Oberlandesgericht Karlsruhe. Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 17 U 57/14 4 O 305/13 Landgericht Karlsruhe Verkündet am 14. April 2015 Hoffmann, JSin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle Oberl...
Author: Hans Brandt
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Geschäftsnummer: 17 U 57/14 4 O 305/13 Landgericht Karlsruhe

Verkündet am 14. April 2015 Hoffmann, JSin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Oberlandesgericht Karlsruhe 17. Zivilsenat

Im Namen des Volkes Urteil Im Rechtsstreit H. O. - Kläger / Berufungskläger -

gegen

H. A. S. vertreten durch d. Geschäftsführer - Beklagte / Berufungsbeklagte -

wegen Widerrufs hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 03. März 2015 unter Mitwirkung von Vors. Richter am Oberlandesgericht Dr. Müller-Christmann Richter am Oberlandesgericht Dr. Klein Richter am Landgericht Dr. Henning für

Recht

erkannt:

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1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 31. März 2014 - 4 O 305/13 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen abgeändert wie folgt:

a) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.731,93 EUR zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.09.2013 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übertragung aller Rechte des Klägers aus der Beteiligung an der M. B. GmbH & Co. V. KG im Nennwert von 25.000 EUR an die Beklagte. b) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 657,36 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.09.2013 zu bezahlen. c) Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der angebotenen Übertragung der Beteiligung des Klägers an der M. B. GmbH & Co. V. KG im Nennwert von 25.000,00 EUR im Annahmeverzug befindet. d) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger im Zusammenhang mit dem bezüglich einer Kommanditbeteiligung im Nennbetrag von 25.000 an der M. B. GmbH & Co V. KG abgeschlossenen Treuhandvertrag von jedweder Inanspruchnahme durch Gläubiger der Gesellschaft, der Gesellschaft oder deren Gesellschafter freizustellen. e) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. f) Die (Hilfs-)Widerklage der Beklagten wird abgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. 4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 4.300,53 EUR festgesetzt.

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Gründe I. Der Kläger verlangt von der Beklagten (einer 100 %igen Tochtergesellschaft der L. H.-T. in D./I.; bis 08.12.2013 H. D. L. H.-T. I., heute H. A. S.) die Rückabwicklung eines Finanzierungsvertrags Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte des Klägers aus der finanzierten Beteiligungen an einem Filmfonds.

Mit Zeichnungsschein vom 29.11.2003 (Anlage K 1) beteiligte sich der Kläger, ein damals 44-jähriger Diplomingenieur, mit 25.000 EUR an der M. B. GmbH & Co. V. KG (im Folgenden: M. I, Fonds), wobei er 11.000 EUR davon durch Begebung einer Inhaberschuldverschreibung über die Beklagte finanzierte. Der Begebungsvertrag ist ebenso wie eine Muster-Widerrufsbelehrung im Fondsprospekt (Anlage K 2) enthalten, der dem Kläger vorlag. Im Zeichnungsschein selbst ist keine Widerrufsbelehrung enthalten, sondern nur ein Hinweis auf das Widerrufsrecht. Der Kläger bestätigte durch gesonderte Unterschrift, die Vertragsunterlagen inklusive den Beteiligungsprospekt sowie die beiden Widerrufsbelehrungen (bezüglich der Beitrittsvereinbarung und bezüglich des Begebungsvertrags) erhalten und zur Kenntnis genommen zu haben.

Die Widerrufsbelehrung zum Begebungsvertrag lautet auszugsweise wie folgt: „ Widerrufsrecht Sie können Ihre (1) in der Beitrittsvereinbarung enthaltenen, auf die Aufnahme der Fremdfinanzierung (Vertrag über die Begebung und Übernahme einer Inhaberschuldverschreibung) gerichteten Willenserklärungen an den Treuhänder/Verwalter ab Unterzeichnung dieser Beitrittsvereinbarung und (2) die in Ihrem Namen von dem Treuhänder/Verwalter abgegebenen Willenserklärungen zur Aufnahme der Fremdfinanzierung (Vertrag über die Begebung und Übernahme einer Inhaberschuldverschreibung) innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, eMail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an …“

Der Kläger erzielte mit der Fondsbeteiligung Steuervorteile. Zudem erhielt er Ausschüttungen aus der Fondsbeteiligung in Höhe von insgesamt 11.119,47 EUR (zuzüglich einer weiteren Ausschüttung im Verlauf des Berufungsverfahrens von 568,60 EUR am

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10.02.2015).

Mit Schreiben vom 07.02.2013 (Anlage K 3) widerrief der Kläger den mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag.

