Geschäftsnummer:
Verkündet am
15 U 89/14 3 O 13/13 Landgericht Mosbach
17. April 2015 Bernhart, JFA als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Oberlandesgericht Karlsruhe 15. Zivilsenat
Im Namen des Volkes Urteil Im Rechtsstreit D. V. AG vertreten durch d. alleinvertretungsberechtigten Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. P. . - Klägerin / Berufungsklägerin . gegen H. K. . - Beklagter / Berufungsbeklagter . wegen Unterlassung u.a. hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 01. April 2015 unter Mitwirkung von
Vors. Richter am Oberlandesgericht Heister Richterin am Oberlandesgericht Dittmar Richterin am Oberlandesgericht Dr. Pernice für
Recht
erkannt:
–2–
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 08.08.2014 - 3 O 13/13 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angegriffene Urteil des Landgerichts ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
–3–
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen den Beklagten, ihren ehemaligen Handelsvertreter, im Zusammenhang mit einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot verschiedene Ansprüche geltend.
Die Klägerin vermittelt als Vertriebsgesellschaft im Rahmen ihres Allfinanzangebotes alle wesentlichen Formen von Finanzdienstleistungen, insbesondere gewerbliche und private Finanzierungen, eine Vielzahl von Spar- und Anlageformen sowie Versicherungsverträge. Ausweislich des V.vertrags vom 25.05./14.06.2007 (I As. 9, K 1) war der Beklagte als Handelsvertreter für die Klägerin tätig. In diesem Vertrag wurde unter Ziffer V. Folgendes geregelt: "Der V. ist verpflichtet, die Interessen der Gesellschaft zu wahren, wie es ihm durch § 86 I HGB aufgegeben ist. Er hat ferner jede Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen oder die Vermittlung von Vermögensanlagen, die nicht zur Produktpalette der Gesellschaft gehören, ebenso zu unterlassen wie das Abwerben von V.beratern oder anderen Mitarbeitern oder Kunden der Gesellschaft oder dies alles auch nur zu versuchen. Der V.berater verpflichtet sich, es für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses zu unterlassen, der Gesellschaft V.berater, andere Mitarbeiter oder Kunden abzuwerben oder dies alles nur zu versuchen. Verstößt der V.berater gegen auch nur eines der vorstehenden Verbote, so hat er für jeden Fall der Zuwiderhandlung an die Gesellschaft eine Vertragsstrafe in Höhe von 25.000,00 Euro zu zahlen, und zwar auch für jeden erfolglos gebliebenen Versuch. Diese Vertragsstrafe ist der Höhe nach auf einen Betrag beschränkt, der den sechsmonatigen Provisionsbezügen des V.beraters - errechnet nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahre vor dem Verstoß - entspricht. Weitergehende Schadensersatzansprüche bleiben unberührt." Das Vertragsverhältnis der Parteien wurde seitens des Beklagten mit Schreiben vom 24.02.2011 zum 30.09.2011 gekündigt.
Die Klägerin hat in erster Instanz vorgetragen, der Beklagte habe gegen seine Verpflichtung aus Ziffer V. des Handelsvertretervertrages verstoßen, als er 2012/2013 versucht habe oder es ihm gelungen sei, Kunden der Klägerin (D. N., P. N., B. H., M. H.), die mit Produktpartnern der Klägerin Versicherungsverträge abgeschlossen hätten, zur Kündigung oder Änderung dieser Verträge zu bestimmen. Dieser Umstand lasse vermuten, dass der Beklagte weitergehende Verstöße begangen habe. Zur Bezifferung eines etwa-
–4–
igen Schadens sei sie, die Klägerin, auf die Auskunft des Beklagten angewiesen, die sie im Wege der Stufenklage verfolge. Die Klägerin hat darüber hinaus den ursprünglich Antrag (Antrag Ziff. 1), den Beklagten zu verurteilen, es - beim Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu zahlenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro bzw. im Nichtbeitreibungsfalle einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - bis zum 30.09.2013 zu unterlassen, weder persönlich noch durch Einschalten Dritter ihre Kunden, die mit ihren Partnergesellschaften Verträge geschlossen haben, zur Beendigung und/oder inhaltlichen Einschränkung dieser Verträge zu bewegen, oder dies alles auch nur zu versuchen, dahin geändert, die ursprüngliche Begründetheit dieses Antrags festzustellen sowie im Wege der Zwischenfeststellungsklage festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihr alle Schäden zu ersetzen, die ihr daraus entstehen, dass er - der Beklagte - ihre Kunden, die mit ihren Partnergesellschaften Verträge abgeschlossen haben, zur Beendigung und/oder inhaltlichen Änderung dieser Verträge bewegt oder dies
alles
auch
nur
versucht
habe.
