Arbeitsrecht Aktuell Neues aus der Rechtsprechung … und mehr

Team Recht und Beratung Mittelfranken / Oktober 2017

Um das geht es heute: Aktuelle Rechtsprechung Sind unbillige Weisungen des Arbeitgebers zu befolgen? Entgelttransparenzgesetz – na und?

Team Recht und Beratung Mittelfranken

Kettenbefristungen Arbeitnehmerdatenschutz Kündigungsschutz AGB-Kontrolle Zeugnisse

Endlich mehr Klarheit! Missbrauchskontrolle von Sachgrundbefristungen im „grünen, gelben und roten“ Bereich BAG 21.03.2017 – 7 AZR 369/15 Grenze für Laufzeit

Grenze für Verlängerungen

Komb. Grenze für Laufzeit und Verlängerungen

Grün

max. 8 Jahre

max. 12 Verlängerungen

max. 6 Jahre Laufzeit bei 9 Verlängerungen

Gelb, Beweislast ARbN

mehr als 8 und max. 10 Jahre

13 bis 15 Verlängerungen

mehr als 6 Jahre bis max. 8 Jahre Laufzeit bei 10 bis 12 Verlängerungen

Rot, Beweislast ArbGeb

über 10 Jahre über 15 Verlängerungen mehr als 8 Jahre Laufzeit bei über 12 Verlängerungen

Und dennoch: Langdauernde Befristungen zulässig, wenn Eigenart der Arbeitsleistung dies rechtfertigt

BAG Urteil vom 30. August 2017 - 7 AZR 864/15 – 18 Jahre BAG Urteil vom 30. August 2017 - 7 AZR 440/16 – 28 Jahre

Neue Erkrankung nach 6 Wochen - Beweislast Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 15.11.2016, 12 Sa 453/16. Reicht der Arbeitnehmer nach Ablauf einer sechswöchigen Erkrankung eine erneute Erstbescheinigung über eine andere Erkrankung ein, muss er im Bestreitensfall beweisen, dass er zwischen den beiden Krankheitszeiten arbeitsfähig war. Was tun, wenn Arzt sich vor Gericht nicht 100% festlegen will?

TIPP: Immer vorherige Mitteilung an Arbeitgeber über bevorstehende Arbeitsaufnahme Arztbesuch mit Untersuchung hinsichtlich Arbeitsfähigkeit am Ende der AU

Privatdetektiv I Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.04.2017, 5 Sa 449/16

Ein Betriebsratsvorsitzender hat Anspruch auf Entschädigung, wenn der Arbeitgeber ihn während der Arbeitszeit von einem Detektiv beschatten lässt. Denn darin liegt eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Als Anlass für eine solche Überwachung reicht der bloße Verdacht des Arbeitszeitbetruges nicht aus. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz sprach dem Geschädigten 10.000 Euro zu.

Privatdetektiv II LArbG Berlin-Brandenburg 2. Kammer Urteil vom 14.10.2016, AZ 2 Sa 985/16 (Rz 55ff)

Durch einen Privatdetektiv erhobene Daten sind dann nicht rechtswidrig erlangt – und damit vor Gericht verwertbar - , wenn bereits vorher begründete Zweifel an der bis dato erfolgten Arbeitszeitdokumentation bestehen.

„Keylogger“ Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.07.2017, 2 AZR 681/16

Ein Keylogger, mit dem alle Tastatureingaben an einem Dienst-PC für eine verdeckte Überwachung und Kontrolle des Arbeitnehmers aufgezeichnet werden, ist im Allgemeinen illegal. Hieraus gewonnene Beweise dürfen nicht verwertet werden. Der Einsatz eines Software-Keyloggers ist nicht nach § 32 Abs. 1 BDSG erlaubt, wenn kein auf den Arbeitnehmer bezogener, durch konkrete Tatsachen begründeter Verdacht einer Straftat oder anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung besteht.

„Druckkündigung“ Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.12.2016, AZ: 2 AZR 431/15

Verweigern Beschäftigte die Arbeit, weil der Arbeitgeber einem – unberechtigten - Kündigungsverlangen nicht nachkommt, ist eine Kündigung des Betroffenen nicht als sog. „echte“ Druckkündigung sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber den Druck und die dadurch drohenden wirtschaftlichen Nachteile nicht zumindest dadurch abzuwehren versucht, dass er die Beschäftigten auf die Rechtswidrigkeit der Arbeitsniederlegung hinweist und für weitere Zuwiderhandlungen arbeitsrechtliche Maßnahmen in Aussicht stellt.

„Entfernung betriebsstörender Arbeitnehmer“ - (§104 BetrVG) Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.03.2017 AZ: 2 AZR 551/16

Wird einem Entlassungsverlangen des Betriebsrats im Verfahren nach § 104 Satz 2 BetrVG rechtskräftig stattgegeben, begründet dies ein dringendes betriebliches Erfordernis iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG für eine ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung.

Sozialauswahl und Altersrente Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.04.2017, 2 AZR 67/16

Wer Anspruch auf eine Regelaltersrente hat, ist bei einer Sozialauswahl im Hinblick auf sein Alter weniger schutzbedürftig als nicht rentenberechtigte jüngere Kollegen

Widerruf von Weihnachtsgeld bei „wirtschaftlicher Notlage“ Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.01.2017 AZ: 1 AZR 774/14.