Mit der am 21.08.2013 eingereichten und der Beklagten am 12.09.2013 zugestellten Klage hat der Kläger Rückabwicklung beansprucht, wobei er die Erstattung der erbrachten Eigenleistung (inkl. Agio) abzüglich erhaltener Ausschüttungen Zug um Zug gegen Rückübertragung der Fondsbeteiligung, die Erstattung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten, die Feststellung des Annahmeverzugs sowie der Freistellung von etwaigen Nachschusspflichten aus Darlehen und Kommanditistenbeteiligung verlangt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Widerrufsbelehrungen seien fehlerhaft, weil die Widerrufsbelehrung nicht dem Deutlichkeitsgebot entspreche und es nicht gesichert sei, dass der Anleger die Widerrufsbelehrung im Prospekt zur Kenntnis nehme. Der Beginn der Widerrufsfrist sei unklar. Deswegen laufe keine Widerrufsfrist. Da die Belehrungen nicht dem damals geltenden Muster der Anlage 2 zur BGB-Info-Verordnung (BGBInfoV) entsprochen hätten, genieße die Beklagte keinen Vertrauensschutz.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat insbesondere geltend gemacht, ein etwaiges Widerrufsrecht des Klägers sei jedenfalls verwirkt. Der Finanzierungsbetrag sei bereits Ende des Jahres 2009 vollständig zurückgeführt worden. Der Widerruf sei erst im Februar 2013 ausgeübt worden, also mehr als neun Jahre nach Zeichnung. Zudem genieße sie Vertrauensschutz, da die Fondsgesellschaft sich bei Abfassung der Widerrufsbelehrung an die damalige BGB-Info-Verordnung gehalten habe.

Die Beklagte hat ferner Hilfswiderklage erhoben mit dem Ziel festzustellen, dass der Kläger sämtliche erzielten und ihm verbleibenden Steuervorteile an sie herauszugeben habe. Denn er habe außergewöhnlich hohe Steuervorteile erzielt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und ihrer Rechtsausführungen sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Zwar sei die seinerzeit

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verwendete Belehrung über das Widerrufsrecht unwirksam gewesen. Doch habe der Kläger sein Widerrufsrecht angesichts der vollständigen Rückführung der Finanzierung nach Treu und Glauben verwirkt.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er die erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. In Höhe der während des Berufungsverfahrens erfolgten weiteren Ausschüttung haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung. Sie hält auch im Berufungsrechtszug an der erstinstanzlichen Hilfswiderklage fest. Sie macht weiterhin geltend, Ansprüche des Klägers seien schon dem Grunde nach nicht gegeben, jedenfalls aber verwirkt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf die in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die nach der mündlichen Verhandlung eingekommenen Schriftsätze der Beteiligten haben keine Veranlassung gegeben, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig und hat auch in der Sache überwiegend Erfolg.

Im Streitfall erfolgt eine Rückabwicklung aufgrund verbraucherkreditrechtlichen Widerrufs, nachdem der Kläger seine auf den Abschluss des Finanzierungsvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen hat (1.). Von einer Verwirkung des Widerrufsrechts oder der Ansprüche des Klägers aus dem Rückabwicklungsverhältnis ist nicht auszugehen. Denn es fehlt jedenfalls an dem für die Verwirkung erforderlichen Umstandsmoment (2.). Hinsichtlich der vom Kläger hieraus abgeleiteten Rechtsfolgen ist das Klagebegehren überwiegend begründet (3., 4.). Die hilfsweise erhobene Feststellungswiderklage der Beklagten, über die zu entscheiden ist, ist unzulässig (5.).

1. Dem Kläger stand hinsichtlich des Finanzierungsvertrages ein Widerrufsrecht nach

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den §§ 491 Abs. 1, 495 Abs. 1, 355 BGB in der bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) zu, welches er mit seiner Erklärung vom 07.02.2013 (Anlage K 3) wirksam ausgeübt hat. Die Widerrufserklärung des Klägers ist auch rechtzeitig erfolgt, weil mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung der Lauf der Widerrufsfrist nicht begonnen hatte (§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB aF i.V. mit Art. 229 § 9 Abs. 1 Satz 1 EGBGB).

a) Die Belehrung über das Widerrufsrecht für die Finanzierungsvertragserklärung des Klägers war unzutreffend. Denn sie ließ den Kläger bei der Beurteilung, ab wann die Widerrufsfrist läuft, im Unklaren und konnte ihn deshalb von der Ausübung des Widerrufs abhalten. Folge ist, dass die 14-tägige Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt wurde (§ 355 Abs. 3 Satz 3 BGB aF) und der Kläger den Widerruf auch noch im Jahr 2013 wirksam erklären konnte.

Nach § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB aF beginnt die Widerrufsfrist mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm seine Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt worden ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss die Widerrufsbelehrung umfassend, unmissverständlich und für den Verbraucher eindeutig sein. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Er ist deshalb auch über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren.

