noch ermöglicht haben, meinen Traum zu verwirklichen und Medizin zu studieren. Sie haben mich nicht nur finanziell, sondern auch in allen anderen Bereichen des Lebens immer unterstützt und durch sie kann ich auf eine wunderbare Studienzeit in Graz zurückblicken. Vielen herzlichen Dank dafür!

iii

Zusammenfassung Titel Perioperatives Schmerzmanagement

Hintergrund In den letzten 4 Jahrzehnten hat sich auf dem Gebiet der perioperativen Schmerztherapie sehr viel getan. Das Konzept der präemptiven Analgesie ist nach wie vor sehr umstritten, aber auch sehr nützliche und gut funktionierende Innovationen wie die PCA wurden entwickelt. Man wurde sich des positiven Nutzens einer adäquaten Schmerztherapie bewusst und entwickelte Leitlinien und Behandlungskonzepte.

Methoden Diese Diplomarbeit ist als eine Analyse aktueller und früherer Literatur zu verstehen. Die Quellen zur Erstellung sind Publikationen aus der medizinischen Datenbank „PubMed“, Artikel und Studien aus Fachlexika und diverse Lehrbücher.

Schlussfolgerung Auch wenn der Nutzen der präemptiven Analgesie bisher nur im Tiermodell eindeutig nachgewiesen werden konnte, kann man gespannt sein, welche Ergebnisse die Forschung zu diesem Thema in den nächsten Jahren noch liefern wird. In der postoperativen Schmerztherapie gab es in den letzten Jahrzehnten sehr viele Errungenschaften und vor allem die PCA ist nach großen Operationen ein wertvolles Instrument. Aber auch akute Schmerzdienste und neue Leitlinien und Konzepte wie PROSPECT liefern einen wichtigen Beitrag auf diesem Gebiet.

Schlüsselwörter Präemptive Analgesie, Schmerzmedikation, postoperative Schmerztherapie, Anästhesie, patientInnenkontrollierte Analgesie

iv

Abstract Title Perioperative painmanagement

Background During the last 4 decades numerous innovations have taken place in perioperative painmanagement. Preemptive analgesia is still a controversial issue, but there have been very useful achievements such as PCA. Doctors more and more realized the importance and the positive effects of good pain control and guidelines were developed.

Methods This Master-Thesis is an analysis of recent and past literature. The sources are mainly publications from the Database “PubMed” and articles from journals as well as encylopediae and textbooks.

Conclusion Until now the positive effect of preemptive analgesia has only been proven in animal models, but it will be interesting to see which results science will provide us with in the years to come. There have been a lot of innovations in postoperative paintherapy in the last decades. The PCA is a highly useful method to provide the patients with good pain control after major surgery. However, acute pain services and new guidelines and concepts such as PROSPECT are highly beneficial in conquering postsurgical pain as well.

Keywords Preemptive analgesia, pain medication, postoperative paintherapy, anaesthesia, patient controlled analgesia

v

Inhalt Vorwort.........................................................................................................................................ii Danksagungen ............................................................................................................................. iii Zusammenfassung ....................................................................................................................... iv Abstract ........................................................................................................................................v 1 Einleitung............................................................................................................................. 1 1.1 Geschichte der Schmerztherapie ................................................................................. 1 1.2 Schmerzempfindung und Nozizeption ......................................................................... 1 1.3 Schmerzklassifikation ................................................................................................... 3 1.3.1 Nach der Physiologie der Schmerzentstehung ..................................................... 3 1.3.2 Nach dem Entstehungsort .................................................................................... 3 1.3.3 Schnelle und langsame Schmerzbahnen .............................................................. 4 1.4 Übertragung, periphere und zentrale Sensibilisierung ................................................ 4 1.5 Chirurgische Unterbrechung von Schmerzbahnen ...................................................... 5 1.6 Schmerzmedikation ...................................................................................................... 6 1.6.1 Prinzipien der Schmerztherapie ........................................................................... 7 1.6.2 Das WHO Stufenschema....................................................................................... 8 1.6.3 Nicht Opioid Analgetika ........................................................................................ 8 1.6.4 Opioide ............................................................................................................... 11 1.6.5 Co-Analgetika und neuropathischer Schmerz .................................................... 14 1.6.6 Lokalanästhetika ................................................................................................. 15 1.7 Schmerzmessung ........................................................................................................ 16 2 Perioperatives Schmerzmanagement ............................................................................... 18 2.1 Vorbereitungen .......................................................................................................... 19 2.1.1 Patientenaufklärung ........................................................................................... 19 2.2 Präemptive und präventive Analgesie ....................................................................... 19 2.3 Balancierte und multimodale Analgesie .................................................................... 22 2.4 PatientInnen kontrollierte Analgesie (PCA) ............................................................... 23 2.4.1 Intravenöse PatientenInnenkontrollierte Analgesie .......................................... 23 2.4.2 Nurse controlled analgesia ................................................................................. 27 2.4.3 Weitere PCA Anwendungen ............................................................................... 28 2.4.4 Orale Analgesie ................................................................................................... 28 2.5 Regional- und Lokalanästhesie bzw.- Analgesie......................................................... 29 2.5.1 Periduralanästhesie ............................................................................................ 29 2.5.2 Nervenblockaden................................................................................................ 35 2.5.3 Wundinfiltration ................................................................................................. 37 2.5.4 Peripher-lokale Opioidapplikation...................................................................... 37 2.5.5 Intraartikuläre Medikamentgabe ....................................................................... 38 2.5.6 Intrapleurale Analgesie....................................................................................... 38 2.6 Prozedurenspezifische Analgesie ............................................................................... 39 2.7 Akuter Schmerzdienst ................................................................................................ 41 3 Material und Methoden .................................................................................................... 42 4 Diskussion.......................................................................................................................... 43 Glossar und Abkürzungen........................................................................................................... vii Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................... viii Tabellenverzeichnis ..................................................................................................................... ix Literaturverzeichnis ...................................................................................................................... x

vi

1 Einleitung 1.1 Geschichte der Schmerztherapie Schon

bei

steinzeitlichen

Schädeln

wurden

Trepanationen

als

Zeichen

für

Behandlungsversuche bei Kopfschmerzen gefunden. In 4500 Jahre alten ägyptischen Tempelschriftrollen finden sich bereits Beschreibungen von Migräne. Die Semiten glaubten, dass Schmerzen durch Dämonen verursacht werden, die in den Körper eindringen.(2) Durch die Lehren von Platon und Aristoteles wurden Schmerzen bis ins 16. Jhdt. dem Herzen zugeschrieben. Erst Leonardo da Vinci (1452-1519) und Andreas Vesalius (15141564) konnten dies vor allem durch anatomische Sektionen an Leichen widerlegen. Ambroise Paré gilt als einer der wichtigsten Ärzte der Renaissance. Zu seinen Patienten zählten neben den Königen Frankreichs auch zahlreiche Kriegsverletzte und sein Handeln kann als ethisch vorbildlich bezeichnet werden. Er erkannte bereits, dass eine präventive Verringerung der durch diverse Eingriffe hervorgerufenen Schmerzen das postoperative Outcome deutlich verbessern kann. Bevor er Amputationen an Extremitäten durchführte, unterband er beispielsweise die Blutzufuhr, um sich die aus der Ischämie resultierende Gefühlslosigkeit zunutze zu machen. Paré entdeckte weiters, dass die Einstellung, die ein Patient oder eine Patientin gegenüber Arzt und Behandlung einnimmt, die Genesung beeinflusst. Allein deshalb ist es wichtig, eine adäquate Schmerztherapie durchzuführen.(3)

1.2 Schmerzempfindung und Nozizeption Die Wahrnehmung von Signalen in unserem Körper und aus unserer Umgebung wird durch ein komplexes System aus Sinnesrezeptoren gesteuert. Sie detektieren verschiedene Stimuli wie Berührung, Geräusche, Licht, Wärme oder Kälte und vor allem Schmerz. Viele Krankheiten erzeugen Schmerz, und dieser kann wiederum einen unterschiedlichen Charakter besitzen. Das Wissen über diese Zusammenhänge ist wesentlich und kann dem Arzt für sein diagnostisches Vorgehen sehr nützlich sein. Schmerz tritt vor allem dann auf, wenn es zu einer Gewebsschädigung kommt. Dies sollte vorwiegend dazu führen, dass sich das Individuum dem schmerzauslösenden Reiz entzieht. 1

Selbst ganz harmlos erscheinende Tätigkeiten wie längeres Sitzen auf hartem Untergrund führen nach einer gewissen Zeit wegen Minderdurchblutung zur Irritation des Gewebes und in weiter Folge zu Schmerz.(4)

„Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- oder Gefühlserlebnis, das mit tatsächlicher oder potenzieller Gewebsschädigung einhergeht oder von betroffenen Personen so beschrieben wird, als wäre eine solche Gewebsschädigung die Ursache.“ 1 Aus dieser Definition lässt sich ableiten, dass derselbe Schmerzreiz bei verschiedenen Individuen zu einer unterschiedlichen Schmerzausprägung führt. Mit Schmerz ist demnach nur das subjektive Erlebnis gemeint. Nozizeption hingegen beschreibt die objektiven physiologischen Vorgänge, die dahinter stehen.

Nozizeptoren befinden sich in der Muskulatur, der Haut, den Gelenken und den inneren Organen. Ihre Erregung kann nach der Verarbeitung im ZNS zu einer subjektiven Wahrnehmung von Schmerz führen.(5)

Man kann die Nozizeptoren anhand ihrer rezeptiven Eigenschaften in drei Gruppen einteilen: 

Hochschwellige Nozizeptoren: Akut schmerzhafte Ereignisse und schnelle nozizeptive Vörgange laufen über sie ab. Sie sind verantwortlich für die Auslösung von Schutzreflexen. Durch die hochschwelligen Nozizeptoren wird der sogenannte stechend scharfe erste Schmerz vermittelt.



Polydomale Nozizeptoren: Noxische Kälte oder Hitze sowie noxische mechanische Reize als auch Chemikalien können diese Nozizeptoren aktivieren. Sie kommen am häufigsten vor und melden vor allem länger andauerende Schmerzzustände. Bei Hautverletzunge sind sie für den bohrenden und brennenden Schmerz verantwortlich, den man als zweiten Schmerz bezeichnet.

1

International Association for the Study of Pain (IASP)

2



Schlafende Nozizeptoren: Sind sind im gesunden Gewebe nicht aktivierbar. Ihre Reizschwelle wird im entzündeten Gewebe herabgesetzt, dadurch können sie dann aber schon durch schwache mechanische Reize erregt werden.(6)

1.3 Schmerzklassifikation 1.3.1 Nach der Physiologie der Schmerzentstehung Der physiologische Nozizeptorschmerz wird durch gewebsschädigende Reize auf normales, gesundes Gewebe ausgelöst. Daraufhin folgt meist eine motorische Handlung, um eine Verletzung eventuell noch zu verhindern.

Der pathophysiologische Nozizeptorschmerz tritt häufig im Rahmen von Erkrankungen auf. Ein Schmerz der zum Beispiel durch eine Entzündung hervorgerufen wird, zwingt uns dazu, die betroffene Stelle zu schonen, was wiederum der schnelleren Heilung zugutekommt.

