Ohne Pult aber wieder mit Kreidetafel

HEFT x / JAHRGANG 60 / 201x Heft 1/2013 (Jg. 62), S. 44-48 MAGAZIN / PdN PHYSIK in der Schule Ohne Pult aber wieder mit Kreidetafel Aspekte zur Umg...
Author: Jasper Bieber
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HEFT x / JAHRGANG 60 / 201x

Heft 1/2013 (Jg. 62), S. 44-48

MAGAZIN / PdN PHYSIK in der Schule

Ohne Pult aber wieder mit Kreidetafel Aspekte zur Umgestaltung eines Physikraums P. Lingemann

Die Aufgabe unserer Physikfachschaft besteht im Jahr 2011 darin, einen kleinen Hörsaal (59 qm) zu einem Physikraum umzugestalten, der Schülerübungen ermöglicht. Die Lösung des Platzproblems, deren Entwicklung nachfolgend aufgezeigt werden soll, findet sich darin, auf das übliche, große Pult zu verzichten. Zwar zunächst skeptisch betrachtet, erweist sich das Vorgehen bei genauerer Analyse und in der Erprobung jedoch nicht als Kompromiss, sondern vielmehr als eine Entscheidung, die unabhängig von der Raumgröße sinnvoll und funktional anwendbar ist. In eine weitere Debatte rund um die Aufstellung einer interaktiven Tafel fließt ebenfalls einige Planungszeit und sie führt letztlich zum dem Ergebnis, eine klassische Kreidetafel beizubehalten und das neue Medium parallel zu installieren.

1 Verzicht auf ein Pult?

Um mit Schüler/innen im Unterricht bei geringer Rüstzeit experimentieren zu können, ist es wichtig, dass die Gerätschaften gut zugänglich im Unterrichtsraum untergebracht werden. Eine Schrankwand am Ende des Raums samt davor befindlicher Bewegungsfläche lässt allerdings die Schülertische ein gutes Stück nach vorne und damit in den Sicherheitsbereich um das Pult rücken. Daher stellt sich die Frage, ob ein Pult überhaupt erforderlich ist? Wir meinen nein. Bei der Analyse seiner Funktionen wird klar, dass es kaum als Träger für Demonstrationsexperimente dient. Die Aufbauten werden vielmehr auf Ansatztischen in den Klassenraum gefahren, wo sie dann ungünstig neben dem Pult stehen – oder gar im Fluchtweg zwischen Pult und den vorderen Schülerti-

schen. Die Bedeutung des Pults als Träger für Versorgungseinrichtungen und Schalter besticht ebenfalls nicht, da diese gut am Rand des Raums untergebracht werden können, wo sich auch Platz für die Bücher und Mappen der Lehrenden findet. Der Raumgewinn durch Verzicht auf ein Pult ist hingegen deutlich. Während die ersten Schülertische normalerweise in ca. 3,10 m Entfernung von der Wand mit der Tafel stehen, kann der Abstand nun auf ca. 2,35 m reduziert werden. Die Einhaltung eines Sicherheitsabstandes von 1,20 m von einem zentralen Experiment lässt sich bei Bedarf immer noch realisieren. ([2], Abbildung 3) Im vorliegenden Raum wählen wir einen etwas größeren Abstand von 2,55 m, da somit eine bestehende Tür nicht versetzt werden muss und die Sicht von den

Abb. 1: Die Kreidetafel ist nur 1,5 m breit, eine LED-Lampe in der Decke sorgt für ihre Beleuchtung. Eine über der Tafel platzierte Leinwand (2 m breit) kann eine zusätzliche Projektionsfläche bereitstellen. An der rechten Pylone sowie an der interaktiven Tafel befinden sich USB-Anschlüsse, die zum Computer führen (links im Bild). Zur Versorgung von zentralen Aufbauten auf Fahrtischen sind unterhalb des Boards Steckdosen sowie ein Netzwerkanschluss angebracht. Der über der Tür befindliche Lautsprecher reagiert auf eine aktive Audioleitung und schaltet sich entsprechend automatisch ein und aus.

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630 543 160

176

197

255

STT 60 85 60 940 85 60

60

60

100

60

60

130

85

130

60 130 60

240

150

330 Abb. 2: Grundriss des Physikraums. Die beiden Nischen neben der Schrankwand (unten im Bild) nehmen jeweils ein oder zwei der quadratischen Einzeltische oder einen kleinen Fahrwagen auf. Letzterer dient zur Bereitstellung des Schülerübungsmaterials. (Grundriss als Datei und weitere Zeichnungen unter www.dokspeicher.de/100888.) 2

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Randplätzen der ersten Tischreihe auf die Tafel besser ausfällt. Vor der Schrankwand ergibt sich in der Folge ein Abstand von 45 cm hinter der letzten Stuhlreihe, der – das zeigt die Erfahrung – sicher nicht zu groß bemessen ist (Abbildung 2). Die zuvor im Pult untergebrachten Schalter wandern in einen seitlich positionierten Energieblock und einen Kabelkanal, der Sicherungskasten wird im Nebenraum untergebracht. Ebenfalls seitlich finden die Unterrichtenden Ablagemöglichkeiten und einen normalen Tisch (90 cm × 60 cm), der – je nach Stundengestaltung – auch temporär an die Position des zuvor fest installierten Pults treten kann. Doch nicht nur aus Platzgründen ist ein Verzicht auf das Pult sinnvoll. Bei der Planung des neuens Raums wie in der Erprobung treten weitere Vorteile zum Vorschein: Im Frontbereich des Raums entsteht eine vielfältig nutzbare Aktionsfläche, die mehr Platz für zentrale Experimente und Darbietungen von Schülerinnen und Schülern bietet. Es fällt zudem positiv auf, dass die Interaktion zwischen Lehrenden und Schüler/innen unmittelbarer wird, da jegliche Kommunikation nicht mehr über eine 90 cm hohe Barriere in Form des Pults stattfinden muss. Dazu gehört auch, dass beide, Lehrende wie Lernende, schnell und einfach von der Tafel in die Sitzreihen wechseln können und umgekehrt.

