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Jugend-Landtag Nordrhein-Westfalen Plenarprotokoll 16.07.2011 4. Jugend-Landtag Düsseldorf, Samstag, 16. Juli 2011 Mitteilungen des Präsidenten ......
Author: Eduard Bieber
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Jugend-Landtag Nordrhein-Westfalen

Plenarprotokoll 16.07.2011

4. Jugend-Landtag Düsseldorf, Samstag, 16. Juli 2011

Mitteilungen des Präsidenten ................................ 3

1 Mehrwegbecher Eilantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........... 3 Doris Wessendorf (GRÜNE) .......................... 3

2 Aussteigerprogramme für Rechtsextreme Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU ........................................... 3 Sascha Ohlenforst (CDU) ............................... 3 Jerome Schmitz (SPD) ................................... 4 Metehan Capaci (GRÜNE) ............................. 4 Max Windorf (FDP) ......................................... 5 Felix Rauls (LINKE) ........................................ 5

3 G8 abschaffen, G9 wieder einführen, Doppeljahrgang besser versorgen Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE ....................................... 6 Yasemin Dogan (CDU) ................................... 6 Felix Richtering (SPD) .................................... 7 Benedict Steffens (GRÜNE) ........................... 8 Marius Bude (FDP) ......................................... 8 Armin Tahan (LINKE) ................................... 10

4 Love-Parade Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der FDP ......................................... 10

Marius Schumacher (CDU).......................... 10 Megan Tabea Wagner (SPD) ...................... 10 René Reile (GRÜNE) ................................... 11 Luise Kixmöller (FDP) .................................. 11 Lena Köning (LINKE) ................................... 12

5 Alkoholkonsum einschränken Antrag der Initiative zur Einschränkung des Alkoholkonsums von Jugendlichen ................... 12 Sven Lombard (CDU) .................................. 13 Tim Brandt (SPD) ......................................... 14 Bianca Drepper (GRÜNE) ........................... 14 Leonard Meyer-Schwickerath (FDP) ........... 16 Emine Isik (LINKE) ..................................... 166 Tobias Franken (CDU) ................................. 17 Aaron Püttmann (SPD) ................................ 18 Moco Ippers (GRÜNE) ................................. 19 Annabelle Stauß (FDP) ................................ 20 Can Arslan (LINKE) ..................................... 20 Abstimmung.................................................. ab 21 6 Schule zukunftsfähig gestalten Antrag der Initiative „Schule zukunftsfähig gestalten“ ....................... 25 Joel Scharff (CDU) ....................................... 25 Tom Becker (SPD) ....................................... 26 Maria Wagner (GRÜNE) .............................. 27 Naomi Baba (FDP)....................................... 28 Seyda Kurt (LINKE) ..................................... 29 Florian Merker (CDU)................................... 30 Umut Cansid (SPD) ..................................... 30 Sören Bröcker (GRÜNE) ............................. 31 Jan Fischer (FDP) ........................................ 32 Jessica Karli (LINKE) ................................... 33 Metehan Capaci (GRÜNE) (pers. Erkl.) ...... 33 Abstimmung.................................................. ab 34

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Beginn: 10:03 Uhr

Der Ältestenrat hat hierzu je Redner und je Fraktion eine Redezeit von drei Minuten vereinbart.

Präsident Conrad Schwanitz: Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Plenarsitzung des 4. Jugend-Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß geht besonders an die Vizepräsidentin des Landtags Carina Gödecke, den Vizepräsidenten Oliver Keymis und die Vizepräsidentin Gunhild Böth. Ein besonderer Gruß gilt auch den Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien und allen weiteren Zuhörerinnen und Zuhörern.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner vonseiten der antragstellenden Fraktion der CDU Herrn Sascha Ohlenforst das Wort.

Zu entschuldigen haben wir zwei Vertreter der Linken. Zunächst rufe ich auf: 1 Mehrwegbecher Eilantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ich bitte Doris Wessendorf zum Vortrag. (Allgemeiner Beifall) Doris Wessendorf (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Jugend-Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Jugend-Landtag werden Getränke in Plastikbechern ausgegeben, was ökologisch inkorrekt und nicht ressourcenschonend ist. Deshalb fordern wir die Verwendung von Gläsern oder Mehrwegbechern. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall) Präsident Conrad Schwanitz: Da für diesen Eilantrag keine Redezeit der einzelnen Fraktionen vorgesehen ist, führen wir direkt die Abstimmung durch. Wer ist dafür, dass Plastikbecher ab sofort im Jugend-Landtag ausgeschlossen werden? – Okay. Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Somit ist der Antrag mit Mehrheit angenommen. (Allgemeiner Beifall) Dann rufe ich auf: 2 Aussteigerprogramme für Rechtsextreme Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU Die Fraktion der CDU des 4. Jugend-Landtags hat gemäß § 90 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu der erwähnten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

(Beifall von der CDU) Sascha Ohlenforst (CDU): Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Abgeordnete des 4. Jugend-Landtags! In einer Demokratie ist es eine besondere, wichtige Aufgabe, eben jene Demokratie vor politischen Kräften zu schützen, die ihr zielgerichtet erheblichen Schaden zufügen möchten. Die Rechtsstaatlichkeit und die hiermit verbundenen Werte und Moralvorstellungen müssen zweifellos vor rechtsextremistischen Übergriffen geschützt werden. Wir als CDU-Fraktion erachten es jedoch als genauso wichtig, dass auch diejenigen Menschen einen ganz speziellen Schutz erhalten, die dieser Szene den Rücken zukehren wollen und ein Teil unserer Demokratie werden möchten. Den Ausdruck „Mensch“ habe ich hierbei ganz bewusst gewählt. Denn anders, als uns einige Linke gerne weismachen möchten, handelt es sich nicht nur um einen harten Kern lauter politisch motivierter Intensivstraftäter, sondern um Menschen – nennen wir sie Frustwähler oder Mitläufer –, die stellenweise in den entsprechenden Parteien vertreten sind und diese wählen, denen wir das Menschenrecht des Irrens einräumen und den Weg der Umkehr freiräumen sollten. Speziell an diese Gruppe richten sich die Aussteigerprogramme, welche wir als CDU vermehrt fordern. (Beifall von der CDU und von der FDP – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN) Wir dürfen es nicht hinnehmen, wenn Mitglieder der rechtsextremen Szene es nicht wagen, auszusteigen, weil sie soziale Isolation fürchten oder Angst haben, dass ihre einstigen Kameraden zu ihren Peinigern werden könnten. Aussteigerprogramme sollten diesen Menschen den Weg weisen und ihnen ermöglichen, ohne solche Ängste auszusteigen. (Beifall von der CDU, von der SPD, von den GRÜNEN und von der FDP) Mit diesem Vorschlag möchten wir erreichen, noch schneller handeln zu können, wo reale Probleme bestehen, anstatt uns einem prestigeträchtigen Stimmungskampf der Linken anzuschließen, der nichts anderes im Sinn hat, als die öffentliche Wahrnehmung weit nach links zu verschieben. (Beifall von der CDU und von der FDP – Vereinzelt Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

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Seien wir doch ehrlich: Dass alles gleich rechts erscheint, was nicht mit Ihrem linken Meinungsbild übereinstimmt, das ist das Ziel, das Sie mit ihrem prestigeträchtigen Stimmungskampf erreichen wollen. (Beifall von der CDU und von der FDP) Meine Damen und Herren, zum Abschluss meiner Rede: Das Aussteigerprogramm ist ein wichtiger Faktor im Kampf gegen den Extremismus. Deshalb bitte ich Sie, dieses zu unterstützen und zu fördern. – Vielen Dank. (Beifall von der CDU und von der FDP – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN) Präsident Conrad Schwanitz: Als Nächstes darf ich Jerome Schmitz von der Fraktion der SPD nach vorne bitten. (Allgemeiner Beifall) Jerome Schmitz (SPD): Sehr geehrter Herr Jugend-Landtagspräsident! Liebe Mitglieder des 4. Jugend-Landtags Nordrhein-Westfalen! Wir schreiben das Jahr 2010. Es ist Sommer. Neonazis überfallen in meiner Heimatstadt Aachen eine Szenekneipe mit Gaspistolen und Steinzwillen. Zum Glück wird niemand verletzt. Kurze Zeit später: Neonazis der Kameradschaft „Aachener Land“ und autonome Nationalisten aus der Region Aachen fahren zu einer Demonstration nach Berlin. Ein Demonstrant führt eine selbstgebaute Splitterbombe mit sich und kommt in eine Polizeikontrolle. Er wird nicht verurteilt. Seine Tat wird von fast allen politischen Parteien ignoriert. Einige Wochen später: Vor dem AZ Aachen finden Antifaschistinnen und Antifaschisten eine vermeintliche Bombe. Ein Großeinsatz der Polizei stellt das Gefahrenobjekt sicher. Dennoch ist bis heute ungeklärt, ob es sich um eine Bombenattrappe oder um eine reale Bombe handelte. April 2011: 600 Mitglieder der Kameradschaft „Aachener Land“ und der autonomen Nationalisten marschieren durch Stolberg bei Aachen. Selbst dem Großteil der NPD ist der Aufmarsch zu extrem. Es marschieren nur militante Neonazis. Last but not least Heinsberg bei Aachen im Mai 2011: Vermummte Faschos schießen zur besten Geschäftszeit drei Personen mit Gaspistolen nieder. Die Polizei ermittelt keine Täter. Einige Personen werden schwer verletzt. Ihr fragt euch jetzt sicherlich, warum ich diese Beispiele gebe. Es gibt gegen diesen Terror, unter dem die Aachener Bevölkerung inzwischen seit Jahrzehnten leidet, kaum gesellschaftlichen und vor allen Dingen keinen politischen Widerstand. Vor allem bürgerliche Parteien – das muss man leider Gottes sagen – gehen immer noch den mehr als fragwürdi-

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gen Weg, faschistische Strukturen zu ignorieren und so ihre moralische, ethische und politische Verantwortung von sich zu weisen. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Möchten wir Faschistinnen und Faschisten dazu bewegen, an Aussteigerprogrammen teilzunehmen, müssen wir ihnen zuerst durch organisierten Widerstand auf Grundlage eines basisdemokratischen und moralischen Verständnisses durch Massenaktionen den Raum nehmen, den ihnen die Politik derzeit bietet. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Erst dann, wenn wir allen Faschisten und Faschistinnen zeigen, dass wir nie und nimmer eine politische Ideologie akzeptieren, die die Würde des Menschen infrage stellt, werden Faschistinnen und Faschisten darüber nachdenken, dass sie falsch liegen, weil wir ihnen keinen Raum geben, und erst dann können wir Erfolge mit Aussteigerprogrammen erzielen. – Danke schön. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Präsident Conrad Schwanitz: Nun darf ich Metehan Capaci von den Grünen nach vorne bitten. (Allgemeiner Beifall) Metehan Capaci (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Abgeordnete! Liebe Gäste! Bevor ich mit meiner Rede anfange, bedanke ich mich für die grüne Fraktion, dass ich heute zu diesem Thema meine Meinung äußern darf. Wir finden es gut, dass die CDU uns heute diese Aussteiger-Sache als Thema vorgelegt hat. (Beifall von den GRÜNEN, von der CDU und von der FDP) Wir wissen alle, dass wir in einem Land leben, in dem es verschiedene Nationalitäten, Glauben und Kulturen gibt. Doch leider ist es so, dass es eine kleine Bevölkerungsgruppe gibt, die den Rechtsextremismus immer noch bevorzugt. Doch kommen wir zum Thema: Man ist bei den Rechtsextremisten mit dabei, weil sie coole Musik hören, coole Frisuren haben und coole Vorurteile und Klischees pflegen. Aber man fühlt sich nicht wohl dort. Man will raus aus diesem Drecksloch, aber man kann es nicht. (Beifall von den GRÜNEN und von der CDU) Denn sie drohen euch, zwingen euch und machen sonst noch was. – Aber was wollen die Rechtsextremisten machen, wenn wir als Land NordrheinWestfalen, als Deutschland, als ganz Europa hinter

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denen stehen und ihnen die Sicherheit geben, dort heil herauszukommen? (Allgemeiner Beifall) Sie können dann nichts machen; sie können nur sehen, wie ein richtiger Deutscher wirklich ist. (Heiterkeit) Alle, die aussteigen wollen und Angst vor dieser Minderheit haben, sollten die Polizei informieren. Somit sind sie sicher, und niemand kann den Aussteigern, in diesem Falle den Helden, etwas antun. Sobald man in diesem Land auf der richtigen Seite ist, ist man sicherer, als wenn man sich auf der falschen Seite befindet. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall) Präsident Conrad Schwanitz: Bevor wir zum nächsten Redner kommen, möchte ich darauf hinweisen, dass Laptops, Notebooks und Ähnliches verschwinden mögen.

