Partizipative Forschung mit alten Menschen – (Wie) kann das gehen? Prof. Dr. Hella von Unger Institut für Soziologie LMU München Email:
[email protected] „Sorgekultur im Alter“ 8. Internationales IFF-ÖRK Symposium 26. & 27.9.2014, Köln
Übersicht
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Vorbemerkung
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Was ist partizipative Forschung?
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Stufenmodell der Partizipation
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Akteure und Umsetzungsmöglichkeiten: Wer partizipiert woran?
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Stärken und Herausforderungen
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Fragen für die Diskussion
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Was ist partizipative Forschung? „Partizipative Forschungsmethoden sind auf die Planung und Durchführung eines Untersuchungsprozesses gemeinsam mit jenen Menschen gerichtet, deren soziale Welt und sinnhaftes Handeln als lebensweltlich situierte Lebens- und Arbeitspraxis untersucht wird. In der Konsequenz bedeutet dies, dass sich Erkenntnisinteresse und Forschungsfragen aus der Konvergenz zweier Perspektiven, d.h. vonseiten der Wissenschaft und der Praxis, entwickeln. Der Forschungsprozess wird im besten Falle zum Gewinn für beide Seiten.“ (Bergold & Thomas 2012) 4
Vielfalt der Ansätze
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Action Research, Participatory Action Research (PAR)
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Aktionsforschung, Handlungsforschung
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Praxisforschung
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Empowerment Evaluation
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Partizipative Qualitätsentwicklung
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[…]
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Community-basierte partizipative Forschung (CBPR)
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„labels for participatory action oriented methods continue to multiply“ (Dick 2011)
Merkmale Partizipativer Forschung (PF) •
Beteiligung von Co-Forscher/innen
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Lernprozesse, Kompetenzentwicklung, Empowerment
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Doppelte Zielsetzung: Verstehen und Verändern
(von Unger 2014)
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Definition: Partizipation “(…) die individuelle oder auch kollektive Teilhabe an Entscheidungen, die die eigene Lebensgestaltung und die eigene soziale, ökonomische und politische Situation und damit immer auch die eigene Gesundheit betreffen.” (Rosenbrock, Hartung 2012: 9)
Partizipation in der Gesundheitsförderung und Prävention: Beteiligung der Zielgruppen, d.h. Teilnahme und Teilhabe der Zielgruppen, an Definitions- und Entscheidungsprozessen. (Wright, von Unger, Block 2010)
Folie 7
Partizipation in der Forschung
Partizipation bedeutet Beteiligung von Stakeholdern (d.h. Beteiligten und Betroffenen) mit Entscheidungsmacht an allen Phasen des Forschungsprozesses - von Zielsetzung über Datenerhebung bis Auswertung, Verbreitung und Nutzung
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Wie viel Partizipation ist möglich? “Partizipation ist je nach Praxisbedingungen im Projekt und den Lebensbedingungen der Zielgruppe unterschiedlich realisierbar. Die Aufgabe besteht darin, die jeweils den Bedingungen entsprechende Stufe der Partizipation zu finden.” (Mossakowski, Süß, Trojan 2009)
Folie 9
Stufenmodell der Partizipation
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(Wright, von Unger, Block 2010)
Beteiligung der Akteure – nach Projektkomponenten und Beteiligungstiefe
Vereinfachte Stufenskala: 3 Information
4 Anhörung
5 Einbeziehung
6-8 Mitbestimmung (von Unger 2012 FQS)
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Partizipation im Forschungsprozess
1. Partner finden
Wer sind die Stakeholder? Wie kann eine Zusammenarbeit gestaltet werden? Welche Ressourcen sind vorhanden & werden benötigt - Projektantrag?
2. Ziele setzen
Welches Wissen wird benötigt (Erkenntnisziele) um welche Veränderungen zu bewirken (Handlungsziele)?