1.3.2 Nach dem Entstehungsort Anhand des Entstehungsortes kann Schmerz als somatisch und viszeral eingeteilt werden. Der somatische Schmerz wiederum kann als oberflächlich, von der Haut ausgehend, und tief klassifiziert werden. Der somatische Tiefenschmerz geht von Muskulatur, Knochen, Gelenken und dem Bindegewebe aus. Seine Qualitäten sind im Vergleich zum Oberflächenschmerz eher dumpf und er ist eher schlecht lokalisierbar. Der viszerale Schmerz, auch Eingeweideschmerz genannt, tritt bei Erkrankungen der inneren Organe auf. Er kann kolikartig sein, aber auch dieselben Qualitäten wie der somatische Tiefenschmerz aufweisen.(7)

3

1.3.3 Schnelle und langsame Schmerzbahnen Obwohl alle Schmerzrezeptoren freie Nervenendigungen darstellen, gibt es zwei separate Signalbahnen für die Übermittlung ins zentrale Nervensystem. Diese Bahnen korrespondieren mit den Schmerztypen, die sie übertragen, nämlich dem schnellen scharfen Schmerz und dem langsamen chronischen Schmerz. Ersterer wird entweder von mechanischen oder thermischen Reizen ausgelöst und von der Peripherie zum Rückenmark über sogenannte Aδ-Fasern übertragen. Ihre Nervenleitgeschwindigkeit beträgt zwischen 6 und 30 m/s. Der langsame chronische Schmerz wird deutlich langsamer (0.5 bis 2m/s) über die C-Fasern ins Rückenmark übermittelt. Durch diese Tatsache bekommt ein plötzlicher Schmerzreiz einen doppelten Schmerzcharakter. Der erste scharfe Schmerz weist den Betroffenen auf einen gewebsschädigenden Einfluss hin, um ihn schnell zu einer Reaktion zu bewegen. Der langsame Schmerz verstärkt sich oft über die Zeit und trägt dazu bei, sich dauerhaft den schmerzauslösenden Umständen zu entziehen.(4)

1.4 Übertragung, periphere und zentrale Sensibilisierung Wie schon erwähnt finden sich Nozizeptoren in fast allen Geweben des Körpers. Diese können durch verschiedenste Stimuli (thermische, chemische, mechanische oder elektrische) erregt werden. Im Körper gibt es eine Vielzahl von chemischen Mediatoren, die Nozizeptoren aktivieren können, dazu zählen: 

Bradykinin



Serotonin



Acetylcholin



Histamin



Ionen wie H+ oder K+

Weiters können Nozizeptoren durch Prostaglandine, Leukotriene oder Substanz P sensitiver werden.(8) Da diese Mechanismen die Reizschwelle herabsetzten und den Schmerz verstärken, werden sie als periphere Sensibilisierung bezeichnet. 4

Bleibt die periphere Inflammationsreaktion über längere Zeit bestehen, verändert sich auch die Reizantwort der Rückenmarksneuronen. Ein lang anhaltender Reizsignaleinstrom steigert, ähnlich dem Prozess der peripheren Sensibilisierung, die Erregbarkeit der Hinterhornneuronen. Schmerzreize, die lange andauern oder stark ausgeprägt sind, erhöhen die synaptische Übertragungsstärke. Jedes Aktionspotenzial wird in weiterer Folge mit einer gesteigerten Ausschüttung an Neurotransmittern beantwortet. Es kommt zur sogenannten zentralen Sensibilisierung.(9)

Die Übertragung von Schmerz erfolgt über eine Abfolge afferenter Neuronen. 

Die ersten Neurone bestehen aus den schon oben genannten schnellen Aδ-Fasern und den langsameren C-Fasern.



Im Rückenmark angelangt, werden die Signale im Hinterhorn auf das 2. Neuron der somatosensiblen Bahn umgeschaltet. Danach kreuzen sie gemeinsam mit Fasern für Tast- und grobe Druckempfindungen sowie Fasern der Temperaturwahrnehmung, deren Verschaltung ebenfalls im Rückenmark stattfindet, auf die Gegenseite. Nun ziehen sie als Tractus spinothalamicus zum Thalamus im Zwischenhirn. Dieser wird oft mit dem Tractus spinoreticularis, welcher für die Übertragung von dumpfen, tiefen

und

anhaltenden

Schmerzen

verantwortlich

ist,

zum

sensiblen

Vorderseitenstrang zusammengefasst. 

Vom Thalamus erfolgt die Weiterleitung über die 3. Neurone zur sensiblen Großhirnrinde, welche für die Verarbeitung der bewussten Schmerzwahrnehmung verantwortlich ist.(10)

1.5 Chirurgische Unterbrechung von Schmerzbahnen Es gibt die Möglichkeit für PatientInnen, die massive untherapierbare Schmerzen haben, den sensiblen Vorderseitenstrang zu durchtrennen. Bei der sogenannten anterolateralen Chordotomie wird das Rückenmark auf der Gegenseite partiell durchtrennt, um eine Schmerzlinderung zu erreichen. Dieses Verfahren ist jedoch meistens nicht dauerhaft zufriedenstellend. Dadurch, dass manche Schmerzfasern nicht im Rückenmark, sondern erst im Hirn kreuzen, sind bei einer einseitigen Chordotomie nicht alle Fasern durchtrennt. Die beidseitige Chordotomie bringt wiederum schwerere Nebenwirkungen mit sich. 5

Weiters kehrt der Schmerz oft einige Monate nach einem erfolgten Eingriff zurück, weil andere Bahnen im Rückenmark, die normalerweise zu schwach ausgeprägt sind, aktiviert werden.(4)

1.6 Schmerzmedikation Im folgenden Kapitel wird kurz auf die wichtigsten Medikamentengruppen zur Schmerztherapie eingegangen. Da Schmerzen nicht nur eine harmlose Begleiterscheinung von Operationen und Traumata sind, sollte der durch sie verursachte Stress, welcher aus einer inadäquaten Therapie resultiert, vermieden werden. Die generelle Furcht, dass Opiate Diagnosen verschleiern könnten oder zwangsweise in einer Abhängigkeit enden, ist obsolet. Wichtig für die Diagnosestellung und die Therapie ist, wie der Schmerz vom Patienten oder von der Patientin beschrieben bzw. erlebt wird. Dabei werden 3 Typen unterschieden: 

Der Eingeweideschmerz ist dumpf und schlecht lokalisierbar und oft begleitet von Krämpfen oder Koliken. Daneben können Begleitsymptome wie Übelkeit und Erbrechen bestehen.



Der somatische Schmerz hingegen ist scharf und gut lokalisierbar. Er tritt zum Beispiel bei einer Knochenfraktur auf.



Der neuropathische Schmerz hat einen brennenden oder blitzschlagartigen Charakter und beruht auf einer Schädigung der Nerven selbst.

Die Schmerzempfindung kann beeinflusst werden, indem man an verschiedenen Punkten der Schmerzübertragung, angefangen beim Nozizeptor bis zur Verarbeitung im sensiblen Kortex, interveniert. Im Akutfall geschieht dies meist durch pharmakologische Substanzen. Bei chronischen Schmerzen kommen noch weitere Verfahren wie Operationen, elektrische Stimulation (TENS), Akupunktur oder physiotherapeutische Maßnahmen hinzu. Bei der Schmerztherapie gibt es einen besonders stark ausgeprägten Placeboeffekt. Bis zu 30% der SchmerzpatientInnen erfahren allein durch Interesse ihres behandelnden Arztes an Ihren Beschwerden eine Besserung.(8)

6

1.6.1 Prinzipien der Schmerztherapie Es gibt gewisse Grundregeln, die bei der Schmerztherapie beachtet werden sollten, damit diese auch erfolgreich sein kann. Dazu zählen unter anderem: 

Die Diagnose wird durch die Schmerztherapie nicht ersetzt.



Durch Traumata entstandene Schmerzen sollen mit sofort wirksamen Maßnahmen und so früh wie möglich behandelt werden.



Auch sich durch Erkrankungen langsam entwickelnde Schmerzen bedürfen einer möglichst frühen Therapie. Hier ist die PatientInnenaufklärung sehr wichtig, denn diese müssen wissen, dass Schmerzen schädlich für die Genesung sind und sie deshalb verhindert werden müssen.



Vor allem durch Operationen entstehende, also vorhersehbare Schmerzen sollten so gut wie möglich ausgeschaltet werden. Eine gute prä-, intra- sowie postoperative Schmerztherapie muss angestrebt werden. Durch diese Maßnahme lässt sich zum Beispiel das Auftreten von Phantomschmerzen verhindern. Die reaktive Schmerztherapie ist hier weniger erfolgreich als eine vorausschauende Vermeidung.



Analgetikadosen sollten bei der medikamentösen Schmerztherapie nach einem fixen Zeitschema bis zur Schmerzfreiheit erhöht werden. Es erfolgt eine sogenannte Dosistitration, welche besonders bei Opioiden angewendet werden sollte. Alle in den Heilungsprozess involvierten Personen sollten genau über Dosis und Zeitplan informiert sein.



Die Arzneiform ist ebenso von großer Bedeutung. Ist eine rasche Schmerzlinderung oder Einstellung wichtig, sollten parenterale oder schnell wirksame orale Medikamente verwendet werden. Retardformen eignen sich zur Behandlung von länger andauernden Schmerzen. Für PatientInnen mit starken chronischen Schmerzen können Schmerzpflaster eine gute Therapiemöglichkeit darstellen.



Positive Zuwendung und Motivation können für den/die Patienten/in von großer Bedeutung sein und wesentlich zum Behandlungserfolg beitragen.(11)

7

1.6.2 Das WHO Stufenschema Die World Health Organization führte 1986 das Stufenschema als Empfehlung zur medikamentösen Schmerztherapie ein.

Abbildung 1: Das WHO Stufenschema Quelle: http://www.albatros-hospiz.de/pics/stufenmodell-gross.gif

Ursprünglich bestand es nur aus den ersten 3 Stufen. Auf der vierten Stufe stehen weiterführende Behandlungen, die bei Nichtansprechen als Modifizierung zur Verfügung stehen.(8) Das WHO-Stufenschema wurde als Therapievorschlag zur Behandlung von Tumorschmerzen entwickelt. Es ist möglich, Stufen zu überspringen.(9)

1.6.3 Nicht Opioid Analgetika Diese Medikamente gehören zu den am häufigsten verschriebenen weltweit und es existieren bereits über 50 Präparate auf den globalen Märkten. Sie bewirken vor allem eine Linderung von Fieber, Schmerz und Schwellung bei chronisch entzündeten Gelenken und ebenfalls eine Unterdrückung der Entzündung bei akuten inflammatorischen Ereignissen wie Knochenbrüchen, Verstauchungen oder anderen Sportoder Weichteilverletzungen.(12)

8

Diese Analgetika entfalten ihre Wirkung nicht an Opioidrezeptoren und sind, wie oben schon erwähnt, in der Regel antipyretisch und, abhängig von der Dosis, auch antiphlogistisch wirksam. Sie werden in 3 Gruppen eingeteilt: 

saure

antipyretische-antiphlogistische

Analgetika

(z.B.:

Acetylsalicylsäure,

Ibuprofen, Diclofenac) 

nichtsaure antipyretische bzw. antiphlogistische antipyretische Analgetika (z.B.: Paracetamol, Metamizol und die Coxibe)



Analgetika ohne antipyretisch-antiphlogistische Wirkung (z.B.: Flupirtin, Ketamin, Capsaicin)(13)

Sie sind ebenso hilfreich bei der Behandlung von postoperativen, Zahn- und Regelschmerzen, sowie bei Migräne und Kopfschmerzen. Für einige dieser Medikamente besteht keine Rezeptpflicht und sie werden häufig selbständig bei kleineren Beschwerden eingenommen.(12)

1.6.3.1 Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID) In der Antike wusste man bereits um die fieber- und schmerzlindernden Eigenschaften der Weidenrinde (Weide=Salix) Bescheid. Erstmals wurde Salicin, welches ein Glykosid des Salicylalkohols ist, in der Mitte des 19. Jahrhunderts isoliert. Durch Oxidation dieses Alkohols entstand Salicylsäure, welche bald klinische Anwendung fand. 1899 kam Aspirin als Medikament auf den Markt und erst 70 Jahre später wurde die Hemmung der Cyclooxygenase als zugrunde liegender Wirkmechanismus identifiziert.(13)

Durch Hemmung des Enzyms Cyclooxygenase (COX) werden vermindert Prostaglandine gebildet. Prostaglandine führen unter anderem zu: 

Sensibilisierung von Nozizeptoren



Förderung der entzündlichen Reaktion



Entstehung von Fieber durch thermoregulatorische Wirkung im Hypothalamus(14)

Prostaglandine und auch andere Moleküle, die von der COX katalysiert werden, haben jedoch noch viele weitere Funktionen im Organismus. Aus diesen lässt sich dann auch ihr Nebenwirkungsprofil ableiten. Weiters gibt es 2 Subtypen der COX. Obwohl diese beiden

9

Isoformen zu über 60% in ihrer Sequenz ident sind, gibt es deutliche Unterschiede in der Expression und der Funktion. Die COX 1: Sie ist ein konstitutives Enzym im Organismus, welches in den meisten Geweben sowie den Blutplättchen vorkommt. Bei der COX 1 handelt es sich um ein sogenanntes Haushaltsgen, welches für die Homöostase im Körper wesentlich ist. Sie ist mitunter verantwortlich für die Produktion von Prostaglandinen, welche protektiv auf die Magenschleimhaut wirken oder in den renalen Blutfluss involviert sind. In den Thrombozyten bildet sie aus Prostaglandin H2 durch die Thromboxan-Synthase Thromboxan A2, dies wiederum ist wesentlich für die Thrombozytenaggregation und die Blutgerinnung.

