Passivhaus ein dreamteam. Und erst noch wirtschaftlich

11. Herbstseminar 2005 Gute Architektur und MINERGIE-P/Passivhaus – ein dreamteam. Und erst noch wirtschaftlich. Reto P. Miloni Dipl. Architekt ETH S...
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11. Herbstseminar 2005

Gute Architektur und MINERGIE-P/Passivhaus – ein dreamteam. Und erst noch wirtschaftlich. Reto P. Miloni Dipl. Architekt ETH SIA, Lichtplanung & Architektur CH 5212 Hausen

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Gute Architektur und MINERGIE-P/Passivhaus – ein dreamteam. Und erst noch wirtschaftlich 11. Herbstseminar 2005

Gute Architektur und MINERGIE-P/Passivhaus – ein dreamteam. Und erst noch wirtschaftlich. Je höher die Heizkosten fossiler Energieträger steigen, je heftiger die Diskussion um mehr Energieeffizienz und neue erneuerbare Energieträger verläuft, desto hell höriger wird unsere Gesellschaft in Bezug auf die Kosten von Raumwärme und Warmwasser in Gebäuden. Bei Passivhäusern oder MINERGIE-P-Bauten sinkt die Heizenergiekennzahl auf einen Siebtel der gemäss SIA 380/1 erforderlichen 110 kWh/m2 und Jahr bzw. ein Zwanzigstel des Verbrauchs im Schweizer Gebäudebestand! Also investiert man beim Passivhaus statt in überdimensionierte Heiztechnik mit Tanks, Kessel und Brenner in energieeffiziente Gebäudehüllen, schlankste Technik und schafft werthaltige Wohnqualität ohne Umweltbelastung. Nach übereinstimmender Einschätzung von Wissenschaftskreisen erfüllen Passivhaus und MINERGIE-P-Standard schon heute die Zielsetzungen der 2000-Watt-Gesellschaft für den Gebäudebereich. Dabei zelebriert die Idee des Passivhauses weder eine aufdringliche ökologische Gesinnung, noch machen kluge Synergien ein Passivhaus teurer. Auch schliesst die Passivhausbauweise bzw. eine konsequente energetische Optimierung von Gebäuden so genannt „gute Architektur“ nicht aus. Die damit verknüpften Fragestellungen bezüglich Gebäudevolumetrie, Lage, Orientierung, Konstruktion und Gebäudetektonik fordern den Architekten wie im Automobiloder Flugzeugbau geradezu auf, integrale Lösungen, schlaue Synergien und innovative Materialkombinationen zu entwickeln und dabei up-to-date-Technologien kreativ zu integrieren!

Mehr als ein Modetrend Die Passivhausbewegung hat in Europa schon erheblichen Impetus erreicht. Sie stellt mehr dar als einen Modetrend: Europaweit existieren über 6’000 Gebäude im Passivhausstandard. In der Schweiz waren im Oktober 2005 68 Gebäude als MINERGIE-P-Bauten oder Passivhäuser zertifiziert - davon 14 im Bau und 10 weitere Objekte in Bearbeitung. Der MINERGIEP-Standard wird von Kantonen und dem Verein MINERGIE in Analogie zum Europäischen Passivhausstandard aktiv mitgetragen. Dafür werden in manchen Gemeinden Ausnutzungsboni von 5 – 10 % sowie günstige Finanzierungen gewährt. Passivhaus-Interessengemeinschaften sind bereits aktiv in Deutschland, Österreich, Italien, Belgien, Holland, Norwegen, Schweden, Tschechien, Polen, USA sowie in der Schweiz. Im kommenden Jahr wird schon die 10. Passivhaustagung durchgeführt, an der weit über 500 Architekten, Fachplaner, Systemlieferanten, Bauherren und Behördenvertreter teilnehmen und sich über neue Produkte, innovative Systeme und die Erfahrungen bei Neubauten oder Sanierungen im Passivhausstandard informieren. Sowohl bei MINERGIE-P als auch bei Dr. Wolfgang Feist hat man ein Interesse daran, „Etikettenschwindeleien“ mit dem Label „MINERGIE-P“ oder „Passivhaus“ zu unterbinden. Bester Garant dafür bietet die Zertifizierung. Sie erfolgt hier zu Lande an der Fachhochschule Zentralschweiz, Hochschule für Technik+Architektur am Zentrum für interdisziplinäre Gebäudetechnik. Ob ein Kunde sein Gebäude nach MINERGIE-P oder dem international verbreiteten Passivhausstandard nach Dr. Feist zertifizieren lassen will, bleibt ihm überlassen. Punkto Ergebnis und Zielsetzung (Energiekennzahl Heizwärme und Warmwasser 15 kWh/m2a) sind die beiden Standards oder Lebales vergleichbar – die Berechnungsweisen unterscheiden sich