Die von der Beklagten bei der Widerrufsbelehrung verwendete Formulierung, die Frist „beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“, genügt, wie mehrere Senate des Bundesgerichtshofs bereits wiederholt entschieden haben, nicht diesen Anforderungen des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB aF. Die Formulierung informiert den Verbraucher nicht richtig über den nach § 355 Abs. 2 BGB aF maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist und die zeitlichen Grenzen des Widerrufsrechts, weil sie nicht umfassend und zudem irreführend ist. Die Verwendung des Wortes „frühestens“ ermöglicht es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn ohne Weiteres zu erkennen. Er vermag ihr lediglich zu entnehmen, dass die Widerrufsfrist „jetzt oder später“ beginnen, der Beginn des Fristlaufs also noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll. Der Verbraucher wird damit darüber im Unklaren gelassen, um wel-

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che etwaigen Umstände es sich dabei handelt (BGH, Urteil vom 09.12.2009 - VIII ZR 219/08, WM 2010, 721 Rn. 13, 15; Urteil vom 29.04.2010 - I ZR 66/08, WM 2010, 2126 Rn. 21; Urteil vom 01.12.2010 - VIII ZR 82/10, WM 2011, 86 Rn. 12; Urteil vom 02.02.2011 - VIII ZR 103/10, WM 2011, 474 Rn. 14; Urteil vom 28.06.2011 - XI ZR 349/10, WM 2011, 1799 Rn. 34; Urteil vom 01.03.2012 – III ZR 83/11, NZG 2012, 427 Rn. 15).

Ohne klarstellenden Zusatz über den konkreten Beginn der Widerrufsfrist liegt ein Verstoß gegen das Deutlichkeitsgebot vor (vgl. BGH, Urteil vom 02.02.2011 VIII ZR 103/10, WM 2011, 474 Rn. 15).

Die Belehrung ist auch deshalb unwirksam, weil der Finanzierungsvertrag schriftlich abzuschließen war (§ 492 BGB). Ist aber der Vertrag schriftlich abzuschließen, so beginnt gemäß § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB aF die Frist nicht zu laufen, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt werden. Der Widerrufsbelehrung muss bei Schriftform des Vertrags also eindeutig zu entnehmen sein, dass der Lauf der Widerrufsfrist zusätzlich zu dem Empfang der Widerrufsbelehrung erfordert, dass der Verbraucher im Besitz einer seine eigene Vertragserklärung enthaltenden Urkunde ist (BGHZ 180, 123 = WM 2009, 932 Rn. 15). Daran fehlt es im Streitfall ebenfalls.

b) Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes mit Blick auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV (mit dem Muster der Anlage 2 in der bis zum 31.03.2008 geltenden Fassung, BGBl. I 2004, 3102) berufen. Der Bundesgerichtshof hat zwar mit Entscheidung vom 15.08.2012 (WM 2012, 1886 Rn. 14) klargestellt, dass sich der Verwender der Musterbelehrung auf die Schutzvorschrift des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen kann. Das gilt jedoch nur im Falle vollständiger Identität der erfolgten Belehrung mit der vorgenannten Musterbelehrung, sowohl inhaltlich als auch der äußeren Gestaltung nach (BGH, WM 2012, 1668 Rn. 14 ff.; WM 2011, 1799 Rn. 36, 37 m.w.N.).

An einer solchen Identität fehlt es hier. Die Beklagte hat für die Widerrufsbelehrung bezüglich der Darlehensvertragserklärung des Kreditkunden kein Formular verwendet, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BGB-InfoV in der

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damaligen Fassung in jeder Hinsicht, also vollständig, entspricht.

In der Widerrufsbelehrung Nr. 2 (zum Finanzierungsvertrag) heißt es nicht, wie in der Musterbelehrung, „Sie können Ihre Vertragserklärung …“, sondern „Sie können Ihre in der Beitrittsvereinbarung enthaltene, auf die Aufnahme der Fremdfinanzierung … gerichteten Willenserklärungen …“ widerrufen. In der Widerrufsbelehrung fehlt ferner unter „Widerrufsfolgen“ der in der Erläuterung Nr. 6 der Musterbelehrung für Finanzdienstleistungen, wie der hier vorliegenden Finanzierungsvereinbarung, vorgesehene Satz: „Dies kann dazu führen, dass Sie die vertraglichen Zahlungsverpflichtungen für den Zeitraum bis zum Widerruf gleichwohl erfüllen müssen“.