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anderen Stadt. Falls diese Leute Aussagen in Bezug auf die alte Organisation tätigen wollen, muss ein Zeugenschutzprogramm Anwendung finden, das diesem Namen auch gerecht wird. (Beifall von der FDP und von der CDU) Ich hoffe, jedem in diesem Saal ist bewusst, dass die Aussteiger unterstützt werden müssen, um ihnen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen und damit der Einfluss extremistischer Organisationen auf die heutige Gesellschaft verringert wird. Ist jemandem dies nicht bewusst und kann sich jemand mit den genannten Punkten nicht identifizieren, ist er in diesem demokratischen Haus definitiv fehl am Platz. (Beifall von der FDP und von der CDU – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN) Ich darf daran erinnern, dass selbst in diesem Jugend-Landtag eine Partei vertreten ist, die immer noch vom Verfassungsschutz beobachtet wird. – Vielen Dank. (Beifall von der FDP und von der CDU)

Der nächste Redner ist Max Windorf von der FDP. (Allgemeiner Beifall) Max Windorf (FDP): Sehr geehrter Herr JugendLandtagspräsident! Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Abgeordnete! Viele Rechtsextremisten und Leute, die noch rechtsextremistischen Organisationen angehören, distanzieren sich mehr und mehr von diesem gewaltverherrlichenden, rassistischen Gedankengut. Aus diesem Grund wollen sie sich aus dieser Szene entfernen und ein neues Leben beginnen. Aber entscheiden sich letztendlich viele für diesen großen Schritt? – Klare Antwort: Nein. Denn sie haben Angst – Angst vor gewalttätigen Übergriffen auf die eigene Person, Angst vor Übergriffen auf die Familie, Angst vor einem Leben, das zur Hölle wird. Es ist Zeit, zu handeln. Jeder Mensch hat das Recht auf einen Wandel und auf ein würdiges, sicheres Leben. Wir von der FDP-Jugend-Landtagsfraktion lehnen Extremismus jedweder Art ab, (Allgemeiner Beifall) sei es Linksextremismus oder Rechtsextremismus. Es reicht nämlich nicht aus, die Debatte nur in Bezug auf Letztgenannten zu führen. Wir fordern, die bereits vorhandenen Maßnahmen zur Unterstützung williger Aussteiger aus diesen Szenen zu fördern und weiter auszubauen. Dazu gehört, den Menschen den Eintritt in ein neues und vor allem sicheres Leben zu ermöglichen. Zu nennen ist die Bereitstellung angemessener Berufe, Berufsausbildung und Unterstützung beim Eintritt in die Gesellschaft. Grundvoraussetzung ist eine neue Identität für Aussteiger und deren Familien in einer

Präsident Conrad Schwanitz: Der letzte Redner ist Felix Rauls von der Fraktion der Linken. (Allgemeiner Beifall) Felix Rauls (LINKE): Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Jugend-Landtagspräsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich bitte zunächst zu entschuldigen, dass meine Stimme heute etwas eingeschränkt ist. Der Rechtsextremismus ist ein sehr großes Problem, wenn nicht sogar eines der größten Probleme in unserer Gesellschaft. Das zeigt nicht nur die Zahl derer, die seit der Wiedervereinigung von Neofaschisten ermordet wurden. Nach offiziellen Angaben – das betone ich – beträgt die Zahl 140 Morde. Es ist Zeit, endlich gegen die Rechtsextremen vorzugehen. Dieses Thema ist nicht mehr zu leugnen. (Allgemeiner Beifall) Die typische „Ich höre nichts, ich sehe nichts“Haltung, mit der in Deutschland lange genug gehandelt wurde, führt nur dazu, dass rechtsextremes Gedankengut immer mehr Platz in der Mitte unserer Gesellschaft findet. Es gibt mehrere Wege, gegen Rechtsextremismus vorzugehen. Da wäre zum einen das Steineschmeißen, aber das ist sicher einer der schlechtesten Wege und am uneffektivsten. Der nach Meinung unserer Fraktion beste Weg wäre, die Ursachen und Wurzeln des aufstrebenden Rechtsextremismus zu bekämpfen, nämlich die rechtspopulistischen und rassistischen Meinungen in der Mitte der Gesellschaft.

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(Beifall von der LINKEN, von der SPD und von den GRÜNEN) Aber auch Aussteigerprogramme für Rechtsextreme können sicherlich ihren Teil dazu beitragen, dass wir künftig friedlicher in Deutschland leben können. Ich war positiv überrascht, dass der Antrag von der CDU gestellt wird. Das zeigt zumindest, dass sich einige der Christdemokraten dieses Problems annehmen. Allerdings habe ich mich dann gerade gefragt – das musste ja so kommen –: Wie kann man solche Mörder als Protestwähler darstellen? Das finde ich beschämend. (Beifall von der LINKEN und von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN) Solche Ausstiegsprogramme sind in erster Linie dazu da, Mitläufer aus dieser Szene zu reißen, damit diese, wie es gerade schon erwähnt wurde, keine Angst vor Prügelaktionen ihrer ehemaligen Kameraden haben müssen. Außerdem: Wer einmal in die rechtsextreme Szene abrutscht, verliert schnell den Kontakt zu Familie und Freunden. Die Aussteigerprogramme helfen den Aussteigern dabei, diesen Weg zu Freunden, zur Familie und zuletzt auch in unsere Gesellschaft wieder zurückzufinden.

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Hierzu darf ich als Erste die Rednerin der CDU, Yasemin Dogan, nach vorne bitten. (Allgemeiner Beifall) Yasemin Dogan (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Meine Damen und Herren! Sie leugnen Ihren eigenen Beschluss, liebe SPD-Fraktion. Ich weiß nicht, ob es Ihnen bewusst ist, aber Sie waren es, die 2005 das achtjährige Gymnasium zusammen mit den Grünen beschlossen haben. (Beifall von der CDU und von der FDP – Lachen von der SPD) – Sie lachen? – Ich habe „beschlossen“ und nicht „eingeführt“ gesagt. Natürlich tragen wir als CDUFraktion auch eine Verantwortung, da wir mitgestimmt haben. Aber es kann doch nicht ernsthaft so sein, dass man, ohne zu wissen, wie das System funktioniert, ohne zu wissen, ob das System eine Chance hat, und ohne dass die Ersten ihr Abitur gemacht haben, über das Konzept urteilt. Das darf nicht wahr sein, meine Damen und Herren. (Beifall von der CDU und von der FDP)

Die Aussteigerprogramme dürfen allerdings nicht dazu führen, dass ehemalige Neonazis Straffreiheit genießen. Wer einmal eine Straftat begeht, muss in der Zukunft dazu stehen und muss auch mit den Konsequenzen und mit der Strafe leben können.

Ich habe das Gefühl, dass Sie das Schulsystem nicht ernst nehmen.

(Beifall von der LINKEN und von der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU, von den GRÜNEN und von der FDP)

Denken Sie, dass das System ein Gerät ist, das man von G9 zu G8 und wieder zurück schalten kann? Wie kann es sein, dass man eine Meinung vertritt, ohne zu wissen, dass dieses System funktioniert? Man kann doch einigermaßen bei Verstand sein und sehen, wie viel Mühe und vor allem wie viel Zeit es uns gekostet hat, so ein System auf die Beine zu stellen.

Zuletzt möchte ich erwähnen, dass es auch wichtig ist, auf der anderen Seite die Beratungsstellen für die Opfer rechtsextremer Gewalt zu fördern. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall von der LINKEN und von der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU, von den GRÜNEN und von der FDP) Präsident Conrad Schwanitz: Meine Damen und Herren! Da keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen, schließe ich die Aktuelle Stunde zu diesem Thema. Ich rufe auf: 3 G8 abschaffen, G9 wieder einführen, Doppeljahrgang besser versorgen Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE

(Beifall von der CDU und von der FDP – Lachen und demonstrativer Beifall von der SPD)

(Beifall von der CDU und von der FDP) 2009 haben sich drei Viertel der Eltern in NordrheinWestfalen zufrieden gezeigt und haben G8 gelobt. Natürlich lobt man es; schließlich bringt dieses Schulsystem auch viele Vorteile mit sich. (Felix Rauls [LINKE]: Jetzt sind wir aber gespannt!) Mit 18 Jahren erreicht der Schüler sein Abitur und kann sich ins Studium oder ins Berufsleben stürzen. Keine Freizeit? Genau das war ein wesentlicher Kritikpunkt an der Ganztagsschule. Aber mit den Jahren wurde und wird daran gearbeitet. Schulen kooperieren mit zahlreichen Vereinen, damit das Freizeitangebot wächst. Da legt die SPD ein Ei. Aber bevor das Küken schlüpfen kann, hält sie das Ei in der Hand und will es schon wieder kaputtmachen. Das darf nicht sein, meine Damen und Herren.

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(Beifall von der CDU und von der FDP) Geben Sie dem Küken die Zeit, die es braucht, um zu schlüpfen. Dieses Schulsystem braucht Zeit – die gleiche Zeit, die jedes System braucht, damit es perfektioniert werden kann. Einen Punkt möchte ich zum Schluss noch ansprechen: Ist Ihnen klar, wie viele Kosten auf uns zukommen? (Zuruf von der SPD) – Genau, das kennt man ja so von euch Sozialdemokraten. (Beifall von der CDU und von der FDP – Zurufe von der SPD: Buh!) Diese Kosten werden dann zu Schulden, welche wir Jugendliche wieder ausbaden dürfen. Das lassen wir uns nicht bieten, meine Damen und Herren. Das darf nicht passieren. – Vielen Dank. (Beifall von der CDU und von der FDP – Zurufe von der SPD) Präsident Conrad Schwanitz: Ruhe bitte! – Als Nächstes darf ich jetzt Felix Richtering von der SPD nach vorne bitten. (Lebhafter Beifall von der SPD) Felix Richtering (SPD): Sehr geehrter Herr Jugend-Landtagspräsident! Liebe Abgeordnete! Und natürlich auch liebe Zuschauer! G8 – einmal kurz zur Info; das kam gerade leider nicht – ist die Verkürzung der Schulzeit von 13 Jahren auf 12 Jahre. Eingeführt wurde es von der schwarz-gelben Koalition unter Rüttgers. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) An und für sich ist G8 eine gute Idee. Da können sich die Meinungen natürlich spalten; aber meiner Meinung nach ist es eine gute Idee. Inzwischen ist es europäischer Standard. (Beifall von der CDU und von der FDP) Viele ehemalige G9-Schüler, mit denen ich gesprochen habe, werden Ihnen und euch bestätigen können, dass man damals das elfte Schuljahr hätte streichen können. Dennoch ist mein erstes Wort: Schwachsinn. Schwachsinn ist, wenn G8 eingeführt wird und kommende Regierungen und Parlamente dann G9 wieder einführen. Da mag ich auch meiner Vorrednerin zustimmen. Ich finde, das ist Schwachsinn. Darin sehe ich keinerlei Sinn. Schulen können nicht intern so geteilt werden, dass die Besseren G8-Schüler und die Schlechteren G9Schüler sind. Dann hätte ein G9-Schüler mit einem Abiturdurchschnitt von 1,2 schlechtere Chancen auf

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dem Arbeitsmarkt als ein G8-Schüler mit einem Schnitt von 1,9 – nur wegen des zusätzlichen Schuljahrs. So haben wir nicht nur ein dreigliedriges Schulsystem, sondern in der Summe sogar ein viergliedriges. Herzlichen Glückwunsch! (Beifall von der SPD und von der LINKEN – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN) Außerdem ist es ebenso schwachsinnig, wenn eine Regierung G8 einführt und nebenbei leider vergisst, den Lehrplan zu kürzen, sodass Schüler neben einem Mount Everest von Hausaufgaben und einem Mont Blanc von Lernstunden für Klausuren usw. nur noch ungefähr einen Düsseldorfer Hügel für Freizeit finden. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Das ist meiner Meinung nach der fatale Fehler der Politik. Denn wenn ich ungefähr einen Düsseldorfer Hügel an Freizeit habe, wo soll ich mich denn dann in Politik und Gesellschaft engagieren? Das geht nicht. Das ist ein Widerspruch. Das darf in der Politik nicht vorkommen. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Daher ist mein Vorschlag, nicht G9 wieder einzuführen, sondern den Kernlehrplan so weit zu entschlacken – das müssten Parlament, Regierung und Lehrer gemeinsam hinbekommen –, dass die Jugend zwar genug Zeit hat zu lernen und genug lernt fürs Abitur und für die Zukunft, aber auch noch Zeit für ehrenamtliches Engagement in Politik und Gesellschaft findet. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Habe ich noch Zeit? – Okay. Dann komme ich noch kurz zum Doppeljahrgang. Meine Forderung an Politik, an Lehrer und natürlich auch an Universitäten ist, dass neue Studiengänge geschaffen werden, dass neue Studienplätze entstehen. Denn auch in Zukunft wird die Studierendenzahl nicht abnehmen, wie man es eigentlich aufgrund des demografischen Wandels erwarten könnte, sondern es gibt Nachzugswellen zum Beispiel durch den Bundesfreiwilligendienst, durch das FSJ oder durch die Bundeswehr. Und außerdem ist der Hauptschulabschluss nichts mehr wert; man kann mit einem Hauptschulabschluss nichts mehr machen. Das Abitur wird immer gefragter werden. (Beifall von der SPD und von der LINKEN) Auch an den Universitäten wird immer mehr Nachfrage kommen. Das heißt, die Studierendenzahl wird wachsen. Präsident Conrad Schwanitz: Ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen.

4. Jugend-Landtag Nordrhein-Westfalen Felix Richtering (SPD): Ja, ich bin so weit. – Von daher müssen neue Studiengänge geschaffen werden, damit man mit einem etwas schlechteren NC – der wird dann ja angehoben werden – zumindest etwas Ähnliches studieren kann. Zweitens muss die Zahl der Studienplätze deutlich erhöht werden. – Vielen Dank. (Beifall von der SPD und von der LINKEN) Präsident Conrad Schwanitz: Als Nächstes rufe ich den Vertreter der Grünen, Benedict Steffens, auf. (Allgemeiner Beifall) (Vorsitz: Vizepräsidentin Isabel Felder) Benedict Steffens (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Jugend-Landtagsteilnehmer und Zuschauer! Was haben soziale Inkompetenz, Leistungsdruck und Burnout-Syndrom gemeinsam? – Diese drei Dinge wurden durch die Änderung von G9 zu G8 bei einigen Jugendlichen hervorgerufen. Deshalb fordern wir von den Grünen ein Zurück zu G9, (Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN) weil G8 viele Nachteile hat, die ich jetzt aufzählen werde: G8 ist viel zu anstrengend für die Schüler. Es ist nicht zumutbar, dass ein Elfjähriger morgens um 8 Uhr in die Schule geht, um 16 Uhr nach Hause kommt und erst dann mit seinen Hausaufgaben anfangen kann. Noch viel entscheidender ist aber, dass die Schulleistung bei vielen Schülern darunter leidet, weil immer mehr Stoff in immer kürzerer Zeit gelernt werden muss. Wegen dieser Verkürzung kommen auch so Sachen wie Gruppenarbeit viel zu kurz, wodurch die Persönlichkeitsentwicklung vieler Schüler beeinträchtigt wird. (Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN) Aber nicht nur dadurch wird die Persönlichkeitsentwicklung beeinträchtigt, sondern auch dadurch, dass man weniger Zeit für Hobbys, Freunde, Vereine hat, wodurch man soziale Kontakte knüpfen und viel lernen kann. Auch das wird immer schwieriger. Auch andere Sachen, zum Beispiel ein Auslandsjahr, das mittlerweile fast normal geworden ist, wird nur noch sehr schwer einbindbar, weil es einfach keine Zeit mehr dafür gibt. Viele Schüler fühlen sich auch unmündig, weil sie noch nicht genau wissen, welchen LK sie wählen sollen, da sie noch nicht die Reife haben oder sich noch nicht genug Gedanken gemacht haben, um das entscheiden zu können. (Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN)