Reto P. Miloni

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in erster Linie bezüglich der Art der Berechnung der Energiebezugsfläche, welche in der Schweiz brutto (SIA 416 und 380-1), nach PHPP netto (DIN 276, 277, 18022) berechnet wird.

Idee, Anlagenkonzeption und Grundrissgestaltung Tragende Gedanken bei der Planung meiner Passivhäuser in Pratteln und Hausen waren: • die konsequente Ausrichtung zur Sonne, • die Erlebbarkeit eines Tagesrhythmus durch Licht aus allen Himmelsrichtungen, • der Wunsch, konventionelles „Heizungs-Mimikri“ mit Öltank, Kessel, Brenner, Steuerung mit hydraulischem Restwärmebereitstellungssystem wegzulassen und dafür eine kontrol lierte Wohnungslüftung mit Kleinstwärmepumpe zu installieren. • Auf Erdsonden, raumluftunabhängig betreibbare Event-Heizungen mit Holz-Pellets zu ver zichten und Erdreichwärmetauscher als „Frischluftvorerwärmung“ vorzuschalten. • Als „Worst-case-Heizung“ ein Gas-Rechaud in der Küche mit Propangas einzubauen! • An geeigneten Fassaden- und Dachflächen fürher oder später PV-Module zu installieren. Nun macht eine nicht-fossil basierte gebäudetechnische Ausrüstung noch so wenig ein Passivhaus aus wie eine Schwalbe einen Sommer. Damit die auf das Nötigste „verschlankte“ Haustechnik eines Passivhauses funktionieren kann, ist das Layout des Gebäudes und dessen Nutzungscharakteristik zu „solarisieren“ und seine Raumabschlüsse und umhüllenden Gebäudeteile zu optimieren. In alten Kulturen z.B. in Delphi, Olinth oder Priene drehten die griechischen Megaronhäuser der Sonne das Gesicht, den kalten Winterwinden den Rücken zu. Im alten Rom war der „heliocaminus“, der Weg der Sonne, gewissermassen ein Recht, der den Weg der Sonne in das Gebäudeinnere sicherte.

Abbildung 1: Südwestansicht des Passivhauses Schmoelzer in Pratteln

Ich versuche durch Gebäudeausrichtung, Nutzungsgestaltung, Raumschichtung und Fensteröffnungsdispositiv stets sichtbar zu machen, dass meine Häuser „wissen“, wo Süden ist: • Die Aufenthaltsräume mit grosszügig verglasten Fenstern sind nach Süden gerichtet. • Küche bzw. Frühstücksbalkone gehen nach Osten, weil viel warmes Morgenlicht für das menschliche Wahrnehmungssystem die gleiche Wirkung hat wie Frühstückskaffee: es stärkt den sympathischen Teil unseres Nervensystems, erhöht Blutdruck und Herzschlagfrequenz und steigert die Konzentration.

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• In einer mittleren Raumschicht sind Korridore bzw. Treppen, welche erschliessungsmässig wie lüftungstechnisch die eigentlichen Installationsbereiche (Überströmbereiche) darstellen. • Im Norden sind Neben- oder Allgemeinräume situiert, die nur während geringer Aufenthaltszeit benutzt werden oder wo der Charakter des gleichmässigen Nordlichts erwünscht ist.