Damit fehlt es an der vollständigen inhaltlichen und äußeren Übereinstimmung, an die die Fiktionswirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV anknüpft. Entscheidend für die Frage, ob die Belehrung der Musterbelehrung in jeder Hinsicht entspricht, ist allein, ob der Unternehmer den vom Verordnungsgeber entworfenen Text der Musterbelehrung bei der Abfassung der Widerrufsbelehrung einer eigenen inhaltlichen Überarbeitung unterzogen hat. Greift der Unternehmer in den ihm zur Verfügung gestellten Mustertext selbst ein, kann er sich auf eine mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung nicht berufen. Das gilt, wie der Bundesgerichtshof entschieden hat (BGH, NZG 2012, 427 Rn. 17; ebenso WM 2011, 1799, Rn. 37 ff., 39), unabhängig von dem konkreten Umfang der durch den Unternehmer vorgenommenen Änderungen, zumal sich schon mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher individueller Veränderungen des Musters keine verallgemeinerungsfähige Grenze ziehen lässt, bis zu der die Schutzwirkung noch gelten kann und bei deren Überschreitung sie entfallen soll.

2. Zu Unrecht hat das Landgericht angenommen, die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Kläger sei verwirkt gewesen. Verwirkung setzt voraus, dass der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre, und dass der Gegner sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde, und die verspätete Geltendmachung daher gegen Treu und Glauben verstößt (vgl. etwa BGH, WM 2004, 2491 Rn. 23).

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In diesem Zusammenhang verweist die Beklagte ohne Erfolg auf den bloßen Zeitablauf vom Vertragsschluss bis zur Erklärung des Widerrufs. Auch wenn im Streitfall zwischen der auf den Abschluss des Finanzierungsvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers vom 29.11.2003 und der Erklärung des Widerrufs am 07.02.2013 über neun Jahre lagen, kommt es darauf nicht entscheidend an. Neben dem „Zeitmoment“ ist für die Annahme einer Verwirkung auch ein „Umstandsmoment“ erforderlich. Hierfür müssen besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde. Nach diesem Maßstab fehlt es im Streitfall an hinreichenden, das „Umstandsmoment“ begründenden Tatsachen, so dass eine Verwirkung nicht bejaht werden kann. Zum einen kann die Beklagte ein schutzwürdiges Vertrauen hier schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilte (BGH, WM 2014, 1030). Dies muss auch im Fall der „bloß fehlerhaften“ (Habersack/Schürnbrand, ZIP 2014, 749 [754 f. ]) Widerrufsbelehrung gelten, da das Gesetz nur zwischen wirksamer und unwirksamer Belehrung unterscheidet. Auch hätte es die Beklagte jederzeit in der Hand gehabt, durch eine nachträglich erteilte wirksame Belehrung den Lauf der - dann auf einen Monat verlängerten - Frist in Gang zu setzen und den Schwebezustand zu beenden (vgl. § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB aF; OLG Frankfurt/M., Urteil vom 25.10.2000 9 U 59/00, juris Rn. 31; OLG Brandenburg, Urteil vom 21.08.2013 - 6 U 55/08, juris Rn. 62; Soergel/Pfeiffer, BGB, 13. Aufl., § 355 Rn. 60).

Schließlich ändert auch der Umstand, dass der Kläger den Widerruf erst über drei Jahre nach vollständiger Rückführung der Finanzierung erklärt hat, daran nichts (aA OLG Frankfurt/M., Urteil vom 19.11.2014 - 19 U 74/14). Entgegen der Rechtsauffassung der Berufung ist insoweit auch der Verjährungsregel des § 199 BGB (gemeint wohl: § 195 BGB) schon deshalb kein entsprechender Rechtsgedanke - Verwirkung ab einem Zeitraum von über drei Jahren zwischen vollständiger Rückführung des Darlehens und Widerrufserklärung - zu entnehmen, weil die dreijährige Regelverjäh-

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rung kenntnisabhängig ausgestaltet ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Ohnehin konnte sich die Beklagte seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 8. Dezember 2009 (VIII ZR 219/08, WM 2010, 721) nicht auf den Bestand der Verträge einrichten, weil ihr seit diesem Zeitpunkt die Unwirksamkeit der von ihr verwendeten Belehrung bekannt sein musste. Seit dem Jahr 2012 gingen bei der Beklagten im Übrigen bereits zahlreiche Widerrufe von Anlegern ein, sie musste daher ohne weiteres damit rechnen, dass aufgrund der unzulänglichen Widerrufsbelehrung weitere Widerrufserklärungen von anderen Anlegern eingehen würden. Zudem kann im Streitfall trotz vollständiger Rückführung der Finanzierung nicht ohne Weiteres - wie von der Beklagten zur Begründung des Umstandsmoments herangezogen - von einem vollständig abgeschlossenen Lebenssachverhalt ausgegangen werden. Im vorliegenden Fall eines verbundenen Geschäfts ist vielmehr die fortbestehende Fondsbeteiligung in die Betrachtung miteinzubeziehen, deren Finanzierung die für sich genommen vollständig rückgeführte Begebung einer Inhaberschuldverschreibung diente (vgl. BGH, WM 2004, 2491 Rn. 19).