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Wie die CDU richtigerweise gesagt hat, wäre die Umstellung mit viel Arbeit verbunden, was auch sehr teuer wäre. Aber ich bin überzeugt, dass sich diese Investition lohnen würde, weil es eben keine Investition für die nächsten vier Jahre, sondern für die nächsten vier Jahrzehnte oder sogar für noch länger ist. Dieses Geld würde sich über kurz oder lang auszahlen. Meiner Meinung nach würden sich das Geld und die Arbeit, die wir dort investieren, auszahlen. Denn wenn wir nur noch schlechter ausgebildete Schüler der Wirtschaft oder den Sozialeinrichtungen zur Verfügung stellen würden, dann wäre das ein Nachteil, der sich nachhaltig schlecht auf unsere Gesellschaft auswirken würde. Ich komme zum Doppeljahrgang: Das ist leider etwas, was wir nicht mehr verhindern können, selbst wenn wir den Schritt zu G9 zurückgingen. Vizepräsidentin Isabel Felder: Entschuldigung, Ihre Redezeit ist leider abgelaufen. Benedict Steffens (GRÜNE): Okay. – Danke schön. (Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN) Vizepräsidentin Isabel Felder: Als Nächstes darf ich Marius Bude von der FDP nach vorne bitten. (Beifall von der FDP und von der CDU) Marius Bude (FDP) : Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Besucher! Sehr geehrte Minderheitsregierung! (Beifall von der FDP – Zurufe von der SPD) Viele Menschen denken bei eurem Projekt, der Gemeinschaftsschule, nicht an eine nachhaltige Reformierung unseres Schulsystems, sondern an den kläglichen Versuch, der an der Justiz in NRW gescheitert ist, diesem Bildungssystem euren politischideologischen Willen aufzuzwingen. (Beifall von der FDP und von der CDU) Unser Bildungssystem gleicht unter Ihrer Regierung mehr einem Versuchslabor mit zwecklosen Reformversuchen als einem System, in dem Menschen das Wissen vermittelt wird, welches sie im Leben benötigen. (Beifall von der FDP und von der CDU) Die Wiedereinführung des G9-Schulsystems ist ein weiteres sinnloses Prestigeobjekt. Argumente wie die Überfüllung der Universitäten sind in Anbetracht der Tatsache, dass alle doppelten Abiturjahrgänge bundesweit versetzt die weiterführenden Schulen verlassen, entkräftet. Ich versichere Ihnen: Sowohl

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diese Struktur als auch die Bereitstellung und Investition von Milliarden von Euro in unsere Universitäten garantiert, dass eine größtmögliche Qualität an unseren Hochschulen erhalten bleibt. (Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD) Auf der einen Seite kritisieren Sie, dass alle beruflichen Institutionen, die nach der weiterführenden Schule folgen, wie die Hochschulen, Ausbildungsplätze und FSJ-Stellen maßlos überfüllt sind. Und im gleichen Satz kritisieren Sie paradoxerweise, dass durch die Aussetzung der Wehrpflicht die Hälfte aller FSJ-Stellen unbesetzt ist. (Beifall von der FDP und von der CDU) Sehr geehrte Landesregierung, wann hören Sie endlich auf, sich selber zu widersprechen? (Beifall von der FDP und von der CDU) Bei uns Liberalen steht die Chancengerechtigkeit im Mittelpunkt. (Lachen bei der SPD) Die Linkspartei behauptet, dass sie die einzige Partei ist, die Chancengerechtigkeit vertritt. Liebe Linkspartei, ich darf Ihnen Ihre Chancengerechtigkeit mal vor Augen führen: Mit der Abschaffung der Schulnoten nehmen Sie die Grundlage einer Vergleichbarkeit der Schüler und die Motivation des Schülers zur Leistung. (Vereinzelt Beifall von der CDU) Ihr vertretet lediglich die Verallgemeinerung der Leistung, indem ihr Lernbehinderte und Leistungsstarke in eine Klasse einschleust, (Beifall von der FDP und von der CDU) indem ihr Lernschwachen die Möglichkeit auf individuelle Förderung nehmt und im gleichen Atemzug lernstarken Schülern die Möglichkeit nehmt, ihrer Begabung gerecht zu werden. (Beifall von der FDP und von der CDU – Zurufe von der SPD und von der LINKEN) Das ist keine Chancengerechtigkeit! Das ist Betrug an allen motivierten Schülerinnen und Schülern in Nordrhein-Westfalen, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall von der FDP und von der CDU – Zurufe von der SPD und von der LINKEN) Es ist doch der Wille zur Leistung, der Schüler in unseren Bildungseinrichtungen motiviert. (Weitere Zurufe von der SPD und von der LINKEN) – Beruhigen Sie sich doch! – Somit muss man ihnen auch die Möglichkeit geben, Leistung zu erbringen. Deswegen muss Schule zur Leistung stehen.

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(Beifall von der FDP und von der CDU) Chancengerechtigkeit bedeutet für uns Liberale, dass Strukturen in unserem Bildungssystem existieren, die die Begabung unserer Leistungsstarken respektieren und fördern, aber gleichzeitig die Leistungsschwachen individuell unterstützen und eine bestmögliche Bildung garantieren. Das ist der Anspruch der FDP-Fraktion. Diesen Anspruch haben wir im Bildungssystem umgesetzt! (Lebhafter Beifall von der FDP und von der CDU – Zurufe von der SPD und von der LINKEN) Vizepräsidentin Isabel Felder: Ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen. Marius Bude (FDP): Ja, noch zwei Sätze. – Somit haben wir für die Leistungsstarken das Abitur nach acht Jahren weiterführender Schule eingeführt und dennoch in unserem Bildungssystem die Möglichkeit erhalten, das Abitur nach neun Jahren an Gesamtschulen zu absolvieren. Aufgrund dessen stellt sich nicht die Frage, ob G9 wieder eingeführt werden soll, sondern aufgrund der Tatsache, dass G9 weiterhin existiert und in unser Bildungssystem etabliert ist, ist dieser Antrag vollständig abzulehnen. (Zurufe von der SPD und von der LINKEN) Stattdessen sollte die Minderheitsregierung … Vizepräsidentin Isabel Felder: Kommen Sie bitte zum Ende. Ihre Redezeit ist abgelaufen. (Zurufe von der SPD und von der LINKEN) Marius Bude (FDP): … und die Linke ihre ideologisch betriebenen Reformprozesse beiseitelegen (Zurufe von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) und mit Christdemokraten und Liberalen endlich zusammenarbeiten. (Das Mikrofon wird abgestellt. – Beifall von der SPD, von den Grünen und von der LINKEN) Danke schön. (Beifall von der FDP und von der CDU) Vizepräsidentin Isabel Felder: Als nächsten Redner darf ich Armin Tahan von den Linken nach vorne bitten. (Beifall von der LINKEN, von der SPD und von den GRÜNEN)

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Armin Tahan (LINKE): Sehr geehrte Frau JugendLandtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuschauer! Wir von den Linken sind für die Wiedereinführung von G9, denn G8 bedeutet zu viel Stress und zu viel Stoff auf einmal für die Schülerinnen und Schüler, was Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, aufgrund Ihrer Erfahrungen in den Kreisen bestätigen können. (Beifall von der LINKEN, von der SPD und von den GRÜNEN) Also lastet zu viel Druck auf den Schülerinnen und Schülern. Der Notenspiegel, der sich verbessern sollte, hat sich sogar verschlechtert. Außerdem wurde für manche Schülerin und manchen Schüler G8 zu schnell eingeführt, was eine Last für die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler ist, denn sie brauchen Zeit für ihre Hobbys und für Freizeiten, denen sie nachgehen sollten.

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Im Zusammenhang mit dieser Veranstaltung sind Fehler gemacht worden. Aber es steht nicht in meiner Macht, darüber zu urteilen, wer die Schuld trägt. Damit ist die Staatsanwaltschaft befasst. Ich setze mein vollstes Vertrauen in ihre Arbeit. Die bisherigen Ermittlungen haben ergeben, dass es nicht einen Schuldigen geben kann, sondern viele unglückliche Umstände zu dieser Katastrophe führten. Dennoch kann man nicht, wie es Juristen gerne tun, von einem Unglücksfall sprechen. Es handelt sich hierbei vielmehr um menschliches Versagen auf vielen Ebenen. Doch wollten an diesem Tag Menschen nicht nur sorglos feiern, sondern es haben auch Menschen gearbeitet, und zwar bis zur völligen physischen und vor allem psychischen Erschöpfung. Wer sind diese Menschen?

Wir sollten nicht nach dem Motto urteilen: Wer G8 macht, ist der Schlauere, und wer G9 macht, ist der Dümmere. – Danke schön.

Ich habe hemmungslos weinende Polizisten gesehen. Ich habe völlig verdreckte Menschen mit leerem Blick gesehen, die sich gegenseitig stützten. Ich habe Verletzte gesehen, die vor Sanitätszelten saßen und von anderen mit Wasser versorgt werden mussten, weil in diesen Zelten nur Menschen mit schweren oder gar lebensgefährlichen Verletzungen versorgt werden konnten. Ich habe Menschen gesehen, die in Rettungswagen lagen. Ich habe Menschen gesehen, die in der Hölle vor dem Tunnel ihre Schuhe verloren hatten und Schuhe von anderen bekamen, damit sie nicht mehr mit blanken Füßen über den Schotter dieses Güterbahnhofs in Duisburg irren mussten.

(Beifall von der LINKEN, von der SPD und von den GRÜNEN)

Alle diese Helfer haben ihr Möglichstes getan, um anderen Menschen zu helfen.

Vizepräsidentin Isabel Felder: Da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, rufe ich den nächsten Tagesordnungspunkt auf:

Ich persönlich erinnere mich an Pedro, einen Spanier. Er lebte damals in London. Wir haben ihm unser Wasser gegeben, da er allein, völlig ohne Orientierung und ohne seine Freunde verloren durch Duisburg irrte.

(Beifall von der LINKEN, von der SPD und von den GRÜNEN) Jugendliche sollten auch einmal Ablenkung von der Schule haben und sich nicht immer nur darauf konzentrieren. Unserer Ansicht nach benötigen die Jugendlichen den elften Jahrgang als Vorbereitungsjahr auf das Abitur. (Beifall von der LINKEN)

4 Love-Parade Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der FDP Das Wort hat Marius Schumacher von der CDU. (Beifall von der CDU und von der FDP) Marius Schumacher (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich spreche hier nicht als Angehöriger der CDUFraktion, sondern als Besucher, Helfer und Polizeibeamter. Nun ist es fast ein Jahr her, seit dieser tragische Tag über Duisburg hereinbrach. Ich spreche mein Mitgefühl gegenüber allen aus, die an diesem Tag Angehörige und Freunde verloren habe. (Allgemeiner Beifall)

Abschließend möchte ich diese Möglichkeit nutzen, allen Hilfs- und Rettungskräften und natürlich meinen Kollegen der Polizei, die an diesem Tag Großes geleistet haben, meinen ausdrücklichen Respekt auszusprechen und zutiefst zu danken. (Allgemeiner Beifall) Vizepräsidentin Isabel Felder: Die nächste Rednerin ist Megan Tabea Wagner von der SPD. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Megan Tabea Wagner (SPD): Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Liebe Abgeordnete! Verantwortung – Verantwortung ist ein sehr geschwollener und abstrakter Begriff, über den ich jetzt in diesem Augenblick vor Ihnen sprechen möchte. Allerlei Medien stürzten sich im Sturzflug auf die Geschehnis-

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se am 24. Juli des letzten Jahres, einen Tag, an dem Menschen zusammenkamen, um gemeinsam die Liebe zu feiern, und sich letztendlich in einem Trauermarsch wiederfanden. Ich schließe mich dem Mitgefühl meines werten Vorredners an.

Auch die Medien heizen das Feuer der Schuldfrage immer weiter an. Erst neulich veröffentlichte der „Spiegel“ seitenweise einen Bericht der Staatsanwaltschaft – das alles, um der öffentlichen Klärung der Schuldfrage ein Stück näher zu kommen.

Vielleicht mögen Sie alle nun von mir erwarten, eine Wertung abzugeben. Dies werde ich hier und heute nicht tun.

Es ist gut nachvollziehbar, dass schnell nach einem Sündenbock gesucht wird. Trotzdem möchte ich heute an Sie alle appellieren: Setzen Sie Ihr Vertrauen in die deutsche Justiz. Lassen Sie die Anklage Aufgabe der Staatsanwaltschaft und die Urteilsbildung Aufgabe des Gerichts sein, auch dann, wenn es eine große Geduldsprobe ist. Nur so können wir sicherstellen, dass die wahren Verantwortlichen ein gerechtes Urteil bekommen, ganz so, wie es in einem Rechtsstaat üblich ist.

(Beifall von der SPD, von der CDU, von den GRÜNEN und von der FDP) Fehler sind geschehen. Im öffentlichen Blickpunkt muss Verantwortung übernommen werden, mehr noch, als sich gegenseitig die Schuld zuzuweisen. (Allgemeiner Beifall) Jen-Jolina, 21 Jahre, Fenja, 23 Jahre, Elmar, 38 Jahre, und den weiteren Opfern sowie ihren Angehörigen hilft dieses nun auch nicht mehr weiter. (Allgemeiner Beifall) Eine Schuldzuweisung, nur um einen Sündenbock zu haben, ist nicht sinnvoll. Die Verantwortung hierbei liegt nicht ausschließlich bei der Organisation. Bei solchen Massenveranstaltungen spielt die Unberechenbarkeit der Menschenströme eine entscheidende Rolle. Manchmal entscheidet diese wie bei der Love-Parade in Duisburg über Leben und Tod. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall) Vizepräsidentin Isabel Felder: Als Nächstes darf ich René Reile von den Grünen nach vorne bitten. (Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN) René Reile (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 357 Tage – so viel Zeit ist seit der Tragödie der Love-Parade vergangen, 357 Tage voller Ungewissheit und noch immer unzählige Fragen, Fragen, auf die es bisher keine Antwort gibt. Nur wenige Menschen in diesem Saal können wirklich verstehen, welche Gefühle diese Ungewissheit auslöst. Die Love-Parade sollte ein Fest der Liebe werden. Im letzten Jahr wurde sie zu einem Symbol menschlichen Versagens. Es schien so, als wollten alle die Love-Parade nach Duisburg holen – um jeden Preis. Wie kann die Politik heute erklären, dass niemand die Verantwortung für das Unglück übernommen hat? (Allgemeiner Beifall) Vor allem Angehörige und Freunde sehnen sich bis heute, fast ein Jahr danach, nach einem Schuldigen, einer Person, die sich für die Tragödie verantwortlich zeigt.

