Oberlandesgericht Karlsruhe. Beschluss

Geschäftsnummer: 14. August 2014 6 U 58/14 1 O 5/14 Landgericht Mosbach Oberlandesgericht Karlsruhe 6. Zivilsenat Beschluss Im Rechtsstreit Dr. E....
Author: Liese Feld
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Geschäftsnummer:

14. August 2014

6 U 58/14 1 O 5/14 Landgericht Mosbach

Oberlandesgericht Karlsruhe 6. Zivilsenat

Beschluss Im Rechtsstreit Dr. E. L. P. als Insolvenzverwalter über das Vermögen der G. E. - Kläger / Berufungskläger Prozessbevollmächtigte:

gegen A. ... GmbH vertreten durch den Geschäftsführer ... - Beklagte / Berufungsbeklagte Prozessbevollmächtigte: wegen Insolvenzanfechtung

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 28.03.2014 (Az. 1 O 5/14) durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Der Kläger hat Gelegenheit zur Stellungnahme bis 08.09.2014.

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Gründe:

I.

Der Kläger ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der G. E. (nachfolgend: Schuldnerin). Das Insolvenzverfahren wurde am 20.08.2013 eröffnet. Der Kläger macht Ansprüche wegen Insolvenzanfechtung geltend.

Die Beklagte betreibt einen ambulanten Krankenpflegedienst. Sie hat für den am ...2010 verstorbenen Ehemann der Schuldnerin in deren Auftrag Pflegeleistungen erbracht, die mit insgesamt ca. 8.400,00 Euro in Rechnung gestellt wurden und zunächst unbezahlt blieben.

Die Beklagte erwirkte einen Vollstreckungstitel über die gegen die Schuldnerin gerichtete Forderung (Urteil des Amtsgerichts Buchen vom 10.01.2011). Auf die titulierte Forderung bezahlte die Schuldnerin am 08.03.2011 einen Betrag von 5.813,22 Euro. Der Kläger ist der Auffassung, diese Zahlung unterliege der Anfechtung und könne nach §§ 143 Abs. 1, 129, 133 Abs. 1 InsO zurückgefordert werden.

Das Landgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen. Es hat ausgeführt, eine Kenntnis der Beklagten von der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin könne nicht festgestellt werden; der Umstand, dass die Beklagte die Forderung gerichtlich geltend machen musste, reiche hierfür nicht aus.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der dieser beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an den Kläger 5.813,22 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 20.08.2012 zu bezahlen.

Der Kläger ist der Auffassung, das Landgericht habe die für die Vorsatzanfechtung anzuwendende „Beweisanzeichenlehre“ des Bundesgerichtshofs verkannt. Die Kenntnis der Beklagten von der drohenden Zahlungsunfähigkeit und vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin werde nach § 133 Abs. 1 S. 2 InsO vermutet; hierfür genüge die

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Kenntnis der Beklagten, dass die Schuldnerin den fraglichen Betrag erst auf Druck der Beklagten bezahlt habe; einen Monat später habe die Beklagte sogar wegen eines weiteren Betrages Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zur Beitreibung eines noch offenen Betrages eingeleitet. Schon ein ernsthaft eingeforderte Geldschuld begründe die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit; bei einer Klage mit anschließender Zwangsvollstreckung liege ein „ernsthaftes Einfordern“ vor. Der Zahlungsrückstand habe mehr als drei Wochen ab Rechnungsstellung betragen; auch Mahnungen der Beklagten hätten die Schuldnerin nicht zur Zahlung veranlasst.

II.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung; weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Auch eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten, zumal ausschließlich Rechtsfragen im Streit stehen. Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Nach § 133 Abs. 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf die letztgenannte Vermutung. Erforderlich ist positive Kenntnis von der (mindestens) drohenden Zahlungsunfähigkeit; grob fahrlässige Unkenntnis genügt nicht. Allerdings darf sich ein Gläubiger der positiven Kenntnis auch nicht verschließen. Der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht deshalb im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt.

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Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen (BGH WM 2013, 180 juris-Rn. 25; BGH WM 2009, 1943 juris-Rn. 8).

Zu Recht hat das Landgericht den Umstand, dass die Schuldnerin den streitgegenständlichen Betrag erst aufgrund eines vollstreckbaren Titels bezahlt hat, nicht als ausreichend zur Begründung der Vermutung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO angesehen. Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen; sie ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 InsO). Zahlungseinstellung ist dasjenige äußere Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise eine Zahlungsunfähigkeit ausdrückt. Es muss sich also mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (BGH WM 2006, 2312 juris-Rn. 13).

