Nutzung von Solarstrahlungsdaten in der Praxis

Gerd Heilscher • Nutzung von Solarstrahlungsdaten in der Praxis FVS • Workshop 2006 Nutzung von Solarstrahlungsdaten in der Praxis Einleitung G. Hei...
Author: Karola Hoch
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Gerd Heilscher • Nutzung von Solarstrahlungsdaten in der Praxis

FVS • Workshop 2006

Nutzung von Solarstrahlungsdaten in der Praxis Einleitung G. Heilscher S. Bofinger M. Schneider Meteocontrol GmbH [email protected]

Die Nutzung der Solareinstrahlung für die Deckung des Wärmebedarfs von Gebäuden ist heute ebenso selbstverständlich geworden wie die Bereitung von Warmwasser mit Sonnenkollektoren oder die Stromerzeugung mit Photovoltaikanlagen. Die Produkte sind ausgereift und die Solarwirtschaft glänzt mit zweistelligen Wachstumsraten. Die Umsätze im Bereich Solartechnologie in Deutschland sind im Jahr 2006 auf über 6 Mrd. Euro gewachsen [1]. Neben den Wartungs- und Betriebskosten sind die Investitionskosten der größte Umsatzanteil – die Sonne scheint nach wie vor umsonst. Damit die Investoren, Politiker und Energieversorgungsunternehmen auch langfristig in den Ausbau der Technologie vertrauen, ist eine genaue Kenntnis der kostenlosen Energiequelle notwendig. Auch die Energienetze werden

Abbildung 1 Wetterstation mit den wesentlichen Messgrößen. Statt der Globalstrahlungsmessung sind die meisten Wetterstationen jedoch nur mit einer Erfassung der Sonnenscheindauer ausgerüstet.

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Temperatur 2m [°C] Bodentemperatur [°C]

durch die zunehmende Einspeisung von Solarenergie, die steigende Anzahl von Klimaanlagen und die moderne Glasarchitektur vor neue Herausforderungen gestellt. Diesen gilt es durch geeignete Ertrags- und Lastprognosen frühzeitig zu begegnen.

Anforderungen an Solarstrahlungsdaten Bei der Investition in Solartechnologie ist von den örtlichen Einstrahlungsbedingungen sowohl die Kenntnis der langjährigen mittleren Jahresenergie als auch die tägliche und monatliche Verteilung für die zuverlässige Auslegung notwendig. Immer häufiger wird auch die spektrale Zusammensetzung der Solareinstrahlung wichtig, um für den Standort die geeignete Technologie auszuwählen.

Luftdruck [hPa] Relative Luftfeuchte [%]

Windrichtung 10m [°] Windgeschwindigkeit [m/s]

Sichtweite [m]

Globalstrahlung [Wh/m2] Sonnenscheindauer [min] Bedeckungsgrad [1/8]

Niederschlagsdauer [min] Niederschlagsmenge [l/m2]

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Land

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Anzahl Globalstrahlung

Fläche in km2

km2 pro Wetterstation

Deutschland

42

357 021

8.500

Spanien

30

504 782

16.828

Frankreich

35

547 030

15.629

Italien

26

301 230

11.585

In Deutschland sind mehr als 1.000 Wetterstationen zur Erfassung der meteorologischen Größen verfügbar. Jedoch sind nur etwa 10 % mit einer Globalstrahlungsmessung ausgerüstet. Den Meteorologen reicht die Kenntnis der Sonnenscheindauer für ihre Wettervorhersagen aus.

Bei einem weiteren Ausbau der Solarstromerzeugung sind hier auch die Netzbetreiber gefordert, den Ausbau der Kommunikationsinfrastruktur für eine schnellere Anbindung der Wetterstationen an die Netzleitstellen sicherzustellen.

Für die energetische Nutzung der Solareinstrahlung ist jedoch das Wissen um die Bestrahlungsstärke gemessen in Watt pro Quadratmeter erforderlich.

