Oberlandesgericht Hamm Urteil vom 9. 5. 2003 - 35 U 59/02 - AVAD

Gründe Die Klägerin ist eine Vertriebsorganisation der A-Versicherung und vermittelt ein Allfinanzangebot, nämlich Baufinanzierungen, gewerbliche Finanzierungen, andere Kreditformen, Festgeldanlagen und Investmentzertifikate, Versicherungsverträge, Bausparverträge, Rechtsschutzversicherungen, Kreditkarten sowie weitere Finanzdienstleistungen. Die Beklagte ist eine Bausparkasse. Beide Parteien arbeiten mit Außendienstmitarbeitern, die als Handelsvertreter für sie selbstständig tätig sind. Der Versicherungsvertreter D war von Februar 1998 an als Außendienstmitarbeiter und Agenturleiter für die Klägerin tätig, und zwar als selbstständiger Handelsvertreter. Nach der Regelung in II der Besonderen Vertragsbedingungen durfte D für ein Konkurrenzunternehmen nicht tätig sein. Für eine anderweitige Beratungs-, Vermittlungs- oder Verkaufstätigkeit bedurfte er der Zustimmung der Klägerin Auch eine sonstige Erwerbstätigkeit war der Klägerin anzuzeigen, und die Klägerin konnte die Ausübung dieser Tätigkeit verweigern. Ab April 2001 ging der Wert der von D bei der Klägerin eingereichten Verträge deutlich zurück. Von Juni 2001 an wurden von ihm bei der Klägerin keine zu Provisionseinnahmen führenden Verträge mehr vorgelegt. Seit Juni 2001 führte D Vertragsgespräche mit der Beklagten mit dem Ziel, als Handelsvertreter bei der Beklagten anzufangen. Der entsprechende Vertrag zwischen der Beklagten und D wurde mit Wirkung zum 1. 9. 2001 abgeschlossen. Bereits mit Schreiben vom 13. 8. 2001 kündigte D den Handelsvertretervertrag mit der Klägerin unter Hinweis auf das Angebot der Beklagte und bat um eine Aufhebung des Vertrags mit sofortiger Wirkung. Darauf ging die Klägerin nicht ein. D kündigte daraufhin den Vertrag mit der Klägerin erneut mit Schreiben vom 1. 9. 2001 zum 31. 12. 2001. Um den Versicherungsdienst von ungeeigneten Personen freizuhalten, ist von den Versicherungsunternehmen die Auskunftsstelle über den Versicherungsaußendienst e.V. (AVAD) eingerichtet worden. Nach den Richtlinien der AVAD sind die Versicherungsunternehmen verpflichtet, vor Vertragsabschluss mit ei-

nem Versicherungs- oder Bausparkassenvertreter eine Auskunft bei der AVAD einzuholen (Nr. 3.2.1 der Richtlinie). Von der Aufnahme der Tätigkeit ist die AVAD durch eine Tätigkeitsmeldung zu unterrichten. Ergibt sich aus einer neuen eingehenden Tätigkeitsmeldung, dass eine unzulässige Doppeltätigkeit des Vertreters vorliegt, so prüft die AVAD den Vorgang und unterrichtet die betroffenen Unternehmen (Nr. 3.5 der Richtlinien). Auch die Beendigung eines Vertreterverhältnisses ist der AVAD zu melden (Nr. 3.6.1 der Richtlinie). Die Beklagte holte im Verlauf der Vertragsgespräche mit D eine Auskunft über diesen beim AVAD ein. Das hatte zur Folge, dass die AVAD an die Klägerin unter dem 21. 8. 2001 ein Auskunftsersuchen richtete und zwar mit dem Hinweis, nach den Angaben von D sei dieser im Juli 2001 bei der Klägerin ausgeschieden. Die Klägerin antwortete unter dem 31. 8. 2001, D sei weiterhin für sie tätig. Von diesem Ergebnis unterrichtete die AVAD die Beklagte, die der AVAD schon unter dem 30. 8. 2001 über den Abschluss des mit D vereinbarten Bausparkassenvertretervertrags informiert hatte. Mit Schreiben vom 4. 9. 2001 unterrichtete die AVAD die Klägerin davon, dass D seit dem 1. 9. 2001 auch für die Beklagte tätig sei. Das Ausscheiden von D bei der Klägerin teilte diese der AVAD mit Schreiben vom 14. 9. 2001 mit. Die Beklagte reagierte auf die Doppeltätigkeit ihres neuen Vertreters mit dem Kündigungsschreiben vom 5. 10. 2001, wodurch das Vertragsverhältnis zum 31. 10. 2001 beendet wurde. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe sich wettbewerbswidrig verhalten, weil sie bei Abschluss des Vertretervertrags mit D gewusst habe, dass dieser an sie ausschließlich gebunden sei. Zumindest hätte sie davon Kenntnis haben müssen. Sie hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, a) Außendienstmitarbeiter, die noch auf Grund eines Handelsvertreterverhältnisses an die Klägerin gebunden sind, vor der Beendigung dieser vertraglichen Beschäftigung zu beschäftigen, b) hilfsweise, solche Außendienstmitarbeiter vor der Beendigung der vertraglichen Beziehung zur Klägerin zu beschäftigen, von denen die Beklagte weiß oder wissen muss, dass sie noch auf Grund eines Handelsvertreterverhältnisses an die Klägerin gebunden sind. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. III. Der Klägerin steht kein Anspruch wegen eines Verstoßes der Beklagte gegen § 1 UWG zu.