a)

310 115

75

120

Pult

b)

+ 75 cm

Ansatztisch

Schülertische

75 115

120 235

Abb. 3: Bei klassischem Aufbau (a) beträgt der Abstand der ersten Schülertische von der Tafel-Wand etwa 3,10 m. Der Verzicht auf ein festes Pult (b) ermöglicht einen Raumgewinn von bis zu 75 cm.

215

150

STT

160

176

197

87

630 Abb. 4: Bemaßte Tafelwand. Der Beamer der höhenverstellbaren interaktiven Tafel hängt höher als 2,15 m, falls die Raumhöhe 3 m oder mehr beträgt. Kreidetafel und interaktive Tafel sind unabhängig voneinander nutzbar. 3

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Abb. 5: Der Schalter- und Trafotisch („STT“, 90 cm x 60 cm) nimmt auch den Computer und die Dokumentenkamera auf. Die Anschlusskabel werden von einem Kabelkanal auf der Rückseite (= Schülerseite) zugeführt.

2 Wahl von Schülertischen und Energieversorgung

Ein kleiner Unterrichtsraum lässt nur wenige Variationen der Tischanordnung zu, sodass wir uns wie schon zuvor in einem anderen Raum entscheiden, die Tische in Reihen anzuordnen [3]. Die äußeren Tische (130 cm breit) sind fest verankert und nehmen die Energieversorgung auf (sechs Steckdosen, zwei Netzwerkanschlüsse, zwei mal zwei Wahlspannungspole), die inneren, am Mittelgang befindlichen Tische sind lose und werden beim Experimentieren von den äußeren mit elektrischer Energie versorgt. Die variablen Innentische bringen an einigen Stellen Vorteile mit sich, so können z.B. ein oder zwei Tische vor der Schrankwand entfernt werden, um die Zugänglichkeit zu den Gerätschaften zu erhöhen und es lässt ich einfacher eine Sitzordnung für Klausuren schaffen. Die Idee, anstelle der verbreiteten Tischtiefe von 60 cm Platten mit nur 55 cm Tiefe zu wählen und dadurch den Bewegungsraum der Schüler/innen in den Reihen zu vergrößern, findet in der Fachschaft keine Mehrheit. 4

Hinsichtlich der Energieversorgung wird sowohl für Lehrende wie auch für die Schüler/innen auf Gas verzichtet, da diese Einrichtung seit einigen Jahren nicht mehr in Benutzung und daher augenscheinlich überflüssig ist. Wasser gibt es zweimal im Raum, nämlich vorne in Form eines Handwaschbeckens, welches auch als zweiter Ausguss bei Schülerversuchen fungiert, und hinten als klassische Laborspüle mit Augendusche. Wichtiger ist uns die Ausstattung mit elektrischer Energie, wozu insbesondere ein leistungsstarker Trafo im Schalter- und Trafo-Tisch (STT, Abb. 5) beiträgt. 3 Interaktive Tafel UND Kreidetafel

Die weitere Debatte dreht sich – wie oben erwähnt – um die Frage, wie das Verhältnis von gewünschtem interaktivem Board zur klassischen Kreidetafel (oder einer Weißwandtafel) aussehen soll. Möglich sind das Ersetzen der klassischen Tafel, die Verwendung eines integrierten Systems sowie ein paralleler Betrieb beider Systeme. Der vollständige Ersatz kommt zu diesem Zeitpunkt nicht in Frage, da die Rüstzeit der

interaktiven Variante höher ist als bei einer Kreidetafel und ebenso die Auflösung in der klassischen Variante augenscheinlich besser ausfällt. Bei integrierten Systemen erhält das interaktive Board Kreidetafeln als Klappflügel oder das Board ersetzt eine von zwei Flächen einer Doppelpylonentafel. Nicht zufrieden sind wir in beiden Fällen damit, dass die zur Verfügung stehenden Flächen nicht bzw. nur in geringem Umfang unabhängig voneinander genutzt werden können. Wir wählen daher erneut die Variante, Kreidetafel und Board nebeneinander zu platzieren [3], reduzieren aber die Breite der klassischen Pylonentafel von den häufig anzutreffenden 2,5 m auf 1,5 m. Dadurch entfernt sich keines der beiden Medien übermäßig weit von der senkrechten Mittelachse der Tafelwand und kann von den Randplätzen der ersten Reihe hinreichend gut eingesehen werden. Die kleinere Tafel erweist sich auch für Kolleg/innen, die überwiegend mit ihr arbeiten, als ausreichend dimensioniert. Bleibt die Wahl eines bestimmten Modells: Es ist ungünstig, eine interaktive Tafel nur bezüglich ihrer Hardware zu beur-

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Ohne Pult aber wieder mit Kreidetafel - Aspekte zur Umgestaltung eines Physikraums P. Lingemann Das Weglassen eines klassischen Pults ermöglicht es, aus einem eher kleinen Hörsaal einen Raum für Schülerübungen zu machen und sorgt gleichzeitig für eine bessere Raumatmosphäre. Ergänzt werden die diesbezüglichen Ausführungen um eine Betrachtung des Verhältnisses von klassischer Kreidetafel zur interaktiven Tafel.

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