(Allgemeiner Beifall) Vizepräsidentin Isabel Felder: Die nächste Rednerin ist Luise Kixmöller von der FDP. (Beifall von der FDP und von der CDU) Luise Kixmöller (FDP): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Besucher! Unglaubliches Leid hat sich genau vor einem Jahr unweit von hier in unserer Nachbarstadt Duisburg zugetragen. Was am 24. Juli 2010 als größte TechnoParty Deutschlands begann und geplant war, endete in einer Tragödie. In einer Massenpanik im einzigen Tunnel, der gleichzeitig als Ein- und Ausgang geplant war, ließen 21 junge Menschen ihr Leben und wurden mehr als 500 verletzt. Diese traurige Bilanz lässt uns noch heute geschockt zurück. Unter diesen tragischen Umständen ist es uns sehr wichtig, dass der diesjährige Jugend-Landtag nicht nur den Opfern der Love-Parade gedenkt, sondern auch über politische Verantwortung nachdenkt. Zu dieser politischen Verantwortung gehört es unter anderem, aufzuklären, weshalb der Oberbürgermeister der Stadt Duisburg nie moralische Verantwortung übernommen hat, wieso der Innenminister des Landes NRW erst, nachdem Dinge durch die Presse bekannt wurden, diese zugegeben hat, wieso zum Beispiel keine Vorrangschaltung eingerichtet oder immer noch keine Entschädigung gezahlt wurde. (Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU, von der SPD, von den Grünen und von der LINKEN) Seit nun fast einem Jahr ermittelt die Staatsanwaltschaft nach Verantwortlichen. Bis jetzt stellt sich uns und vielen anderen die Frage: Wer ist eigentlich schuld daran, dass so viele Jugendliche sterben mussten? Wie kann es sein, dass Führungspositionen plötzlich sagen, sie hätten noch nie etwas von den drastischen Sicherheitsmängeln gehört? Es ist doch ein Unding, dass auch während des Ermittlungsverfahrens Informationen von der Staatsan-

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waltschaft zurückgehalten wurden. Was hat das mit Transparenz zu tun, liebe Kolleginnen und Kollegen? (Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU, von der SPD, von den Grünen und von der LINKEN) Das Mindeste, was angesichts der vielen Toten getan werden muss, ist, transparente Informationswiedergabe zu gewährleisten. Die FDP fordert deshalb, dass lückenlos aufgeklärt wird, was zu dieser Tragödie führte und wer dafür verantwortlich ist. Außerdem muss endlich damit begonnen werden, über Entschädigungszahlungen zu beraten und vor allem zu entscheiden. (Beifall von der FDP) Noch nach einem Jahr wird weder den Angehörigen der Verstorbenen noch den Verletzten eine Entschädigung gezahlt. Noch immer wird den Traumatisierten nicht geholfen. Eine finanzielle Entschädigung wäre immerhin ein Zeichen nach all den Dementis der Veranstalter und des ganzen EventManagements. Ein Jahr ist nun vergangen. Die Chance, moralische Verantwortung zu übernehmen, haben die Führungspositionen unverzeihlich vertan. Doch für Gerechtigkeit ist es nicht zu spät. Die FDP erachtet es deshalb als notwendig, dass im weiteren Verlauf endlich transparent informiert wird, dass jetzt endlich Angehörige und Opfer die Entschädigung bekommen, die ihnen zusteht, und dass sich endlich um sie gekümmert wird. Es muss endlich Schluss sein mit Tricksen, Tarnen, Täuschen und Vertuschen! Brechen wir die Mauer des Schweigens! – Vielen Dank. (Beifall von der FDP und von der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Vizepräsidentin Isabel Felder: Als letzte Rednerin in dieser Aktuellen Stunde darf ich Lena Köning von den Linken nach vorne bitten. (Beifall von der LINKEN, von der SPD und von den GRÜNEN) Lena Köning (LINKE) : Sehr geehrte Präsidentin des Landtags! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Sehr geehrte Zuschauer und Zuschauerinnen! Schon fast ein Jahr ist es her, als 21 Menschen bei der Love-Parade ums Leben kamen. Doch noch immer wurde kein Verantwortlicher zur Rechenschaft gezogen. Wir von der Fraktion der Linken finden das eine Unverschämtheit, besonders weil nicht nur die Angehörigen der Verstorbenen noch heute in großer Trauer leben, sondern auch weil Hunderte von Betroffenen aufgrund der schrecklichen Ereig-

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nisse an physischen und seelischen Störungen leiden. (Beifall von der LINKEN) Die Linksfraktion ist der Meinung, dass es ein unmoralisches sowie ungerechtes und feiges Verhalten von den Verantwortlichen ist. Menschlich und moralisch gesehen ist es eine unakzeptable Haltung. Die Verantwortlichen verletzen die Betroffenen psychisch so noch mehr. Unserer Ansicht nach hat jeder der Organisatoren Mitschuld an der Tragödie. Wir sind der Meinung, dass Oberbürgermeister Sauerland in dieser Hinsicht vollkommen versagt hat und die politische Verantwortung trägt. (Beifall von der LINKEN, von der SPD und von den GRÜNEN) Wir, die Fraktion der Linken, fordern eine ernstgenommene und ehrliche Entschuldigung sowie das Abtreten von Oberbürgermeister Sauerland. (Beifall von der LINKEN, von der SPD und von den GRÜNEN) Außerdem fordern wir eine sofortige Aufklärung und das Zur-Rechenschaft-Ziehen der Verantwortlichen. (Beifall von der LINKEN – Vereinzelt Beifall von der SPD) Sauerland zeigte, dass er unfähig ist, sich Fehlern zu stellen und Kritik anzunehmen. Wir sehen dies als feiges und unfähiges Verhalten an und fordern darum seinen Rücktritt. (Beifall von der LINKEN und von der SPD) Es wird Zeit, dass dieses Versagen von Menschen, das zur Folge hatte, dass junge Menschen, die feiern wollten, ums Leben kamen, Konsequenzen mit sich bringt. Das Pingpongspiel in Sachen Schuld, das weiter auf die Psyche der Traumatisierten schlägt, muss ein Ende haben. Die Verantwortlichen dürfen nicht mehr auf ihrem Stolz beharren. Es geht um verlorene Menschenleben, um ihre Angehörigen und um Menschen, die aufgrund der traumatischen Erlebnisse psychische Störungen erleiden. Hier zählt nicht, wer Macht hat oder wer diese abgeben muss, hier geht es um Menschlichkeit. – Danke. (Beifall von der LINKEN, von der SPD und von den GRÜNEN) Vizepräsidentin Isabel Felder: Ich rufe auf: 5 Alkoholkonsum einschränken Antrag der Initiative zur Einschränkung des Alkoholkonsums von Jugendlichen

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Ich weise auf die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Integration hin und eröffne die Beratung mit dem Redner Sven Lombard von der CDU. (Beifall von der CDU und von der FDP) Sven Lombard (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die heutige Generation hat ein zwiespältiges Verhältnis zum Thema „Alkohol“. Die einen konsumieren Alkohol bei Feiern und Festen, zu Mahlzeiten und zur Entspannung nach einem anstrengenden Tag und demnach in kleineren Mengen. Andere hingegen trinken bis zum Exzess. Aber inwieweit darf in diesen Entscheidungsprozess eingegriffen werden, und werden Jugendliche überhaupt in ihrem Konsumverhalten bezüglich Alkohol durch Werbung beeinflusst? Wir als CDU-Fraktion sprechen uns entschieden gegen ein Werbeverbot bis 22 Uhr im Rundfunk aus! (Beifall von der CDU und von der FDP) Doch wir müssen uns dazu erst einmal fragen, wann es bei Jugendlichen zu Alkoholexzessen kommt. Ich bin davon überzeugt, dass solche Exzesse bei Partys und im gastronomischen Bereich auftreten. Man muss also an das Bewusstsein des Menschen appellieren. Jugendliche müssen von sich aus erkennen, welche negativen Folgen der Alkohol auf Psyche und Körper hat. Natürlich sind wir uns bewusst, dass dies nicht leicht wird. Jedoch zeigt die Präventionsarbeit unter anderem durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bereits deutliche Erfolge. Verbote hingegen sind keine Garantie dafür, dass Jugendliche im Umgang mit Alkohol mehr Verantwortungsbewusstsein übernehmen. Tendenziell bleibt also ein solches Verbot kritisch zu betrachten, da auch ökonomische Folgen automatische Konsequenz dieser Entscheidung wären. (Beifall von der CDU und von der FDP) Das Verbot beschränkt eindeutig die Freiheitsrechte und stellt somit die soziale Marktwirtschaft infrage. (Beifall von der CDU und von der FDP) Nehmen wir einmal ein konkretes Beispiel: die Werbung vor dem Spiel unserer Fußball-Nationalmannschaft. Glauben Sie wirklich, dass diese Werbung Auslöser für Alkoholexzesse ist? (Zurufe von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN: Ja!)

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(Zurufe von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN: Ja!) Diese Frage kann ich persönlich ganz klar mit Nein beantworten. (Beifall von der CDU und von der FDP) Somit möchte ich noch einmal formulieren, dass ein Verbot der Werbung für alkoholische Getränke keinen nachweisbaren Erfolg haben wird. Es ist schlicht und ergreifend der falsche Ansatzpunkt, um die Gesundheit kommender Generationen zu schützen. (Beifall von der CDU und von der FDP) Dazu zeigt beispielsweise die Aktion „Kenn dein Limit“, unterstützt von den privaten Krankenversicherungen, dass durch Prävention und Aufklärung ein Umdenken bei den Betroffenen erreicht werden kann, denn erst ein Appell an die Vernunft sorgt für einen Sinneswandel. Vizepräsidentin Isabel Felder: Erlauben Sie eine Zwischenfrage? Sven Lombard (CDU): Ja, natürlich. Vizepräsidentin Isabel Felder: Bitte. Tom Becker (SPD): Du hast gerade darauf hingewiesen, dass es ökonomische Schäden geben würde, wenn die Werbung abgeschaltet wird. Ist das richtig? Sven Lombard (CDU): Ja. Tom Becker (SPD): Trotzdem sagst du, dass dies den Alkoholkonsum nicht senken würde. Das macht für mich einen widersprüchlichen Eindruck. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Sven Lombard (CDU): Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall von der CDU und von der FDP – Lachen von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN)

Glauben Sie, dass die beworbenen Produkte Produkte bei jedem Exzessgelage sind?

Vizepräsidentin Isabel Felder: Als nächsten Redner darf ich Tim Brandt von der SPD nach vorne bitten.

(Zurufe von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN: Ja!)

(Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN)

Trinken Heranwachsende nur, weil Bitburger dieses Spiel bewirbt?

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Tim Brandt (SPD): Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Keinen von uns haben die Beratungen der letzten Tage unberührt gelassen. Insbesondere die Schilderungen der Experten haben deutlich vor Augen geführt, wie gefährlich übermäßiger Konsum von Alkohol ist.

Deshalb lasst uns gemeinsam an einem Strang ziehen. Stärke zu zeigen ist das A und O einer zukunftsorientierten Jugendarbeit. Dieser Antrag, meine Damen und Herren, der Augenmaß beweist, kann bei verantwortungsvollem Handeln nicht abgelehnt werden. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN)

(Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN)

Somit ist uns allen bewusst geworden, dass verantwortungsvolles Handeln das Gebot der Stunde ist. Die Betonung liegt auf „verantwortungsvoll“. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Hierbei ist der schmale Grat zwischen schärferen Restriktionen und dem Unterlassen notwendiger Handlungen zu beschreiten. (Vorsitz: Vizepräsident Mehmed Ali Yesil) Es liegt an Ihnen, diesen Weg einzuschlagen und zu zeigen, dass wir handlungsfähig sind. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Wie oft kann man sich anhören: „Ihr Politiker erreicht doch eh nichts“? Aber sind es nicht genau solche Anträge, die beweisen, dass wir alle dieses Land verändern können? (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Die Erhöhung der finanziellen Mittel ist der richtige Weg, der Präventionsarbeit einen neuen Anstoß zu geben. Dazu gehört auch, die Rahmenbedingungen zu schaffen, jugendbeeinflussende Fernsehwerbung für alkoholische Produkte vor 22 Uhr zu unterbinden. Zudem wird an Personen des öffentlichen Lebens appelliert, durch vorbildhaftes Verhalten Jugendliche zu stärken und somit eine Sensibilisierung gegenüber den Gefahren übermäßigen Alkoholkonsums zu erreichen. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Doch was bringt die beste Präventionsarbeit, wenn Minderjährige trotz § 9 des Jugendschutzgesetzes immer noch Alkohol an Verkaufsstellen erwerben können? Vizepräsident Mehmed Ali Yesil: Erlauben Sie eine Zwischenfrage? Tim Brandt (SPD): Ich bin gleich fertig. Danach. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Daher ist es vonnöten, zu prüfen, ob die Verkaufsstellen das Jugendschutzgesetz pflichtbewusst einhalten.

Marcel Faßbender (FDP): Sie haben von Verantwortung gesprochen. Ich habe folgende Frage: Würden Sie meiner Aussage zustimmen, dass Sie es nicht für verantwortlich halten, Werbung mit Alkohol zu – ich will jetzt nicht unbedingt sagen … Tim Brandt (SPD): Kommen Sie bitte auf den Punkt. Ich habe nicht so viel Redezeit. Jetzt formulieren Sie doch Ihre Frage. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Marcel Faßbender (FDP): Der Punkt ist: Wenn Sie sagen, dass alkoholverherrlichende Werbung vor 22 Uhr nicht zu verantworten ist, wie stehen Sie dann zu ähnlichen oder den gleichen Inhalten, die im Zusammenhang von Spielfilmen, Nachrichten und anderen Sendungen gezeigt werden, die ebenfalls vor 22 Uhr laufen? Denken Sie, das ist auch nicht zu verantworten? Tim Brandt (SPD): Der Begriff „Jugend beeinflussen“ bedeutet, dass eine Kommission zum Beispiel von FSK sich vorher Filme ansieht und festlegt, um welche Uhrzeit sie gezeigt werden können. Dies ist dadurch geregelt. Filme, die nicht jugendfrei sind, kommen sowieso nicht vor 22 Uhr. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Vizepräsident Mehmed Ali Yesil: Jetzt bitte ich die Rednerin der Grünen, Bianca Drepper, nach vorn. (Beifall von den GRÜNEN und von der SPD) Bianca Drepper (GRÜNE): Sehr geehrte Anwesende! Zunächst einmal möchte ich meine Freude zum Ausdruck bringen, dass wir tatsächlich geschlossen einen Antrag gestellt haben, dem alle Parteien zustimmen konnten. Das ist eine wahre Leistung. (Beifall von den GRÜNEN, von der SPD, von der LINKEN und von der FDP) In vielen Punkten möchte ich meinem Vorredner von der SPD zustimmen, besonders in dem Punkt der Prävention und der Aufklärung. Dies sollte ein-

