Ohm

REIFENSTEINER VERBAND Verein ehemaliger Reifensteiner e.V. Gegründet 1897 Wirtschaftliche Frauenschule auf dem Lande Nieder-Ofleiden über Kirchhain ...
Author: Käte Hartmann
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REIFENSTEINER VERBAND Verein ehemaliger Reifensteiner e.V.

Gegründet 1897

Wirtschaftliche Frauenschule auf dem Lande Nieder-Ofleiden über Kirchhain Homburg/Ohm

Es ist keine Maidennadel bekannt.

1. Schule des Reifensteiner Verbandes Nieder-Ofleiden (östlich von Marburg) 1897 - 1900 Im August 1896 wurde ein Mietvertrag zwischen dem "Verein zur Errichtung wirtschaftlicher Frauenschulen auf dem Lande" und Freifrau Dorette von Schenck zu Schweinsberg, der Besitzerin des Gutes bei Homburg/Ohm im damaligen Großherzogtum Hessen, über das Wohnhaus, Nebengebäude und ein Grundstück von 8 Morgen, zur Errichtung einer "Wirtschaftlichen Frauenschule auf dem Lande" für 3 Jahre unterschrieben. Die Freifrau Dorette von Schenck zu Schweinsberg war die Leiterin der Schule. Am 04. April 1897 begann der Unterricht mit 4 Lehrerinnen und 12 Schülerinnen unter ganz bescheidenen Voraussetzungen. Die Haushaltungsschule auf dem Lande für Mädchen hatte 2 Abteilungen, die Abteilung für Landmädchen, in der wirtschaftliche Kenntnisse vermittelt wurden und die Abteilung zur Ausbildung für eine dienende Stellung mit einem halbjährigen Gartenbaukurs. In dem Haus war keine Elektrizität, keine Wasserversorgung und in den Maidenzimmern keine Heizung. Nach Ende der Pachtzeit, da die Aufnahmekapazität zu gering war, wurde die Schule Reifenstein gegründet. In Nieder-Ofleiden wird danach noch einige Jahre unter der Leitung von Freifrau von Schenk eine Haushaltungsschule geführt. In dem schönen alten Fachwerkhaus wohnen noch heute Nachkommen der Freifrau von Schenk.

Gartenansicht

Vorderseite. Aufgenommen 2006.

Rückseite. Aufgenommen 2007.

Seitenansicht. Aufgenommen 2007.

Das Gärtnerhaus Hier waren die Bauerntöchter der Haushaltungsschule untergebracht. Diese Schule war der Wirtschaftlichen Frauenschule angeschlossen. Sie war für die Bauerntöchter kostenlos.

Aufgenommen 1898.

Lehrküche. Aufgenommen 1898.

Aufgenommen 2007.

Esszimmer. Aufgenommen 1898.

Handarbeitsunterricht. Aufgenommen 1898.

Bei der Wäschepflege. Aufgenommen 1898.

Beim Ballspiel. Aufgenommen 1898.

Bei der Hausarbeit. Aufgenommen 1898.

Bei der Gartenarbeit. Aufgenommen 1898.

Ausflug mit Pferd und Wagen. Aufgenommen 1898.

Der 1. Maidenjahrgang in Nieder-Ofleiden 1897-1898.

Freifrau von Schenck zu Schweinsberg 6. von rechts stehend in der 2. Reihe. Aufgenommen 1898. Einladungskarte zur Eröffnung der Wirtschaftlichen Frauenschule Reifenstein an Dorette Freifrau von Schenck zu Schweinsberg.