Wie viele Fenster braucht ein Haus? Neben der energetischen Optimierung von Gebäuden und der Frage nach der Verringerung des um den Faktor 2.2 zu grossen „ökologischen Fussabdrucks“ der Schweiz interessiert mich das Thema „Transparenz“ generell. Denn Architektur und Gesellschaft verlangen nach Transparenz im wörtlichen und im übertragenen Sinne: die zunehmende Verwendung des Baustoffes Glas verdrängt klassische „murale “ Gebäudehüllen, weil immer mehr Menschen sich immer länger im Inneren von Gebäuden aufhalten und von dort den Kontakt zu Natur, Himmel, Horizont und Umfeld nicht missen wollen: zu Beginn des 19 Jahrhunderts arbeiteten 90 % der Beschäftigten im primären Sektor als Bauer, Förster, Kutscher, Fischer oder Schweizer Söldner etc. unter freiem Himmel und erhielten dort genügend Tageslicht. Heute sind weniger als 6 % der beschäftigten im ersten Sektor beschäftigt, und befinden sich zu etwa 90 % ihrer Lebenszeit In-house: Nicht nur beim Wohnen und Arbeiten, sondern zunehmend auch auf dem Weg dahin, in der Freizeit und beim Einkaufen und Vergnügen. Transparenz in Gebäudehüllen ist für offene Gesellschaften sowie moderne Unternehmenskommunikation unersetzlich wie auch für eine erhöhte Sicherheit auf Umsteigeplattformen des öffentlichen Verkehrs etc. Physikalisch gesehen akzentuiert ein Zuviel an Transparenz bereits bei Normalbauweise energetische Probleme: Unter der Voraussetzung, dass Wärmeschutzgläser bei einem Passivhaus um Faktor 5 schlechter dämmen als opake Wände, wird hohe Transparenz im Winter fraglich, wenn viel Glas bei geringen Strahlungseinträgen in kalten Wintermonaten die Energiebilanzen zusätzlich und verschlechtert. Im Sommer dagegen treibt der „ThermosflaschenEffekt“ an Glasbauten deren unerwünschten Strahlungsgewinn nach oben – „lichtdurchflutet“ wird zum Synonym für „hitzedurchwabert“. Wir stehen vor der Herausforderung, wärmetechnisch optimierte Gebäudehüllen nicht zu fensterarmen „Energiesparhöhlen“ verkommen zu lassen und transparente Ikonen nicht mit Kältemaschinen in den Komfortbereich bringen zu müssen. Es sind also „Sowohl-als-auchLösungen“ unter dem Titeln von Ökologie, Ökonomie, Energieeffizienz und Komfort gefragt. Darum führe ich an meinen Objekten im Vorprojektstadium teilweise umfangreiche Tageslichtsimulationen und Modellversuche durch.

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Abbildung 2: Tageslichtsimulation

Aussenhaut und Konstruktion Konstruktiv gilt für Passivhäuser: „anything goes“. Bewusst wählte ich in Pratteln eine vorfabrizierte Blockrahmenbauweise mit massiven Holzdecken (200 mm vollmassive 7Schichtplatten), die an einer betonierten Treppenhauskonstruktion Festigkeit und Brandsicherheit findet. Es ist mit einer hinterlüfteten Aussenhaut aus rezykliertem Aluminum verkleidet. Die Dämmstärken betrugen bei Wänden 300 bei Dächern bis zu 550 mm (Steinwollplatten). In Hausen wurden im Gegensatz dazu konventionelle Backsteinwände und Eisenbetondecken errichtet. Die Dämmung erfolgt mit äusserer Kompaktwärmedämmung ebenfalls aus Steinwolle (Dämmstärken 200 mm auf Wänden, 460 mm auf dem Dach).

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Abbildung 3: Längsschnitt des Passivhauses Schmoelzer mit Schlüsselkomponenten

Eigene PV-Stromproduktion in Dach und Fassade Am Haus Schmoelzer wurden drei Solarmodultypen mit 3.1 kWp Leistungen eingesetzt: • Auf dem Dach serienmässige PV-Module auf Kunststoffwannen aufgeständert • An der Süd-Dachreling Glas-Glas-Module in Giessharztechnik fix vertikal eingebaut • Vor dem Südfenster verfahrbare Glas-Glas-Module in Giessharztechnik.