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deutig Vorrang vor Verboten haben. Wir möchten nicht die Konsumenten kriminalisieren. (Beifall von den GRÜNEN und von der SPD) Besonderes Augenmerk sollte darauf liegen, die Verkaufsstellen, die immer noch Alkohol an Minderjährige abgeben, stärker zu kontrollieren. Wir fordern also häufigere Kontrollen bezüglich der Einhaltung bereits bestehender Gesetze. (Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN) Jetzt beziehe ich mich auf meinen Vorredner von der CDU. Da ging es um wirtschaftliche Nachteile bei einem Verbot alkoholverherrlichender Werbung. Wir denken, dass es keinesfalls verantwortlich ist, ökonomische Folgen gesundheitlichen Belangen vorzuziehen. (Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN) Es kann keiner darum herumreden, dass in unserer Gesellschaft Alkohol – auch der Alkoholmissbrauch – längst nicht so negativ angesehen ist, wie es sein sollte. Es wird nicht erkannt, welche Gefahr im Alkoholkonsum steckt und in welchem Sinne er negativ sein könnte. Werbung von Bacardi oder Becks, wie wir sie alle kennen, übermittelt ein unglaubliches Lebensgefühl. Man hat den Eindruck, mit Alkohol läuft das Leben schöner. Das ist vollkommen falsch, und es ist einseitiges Bild. Deswegen wollen wir gegen diese Werbung angehen und gleichzeitig die Aufklärungsarbeit, die es glücklicherweise schon gibt, verstärken und auch drastischer ausgestalten, damit die negativen Folgen, die nicht weggeredet werden können, deutlich werden. Vizepräsident Mehmed Ali Yesil: Entschuldigung. Erlauben Sie eine Zwischenfrage? Bianca Drepper (GRÜNE): Ja. Joachim Hoischen (CDU): Liebe Abgeordnete, ich will Folgendes gern fragen: Warum wollen Sie wegen der Probleme – sagen wir mal – der 0,5 % der Gesamtbevölkerung in Deutschland, dieser Jugendlichen, die exzessiv Alkohol trinken, die anderen mehr als 99 %, die verantwortungsvoll mit Alkohol umgehen, dadurch beeinflussen, dass Sie einen Medienrat einrichten, der unseren kompletten Medienkonsum über den Haufen wirft? (Beifall von der CDU und von der FDP) Bianca Drepper (GRÜNE): Ich denke, dass alle Menschen verantwortungsvoll genug sind, selber über ihren Konsum zu entscheiden, dass allerdings

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gewährleistet sein sollte, dass sie nicht einseitig beeinflusst werden. (Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN) Die derzeitige Beeinflussung seitens der Medien ist nun einmal so, dass Alkohol das Leben bereichert. Das wäre es dann auch. Aber das ist falsch. Dagegen wollen wir ankämpfen. Die 99 %, die Sie ansprachen, können ja weiterhin gemäßigt Alkohol konsumieren. Davon wollen wir sie nicht abhalten. Sie müssen nur um beide Seiten wissen. (Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN) Vizepräsident Mehmed Ali Yesil: Erlauben Sie noch eine Zwischenfrage? Bianca Drepper (GRÜNE): Ja. Marc Suchanek (CDU): Es kann doch nicht sein, dass eine zweiminütige Werbung für Bier oder Sonstiges Menschen zu Alkoholikern macht. Ist es nicht so, dass eher das nähere Umfeld – die Freunde, Bekannte, sogar Eltern – eine Teilschuld daran trägt und nicht die Wirtschaft? (Beifall von der CDU und von der FDP) Vizepräsident Mehmed Ali Yesil: Bitte nur Fragen stellen, keine Statements abgeben. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Bianca Drepper (GRÜNE): Ich denke, keiner hier behauptet, dass wir mit einem Werbeverbot sämtlichen Alkoholmissbrauch verhindern können. Das ist eine Illusion. Das wird hier keiner glauben. Es geht darum, die Aufklärung voranzutreiben. Ich kann mich nur wiederholen: Es müsste ein ambivalentes Bewusstsein in Bezug auf Alkohol herrschen. Man muss sich über die positiven und negativen Seiten im Klaren sein. Dies soll ein erster Schritt sein, der zu einem rationaleren Umgang mit Alkohol führt. (Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN) Wir wollen den Alkoholkonsum nicht verbieten, aber es sollen alle Bescheid wissen. Ich kenne auch Beispiele von Minderjährigen und sogar von sehr jungen Minderjährigen, die schon zur Flasche greifen und nicht wissen, dass sie davon Leberschäden und Gehirnzellenschäden davontragen können. Sie kennen eben die Werbung und wissen, dass das super Leute sind und dass eine gute Stimmung herrscht. Das muss ich nicht weiter beschreiben, weil jeder diese Werbung kennt. Das ist einfach ein

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Ungleichgewicht, das wir beeinflussen können und müssen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

dem sie zum Beispiel die Eltern und Geschwister darum bitten.

(Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN)

Des Weiteren macht es keinen Sinn, ein allgemeines Konsumverbot in der Öffentlichkeit auszusprechen. Dies verstößt gegen die persönliche Freiheit. Es muss der verantwortungsvolle Umgang mit dem Alkohol vermittelt werden. Die endlos schweren gesundheitlichen Schäden, welche der Alkoholmissbrauch mit sich bringt, müssen aufgezeigt werden. Dieses ist zu erreichen, indem man zum Beispiel auf die verschiedenen Motive der Missbrauchskonsumenten eingeht, Lebensperspektiven bietet, Selbstverantwortung lernt und durch den respektvollen Umgang mit den Jugendlichen das Selbstbewusstsein stärkt. Wir dürfen auf keinen Fall vorschnelle Entscheidungen treffen wie ein Werbeverbot bis 22 Uhr. Diesen Vorschlag lehnt die Fraktion ab.

Vizepräsident Mehmed Ali Yesil: Wir erlauben pro Redner nur zwei Fragen. Deshalb bitte ich den nächsten Redner an das Rednerpult. Das wäre von der FDP Leonard Meyer-Schwickerath. Leonard Meyer-Schwickerath (FDP): Lieber Herr Jugend-Landtagspräsident! Liebes Präsidium! Liebe Abgeordnete! Liebe Besucher! Der Genuss von Alkohol ist in unserem Bewusstsein tief verankert, die Schäden und Folgen besonders im gesundheitlichen Bereich jedoch leider nicht. Um jetzt dem gefährlichen exzessiven Trinken entgegenzuwirken, muss man an das Bewusstsein der Gesellschaft appellieren. Es ist nicht zu akzeptieren, dass Erwachsene ihrer Vorbildfunktion gegenüber der Jugend nicht gerecht werden. Schon in sehr jungen Jahren muss durch Austausch der Eltern mit ihren Kindern Aufklärungsarbeit geleistet werden. (Beifall von der FDP und von der CDU) Unter anderem muss auch die Schule diese Aufgabe wahrnehmen. Bereits in der Grundschule könnten zum Beispiel Elternabende in Kooperation mit Kinderpsychologen stattfinden. Damit würde man erreichen, dass die Eltern Unterstützung in der Erziehung im Hinblick auf den Alkohol erlangen. Es ist die Pflicht unserer Gesellschaft, sich frühzeitig auszutauschen. Dies kann auch durch Präventionstage und AGs in der weiterführenden Schule durchgeführt werden. (Beifall von der FDP, von der SPD und von der LINKEN) Werbekampagnen sind ebenfalls von enormer Bedeutung. Auch die Unterscheidung des Alters, des sozialen Umfeldes und des Geschlechts spielt eine große Rolle. Eine Vernetzung aller verschiedenen Bereiche zur Vorbeugung und Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs muss stattfinden, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall von der FDP) Die Vorschläge aus dem vorliegenden Antrag, einen Alkoholverkauf an Tankstellen ab 22 Uhr zu verbieten und Alkoholläden einzuführen, welche zur Monopolbildung führen, würden einen Eingriff in die soziale Marktwirtschaft bedeuten. (Beifall von der FDP und von der CDU) Die Fraktion lehnt diesen Vorschlag entschieden ab. Es steht fest, dass Jugendliche nicht mehr die Möglichkeit haben dürfen, an Alkohol zu gelangen, in-

(Beifall von der FDP und von der CDU) Das hätte zur Folge, dass unter anderem große finanzielle Lücken im Hinblick auf die gestalterischen Möglichkeiten der Sender entstehen. (Zurufe von der SPD: Oh!) Von den Bürgerinnen und Bürgern gewünschte Programme könnten nicht mehr finanziert werden, da wichtige Einnahmen durch die Werbung wegfallen. Dies könnte zu einer Negativspirale führen. Wenn bestimmte Sender nicht mehr die Möglichkeit hätten, einzelne Sendungen zu produzieren, fielen auch Arbeitsplätze weg. Die Folge wären wieder zusätzliche Kosten. Hingegen benötigen wir diese Gelder, um die Präventionsarbeit zu finanzieren. Wir dürfen nicht die gesamte Bevölkerung für Fehler einiger bestrafen. (Beifall von der FDP und von der CDU) Vizepräsident Mehmed Ali Yesil: Kommen Sie bitte zum Schluss. Leonard Meyer-Schwickerath (FDP): Es ist langfristige Planung gefragt. Deswegen müssen wir jetzt alle gemeinsam ohne Ausnahme und gelegentliche Gefühlsschwankungen anfangen, den Alkoholkonsum realistisch durch gezielte Maßnahmen einzuschränken, um unsere Gesellschaft in eine gesunde und respektvolle Zukunft zu führen. – Vielen Dank. (Beifall von der FDP und von der CDU) Vizepräsident Mehmed Ali Yesil: Nun bitte ich Emine Isik als Rednerin für die Linken nach vorn. (Beifall von der LINKEN und von der SPD) Emine Isik (LINKE) : Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Wir

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als die Linksfraktion bevorzugen in Bezug auf dieses Thema Prävention und Aufklärung statt Verbote bzw. Einschränkungen. Diese wirken sowohl statistisch als auch realistisch effektiver, was uns auch die Experten der Universitätsklinik aus Hamm, der Landeskoordinationsstellen Suchtvorbeugung NRW, des Caritasverbandes und des Verbandes der Lehrerinnen und Lehrer an Berufskollegs bestätigen können. (Beifall von der LINKEN und von der SPD) Diese Maßnahmen fangen früher an, nämlich bei der frühkindlichen Erziehung, durch gute ausgebildete Erzieherinnen, welche mit ihren Erfahrungen auch die Eltern beeinflussen können. Wie Frau Beate Claeßen vom Verband der Lehrerinnen und Lehrer an Berufskollegs in NRW bereits in ihrem Vortrag deutlich hervorgehoben hat, sollte man Jugendliche besonders im Schulunterricht mit diesem Thema aufklären und beschäftigen. Gleichzeitig findet eine inhaltliche Auseinandersetzung von Gruppen und die damit verbundene Verbreitung bzw. Realisierung der Ergebnisse statt. (Beifall von der LINKEN) Des Weiteren erzwingen die Ausnahmen der Brauchtumsfeste – zu benennen sind hierbei Karneval, Schützenfeste, Fußballspiele und Festivals – quasi den Konsum von Alkohol. Sie dienen bloß dem Anlass, sind kontraproduktiv und lassen nebenbei die Vorbildfunktion durch Massenbesäufnisse in Anwesenheit von Kindern und Familien fallen. (Beifall von der LINKEN) Für ein allgemeines Konsumverbot von Alkohol in der Öffentlichkeit fehlen zudem zusätzliche Kontrollen und Gelder, um diese zu finanzieren. Von einem Experten ist in einer Stellungnahme deutlich hervorgehoben worden, dass in der Realität Jugendliche und deren bekannte Orte von Polizeibeamten und dem Ordnungsamt nicht konsequent kontrolliert werden. Zudem werden durch ein Verbot auch unauffällige Personen und Gruppen kriminalisiert, welche sich nach einem anstrengenden Tag in den Feierabend verabschieden wollen, … Vizepräsident Mehmed Ali Yesil: Entschuldigung. Erlauben Sie eine Zwischenfrage? Emine Isik (LINKE): Nein, ich würde gern erst einmal ausreden. … das heißt, mit einem Bierchen unter Kollegen an der Rheinwiese, im Park beim Grillen oder beim Picknick. Darüber hinaus haben wir als Fraktion über gewisse Maßnahmen diskutiert. Es müssen besondere Freiräume geschaffen werden, die speziell Jugendliche

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betreffen. Anstatt Jugend- und Kulturzentren zu schließen und unsere Jugend auf die Straßen zu verbannen, sollte man diese ausbauen und neue eröffnen. (Beifall von der LINKEN, von der SPD und von den GRÜNEN) Freizeiteinrichtungen sollten Jugendlichen Beschäftigung bieten, welche auch kostenwirksam in Anspruch genommen werden. – Danke schön. (Beifall von der LINKEN, von der SPD und von den GRÜNEN) Vizepräsident Mehmed Ali Yesil: Nun kommen wir zur zweiten Runde beim Thema „Alkohol“. Hierbei hat jeder Redner nur eine Redezeit von zwei Minuten. – Ich bitte dann Tobias Franken von der CDU nach vorn. (Beifall von der CDU und der FDP – Frederik Maximilian Lethmate [CDU]: Ich hätte gern noch eine Nachfrage gestellt!) – Wenn die Rednerin nicht möchte, dann geht das nicht. Tobias Franken (CDU): Sehr geehrter JugendLandtagspräsident! Sehr geehrte JugendAbgeordnete! Sehr geehrte Besucher! Ich möchte meine Rede mit folgendem Zitat von Homer Simpson eröffnen: „Auf den Alkohol – die Ursache und die Lösung aller Probleme!“ (Beifall von der CDU und von der FDP) Diese Aussage ist nicht tragbar, jedoch wollen wir Jugendliche heute diese Lösung finden. Wir Jugendliche kennen das vorhin genannte Problem Alkohol, jedoch sehen wir keine Lösung darin, wenn man Jugendlichen das Trinken von Alkohol verbietet. Wir leben nicht in einer Welt, die Probleme mit Verboten lösen muss, sondern in einer, die versucht, den Ursprung zu ändern. (Beifall von der CDU und von der FDP) Wir sehen keinen Grund dafür, Alkohol in Werbung bis 22 Uhr zu verbieten, da Werbung für viele Vereine die große Unterstützung ist. Der Vorschlag lautet, Brauereien sollen Sponsoren bleiben können, aber die Werbung zu untersagen. Jeder hier im Saal sollte sich fragen: Welche Absicht der Brauereien steckt hinter der Werbung und welche hinter dem Namen der Sponsoren? Firmen wie Jever, Becks, Krombacher und viele mehr erreichen zahlreiche Jugendliche durch die Werbung, in der sie die Freiheit und die Glücksgefühle weitergeben. Gerade dadurch bekommen sie doch die Kunden.