Die zweite Herausforderung für die Energiemeteorologie liegt in der Vorhersagehäufigkeit. Während Meteorologen derzeit auf Basis der stündlich neuen Datenlage ihre Wettervorhersagen erstellen, sind für die Energiewirtschaft Updates der Wettersituation mindestens alle 15 Minuten notwendig. Damit dies möglich wird, müssen die wesentlichen Prozesse automatisiert werden. Ein Meteorologe wird diese Prozesse überwachen.

Da die grobe räumliche Auflösung der wenigen Bodenmessungen als Grundlage für die Ertragsberechnung und die damit verbundenen Investitionsentscheidungen nicht ausreichen, werden seit mehreren Jahren Satellitenbilder für die Berechnung der Solarstrahlung herangezogen. Die entwickelten Verfahren sind bereits in der dritten Generation und liefern eine solide Grundlage bei hervorragender räumlicher und zeitlicher Auflösung der Strahlungsdaten. Mit dem weiteren Ausbau der Nutzung der Solarstrahlung werden die neuen Anforderungen der Energiewirtschaft an die Meteorologie deutlich. Diese neue Disziplin in der Wetterkunde wird auch als Energiemeteorologie bezeichnet. Während die Wetteraufzeichnung weltweit meist im stündlichen (Datenlogger) oder 3- /6- /12-stündlichen (manuelle Aufzeichnung) Zeitraster erfolgt, schlägt der Takt in der Energiewirtschaft im 15 Minuten-Rhythmus. In der Netzleitwarte sind wichtige Regelgrößen der Kraftwerke alle 30 Sekunden oder direkt online verfügbar.

Abbildung 2 Räumliche Auflösung der Bodenmessungen der Globalstrahlung in Europa. Demgegenüber kann die Solarstrahlung auf Basis von Satellitenbildern mit einer räumlichen Auflösung bis zu 1 km * 1 km bestimmt werden.

Neben der reinen Prognose der Solarstrahlung ist für die Energiewirtschaft auch die Prognose der von Solarstromanlagen ins Netz eingespeisten Leistung notwendig. Während beim Ausbau der Windenergienutzung die Entwicklung präziser Windleistungsprognosen zu spät kam, sind erste Solarstromprognosen seit 2006 verfügbar [2].

Wettervorhersage

Energiemeteorologie

Auflösung

Stunde

15 Minuten online

Vorhersagehäufigkeit

Meist nur einmal pro Tag

Update mehrmals pro Tag

Analyse

Manuell durch Meteorologen

Automatische Datenanlayse

Zeithorizont

Fokussierung auf den nächsten Tag

Speicherung von Vorhersagen

Großes Potenzial für weitere Entwicklungen und IT-Dienstleistungen

Abbildung 3 Das neue Fachgebiet der Energiemeteorologie geht deutlich über die Anforderungen der reinen Wettervorhersage hinaus.

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Abbildung 4 Anwendungsfelder und Solarstrahlungsprodukte. Die dunkelblauen Felder markieren die Produkte des Anwendungsfelds, die hellblauen Felder entsprechen den Produkten, die zusätzlich verwendet werden, um die Qualität des Services laufend zu prüfen.

EVULastprognose

EVUEinspeisung

SolarstromInvestoren

SolarstromBetreiber

Wetterdaten Globalstrahlung Wetterprognose Prognose Globalstrahlung PV Calculator Ertragsgutachten Safer‘Sun Betriebsführung Prognose der Einspeisung

Anwendungen Solarstrahlungsinformationen werden heute bereits in vielen Geschäftsbereichen eingesetzt. Für die Nutzung von Solarstrahlungsinformationen im Bereich des Betriebs der Energienetze, des Energiehandels, im Gebäudemanagement und in der Auslegung und der Betriebsführung von Solaranlagen werden heute auf die Anwendung zugeschnittene Produkte bereitgestellt und vermarktet. Abb. 4 zeigt unterschiedliche Anwendungsfälle und die dazu notwendigen Produkte. Im Folgenden werden die einzelnen Anwendungsfelder und die heute verfügbaren Produkte vorgestellt.