1. Die Klägerin stützt den geltend gemachten Anspruch in erster Linie auf den Vortrag, die Beklagte habe zu Wettbewerbszwecken ihren Handelsvertreter D zu einem Vertragsbruch veranlasst, jedenfalls habe sie dessen Vertragsbruch ausgenutzt und das, obwohl ihr bekannt gewesen sei, dass zwischen ihr und dem Handelsvertreter D eine Ausschließlichkeitsbindung bestanden habe. Ein solcher Anspruch ist nicht begründet. a) Ein Vertragsbruch ist, auch wenn er einem Wettbewerbszweck dient, nicht ohne weiteres wettbewerbswidrig. Das gilt sowohl gegenüber dem Vertragspartner als auch gegenüber außenstehenden Dritten, also hier der Beklagte Gegen § 1 UWG kann ein Vertragsbruch nur dann verstoßen, wenn im Einzelfall besondere unlauterkeitsbegründende Umstände hinzutreten, die den Verstoß nicht mehr als reine Vertragsverletzung erscheinen lassen (Baumbach/Hefermehl, WettbewerbsR, 22. Aufl., § 1 UWG Rdn. 695). aa) Wer allerdings einen anderen zum Zweck des Wettbewerbs zum Vertragsbruch verleitet, handelt grundsätzlich wettbewerbswidrig (Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rdn. 697). Verleiten ist jedes bewusste Hinwirken darauf, dass der andere einen Vertragsbruch begeht, mag auch der Widerstand, den er dabei findet, noch so gering sein. Es genügt, wenn zu Wettbewerbszwecken darauf hingewirkt wird, dass der Vertragspartner eines Mitbewerbers die diesem gegenüber obliegenden Vertragspflichten verletzt. Schon die Handlungsweise, nicht erst der Erfolg, macht das Verleiten wettbewerbswidrig (Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rdn. 698). Wettbewerbswidrig ist eine Verleitung zum Vertragsbruch nur, wenn der Täter die Tatumstände kennt, die sein Verhalten als unlauter erscheinen lassen, oder doch mit der Möglichkeit rechnet, dass solche Umstände vorliegen können diese, jedoch bewusst in Kauf nimmt, um sein Ziel zu erreichen (Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rdn. 701). bb) Dass die Mitarbeiter der Beklagte den Handelsvertreter D der Klägerin bewusst zum Vertragsbruch verleitet haben, lässt sich nicht feststellen. Der Vertragsbruch liegt in dem Tätigwerden für die Beklagte, obwohl D durch den mit der Klägerin abgeschlossenen Vertrag noch an diese gebunden war und obwohl er auf Grund der Vereinbarung während der Laufzeit des Vertrags für Wettbewerber nicht tätig werden durfte. Dass die Mitarbeiter der Beklagte an D herangetreten sind, um diesen zu veranlassen, unter Verstoß gegen seine vertraglichen Pflichten gleichzeitig für die Beklagte tätig zu werden, wird nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich. Somit kommt nur in Frage, dass die Mitarbeiter der Beklagte den Vertragsverstoß bewusst in Kauf genommen haben. Ein solcher Verstoß ist jedenfalls nicht bewiesen worden. Der Vortrag der Beklagte, ihre Mitarbeiter hätten auf die Zusage von D vertraut, das Vertragsverhältnis der Klägerin zu D werde bis zum 31. 8. 2001 beendet sein, ist unwiderlegt. Für

die Beurteilung der Glaubwürdigkeit dieser Erklärung kommt es auf den Lauf der Kündigungsfristen nicht an. Es ist nämlich nicht ungewöhnlich, dass Versicherungsunternehmen oder Vertriebsorganisationen ihre Handelsvertreter vorzeitig aus den Verträgen entlassen, weil sie an der Bindung eines unmotivierten Mitarbeiters nicht interessiert sind. Das ist dem Senat aus seiner Tätigkeit als Spezialsenat für Handelsvertretersachen bekannt. b) Wettbewerbswidrig kann auch das Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs sein. aa) An sich ist das Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs, auch wenn es zu Zwecken des Wettbewerbs geschieht, nicht