Bereich

Dach

Dachreling

Schiebeladen

Azimut







Neigung

20°

93°

90°

Unterkonstruktion

Kunststoffwanne

Geländer Edelstahl

Alurahmen

Anzahl Module

16 Stück

5 Stück

2 Stück

Modulleistung

85 Wp

148 Wp

511 Wp

Zellentyp

BP

Ersol 6 blau

Ersol 6 blau

Zellengrösse

125/125 mm

125/125 mm

125/125 mm

Modulmasse

540/121 mm

1’852/770 mm

2’171/2'171 mm

Zellenabstand im String

10 mm

10 mm

10 mm

5/2/5 mm

8/2/8 mm

Modulaufbau Gesamte Modulfläche

10.5 m2

7.1 m2

9.4 m2

Systemlieferant

BP/Holinger Solar

Saint Gobain/Colt

Saint Gobain/Colt

Modulleistung total

1.36 kWp

0.74 kWp

1.02 kWp

Tabelle 1: Modulkonfiguration

Reto P. Miloni

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Die Wechselrichter wurden samt Zähler im Haupttableau an leicht zugänglicher Stelle im Untergeschoss zusammen mit der Storensteuerung untergebracht. Ein saldierender Zähler für die Ablesung wurde an geschützter Stelle in einer Aussenmauer bei der Zufahrt installiert. Die Module am Dachrand sind an Edelstahlpfosten der Dachreling befestigt, der durch die obere Reling stabilisiert wird. Die Konstruktions- und Montagekosten sind bescheiden. Die Konstruktion der beiden Solarschiebeladen ist - im Gegensatz zur Dachaufständerung und der PV-Dachreling - komplex: die Module selber sind an eine eigene, stabiliserende Rahmenkonstruktion geklebt, die an einer oberen und unteren Laufschiene hängen, welche ihrerseits über verchromte Edelstahlkonsolen an der dahinter liegenden Holzkonstruktion der Aussenwände befestigt ist. Es versteht sich von selbst, dass diese Konstruktion durch die damit verbundenen Durchdringungen der hinterlüfteten Aussenhaut aus rezykliertem Aluminium, durch die abzuleitenden Lasten und die dynamisch auftretenden Kräfte beim Öffnen und Schliessen des Ladens komplex und kostspielig ist.

Abbildung 3: Plan Südfassade mit PV-Komponenten

Datum 31/12/03 13/09/04 19/11/04 08/12/04 11/01/05 16/03/05 31/10/05 Pro Jahr

Dach kWh 1057 2136 2295 2317 2354 2506 3586 1291

Fassade kWh 19 285 340 349 368 436 1169 829

Produktion kWh 1076 2421 2634 2666 2722 2942 4755 2120

Hochtarif kWh 198.5 2368 2902 3279 4036 5290 5101 2199

Niedertarif kWh 322.1 4466 5395 5906 6961 8864 9706 4311

Verbrauch kWh 520.6 6834 8297 9185 10997 14154 14807 6510

Zukauf kWh -555 4413 5663 6519 8275 11212 10052 4390

Solar % 207 % 35 % 32 % 29 % 25 % 21% 32 % 33 %

Tabelle 2: Gemessene Energieeinspeisung bzw. Energieverbrauch gemäss Zähler am Tableau Reto P. Miloni

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Im Passivhaus Schmoelzer betrug der gesamte Netto-Endenergieverbrauch in Form von Elektrizität einschliesslich Beleuchtung, Kochen, EDV etc. im vergangenen Jahr 6'510 kWh oder 19.7 kWh/m2/a Energiebezugsfläche. Nimmt man die selbst erzeugten 2'120 kWh der eigenen PV-Anlage dazu, waren es 8'630 kWh pro Jahr oder 26.0 kWh/m2/a. Gemäss Passivhausberechnung wurde mit einem Energiekennwert Heizwärme und Warmwasser von 14.2 kWh/m2a und zusätzlichem Hilfsstrom für Kochen, Beleuchtung Waschen, Trocknen, Gefrieren, EDV von 23.0 kWh/m2a W/m2/a oder 7’681 kWh/a im Haus Schmoelzer gerechnet. Der gesamte Stromverbrauch von weniger als 7'000 kWh/a oder 19.7 kWh/m2/a liegt per saldo fast 50 % unter dem Planwert von 37.2 kWh/m2a. Die Kombination von Passivhaus mit kontrollierter Wohnungslüftung, integrierter Kleinstwärmepumpe, Solarkollektor und PVAnlage ist bezogen auf den Endenergieverbrauch überzeugend: sie erfüllt bereits heute die Ziele der 2'000 Watt-Gesellschaft, welche Bund und Kantone erreichen wollen! Die Fassadenanlage erzielte wegen Mängeln erst im Sommer 2005 die geforderte Leistung. Mit einem Jahresertrag von 950 kWh/kWp erzielte die ideal geneigte Dachanlage ziemlich genau den doppelten spezifischen Ertrag gegenüber der Fassadenanlage. Dieses Verhältnis wird sich allerdings bei nunmehr korrekt angeschlossener Fassadenanlage normalisieren. Die tatsächlich verrechnete Energie gemäss Ablesung des Elektrizitätswerkes EBL liegt im Zeitraum von der Erstmessung am 7.8.2003 bis zum 21.7.2005 – also praktisch 3 Jahren – per saldo bei bloss 4’855 kWh/a. Erfreulich dabei: Einerseits fallen 2/3 des Energieverbrauchs (64 %) in den Niedertarifstunden an. Sie sind für den Endkunden damit kostengünstig (Sommer: 0.074 CHF/kWh, Winter: 0.111 CHF/kWh) und erlauben dem Elektrizitätswerke die Lieferung kostengünstiger und in der Schweiz im Überfluss vorhandener Bandenergie. Andererseits begann dank der erfolgten Korrekturen am Solarschiebeladen im Frühjahr 2005 der Stromzähler im Hochtarifbereich erstmals rückwärts zu laufen: tatsächlich standen am 21.7.2005 im Hochtarif 91 kWh weniger auf dem Zähler als am 16.3.2005. Damit ist der Beweis erbracht, dass PV-Integrationen an Gebäuden tatsächlich eine netzentlastende Funktion zukommt. Der durch sie erzeugte Strom fällt synchron zu Spitzenauslastungszeiten im Netz an. Jedes Elektrizitätswerk müsste sich die Finger lecken angesichts der Tatsache, dass PV-Anlagen für dezentrale und erst noch rentable Netzentlastung sorgen!