Die COX 2: Die COX 2 wird vor allem in Entzündungszellen induziert, wenn diese zum Beispiel von Interleukin 1 oder tumor necrosis factor alpha aktiviert werden. Man geht davon aus, dass die COX 2 hauptsächlich für die Produktion der entzündungsrelevanten Mediatoren verantwortlich ist. In den Nieren wird sie jedoch konstitutiv exprimiert und ist dort für die Homöostase-Aufrechterhaltung wichtig. Es wurde auch eine konstitutive COX 2 im ZNS entdeckt, deren Funktion noch nicht geklärt ist.

Die meisten traditionellen NSAIDs hemmen beide Enzyme, obwohl ihre Affinität zu einer der beiden Isoformen variiert. Man nimmt an, dass die entzündungshemmende und auch die analgetische und fiebersenkende Eigenschaft der Medikamente auf der Hemmung der COX 2 beruht. Die unerwünschten Nebenwirkungen, allem voran die gastrointestinalen, werden vorwiegend der Hemmung der COX 1 zugeschrieben.

Präparate, die selektiv die COX 2 hemmen, sind seit einigen Jahren in klinischer Verwendung. Sie verursachen zwar viel weniger gastrointestinale Nebenwirkungen, werden jedoch bei weitem nicht so gut vertragen wie man sich einst erhoffte. Bei dauerhafter Einnahme sollten vor allem die Nierenwerte regelmäßig kontrolliert werden. Des Weiteren wird auch eine negative Wirkung auf das Kardiovaskuläre System bei chronischer Applikation diskutiert.(12)

10

1.6.3.2 Paracetamol und Metamizol Auch bei Paracetamol und Metamizol wird die Cyclooxygenase gehemmt. Paracetamol ist eines der am häufigsten verwendeten Medikamente weltweit und sollte als First-LineTherapie für milde bis moderate Schmerzen eingesetzt werden. Die genaue Wirkung ist bis heute nicht vollständig geklärt. Es scheint jedoch, dass der schmerzstillende Effekt zu einem nicht unerheblichen Teil im Rückenmark und Gehirn zustande kommt. Paracetamol ist nur analgetisch und antipyretisch, jedoch nicht antiinflammatorisch bzw. antiphlogistisch wirksam. Deswegen nimmt es eine Sonderstellung ein. Paracetamol hat eine viel geringere Wirkung auf die periphere COX und aus diesem Grund erzeugt es auch keine gastrointestinalen Ulzerationen oder Blutungen. Die weit verbreitete Verwendung liegt unter anderem an den geringen Kosten, der guten Wirkung und Verträglichkeit sowie des geringen Nebenwirkungsprofils. Die Wirkung lässt sich durch Kombination mit anderen NSAIDs oder Opiaten verstärken. Nichtsdestotrotz ist es überdosiert sehr gefährlich. Metamizol kommt vor allem für akute starke oder spastische Schmerzen sowie Koliken zur Anwendung.(14) Es ist das am stärksten analgetisch wirkende antipyretische Analgetikum und besitzt zusätzlich noch spasmolytische Eigenschaften.(9)

1.6.4 Opioide Opioide sind endogene oder synthetische Substanzen, die morphin-ähnliche Eigenschaften aufweisen und an Opioidrezeptoren binden. Opium ist ein Extrakt aus dem Saft des Schlafmohns, welches Morphin und weitere verwandte Alkaloide wie Codein enthält. Diese Substanzen werden als Opiate bezeichnet. Opium wird seit tausenden Jahren für soziale und medizinische Zwecke eingesetzt und erzeugt in uns Euphorie, Analgesie und Schläfrigkeit. Ebenso wirkt es gegen Durchfall. In England fand es Ende des 17. Jahrhunderts als Opiumtinktur oder Laudanum Einzug.(12) 1902 konnte die chemische Struktur von Morphin festgestellt werden, welches bis heute die Vergleichssubstanz dieser Medikamentengruppe darstellt.(8) Wie schon erwähnt, erzielen diese Substanzen ihre Wirkung durch Bindung an Opioidrezeptoren, von denen es insgesamt fünf verschiedene gibt. In der folgenden Tabelle werden die 3 wichtigsten Rezeptoren und ihre Wirkungen kurz zusammengefasst.(14)

11

Tabelle 1: Opioidrezeptoren

Opioid-

µ

δ

κ

rezeptor Wirkungen

     

starke Analgesie Atemdepression Abhängigkeit Antitussiv Emesis Obstipation

  

Schwache Analgesie Atemdepression Obstipation

    

schwache Analgesie Dysphorie Halluzinationen Sedation Obstipation

Am ε-Rezeptor wirkt das vom Hypophysenvorderlappen in Stressreaktionen freigesetzte β-Endorphin. Opioide hemmen vor allem den protopathischen Schmerz, der vorwiegend über C-Fasern vermittelt wird. Das epikritische Schmerzempfinden, das vor allem über die Aδ-Fasern übertragen wird, wird weniger gehemmt. Andere Sinneswahrnehmungen wie Lage-, Temperatur und Druckempfinden bleiben relativ unbeeinflusst. Ein weiterer Vorteil ist die Dämpfung des emotionalen Schmerzempfindens, was zu einer Distanzierung vom Schmerz führt. PatientInnen nehmen den Schmerz eventuell noch wahr, werden aber durch ihn kaum noch gestört.

Opioide können für jeden Rezeptortyp unterschiedliche Bindungseigenschaften besitzen: 

Reiner Agonist: Entfaltet nach Bindung die maximal vermittelbare Wirkung.



Partialagonist: Entfaltet nur eine submaximale Wirkung und kann bei stärkerer Affinität zum Rezeptor als ein reiner Agonist diesen verdrängen und so antagonistisch imponieren. Weiters stellt sich bei den Partialagonisten die Zunahme der Wirkung bei einer Dosissteigerung relativ bald ein. Es kommt zu einem sogenannten niedrigen Ceiling-Effekt.



Reiner Antagonist: Sie binden ebenfalls an die Rezeptoren, aber ohne eine Wirkung zu entfalten.



Agonist/Antagonist: Entfalten an bestimmten Rezeptoren eine Wirkung und an anderen wiederum nicht. Nalbupin, zum Beispiel, wirkt an den µ-Rezeptoren antagonistisch und an κ-Rezeptoren agonistisch.(15)

12

Es gibt auch endogene Substanzen wie beta-Endorphin, Enkephalin und Dynorphin, die an die erwähnten Rezeptoren binden. Diese finden in der Therapie jedoch keine Anwendung, da sie nicht ZNS gängig sind und auch nicht intestinal resorbiert werden können.(14)

Die Potenz eines Opioids bezeichnet dessen Wirkung pro Dosis. Fentanyl beispielsweise ist 100fach wirksamer als Morphin. Beide Medikamente besitzen jedoch dasselbe Wirkmaximum, was darauf zurückzuführen ist, dass es sich um reine Agonisten am µRezeptor handelt. Bei sehr potenten Opioiden müssen nur kleine Prozentsätze der Opioidrezeptoren besetzt sein, um die maximale bzw. äquianalgetische Wirkung zu erzielen. In der Narkoseführung und zur Therapie stärkster Schmerzen sowie Tumorschmerzen sollten nur reine Agonisten verwendet werden. Ein weiterer Vorteil der hochpotenten Opioide ist, dass sie weniger nicht rezeptorvermittelte Nebenwirkungen aufweisen, wie beispielsweise die vermehrte Histaminfreisetzung bei Morphin.

Die einzelnen Opioide weisen hauptsächlich Unterschiede in ihrer Pharmakokinetik auf, während ihre pharmakodynamischen Eigenschaften ähnlich sind.

Die wichtigste und somit die Hauptwirkung der Opioide ist die Analgesie und die Sedierung, die Atemdepression stellt die wichtigste Nebenwirkung dar. Mit Ausnahme von Pethidin und Morphin bleibt das kardiovaskuläre System durch die meisten Opioide relativ unbeeinflusst. Aufgrund der atemdepressiven Wirkung und des dadurch bedingten Anstiegs des Kohlendioxidpartialdruckes kann es zu einem Anstieg des intrakraniellen Druckes kommen. Unter extremen Dosen können zerebrale Krampfanfälle auftreten. Die emetische Wirkung ist vor allem auf Stimulation der Chemorezeptorentriggerzone zurückzuführen. Die Säureproduktion im Magen wird gesenkt, der Tonus im Gastrointestinaltrakt gesteigert. In Kombination mit der gehemmten Vorwärtsperistaltik kann dies zu einer Obstipation führen. Die Metabolisierung erfolgt hauptsächlich über die Leber.(15)

13

1.6.5 Co-Analgetika und neuropathischer Schmerz Wie aus der Überschrift ersichtlich, handelt es sich hier um Arzneimittel, welche nicht primär zur Schmerzbehandlung eingesetzt, jedoch mit einem Analgetikum verabreicht werden. Sie sollen dabei die Wirkung des Analgetikums verstärken beziehungsweise unterstützten. Manche Autoren zählen auch Antiemetika oder Abführmittel zur Nebenwirkungsvorbeugung zu den Co-Analgetika.

Sie finden vor allem in der Behandlung des neuropathischen Schmerzes Verwendung. Weltweit sind Millionen Menschen von diabetischer Neuropathie, Trigeminusneuralgie, Post-Zoster-Neuralgie und Phantomschmerzen betroffen. Neuropathischer Schmerz gilt zum Teil als opiatresistent. Studien haben jedoch gezeigt, dass Opiate wie Morphin, Oxycodon, Levorphanol, Tramadol und Tapentadol

bei der Behandlung

des

neuropathischen Schmerzes wirksam sind. In einer bedarfsgerechten Dosierung zeigten sich gute Ergebnisse und die Nebenwirkungen waren gering. Die Tatsache, dass Tramadol und Tapentadol die Monoaminaufnahme hemmen, könnte zu deren Wirksamkeit beitragen. Weitere Medikamente zur Behandlung des neuropathischen Schmerzes sind: 

Tricyclische Antidepressiva wie Amitriptylin, Nortriptylin und Desipramin. Sie wirken zentral und hemmen den Noradrenalin Reuptake und lindern in vielen, aber leider nicht allen Fällen, den neuropathischen Schmerz sehr gut. Die analgetische Wirkung korreliert nicht mit den antidepressiven Eigenschaften.



Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) wie Duloxetin und

Venlafaxin

sind

ebenfalls

wirksam

und

weisen

ein

anderes

Nebenwirkungsspektrum als die zuvor genannten auf. Selektive Serotonin Wiederaufnahmehemmer (SSRI) zeigen wenig bis gar keine Wirksamkeit. 

Bei Gapapentin und Pregabalin handelt es sich um Antiepileptika. Sie reduzieren die Expression von α2δ-Untereinheiten des spannungsabhängigen Kalziumkanals an der Nervenmembran. Genau diese Untereinheiten sind in geschädigten sensorischen Neuronen hochreguliert.

14



Carbamazepin, ein weiteres Antiepileptikum, zeigt sehr gute Wirksamkeit bei der Trigeminusneuralgie, jedoch fehlende Evidenz bei anderen neuropathischen Schmerzzuständen. Es blockiert spannungsgesteuerte Natriumkanäle. Vor allem wirkt es an den Nav1.8, Nav1.7 und Nav1.3 Kanälen, die alle bei Nervenschädigung hochreguliert werden. Phenytoin, das ähnlich wirkt, kann intravenös in einer Schmerzkrise verabreicht werden.



Weitere Antiepileptika wie Valproinsäure, Lamotrigin und Topiramat haben sich ebenfalls als effektiv herausgestellt.



Lidocain, ein Lokalanästhetikum, kann ebenso helfen, neuropathischen Schmerz zu lindern. Es verhindert wahrscheinlich die spontane Entladung von geschädigten sensorischen Nervenendigungen.