wettbewerbswidrig. Für einen Verstoß gegen § 1 UWG genügt nicht, dass man den Vertragsbruch des anderen kennt oder ihn zumindest für möglich hält und sich dadurch von seiner Handlung nicht abbringen lässt. Das bloße Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs ist erst wettbewerbswidrig, wenn besondere Umstände hinzutreten. Ferner ist subjektiv für eine Ausnutzung erforderlich, dass sich der Täter des von einem anderen begangenen Vertragsbruchs bewusst ist oder doch damit rechnet und in Kauf nimmt, dass er einen fremden Vertragsbruch geschäftlich ausnutzt (Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rdn. 703). Die Feststellung solcher besonderer Umstände erfordert stets eine genaue Analyse des Einzelfalls. Die bloße Kenntnis von dem Bestehen vertraglicher Bindungen des Umworbenen reicht ohne Vorliegen weiterer Umstände nicht aus, seiner Auskunft zu misstrauen und sich vor Vertragsabschluss Gewissheit über den Inhalt entgegenstehender Vereinbarungen zu verschaffen. Negativ wird meist die Missachtung einer Ausschließlichkeitsbindung zu beurteilen sein. Wer zu eigenem Nutzen und zum Schaden des Mitbewerbers Verträge mit jemandem abschließt, der durch eine solche Klausel an dem Bewerber gebunden ist, macht sich zum Komplizen fremden Vertragsbruchs, wenn auch die dafür erforderlichen subjektiven Voraussetzungen gegeben sind (Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rdn. 705). So handelt z.B. ein Gewerbeunternehmen wettbewerbswidrig, das eine Gebäudefläche für Werbezwecke anmietet, obwohl es auf Grund der Umstände evident ist, dass sie bereits einem auf dem Gebiet der Gewinnung von Gebäudeflächen tätigen Mitbewerber ausschließlich eingeräumt worden war, und dessen Interessen durch die Ausnutzung des gebrochenen Vertrags erheblich beeinträchtigt werden (BGH, GRUR 1967, 138, 141 - Streckenwerbung). Ebenso handelt ein Automatenaufsteller wettbewerbswidrig, der mit einem Gastwirt, in dessen Wirtschaft, wie ihm bekannt ist, schon der Spielautomat eines Mitbewerbers steht, einen mit einer verlockenden Darlehensgewährung verbundenen Aufstellvertrag abschließt, ohne zuvor zu prüfen, ob eine ausschließliche Bindung des Gastwirts vorliegt, sondern sich auf die bloße Auskunft des Gastwirts verlässt und über die sich nach Sachlage, etwa nach der Branchenübung aufdrän-

genden Bedenken grob fahrlässig hinwegsetzt (BGH, GRUR 1974, 97, 98 - Spielautomaten II). Wer dagegen einen Innenarchitekten, der gegenüber dem Mitbewerber an ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gebunden ist, mit der Anfertigung von Möbelentwürfen beauftragt und Entwürfe verwertet, handelt aus subjektiven Gründen nicht wettbewerbswidrig, wenn er den Angaben des Architekten, er dürfe nach dem Wettbewerbsverbot für andere Unternehmen Entwürfe entwerfen, nach Lage der Umstände trauen konnte (BGH, GRUR 1976 372, 374 - Möbelentwürfe). Der entscheidende Unterschied gegenüber dem Spielautomaten-Fall liegt darin, dass sich dem Wettbewerber die Ausnutzung fremden Vertragsbruchs ohne weiteres hätte aufdrängen müssen, während das im letzteren Fall nicht zutraf (Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rdn. 706). Die Entscheidungen des BGH zeigen, dass im Rahmen von Ausschließlichkeitsbindungen die bloße Ausnutzung eines Vertragsbruchs nicht ausreicht, sondern dass für die Annahme eines Wettbewerbsverstoßes weitere Umstände hinzu kommen müssen, die den Schluss auf ein unerlaubtes Handeln zulassen (OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 1997, 1064). bb) Dass D auf Grund des mit der Klägerin abgeschlossenen Vertrags nur für diese tätig sein durfte, ist