Der Beklagte hat in erster Instanz im Rahmen seiner mündlichen Anhörung geäußert, keinen nachvertraglichen Wettbewerb betrieben zu haben. Außerdem sei das nachvertragliche Wettbewerbsverbot in Ziffer V. des Handelsvertretervertrages nach §§ 307 Abs. 1, 138, 242 BGB unwirksam. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht bestehe kein Anspruch auf den Fortbestand eines einmal begründeten Vertragsverhältnisses. Der Kundenkreis sei kein geschütztes Rechtsgut. Zudem fehle eine angemessene Entschädigungsregelung für das umfangreiche Wettbewerbsverbot, wie es in § 90 a Abs. 1 S. 3 HGB zwingend vorgeschrieben sei. Der Auskunftsanspruch sei auch unzulässig, soweit es um die genaue Bezeichnung der Versicherungsverträge gehe. Die Weitergabe von Daten, die dem V.berater vom Kunden zur Verfügung gestellt würden, sei ohne Einwilligung der Berechtigten nach § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB strafrechtlich untersagt. Der Zwischenfeststellungsklage fehle das Feststellungsinteresse, da der Anspruch der Klägerin mit einer Leistungsklage hätte geltend gemacht werden können.
Das Landgericht hat die Klage durch das angegriffene Urteil, auf das hinsichtlich der Einzelheiten des streitigen Vorbringens und der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, abgewiesen. Zwar sei die ursprünglich erhobene Feststellungsklage zulässig, jedoch unbegründet, denn eine Verpflichtung des Beklagten, nachvertraglichen Wettbewerb zu unterlassen, habe nicht bestanden. Die als allgemeine Geschäftsbedingung zu
–5–
qualifizierende Regelung in Ziffer V Abs. 2 des Handelsvertretervertrages vom 25.05./14.06.2007 benachteilige den Handelsvertreter unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die Regelung stelle eine Wettbewerbsabrede dar, die nur wirksam sei, wenn der Unternehmer spätestens vor oder mit Beendigung des Handelsvertretervertrages eine Entschädigung anbiete oder den Handelsvertreter auffordere, seine Vorstellung über die Höhe der Entschädigung mitzuteilen. Hierzu verhalte sich die Klausel nicht, vielmehr verkehre sie die gesetzliche Regelung in ihr Gegenteil, indem sie keine Regelung zur Entschädigung treffe, jedoch dem Handelsvertreter ein Vertragsstrafeversprechen auferlege. Zudem verstoße die Klausel gegen §§ 138, 242 BGB, denn sie enthalte keine sachliche Begrenzung, erfasse mithin bundesweit sämtliche Formen von Finanzdienstleistungen. Diese Gesichtspunkte führten dazu, dass auch der Auskunftsanspruch und die Zwischenfeststellungklage unbegründet seien.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Ein Verstoß gegen § 134 BGB sei schon deshalb nicht anzunehmen, weil der Vertrag bei Abschluss vom Handelsvertreter akzeptiert und jahrelang ohne Beanstandung praktiziert worden sei. Die Auffassung des Landgerichts, dass die Klägerin im Zusammenhang mit der Beendigung des Handelsvertretervertrages verpflichtet gewesen sei, eine Karenzentschädigung anzubieten oder den Handelsvertreter aufzufordern, eigene Vorstellungen zur Höhe einer Entschädigung mitzuteilen, finde weder im Gesetz eine Stütze, noch werde dies von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gefordert. Ohnehin werde durch die Klausel die gewerbliche Tätigkeit des Handelsvertreters nicht unzulässig beschränkt, denn ein Abwerben von Kunden sei dem Handelsvertreter schon aufgrund seiner nachvertraglichen Interessenswahrnehmungspflicht jedenfalls in Fällen, in denen er Provisionen vereinnahmt habe, nicht gestattet.