Auch Antiarrhythmika haben eine Wirkung bei neuropathischen Schmerzzuständen gezeigt.(12)

1.6.6 Lokalanästhetika Durch Lokalanästhetika kann man ohne Ausschaltung des Bewusstseins eine Unterdrückung der Schmerzempfindung erreichen. Der spannungsabhängige Na +-Einstrom wird an der Nervenzelle gehemmt und das Aktionspotenzial kann dadurch nicht weiter geleitet werden. Bei den Lokalanästhetika handelt es sich um schwache Basen, welche Wasserlöslichkeit als saure Salze erreichen. In der Regel befindet sich der pH-Wert von Injektionslösungen bei 6-8 und die Lokalanästhetika liegen dort in ihrer ionisierten Form vor. Erst durch die Überführung in ihre lipidlösliche, nicht ionisierte Form im Gewebe reichern sie sich in der Neuronenmembran an und können dort ihre Wirkung entfalten. Dadurch, dass entzündetes Gewebe einen saureren pH Wert als vitales aufweist, wird weniger vom Wirkstoff in die lipidlösliche Form übergeführt, was wiederum in einer schlechteren Wirkung resultiert. Lokalanästhetika wirken schneller an dünnen unmyelinisierten Nervenfasern als an myelinisierten. Bei einem gemischten Nerv fallen zuerst die B-(symphatischen) Fasern aus, was zu einer Gefäßweitstellung führt. Danach kommt es zu einer Abnahme der Tiefenschmerzempfindung durch die bereits bekannten C-Fasern. In weiterer Folge werden die Aδ-Fasern blockiert und die Oberflächensensibilität und die Wärmeempfindung herabgesetzt. Erst als letztes fallen die Aβ-Fasern, welche für

15

Berührung

und

Druckempfindung

verantwortlich

sind,

und

die

motorischen

Aα-Fasern aus. Oft wird den Lokalanästhetika ein Vasokonstriktor, wie zum Beispiel Adrenalin, zugegeben. Durch die daraus resultierende Vasokonstriktion wird einerseits der Abtransport des Wirkstoffs verlangsamt und andererseits die Blutung unterdrückt.

Lokalanästhetika können für folgende Zwecke eingesetzt werden: 

Infiltrationsanästhesie



Oberflächenanästhesie



Regionalanästhesie



Spinal- bzw. Epiduralanästhesie(16)

Lidocain ist das am häufigsten verwendete Lokalanästhetikum und ist für jede Art der Anästhesie geeignet. Es zeichnet sich durch einen raschen Wirkeintritt aus. Ohne Adrenalin wirkt es ca. eine Stunde, mit etwa 2-3 Stunden. Bupivacain ist 4 mal stärker als Lidocain und entfaltet seine lang anhaltende Wirkung langsam. Spinal- oder Periduralanästhesien werden häufig mit Bupivacain durchgeführt.(17)

1.7 Schmerzmessung Vor allem chronische Schmerzen und die PatientInnen, die darunter leiden, stellen ein komplexes Thema für den behandelnden Arzt dar. Bei diesen PatientInnen kommen neben den körperlichen Befunden auch soziale und psychische Faktoren hinzu, welche das Schmerzerlebnis negativ beeinflussen. Deswegen sollten in der Schmerzdiagnostik alle zum Erlebnis beitragenden Aspekte berücksichtigt und erhoben werden. Eine ausführliche Anamnese und Inspektion ist unerlässlich.

Die numerische Ratingskala (NRS) zur Messung der Schmerzintensität und des Schmerzverlaufs ist das am häufigsten klinisch eingesetzte Verfahren. Von dem Patienten/der Patientin wird seine/ihre subjektiv erlebte Schmerzintensität auf einer Skala von 0-10 angegeben. 0 bedeutet „kein Schmerz“ und 10 „extremster Schmerz“. Sollten nur

16

die Endpunkte auf der Skala angegeben sein, handelt es sich um eine sogenannte Visuelle Analogskala.(18) Diese kann auch um Smileys ergänzt sein und wie unten abgebildet aussehen.

Abbildung 2: Visuelle Analogskala Vorder- und Rückseite Quelle: http://www.kup.at/journals/abbildungen/gross/193.html

Der Unterschied von der VAS zur NRS besteht darin, dass der/die PatientIn den Schieberegler auf der Vorderseite einstellt und der Arzt den Wert auf der Rückseite abliest. Bei der NRS wird wie oben erwähnt von dem Patienten/der Patientin ein Wert von 0-10 angegeben.

Es liegt vor allem am medizinischen Personal, die Schmerzskalen richtig anzuwenden und die von den PatientInnen angegebenen Werte in die Krankenakte einzutragen. Nur dadurch gelingt eine gezielte und individuell angepasste Schmerztherapie, die darauf abzielt, die richtigen Analgetika bzw. deren Kombination in geeigneter Dosierung zu verabreichen. PatientInnen sollen auch unter einer postoperativen kontinuierlichen Schmerztherapie Durchbruchsschmerzen melden und diese behandeln lassen.(9)

17

2 Perioperatives Schmerzmanagement Nach der ersten Ethernarkose im Jahre 1864 im Massachusetts General Hospital, verbreitete sich die Nachricht, dass man den Schmerz besiegt habe. Damals wusste man noch nicht, dass die potenten Hypnotika lediglich die Schmerzwahrnehmung, aber kaum die Schmerzüberleitung beeinflussen. Aus diesem Grund ist es wichtig, zusätzlich Nervenblockaden oder starke Analgetika zu verabreichen, um die physiologischen Schmerzprozesse zu stoppen, welche das Nervensystem reizen und neuroendokrine Stressreaktionen triggern und hervorrufen.(19) Postoperativer Schmerz ist eine komplexe physiologische Reaktion, der eine Verletzung des Gewebes zugrunde liegt. Für die meisten PatientInnen besteht die größte Sorge in den Schmerzen, die mit einer Operation einhergehen. Postoperativer Schmerz führt zu einer Reihe von physiologischen Vorgängen, die wiederum die verschiedensten Organsysteme betreffen können und mit erhöhter Morbidität einhergehen. Schmerzen nach Oberbauchoder Thorax Operationen führen zu Hyperventilation, welche oft durch das Tragen von Kompressionsbandagen noch verstärkt wird. Dieser Umstand kann die Bildung von Atelektasen begünstigen, diese wirken sich wiederrum negativ auf das VentilationsPerfusions-Verhältnis der Lunge aus. Im schlimmsten Fall kommt es zu arterieller Hypoxie oder Pneumonien. Übermäßige Schonhaltung oder Immobilisation, durch postoperativen Schmerz, in Kombination mit stressinduzierter Hyperkoagulabilität, führen zu vermehrtem Auftreten von tiefen Beinvenenthrombosen. Durch Schmerz werden vermehrt Katecholamine freigesetzt, die eine Tachykardie und systemische Hypertension bewirken. Bei koronar herzkranken Patienten kann dies zu einer myokardialen Ischämie führen.(20) Die Liste von negativen Auswirken des postoperativen Schmerzes könnte noch lange fortgesetzt werden und genau deshalb ist es wichtig, ihn adäquat zu therapieren.

18

Mit der sogenannten Akutschmerztherapie will man im Wesentlichen folgende Ziele erreichen: 

Revisionsraten verringern



Postoperative Mortalität und Morbidität verringern



Krankenhausverweildauer verkürzen



Spätschäden verhindern



Die Patientenzufriedenheit steigern(21)

2.1 Vorbereitungen 2.1.1 Patientenaufklärung PatientInnen, die über postoperativ auftretende Komplikationen, zu denen man die Schmerzen auch zählen kann, aufgeklärt wurden, sind viel besser in der Lage mit diesen Beschwerden umzugehen als uninformierte PatientInnen. Dem/der Patienten/in sollte auf jeden Fall mitgeteilt werden, dass alles Mögliche im postoperativen Verlauf unternommen wird, um die Schmerzen tolerabel zu machen, dass aber eine totale Schmerzfreiheit unrealistisch ist. Weiters sollten die PatientInnen schon präoperativ über die zur Verfügung stehenden Optionen des Schmerzmanagements informiert werden. Manche PatientInnen wollen aktiv in die medizinische Behandlung miteinbezogen werden, anderen ist es lieber, dass Entscheidungen vom behandelnden Team getroffen werden. Für erstere würde sich eine PCA (PatientInnen kontrollierte Analgesie) anbieten. Informierte PatientInnen sind psychologisch besser auf den Ausnahmezustand, den eine Operation darstellt, vorbereitet.

2.2 Präemptive und präventive Analgesie Die präemptive Schmerztherapie hat zum Ziel, eine zentrale Sensibilisierung des Schmerzes zu verhindern, indem man den Schmerz bereits vor seiner Entstehung unterdrückt. Man kann sie also als eine analgetische Intervention bezeichnen, die vor einem schädlichen, Reiz auslösenden Ereignis gesetzt wird.

19

Igor Kissin, Professor für Anästhesie an der Harvard Medical School, beschreibt präemptive Analgesie als eine anti-nozizeptive Therapie, die verhindert, dass sich modifizierte verarbeitende Afferenzen etablieren, welche postoperative Schmerzen verstärken.(19)

Die Idee, dass Schmerz, welcher früh behandelt wird, leichter zu kontrollieren ist als bereits entstandener, ist keineswegs neu. Neu ist hingegen, dass man den Prozess der zentralen Sensibilisierung durch Analgetika oder neuronale Blockaden zu verhindern versucht. Die Studienlage zu präemptiver Analgesie ist leider keinesfalls eindeutig und die klinische Bedeutung wird stark diskutiert. Während in Tiermodellen gute und zufriedenstellende Ergebnisse durch präemptive Interventionen erzielt werden konnten, waren die Humanstudien eher weniger überzeugend.(19)

So konnte eine von Møiniche et al im Jahr 2002 durchgeführte Metaanalyse keine Vorteile für präemptive Analgesie feststellen. Es wurden insgesamt 80 Studien bezüglich präemptiver Therapie mit epiduraler Analgesie, systemisch verabreichten Opioiden, NSAIDs, lokaler Infiltration und NMDA Rezeptor Antagonisten einbezogen. Verglichen wurden vor dem Hautschnitt gesetzte mit nach dem Hautschnitt gesetzten Therapien. Es wurden quantitative Schmerzmessungen binnen der ersten 24 Stunden nach der Operation, mithilfe des VAS Score, vorgenommen. Die präemptiven Interventionen konnten insgesamt keinen signifikanten Benefit vorweisen.(22)

Trotz dieser enttäuschenden Resultate führten Ong et al im Jahre 2005 eine neue Metaanalyse durch, welche 10 neu publizierte RCTs beinhaltete. Sie unterschied sich von der vorher genannten in einigen Punkten: 

Es wurden Studien miteinbezogen, die präemptiv behandelte PatientInnen mit PatientInnen ohne gesonderter Therapie verglichen.



Ebenfalls wurden Studien, die präemptive und postoperative Interventionen gegenüberstellten, berücksichtigt.



Weiters wurden andere Methoden zur Analyse der Schmerzscores verwendet.



Die Kriterien für einen Ausschluss von Studien wurden strenger definiert.