Lastprognose

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GebäudeManagement

In unserem Stromnetz muss ständig genau die Energiemenge bereitgestellt werden, die von den Nutzern in genau diesem Augenblick auch angefordert wird. Damit dies gelingt, wird von den Netzbetreibern täglich eine Lastprognose erstellt. Diese Lastprognose dient dann am darauf folgenden Tag als Fahrplan zur Regelung der Kraftwerke. Zum größten Teil wird dabei auf die gemessenen Lastgänge der vorhergehenden Jahre zurückgegriffen. Die Haupteinflussgrößen sind die Tageszeit, die Wochen-/Feiertage, aber auch die Wettersituation. Hier hat insbesondere die Außentemperatur einen Einfluss auf die Last.

Wenn die Temperaturen sinken, steigt der Energiebedarf. In Zukunft wird dies in umgekehrter Weise für den Sommer gelten. Bei hohen Sonneneinstrahlungen und hohen Außentemperaturen wird in Zukunft der Kühlenergiebedarf steigen. Wie in Abb. 5 zu erkennen ist, gibt es aber bei bestimmten Verbrauchergruppen auch einen signifikanten Einfluss der Solarstrahlung auf den Energiebedarf. Dies ist insbesondere auf den Beleuchtungsbedarf zurückzuführen. In einigen Stadtgebieten kommt hier jedoch verschärfend die dezentrale Einspeisung von Solarstromanlagen hinzu. Während einer Nebellage steigt der Beleuchtungsbedarf und die Einspeisung von Solarstromanlagen ist sehr niedrig. Sobald „der Himmel aufreißt“, sinkt der Energiebedarf für die Beleuchtung und zusätzlich erhöht sich die Einspeisung der Solarstromanlagen schlagartig. Die Netzbetreiber benötigen deshalb zur Erstellung der Lastprognose neben der Temperatur-Prognose auch die Vorhersage der Solareinstrahlung. Die Daten werden derzeit meist einmal täglich bereitgestellt. Der Aufwand für die tägliche Erstellung der Lastprognose muss so weit möglich reduziert und damit die Abwicklung automatisiert sein. Der Wetterdienstleister passt deshalb die Wetterinformation individuell an das Zeitraster und das DatenFormat des Kunden an. Da die Wetterprognosen nur in stündlicher Auflösung verfügbar sind,

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Abbildung 5 Lastbedarf einer Innenstadt aufgetragen über der Solarstrahlung (15 Minuten Werte, nur 15 Uhr eines Jahres)

Sun 15:00 [kWh] 572 513 455 396 338 279 221

50

100

150

200

250

300

350

400

450

500

550

600 [Wh/qm]

müssen für die Lastprognosen Zeitreihen im 15 Minuten-Raster interpoliert werden. Daneben muss der Wetterdienstleister auch Vorkehrungen treffen, um bei einem Ausfall einer Wetterstation oder dem Ausfall der Wetterprognose dem Kunden automatisiert geeignete Ersatzwerte bereitzustellen, da ansonsten dessen Lastprognose größere Fehler aufweist und sich damit der Aufwand für die Regelenergie verteuert.

Grundlage der Solarstrahlungsdaten sind langjährige Messreihen von Wetterstationen oder Satellitenbild-Archive. Je nach Anwendungsfall werden von den Simulationsprogrammen jährliche, mittlere Monatswerte oder sogar stündliche Messwerte verwendet. Bei der Auslegung von Wechselrichtern kommen in Sonderfällen sogar Strahlungswerte mit einer zeitlichen Auflösung von 1 Minute zur Anwendung.

Neben dem Netzbetrieb werden Lastprognosen auch von den Stromhändlern benötigt. Da der Handel für die meisten Stromprodukte nur am Vormittag erfolgt, ist eine pünktliche Bereitstellung der Temperatur- und Solarstrahlungsprognosen in den Morgenstunden notwendig. Hier findet ein kontinuierlicher Wettbewerb zwischen ständig steigenden Datenmengen und immer detaillierteren aber damit auch aufwändigeren Rechenverfahren und der steigenden Leistungsfähigkeit der Informationstechnologie statt.

a) Private Anlagen Für private solarthermische Anlagen oder Solarstromanlagen sind unterschiedliche Simulationsprogramme am Markt erhältlich. Diese Programme enthalten meist von mehreren Großstädten eines Landes fertige Wetterdatensätze mit langjährigen Monatsmittelwerten der Temperatur und der Solareinstrahlung. Daneben sind mittlerweile auch kostenlose Services zur Ertragsberechnung im Internet verfügbar. Der Vorteil der Internetlösung, wie z. B. bei www.pv-calculator.de ist, dass hier die Solarstrahlungsdaten zu jeder einzelnen Postleitzahl hinterlegt sind.