Hygienische Frischluft und wohlige Wärme Wo kontinuierliche Lufterneuerung fehlt, sinkt die Luftqualität - Schimmelbildung ist bei dichten Fenstern genauso wenig auszuschliessen, wie ungesunde Schadstoffkonzentration bei höheren Personenzahlen. Öffnet man zu Lüftungszwecken die Fenster, entweicht mit der verbrauchten Luft auch Wärme. Darum ist eine Komfortlüftung mit Wärmerückgewinnung bei Neubauten und energieeffizienter Modernisierung unverzichtbar. Das Passivhaus löst dieses „Frischluft-Schadstoff-Dilemma“ geschickt: gleichzeitig mit der Zuluft transportiert die Komfortlüftung die nötige Restwärme: maximal 10 W/m2 werden mit der Frischluft diskret eingeblasen - das Äquivalent einer Rechaudkerze pro 3 m2 Energiebezugsfläche. Dank Wärmerückgewinnung und topp-gedämmter und gedichteter Gebäudehülle bleibt beim Passivhaus der Heizleistungsbedarf minimal und das Wärmebereitstellungssystem dank "Heizen mit der Lüftungsanlage" simpel: Sonnenenergie, Erdwärme und interne Wärmegewinne von Personen und Geräten werden zurück gewonnen wie auch Energie vom Duschen und Kochen. Meine Passivhäuser benötigen fast keine Heizenergie – weniger als für die Warmwasseraufbereitung. Mit Solarkollektoren sinkt auch noch dieser Wärmebedarf. Reto P. Miloni