Der Umstand, dass ein Schuldner eine einzelne Forderung nicht von sich aus begleicht, sondern sich verurteilen lässt, begründet nicht den berechtigten Eindruck einer Zahlungsunfähigkeit und stellt auch keine allgemeine Zahlungseinstellung dar, denn die Gründe hierfür können vielfältiger Art sein. Dass Zahlungsunfähigkeit (und keine bloße Zahlungsstockung) anzunehmen ist, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, binnen drei Wochen seine fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen (vgl. BGHZ 163, 134), bedeutet nicht, dass von Zahlungsunfähigkeit oder von einer Zahlungseinstellung immer schon dann auszugehen ist, wenn eine einzelne Forderung länger als drei Wochen unbeglichen bleibt. Der Kläger trägt nicht mit Substanz vor, dass die Schuldnerin ihre Zahlungen zur Zeit der Begleichung der Forderung generell oder zu erheblichen Teilen eingestellt und dass die Beklagte hiervon Kenntnis gehabt hätte. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger zum Beleg seiner These, dass Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit schon bei ernsthaften Einfordern einer Geldschuld vorliege, auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 06.02.2013 (Az. 13 U 50/12). Denn dort wird lediglich klargestellt, dass an dem Erfordernis des „ernsthaften Einforderns“ als eine Voraussetzung einer die Zahlungsunfähigkeit begründenden oder zu dieser beitragenden Forderung festzuhalten ist (Rn. 20, juris).

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Der Streitfall liegt auch nicht parallel zu demjenigen, der der vom Kläger zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 09.01.2003 (BGH IX ZR 175/02, WM 2003, 400) zugrundelag. Dort leistete der Schuldner, der mit seinen laufenden steuerlichen Verbindlichkeiten seit mehreren Monaten zunehmend in Rückstand geraten war, lediglich eine Teilzahlung, und es bestanden keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass er in Zukunft die fälligen Forderungen alsbald erfüllt; damit musste sich der Finanzverwaltung der Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners aufdrängen. Damit ist die hier zu beurteilende Situation, in der besteht nur die Kenntnis von einer einzelnen, über längere Zeit offenen und erst aufgrund eines gerichtlichen Titels (teilweise) beglichenen Forderung nicht vergleichbar.

Für den Streitfall ohne Belang ist der Umstand, dass ein weiterer, hier nicht geltend gemachter Teil der Forderung in der Folgezeit im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben wurde. Maßgeblich ist die Situation bei Zahlung des nunmehr zurückgeforderten Betrages.

III.

Der Kläger wird darauf hingewiesen, dass bei einer Zurückweisung der Berufung durch Beschluss die gleichen Kosten entstehen wie bei einem Urteil mit Begründung (vier Gerichtsgebühren nach § 3 Abs. 2 GKG, KV Nr. 1220). Wird jedoch die Berufung zurückgenommen, bevor ein Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO ergeht, ermäßigen sich die Kosten für die Berufungsinstanz auf zwei Gerichtsgebühren (KV Nr. 1222).

Schmukle Vors. Richter am Oberlandesgericht

Dr. Rombach Richterin am Oberlandesgericht

Dr. Zülch Richter am Oberlandesgericht

Geschäftsnummer:

03. September 2014

6 U 58/14 1 O 5/14 Landgericht Mosbach

Oberlandesgericht Karlsruhe 6. Zivilsenat

Beschluss Im Rechtsstreit Dr. E. L. P. als Insolvenzverwalter über das Vermögen der G. E. - Kläger / Berufungskläger Prozessbevollmächtigte:

gegen A. ... GmbH vertreten durch den Geschäftsführer ... - Beklagte / Berufungsbeklagte Prozessbevollmächtigte:

wegen Insolvenzanfechtung

3. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 28.03.2014 (Az. 1 O 5/14) wird zurückgewiesen. 4. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. 5. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. 6. Die Revision wird nicht zugelassen.

rechtskräftig

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Gründe:

Auf den Hinweisbeschluss vom 14.08.2014 wird Bezug genommen. Die Stellungnahme des Klägers vom 01.09.2014 zeigt demgegenüber keine neuen Gesichtspunkte auf. Der Senat hält daran fest, dass die verzögerte, erst aufgrund einer Verurteilung erfolgte TeilErfüllung einer einzelnen Forderung kein ausreichendes Beweisanzeichen dafür darstellt, dass der Gläubiger (hier: die Beklagte) beim Empfang der Zahlung positive Kenntnis von der drohenden (Gesamt-) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hatte. Aus der obergerichtlichen Rechtsprechung ergibt sich, wie im Hinweisbeschluss ausgeführt, nichts Gegenteiliges.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Schmukle Vors. Richter am Oberlandesgericht

Prof. Dr. Singer Richter am Oberlandesgericht

Dr. Zülch Richter am Oberlandesgericht