Ertragsberechnung für Solaranlagen Banken und Investoren müssen vor der Investitionsentscheidung die zukünftigen Erträge der Anlagen kennen. Dazu werden Simulationsverfahren angewendet, welche neben der Systembeschreibung als wichtigste Eingangsgröße die örtliche Solarstrahlung benötigen.

In fünf einfachen Schritten kann sich auch der Laie einen sachlich fundierten Einblick in Kosten und Ertrag seiner individuellen Anlagenkonfiguration verschaffen. Nach der Auswahl der Eckwerte erfolgt die Berechnung auf einem zentralen Server. Die Ergebnisse werden in einem Kurzbericht per E-Mail zugestellt. 69

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Abbildung 6 www.pv-calculator.de zur Berechnung des Ertrags von Solarstromanlagen in Deutschland

b) Standortsuche Während der Privatinvestor die Anlage meist auf seinem eigenen Hausdach installiert, steht bei der professionellen Großanlage die Standortsuche an erster Stelle. Ein neuer Service unterstützt die professionelle Standortsuche. Ist ein geeignetes Gebäude oder Grundstück identifiziert, können einfach per SMS die historischen Strahlungsdaten angefordert werden. In Deutschland reicht die Angabe der Postleitzahl. Im Ausland werden die geografischen Koordinaten, die heute aus jedem Navigationsgerät ablesbar sind, zur Standortbestimmung herangezogen. In wenigen Sekunden kommt dann eine kostenpflichtige SMS zurück, welche den langjährigen Mittelwert der Solareinstrahlung an diesem Standort bereitstellt.

Abbildung 7 Freiland-Großanlage mit einachsiger Nachführung

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c) Großanlagen Nach der Standortauswahl erfolgt die Detailplanung. Sobald die Auswahl der Komponenten erfolgt ist, können die Ertragsgutachten erstellt werden. Bei Investitionssummen von mehreren Mio. Euro pro Standort fordern insbesondere die Banken ein unabhängiges Ertragsgutachten eines anerkannten Gutachters. Für diese Gutachten werden hochwertige Solarstrahlungsdaten verwendet. Die Daten müssen von den Gutachtern – insbesondere außerhalb Deutschlands – auf Plausibilität geprüft und oft auch mehrere unabhängige Strahlungsdatenarchive

herangezogen werden. Je nach Anwendungsfall sind langjährige Monatsmittelwerte (DWD 1981-2000) oder die einzelnen Monatsmittelwerte der letzten 12 Jahre (meteocontrol 1994-2006) ausreichend. Insbesondere bei nachgeführten Anlagen werden Stundenwerte der Direkt- und Diffusstrahlung eingesetzt. Für die Banken und Investoren ist neben der Bestimmung des zukünftigen Ertrags als Grundlage für die Wirtschaftlichkeitsrechnung auch die Unsicherheit der Berechnung entscheidend. Dabei sollte die Unsicherheit der Ertragsberechnung geringer als die angestrebte Rendite sein. Folgende Einflussgrößen wirken auf Ertragsberechnung ein:

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• • • • • • •

Solarstrahlungsdaten Lokale Umwelteinflüsse (Luftverschmutzung, Verschattung) Berechnung der Einstrahlung auf die geneigte Fläche Modul-Kennwerte und -simulationsmodelle Wechselrichter-Kennwerte und -simulationsmodelle Verkabelung auf Gleich- und Wechselstromseite Verluste des Transformators bei Mittelspannungsmessung