Dorette Freifrau von Schenck zu Schweinsberg *29. 12. 1842 †11. 03. 1902

Dorette Freifrau von Schenck zu Schweinsberg wurde am 29. Dezember 1842 in Marburg an der Lahn geboren. Sie wuchs als einziges Kind aus der Ehe des Freiherrn Karl Schenck zu Schweinsberg mit Luwinka, geb. von Borcke, auf. Da der Vater, ehemals kurhessischer Offizier, schon 1842 seinen Abschied nahm, verlebte sie den größten Teil ihrer Kindheit auf dem Lande, dem elterlichen Allodialgute in NiederOfleiden. Unter der Leitung ihrer Eltern wurde hier der Grund gelegt zu ihren ausgezeichneten Eigenschaften, deren hervor ragendste, Fleiß und Pflichttreue, gepaart mit der wärmsten, werktätigen Menschenliebe, die Richtschnur für ihr ganzes Leben geworden sind. Längere Reisen durch ganz Deutschland, die Schweiz und Italien, die sie als junges Mädchen mit ihren Eltern machte, weitete ihren Blick, und einige Winter in Darmstadt, am Hofe der edlen und kunstsinnigen Großherzogin Mathilde, lehrten sie die Freuden der großen Welt kennen. Immer kehrte sie jedoch mit Entzücken im Sommer auf das Land zurück. Im November 1864 vermählte sie sich mit einem entfernten Verwandten, dem Freiherrn Ferdinand von Schenck zu Schweinsberg, Leutnant in der kurhessischen Gardes du Corps. Nur wenige ungetrübt glückliche Jahre sind dem Paar beschieden gewesen, ein schweres Herzleiden nötigte den Gatten, schon im Jahre 1868 seinen Abschied zu nehmen und nach Nieder-Ofleiden zu ziehen. Von da an kannte Freifrau von Schenck zu Schweinsberg nur eine Samaritertätigkeit, die sie am langen Krankenlager ihrer Mutter und ihres Gatten unausgesetzt ausübte. Ein Lichtblick war die Geburt ihrer Tochter, die auch ihr einziges Kind geblieben war. 1882 wurde sie Witwe und 1885 starb ihr Vater. Nach der Verheiratung ihrer Tochter wandte sie sich der sozialen Tätigkeit zu. Die erste Anregung zur Gründung einer wirtschaftlichen Frauenschule erhielt sie im Jahr 1895 auf einem Frauentag in Kassel. Ihren rastlosen Bestrebungen, ihrer unermüdlichen Tatkraft, ihrem großen Organisationstalent und ihrer wahren Menschenliebe ist es zu verdanken, dass ihre Schule zu schöner Blüte gelangte und reiche Erfolge aufzuweisen hatte.

Die Schülerinnen erhielten eine gründliche praktische und theoretische Ausbildung im Kochen und in allen häuslichen Arbeiten für Stadt und Land. Auch war eine Abteilung für Seminaristinnen angeschlossen zur Ausbildung von hauswirtschaftlichen Lehrerinnen an Haushaltungsschulen, wie von Leiterinnen großer ländlicher und städtischer Betriebe. Als Lehrmittel diente eine Haushaltungsschule für Bauernmädchen mit einer Abteilung zur Heranbildung von städtischem Dienstpersonal und eine Kleinkinderschule. Ein großer Garten mit einer umfangreichen Baumschule gab den Schülerinnen Gelegenheit, mit allen Gartenarbeiten und mit der Bienenzucht vertraut zu werden. Eine Molkerei und ein Geflügelhof boten ebenfalls ein nützliches und anregendes Übungsfeld. Mitten aus dieser täglich sich vervollkommnenden blühenden Schöpfungen nahm der Tod diejenige, die so opferfreudig ins Leben gerufen hatte und die mit der bewundernswertesten Energie noch in den Tagen des schwersten Leidens ihr ganzes Denken und Fühlen auf die Förderung ihrer Schule richtete. Am 11. März 1902 starb die Mitbegründerin und Leiterin der Wirtschaftlichen Frauenschule Nieder-Ofleiden in Oberhessen, Dorette Freifrau von Schenck zu Schweinsberg. Sie war eine der Ersten die den praktischen Gedanken, das weibliche Geschlecht, insbesondere die Töchter höherer Stände, durch eine wirtschaftliche Ausbildung für das Leben tüchtig zu machen, in die Tat umsetzte, indem sie auf ihrer eigenen Besitzung in Nieder-Ofleiden eine Wirtschaftliche Frauenschule ins Leben rief. Erinnerungstafel zum 60. Jahrestag der Gründung der Wirtschaftlichen Frauenschule in Nieder – Ofleiden.

Herzlichen Dank an die Urenkelin von der Freifrau von Schenck zu Schweinsberg, Frau Schulz-Sembten für die Bereitstellung der historischen Fotos und den Lebenslauf von Dorette Freifrau von Schenck zu Schweinsberg. Beitrag von Ursula Meyer. Für das Internet zusammengefasst von Waltraud Lücke. Die Veröffentlichung von Beiträgen und Fotos ist nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Verbandes gestattet. Ina Farwick, 1. Vorsitzende des Reifensteiner Verbandes e.V., E-Mail: [email protected]