Sie beantragt daher:
Unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Mosbach vom 08.08.2014 1. den Beklagten zu verurteilen, ihr erschöpfende Auskunft zu erteilen, wann (genauer Zeitpunkt) er - seit 30.09.2011 bis zum 30.09.2013 - welche Kunden der Klägerin (anonymisierte personenbezogene Daten der Kunden) dazu bestimmt oder zu bestimmen
–6–
versucht hat, ihre Verträge (genaue Bezeichnung) mit den Produktpartnern der Klägerin zu beenden/oder inhaltlich einzuschränken und
2. sodann die sich nach erteilter Auskunft gemäß Ziffer 1 ergebenden Schäden der Klägerin zu ersetzen, und
3. notfalls im Wege der Zwischenfeststellungklage festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle Schäden zu ersetzen, die dieser dadurch entstehen, der er - der Beklagte - Kunden der Klägerin (anonymisierte personenbezogene Daten der Kunden), mit denen Partnergesellschaften der Klägerin Verträge abgeschlossen haben, zur Beendigung und/oder inhaltlichen Änderung dieser Verträge bewegt oder dies alles auch nur versucht hat, und
4. festzustellen, dass der ursprüngliche in der Klageschrift vom 29.08.2013 unter Ziffer 1 vorhandene Unterlassungsanspruch, der sich durch Zeitablauf erledigt hat, bis zum 30.09.2013 berechtigt war.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens verteidigt er das Urteil des Landgerichts. Ergänzend führt er aus, die Parteien hätten im V.beratervertrag vom 25.05./14.06.2007 seinen Handelsvertreterstatus ausdrücklich geregelt, so dass die Vorschrift von § 90 a HGB Anwendung finde. Der sich daraus ergebende Anspruch auf Karenzentschädigung sei jedoch im V.beratervertrag nicht aufgeführt, die entsprechende Regelung damit intransparent. Es sei nicht generell unzulässig, wenn der Handelsvertreter nach Vertragsbeendigung früheren Kunden Produkte zu besseren Konditionen anbiete, als die dem Angebotsportfolio der Klägerin entstammenden Produkte. Den Interessen der Klägerin im Zusammenhang mit bereits gezahlten Provisionen sei durch die Stornohaftungszeit von 5 Jahren Genüge getan.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
–7–
II. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Auskunft über ein etwa konkurrierendes Verhalten des Beklagten nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses noch hatte sie einen entsprechenden Unterlassungsanspruch. Auch die hilfsweise erhobene Zwischenfeststellungklage ist nicht begründet.
A. Einen Anspruch auf Auskunft darüber, welche Kunden der Klägerin der Beklagte dazu bestimmt oder zu bestimmen versucht hat, ihre Verträge mit den Produktpartnern der Klägerin zu beenden/oder inhaltlich einzuschränken, steht der Klägerin nicht zu, weil ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nicht wirksam vereinbart wurde.
1. Die im V.beratervertrag vom 25.05./14.06.2007 getroffene Vereinbarung über ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB), auch und insbesondere wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB), unwirksam.
a) Bei dem V.beratervertrag vom 25.05./14.06.2007 und dem darin geregelten nachvertraglichen Wettbewerbsverbot handelt es sich unstreitig um Allgemeine Geschäftsbedingungen der Klägerin im Sinne der §§ 305 ff. BGB, die diese dem Beklagten gestellt hat. Hierfür spricht im Übrigen bereits das äußere Erscheinungsbild des gedruckten, eine Formularnummer enthaltenden (vgl. jeweils Seitenende links) und keinerlei individualisierte Regelungen aufweisenden Vertrags (vgl. BGH, MDR 1992, 902 f.; Palandt-Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 305 Rn. 23, m.w.N.). Für ein Aushandeln der Vereinbarungen (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB) ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich.