Der Wert der Jahressumme der Solareinstrahlung lässt sich mit einer Unsicherheit von 3 – 5 % bestimmen. Aufgrund der jährlichen Schwankungen der Einstrahlung geht auch der Umfang der Datenbasis in die Unsicherheit der Strahlungsdaten ein. Um diese Unsicherheit zu bestimmen, werden für eine Region langjährige Zeitreihen (50 und mehr Jahre) auf die Streuung des Mittelwerts in Abhängigkeit des Mittelwertbildungszeitraums untersucht. In Abb. 8 und Abb. 9 ist die Auswertung für die Standorte

Maximale Abweichung vom langjährigen Mittel (%)

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Hohenpeißenberg (Deutschland) und Madrid (Spanien) dargestellt [3]. Auf der vertikalen Achse ist die Streuung der einzelnen Mittelwerte aufgetragen, auf der horizontalen Achse wurden die Beobachtungszeiträume für den Mittelwert von einem Jahr bis 20 Jahre variiert. Die Auswertungen zeigen, dass die Variabilität der Einstrahlung am Standort Hohenpeißenberg deutlich größer als am Standort Madrid ist. Dies wirkt sich direkt auf die Wirtschaftlichkeitsrechnung und die ausweisbare Rendite der Anlage aus, da für den Standort Hohenpeißenberg die Unsicherheit der Ertragsberechnung insgesamt größer ist und damit auch mehr Sicherheitsabschläge in der Wirtschaftlichkeitsberechnung berücksichtigt werden müssen. Neben der Bewertung der örtlichen Variabilität der Einstrahlung ist eine Bewertung der lokalen Umwelteinflüsse notwendig. Bisher wurden für Art und Anteil von Aerosolen in der Luft regionale statistische Daten verwendet. Mit Hilfe von Messwerten aus Umweltsatelliten lassen sich heute auch zeitlich und räumlich gegenüber der Statistik höher aufgelöste Werte in der Berechnung der lokalen Einstrahlung heranziehen.

10

5

0

-5

-10

-15 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

Die Unsicherheiten der Umrechnung der grundsätzlich auf horizontaler Fläche gemessenen eingestrahlten Solarenergie in die geneigte Fläche liegen für optimale Neigungen im Bereich von 1 % bis 2 %. Für Anlagen mit nachgeführten Modulflächen sind die verwendeten Berechnungswerkzeuge aber erst einmal auf Fehler zu prüfen, da hier einige Werkzeuge größere Fehler oder gänzlich unplausible Werte ausgegeben haben.

Maximale Abweichung vom langjährigen Mittel (%)

Mitteilungszeitraum (Jahre)

Mit dem Ziel einer weiteren Reduzierung der Unsicherheiten können bestimmte Umrechnungsverfahren zur Strahlungsberechnung auf die geneigte Fläche an die örtliche Einstrahlungscharakteristik angepasst werden. Die Justierung erfordert jedoch umfangreiche lokale Messdaten und wird nur bei Projekten mit großem Investitionsvolumen und ausreichendem zeitlichen Vorlauf durchgeführt.

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10

5

0

-5

-10 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

Mitteilungszeitraum (Jahre)

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Ausschlaggebend für die Qualität jeder Ertragsberechnung ist die Validierung der Auslegungswerkzeuge mit Messwerten realisierter Anlagen.

Abbildung 8 Variation des Beobachtungszeitraums der Solareinstrahlung von einem bis 20 Jahre über der Streuung der Mittelwerte in Prozent für den Standort Hohenpeißenberg. Die 10 Jahresmittelwerte der letzten 50 Jahre weisen eine Streuung von + 6,5 % bis - 4 % auf. Abbildung 9 Variation des Beobachtungszeitraums der Solareinstrahlung von einem bis 20 Jahre über der Streuung der Mittelwerte in Prozent für den Standort Madrid. Die 10 Jahresmittelwerte der letzten 32 Jahre weisen eine Streuung von + 2 % bis - 3 % auf. 71

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Qualitätssicherung in der Produktion und beim Bau der Anlagen Nachdem die Investitionsentscheidung gefallen ist und die Anlage realisiert werden soll, ist an zwei weiteren wichtigen Schnittstellen die exakte Information über die Solareinstrahlung für den Erfolg der Solartechnologie entscheidend. Dies sind zuerst die Kontrolle der Modulleistung in der Produktion und dann die Prüfung der installierten Leistung bei der Abnahme der Anlage durch eine Kennlinienmessung im Feld.