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(Lachen und Beifall von der SPD und von den GRÜNEN) Schätzen Sie bitte einmal ab, wie viele Kunden denen bei einem solchen Werbeverbot verlorengehen. (Lachen und Beifall von der SPD und von den GRÜNEN) Jetzt die andere Seite: der Name als Sponsor. Die Aktion „Sponsor sein“, ist eher keine Werbung im Gegensatz zu einer eigenen Werbung. Es ist lukrativ, seinen Namen vor und nach jeder Werbepause zu nennen, jedoch bleibt die Information von dieser zwei bis drei Sekunden langen Nachricht überhaupt nicht hängen. Vizepräsident Mehmed Ali Yesil: Die Zeit ist um. Bitte kommen Sie zum Ende. (Zuruf von der SPD: Genau!) Tobias Franken (CDU): Daher möchte ich, dass wir das nicht machen. Wir haben fast alle gesagt: Wir möchten den Tankstellen die Verkaufsmöglichkeit nicht kürzen, da wir dieses Geschäft nicht einschränken möchten. Jetzt sagen wir bei den Brauereien: Wir möchten dieses Geschäft einschränken. Deswegen appelliere ich an Sie, Ihre Meinung zu ändern. – Vielen Dank. (Beifall von der CDU und von der FDP)

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Aber wenn selbst die besten Konzepte im Sande verlaufen, weil die Brücken der Finanzierung nicht geschlagen werden, muss eine verantwortungsvolle Politik handeln, meine Damen und Herren. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Dieser Landtag hat die einzigartige Chance, aber auch die Pflicht dazu, die Weichen in die richtige Richtung zu stellen. (Beifall von der SPD und von den GRÜNEN) Vizepräsident Mehmed Ali Yesil: Entschuldigung. Erlauben Sie eine Zwischenfrage? Aaron Püttmann (SPD): Gerne. Frederik Maximilian Lethmate (CDU): Sie sprachen gerade von dem Problem der Finanzierung. Ist das richtig? Aaron Püttmann (SPD): Ja. Frederik Maximilian Lethmate (CDU): Wie können Sie denn die Finanzierung gewährleisten, wenn Sie gleichzeitig verbieten, dass Werbeeinnahmen die Finanzierung weiter fördern? (Beifall von der CDU und von der FDP)

Vizepräsident Mehmed Ali Yesil: Nun bitte ich Aaron Püttmann als nächsten Redner von der SPD nach vorn. (Beifall von der SPD) Aaron Püttmann (SPD): Sehr geehrtes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 27.500 Jugendliche mussten allein im letzten Jahr aufgrund exzessiven Alkoholmissbrauchs ins Krankenhaus eingeliefert werden. Gewalt, sexuelle Belästigung, Verkehrstote – das, meine Damen und Herren, sind nur einige der Folgen von verantwortungslosem Umgang mit Alkohol.

Aaron Püttmann (SPD): Wer sagt denn, dass die Werbeeinnahmen die Finanzierung fördern? Die Werbeeinnahmen fördern nur die Finanzierung der Produktion des Alkohols für Firmen wie Bitburger, Krombacher, Jever. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Vizepräsident Mehmed Ali Yesil: Erlauben Sie noch eine Zwischenfrage?

(Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN)

Aaron Püttmann (SPD): Ich erlaube so viele Zwischenfragen, wie Sie wollen, meine Damen und Herren.

Unser Antrag wirkt genau diesem Problem entgegen, denn vor allem Prävention ist der Schlüssel zum Erfolg.

(Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN)

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN) Gut ausgebildete Sozialarbeiter, hervorragende Pädagogen widmen sich diesem Problem zum Wohl von allen Jugendlichen seit Jahren, nein, seit Jahrzehnten mit ihrem ganzen Herzblut. Diese Arbeit kann gar nicht genug gewürdigt werden.

Vizepräsident Mehmed Ali Yesil: Eine Zwischenfrage stellt dann Rebecca Menke von der CDUFraktion. Rebecca Menke (CDU): Sie haben gerade von verantwortungsvoller Politik gesprochen. Ich möchte deshalb gern auf das Werbeverbot vor 22 Uhr zu-

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rückkommen. Wenn Sie Jugendlichen nicht zutrauen, solche Werbung differenziert zu betrachten, müssten Sie dann nicht ein generelles Werbeverbot fordern, beispielsweise auch für Coca-Cola?

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Vizepräsident Mehmed Ali Yesil: Erlauben Sie eine Zwischenfrage? Moco Ippers (GRÜNE): Ja.

(Beifall von der CDU und von der FDP) Aaron Püttmann (SPD): Nicht jeder Jugendliche kann das differenziert betrachten. Genau dem wollen wir mit Prävention entgegenwirken. Wir haben uns für ein Werbeverbot ausgesprochen und wollen versuchen, es durchzusetzen, ein solches wenigstens bis 22 Uhr zu erreichen. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Vizepräsident Mehmed Ali Yesil: Da wir nur zwei Zwischenfragen pro Redner erlauben, bitte ich als nächsten Redner Moco Ippers von den Grünen nach vorn. (Beifall von den GRÜNEN) Moco Ippers (GRÜNE): Liebes Präsidium! Liebe Abgeordnete! Liebe Gäste! Zunächst möchte ich mit einem Zitat von Prof. Dr. Elisabeth Pott beginnen, die einmal gesagt hat: „Alkohol ist nach wie vor das Suchtmittel Nummer eins bei jungen Menschen. Sie trinken immer noch deutlich zu viel. Für viele Jugendliche gehört Alkohol zum Feiern und Spaß haben dazu, über die gerade für junge Menschen schweren gesundheitlichen Folgen sind sie sich dabei oft nicht im Klaren.“ Wir fordern deshalb mehr Aufklärung statt Verbote, weil man bei Verboten – was ja jeder aus seiner Kindheit kennt – eher das tut, was verboten ist, anstatt das, was erlaubt ist. (Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN) Außerdem würden Alkoholkonsumenten durch ein eventuelles Verbot von Alkohol in der Öffentlichkeit zu einer Art von Kriminellen gemacht. Wir fordern weiter mehr Kontrollen in Form von Stichproben in Gaststätten, in Tankstellen und in weiteren Einrichtungen, (Beifall von den GRÜNEN und von der SPD) wo Alkohol verkauft wird, und zwar nicht nur an Erwachsene, sondern teilweise auch an Jugendliche, die nur etwas älter aussehen und deshalb nicht nach einem Ausweis gefragt werden. Das Sponsoring bei Spielfilmen etwa durch Krombacher oder durch Bandenwerbung beim Fußball können wir nicht verhindern. (Beifall von den GRÜNEN und von der SPD)

Marc Suchanek (CDU): Sieht denn die Fraktion der Grünen nicht, dass der Alkohol teilweise auch zur Kultur unseres Landes gehört und damit auch zum Fußball? (Beifall von der CDU) Das macht keine Alkoholiker. Wir müssen unsere Kultur bewahren. (Beifall von der CDU – Unruhe – Glocke) Moco Ippers (GRÜNE): Ich finde, dass man Alkohol nicht als Kultur betrachten kann. (Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN) Zwar trinken viele Erwachsene Alkohol, aber das darf nicht an die Jugendlichen der folgenden Generation, die ja in der Tat nicht wissen, wie das schon in dem angeführten Zitat gesagt wird, welche Folgen der Alkoholkonsum für sie als Jugendliche haben kann, weitergegeben werden. (Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN) Vizepräsident Mehmed Ali Yesil: Erlauben Sie noch eine Zwischenfrage? Moco Ippers (GRÜNE): Ja. Armin Tahan (FDP): Ich habe eine Frage zur Finanzierung. Ihr macht jetzt viele sehr gute Vorschläge, vielleicht sind auch viele dabei, die wir nicht teilen. Aber wie seht ihr die Finanzierung, wenn so viele Sachen gestrichen werden? Diese Frage stellt sich insbesondere im Hinblick auf den aktuellen Haushalt. Ich meine, dass man daran auch denken muss. Wenn wir vernünftige Vorschläge finden und eine langfristige Planung machen, dann kann man genauso viel erreichen, wie wenn man alle möglichen Sachen verbietet und neue einführt. (Beifall von der FDP – Unruhe – Zuruf von der SPD: Wir können die Steuern senken! – Beifall und Jubel bei der SPD) Moco Ippers (GRÜNE): Wie schon gesagt: Das Geld, das wir aufwenden müssen, um die fehlenden Sponsorenmittel auszugleichen, müssen später die Krankenkassen aufbringen für die Behandlung von Leberschäden, die Menschen später haben, weil sie in jungen Jahren schon Alkohol konsumiert haben.

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Diese Kosten fallen später auch wieder auf den Steuerzahler zurück. (Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN) Deshalb gleicht sich das zum größten Teil wieder aus. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN) (Vorsitz: Vizepräsidentin Sylvia Mös) Vizepräsidentin Sylvia Mös: Vielen Dank. – Jetzt kommen wir zur nächsten Rednerin, Annabelle Stauß von der FDP. (Beifall von der FDP und von der CDU) Annabelle Stauß (FDP): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Besucher! Wir von der FDP-Landtagsfraktion sind sehr erfreut, dass wir hier im Landtag auf den übermäßigen Alkoholkonsum der Jugendlichen zu sprechen kommen. (Lachen und Beifall von der SPD) Liebe Abgeordnete, wenn Sie sich die verschiedenen Thesenpapiere genau anschauen, werden Sie sehen, dass wir uns in dem fundamentalsten Punkt einig sind. Unser aller Schwerpunkt ist die Prävention. (Beifall von der FDP, von der CDU und von der LINKEN) Vizepräsidentin Sylvia Mös: Entschuldigung. Erlauben Sie eine Zwischenfrage? Annabelle Stauß (FDP): Am Ende bitte. Vizepräsidentin Sylvia Mös: Okay. Annabelle Stauß (FDP): Einen Anfang gibt es doch schon, beispielsweise die Werbekampagne „Kenn dein Limit“, die bereits nach einem Jahr 90 % der Jugendlichen bekannt ist. Die Fakten, in denen wir alle übereinstimmen, stehen gar nicht zur Debatte. Was wir hier besprechen müssen, sind die Fragestellungen, bei denen unsere Ansichten auseinanderliegen. Also: Liegt es auf der Hand, dass Tankstellen vom Alkoholverkauf abhängig sind? Eine jede Tankstelle wird versuchen, dieses Verbot zu umgehen, indem sie sich um ein Bistro erweitert. Insofern ist es nicht verantwortlich, dass wir nur wenigen Tankstellen das Feld überlassen und ihnen eine Monopolstellung gewähren, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall von der FDP und von der CDU)

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Somit verweisen wir von der FDP darauf, dass Aufklärungsbedarf vordergründig ist und keinerlei Verbote. Denn diese schaffen nur kalte Mauern und keine Hilfe durch Kontakte, Vertrauen und Bezugspersonen. (Beifall von der FDP und von der CDU) Die angehörten Experten haben einstimmig bestätigt, dass Jugendzentren gebraucht werden. Dort mangelt es noch an zahlreichen Geldern und somit an Angeboten. Es kann nicht sein, dass drei Seniorenstellen auf ein Jugendzentrum kommen. (Beifall von der FDP, von der CDU und von der LINKEN) Wir müssen die Angebote erweitern. Denn wir stehen in Eigenverantwortung. Bitte! – Vielen Dank. (Beifall von der FDP, von der CDU, von der SPD und von der LINKEN) Vizepräsidentin Sylvia Mös: Es gibt Zwischenfragen. Tim Brandt von der SPD, bitte. Tim Brandt (SPD): Ich habe eine Frage an die CDU-Fraktion. Wollen Sie etwa, dass wir von einem Land der Dichter und Denker zu einem Land der Säufer und Lenker werden? (Lebhafter Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Ihr geht uns da mit gutem Beispiel voran. Annabelle Stauß (FDP): Wenn Sie die Frage noch einmal formulieren würden! Ich stehe hier vorne. (Beifall von der FDP und von der CDU) Vizepräsidentin Sylvia Mös: Bitte stellen Sie nur Zwischenfragen an die aktuellen Redner und Rednerinnen. (Beifall von der FDP und von der CDU – Zuruf von der SPD: Die Frage ist nicht beantwortet!) Wir kommen zum nächsten Redner, Can Arslan von der Linken. (Beifall von der LINKEN) Can Arslan (LINKE): Sehr geehrte Frau JugendLandtagsvizepräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch die Idee der Einführung von Alkoholläden ist für die Linksfraktion nicht vertretbar. So sehr wir auch die Verstaatlichung befürworten, können wir dies in dieser Wahlperiode hinsichtlich der Einführung von staatlichen Alkoholläden nicht akzeptieren.

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Der Einfluss der Lobbyisten und die Interessen des jetzigen Staates sind nicht im Konsens mit denen der Bevölkerung. Durch diese Maßnahme ist nicht nur mit Steuererhöhungen, sondern auch mit dem drastischen Eingriff in die persönliche Freiheit zu rechnen. Niemand von uns hier kann uns eine Gesellschaft garantieren, in der auch in Zukunft die Alkoholläden bis 22 Uhr geöffnet bleiben werden. Die zuständigen Politiker werden mit Sicherheit das Allgemeinwohl missachten und ihre eigenen Belange umsetzen, um so fälschlicherweise durch Einschränkungen und Verbote vergeblich Erziehungsmaßnahmen zur Unterbindung von verstärktem Alkoholkonsum zu erlangen. (Beifall von der LINKEN und von der SPD) Um langfristig und tiefgründig Erfolge besonders bei den Jugendlichen zu erzielen, muss man das Problem an der Wurzel lösen. Hier werden prekäre Familienverhältnisse, Armut und trübe Aussichten angesprochen. (Beifall von der LINKEN, von der SPD und von den GRÜNEN)

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(Beifall von der CDU und von der FDP) Can Arslan (LINKE): Ich glaube, alkoholfreies Bier ist nicht schädlich und damit auch für unsere Jugend nicht gefährlich. (Beifall von der LINKEN, von der SPD und von den GRÜNEN) Vizepräsidentin Sylvia Mös: Ich erteile für die CDU Joachim Hoischen das Wort. Joachim Hoischen (CDU): Ich finde es erst einmal sehr löblich, dass sich die Linkspartei um die Gesundheit unserer Jugendlichen sorgt. (Beifall von der CDU und von der FDP) War das nicht die Partei, die im letzten Landtagswahlkampf Haschisch legalisieren wollte? Sollten Sie darüber nicht noch einmal nachdenken? (Beifall von der CDU und von der FDP)

Wichtig für die Verhaltensveränderung ist auch das Verbannen der verherrlichenden Alkoholwerbung aus dem Fernsehen, dem Radio und von Plakatierungen, und zwar rund um die Uhr.

Can Arslan (LINKE): Erstens möchte ich euch noch einmal darauf hinweisen, dass wir keine Statements abgeben sollten, sondern Fragen stellen. Ihr solltet vielleicht lernen, was das bedeutet.

Vielleicht hat die CDU-Fraktion bei den Expertenanhörungen nicht zugehört, weil sie da vielleicht wieder ihre Schützenfeste organisiert hat.

(Beifall von der LINKEN, von der SPD und von den GRÜNEN)

(Beifall von der LINKEN, von der SPD und von den GRÜNEN) Wie uns das auch von Experten bestätigt wurde, müssen wir mit sozialen Reformen dem Problem entgegenwirken. Auch das Aufstocken der Budgets in der Präventionsarbeit ist essenziell. Wir dürfen uns nicht mit den oberflächlichen Wirkungen der Einschränkungen zufriedengeben, sondern müssen an der Einsicht der Jugendlichen arbeiten. – Danke schön.