b) Die von den Parteien unter V. Abs. 2 des V.beratervertrags getroffene Vereinbarung über ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
aa) Das gesetzliche Verbot einer unangemessenen Benachteiligung (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) ist auch gegenüber einem Unternehmer - um einen solchen handelte
–8–
es sich bei dem zur fraglichen Zeit als hauptberuflicher Handelsvertreter tätigen Beklagten - anwendbar, vgl. § 310 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB.
bb) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Auszugehen ist bei der nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB vorzunehmenden Inhaltskontrolle von den gesetzlichen Regelungen, die ohne die Vereinbarung gelten würden (vgl. BGH, NJW 1994, 1070; Palandt-Grüneberg, BGB, a.a.O., Rn. 12). Die Inhaltskontrolle erfordert eine am Maßstab von Treu und Glauben ausgerichtete, umfassende Interessenabwägung (vgl. Erman-Roloff, BGB, 13. Aufl., § 307 Rn 9, m.w.N.). Unangemessen ist danach eine Regelung, die den Vertragspartner dadurch benachteiligt, dass der Verwender durch die einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich die eigenen Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. BGH, NJW 2005, 1774 und NJW 2010, 57; Palandt-Grüneberg, BGB, a.a.O.). Der Prinzipal als Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann die Vertragsgestaltungsfreiheit somit nur dann für sich in Anspruch nehmen, wenn er dabei die berechtigten Belange des Handelsvertreters im Blick behält (vgl. Staub-Emde, HGB, 5. Aufl., Band 2, § 90a, Rn. 46, m.w.N.).
cc) An diesen Maßstäben gemessen benachteiligt das in V. Abs. 2 des V.beratervertrags geregelte Wettbewerbsverbot den Beklagten unangemessen.
Eine Beeinträchtigung scheitert nicht bereits daran, weil einem Handelsvertreter nachvertraglicher Wettbewerb jedenfalls als Ausfluss der nachvertraglichen Treuepflicht nicht erlaubt sei. Denn nach dem Vertragsende ist der Handelsvertreter berechtigt, dem Unternehmer Wettbewerb zu machen; hierzu zählt auch das Recht, Kunden des bisherigen Unternehmers abzuwerben (vgl. Baumbach-Hopt, HGB, 36. Aufl., § 90a Rn. 2). Gerade zur Vermeidung eines solchen Wettbewerbs dienen nachvertragliche Wettbewerbsverbote.
Die Regelung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ohne gleichzeitige Vereinbarung der gesetzlich vorgeschriebenen Karenzentschädigung (§ 90a Abs. 1
–9–
Satz 3 HGB) berücksichtigt allerdings die Interessen des Vertragspartners nicht in der gebotenen Weise, sondern bringt ausschließlich das Interesse des Verwenders zur Geltung (vgl. Staub-Emde, a.a.O., § 90a Rn. 46, m.w.N.). Soweit Emde in der von ihm gesetzten Fußnote auf von Hoyningen-Huehne (in MünchKomm, HGB, § 90a Rn. 51) als andere Ansicht hinweist, betrifft diese Fundstelle nicht die Frage, ob eine entsprechende Regelung gegen die Bestimmungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) verstößt; vielmehr setzt sich von HoyningenHuehne allgemein - außerhalb des AGB-Rechts - mit der Frage auseinander, ob eine solche Regelung nach allgemeinen Regelungen (insbesondere § 138 BGB) unwirksam ist. Die an die jeweilige Bestimmung geknüpften Anforderungen sind jedoch schon im Hinblick auf deren jeweilige Zielsetzung unterschiedlich. Außerhalb des Anwendungsbereichs der Regelungen der §§ 305 ff. BGB spricht einiges dafür, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot keine Regelung über die zu leistende Karenzentschädigung enthalten muss, um wirksam und verbindlich zu sein, weil anders als beim Handlungsgehilfen (§ 74 HGB) die Vereinbarung einer Karenzentschädigung beim Handelsvertreter (§ 90a HGB) nach dem Gesetz gerade nicht Voraussetzung für die Verbindlichkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ist (vgl. Baumbach/Hopt,
HGB,
36.