Abbildung 10 Pyranometer für die Messung der Globalstrahlung (links) und Silizium-Referenzsensor für die Kennlinienmessung (rechts)

Als letzter Schritt in der Produktion der Solarmodule erfolgt die Überprüfung der Modulleistung. Mit einem Flasher wird ein kurzer Lichtblitz auf das Modul abgegeben und gleichzeitig die Einstrahlung auf das Modul und die abgegebene Leistung (Strom und Spannung) gemessen. Als Investor ist hier vor allem darauf zu achten, dass die Qualitätssicherungsmaßnahmen in der Produktion auch eine regelmäßige Kalibrierung der Strahlungsmessung vorsehen. Die Strahlungsmessung der Kalibrierinstitution muss auf ein Strahlungsnormal (z. B. PTB oder Davos) rückführbar sein. Das gilt grundsätzlich für alle Hersteller, muss aber natürlich in besonderem Maß bei neuen Herstellern beachtet werden. Insbesondere bei immer größeren Modulflächen ist auch die Homogenität der Einstrahlung auf der Modulfläche zu prüfen. Bei umfangreicher Qualitätssicherung sind mit Flasher im Produktionsprozess die Unsicherheiten in der Bestimmung der Nennleistung der Module auf 3 % einzugrenzen. 72

Der letzte Schritt nach der Installation der Anlage ist die technische Abnahme. Insbesondere falls eine Überprüfung der Nennleistung in der Fertigung nicht möglich war oder die Qualität der Produktion nicht bekannt ist, sollte zumindest bei Stichproben im Feld eine Bestimmung der Nennleistung mit Kennlinienmessgeräten erfolgen. Auch hier ist wieder die Messung der Solarstrahlung die wichtigste Eingangsgröße. Wie auch in der Produktion sollten für eine Kennlinienmessung im Feld Strahlungssensoren verwendet werden, die über ein anerkanntes Kalibrierlabor auf ein Strahlungsnormal rückführbar sind. Bei den allermeisten am Markt verfügbaren Kennlinienmessgeräten erfüllt der mitgelieferte Strahlungssensor dieses Kriterium nicht einmal im Ansatz. Das mehr oder minder teure Messgerät ist dann nur als „Schätzeisen“ zu gebrauchen. Weitere wichtige Einflussfaktoren für die Messgenauigkeit sind die Modultemperaturmessung und die Umrechnung der Leistung von den Messbedingungen auf die Standard-Testbedingungen. Die Gesamtunsicherheit für gutachterliche Kennlinienmessungen im Feld beträgt 5,5 % bis 6,5 %.

Betriebsüberwachung Sobald die Solarstromanlage realisiert wurde und die technische Abnahme erfolgt ist, wird Energie in das Stromnetz einspeist. Jetzt entscheiden nur noch Betriebsführung und Wartung über den Erfolg der Investition. Die Wartung beschränkt sich auf die regelmäßige Sichtprüfung der Komponenten auf Schäden oder Verunreinigung, sowie dem Austausch von Verschleißteilen in den Wechselrichtern (Lüfter, Filter, Kondensatoren) nach einem vorgegebenen Wartungsplan. Die wichtigste Komponente der Betriebsführung ist eine effiziente automatisierte Betriebsüberwachung, um Fehler in der Anlage oder Mindererträge schnell und zuverlässig zu erkennen. Die einzelnen Komponenten der Betriebsüberwachung bestehen aus der meteorologischen Messung, vor allem der Globalstrahlung in Modulebene und der Modul- und Umgebungs-