3. Der Finanzierungsvertrag hat sich durch den wirksamen Widerruf in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt. Danach hat der Kläger als Verbraucher gegen die Beklagte als finanzierende Bank einen Anspruch auf Rückerstattung aller aus seinem Vermögen an Finanzierungsgeber und Unternehmer erbrachten Leistungen. Hierzu gehören neben etwaigen an den Übernehmer der Inhaberschuldverschreibung erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen auch die Zahlungen, die er aus eigenem Vermögen an den Unternehmer geleistet hat (§§ 357, 358, 346 ff. BGB aF). Hiernach steht dem Kläger ein Anspruch auf Rückzahlung gemäß seinem Zahlungsantrag zu, dessen Höhe von der Beklagten nicht bestritten ist. Steuervorteile muss sich der Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten hierauf nicht anrechnen lassen.

a) Bei dem hier gegebenen verbundenen Geschäft i.S. von § 358 Abs. 3 BGB führt der Widerruf des Klägers dazu, dass die Beklagte nach § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB im Verhältnis zum Kläger in die Rechte und Pflichten der jeweiligen Fondsgesellschaft aus dem verbundenen Vertrag eintritt (sog. bilaterale Rückabwicklung allein im Verhältnis zwischen Darlehensgeber und Verbraucher; vgl. BGHZ 180, 123 = WM 2009, 932 Rn. 26). Ist die Beteiligung an der Fondsgesellschaft - wie hier nicht vollständig fremdfinanziert, hat der Darlehensgeber dem Verbraucher dessen aus eigenen Mitteln an die Gesellschaft gezahlten Eigenanteile zu erstatten (BGHZ

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180, 123 = WM 2009, 932 Rn. 27).

Der Kläger hat in den Fonds 14.000 EUR zzgl. Agio von 420 EUR eingelegt. Darauf sind, was der Kläger berücksichtigt hat, jeweils die Fondsausschüttungen anzurechnen, deren Höhe von der Beklagten nicht bestritten wird. Dies sind insgesamt 11.119,47 EUR zuzüglich der im Berufungsverfahren noch mitgeteilten Ausschüttung vom 10.02.2015 in Höhe von 568,60 EUR. Die Berechnung der Rückabwicklungsforderung ergibt somit eine Schuld der Beklagten von 2.731,93 EUR. Der Kläger kann die Rückabwicklung nur Zug um Zug gegen Übertragung der jeweiligen Fondsanteile an die Beklagte verlangen (§ 348 BGB). Dies hat er in seinem Klageantrag zutreffend berücksichtigt, so dass antragsgemäß zu entscheiden war. Ferner war hinsichtlich der angebotenen Anteilsübertragung der Annahmeverzug der Beklagten festzustellen, die sich ernsthaft und endgültig der Erfüllung der berechtigten Forderungen des Klägers verweigert hat.

Die beanspruchte Verzinsung mit dem gesetzlichen Zinssatz ist unter dem Gesichtspunkt der Prozesszinsen (§§ 291, 288 BGB) und als Nutzungsentschädigung gerechtfertigt (§§ 357, 346 Abs. 1 BGB). Zwar sind nach § 346 Abs. 1 BGB nur tatsächlich gezogene Nutzungen herauszugeben. Bei Zahlungen an eine Bank besteht aber eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Bank Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gezogen hat, die sie als Nutzungsersatz herausgeben muss (BGHZ 180, 123 = WM 2009, 932 Rn. 29).

b) Auf seine Rückabwicklungsansprüche muss sich der Kläger keine Steuervorteile anrechnen lassen.

Zwar sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erhaltene Steuervorteile auch bei einem wirksamen Widerruf der Vertragserklärung (in entsprechender Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung wie bei Schadensersatzansprüchen) grundsätzlich gegenzurechnen (BGHZ 172, 147 = NJW 2007, 2401; vgl. auch OLG Stuttgart, BB 2012, 330). Dies gilt aber nur, soweit sie unverfallbar sind und der Widerrufende die Ersatzleistung nicht versteuern muss. Denn er soll durch den Widerruf nicht besser stehen als ohne den Vertragsabschluss.