Aufl.,
§ 90a
Rn
18,
m.
w.
N.;
Eben-
roth/Boujong/Joost/Strohn-Löwisch, HGB, 2. Aufl., § 90a Rn. 20, m.w.N.). Auch der Umstand, dass nach der gesetzlichen Regelung eine Pflicht des Prinzipals zur Leistung einer Karenzzahlung gesetzliche Folge eines vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbot ist, spricht gegen eine Sitten- oder Gesetzeswidrigkeit der fraglichen Klausel im Sinne der §§ 134, 138 BGB. Im Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB gelten indes zum Schutz des in der Regel schwächeren Vertragspartners des Verwenders strengere Anforderungen als im Rahmen der §§ 134, 138 BGB (vgl. Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, AGB-Recht, 11. Aufl., Vorbem. v. § 307 Rn. 58, m.w.N.), was insbesondere in dem Verbot unangemessener Benachteiligung (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) zum Ausdruck kommt. Gemessen an diesen erhöhten Anforderungen stellt die vorliegende Vereinbarung eines nachträglichen Wettbewerbsverbots ohne gleichzeitige Vereinbarung einer konkreten Karenzentschädigung eine unangemessene Benachteiligung dar. Die Interessen des Handelsvertreters werden nicht angemessen berücksichtigt, weil die Klausel einseitig die Unterlassungsverpflichtung des Vertragspartners festschreibt, ohne gleichzeitig die Pflicht zur Zahlung einer Karenzzahlung zu regeln. Eine unangemessene Benachteiligung des Ver-
– 10 –
tragspartners durch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ohne gleichzeitige Vereinbarung einer Karenzentschädigung ist insbesondere nicht deshalb zu verneinen, weil sich der Anspruch des Handelsvertreters auf eine Karenzzahlung bei vereinbartem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot bereits zwingend aus dem Gesetz ergibt (vgl. § 90a Abs. 1 Satz 3 HGB), es also für die Begründung eines Anspruchs auf eine solche Zahlung keiner vertraglichen Vereinbarung bedarf. Eine Benachteiligung des Vertragspartners durch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ohne gleichzeitige Vereinbarung einer Karenzentschädigung ergibt sich insoweit bereits daraus, dass dem Handelsvertreter zwar seine Verhaltenspflicht, nicht aber gleichzeitig sein damit gesetzlich verbundener Anspruch auf Karenzzahlung vor Augen geführt wird, sodass die Gefahr besteht, dass sich der Handelsvertreter an das Wettbewerbsverbot gebunden fühlt, aber seinen hiermit im Zusammenhang stehenden Zahlungsanspruch nicht erkennt und ggf. nicht durchsetzt. Zu berücksichtigen ist dabei, dass es sich bei einem Handelsvertreter im Regelfall nicht um eine Person mit vertieften juristischen Kenntnissen handelt. Daher kann auch, insbesondere mangels notwendiger juristischer Vorbildung des Handelsvertreters, nicht ohne Weiteres erwartet werden, dass dieser Kenntnis von der zwingenden gesetzlichen Verknüpfung eines etwa vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbots mit der Verpflichtung des Prinzipals zur Zahlung einer Karenzentschädigung hat. Die unangemessene, Sinn und Zweck der Regelung in § 90a Abs. 1 und 4 HGB nicht hinreichend zur Geltung bringende Benachteiligung des Vertreters folgt bei Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ohne gleichzeitige Vereinbarung einer Karenzzahlung im Übrigen auch daraus, dass der Handelsvertreter durch eine solche Regelung zwar sofort an das Wettbewerbsverbot gebunden ist, es aber noch der risikobehafteten - ggf. gerichtlichen - Klärung bedarf, in welcher Höhe ihm eine Karenzentschädigung zusteht (so schon Senat, Urteil vom 16.07.2014, 15 U 215/13, n.v.). Dem Zweck der Regelung, das Auskommen des Handelsvertreters durch Zubilligung eines Entgelts in Form einer Karenzentschädigung zu sichern, während der Handelsvertreter durch das nachvertragliche Wettbewerbsverbot in seiner beruflichen Tätigkeit eingeschränkt ist (vgl. BGH, MDR 1975, 311), wird mit einer solchen Regelung gerade nicht hinreichend Rechnung getragen. Dementsprechend hat auch der Bundesgerichtshof zumindest angedeutet, dass eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders einer allgemeinen Geschäftsbedingung, durch die ein Wettbewerbsverbot vereinbart wird, nur dann nicht vorliegt,
– 11 –
wenn das Wettbewerbsverbot mit einer ausreichenden Entschädigungsregelung verbunden ist (vgl. BGH, NJW 1995, 1552).