Der Arbeitgeber kann ein Weihnachtsgeld von einem halben Monatsgehalt bei einer „wirtschaftlichen Notlage“ widerrufen, wenn eine Widerrufsklausel im Arbeitsvertrag ihm den Widerruf für diesen Fall erlaubt

Voraussetzungen eines Widerrufs: Hinreichende Bestimmtheit des auslösenden Ereignisses Höchstens 30% des Gesamtverdienstes (bei fehlendem Gegenleistungscharakter – sonst 25%)

Kein Anspruch auf Karenzentschädigung bei Wettbewerbsverbot nach nichtiger vertraglicher Vereinbarung Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.03.2017, 10 AZR 448/15

Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, das entgegen § 74 Abs. 2 HGB keine Karenzentschädigung enthält, ist kraft Gesetzes nichtig. Auch eine salvatorische Klausel ist nicht geeignet, diese Folge zu beseitigen oder zu heilen. Dies gilt auch für Ansprüche des Arbeitnehmers

Ironische Lobhudelei im Zeugnis LAG Hamm 14.11.2016, 12 Ta 475/16

Weicht der Arbeitgeber vom Entwurf durch Steigerungen nach „oben“ ab, ist der titulierte Zeugnisanspruch nicht erfüllt, wenn sich aus dem Gesamteindruck des Zeugnisses ergibt, dass die Bewertungen durch ihren ironisierenden Charakter nicht ernstlich gemeint sind

Haftung des ArbGeb nur für konkrete Falschauskünfte Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 15.12.2016, AZ: 6 AZR 578/15 In einem Arbeitsverhältnis muss jede Partei für die Wahrnehmung ihrer Interessen selbst sorgen. Das gilt auch für die Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist. Ein Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Auskunftserteilung kommt nur unter bestimmten Voraussetzungen in Betracht. Hierfür ist es erforderlich, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer entweder auf dessen ausdrückliches Verlangen nach Informationen hin falsch informiert oder dass er ihn im Rahmen von Verhandlungen über Vertragsänderungen, die der Arbeitgeber initiiert hat, falsch berät. Es ist nicht ausreichend, wenn der Arbeitgeber die Belegschaft allgemein falsch über den Inhalt des Tarifvertarges informiert hat. Vgl aber: BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 21.5.2015, 6 AZR 349/14 Schadenersatz nach aktiver Falschauskunft des ArbGeb im Einzelfall!

… verdienen Frauen pro Stunde im Schnitt weniger als Männer

Auskunftsanspruch §10 EntgTranspG: Voraussetzung Nur in Betrieben ab 200 MitarbeiterInnen Erst ab dem 06.01.2018 möglich - § 25, Abs.1 Form: „gleiche oder gleichwertige“ Tätigkeit konkret benennen Auskunft über das gesamte (Jahres-)Vergleichsentgelt und bsui zu zwei konkrete Entgeltbestandteile (z.B. Weihnachtsgeld, geldwerte Vorteile) - §10 Antrag an Betriebsrat (Personalrat etc.) ==> wo ein solcher nicht besteht direkt an Arbeitgeber §§14,1 Fristen: ArbGeb muss binnen 3 Monaten antworten (Unklar: BR auch?) Weiterer Antrag erst nach 2 Jahren (10, Abs 2) (bzw. anfangs 3 Jahren - § 25) möglich

Absehbare Tücken des Gesetzes Was sind „gleichwertige Tätigkeiten“? Einbeziehung fachlicher, persönlicher Qualifikation Einbeziehung betrieblicher Erfahrung? Wer entscheidet hierüber? Wenig brauchbare Daten Die/Der Auskunftssuchende hat keinen Anspruch auf Nennung der einbezogenen Arbeitsplätze Keine Auskunft bei weniger als sechs vergleichbaren Beschäftigten des anderen Geschlechtes Nur Angabe des Medians der Bruttoverdienste

§ 315 BGB Bestimmung der Leistung durch eine Partei (1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist. (2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. (3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

BAG Urteil vom 22.02.2012 - 5 AZR 249/11 Leitsatz (amtlich) Der Arbeitnehmer ist an eine Weisung des Arbeitgebers, die nicht aus sonstigen Gründen unwirksam ist, vorläufig gebunden, bis durch ein rechtskräftiges Urteil gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung festgestellt wird.

Der aktuelle Fall (BAG 10 AZR 330/16 (A) ) Ein Immobilienkaufmann war zunächst bei der DeTe Immo in Dortmund eingesetzt, bis es zu einem Kündigungsrechtsstreit kam, der zugunsten des Mitarbeiters endete. Im Anschluss teilte ihm der Arbeitgeber – nachdem alle Mitarbeiter eine weitere Zusammenarbeit mit dem klagenden Arbeitnehmer abgelehnt hatten – mit, dass er ihn für ein halbes Jahr an den Standort Berlin versetze. Der Immobilienkaufmann wiederum nahm dort seine Arbeit nicht auf, sodass der Arbeitgeber ihm – nach zwei Abmahnungen – fristlos kündigte. Mit der Klage des Mitarbeiters soll in letzter Instanz nun das BAG feststellen, dass dieser nicht verpflichtet sei, der angewiesenen Versetzung nach Berlin Folge zu leisten. Zudem verlangt er die Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte und – in einem weiteren Verfahren (Az. 2 AZR 329/16) – die Feststellung, dass die Kündigung unwirksam sei. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben.

Viel Erfolg im Betrieb!