zwischen den Parteien unstreitig und ergibt sich auch aus dem mit D geschlossenen Vertrag. Derartige Klauseln sind in der Versicherungswirtschaft bei hauptberuflichen Handelsvertretern auch branchenüblich. Dass D während der Laufzeit des Vertrags nicht auch noch für einen Wettbewerber, wie die Beklagte, tätig sein durfte, ergibt sich aus dem Gesetz und im Übrigen auch aus dem Vertrag. Eine Ausschließlichkeitsbindung liegt damit vor. Es fehlt jedoch an weiteren Umständen, die das Verhalten der Beklagte als Wettbewerbsverstoß erscheinen lassen. aaa) Dass die Beklagte in Kenntnis der Vertragsbeziehungen zu D und der Klägerin Vertragsverhandlungen mit diesem geführt hat und den Handelsvertretervertrag während der Laufzeit des mit der Klägerin bestehenden Vertrags unterzeichnet hat, ist nicht zu beanstanden. Der Handelsvertreter darf sich nämlich bereits während des bestehenden Vertragsverhältnisses um andere Auftraggeber oder sonstige Konkurrenztätigkeit für die Zeit nach Beendigung des bestehenden Handelsvertretervertrags bemühen und entsprechende Verträge, besonders Handelsvertreterverträge, abschließen. Die Befürchtung des Unternehmers, dass der sich um einen Folgeunternehmer bemühende Handelsvertreter bis zum Vertragsende seine Interessen nicht mehr mit vollem Einsatz wahrnehmen werde, rechtfertigt die Annahme einer unzulässigen Konkurrenztätigkeit noch nicht (Löwisch, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 86 Rdn. 21; Küstner/Thume, AußendienstR I, 3. Aufl., Rdn. 468).

bbb) D durfte allerdings während der Bindung an die Klägerin nicht gleichzeitig für die Beklagte tätig werden. Durch diese Doppeltätigkeit ab 1. 9. 2001 hat er eine Vertragsverletzung gegenüber der Klägerin begangen. Ein wettbewerbswidriges Ausnutzen dieser Vertragsverletzung durch die Beklagte wäre allerdings allenfalls dann anzunehmen, wenn ihre Mitarbeiter nicht auf die Erklärung von D vertrauen durften, das Vertragsverhältnis zur Klägerin werde bis zum 1. 9. 2001 beendet sein. Allein die der Beklagte bekannte Ausschließlichkeitsbindung in dem Vertragsverhältnis zwischen D und der Klägerin ist im zu entscheidenden Fall kein Indiz dafür, dass ihre Mitarbeiter auf die Erklärung des D nicht vertrauen durften und in der Absicht handelten, einen Wettbewerbsvorteil zu Lasten der Klägerin auszunutzen. Gegen diese Annahme spricht entscheidend das in der Versicherungswirtschaft übliche Meldesystem. Zum Schutz des Versicherungsdienstes vor ungeeigneten Personen ist die AVAD eingerichtet worden. Die angeschlossenen Unternehmen, zu denen beide Parteien gehören, müssen der AVAD den Abschluss neuer Handelsvertreterverträge und die Beendigung derartiger Verträge mitteilen. Ein Zweck dieses Informationssystems besteht u.a. darin, eine unzulässige Doppeltätigkeit von Versicherungsvertretern, wie sie hier vorgelegen hat, zu verhindern. Das ergibt sich aus Nr. 3.5 der Richtlinien. Werden von der AVAD derartige Überschneidungen festgestellt, so werden die betroffenen Unternehmen unterrichtet. Dadurch wird sichergestellt, dass Wettbewerbsverstöße von Versicherungsvertretern verhindert und Ausschließlichkeitsbindungen nicht unterlaufen werden. Da somit von der Versicherungswirtschaft ein System aufgebaut worden ist, das beim an sich zulässigen Anstellen eines vorher für einen Konkurrenten tätigen Vertreters Wettbewerbsverstöße aufdeckt und damit verhindert, besteht eine geringere Pflicht, den Erklärungen eines neu eingestellten Handelsvertreters, er sei nicht mehr gebunden, nachzugehen und diese zu überprüfen. Das Versicherungsunternehmen, das einen Handelsvertreter neu einstellt, kann im