Zweitens geht es hier um Alkoholverbot und nicht um Haschisch oder sonst was. Bleiben Sie einfach beim Thema. Alles andere können wir in anderen Sitzungen bereden. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall von der LINKEN, von der SPD und von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Sylvia Mös: Es gibt noch Zwischenfragen. Wollen Sie die zulassen?

Vizepräsidentin Sylvia Mös: Wir kommen jetzt zur Abstimmung, und zwar über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Integration. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag der Initiative zur Einschränkung des Alkoholkonsums von Jugendlichen in geänderter Fassung anzunehmen.

Can Arslan (LINKE): Ja, gerne.

Zur Geschäftsordnung hat sich für die CDU Frederik Maximilian Lethmate zu Wort gemeldet.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Sylvia Mös: Ich erteile Rebecca Menke von der CDU das Wort. Rebecca Menke (CDU): Ich habe zu dem Werbeverbot noch eine Frage. Wie sieht das denn mit alkoholfreiem Bier aus, wenn Sie Brauereien verbieten wollen, vor 22 Uhr oder sogar rund um die Uhr – wenn ich das richtig verstanden habe – Werbung zu machen?

Frederik Maximilian Lethmate (CDU): Ich würde gerne darauf hinweisen, dass leider aus gesundheitlichen Gründen bei der CDU-Fraktion fünf Abgeordnete nicht anwesend sein können. (Beifall von der SPD und von den GRÜNEN) An dieser Stelle wäre es dann eigentlich üblich, dass gemäß dem Pairing einige Abgeordnete der SPD nicht an der Abstimmung teilnehmen.

4. Jugend-Landtag Nordrhein-Westfalen (Unruhe und Zurufe von der SPD – Zuruf von der CDU: So benehmen sich die Dichter und Denker! – Beifall von der CDU) Vizepräsidentin Sylvia Mös: Haben Sie das Pairing mit der SPD vorher vereinbart? (Zurufe: Nein! – Beifall von der SPD) – Da das vorher nicht klar vereinbart wurde, können wir das so nicht annehmen. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Ist gewünscht, dass die geänderte Fassung vorgelesen wird? (Zurufe: Ja! – Wortmeldungen) – Melden Sie sich mit Fragen zur Geschäftsordnung? (Zurufe: Ja!) Ich erteile dann für die FDP Jan Fischer das Wort. Jan Fischer (FDP): Unserer Meinung nach muss der Änderungsantrag zuerst beschlossen werden. Ist das nicht richtig? Das ist ja jetzt hier eine Vorlage, die gestern Abend erst eingereicht und nicht einmal im Ältestenrat besprochen wurde. (Can Arslan [LINKE]: Das wurde im Ausschuss besprochen!) Vizepräsidentin Sylvia Mös: Der Entschließungsantrag kommt erst hinterher. Soll jetzt die geänderte Beschlussempfehlung noch einmal vorgelesen werden? (Zuruf: Ja, bitte!) Wer ist dafür? – Das ist die Mehrheit. Die Fraktion der SPD und die Fraktion Die Linke haben beantragt: „Der Jugend-Landtag fordert den Landtag auf, eine breite Aufklärung über Schäden und Gefahren bei Jugendlichen zu gewährleisten, indem Kampagnen zur Alkoholprävention und zum bewussten Umgang weiter ausgebaut werden (Budgeterhöhung).“ Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat beantragt: „Die Werbung für Alkohol im Rundfunk bis 22:00 Uhr zu verbieten. Durch das Verbot von Alkoholkonsum verherrlichenden Inhalten im TV und Radio vor 22:00 Uhr soll der Schutz von Minderjährigen gewahrt werden. Ein Sponsoring ist hiervon nicht betroffen.“ Die Fraktion der SPD hat beantragt:

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„Ab 22 Uhr darf generell kein hochprozentiger destillierter Branntwein mehr an Tankstellen und in Läden verkauft werden. Der Ausschank in Gaststätten ist von dem Verbot nicht betroffen.“ Abgestimmt wird jetzt über folgende Fassung: „Der Jugend-Landtag fordert den Landtag auf, eine breite Aufklärung über Schäden und Gefahren bei Jugendlichen zu gewährleisten, indem Kampagnen zur Alkoholprävention und zum bewussten Umgang weiter ausgebaut werden. Weiterhin soll die Werbung für Alkohol im Rundfunk bis 22:00 Uhr verboten werden. Durch das Verbot von alkoholkonsumverherrlichenden Inhalten in TV und Radio vor 22:00 Uhr soll der Schutz von Minderjährigen gewahrt werden. Ein Sponsoring ist hiervon nicht betroffen.“ Darüber wird jetzt abgestimmt. (Can Arslan [LINKE]: Über die einzelnen Abschnitte?) Sind das jetzt alles geschäftsordnungsbezogene Fragen? – Ich erteile für die CDU Frederik Maximilian Lethmate das Wort. Frederik Maximilian Lethmate (CDU): Zusammen mit der FDP beantragen wir eine geheime Abstimmung. (Beifall von der CDU und von der FDP) Vizepräsidentin Sylvia Mös: Eine geheime Abstimmung ist hier nicht möglich. (Beifall von der SPD und von der LINKEN) Ich erteile für die Grünen René Reile das Wort. René Reile (GRÜNE): Ich habe eine Frage. Es liegt noch ein Änderungsantrag zum selben Thema vor. Wird der vorher behandelt oder anschließend? Vizepräsidentin Sylvia Mös: Der liegt uns nicht vor. Der müsste dann jetzt gestellt werden. (Allgemeiner Beifall) Aus dem Entschließungsantrag ist jetzt ein Änderungsantrag gemacht worden. Den Änderungsantrag müssten wir dann vorlesen: „Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, DIE LINKE, CDU, FDP, GRÜNE ‘Alkoholkonsum einschränken‘ Obwohl der Gesamtkonsum der 12- bis 17Jährigen nach einer Studie der BZgA gesunken ist, ist die Anzahl derer, die das komatöse und exzessive Trinken praktizieren, gestiegen.

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Der Jugend-Landtag stellt fest, dass es gilt, den exzessiven Alkoholkonsum einzuschränken und die Jugendlichen den bewussten Umgang mit Alkohol zu lehren. Auch gewisse Einschränkungen sind daher vonnöten. Der Jugend-Landtag fordert den Landtag NRW auf, 1. die finanziellen Mittel zur Aufklärung über Schäden und Gefahren übermäßigen Alkoholkonsums aufzustocken 2. von einer zeitlichen Beschränkung des Alkoholverkaufs abzusehen 3. von der Einrichtung der spezifischen Verkaufsstellen abzusehen 4. die Fernsehwerbung für alkoholische Produkte vor 22 Uhr zu unterbinden 5. von einem Verbot des Sponsorings auf öffentlichen Veranstaltungen abzusehen 6. die Kontrollen an den Verkaufspunkten zu verstärken, um somit für die Einhaltung des JuSchG § 9 zu sorgen Im Namen der Fraktionen des Jugend-Landtags NRW die Fraktionsvorsitzenden:“ Jetzt stimmen wir über den Änderungsantrag ab. (Widerspruch – Wortmeldungen) – Sind das alles Geschäftsordnungsfragen? (Zustimmung) Für die CDU erteile ich Andreas Hofheinz das Wort. Andreas Hofheinz (CDU): Die Fraktionen von FDP und CDU haben ja gestern Abend noch einen Antrag bei Frau Dietsch eingereicht, über den Punkt zur Werbung erst später abzustimmen. Fällt der jetzt aus diesem Antrag heraus und wird später abgestimmt? Oder bleibt der im Antrag enthalten, wird aber später noch einmal abgestimmt? Vizepräsidentin Sylvia Mös: Wir werden über die sechs aufgeführten Punkte einzeln abstimmen. (Allgemeiner Beifall) Für die SPD hat Moritz Bleif das Wort. Moritz Bleif (SPD): Der Antrag auf geheime Abstimmung ist eine der Grundregeln des Parlamentarismus. Ich finde, es ist ein Unding, dass der hier nicht angenommen wird. (Beifall von der CDU und von der FDP)

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Dorothea Dietsch (Landtagsverwaltung): Wir haben ja das Glück, dass wir eine echte Vizepräsidentin hier haben, die uns jetzt einmal kurz die Geschäftsordnung des Landtags erklärt. (Allgemeiner Beifall) Vizepräsidentin Carina Gödecke: Ich kann euer Bedürfnis, geheim abzustimmen, sehr gut verstehen, insbesondere weil es ja auch in den vorbereitenden Ausschusssitzungen und Fraktionssitzungen etwas kontrovers durcheinander gegangen ist und sich eben keine ganz einheitlichen Meinungen dazu abbilden. Aber unsere Landtagsgeschäftsordnung kennt den Begriff der geheimen Abstimmung nicht. Wir haben immer und ausschließlich öffentliche Abstimmungen. Das hat etwas damit zu tun, dass wir ein sehr transparentes Parlament sind und auch die öffentliche Kontrolle durch die Bürgerinnen und Bürger über unser Abstimmungsverhalten deutlich machen und zulassen wollen. Deshalb kennen wir den Begriff der geheimen Abstimmung und dieses Instrument nicht. Geheim finden bei uns ausschließlich Wahlgänge statt, wenn es um die Besetzung von ganz besonderen Funktionen geht. Es gibt weitere Instrumente, wenn man sicherstellen will, zu wissen, wie Einzelne abstimmen. Aber das ist genau das Gegenteil von geheim. Das wäre eine namentliche Abstimmung. Wenn das Abstimmungsverhalten gleich kunterbunt durcheinandergeht und wir die Stimmen nicht auszählen können, würde wahrscheinlich die gerade amtierende Landtagspräsidentin nach zweimaliger Verständigung mit ihrem Landtagspräsidium rechts und links auch den Hammelsprung anordnen. Von daher: Geheime Abstimmung ist ein verständlicher Wunsch, den wir aber hier im Landtag von Nordrhein-Westfalen nicht erfüllen können. (Allgemeiner Beifall) Dorothea Dietsch (Landtagsverwaltung): Noch zur Klarstellung: Gegenüber dem Präsidenten waren am Anfang zwei Landtagsabgeordnete der Linken entschuldigt worden. Ihm ist nicht gesagt worden, dass bei der SPD einer fehlt und entschuldigt wird und bei der CDU sogar fünf oder sechs fehlen. Deswegen konnte der Präsident das am Anfang nicht wissen. Wir hatten außerdem einen Entschließungsantrag, der dann zum Änderungsantrag geworden ist. Als Entschließungsantrag rangiert er hinter der Beschlussempfehlung. Als Änderungsantrag wird er jetzt vorher abgestimmt. Wir haben also im Moment den Stand: Wir haben einen Änderungsantrag mit sechs Unterpunkten, die

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wir einzeln in öffentlicher Abstimmung abstimmen lassen würden. Gibt es dazu jetzt noch Geschäftsordnungsanträge? Vizepräsidentin Sylvia Mös: Ich erteile für die Grünen Bianca Drepper das Wort. Bianca Drepper (GRÜNE): Ich habe eine Frage. Wenn wir diese sechs Punkte jetzt einzeln abstimmen, ist das gut. Aber werden die anderen vier Anträge, die zuvor verlesen wurden, auch noch einzeln abgestimmt? Kommt das im Anschluss? Habe ich das richtig verstanden? Dorothea Dietsch (Landtagsverwaltung): Wir haben eben die Beschlussempfehlung vorgelesen. Dann gab es aber noch einen Entschließungsantrag, der zum Änderungsantrag geworden ist. Der hat sechs Punkte, nämlich die Erhöhung der finanziellen Mittel, von einer zeitlichen Beschränkung des Alkoholverkaufs abzusehen, spezifische Verkaufsstellen nicht einzurichten, die Fernsehwerbung vor 22 Uhr zu unterbinden, das Sponsoring aber wiederum zu erlauben, usw. Diese sechs Punkte würden wir jetzt einzeln abstimmen. Ist das noch unklar? – Nein. Sind alle damit einverstanden, dass wir die öffentlich abstimmen? – Das ist klar. Es geht also nur noch darum, wie wir öffentlich abstimmen, per Akklamation oder per Hammelsprung. Hammelsprung ist bei unklaren Mehrheitsverhältnissen vorgesehen. Wir können es also erst einmal mit Akklamation versuchen. – Okay. Dann wird die Vizepräsidentin die Punkte jetzt noch einmal einzeln vorlesen und über jeden einzeln abstimmen lassen.

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(Beifall von der SPD, von den GRÜNEN, von der FDP und von der LINKEN) Wir kommen zum dritten Punkt: „Der Jugend-Landtag fordert den Landtag NRW auf, von der Einrichtung der spezifischen Verkaufsstellen abzusehen.“ Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist der Punkt einstimmig bei einigen Enthaltungen angenommen. (Allgemeiner Beifall) Wir kommen zu Punkt 4: „Der Jugend-Landtag fordert den Landtag NRW auf, die Fernsehwerbung für alkoholische Produkte vor 22 Uhr zu unterbinden.“ Wer ist dafür? – (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist der Punkt mit Mehrheit bei einigen Enthaltungen gegen die Stimmen von CDU und FDP angenommen. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Wir kommen zu Punkt 5: „Der Jugend-Landtag fordert den Landtag NRW auf, von einem Verbot des Sponsorings auf öffentlichen Veranstaltungen abzusehen.“ Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist der Punkt bei einer Gegenstimme und einigen Enthaltungen angenommen. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Wir kommen zum sechsten Punkt:

Vizepräsidentin Sylvia Mös: Ich lese den ersten Punkt vor: „Der Jugend-Landtag fordert den Landtag NRW auf, die finanziellen Mittel zur Aufklärung über Schäden und Gefahren übermäßigen Alkoholkonsums aufzustocken.“ Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist dieser Punkt mit großer Mehrheit angenommen. (Allgemeiner Beifall) Wir kommen zu Punkt 2: „Der Jugend-Landtag fordert den Landtag NRW auf, von einer zeitlichen Beschränkung des Alkoholverkaufs abzusehen.“ Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist der Punkt einstimmig bei einigen Enthaltungen angenommen.