20

So konnten Ong et al insgesamt eine gute Wirksamkeit für einige präemptive Behandlungen feststellen. Dazu zählen epidurale Analgesie, Wundinfiltration und NSAIDs. Präemptiv verabreichte Opiate und NMDA-Rezeptor Antagonisten waren nicht effektiv.(23)

Präemptive Analgesie hat vor allem zum Ziel, den Prozess der zentralen Sensibilisierung zu verhindern. Diese wird unter anderem durch NMDA-Rezeptor-Antagonisten, Opioide und neuronale Blockaden auf unterschiedlichste Weise beeinflusst. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich Studien wiedersprechen und auch die Metaanalysen keine klaren Antworten liefern. Man muss noch viel über das richtige Design von Studien über präemptive Analgesie und deren Auswertung in Metaanalysen lernen. Die Tatsache, dass es durch präemptive Analgesie wenig zu verlieren und viel zu gewinnen gibt, sollte uns als Prämisse dienen bis eindeutigere Ergebnisse zur Verfügung stehen.(19)

Zum Schluss möchte ich an dieser Stelle noch kurz den Wissenschaftsskandal von Reuben erwähnen. Scott Reuben ist ein amerikanischer Professor für Anästhesie und Schmerztherapie, dem nachgewiesen werden konnte, in 21 seiner publizierten Studien Daten fingiert zu haben. Diese Studien wurden alle in renommierten Fachzeitschriften für Anästhesie veröffentlicht. Die Studien beschäftigten sich alle mit perioperativen analgetischen Interventionen und einige bestätigten die Annahme, dass multimodale- bzw. präemptive Analgesie die postoperativen Schmerzen lindern. Bei diesem nachgewiesenen Betrug handelt es sich um einen der größten Fälle wissenschaftlichen Fehlverhaltens und die darauf folgende mediale Aufmerksamkeit war enorm. Der Aufwand der dadurch entstand, war beträchtlich, da jedes Paper, jeder wissenschaftliche Bericht und jede Metaanalyse, in welche Reubens Publikationen miteinflossen, erneut überprüft werden mussten. Dass Konzept der multimodalen und präemptiven Analgesie nahm jedoch zum Glück nur geringen Schaden. Zahllose Studien und Metaanalysen, die keine Daten von Reuben beinhalten, bestätigten jedoch den Opioid-sparenden Effekt, den epidurale- und regionale Anästhesie sowie NSAIDs und andere Zusatzmedikamente haben.(19)

21

2.3 Balancierte und multimodale Analgesie Opioide sind die stärksten uns zur Verfügung stehenden Analgetika. Obwohl sie in der Geschichte eine lange Verwendung aufweisen, ist man noch immer bezüglich ihrer Nebenwirkungen, vor allem der Abhängigkeit und Atemdepression, besorgt. Das Ausmaß, in dem Opioide zur Schmerzlinderung zum Einsatz kamen, befand sich in einem stetigen zeitlichen aber auch kulturellen Wandel. In den Industrienationen haben sich Opioide seit den 1980er Jahren zur Behandlung starker Schmerzen etabliert.(19) Eine gute und adäquate Schmerztherapie mit Opioiden, während und nach einer Operation, wirkt sich positiv auf das Outcome aus.(24) Schmerzlinderung ist eine wichtige Komponente, die zu einer schnelleren Erholung des/der Patienten/in nach einer Operation beiträgt. Man versucht, die normalen physiologischen Funktionen so schnell wie möglich wieder herzustellen und damit die postoperativen Komplikationen zu verringern.(25) Opioide besitzen aber auch Eigenschaften, die die Erholung des/der Patienten/in verzögern: 

sie wirken sedativ,



antiemetisch



und sie hemmen die Peristaltik.

Um die Vorteile der Opioide optimal zu nutzen und ihre Komplikationen zu reduzieren, kann man sie mit folgenden Maßnahmen kombinieren: 

Nichtopioid Analgetika



Epidurale und andere Nervenblockaden



Nichtmedikamentöse Maßnahmen

In der multimodalen Analgesie macht man sich diese synergistisch wirkenden Effekte zunutze, da die Kombination verschiedener Schmerztherapien meist wirksamer ist als eine analgetische Monotherapie.(19, 26)

22

2.4 PatientInnen kontrollierte Analgesie (PCA) Der individuelle Bedarf an Opioiden unterliegt enormen Schwankungen. Eine Unterdosierung resultiert in einer unzureichenden Schmerzlinderung, eine Überdosierung könnte eine eventuell tödlich endende Atemdepression mit sich bringen. Aus diesen Gründen sollte man auf eine schematische Gabe von Opioiden verzichten und sie streng bedarfsorientiert verabreichen.(26)

2.4.1 Intravenöse PatientenInnenkontrollierte Analgesie Die PCA Technologie bringt im akuten Schmerzmanagement große Vorteile mit sich. Die computergestützten Schmerzpumpen erlauben es den PatientInnen, die Dosis selbst und sicher zu bestimmen. So können sie bei Bedarf einfach und schnell eine adäquate Schmerzmedikation erhalten. Auch der Mehraufwand, den Schwestern im Sinne von anordnen, dokumentieren und verabreichen betreiben müssten, fällt hier weg.(19) Um dem Prinzip der Bedarfsorientierung gerecht zu werden, werden wiederholt kleine OpioidBoli intravenös verabreicht. Da diese Medikamente relativ schnell wirken, kann man den Erfolg bald beurteilen. Sollte die Wirkung unzureichend sein, kann man erneut einen kleinen Bolus applizieren. Auf Knopfdruck erhält der/die Patient/in von der an einen intravenösen Zugang angeschlossenen Infusionspumpe einen Bolus vom gewünschten Medikament. Dies kann er so oft wiederholen, bis eine bedarfsgerechte Einstellung erfolgt ist. Selbst bei PatientInnen die sehr hohe Dosen an Opioiden benötigen, tritt eine Atemdepression nur äußert selten auf. Diese ist vielmehr durch eine eventuelle Überdosierung bedingt.

Um dies und andere Komplikationen zu vermeiden, kann man an den PCA-Geräten unter anderem folgende Parameter einstellen: 

Milligramm Opioid pro Bolus



Länge des Sperrintervalls (Die Zeit, welche zwischen zwei Boli vergehen muss)



Die Maximaldosis (meist auf ein 4-stündiges Intervall bezogen)(26)

23

Die muskuläre Injektion ist, aus Gründen der Sicherheit, durch diese Maßnahmen nicht mehr nötig und auch das Monitoring kann geringer ausfallen. Trotz alledem muss man sich der Tatsache bewusst sein, dass es immer ein gewisses Restrisiko bei der Verabreichung von Opioiden geben wird und, dass auch PCA-Geräte keine 100%ige Sicherheit bieten.(19) Es gibt elektronisch gesteuerte PCA-Geräte sowie mechanisch betriebene Pumpen.

Abbildung 3: Elektronisches PCA Gerät Quelle: http://www.arcomed.com/arcomed_AG/PCA_Chroma_D.html

Bei PatientInnen, bei denen davon auszugehen ist, dass sie länger anhaltende und starke postoperative Schmerzen erwarten werden, hat sich ihre Verwendung etabliert. Die Entscheidung, ob solch ein Gerät installiert wird, fällt meist im Aufwachraum und seltener auf der Station. Die empfohlene Beobachtungszeit nach erfolgtem Anschluss des Geräts wird mit 6-8 Stunden angegeben. Eine frühzeitige Kontrolle und eventuelle Optimierung innerhalb der ersten 2-4 Stunden ist empfehlenswert. Je nach Schwere des Eingriffes sollten die PCA Geräte ca. 3-5 Tage von dem/der Patienten/in verwendet werden können. Bevor die PCA-Pumpe angeschlossen wird, sollte eine Schmerzreduktion durch eine intravenöse Titration der Dosis per Hand erfolgen. Piritramid (Dipidolor®) hat sich für die i.v. PCA gut bewährt. Eine Konzentration von Piritramid (Dipidolor®) 1ml = 2mg hat sich etabliert.(26) In der aktuellen Leitlinie S3 zur Therapie akuter Schmerzen wird eine Bolusmenge von 1-2mg und ein Sperrintervall von 10min empfohlen.(27)

24

Eine Programmierung eines PCA-Gerätes für einen durchschnittlichen Erwachsenen könnte wie folgt aussehen. Tabelle 2: Programmierungsbeispiel PCA-Gerät

Parameter

Beispiel

Opioidkonzentration

Piritramid (Dipidolor®) mit 2 mg/ml

Sperrintervall

10 min

Maximaldosis pro 4 Stunden

25 mg Dipidolor®

Bolusmenge

1-2 mg Dipidolor®

Das Sperrintervall sollte immer so gewählt werden, dass das verwendete Medikament in der vorgegeben Zeit sein Wirkmaximum erreichen kann. Im Prinzip können alle Opioide für die i.v. PCA verwendet werden.(26) Wenn ein/eine Patient/in das Dosislimit überschreitet, sollte ein Alarm abgegeben werden, damit man frühzeitig den höheren Bedarf anpassen kann.(9) Woodhouse et al konnten 1996 keine signifikanten Unterschiede der PatientInnenzufriedenheit zwischen Fentanyl, Morphin und Pethidin in Kombination mit einer i.v. PCA feststellen.(28) Die i.v. PCA ist der Goldstandard der systemischen Schmerztherapie nach größeren Operationen.(29) Eine Basalinfusion eines Opioids neben einer i.v. PCA hat sich als nicht zielführend herausgestellt. Man verbraucht insgesamt mehr Medikamente ohne die Analgesie zu verbessern. Es wird lediglich die Nebenwirkungsrate gesteigert. Um einer Übelkeit bedingt durch die Opioidgabe vorzubeugen, kann man der Piritramid-Lösung Droperidol (Xomolix®) beimengen. Es kann jedoch bei zu hoher Dosierung von Xomolix® zu einer inakzeptablen Sedierungstiefe kommen. Um dem vorher erwähnten Konzept der opioid-sparenden Analgesie gerecht zu werden, sollte man zusätzlich noch ein antipyretisches Analgetikum verabreichen. Die Komplikationsrate bei der i.v. PCA ist sehr gering und die Fehler sind meist anwenderbedingt in Form von falschen Dosierungen oder auch fehlerhaften Programmierungen.(26) Es gab aber auch bereits Todesfälle durch die PCA.(30) Ebenso können die PatientInnen falsch handeln, indem sie sich zum Beispiel mehrere Boli verabreichen, um schlafen zu können. All diese Umstände können, wenn auch sehr selten, zu einer Atemdepression führen. Weiters wären auch Komplikationen durch defekte Geräte denkbar. Um anwenderbedingte Fehler zu minimieren, sollte man in einer Klinik nur einen Gerätetyp mit einer Standartkonzentration eines Medikamentes verwenden.

25

Die PCA bietet den großen Vorteil, dass die Zeit zwischen Bedarf und Verabreichung eines Opioids extrem kurz ist. Des Weiteren wird dem/der Patienten/in so viel Analgetikum zugeführt wie er/sie braucht und das intravenös, was wiederum in einer schnelleren Wirksamkeit resultiert.(26) Der Opioid Bedarf kann enorm variieren. PatientInnen hatten nach demselben operativen Eingriff einen bis zu 10fach höheren Verbrauch an Opioiden als andere. Dieser erhöhte Bedarf nimmt normalerweise innerhalb von ein paar Tagen wieder stark ab.(31) Die PCA kann uns aber auch noch weitere Hinweise liefern wie sich in der Vergangenheit gezeigt hat. Wenn bei PatientInnen der Bedarf an Opioiden in der postoperativen Phase plötzlich stark ansteigt, kann das ein Hinweis auf eine bevorstehende Komplikation

sein.(32)

Hingegen

ist

bei

einer

plötzlichen

Allgemeinzustandsverschlechterung, zum Beispiel durch eine Nachblutung, der Opioidbedarf vermindert und somit das Risiko einer Überdosierung erhöht. Die PatientInnen, die eine i.v. PCA erhalten, müssen in regelmäßigen Abständen überwacht werden. Die Dokumentation erfolgt am besten mittels eines standardisierten Bogens in dem mehrfach pro Tag folgende Parameter eingetragen werden: 

Schmerzintensität



Atemfrequenz



Sedierungsgrad



Nebenwirkungen



Bisheriger Opioidverbrauch



Und evtl. pulsoxymetrische arterielle Sauerstoffsättigung

Auf den Stationen sollte zusätzlich 1-2-mal pro Tag ein Mitglied des Schmerzdienstes die PatientInnen visitieren. Aus den schon genannten Vorteilen der individuellen Anpassbarkeit der Dosis und somit auch des Schmerzniveaus, wundert es nicht, dass die Akzeptanz bei den PatientInnen sehr gut ist. Die Kosten für PCA-Systeme wurden schon oft analysiert und diskutiert. Eine allgemeine Bezifferung ist schwer möglich, da zum Beispiel allein die Personalkosten starken örtlichen Schwankungen unterliegen. Insgesamt scheint es, dass die PCA etwas teurer ist als die konventionelle Analgesie. Man sollte jedoch auch beachten, dass sich mehr Sicherheit und gesteigerte PatientInnenzufriedenheit schwer durch Kostenersparnisse ausdrücken lassen.(19) Laut Striebel (2013) sind die im median ermittelten Kosten bei 100 € für Personal und Material. 26

2.4.2 Nurse controlled analgesia Wie schon erwähnt, stellt die i.v. PCA den Goldstandart der postoperativen Schmerztherapie dar. Aber auch ohne PCA-Geräten ist eine sichere und gute Analgesie möglich, wenn man gewisse Grundprinzipien beachtet. Das PCA-Gerät minimiert im Wesentlichen nur die Zeitspanne zwischen Bedarf an Schmerzmedikation und deren Verabreichung und durch die Programmierung werden Fehler minimiert. Aber auch das medizinische Personal könnte jedes Mal, wenn der/die Patient/in es braucht, einen Bolus eines Opioids intravenös verabreichen. Wenn das schnell möglich ist, steht diese Methode den PCA-Geräten in nichts nach. Im Aufwachraum gelingt dieses Vorgehen noch sehr gut, auf den peripheren Stationen ist es bereits sehr schwierig durchzuführen.(26) Wie in der nachfolgenden Grafik ersichtlich, ist die PCA im Vergleich zu einer 2 bzw. 4stündigen i.m. oder i.v. Opioidgabe viel besser in

der Lage, analgetische

Plasmakonzentrationen zu gewährleisten.