Regelfall darauf vertrauen, dass durch das Meldesystem ein gravierender Eingriff in die Rechte eines Wettbewerbers verhindert wird. Dabei ist davon auszugehen, dass ein Versicherungsunternehmen, das einen Handelsvertreter neu einstellen will, auch Folgerungen zieht, wenn es von der AVAD davon unterrichtet wird, dass eine verbotene Doppeltätigkeit vorliegt. Eine solche Absicht hat bei der Beklagten offenbar von Anfang an bestanden. Sie hat das Vertragsverhältnis zu D nämlich umgehend gekündigt, nach dem ihr die Doppeltätigkeit bekannt geworden ist. Der Ablauf des Verfahrens zeigt somit, dass es geeignet ist, eine erhebliche Beeinträchtigung des Konkurrenten, hier der Klägerin, zu vermeiden.

Hinzu kommt, dass den Erklärungen der Handelsvertreter auch deshalb mehr Gewicht beizumessen ist, weil diese selbst über das AVAD-Verfahren unterrichtet sind. Aus Nr. 3.1 der Richtlinien ist zu ersehen, dass die angeschlossenen Unternehmen die Bewerber von dem Verfahren in Kenntnis zu setzen haben. Dem Versicherungsvertreter, der sein Unternehmen wechseln will, ist also bekannt, dass falsche Angaben über die Bindung an ein anderes Unternehmen auffallen werde, er also mit falschen Erklärungen nicht weiterkommt. Das hat zur Folge, dass die Vertreter im Regelfall auch insoweit zutreffende Angaben machen werden, so dass ihre Erklärungen bei den Vertragsgesprächen auch mehr Gewicht haben. Es fehlt folglich schon an der subjektiven Seite des Wettbewerbsverstoßes. ccc) Darüber hinaus ist die Klägerin, anders als im Normalfall bei Ausschließlichkeitsbindungen, durch das Verhalten der Beklagte auch nicht wesentlich in ihren Rechten beeinträchtigt worden. Die vom BGH in diesem Zusammenhang entschiedenen Fälle betrafen Verträge mit langfristigen Bindungen. Der zwischen der Klägerin und D abgeschlossene Handelsvertretervertrag war zwar auf unbefristete Zeit abgeschlossen worden. Handelsvertreterverträge können aber nach dem Gesetz kurzfristig gekündigt werden. Der Handelsvertretervertrag war im Februar 1998 abgeschlossen worden und bestand damit im August 2001 länger als zwei Jahre, so dass die ordentliche Kündigungsfrist gem. § 89 Abs. 1 HGB drei Monate zum Monatsende betrug. D konnte den Vertrag somit durch die im August 2001 abgegebene Kündigungserklärung zu Ende November 2001 ordentlich kündigen. Daraus folgt, dass die Klägerin eine längerfristige Bindung ihres Handelsvertreters ohnehin nicht erreichen konnte. Dass gut ausgebildete Handelsvertreter die Klägerin verlassen und zur Konkurrenz wechseln, lässt sich somit ohnehin nicht verhindern. Ein wettbewerbswidriger Nachteil kann der Klägerin somit nur dadurch entstehen, wenn ihr gerade durch das vorzeitige Ausscheiden eines Handelsvertreters während des Laufs der Kündigungsfrist ein Nachteil entsteht und wenn der abwerbende Unternehmer gerade dadurch einen Vorteil erlangt oder erlangen will. Der Klägerin müsste somit durch den Verlust ihres Handelsvertreters D in der Zeit vom 1. 9. 2001 bis zum 30. 11. 2001 ein erheblicher Nachteil entstanden sein. Das ist aber nicht erkennbar und wird auch nicht behauptet. D hat schon seit Juni 2001 der Klägerin keine Geschäfte mehr gebracht. Dass er in der Zeit von September bis November 2001 ohne die Bindung an die Beklagte Geschäfte gemacht hätte, ist unter diesen Umständen nicht erkennbar. Es spricht auch nichts für die Annahme, dass es der Beklagte gerade auf den Tätigkeitsbeginn 1. 9. 2001 angekommen ist. Somit ist anzunehmen, dass es der Beklagte auch ausgereicht hätte, wenn D bei ihr nach dem Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist im Dezember 2001 angefangen hätte.