3. Studiendesign
Forschungsfragen/Hypothesen, Methodik, Ethik, Zeitplan, Community Outreach, Training/Schulung
4. Intervention, Daten erheben
Verfahren, Arbeitsteilung, Reflexion
5. Auswertung
Prozess-Nutzen (inkl. Kompetenz-Entwicklung) 12
6. Publikation & Nutzung
Input und Outcomes Vorschläge, Empfehlungen
Verbesserte Versorgung
Politik
Praxis Vernetzung und Zusammenarbeit
Politische Ziele realisieren
PF Methodische Innovationen
Wissenschaft Erkenntnisse
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KompetenzEntwicklung
Community CommunityBuilding
Vorzüge partizipativer Forschung •
Forschungsfragen greifen reale Anliegen der Stakeholder und Communities auf
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Forschungsethische Vorteile: Beteiligte stärken und Schaden vermeiden durch Mitsprache und Kompetenzentwicklung
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Qualität der Forschung: Verbesserte Erhebungsinstrumente, Rekrutierung & Verbleibquoten, Kontext-/kultursensible Interpretation
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Ergebnisse mit praktischem Nutzen und Relevanz über das Wissenschaftssystem hinaus
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PF eröffnet neue Formen der Wissensproduktion, befördert die gesellschaftliche Teilhabe von bislang benachteiligten Gruppen und erweitert Handlungsspielräume
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Grenzen und Herausforderungen
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Partizipative Forschung ist aufwendig und voraussetzungsvoll
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PF nicht für alle Fragen, Settings und Akteure gleich gut geeignet
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Ungleiche Voraussetzungen für Partizipation
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Machtverteilung, Rollen- und Interessenskonflikte
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Flexibilität in der Zielsetzung?
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Methodische Einschränkungen und methodologische Debatten: Die akademische Wissenschaft tut sich schwer (in Deutschland)
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Widerstände und Trägheitsmomente sozialer Strukturen – wie viel Veränderung ist tatsächlich möglich?
Diskussion •
PF in der Versorgung alter Menschen: Wer kann partizipieren – und woran?
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Welchen Nutzen haben die Beteiligten?
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Wie kann Partizipation ermöglicht werden?
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Inwiefern ist PF mit einer „Sorgekultur“ vereinbar?
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Können schwer kranke und sterbende Menschen beteiligt werden?
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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Literatur Bergold, J. & Thomas, S. (2012). Partizipative Forschungsmethoden: Ein methodischer Ansatz in Bewegung. Forum Qualitative Sozialforschung, 13 (1), Art. 30; www.qualitative-research.net Dick, B. (2011). Action research literature 2008-2010: Themes and trends. Action Research, 9 (2), 122-143. Mossakowski, K, Süß, W. & Trojan, A. (2009) Partizipative Ansätze in der gemeindenahen Gesundheitsförderung. Prävention und Gesundheitsförderung, 4, 184-194. Rosenbrock, R. & Hartung, S. (2012). Gesundheit und Partizipation. Einführung und Problemaufriss. In: Rosenbrock, R. & Hartung, S. (Hg.), Partizipation und Gesundheit (S. 8-26). Bern: Huber. von Unger, H. (2014). Partizipative Forschung: Einführung in die Forschungspraxis. Springer VS. von Unger, H. (2012). Partizipative Gesundheitsforschung. Wer partizipiert woran? [79 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung, 13(1), Art. 7, URN: http://nbnresolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs120176 von Unger, H. & Narimani, P. (2012). Ethische Reflexivität im Forschungsprozess: Herausforderungen in der Partizipativen Forschung. WZB-Discussion Paper SP I 2012-304; verfügbar über: http://bibliothek.wzb.eu/pdf/2012/i12-304.pdf Wright, M.T., von Unger, H., Block, M. (2010). Partizipation der Zielgruppe in der Gesundheitsförderung und Prävention. In: Wright, M.T. (Hg.) Partizipative Qualitätsentwicklung in der Gesundheitsförderung und Prävention (S. 35-52). Bern: Huber.
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