Abbildung 4: Opioid Plasmakonzentrationen im Vergleich, PCA und 2- bis 4-stündige intravenöse und intramuskuläre Opioidgaben Quelle: Neal JM, Rathmell JP, Complications in Regional Anesthesia and Pain Medicine. Philadelphia, PA: Elsevier; 2006

27

2.4.3 Weitere PCA Anwendungen Die PCA Technologie kann auch für die epidurale Analgesie verwendet werden. Auch hier liegt der Hauptvorteil in der bedarfsorientierten Dosistitration.(19) In der Lokal- und Regionalanästhesie wird noch genauer auf die epidurale PCA eingegangen. Auch für die orale PCA konnte in einigen Studien gezeigt werden, dass die Schmerzen mit wässriger Morphin Lösung genauso gut gelindert werden konnten wie bei der i.v. PCA.(33) Es gibt weiters noch die Möglichkeit, Opioide patientengesteuert transdermal oder nasal zu applizieren. Für die nasale Anwendung konnte eine vergleichbar suffiziente Analgesie gezeigt

werden wie

Nasensprühfläschchen

für

die

verwendet.

i.v.

PCA.

Fentanyl,

Man hat intranasal

hier

kleine

verabreicht,

mechanische wurde

zur

Schmerzspitzentherapie bei KarzinompatientInnen erfolgreich eingesetzt und ist seit 2009 als Instanyl® kommerziell erhältlich.(34, 35) Für die transdermale PCA wird ein kreditkartengroßes Gerät an einer nicht behaarten Stelle angebracht, das mittels Iontophorese den Wirkstoff über die Haut verabreicht.(19)

2.4.4 Orale Analgesie Es konnte bereits gezeigt werden, dass mittels oraler Analgetika-Gabe eine bessere Schmerzlinderung als mit der früher üblichen intramuskulären Applikation erzielt wurde.(36) Auch in der Tumorschmerztherapie hat sie sich schon lange etabliert. Außer für sehr starke, sofort zu behandelnde Schmerzen ist die orale Gabe die Verabreichungsform der Wahl. In der unmittelbar postoperativen Phase ist sie jedoch aufgrund von Nebenwirkungen wie Erbrechen oder Übelkeit, oder auch bei größeren Darmoperationen nicht immer möglich. Für traumatologische oder orthopädische PatientInnen eignet sie sich jedoch sehr gut.(26)

28

2.5 Regional- und Lokalanästhesie bzw.- Analgesie Es gibt verschiedene lokale und regionale Verfahren, um die Schmerzweiterleitung von der Peripherie zum Gehirn zu unterbrechen. Postoperativ kommen vor allem folgende in Frage: 

Periduralanalgesie



Nervenblockaden



Wundinfiltrationen



Seltenere Verfahren: o Periphere Opioidgabe o Intrapleurale Analgesie o Intraartikuläre Medikamentengabe(26)

Auch die Spinalanästhesie hat den großen Vorteil, dass sie postoperativ noch einige Stunden gute Schmerzlinderung bietet. Da es äußert unüblich ist, einen Katheter, über den Nachinjektionen möglich wären, in den Spinalraum zu legen, ist sie als reines postoperatives Analgesieverfahren jedoch nicht geeignet.

2.5.1 Periduralanästhesie Die Periduralanästhesie PDA wird häufig auch Epiduralanästhesie genannt. Hierbei wird Lokalanästhetikum in den Periduralraum eingebracht und die entsprechenden umliegenden Spinalnerven blockiert. Sie ist technisch viel schwieriger als die Spinalanästhesie, bietet aber den großen Vorteil der Anlage eines Periduralkatheters, über den postoperativ kontinuierlich Medikamente verabreicht werden können. Sie kann prinzipiell auf allen Wirbelsäulenetagen durchgeführt werden.(15) Die Periduralanalgesie hat sich nach größeren Bauch- oder Thoraxoperationen am effektivsten zur Schmerzlinderung herausgestellt.(37) Weiters konnten durch sie Opioide eingespart und das chirurgische Outcome eventuell verbessert werden.(38) Auch in der aktuellen Leitlinie wird bei zu erwartenden starken Schmerzen die Anlage eines PDK empfohlen.(27) Wird dieser nur zur postoperativen Schmerztherapie angelegt und nicht auch zur Narkoseführung, sollte man von Periduralanalgesie und nicht von Periduralanästhesie sprechen. Wie schon erwähnt, ist die Anlage eines PDKs vor allem bei großen Oberbaucheingriffen indiziert, aber auch Rektumresektionen, Kolonchirurgie und 29

gynäkologische sowie urologische Eingriffe können mittels Periduralanalgesie versorgt werden. Wenn ein PDK gelegt wurde, sollte man den/die Patienten/in mindestens 3 Tage konsequent darüber therapieren. Weiters ist die Kombination mit einem Blasenkatheter zu empfehlen, da es im Rahmen der Periduralanalgesie häufig zu Miktionsstörungen kommt. Nach

Applikation

eines

Lokalanästhetikums

über

mehrere

Tage

kann

eine

Wirkungsabschwächung eintreten. Die großen Vorteile der Periduralanalgesie sind: 

effektivere Schmerzlinderung gegenüber der systemischen Analgesie



begrenzte Wirkung des Lokalanästhetikums



Opioid einsparende Effekte



Darmfunktion wird postoperativ durch Sympathikolyse verbessert (nur bei Verwendung von Lokalanästhetika)



selteneres Auftreten postoperativer chronischer Schmerzsyndrome(26)

Anatomie Die PDA kann an dem/der liegenden oder sitzenden

Patienten/in

durchgeführt

werden. Zuerst durchsticht man die Haut, um dann ins subkutane Fettgewebe zu gelangen. Als nächste Strukturen müssen das Ligamentum supra- sowie interspinale durchdrungen werden. Danach kommt das derbe Ligamentum flavum, hinter dem sich der nur wenige Millimeter breite gesuchte Periduralraum befindet.

Abbildung 5: Rückenmarksnahe Verfahren im Überblick Quelle: http://www.juedisches-krankenhaus.de/kliniken-undmedizinische-zentren/anaesthesiologie-undschmerztherapie/medizinischeschwerpunkte/anaesthesieverfahren/regionalanaesthesie.html

30

Vorgehen Nach Durchstechen der Haut wird die Periduralkanüle bis ins Ligamentum interspinale tiefer vorgeschoben. Danach entfernt man den Mandrin und setzt stattdessen eine besonders leichtgängige, mit Kochsalzlösung gefüllte, PDA-Spritze auf. Unter ständigem Druck auf den Stempel dieser Spritze wird nun die Kanüle Millimeter für Millimeter weiter vorgeschoben. Solange man sich im noch festen Bandapparat der Wirbelsäule befindet, ist es nicht möglich, die Kochsalzlösung zu injizieren. Nachdem diese Bandstrukturen überwunden wurden und man in den Periduralraum gelangt, nimmt der Widerstand schlagartig ab (loss-of-resistance) und die NaCl-Lösung lässt sich leicht injizieren. Jetzt kann man den Periduralkatheter über die Kanüle in den Periduralraum einführen. Optimal wäre es, wenn der Katheter 3-5 cm tief im Periduralraum zu liegen kommt.(39)

Um Nebenwirkungen wie motorische Blockaden oder Blutdruckabfall durch die verabreichten Lokalanästhetika zu minimieren, sollte man den Periduralraum im Zentrum der Dermatome punktieren, die blockiert werden sollen. Dadurch kann die Medikamentenmenge reduziert werden. In der folgenden Tabelle sind die empfohlenen Punktionshöhen in Abhängigkeit von der Operation zusammengefasst. Tabelle 3: Operation und Punktionshöhe

Ort der Operation

Punktionshöhe

Ideale Ausbreitung der Anästhesie

Untere Extremität

L3/L4

Th12-S1

abdominale Aorten-OP

Th10/Th11, Th11/Th12

Th8-L2

Unterbauch OP

Th10/Th11, Th11/Th12

Th8-L2

Oberbauch OP

Th8/Th9, Th9/Th10

Th6-Th12

thorakoabdominale OP

Th7/Th8, Th8/Th9

Th4-Th12

Thorakotomie

Th6/Th7

Th2-Th8

Vor allem die thorakale PDA in Verbindung mit einem Katheter hat in den letzten Jahren deutlich an Popularität gewonnen. Die frühzeitige Mobilisierung und das Fast-TrackKonzept werden durch sie wesentlich begünstigt.(26)

31

Über einen liegenden PDK kann man Opioide, Lokalanästhetika oder eine Kombination aus beiden intermittierend als Boli infundieren. Besser ist jedoch die kontinuierliche Verabreichung über eine Spritzenpumpe. Als besonders wirkungsvoll gilt die Mischung aus einem niedrigprozentigen Lokalanästhetikum mit Sufenta® epidural. Als Lokalanästhetika zur postoperativen Schmerztherapie werden fast ausschließlich das lang wirksame Bupivacain (0,25%) oder Ropivacain (0,2%) verwendet. Im lumbalen Bereich werden pro zu blockierendem Segment meist 1-1,5ml benötigt. Hohe thorakale Blockaden benötigen initial ca. 50% weniger, tief thorakale ca. 30% weniger an initialem Volumen. Die Ausbreitung des Lokalanästhetikums bei PDA hängt vom verabreichten Volumen ab. Die Einzelboli bei einer PDA sollten eine Spinalanästhesie-Dosis nicht überschreiten. Nach initialer Medikamentengaben sollte man den/die Patienten/in für 30 Minuten überwachen. Sollte eine deutliche motorische Blockade eintreten, wartet man mit dem nächsten Bolus bis sich diese zurückgebildet hat.

Die Mischung eines niederprozentigen Lokalanästhetikum mit einem Opioid bietet den Vorteil, dass die häufig auftretende motorische Schwäche und die Hypotension verringert werden.