b) Eine zur Unwirksamkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots führende unangemessene Benachteiligung liegt auch wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) vor.
aa) Auch das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB gilt für Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer verwendet werden (§ 310 Abs. 1 Satz 2 BGB).
bb) Das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB setzt für die Wirksamkeit einer vorformulierten Vertragsbestimmung voraus, dass die Bestimmung hinreichend klar und verständlich ist. Ist dies nicht der Fall, kann sich hieraus eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ergeben, die zur Unwirksamkeit der Klausel führt. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender, Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar, einfach und präzise darzustellen (vgl. BGH, NJW 2010, 3152 und VersR 2013, 46; Palandt-Grüneberg, BGB, a.a.O., § 307 Rn. 21, m.w.N.). Auch wirtschaftliche Belastungen und Nachteile müssen für einen durchschnittlichen Vertragspartner so weit zu erkennen sein, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (vgl. Palandt-Grüneberg, a.a.O., m.w.N.; Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, AGB-Recht, a.a.O., § 307 Rn. 335, m.w.N.). Zu berücksichtigen ist dabei, dass der Vertragspartner durch eine unzureichende Verständlichkeit einer Bestimmung gehindert werden kann, seine tatsächlich bestehenden Möglichkeiten und Marktchancen wahrzunehmen (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, a.a.O., Rn. 24). Die Anforderungen an die Transparenz einer Vertragsbestimmung dürfen andererseits nicht überspannt werden (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, a.a.O., Rn. 22, m.w.N.).
cc) Das Transparenzgebot ist vorliegend verletzt, denn das nachvertragliche Wettbewerbsverbot ist nicht hinreichend klar, verständlich und bestimmt gefasst.
Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt dabei schon deshalb vor, weil dem Handelsvertreter als Vertragspartner des Verwenders
– 12 –
die Rechtslage nach § 90a HGB, insbesondere der zwingend mit dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot verbundene Anspruch auf Zahlung einer Karenzentschädigung, nicht hinreichend deutlich vor Augen geführt wird (vgl. Ausführungen unter a) cc)).
Das Transparenzgebot ist aber auch deshalb verletzt, weil dem Handelsvertreter durch die Regelung in V. Abs. 2 des V.beratervertrags für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Vertragsverhältnisses untersagt wird, V.berater, andere Mitarbeiter oder Kunden der Klägerin abzuwerben, ohne dass dabei hinreichend deutlich gemacht wird, ob sich das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nur auf solche Personen erstreckt, die zur Zeit der Vertragsdauer V.berater, andere Mitarbeiter oder Kunden der Klägerin waren, oder ob es auch solche Personen erfasst, die erst nach dem Ausscheiden des Vertragspartners bei der Klägerin zu deren Mitarbeitern oder Kunden geworden sind. Eine klare Aussage wird insoweit - obwohl sich die Frage aufdrängt, nachdem das nachträgliche Wettbewerbsverbot gerade für die Zeit nach Vertragsende gilt - im Vertrag nicht getroffen. Für den Vertragspartner des Verwenders ist daher aus dem Vertragstext heraus nicht klar erkennbar, welcher Personenkreis dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot unterfällt, wie weit also das Wettbewerbsverbot reicht (so schon Senat, Urteil vom 16.07.2014, 15 U 215/13, n.v.).
c) Nachdem die Regelung über das nachvertragliche Wettbewerbsverbot bereits aus den unter a) und b) genannten Gründen unwirksam ist, kann offen bleiben, ob wegen der Vertragsstrafenregelung in V. Abs. 3 des V.beratervertrags, die mangels Verschuldenserfordernis unwirksam ist (vgl. BGH, MDR 2013, 728), die gesamte Regelung in V. des V.beratervertrags, mithin auch das dort geregelte nachvertragliche Wettbewerbsverbot, gegen § 307 Abs. 1 BGB verstößt und damit unwirksam ist.