Im Blatt der Altmaiden Nr. 445, Mai/Juni 2003, wurde ein Erinnerungsbericht von Dr. M. E. Lüders, Maid in Nieder-Ofleiden 1898-1899 aus ihrem ersten Maidenjahr abgedruckt. Der Artikel wurde bereits 1954 veröffentlicht: Ende der 90er Jahre versandte Ida von Kortzfleisch eine kleine Werbeschrift mit dem Titel: "Jede deutsche Frau eine Maid". Darin entwickelte sie den Plan für die Errichtung "wirtschaftlicher Frauenschulen auf dem Lande". Dieser Plan verfolgte das doppelte Ziel: die möglichst weite Verbreitung hauswirtschaftlicher Kenntnisse überhaupt und deren weitere Vertiefung in mehrjährigen Lehrgängen mit einer Abschlussprüfung um das Gelernte berufsmäßig verwerten zu können, sei es als landhauswirtschaftliche Lehrerin, sei es als Gehilfin der Gutsfrau, als Leiterin der Hauswirtschaft eines Sanatoriums, Hotels, Krankenhauses etc. Dem kleinen äußerlich unscheinbaren Aufruf folgte sehr bald die Eröffnung der ersten "wirtschaftlichen Frauenschule auf dem Lande" in "Nieder-Ofleiden bei Homberg an der Ohm" in Oberhessen. Neben Ida von Kortzfleisch bemühten sich mit Eifer und Erfolg um die Durchführung des Planes Auguste Förster, die überaus verdienstvolle Gründerin und Leiterin der ausgezeichneten Frauenarbeitsschule in Kassel, sodann Margarethe von Bistram (Wiesbaden) und Dorette Schenk zu Schweinsberg. Aus den Anfangsbuchstaben der Vornamen dieser vier Frauen entstand das Wort "Maid" als Bezeichnung für die Schülerinnen. Die Ausdeutung als Mut, Ausdauer, Idealismus und Demut ist ein später - mehr sentimentaler als historisch begründeter Vorgang. Von den vier Frauen leistete Dorette von Schenk den wesentlichen Beitrag zum Gelingen des Planes durch zur Verfügungstellung eines in Nieder-Ofleiden gelegenen Landhauses der Familie Schenk, zu dem ein landwirtschaftliches Nebengebäude und ein größeres Gelände gehörten. Das ganze Anwesen war denkbar primitiv ausgestattet. Das Haus hatte keine Wasserleitung, fast alle Schlafzimmer waren unbeheizbar, so dass in den Mansardenräumen das Waschwasser einfror und meine Mansarde sich höchster Beliebtheit wegen eines Petroleumofens erfreute, trotzdem er mehr als greulich roch. Oft retteten wir uns ins Backhäuschen, das mitten im Dorf lag, hockten dort drin auf einem Bänkchen und wärmten uns an der Glut, die das heiße Gebäck ausströmte. Bis auf zwei Dorfmädchen für das Scheuern der Holzfußböden und Treppen sowie zur Unterstützung beim Wassertragen war keinerlei Hilfe vorhanden. Gas und elektrischen Strom gab es nicht, auch kein richtiges Badezimmer mit entsprechend großer Wanne. Allmorgendlich mussten eine ganze Batterie Lampen geputzt und unzählige Eimer Wasser geschleppt werden. Mit diesen Arbeiten begannen die Mitglieder der Gruppe "Haus" ihre Tätigkeit, während die Gruppe "Küche" alles für die Zubereitung der Mahlzeit notwendige absolvierte. Die Gruppe "Huhn" musste den Enten- und Hühnerstall säubern, das Geflügel füttern, das Futter für den nächsten Tag stampfen und kochen. Wir durften uns auch mit den boshaft hackenden Puten ärgern und bei drohendem Regen hinter den Küken hersausen. Gottlob traf die Gruppe nicht die Schuld, als eines Nachts ein gutes Duzend Putenkinder, die Frau von Schenk zum Trocknen in den Wärmeofen verstaut hatte, leider verschieden war. Die Gruppe "Wäsche" musste alles Haus- und Leibwäsche von Hand waschen, auch im Winter auf dem Hof aufhängen, und mit eisernen Bügeleisen plätten, die auf sechskantigen Aufstellöfen standen und verbogene eiserne Handgriffe besaßen, an denen man sich immer wieder die Fingerknöchel verbrannte. Zur Übung mussten auch