Lange Zeit war nur das Opioid Morphin für die peridurale Applikation zur postoperativen Schmerztherapie zugelassen. Morphin ist ein hydrophiles Molekül und diffundiert nach Injektion in den Periduralraum weiter in den wässrigen Liquor, wo es relativ lange verbleibt bis es weiter ins Rückenmark diffundiert und dort an die Opioid-Rezeptoren im Bereich der Substantia gelatinosa bindet. Gelangt nun Morphin mit dem Liquor bis in den 4. Ventrikel und das dort befindliche Atemzentrum, kann es zu einer sogenannten späten Atemdepression kommen. Deswegen sollten peridurale Gaben von Morphin nur auf Intensiv- oder Wachstationen erfolgen. Das seit 2000 auch für die peridurale Applikation zugelassene Sufentanil ist sehr kurz wirksam und lipophil. Dadurch diffundiert es viel schneller durch den Liquor ins Rückenmark. Somit ist eine späte Atemdepression fast ausgeschlossen. Verabreicht man ein Opioid ohne ein Lokalanästhetikum, kommt es zu keiner motorischen Blockade. Die oft erwünschte Stimulation des Magen-Darm-Traktes bleibt jedoch ebenfalls aus. Die kontinuierliche Gabe mittels Spritzenpumpe ist zu bevorzugen, da diese risikoärmer ist.(26) 32

Es konnte klar nachgewiesen werden, dass die epidurale Analgesie, vor allem die thorakale, die Darmmotilität verbessert und die Ileusrate verringert. Diese Umstände trugen in den Studien zu einer früheren Entlassung der PatientInnen bei.(40) Epidurale Analgesie wirkt sich ebenfalls positiv auf die Lungenfunktion aus.(41) Ältere Studien zeigten ein verbessertes Outcome bei epiduraler Analgesie bezüglich Mortalität und Morbidität(42, 43), welches jedoch in neueren großen multizentrisch durchgeführten Untersuchungen nicht bestätigt werden konnte.(44, 45). Dies liegt mitunter daran, dass es mittlerweile sehr schwer

geworden

ist,

anästhesiologische

beziehungsweise

analgetische

Therapiemaßnahmen isoliert bezüglich ihrer fraglichen Vorteile in Mortalität und Morbidität zu untersuchen. Sicher ist jedoch, dass sich die epidurale Analgesie positiv auf die PatientInnenzufriedenheit auswirkt, da man mit ihr das höchste Maß an postoperativer Schmerzlinderung erreicht. Trotz der zum Teil nicht eindeutigen Datenlage, bleibt die epidurale Analgesie eine hilfreiche und vorteilhafte therapeutische Maßnahme für PatientInnen, die sich einer großen thorakalen oder abdominellen Operation unterziehen müssen.(19) Die epidurale Analgesie birgt auch gewisse Risiken in sich. In etwa 5% der Fälle ist die analgetische Wirkung ineffektiv. Es kann ebenfalls zu einer subduralen Injektion kommen, was in einer verzögert auftretenden, überraschend ausgedehnten, sensorischen und sympathischen Blockade mit variablem motorischem Defizit resultiert. Die gefährlichste Komplikation besteht in einer sogenannten totalen Spinalanästhesie. Hierbei gelangt intrathekal verabreichtes Lokalanästhetikum an intrakranielle enzephale neurale Strukturen. Der daraus resultierende Symptomkomplex besteht aus: 

zentrale Apnoe



Koma



Arterielle Hypotension



evtl. Herz- Kreislaufstillstand



weite und lichtstarre Pupillen

Der Begriff totale Spinalanästhesie geht darauf zurück, dass dieser Zustand häufig bei zu hoher Dosierung im Rahmen einer Spinalanästhesie oder einer versehentlich intrathekalen Verabreichung eines Lokalanästhetikums, welches ursprünglich zur Epiduralanästhesie vorgesehen war, auftritt. Es ist ebenfalls möglich, dass ein anfangs richtig liegender PDK sekundär die Dura perforiert und dann oben genannten Symptomkomplex auslöst. Da die Dura mater dem Foramen Magnum anheftet, kann es bei der periduralen Applikation kaum 33

zu einer totalen Spinalanästhesie kommen, da das Lokalanästhetikum nicht ins ZNS gelangt. Die Therapie der totalen Spinalanästhesie besteht aus einer Kreislaufunterstützung mit Katecholamin- und Volumengabe sowie Intubation und Beatmung. Circa 30% der PatientInnen klagen über Rückenschmerzen nach einer Epiduralanästhesie. Eine weitere Komplikation besteht in einer Störung der Blasenfunktion. Um dies zu vermeiden, sollte man die Segmente S2-S5 nicht blockieren. Da die meisten PatientInnen, für die eine epidurale Analgesie in Frage kommt, auf Grund der Größe des Eingriffes sowieso einen Harnkatheter erhalten, ist der mögliche postoperative Harnverhalt wenig relevant.(9) Ein weiteres ernstes Problem stellt die Katheterinfektion dar, welche bei rückenmarksnahen Verfahren häufiger als bei peripheren Techniken auftritt.(46) Der Druckschmerz an der Kathetereinstichstelle ist der wichtigste Hinweis für eine beginnende Infektion.

Es ist ebenfalls möglich, Clonidin peridural als alleinige Substanz oder in Kombination mit einem Lokalanästhetikum zu verabreichen. Die schmerzstillende Wirkung von Clonidin peridural beruht auf einer Stimulation spinaler α2-Adrenorezeptoren, was zu einer Abschwächung der Nozizeption führt. Clonidin als α2-Adrenorezeptoragonist wirkt bei epiduraler oder intrathekaler Applikation segmental analgetisch und wirkt für ca. 4 Stunden.(9) Ebenso kann Clonidin die Wirkdauer des Lokalanästhetikums verlängern.(47)

PatientInnenkontrollierte peridurale Analgesie Die patientInnenkontrollierte peridurale Analgesie (patient-controlled epidural analgesia, PCEA) wurde seit etlichen Jahren wiederholt propagiert. Initial sollte der/die Patient/in fraktioniert über Bolusgaben hochgespritzt werden. Danach wird der Katheter an ein normales PCA-Gerät angeschlossen. Im Gegensatz zur i.v. PCA erhält der/die Patient/in bei der PCEA eine kontinuierliche Basisinfusion, zu der man sich nach Bedarf zusätzlich einen Bolus applizieren kann. Für Schmerzen, die von der PCEA nicht erreicht werden, sollte man zusätzlich Paracetamol oder Ibuprofen verabreichen. Wenn man an die vorher beschriebenen Komplikationen denkt, ist klar, dass PCEA PatientInnen engmaschig überwacht und ausreichend monitorisiert sein sollten.(26)

34

2.5.2 Nervenblockaden Die vorübergehende Ausschaltung eines peripheren Nervs durch ein Lokalanästhetikum wird als Nervenblockade bezeichnet. Zahnärzte spritzen zum Beispiel den Nervus alveolaris inferior um eine Unterkieferseite zu betäuben. Bei der Nervenblockade nach Oberst werden die 4 Nerven, die einen Finger versorgen, blockiert. Man kann auch ganze Nervenplexus blockieren, wenn man eine gesamte Extremität schmerzfrei machen will. Weiters ist es auch möglich, einen Plexuskatheter zu platzieren, um wie bei der PDA kontinuierlich postoperativ Medikamente zur Schmerzlinderung zu verabreichen. Im Folgenden wird die Plexusblockade anhand des Plexus brachialis kurz beschrieben. Der Plexus brachialis kann im Halsbereich, unterhalb des Schlüsselbeins sowie in der Achsel infiltriert werden. Am häufigsten und komplikationsärmsten ist der axilläre Block, der in einer Schmerzausschaltung an der Hand sowie am Unterarm und teilweise am Oberarm resultiert. Die Nerven des Plexus brachialis, nämlich der Nervus medianus, der Nervus ulnaris und der Nervus radialis, verlaufen im Bereich der Axilla unmittelbar neben der Arteria axillaris. Diese Strukturen werden von einer Gefäß-Nerven-Scheide, einem faszienartigen Schlauch, umgeben. Früher versuchte man durch mechanische Irritation der einzelnen Nerven sogenannte Parästhesien auszulösen, um sich der richtigen Lage der Kanüle sicher zu sein. Dadurch kann es jedoch zu Nervenschädigungen kommen, weshalb heute entweder ein Nervenstimulator oder ein Ultraschallgerät zum Einsatz kommt. Wenn die Kanüle innerhalb der Gefäß-Nerven-Scheide zu liegen kommt, genügt meist ein einziges Depot, um alle darin befindlichen Nerven auszuschalten, da sich das Lokalanästhetikum nur innerhalb dieser Struktur ausbreiten kann. Bis eine komplette Blockade nach Applikation des Lokalanästhetikums eintritt, dauert es ca. 20 Minuten. Wie schon erwähnt, kann mittels Katheter hervorragend zur postoperativen Schmerzlinderung beigetragen werden. Über den Katheter wird meist ein lange wirksames Lokalanästhetikum wie Ropivacain oder Bupivacain 2 bis 3 mal pro Tag nachinjiziert. Man möchte vor allem eine Blockade der dünnen schmerzleitenden und sympathischen Fasern und keine motorische Blockade erreichen, weshalb hier sehr niedrig konzentrierte Lokalanästhetika ausreichen. Es ist auch möglich, eine Spritzenpumpe zur kontinuierlichen Injektion zu verwenden.

35

Die wichtigsten Komplikationen bei der Nervenblockade sind: 

Hämatombildung bei versehentlicher Gefäßpunktion o Da sich das austretende Blut ebenfalls nur in der Gefäß-Nerven-Scheide ausbreiten kann, kann es dadurch zu einer Druckschädigung der Nerven kommen. Deshalb ist es wichtig, hier lange (ca. 5min) zu komprimieren.



intravasale Injektion



anaphylaktische Reaktion



systemische Toxizität



Nervenverletzung(39)

Femorale Nervenblockaden zeigen gute, aber inkomplette Analgesie nach Knieoperationen und interkostale Blocks sind eine gute Alternative nach Thoraxoperationen sowie Traumata, wenn eine PDA kontraindiziert ist. Die Analgesie lässt sich bei Einzelinfiltrationen ohne Katheteranlage durch Zugabe eines Opioids verlängern.(19) Eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2005 bestätigt, dass periphere Nervenblockaden mit vermindertem Schmerz, verkürzter Aufwachraumzeit, weniger postoperativer Übelkeit und reduziertem Analgetikabedarf assoziiert sind.(48) Welches regionale Verfahren zur Anwendung kommt, hängt von der Operation, deren voraussichtlicher Länge, der eventuell angestrebten postoperativen Mobilisation sowie den spezifischen Komorbiditäten und Kontraindikationen des/der einzelnen Patienten/in ab.(19)

36

2.5.3 Wundinfiltration Bei manchen chirurgischen Eingriffen wie Leistenhernien, Schulteroperationen oder laparoskopischen Cholezystektomien wird eine Wundrandinfiltration sogar in der aktuellen Leitlinie empfohlen.(27) Die Wundrandinfiltration eignet sich sehr gut zur postoperativen Schmerztherapie. Am besten wird sie vom Operateur vor dem endgültigen Wundrandverschluss durchgeführt. Da dieses Verfahren wenig zeitaufwändig und relativ einfach ist, sollte es immer dann zum Einsatz kommen, wenn keine andere Regionalanästhesietechnik möglich ist. Bei einer Herniotomie kann die Wunde beispielsweise mit 0,2%igem Ropivacain umspritzt werden, nachdem die Aponeurose des Musculus obliquus externus verschlossen wurde. Die Wundheilung wird durch die Wundrandinfiltration nicht beeinträchtigt. Die Schmerzlinderung nach einer Herniotomie kann mit einem Ilioinguinalis- oder einem Iliohypogastrikusblock verglichen werden. Sie stellt somit eine sicherere und einfachere Alternative zu den genannten Blockaden dar. Bei Tonsillektomien beispielsweise wird die Wundrandinfiltration jedoch nicht empfohlen. Das stark vaskularisierte Gewebe führt zu einer schnellen Resorption des Lokalanästhetikums und somit zu hohen Plasmakonzentrationen.(26)

2.5.4 Peripher-lokale Opioidapplikation Opioid-Rezeptoren wurde lange Zeit ausschließlich im ZNS vermutet. Heute weiß man, dass sie sich auch in der Peripherie, vor allem im Bereich afferenter Nervenfasern, befinden.(49) Damit wurde die Idee von der lokalen Behandlung dieser peripheren Rezeptoren geboren. Dies würde den Vorteil geringerer Dosierungen bieten, was zu niedrigeren Plasmakonzentrationen führt und somit die zentral vermittelten Opioid-Nebenwirkungen reduziert. Es wurden 22 klinische Studien zu diesem Thema ausgewertet. In diesen Studien wurde die Wirksamkeit der Opioidapplikation im Rahmen von Plexusblockaden, perineuralen Gaben, intravenösen Regionalanästhesien und sonstigen Applikationsarten untersucht. Die Autoren konnten für die genannten Verfahren jedoch keine klinisch relevante Schmerzlinderung nachweisen. Es wurden ebenfalls Studien zur intraartikulären Gabe von Morphin untersucht. Diese könnte einen gewissen positiven Effekt haben, jedoch war die Datenlage nicht ausreichend.(50)

37

Auch 5mg periartikulär appliziertes Morphin hatte nach Schultergelenksarthroskopien keinen klinisch relevanten Effekt.(51) Es ist jedoch überraschend, dass die aktuelle Leitlinie die intraartikuläre Gabe eines lang wirksamen Lokalanästhetikums eventuell in Kombination mit einem Opioid empfiehlt.(26)