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temperatur, der Erfassung der einspeisten Energie am Abrechnungszähler und der Informationen der Wechselrichter und der einzelnen Stränge der Anlage. Das Konzept der Überwachung wird dabei dem Aufbau und der Größe der Anlage angepasst. Eine bewährte Methode der Bewertung der Gesamtfunktion der Anlage ist der Vergleich zwischen dem simulierten Soll-Ertrag und dem gemessenen Ist-Ertrag der Anlage. Für die Simulation wird die vor Ort gemessene Einstrahlung in Modulebene und die Umgebungs- oder Modultemperatur als Eingangsgröße verwendet. Daneben gehen in die Berechnung die technischen Daten der Komponenten und die Neigung und Orientierung der Modulfläche je Teilanlage ein. Damit lässt sich auch für komplexe Anlagen auf Stunden-, Tages-, Monats- und Jahresbasis eine zuverlässige Überprüfung des erzielten Ertrags erreichen wie in Abb. 12 dargestellt. Für private Anlagen auf Einfamilienhäusern kann auf die Einstrahlungsmessung vor Ort verzichtet werden, um die Investitionskosten für die Betriebsüberwachung zu reduzieren. Es ist lediglich eine automatische Erfassung des Ertrags notwendig. Die Solareinstrahlung wird in der Überwachungszentrale, die den Service der Betriebsüberwachung bereitstellt, aus

Satellitenbildern gewonnen. Im Rahmen des EU-Projekts PVSAT2 wurden Überwachungsalgorithmen entwickelt, welche auf die Charakteristik der aus Satellitenbildern gewonnen Einstrahlungsdaten angepasst sind [4].

Abbildung 11 Photovoltaikanlage im Betrieb

Spätestens innerhalb einer Woche lassen sich damit auch für private Anlagen im Bereich bis 10 kWp nicht nur Störungen und Mindererträge, sondern auch Fehlerursachen erkennen.

Abbildung 12 Berechnung des Sollertrags auf Basis der Solarstrahlungsdaten und Vergleich mit dem realen Ertrag auf Monatsbasis

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Solarstromprognose für den Betrieb der Stromnetze Bei Windenergienutzung in Deutschland konnte die Entwicklung von zuverlässigen Prognosen der Einspeisung anfangs nicht mit dem rasanten Marktwachstum und den damit entstehenden Problemen der Integration großer Mengen an Windenergie in das Stromnetz mithalten. Für die erfolgreiche Nutzung von wetterabhängigen Energiequellen ist jedoch neben zuverlässigen Prognosen der Einspeisung auch eine intensive Zusammenarbeit zwischen Energiemeteorologie und Netzbetrieb notwendig. Die Nutzung von Photovoltaik im deutschen Stromnetz ist mittlerweile auf die Leistung von zwei Großkraftwerken angewachsen. Abb. 13 stellt den Anteil der verfügbaren Leistung aller Solarstromanlagen in Deutschland an einem sonnigen Julitag im Vergleich mit der Netzlast dar. Dabei wird deutlich, dass der Tagesgang der Einspeisung von Solarstrom gut mit dem Anstieg der Netzlast am Vormittag übereinstimmt. Mit steigenden Umgebungstemperaturen wie im Sommer 2006 und 2003 wird vermutlich die Mittagsspitze aufgrund der wachsenden Anzahl von Klimaanlagen zunehmen und der Bedarf an heißen Sommertagen noch besser mit der Erzeugung aus Solarstromanlagen korrelieren.

Abbildung 13 Anteil der verfügbaren Leistung von Solarstromanlagen an einem sonnigen Tag im Vergleich mit der Netzlast [5]

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Im Juli 2006 erreichte der Anteil der Einspeisung aus Solarstromanlagen im Vergleich zum Anstieg der Netzlast über die Grundlast bereits 5 %. An diesen Tagen mussten mehrere wassergekühlte konventionelle Kraftwerke den Betrieb einstellen, da kein Kühlwasser mehr zur Verfügung stand, bzw. der weitere Betrieb der Kraftwerke die Flüsse in einem unzulässigen Maß erwärmt hätte. Für die optimierte Nutzung größerer Mengen von Solarstrom sind deshalb auch für die Photovoltaik zuverlässige und an den Betrieb der Stromnetze angepasste lokale Prognosen der Einspeisung notwendig. Die ersten Produkte sind seit Sommer 2006 in Betrieb und berechnen täglich für die einzelnen Bundesländer und die einzelnen Netzregelzonen die 24 h- und 48hVorhersage der Einspeisung auf Basis der lokalen Prognose der Einstrahlung an den Wetterstationen.