unzählige Oberhemden, Kragen und Manschetten gebügelt werden, die, eben erst mit vieler Mühe fertig gestellt, zu unserem Ärger sofort wieder in das Waschfass wanderten. Die Gruppe "Garten" musste alle, auch schwere Gartenarbeiten verrichten, Obstbäume oculieren und den Umgang mit Bienen erlernen, die bei niemandem beliebt waren. Wir waren etwa 20 gleich alte Schülerinnen zwischen 18 und 24 Jahren. Im Hinblick auf unsere eigene Arbeitsleistung war der Pensionspreis nicht gerade gering. Am Ende unseres Lehrganges wurde Reifenstein, ein Jahr später Obernkirchen gegründet, wohin diejenigen übersiedelten, die in die berufliche hauswirtschaftliche Arbeit übergehen wollten. Jetzt fing auch der preußische Staat an, sich für diese Schulgattung zu interessieren, die größere Systematik des Unterrichts zu betreiben, die Prüfung in die Hand zu nehmen und die Gründung weiterer Schulen mit Unterstützung durch öffentliche Mittel zu fördern. Eine Schule nach der anderen entstand in allen Landesteilen. Schon Nieder-Ofleiden hatte sich einen kleinen halbjährigen Winterlehrgang für heranwachsende Dorfmädchen angegliedert und einen Kindergarten eingerichtet. An beiden Stellen sollten wir unter Anleitung weitergeben, was wir gelernt hatten und den Müttern die Kinder abnehmen. Bei unseren doch immerhin noch recht lückenhaften hauswirtschaftlichen Kenntnissen und unserem völligen Mangel an pädagogischer Erfahrung an sich ein etwas naives Unterfangen, aber fast alle von uns kamen so zum ersten Male mit Menschen aus einem sozial, wirtschaftlich und beruflich völlig anderen Kreis in nahe Berührung. Einige von uns gingen auch in die bäuerlichen Familien, teils aus Neugier, teils aus wirklichem Interesse. Wie vieles wir aus diesem Umgang ungewollt gelernt haben und dadurch auf den Weg zur sozialen Arbeit geführt wurden, ist uns erst später bewusst geworden. In diesem oberhessischen Dorf bekamen diejenigen, die offene Augen hatten, nebenbei einen eindrucksvollen Anschauungsunterricht über den Zusammenhang zwischen Sauberkeit und Verbreitung übertragbarer Krankheiten (Lupus). Unsere Zeit war fest eingeteilt. Die fristgemäße Ausführung erteilter Aufträge war ebenso selbstverständlich wie die jederzeit gegenseitige Hilfsbereitschaft. Zu den Lehrerinnen bestand - mit zwei Ausnahmen - ein sehr erfreuliches Verhältnis. Jene zwei waren sehr diktatorisch, kommandierten uns herum und waren vor allem ungerecht je nach Laune. Die Launen bekam ich besonders zu spüren im Hinblick auf meine beginnenden frauenbewegten Neigungen. Frau von Schenk erfreute sich ungeteilter Hochachtung. Zu der Geschlossenheit unseres Kreises trug zweifellos auch die gleichartige kleidsame Kleidung bei. Sonntags durfte jede beliebig gekleidet sein und wir fanden uns in diesem Durcheinander von Stoffen, Farben und Schnitten sehr bald so hässlich, dass wir auf unseren Sonntagsputz verzichteten. Die einzige Abwechslung bot die Kirmes oder das Erntefest der Landleute mit dem bewundernswert schwungvollen Tanz in der Schwelmer Tracht. Die Mädchen mit ungezählten mit Borten und Spitzen verzierten Röcken auf einer Hüftrolle, mit winzigen kleinen schwarzen Häubchen und lang wehenden bunten Bändern. Der Besuch einer völlig abseits gelegenen Schule unter Verzicht auf das so anziehende Leben in der Berliner Gesellschaft war zu jener Zeit so ungewöhnlich, dass ich immer wieder witzige Spottverse aus dem Berliner Freundeskreis bekam. Aber nur etwa 10 Jahre später besuchten die jungen Schwestern dieser Poeten die gleichen Schulen und niemand fand es mehr ungewöhnlich. Viele Tausend Frauen verdanken der Gründung der äußerlich so anspruchslosen Schule in Nieder-Ofleiden ihre gediegenen hauswirtschaftlichen Kenntnisse und einen ausfüllenden Lebensberuf. Die vier Frauen hatten den notwendigen Mut, die zähe Ausdauer, den Idealismus und die gläubige Demut als bewegende Kräfte zur Überwindung alle Schwierigkeiten, die sich dem vorgenommenen Werk anfangs entgegenstellten. Somit besteht die spätere Ausdeutung der Bezeichnung doch zu recht. Die Veröffentlichung von Beiträgen und Fotos ist nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Verbandes gestattet. Ina Farwick, 1. Vorsitzende des Reifensteiner Verbandes e.V., E-Mail: [email protected]