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Die Zuluft wird mit der Lufterwärmung und Warmwasserbereitung in einem Kompaktgerät erwärmt, welches kaum grösser ist als ein Besenschrank: Heizen, Lüften, Warmwasserbereitung und Warmwasserspeicherung in einem Kompaktaggregat spart Platz, Kosten und schafft klare Verantwortlichkeiten. Als Wärmeerzeugungsarten bieten sich elektrische Kleinstwärmepumpen, Gasbrennwert-Kompaktgeräte oder Pelletheizungen an. Lüftungskompaktgeräte mit Wärmerückgewinnungsgraden zwischen 74 und 95 % sind hocheffizient, ge räuscharm von vielen Anbietern erhältlich und überdies geschosswohnungstauglich. Besonders gut schneiden kombinierte Lösungen in Verbindung mit Solarkollektoren ab. Der thermische Komfort im Winter bereitete in Pratteln anfänglich Sorgen, in Hausen – zwei Jahre später – überhaupt keine mehr: es überlagerten sich Einstellungs- und Inbetriebsetzungsprobleme der Haustechnik mit Qualitätsmängeln der Gebäudehülle und mit konzeptionellen Nachteilen, die ein volumetrisch suboptimales Gebäude (Vor- und Rücksprünge eines dreigeschossigen Baus, Parzelle mit schmaler Südfront und erheblicher Beschattung von Osten und Westen) mit grossen Fensterflächen im Atelier hat. Während die Temperaturen in der Anlage Nord mit durchschnittlich 19.9° die 20°-Grenze gerade knapp erreichten (vor Nachjustieren undicht gewordener Fenster) lagen die Temperaturen in der Anlage Süd um 0.7° höher auf durchschnittlich 20.6°. 20° minimale Raumtemperatur sind in allen Räumen auch bei winterlichen Stürmen garantiert. Die höchsten Raumtemperaturen verzeichneten Wohn- und Schlafzimmer. In kritischen Aussenecken kann die Temperatur nach Abtauzyklusstörungen des Lüftungsgerätes auf 18.3° absinken. Wegen einer im ersten Winter undichten Haustüre waren im Eingang Minimaltemperaturen von 18.7° zu verzeichnen. Die Mitteltemperatur im Zuluftschacht am Anfang des Kanals gemessen auf 2.50 m Tiefe war rund 3° höher als die Aussentemperatur. Bis zum Frischlufteinlass des Gerätes erhöhte sich die Aussenlufttemperatur in Folge der Aufwärmung im Wärmetauscher um rund 2°. Der Erdreichwärmetauscher sorgt für Dämpfung der Temperaturamplituden und reduziert das Vereisungsrisiko, eine Frostschutzheizung unnötig macht und für eine hohe Jahresarbeitszahl sorgt. Die Amplitudendämpfung wirkt naturgemäss auch auf die andere Seite: An einem sonnig-warmen Wintertag heizt sich das Erdreich nicht sofort auf. Über den Erdreichwärmetauscher kühlt sich angesaugte Luft vor Eintritt in das Gerät gegenüber der „milden“ Aussentemperatur ab - Hier wäre eine By-Pass-Klappe wünschenswert. Temperatur

Archiv

Entre

Büro

Atelier

Wohnen

Gäste

Schlafen

Laden

Aussen

Schacht

Mittel

19.9

19.6

20.8

19.9

20.7

20.5

21.3

5.9

5.1

3.2

Min.

19.4

18.7

19.8

18.3

19.0

19.0

19.4

-7.9

-7.9

-4.3

21.0 22.9 20.6 ° 19.9°

21.7

24.8

22.9

28.3

34.4

29.9

10.2

Max. 20.2 Durchschnitt Süd: Durchschnitt Nord:

Tabelle 3: Gemessene Temperaturen in der kältesten Jahreszeit (28.1.2004 bis 27.2.2004)

Reto P. Miloni

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Am Ende des ersten Winters wurden in die Zuluftkanäle der beiden Lüftungsanlagen PTCElemente (elektrische Direktnachheizregister) mit 800 W elektrischer Anschlussleistung eingebaut, welche die Komfortschwelle im „Pannenfall“ anlagengesteuert anheben. Dass trotz dieser energetisch „unschönen“ Nachinstallation der Energieverbrauch des gesamten Hauses weit unter dem Auslegungswert liegt, beweist, dass elektrische Direktheizungen legitime „Trimmklappen“ für eine marginale Korrektur des winterlichen Komforts darstellen. Diese bringen den Energieverbrauch eines ansonsten korrekt ausgelegten Passivhauses keinesfalls zum Absturz. Ressourcenökologisch wäre es trotzdem eleganter, „Worst case“Heizungen z.B. mit einem raumluftunabhängig betreibbaren Pelletofen zu befeuern.

35 30 25 20 15 Archiv

10

Eingang Büro Atelier

5

Wohnen Gäste

0 02/27/04 10

02/26/04 11

02/25/04 12

02/24/04 13

02/23/04 14

02/22/04 15

02/21/04 16

02/20/04 17

02/19/04 18

02/18/04 19

02/17/04 20

02/16/04 21

02/15/04 22

02/14/04 23

02/14/04 00

02/13/04 01

02/12/04 02

02/11/04 03

02/10/04 04

02/09/04 05

02/08/04 06

02/07/04 07

02/06/04 08

02/05/04 09

02/04/04 10

02/03/04 11

02/02/04 12

02/01/04 13

01/31/04 14

01/30/04 15

01/29/04 16

-10

01/28/04 17

-5

Schlafen Schiebeladen Untersicht Zuluftschacht

Datum/Zeit -15

Tabelle 4: Raumtemperaturen liegen selbst bei Frost und Pannen um 20° (28.1. bis 27.2.2004