Es fehlt damit an der erheblichen Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Interessen der Klägerin und auch an einem dadurch hervorgerufenen Wettbewerbsvorteil für die Beklagte 2. Ein Verstoß der Beklagte gegen § 1 UWG lässt sich auch nicht mit der Erwägung begründen, die Beklagte habe einen Mitarbeiter der Klägerin abgeworben und dadurch gegen die vorgenannte Vorschrift verstoßen. a) Das Abwerben von Mitarbeitern ist grundsätzlich erlaubt. Es ist allerdings dann unzulässig, wenn der verfolgte Zweck oder die angewandten Mittel und Methoden anstößig sind (BGH, GRUR 1966, 263, 265 - Bau-Chemie; Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 1 Rdn. 472ff.). Wird der Abgeworbene von dem Abwerbenden im eigenen Unternehmen eingesetzt, ist die Abwerbung unlauter, wenn der Abwerbende planmäßig vorgeht und eine ernstliche Behinderung („Existenzgefährdung”) oder Ausbeutung der Leistung des Mitarbeiters bezweckt oder bewusst in Kauf nimmt (BGH, GRUR 1966, 263, 265 - Bau-Chemie). Unzulässig ist es auch, fremde Mitarbeiter mit unlauteren Mitteln abzuwerben. Dazu gehören das Verleiten zum Vertragsbruch. Nicht ausreichend ist jedoch das bloße Ausnutzen eines Vertragsbruchs des Arbeitnehmers, soweit nicht gleichzeitig unlautere Zwecke verfolgt werden (Köhler/Piper, § 1 Rdn. 474). b) Es erscheint schon fraglich, ob diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall überhaupt angewandt werden können. Sie sind nämlich für Fälle entwickelt worden, in denen Arbeitnehmer abgeworben worden sind. Der Mitarbeiter der Klägerin, D, war aber nicht als Arbeitnehmer beschäftigt, sondern als freier Handelsvertreter für die Klägerin tätig. Deshalb sind hier allein die unter 1. oben geprüften Grundsätze maßgeblich. Selbst wenn man die oben aufgezeigten Maßstäbe auch auf den zu entscheidenden Fall anwenden würde, läge ein Verstoß der Beklagte gegen § 1 UWG aber nicht vor. Der von der Beklagte mit der Anstellung des D verfolgte Zweck ist unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsrechts nicht zu beanstanden, weil die Beklagte damit weder die Klägerin ernsthaft behindert noch versucht hat, die Leistungen des früheren Mitarbeiters der Klägerin auszubeuten, um sich selbst Vorteile zu verschaffen. Der Handelsvertreter D war für die Klägerin kein wichtiger Mitarbeiter, der in entscheidender Funktion für die Klägerin tätig gewesen ist. D hat für die Klägerin, jedenfalls in der letzten Zeit, auch nur noch Geschäfte in unbedeutendem Umfang vermittelt. Durch sein Ausscheiden ist eine ernsthafte Behinderung nicht eingetreten. Es spricht auch nichts dafür, dass die Beklagte die Leistungen von D zu eigenen Zwecken planmäßig ausgebeutet hat. Gegen diese Annahme spricht zum einen die Stellung von D in der Hierarchie der Klägerin und zum anderen, dass dieser bisher nicht speziell als

Vertreter für Bausparverträge tätig gewesen war und deshalb von der Beklagten auf dieses neue Aufgabengebiet erst durch Schulungen vorbereitet worden ist. Es spricht auch nichts dafür, dass die Beklagte D durch unlautere Mittel abgeworben hat. Insoweit kann auf die Ausführungen unter 1. verwiesen werden.