Hospiz- und Palliativversorgung im Wandel … und wo stehen wir in Niedersachsen? 23.11.2015 Friederikenstift , Hannover Dr. phil. Peter Lux

Palliativversorgung im Krankenhaus - Einen Moment mal Luft holen, bitte!Fast „atemlos“ wird man, wegen der erfreulichen, rasanten Entwicklung im Umgang mit ... und in der Finanzierung von palliativen Situationen und Erfordernissen. Da wäre es leicht, in den Kanon der Begeisterung „mehr, größer, länger, universeller“ einzustimmen. Somit rechne ich schon mal vorweg mit „Schelte“ für meine - eher kritische aber nicht undankbare, - bewahrende aber nicht rückwärtsgerichtete, - konzentrierende aber nicht ausgrenzende Sicht auf die Chancen und Herausforderungen in der Behandlung, Begleitung und Betreuung schwerstkranker, unheilbar kranker Menschen im Krankenhaus. Dies schicke ich vorweg, weil ich weiß, dass ich gerne missverstanden werde bzw. missverstanden werden möchte. In keinem Punkt geht es mir um die Diskreditierung des Engagements irgendeiner Berufsgruppe oder Personen für schwerstkranke Menschen. Mir geht es um die Frage, ob das alles aus der Gesinnung und dem Topf des Palliativen kommen muss. Wenn auch plakativ formuliert – möchte ich in aller Kürze auf m.E. mögliche Stolpersteine, Hindernisse und eventuelle Fehlentwicklungen in der Ausweitung der Palliativversorgung insbesondere im Krankenhaus hinweisen, die ich dort als Herausforderung im Sinne einer Konzentrierung auf das aus meiner Sicht ursprünglich Gewollte und Gedachte sehe. Auch ich wäre froh, wenn noch mehr PatientInnen die Möglichkeiten einer individuellen, umsorgten Betreuung im Krankenhaus in Anspruch nehmen könnten, aber bitte nicht zu Lasten derer, für deren ummantelte Begleitung ihrer letzten Lebensphase endlich eine eigene Lobby und ein eigener Topf zur Verfügung stand und hoffentlich weiter steht.

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Was tun wir, - damit die zur Verfügung gestellten Mittel für die Palliativversorgung nachweislich dort ankommen, wo sie hingehören und hier meine ich einerseits, dass explizite Nachweise für die Verwendung der Mittel erbracht werden müssen, aber auch, dass die Kriterien für Palliativversorgung eindeutiger und weniger in die Beliebigkeit oder Definitionshoheit einzelner Leistungserbringer gehören; denn ... „ein bißchen palliativ scheinen wir ja wohl alle zu sein!?“ Da Mittel in anderen Bereichen/Disziplinen offensichtlich zu fehlen scheinen, bedient man sich des sich derzeit füllenden Topfes des Palliativen durch Umdefinieren, Einbeziehen und Ausweiten, was bei knappen Mitteln vielleicht verständlich und nachvollziehbar aber m. E. der ursprünglichen Idee abträglich ist. Ein inflationärer Umgang mit dem Begriff und Inhalt „palliativ“ und ein ebensolches Verteilen der dafür vorgesehen Mittel entwertet das ursprüngliche Anliegen und den dort benötigten Bedarf.

Was tun wir also - damit nicht alle Akteure eines Krankenhauses von einem Kuchen naschen, der für eine bestimmte, einmal klar umrissene Patientengruppe gebacken wurde? - damit der palliative Patient nicht vom bemitleidenswerten Erdulder zum lukrativen Fall mit einer finanziell motivierten Liegedauer wird; denn es ist schon erstaunlich, wie schnell sich Behandlungsschemata an Entgeltsprüngen orientieren können!

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Was tun wir, - damit Personalempfehlungen verbindliche Qualitätskriterien werden und nicht beliebigen betriebswirtschaftlichen Berechnungsformeln zum Opfer fallen; denn Nähe, Trösten, Dabei-Bleiben, Gemeinsam-Aushalten, GewährenLassen, Mitfühlen, Begleiten, Trauern, Abschied nehmen, individuell behandeln, die so gelobten Kompetenzen und Aufgaben insbesondere der Pflegenden aber genauso anderer Berufsgruppen, lassen sich nicht einfach strukturiert quantifizieren

Was tun wir also,

- damit nicht Sonntags- und Jubiläumsreden einen zynischen, billigen Ersatz darstellen für eine unzureichende Personalausstattung und Pseudoentgelt für einen moralischen Druck auf Pflegende und Ärzte, menschlich mehr zu leisten, als Arbeitsvertrag und Professionalität dies fordern, vergüten und möglich machen. Hierüber hat der evangelische Ethiker Arne Manzeschke interessante Aspekte unter dem Titel „Supererogation-mehr tun als gefordert werden kann“ als unmoralische Forderung an Pflegende und Ärzte ausgeführt. Nicht für Tarif- sondern für Gotteslohn, der dann in genannten Sonntagsreden ausgeschüttet wird. Vgl. www.evangelische-krankenhausseelsorge-bayern.de/sites/evangelische-krankenhausseelsorgebayern.de/files/Manzeschke_Supererogation.pdf (23.11.2015)