2. Im Hinblick darauf kann dahinstehen, ob nicht der Auskunftsanspruch durch Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen ist. Dies wäre der Fall, wenn der Beklagte die von ihm zu fordernde Auskunft bereits erteilt hätte. Der Beklagte hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht erklärt, keinen nachvertraglichen Wettbewerb, wie ihn ihm die Klägerin vorwerfe, begangen zu haben. Auch in der negativen Erklärung kann nämlich die Erfüllung des Auskunftsbegehrens zu sehen sein (vgl. BGH, Urteil vom 17.05.2001, I ZR 291/98 - juris Rn. 43; BGH, Urteil vom
– 13 –
02.07.2014, XII ZB 201/13 - juris Rn.24; Palandt-Grüneberg, BGB, a.a.O., § 260 Rn. 14). Zwar genügt eine zum Zweck der Auskunft gegebene Erklärung nur dann zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs, wenn sie erst gemeint, vollständig und nicht von vornherein unglaubhaft war (vgl. BGH, Urteil vom 17.05.2001, a.a.O. - juris Rn. 44). Ob dies im Hinblick auf die vom Beklagten abgegebene Erklärung der Fall war, kann jedoch offen bleiben, da es, wie unter Ziffer 1 dargestellt, bereits an einem entsprechenden Anspruch auf Auskunftserteilung fehlt.
B. Auch der Antrag, festzustellen, dass der ursprüngliche in der Klageschrift vom 29.08.2013 unter Ziffer 1 geltend gemachte Unterlassungsanspruch, der sich durch Zeitablauf erledigt hat, bis zum 30.09.2013 berechtigt war, ist unbegründet.
Wie unter A 1. dargestellt, wurde das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nicht wirksam vereinbart, so dass die Beklagte nicht berechtigt war, vom Beklagten das Unterlassen nachvertraglichen Wettbewerbs zu verlangen.
C. Der - hilfsweise - gestellt Zwischenfeststellungsantrag ist zwar zulässig, denn bei einer Stufenklage, wie sie vorliegend rechtshängig gemacht wurde, erzeugt die Entscheidung auf der ersten Stufe in Bezug auf das zugrundeliegende Rechtsverhältnis für den auf der letzten Stufe verfolgten Zahlungsanspruch noch keine materielle Rechtskraft oder innerprozessuale Bindungswirkung (vgl. BGH, Urteil vom 27.11.1998, V ZR 180/97 - juris Rn. 8).
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn Schadensersatzansprüche wegen Verletzung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots bestehen nicht, da - wie unter A. 1. dargestellt - es an dessen wirksamer Vereinbarung fehlt.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
– 14 –
Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage, ob die von der Klägerin verwendete Klausel in V. Abs. 2 des V.beratervertrags der Überprüfung an § 307 BGB standhält, ist entscheidungserheblich und betrifft, da die Klägerin die Klausel für eine wiederholte Verwendung vorgesehen hat, eine Vielzahl von Fällen; sie berührt damit das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts (vgl. hierzu: ZöllerHeßler, ZPO, 30. Aufl., § 543 Rn. 11, m.w.N). Die genannte Frage ist klärungsbedürftig, weil diesbezügliche eindeutige höchstrichterliche Rechtsprechung - soweit ersichtlich noch nicht existiert und sich auch in der Literatur keine breite, einheitliche Auffassung zu der Vereinbarkeit der streitigen Klausel mit § 307 BGB herausgebildet hat.
Heister Vors. Richter am Oberlandesgericht
Dr. Pernice Richterin am Oberlandesgericht
Dittmar Richterin am Oberlandesgericht