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Ob eine spätere Minderung oder Beseitigung des eingetretenen Vermögensschadens den Schadensersatzanspruch beeinflusst, ist nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung zu beurteilen. Danach sind Wegfall oder Minderung des Schadens nur insoweit zu berücksichtigen, als sie in einem adäquat-ursächlichen Zusammenhang zu dem schädigenden Ereignis stehen. Außerdem muss die Anrechnung dem Zweck des Schadensersatzes entsprechen und darf weder den Geschädigten unzumutbar belasten noch den Schädiger unbillig entlasten. Zu solchen auf den Schadensersatzanspruch eines Geschädigten anzurechnenden Vorteilen gehören grundsätzlich auch Steuern, die der Geschädigte infolge der Schädigung erspart hat (BGH, WM 2010, 1641 Rn. 35).

Bei der Betrachtung möglicher Steuervorteile muss allerdings auch berücksichtigt werden, ob dem Geschädigten aus der Zuerkennung eines Schadensersatzanspruchs und dessen Gestaltung steuerliche Nachteile erwachsen, sei es durch eine Nachforderung des Finanzamts, sei es durch eine Besteuerung der Schadensersatzleistung (BGH, WM 2010, 1641 Rn. 36). Eine Anrechnung von Steuervorteilen kommt grundsätzlich nicht in Betracht, wenn die Rückabwicklung des Erwerbs zu einer Besteuerung führt, die dem Geschädigten die erzielten Steuervorteile wieder nimmt (BGH, WM 2006, 174; WM 2008, 350; WM 2010, 1310; WM 2010, 1641; WM 2010, 1555; WM 2011, 740 Rn. 8). Da das Gericht über die Höhe des Schadens unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles nach freier Überzeugung zu entscheiden hat und eine exakte Errechnung von Steuervorteilen unter Gegenüberstellung der tatsächlichen mit der hypothetischen Vermögenslage angesichts der vielfältigen Besonderheiten und Möglichkeiten der konkreten Besteuerung und ihrer unterschiedlichen Entwicklung in verschiedenen Besteuerungszeiträumen häufig einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert, müssen in der Regel keine Feststellungen dazu getroffen werden, in welcher genauen Höhe sich die Versteuerung der Schadensersatzleistung auswirkt (BGH, WM 2011, 740 Rn. 8). Etwas anderes gilt nur dann, wenn Umstände vorhanden sind, auf deren Grundlage dem Geschädigten auch unter Berücksichtigung der Steuerbarkeit der Ersatzleistung außergewöhnlich hohe Steuervorteile verbleiben (BGH, WM 2006, 174; WM 2010, 350; WM 2010, 1310; WM 2010, 1641; WM 2011, 740 Rn. 9; WM 2012, 1293 Rn. 43). Die Darlegungs- und Beweislast für solche Umstände trägt der Schädiger; allerdings trifft den Geschädigten insoweit eine sekundäre Darlegungslast (BGH, WM 2010, 1641 Rn. 45; WM 2010, 1555 Rn. 22/23).

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Soweit die Beklagte geltend macht, dass die sich aus der dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergebenden Beschränkungen bei der Durchführung des Vorteilsausgleichs allenfalls im Schadensersatzrecht zu berücksichtigen seien, nicht aber im Rahmen einer Rückabwicklung auf der Basis der Ausübung eines gesetzlichen Widerrufsrechts, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zutreffend ist zwar, dass der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang von nicht hinnehmbaren Erschwerungen der Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs spricht; denn dem Geschädigten werde angesonnen, bereits im anhängigen Verfahren die Abtretung seiner Ansprüche aus der Beteiligung Zug um Zug gegen eine nicht vollständige Schadensersatzleistung anzubieten, obwohl er nicht den vollen ihm gebührenden Ersatz erhalte; er müsste über einen weiteren Zeitraum das Risiko tragen, dass der Schädiger die noch ausstehende Ersatzleistung erbringen wird (BGH, WM 2010, 1641 Rn. 38). Dem Bundesgerichtshof geht es hier insbesondere darum, dem Geschädigten nicht das Insolvenzrisiko des Schädigers aufzubürden (BGH, WM 2011, 740 Rn. 10 f.).