Sparpotenzial und sonnige Zukunftsaussichten Unter Berücksichtigung der Betriebs- und Abschreibungskosten werden die investiven Mehrkosten eines Passivhauses innert weniger Jahre durch Minderaufwendungen im Betrieb für Unterhalt und Energie sowie durch Wertgewinne wettgemacht (siehe Kasten). Gemäss einer Studie der Zürcher Kantonalbank haben MINERGIE-Gebäude nach 30 Jahren neun Prozent mehr Wert als konventionelle Bauten. Passivhäuser, die energetisch noch drei Mal besser abschneiden als Standard-MINERGIE-Bauten, sind also a priori interessante Kapitalanlagen. Eingesparte Kilowattstunden und sinkender Unterhaltsaufwand in einem Passivhaus machen sich zusätzlich auf dem Konto bemerkbar. Auch sind heute zinsvergünstigte Hypothekarkredite erhältlich, welche diverse Banken für nachhaltiges Bauen anbieten. Passiv- oder MINERGIE-P-Häuser haben dauerhaften Wert, weil sorgfältigere Planung sowie ein geprüfter Qualitätsstandard von Gebäudehülle und Technik (Blower-Door-Test, Zertifikat), Topp-Bauqualität, hochwertiger Wärmeschutz, Dichtigkeit, Schallschutz eine hohe Gebrauchstauglichkeit garantieren.

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Wissenschaftliche Messungen des Passivhausinstitutes sowie internationaler Begleitforschungen beweisen, dass Mieterwechsel in und Verkäufe von Passivhäusern selten sind. Nutzer freuen sich an niedrigen Unterhalts- und Betriebskosten bei hohem Komfort und Werthaltigkeit des Passivhauses. So kann ein vermiedener Mieterwechsel bei Quadratmeterpreisen von 1'470 Euro/m2 in Passivhausbauweise einen Bauträger mehr Geld sparen als die 700 Euro Mehrausgaben für eine 100 m2-Wohnung in Passivhausbauweise!

Das ist auch der Grund, warum institutionelle Anleger und Wohnbaugenossenschaften bei Mehrfamilienhausbauten in den Passivhausbau investieren. Ob Einzel- oder Reihenhaus, ob Schule oder Turnhalle, ob Gewerbehaus oder Verwaltungstrakt, ob Neubau oder sanierte Wohnanlage aus den 50-er Jahren, ob Berghütte oder Einkaufszentrum: Passivhäuser funktionieren bei richtiger Planung überall. Eine ziemliche Herausforderung stellt allerdings noch das riesige Sanierungspotenzial an bestehenden Gebäuden dar: 80 % der Häuser sind über 20 Jahre alt und verantwortlich für 94 % der Schweizer Heiz-Emissionen.

Beispiel für ein Doppeleinfamlienhaus Land und Rechte Vorbereitung und Abbruch Gebäude incl. Honorare 1) Umgebung Baunebenkosten Ausstattung Total Mehrinvestition gegenüber Normalhaus Einsparung Energiekosten 2) Einsparung Unterhaltskosten 3) Wertgewinn 4) Mehrabschreibungskosten 5) Kapitalkosten 6) Total Return on Investment

Normalhaus 400’000 50’000 800’000 60’000 30’000 10’000 1'350’000

Passivhaus 400’000 50’000 900’000 60’000 30’000 10’000 1'450’000 100’000 - 2’773 pro Jahr - 14'500 pro Jahr - 4'350 pro Jahr + 3'320 pro Jahr + 1'121 pro Jahr - 17'182 pro Jahr 5.8 Jahre

Tabelle 5: Mehrkosten in 6 Jahren voll amortisiert 1) 2) 3) 4) 5) 6)

Mehrkosten CHF 100'000 für Passivhausfenster, kontrollierte Lüftung und Dämmung Energiekosten auf der Basis von 8.5 Rp/kWh Unterhaltskosten halbiert auf 1 % (kein Schimmelpilz, kein Kaminfeger etc.) Gemäss ZKB: 9 % Mehrwert bei MINERGIE in 30 Jahren (0.3 % pro Jahr) Abschreibungszeitraum 30 Jahre Im Aargau bei MINERGIE-Haus für erste CHF 200'000 auf 6 Jahre fix 1.125 %

Reto P. Miloni

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