2.5.5 Intraartikuläre Medikamentgabe Bei geschlossenen Gelenksoperationen kann ein ins Gelenk appliziertes Lokalanästhetikum gute postoperative Schmerzlinderung erzielen.(52) Dieser Effekt konnte ebenso nach Hüftgelenksarthroskopien nachgewiesen werden. Ein Volumen von 10-20ml Bupivacain 0,25% hat sich hier als wirksam erwiesen.(53) Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die intraartikuläre Gabe von Lokalanästhetikum viel besser wirkt als die Opioidinfiltration.(26)

2.5.6 Intrapleurale Analgesie Bei der intrapleuralen Analgesie wird ein Katheter in den Pleuraspalt gelegt und über diesen ein Lokalanästhetikum verabreicht. Für diese Form der Analgesie konnte in mehreren Studien keine beziehungsweise nur eine geringe Schmerzreduktion nachgewiesen werden.(54, 55) Somit wird diese Technik auch in der aktuellen Leitlinie nicht empfohlen.(27)

38

2.6 Prozedurenspezifische Analgesie Die prozedurenspezifische Analgesie ist ein relativ neues Konzept und kommt meist bei großen Operationen zum Einsatz. Im englischsprachigen Raum wird von procedure specific postoperative pain management (= PROSPECT) gesprochen. Die Grundlage dieses Konzepts ist der Gedanke, dass verschiedene Analgesieverfahren bei bestimmten Operationen unterschiedlich gut wirken. PROSPECT unterliegt einer ständigen Weiterentwicklung durch internationale Expertengruppen. Auf der Internetseite www.postoppain.org können die Therapieempfehlungen abgerufen werden. PROSPECT findet auch in der aktuellen Leitlinie Einzug.(19) Die wichtigsten Punkte sind hier kurz zusammengefasst: 

Für Mund-Kiefer-Gesichts- und HNO-Eingriffe wird die Gabe eines Glucocorticoids empfohlen. Dadurch werden die vermindert.

Glucocorticoide

Weichteilschwellung sowie Schmerzen

können

auch

nach

Tonsillektomien

schmerzreduzierende Eigenschaften aufweisen. Für Erwachsene haben sich 8 oder 16 mg Dexamethason als empfehlenswert erwiesen. Metamizol und Paracetamol sind bei Oropharynx-Eingriffen den NSAR und der ASS vorzuziehen, da ihr Einfluss auf die Gerinnung und die Thrombozytenfunktion vernachlässigbar ist. 

Nach Schildrüsenoperationen gilt die lokale Wundinfiltration mit einem lang wirksamen Lokalanästhetikum als empfehlenswert.



Bei thoraxchirurgischen Eingriffen, die mit einer hohen Schmerzintensität verbunden sind, ist die thorakale PDA der Goldstandard. Die Leitlinie empfiehlt hier die kontinuierliche Gabe eines Lokalanästhetikums, welches eventuell noch mit einem

Opioid

kombiniert

werden

kann.

Wenn

von

einer

mittleren

Schmerzintensität auszugehen ist, ist die i.v. PCA eine gute Alternative zur Periduralanalgesie. 

Bei abdominellen Eingriffen bringt die quere Oberbauch- im Vergleich zur Längslaparotomie einige Vorteile mit sich. Die postoperativen Schmerzen sind reduziert und es kommt zu verminderten Nahtdehiszenzen, Hernien und pulmonalen Komplikationen.



Ein thorakaler PDK wird für große Unterbauch- und Oberbauchoperationen sowie bei

Zweihöhleneingriffen

empfohlen.

Initial

sollte

eine

kontinuierliche

39

Medikamentenapplikation erfolgen, welche dann ab dem ersten postoperativen Tag auf eine PCEA umgestellt wird. Weiters sollte noch ein Nicht-Opioid verabreicht werden. Auch hier ist die i.v. PCA die beste Alternative. 

Dexamethason wirkt bei laparoskopischen Cholezystektomien antiemetisch sowie analgetisch.



Es empfiehlt sich, penischirurgische Eingriffe in Allgemeinanästhesie mit regionalen Verfahren wie Kaudalanästhesie oder Peniswurzelblock zu kombinieren.



Bei Extremitäteneingriffen sind lokale bzw. regionale Verfahren der systemischen Analgesie vorzuziehen. Ist dies nicht möglich, ist eine Behandlung mit starken Opioiden in Kombination mit Nicht-Opioiden bereits perioperativ indiziert.



Sollten nach Eingriffen an Oberarm oder Schulter Schmerzen bestehen, kann eine interskalenäre Einmalgabe eines lang wirksamen Lokalanästhetikums gute Schmerzlinderung erzielen.



Nach Hüftgelenkseingriffen können NSAR dazu beitragen, dass periartikuläre Ossifikationen verhindert werden. Eine Metaanalyse zeigte eine 59%ige Reduktion von periartikulären Verkalkungen durch Verabreichung eines NSAR.



Schmerzen von Schenkelhals- oder Femurfrakturen sollten bereits präoperativ durch eine Blockade des Nervus Femoralis therapiert werden.



Nach arthroskopischen Kniegelenkseingriffen empfiehlt sich die Gabe eines lang wirksamen Lokalanästhetikums in eventueller Kombination mit einem Opioid.



PatientInnen nach Kreuzbandplastiken profitieren von der Anlage eines Femoraliskatheters oder eines PDKs. Die Spinalanästhesie stellt eine gute Alternative dar. Nach Knietotalendoprothesenoperationen wird in der Leitlinie die Anlage eines peripheren Doppelkatheters (Nervus femoralis und Nervus ischiadicus) empfohlen.(27)

Wie man hier erkennen kann, sind die Regime für die verschiedensten Eingriffe durchaus unterschiedlich und es lohnt sich für alle Beteiligten, wenn die Empfehlungen auch zur Anwendung kommen.

40

2.7 Akuter Schmerzdienst Organisatorische

Mängel führen

oft

zu einer unzureichenden

postoperativen

Schmerztherapie. 1988 beschreiben Ready et al bereits die Etablierung eines Acute Pain service (APS), eines sogenannten akuten Schmerzdienstes.(26) 1993 hatten bereits 53% der akademischen Lehrkrankenhäuser in Kanada einen solchen eingerichtet und in ca. 35% befand sich einer in Planung.(56) Eine im Jahr 2002 durchgeführte Umfrage in Deutschland stellte folgendes fest: 

63% der Krankenhäuser mit mehr als 1000 Betten,



40% der Krankenhäuser mit 400-999 Betten,



und 28% der Krankenhäuser mit weniger als 400 Betten

hatten einen Akutschmerzdienst etabliert.(57) Auch in der aktuellen Leitlinie zur Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen wird die Etablierung eines akuten Schmerzdienstes empfohlen.(27) Eine durch verminderte Schmerzen beschleunigte Rekonvaleszenz der PatientInnen bringt auch betriebswirtschaftliche Vorteile mit sich.(58, 59)

Die Aufgabe eines Akutschmerzdienstes ist es bestimmt nicht, alle frisch operierten PatientInnen persönlich zu betreuen. Die Schulung des ärztlichen und pflegerischen Personals bezüglich der postoperativen Schmerztherapie zählt hingegen zu einer der wichtigsten Aufgaben. Ebenso sollten PatientInnen mit speziellen Therapien, wie zum Beispiel einer i.v. PCA, vom akuten Schmerzdienst betreut werden. Im Schnitt benötigen 10-20% der PatientInnen eine differenzierte, spezielle Schmerztherapie. Kliniken die über einen

Akutschmerzdienst

verfügen,

führen

signifikant

häufiger

aufwändigere

Schmerztherapieverfahren (i.v. PCA, PCEA oder Plexuskatheter) durch.(57) Ebenso konnte durch die Einführung eines akuten Schmerzdienstes eine Verringerung der Komplikationen im postoperativen Schmerzmanagement nachgewiesen werden.(60, 61).

41

3 Material und Methoden Bei der vorliegenden Diplomarbeit wurde aktuelle und historisch relevante Literatur zum Thema perioperative Schmerztherapie aufgearbeitet. Es kamen sowohl gedruckte als auch diverse digitale Quellen in deutscher und englischer Sprache zum Einsatz. Hierzu zählen vor allem anästhesiologische Nachschlagewerke und Forschungsarbeiten, publizierte Studien und Inhalte aus der Datenbank „PubMed“.

Am Anfang dieser Arbeit stand eine umfassende Recherche und Auseinandersetzung mit dem Thema der perioperativen Schmerztherapie. Ich möchte mit dieser Arbeit vor allem einen guten Überblick über dieses doch sehr große und komplexe Thema bieten.

42

4 Diskussion Die Fortschritte in der Chirurgie, Anästhesie, bei Medikamenten und der Technologie machten es möglich, Morbidität und Mortalität nach Operationen deutlich zu reduzieren. Ein Teil dieses Erfolgs kann den Verbesserungen im Schmerzmanagement, vor sowie nach Eingriffen, zugeschrieben werden. Vor 30 Jahren revolutionierten einige Innovationen die postoperative Schmerztherapie. Tragbare PCA Geräte waren verfügbar und das generelle Konzept der PCA fand in den Krankenhäusern Einzug. Bald darauf bemerkte man, dass neuroaxial verabreichte Opioide eine exzellente und zielgerechte Analgesie bewirken können. Die benötigten Dosen waren relativ gering und damit ebenso die systemischen Nebenwirkungen. Außerdem konnten dadurch die motorischen Blockaden vermieden werden, die zwangsläufig auftraten, wenn man die für eine adäquate Schmerzlinderung benötigte monotherapeutische Dosis von Lokalanästhetika verabreichte. Trotz einer sehr guten Schmerzlinderung blieb noch ein gewisses Gefühl in den Beinen bestehen, wodurch die PatientInnen mobil waren und eine Remobilisation frühzeitig starten und zu einem besseren Outcome beitragen konnte. Man bemerkte schnell, dass ein gutes Schmerzmanagement ein wichtiger Bestandteil der perioperativen Versorgung war, entwickelte Leitlinien und setzte somit den Grundstein für eine evidenz-basierte Schmerztherapie. In weiterer Folge wurden die akuten Schmerzdienste und noch andere Verbesserungen eingeführt. Postoperativer Schmerz ist noch nicht vollständig besiegt und dieses komplexe Feld bietet noch sehr viel Raum für zusätzliche Forschung und Verbesserungen. Eine weitere wichtige Aufgabe der Ärzte wird sein, den PatientInnen die beste zur Verfügung stehende Therapie zukommen zu lassen, die sie benötigen und diese kann, wie man anhand des PROSPECT Konzepts sieht, sehr individuell sein.

43

Glossar und Abkürzungen ASS BWS CCT COX HWS i.m. intraop. i.v. i.v. PCA Jhdt. LWS NRS NSAIDs OP PACU PCA PCEA PDA PDK PONV postop. präop. RCT TEP tPDK VAS VRS ZNS

Azetylsalicylsäure Brustwirbelsäule kontrollierte klinische Studie Cyclooxygenase Halswirbelsäule intramuskulär intraoperativ intravenös intravenöse patientInnenkontrollierte Analgesie Jahrhundert Lendenwirbelsäule Numerische Ratingskala non-steroidal anti-inflammatory drugs Operation Intensiveinheiten (Postanaesthesia Care Unit) patientInnenkontrollierte Analgesie patientenkontrollierte Peri-/Periduralanästhesie Periduralanalgesie Periduralkatheter postoperative Übelkeit und Erbrechen postoperativ präoperativ randomisierte kontrollierte Studie Totalendoprothese thorakaler Periduralkatheter Visuelle Analogskala Verbale Ratingskala Zentrales Nervensystem

vii

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Das WHO Stufenschema ................................................................................8 Abbildung 2: Visuelle Analogskala Vorder- und Rückseite ................................................17 Abbildung 3: Elektronisches PCA Gerät ............................................................................24 Abbildung 4: Opioid Plasmakonzentrationen im Vergleich, PCA und 2- bis 4-stündige intravenöse und intramuskuläre Opioidgaben .................................................................27

vii i

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Opioidrezeptoren .............................................................................................12 Tabelle 2: Programmierungsbeispiel PCA-Gerät ...............................................................25 Tabelle 3: Operation und Punktionshöhe .........................................................................31

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