Allerdings hat der Bundesgerichtshof auch ausgeführt, dass die Rechtsprechung zur Anrechnung oder Nichtanrechnung von Steuervorteilen auch dazu diene, die Zivilgerichte in die Lage zu versetzen, über Schadensersatzansprüche abschließend zu erkennen, ohne sich mit steuerlich außerordentlich komplexen Gestaltungen im Detail auseinandersetzen und die nur schwer abzusehende künftige Besteuerung der Ersatzleistung vorwegnehmen zu müssen (BGH, WM 2010, 1641 Rn. 37). Zweck der pauschalierenden Betrachtungsweise sei es, unter Außerachtlassung der vielfältigen Besonderheiten der konkreten Besteuerung einmalig und abschließend über den Ersatzanspruch zu entscheiden; damit einhergehende Unschärfen seien hinzunehmen (BGH, Urteil vom 23.09.2014 - XI ZR 215/13 - juris Rn. 39). Diese Erwägungen gelten indes nicht nur für Schadensersatzansprüche, sondern gleichermaßen für Ansprüche im Rahmen einer Rückabwicklung nach den §§ 355 ff., 346 ff. BGB aF. So ist der Bundesgerichtshof auch selbst schon davon ausgegangen, dass für die Rückabwicklung nach der Ausübung eines Widerrufsrechts nach dem Haustürwiderrufsgesetz hinsichtlich der Anrechnung von Steuervorteilen nichts anderes gilt als bei einem Schadensersatzanspruch (BGH, WM 2007, 1173 Rn. 20 ff., insbesondere Rn. 27; vgl. dazu Wolters, BKR 2007, 332 ff.). Nach Auffassung des Senats ist aus den vom Bundesgerichtshof dargestellten

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Gründen eine Gleichbehandlung insoweit auch im Falle eines verbraucherkreditrechtlichen Widerrufs geboten (ebenso OLG Stuttgart, Urteil vom 29.12.2011 - 6 U 79/11, bei juris Rn. 51; zustimmend Podewils, jurisPR-BKR 3/2012 Anm. 4 unter B.).

Für die Entscheidung ist zugrunde zu legen, dass die vom Kläger geltend gemachte Erstattungsleistung der Besteuerung unterliegt. Bei dem hier in Rede stehenden Fonds handelt es sich um einen gewerblich tätigen Medienfonds in Form einer Kommanditgesellschaft (KG). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind alle Zahlungen, die ein Anleger bzw. Kommanditist im wirtschaftlichen Zusammenhang mit seiner Beteiligung an einer KG erhält, Betriebseinnahmen gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Steht auch eine Ersatzleistung in einem solchen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Kommanditbeteiligung, muss sie dem gewerblichen Bereich zugeordnet und als Betriebseinnahme nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG versteuert werden (BGH, WM 2006, 174; WM 2010, 1641 Rn. 36). Steuerbar ist insoweit nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG der Gewinnanteil an der Kommanditgesellschaft; nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG steuerbar ist auch der hier in Betracht zu ziehende Gewinn aus der Veräußerung der Fondsanteile (vgl. zur Aufgabe der Beteiligung Zug um Zug gegen die Ersatzleistung und zur Versteuerung des sog. „Aufgabegewinns“ nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG etwa BGH, NJW 1990, 571; WM 2010, 1641 Rn. 36, 40, 50; Podewils, DStR 2009, 752 ff., 754).

Auch wenn man der Beklagten konzediert, dass die Rückabwicklung in Form der Rückerstattung des Eigenkapitals kein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 EStG darstellt (vgl. hierzu BFH, Urteil vom 27.06.2006 IX R 47/04 = BFHE 214, 267 = NJW 2006, 3743), ändert dies nichts daran, dass die Rückabwicklung des Fondserwerbs ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft i.S. des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist (vgl. BGH, WM 2010, 1641 Rn. 52; OLG Stuttgart, a.a.O. Rn. 55).

Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten verbleiben dem Kläger in Folge der steuerbaren Rückabwicklung damit keine außergewöhnlich hohen Steuervorteile.

Keine Bedeutung kommt demgegenüber im Ergebnis dem Umstand bei, dass der

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Kläger in der Anfangsphase nach Fondsbeitritt gemäß dem Anlagemodell außergewöhnlich hohe Steuervorteile erzielte. Nach der Konzeption des Fonds stellen die Filmherstellungskosten sofort abzugsfähige Betriebsausgaben der Produktionsgesellschaften dar, welche im Ergebnis den einzelnen Gesellschaftern zugerechnet werden. In Verbindung mit den durch die Zinsausgaben für die (teilweise) Fremdfinanzierung erhöhten sich daher die Verluste (Betriebsausgaben) so weit, das die aus der Verlustverrechnung folgende Steuererstattung den Eigenkapitalanteil des Klägers überstieg.

Unter Berücksichtigung der Ursache für die außergewöhnlichen Steuervorteile am Beginn des Fonds, dass nämlich die Steuererstattung des Klägers nur deshalb das eingesetzte Eigenkapital überstieg, weil der Kläger die Beteiligungen teilweise fremdfinanzierte und deshalb auch die Zinsen als zusätzliche Betriebsausgaben steuerlich geltend machen konnte, stellt sich die Besteuerung der Rückflussleistung differenzierter dar, als die Beklagte annimmt. Denn im Zuge der Rückabwicklung kommt es auch zur Rückzahlung dieser steuerwirksamen Zinsleistungen und damit zu steuerpflichtigen Betriebseinnahmen. Ihre Anrechnung scheidet nach den dargelegten höchstrichterlichen Rechtsgrundsätzen daher aus (vgl. auch Podewils, juris PR-BKR 3/2012 Anm. 4 unter C.).