Was tun wir, - damit nicht in ein und demselben Palliativbett innerhalb von 24 Stunden drei Patienten sterben und somit eine Sterbestation entsteht - damit sich Palliativversorgung als Querschnittsdisziplin zur SymptomBeherrschung unterschiedlicher Grunderkrankungen klarer profiliert und nicht jede Disziplin ihr eigenes palliatives Süppchen kocht und kochen will; denn merkwürdiger oder bezeichnender Weise blüht und boomt eine

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Neurologie, palliative Gynäkologie und dergleichen ja erst seitdem es einen palliativen Topf zu verteilen gibt - damit wir demnächst in Patientenverfügungen nicht neben der Ablehnung von Schläuchen und Apparaten eine Ablehnung von einem Lebensende und Sterben nach Plan und Standard und Sterbemanagement lesen müssen - damit wir weiter nach Cecily Saunders für eine qualitätsvolle letzte Lebensphase - natürlich mit „open end“ - arbeiten und nicht für ein Verlängern der Phase um jeden Preis, mit chemisch gereinigten Blutwerten und einer Pseudo-Beherrschung des Unabwendbaren also als „never ending story“ Es ist bemerkenswert, seit wann und wie sehr wir uns immer mehr und wieder weiter vom symptom-orientierten Behandeln und Begleiten von Sterben und Tod entfernen und diese wieder in eine Ecke und hoffentlich nicht in ein Stationsbad abstellen. Gronemeyer und Heller, namenhafte Kenner der Hospiz- und Palliativbewegung, haben bereits 2007 unter der Überschrift: „Stirbt die Hospizbewegung am eigenen Erfolg?“ auf die Gefahr hingewiesen, dass das eigentliche Anliegen der Bewegung unter der Medikalisierung, Institutionalisierung und Ökonomisierung des Palliativen aus den Augen verloren wird: - Palliative Chemotherapie bis zum Tod - abgehakte Checklisten sichern das Zusatzentgelt.

- Wer nicht genetzwerkt, koordiniert, gecoacht stirbt – wird zum Exoten (Vgl. Andreas Heller, Katharina Heimerl, Stein Husebö (Hrsg.) (2007) „Wenn nichts mehr zu machen ist, ist noch viel zu tun“. 3. aktualisierte und erweiterte Auflage, Lambertus-Verlag, Freiburg i. Breisgau, S. 576 – 586)

Was tun wir, - für echte Alternativen, damit Palliativ Care nicht immer weiter vorverlegt wird und somit Ressourcen für die medizinische und pflegerische Versorgung und Betreuung von PatientInnen mit einer infausten Erkrankung und quälenden Symptomen in der letzten Lebensphase anderweitig verbraucht werden. Ja, auch das ganz normale Sterben aus Altergründen, falls es das dann irgendwann noch gibt, gehört zu Hause und in Pflegeeinrichtungen ummantelt und gut begleitet, aber Palliativ Care kann nicht alles leisten. Hierher gehören andere Konzepte mit eigenen Ressourcen.

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Ich wünsche mir, - dass Krankenhäuser im Palliativbereich keine individuellen Finanzierungsregelungen vor Ort abschließen, weil ich befürchte, dass Standards, Qualitätskriterien und Ähnliches, die für bundeseinheitlich kalkulierte Fallpauschalen gelten, hierdurch ausgehebelt werden und die individuellen Regelungen für einzelne Palliativstationen zur Mitfinanzierung anderer defizitärer Bereiche im jeweiligen Krankenhaus genutzt werden. (§17 KHG) - dass regelmäßige Kontrollen und Nachweise für zweckgebundene Finanzierungen gefordert werden, weil ich Sorge habe, dass es - wie in anderen Fällen in der Vergangenheit – nach einer Einführungsphase dazu kommt, die erwirtschafteten Mittel nach „Gutsherrenart“ anders zu verteilen. - dass für „Palliativ“ klarere Kriterien geschaffen werden und sich ein profilierteres Bild ergibt, damit die Mittel zielgenau dort ankommen wofür sie geplant und gedacht sind. - dass verpflichtende Personalausstattungen für entsprechende Organisationseinheiten gemäß der S3 Leitlinie bzw. der Empfehlungen der DGP (Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e.V.) als k.o. Kriterium für entsprechende Finanzierungen fungieren.