Ausblick Neben den im vorherigen Abschnitt aufgeführten Anwendungsgebieten und den dazu bereits verfügbaren Produkten gibt es einige weitere Nutzungsfelder für Solarstrahlungsdaten mit neuen Produkten.

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Abbildung 14 Prognose der Einstrahlung in kWh/kWp für alle Bundesländer

Insbesondere bei der Klimatisierung von großen Gebäuden lassen sich Solarstrahlungsprognosen in Zukunft für die Reduzierung des Energieeinsatzes und die Steigerung des Komforts der Gebäudenutzer einsetzen. Hier entwickeln derzeit mehrere Gruppen an entsprechenden Produkten und Services. Aber auch für die heute verfügbaren Daten, Produkte und Services besteht ein weiterer Entwicklungsbedarf. Durch die weitere Verbreitung von neuen Modultechnologien werden Strahlungsdaten benötigt, die an das spektrale Verhalten dieser Technologien angepasst sind. Bei der Standortsuche und der weiteren Optimierung der Planung sind immer öfter auch lokale Witterungseinflüsse zu bewerten. Für dieses sogenannte „Mikro Siting“ unterhalb der heutigen räumlichen Auflösung eines Satellitenpixels sind kosteneffiziente Verfahren zu entwickeln, die die örtlichen Gegebenheiten aus bestehenden und zukünftig verfügbaren Messdaten herausfiltern, darstellen und bewerten. Für die Absicherung großer Investitionen in regenerative Energien fordert der Finanzsektor

immer wieder mehrere voneinander unabhängige Datenquellen für die Globalstrahlung. Die beste Prognose der Einstrahlung nützt heute noch nichts, da kein zuverlässiges Monitoring über die aktuell installierte Leistung in den einzelnen Netzregelzonen vorhanden ist. Das seit Jahren angekündigte Anlagenkataster wurde bisher nicht realisiert. Die Energiemeteorologie ist bereits heute ein profitabler Wirtschaftszweig und bietet vielfältige Produkte zur zuverlässigen Nutzung von Solarenergie. Der Umsatz der Branche hat den zweistelligen Millionenbereich überschritten und trägt mit seinen innovativen Dienstleistungen auch zu einem weiteren Ausbau neuer zukunftssicherer Arbeitsplätze bei. Entscheidend für den weiteren Erfolg wird die intensive Zusammenarbeit der beteiligten Wirtschaftsbereiche aus dem Finanz- und dem Energieversorgungssektor mit der jungen Branche der Energiemeteorologie sein. Für die reibungslose Integration größerer Anteile an regenerativen Energiequellen in das Stromnetz und die Wärme- und zunehmend auch die Kälteversorgung sind umfangreiche Forschungsmittel notwendig.

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Literatur [1] Entwicklung der Erneuerbaren Energie im Jahr 2006 in Deutschland; BMU, Feb 2007. [2] Bofinger, S.; Heilscher, G: Solar electricity forecast – approaches and first results, 20th European PV Conference, 4th-8th September 2006, Dresden. [3] Schroedter-Homscheidt, Marion; Bofinger, Stefan; Breitkreuz, Hanne-Katarin; Heilscher, Gerd; Stettler, Sandra (2006): “Usage of earth observation for solar energy market development – lessons learnt”. In: Campbell-Howe, R. [Hrsg.]:, ASME 35th ASES Annual Conference, Denver, CO (USA), 2006-07-09 - 2006-07-13, ISBN 0-89553-178-X. [4] de Keizer, A.C.; van Sark, W.G.J.H.M.; Stettler, S.; Toggweiler, P.; Lorenz, E.; Drews, A.; Heinemann, D.; Heilscher, G.; Schneider, M.; Wiemken, E.; Heydenreich, W.; Beyer, H.G.; PVSAT-2: Results of Field Test of the Satellite-Based PV System Perfomance Check; EU PVSEC, Dresden, 2006. [5] Grid load data: http://www.ucte.org/ OnlineData/consumption/e_consumption_ 01.asp.

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