4. Die weiteren vom Kläger geltend gemachten Rechtsfolgen sind überwiegend gegeben.

a) Die Beklagte befand sich nach privatschriftlicher Fristsetzung durch den Kläger (Anlage K 3) und Verweigerung der Rückabwicklung durch die Beklagte (Anlage K 4) im Verzug (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten besteht jedoch unter Berücksichtigung der bis zum Zeitpunkt der Beauftragung eines Rechtsanwalts durch den Kläger im Februar 2013 bereits erfolgten Ausschüttungen lediglich aus dem um diese reduzierten Gegenstandswert in Höhe von 7.793,63 EUR (zur weiteren Berechnung s. Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 RVG in der bis zum 31.07.2013 geltenden Fassung).

b) Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs liegen vor (§§ 293 ff. BGB).

c) Der Feststellungsantrag hinsichtlich des Finanzierungsvertrags (Klagantrag Zif-

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fer 2) ist unzulässig. Der Kläger hat nicht dargelegt und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass die Beklagte sich ihm gegenüber eines Anspruchs aus dem Vertrag berühmt hätte. Die Beklagte ist vielmehr ausdrücklich davon ausgegangen, dass der Darlehensvertrag bereits vollständig erfüllt wurde und keiner Vertragspartei mehr Rechte aus diesem Vertrag zustehen.

d) Der Feststellungsantrag hinsichtlich der Kommanditistenhaftung (Klagantrag Ziffer 5) ist zulässig. Die Möglichkeit der unmittelbaren Inanspruchnahme durch Gläubiger der Gesellschaft im Zuge einer wiederauflebenden Kommanditistenhaftung (§ 172 Abs. 4 HGB) sowie durch die Gesellschaft oder die Mitgesellschafter selbst ist im Streitfall des noch nicht abgewickelten Fonds hinreichend dargetan.

Der Antrag ist auch begründet. Ein Kreditnehmer ist zum Schutz seiner Entscheidungsfreiheit, ob er den Kreditvertrag widerrufen will oder nicht, bei einem verbundenen Geschäft von Belastungen durch das finanzierte Geschäft freizustellen, um ihm das wirtschaftliche Risiko des Fondsbeitritts zu nehmen (BGHZ 167, 252 Rn. 20; BGH, WM 2011, 261 Rn. 16). Nichts anderes ergibt sich aus dem von der Berufung angeführten Hinweisbeschluss des Bundesgerichtshofs vom 17.12.2014 - XI ZR 368/13 (Anlage BB 25). Der Bundesgerichtshof führt darin lediglich aus, dass der Kreditnehmer keinen Anspruch auf Einbehalt bereits erhaltener Ausschüttungen hat, um dem lediglich möglichen Risiko einer Haftung gegenüber Gesellschaftsgläubigern zu begegnen.

5. Die auf Feststellung gerichtete Hilfswiderklage ist bereits unzulässig. Sie hat nach dem Antrag der Beklagten allein Steuervorteile des Klägers zum Gegenstand, die bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung angefallen sind. Sie zielt damit auf einzelne Voraussetzungen/Elemente eines einheitlich zu behandelnden Rückabwicklungsanspruchs, über deren Bestehen oder Nichtbestehen bereits mit der Klage entschieden worden ist (vgl. BGH, WM 2012, 1293 Rn. 39).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 91a Abs. 1 ZPO. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit hat §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO zur Grundlage.

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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht vor. Insbesondere ist die Zulassung der Revision auch unter Berücksichtigung des Urteils des Oberlandesgerichts Frankfurt/M. vom 19.11.2014 (19 U 74/14) nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Eine Divergenz bei der Beantwortung abstrakter Rechtsfragen besteht nicht (vgl. BGHZ 151, 42; BeckOK/KessalWulf, ZPO, Stand 1.1.2015, § 543 ZPO Rn. 26).

Gemäß § 63 Abs. 2 GKG war der Streitwert für den Berufungsrechtszug festzusetzen. Er bemisst sich anhand des mit der Berufung zunächst geltend gemachte Zahlungsbetrags in Höhe von 3.300,53 EUR zuzüglich 1.000 EUR hinsichtlich des Feststellungsantrags/Klagantrags Ziffer 5; im Übrigen war den Anträgen kein eigener Streitwert beizumessen.

Dr. Müller-Christmann Vors. Richter am Oberlandesgericht

Dr. Henning Richter am Landgericht

Dr. Klein Richter am Oberlandesgericht

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