„Der Jugend-Landtag fordert den Landtag NRW auf, die Kontrollen an den Verkaufspunkten zu verstärken, um somit für die Einhaltung des JuSchG § 9 zu sorgen.“ Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist der Punkt mit Mehrheit bei einer Gegenstimme und einigen Enthaltungen angenommen. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN, von der CDU und von der LINKEN) Dann wird jetzt eine Gesamtabstimmung über den Änderungsantrag stattfinden. Wer ist für den Änderungsantrag mit allen sechs Unterpunkten? – Wer ist gegen den Änderungsantrag? – Wer enthält sich? – Dann ist dieser Änderungsantrag mit Mehrheit gegen CDU und FDP angenommen. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN)

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Dorothea Dietsch (Landtagsverwaltung): Wir müssen jetzt über die Beschlussempfehlung in der durch den Änderungsantrag veränderten Fassung abstimmen. (Vorsitz: Vizepräsident Armin Tahan) Vizepräsident Armin Tahan: Ich lese das zur Sicherheit noch einmal vor: „Der Jugend-Landtag fordert den Landtag auf, eine breite Aufklärung über Schäden und Gefahren bei Jugendlichen zu gewährleisten, indem Kampagnen zur Alkoholprävention und zum bewussten Umgang weiter ausgebaut werden (Budgeterhöhung).“ Wer ist dafür? (Unruhe) – Fragen? – Tom Becker, bitte. Tom Becker (SPD): Ich habe eine Frage zur Geschäftsordnung. Müsste sich der Änderungsantrag nicht eigentlich auf die ursprüngliche Initiative beziehen? Er bezieht sich definitiv auf die Beschlussempfehlung? – Alles klar. Vizepräsident Armin Tahan: Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist die Beschlussempfehlung mit Mehrheit gegen die Stimmen der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP bei einigen Enthaltungen angenommen. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN)

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(Beifall von der CDU und von der FDP) Joel Scharff (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Rund 6.000 Schulen gibt es in Nordrhein-Westfalen. Ihnen stehen 225 Schulpsychologen gegenüber. Das sind angesichts der zunehmenden Probleme an unseren Schulen und in unserer Gesellschaft besorgniserregende Zahlen. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Aber genau dorthin, wo die Menschen in unserem Land unsere Hilfe brauchen, zielte bis gestern, bis in die Ausschusssitzung der Antrag der Fraktion der FDP und der CDU hin. (Beifall von der CDU) Denn, meine Damen und Herren, wir wälzen gesellschaftliche Probleme nicht so wie Sie allein auf unsere Schulen ab. Wir betrachten sie als Ganzes und versuchen, auch nichtschulische Stellen mit in die Bewältigung von Konfliktsituationen einzubeziehen. (Beifall von der CDU und von der FDP) Mir stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob Sie denn überhaupt Verständnis dafür haben, was für Aufgaben ein Schulpsychologe und ein Sozialarbeiter an einer Schule alles bewältigen müssen. Das sind nicht nur die kleinen Problemchen vom Schulhof, sondern das sind Probleme, die schon zu Hause im Elternhaus anfangen und sich weiter durch die Gesellschaft ziehen. Sie hören nicht auf dem Schulhof auf. (Beifall von der CDU und von der FDP)

Herr Jerome Schmitz, bitte. Jerome Schmitz (SPD): Ich möchte einen Antrag auf fünf Minuten Pause stellen. Da wir nicht mehr abstimmen, können wir die Sitzung doch jetzt fünf Minuten unterbrechen. (Beifall von der SPD und von den GRÜNEN) Vizepräsident Armin Tahan: Abgelehnt! – Das Plenum geht immer weiter, wird mir gerade gesagt. Einzelne dürfen herausgehen, aber die Plenarsitzung läuft immer weiter. Wir kommen zum nächsten Punkt: 6 Schule zukunftsfähig gestalten Antrag der Initiative „Schule zukunftsfähig gestalten“ Ich bitte Joel Scharff von der CDU nach vorne.

Vizepräsident Armin Tahan: Entschuldigung. Lassen Sie eine Zwischenfrage zu? Joel Scharff (CDU): Nein. – Sie wollen einen Schulpsychologen oder einen Sozialarbeiter für jede Schule zu jeder Zeit im ganzen Land einsatzbereit halten. Und das ist für mich so was an utopisch und wirft nicht nur die Frage auf, wie Sie die Stellen besetzen wollen, die dadurch entstehen, sondern auch wie Sie das bezahlen wollen. (Beifall von der CDU und von der FDP) Sie haben gestern im Ausschuss von Kosteneffizienz geredet, meine Damen und Herren. Ich rede von sinnloser Geldverschwendung, wenn ich höre, dass wir wieder 300 Millionen € in den Sand setzen wollen. Das sind 300 Millionen €, die Ihnen vielleicht bei der Haushaltskonsolidierung fehlen. (Beifall von der CDU und von der FDP) Vizepräsident Armin Tahan: Entschuldigung. Da ist noch eine Zwischenfrage.

4. Jugend-Landtag Nordrhein-Westfalen Joel Scharff (CDU): Nein. – Wie sagt man so schön? Eher legt sich ein Hund Vorräte an, als dass ein Sozi lernt, mit Geld umzugehen. (Beifall von der CDU) Vielleicht lassen Sie sich den Spruch mal durch den Kopf gehen! Aber auch Punkt 1 möchte ich nicht vergessen. Denn es geht weiter mit den völlig unzureichenden zwei Tagen zur Berufsfindung – zwei Tage pro Schuljahr, zwei Tage, an denen sich Schüler theoretisch über Jobs informieren können, die sie in der Praxis nie kennengelernt haben, wobei Sie ihnen auch gar keine Chance geben, diese Berufe in der Praxis kennenzulernen, weil Sie bei der Theorie bleiben wollen und unsere Praktika überhaupt nicht beachten wollen. (Zuruf von der SPD: Das ist doch Unfug!) Vizepräsident Armin Tahan: Ihre Redezeit ist leider vorbei. Bitte kommen Sie zum Schluss. (Beifall von der SPD und von den GRÜNEN) Joel Scharff (CDU): Vielen Dank, Herr Präsident. – Der letzte Satz: Das ist ein typisches Beispiel dafür, dass ein großer Sprung des Tigers SPD mal wieder super als Bettvorleger endet. – Vielen Dank. (Beifall von der CDU und von der FDP)

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Wir stellten uns Fragen wie: Gehören Unternehmen wirklich an eine Schule, welche Form der Einbindung ist optimal für die Berufsfindung, und wie bemisst man die richtige Menge an dieser Berufsfindung? Nach einer ergiebigen Diskussion stand die Lösung für unsere Fraktion fest. Letztendlich ist diese auch die einzig verwirklichbare. Die Schulrealität gibt nichts anderes her als eine Berufsfindung in Form von praktischen und theoretischen WorkshopTagen. Ich muss einräumen, dass die anderen Fraktionen das auch eingesehen haben, denn euer Antrag ist zu unserem eigentlich gar nicht so verschieden. Der einzige Unterschied, den ich hier nicht richtig aufklären kann … Vizepräsident Armin Tahan: Entschuldigung. Da ist eine Frage von der CDU. Lassen Sie die zu? Frederik Maximilian Lethmate: Zur Geschäftsordnung: Bei unseren Reden läuft immer die Uhr mit, ein Countdown. Und das ist bei den anderen Rednern fast nie der Fall wie jetzt im Moment auch. Was soll das? (Unruhe) Vizepräsident Armin Tahan: Jeder sieht nur seine Fraktion. (Beifall von der SPD)

Vizepräsident Armin Tahan: Der Nächste ist Tom Becker von der SPD. Tom Becker (SPD) : Sehr geehrter Herr JugendLandtagspräsident! Sehr geehrte Zuschauer! Liebe Abgeordnete des 4. Jugend-Landtags! Zunächst einmal möchte ich auf meinen Vorredner eingehen: Haben Sie den Antrag eigentlich gelesen, über den wir abgestimmt haben? (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Denn meines Erachtens steht in dem Antrag: Nach Erstellung eines Sozialbedarfsplanes und auf Antrag wäre es möglich, für jede Schule einen Sozialarbeiter einzustellen. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) „Schule zukunftsfähig gestalten“ ist zunächst einmal ein ziemlich abstrakter Begriff, wie ich meine, wenn man so will, eine Politiker-Formulierung. Doch was genau verbirgt sich hinter dem Wort „zukunftsfähig“? Im Vorfeld und im Verlauf der Tage hat sich die Hälfte von euch mit diesem Thema beschäftigt. Die Diskussion in meiner Fraktion war sehr vielseitig.

Tom Becker (SPD): Ich werde jetzt einen Teil überspringen, weil meine Redezeit hier leider gekürzt wurde. (Zurufe: Oh!) Das kommt nicht drauf? – Das ist nett. Es ist wichtig und richtig, dass die Berufsorientierung von der 8. Klasse an bis zum Abschluss jedes Jahr durchzuführen und den Bedürfnissen der Schüler anzupassen ist. Genauso wesentlich für den Erfolg einer solchen Maßnahme ist eine Organisation aus öffentlicher Hand. Auch das lässt sich beiden Anträgen entnehmen, die im Ausschuss vorgelegen haben. (Vereinzelt Beifall von der SPD) Diese Anträge sollen nicht nur für die Schulform, sondern auch für die Jahrgangsstufe der Schüler angemessen sein. Ich will euch nun einfach mal meine persönliche Meinung zu dem Thema darlegen. Der essentiell wichtigste Punkt ist es, dass diese Workshops aus drei verschiedenen Teilen bestehen, nämlich erstens allgemeinen Informationen zur Berufswahl, zweitens individuellen Beratungen und drittens praxisorientierten Erfahrungen. Genau das ist es, was

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zum Beispiel die Kompetenzchecks, die in eurem Antrag stehen, eigentlich sein sollen. Ich glaube, dass nur, wenn diese eben genannten Voraussetzungen wirklich zu hundert Prozent erfüllt sind, auch von einer zukunftsfähigen Gestaltung der Schule gesprochen werden kann.

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nicht zugehört, was wir vorgetragen haben? Das, was sie gerade ansprechen, die Perspektivlosigkeit, der wir entgegnen wollen … (Unruhe) – Lassen Sie mich bitte ausreden!

Deshalb fordere ich euch jetzt auf, nach bestem Wissen und Gewissen die einzig richtige Entscheidung zu treffen und diesem fast gemeinsamen Antrag hier stattzugeben.

Maria Wagner (GRÜNE): Könnten Sie bitte eine Frage stellen?

(Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN)

Joel Scharff (CDU): Haben Sie nicht zugehört? Das ist schon mal eine Frage.

Vizepräsident Armin Tahan: Die Redezeit ist vorbei.

Maria Wagner (GRÜNE): Ja, ich habe zugehört. Damit ist die Frage beantwortet.

Dann möchte ich Maria Wagner von den Grünen nach vorne bitten.

(Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN)

Maria Wagner (GRÜNE): Hallo zusammen! Hallo auch an euch und an die Besucher! 30 % der Jugendlichen, die an Berufskollegs lernen, haben keinen Ausbildungsplatz. Das bedeutet, sie sind auf der Wartebank, sie werden in Maßnahmen abgeschoben, sie haben wenig Perspektiven. Ein Grund dafür ist, dass viele Jugendliche immer noch in Modeberufe drängen. Leider wollen immer noch viele Jungen nur Kfz-Mechatroniker werden und haben keine anderen Berufswünsche. Das soll jetzt nicht den Kfz-Mechatroniker schlechtreden. Viele Mädchen wollen Friseurin werden und sehen keine anderen Perspektiven.

Joel Scharff (CDU): Zweite Frage – das ist eigentlich der ausschlaggebende Punkt –: Warum haben Sie denn jetzt bitte …

Und das ist zurückzuführen auf falsche oder sogar fehlende Berufsberatung. Es erfolgt keine individuelle Potenzialanalyse. Hier habe ich mich zunächst einmal auf Ausbildungsberufe beschränkt. Aber es geht hier nicht nur um Schüler, die nach der zehnten Klasse eine Ausbildung anstreben, es geht auch um Abiturienten. Viele von ihnen sind genauso perspektivlos. Sie haben keinen Überblick über die Angebote, die ihnen offenstehen, zum Beispiel eine Ausbildung, ein duales Studium oder ein Studium an einer Hochschule. (Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN) Vizepräsident Armin Tahan: Es gibt eine Frage von der CDU. Lassen Sie die zu?

Vizepräsident Armin Tahan: Nur eine Frage bitte jeder! (Heiterkeit und Beifall von SPD und GRÜNEN) Maria Wagner (GRÜNE): Unsere Lösung ist es, die vorhandenen Berufsorientierungsangebote, die es ja bereits an den Schulen gibt, zu koordinieren und zu gestalten, und zwar bis zum Abschluss, damit auch die Hochschulangebote für die Abiturienten berücksichtigt werden, was leider häufig noch zu kurz kommt. Mein Vorredner ist bereits auf die drei Stufen eingegangen. Ich möchte noch einmal erklären, wie diese ablaufen können. Die Information kann zum Beispiel durch Arge, Jobcenter und andere Organisationen erfolgen. Beratung bedeutet Kooperation von Schule und Arge. Und praxisorientierte Erfahrungen – die CDU hat bemängelt, dass sie fehlen würden – können durch Praktika, durch Besichtigungen in Betrieben erfolgen. Wir sind dabei nicht auf zwei Tage beschränkt. Im Antrag steht: mindestens zwei Tage. (Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN)

Maria Wagner (GRÜNE): Ja. (Beifall von der CDU) Joel Scharff (CDU): Haben Sie gestern im Ausschuss – da waren Sie ja dabei, richtig? – (Maria Wagner [GRÜNE]: Ja.)

Vizepräsident Armin Tahan: Da ist noch eine Frage von der CDU. Lassen Sie die zu? Maria Wagner (GRÜNE): Ja.

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Joel Scharff (CDU): Ich darf ja zwei Fragen stellen. – Warum haben Sie unseren Antrag gestern so torpediert, haben uns nicht ausreden lassen? (Unruhe) – Ganz im Ernst. Das tun Sie wieder nicht. Sie gehen nicht auf die Argumente ein. Sie hören einfach nicht zu. Und das ist Ihr Problem. Genau deswegen ist dieser Antrag unzureichend. (Beifall von der CDU und von der FDP) Maria Wagner (GRÜNE): Ich glaube, jeder hat hier seine Redezeit erhalten. Danke. Ich denke, nur mit einer koordinierteren Berufsorientierung können wir wirksam gegen Perspektiv- und Orientierungslosigkeit von Schülern an Schulen vorgehen. (Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN) Die CDU hat erwähnt, dass es zu wenige Schulpsychologen gibt. Auf einen Schulpsychologen kommen knapp 11.000 Schüler. Das kann nicht sein. Die Folgen davon sind Gewalt, Cyber-Mobbing – das ist relativ neu. Hier wirken auch polizeiliche Maßnahmen nicht. Wir wollen nicht, dass das nur ein Problem der Schule ist. Aber die Polizei kann hier nicht eingreifen. Darum brauchen wir speziell geschultes Personal wie Schulsozialarbeiter und Schulpsychologen. (Zurufe und Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN) Denn Schulen dürfen nicht vor der Wahl stehen, ob sie Bildung oder Gewaltprävention betreiben. Daher müssen die Mittel dafür zur Verfügung stehen. So kommen wir dem Ideal, der gewaltfreien Schule, etwas näher. Wirtschaftliche Gesichtspunkte dürfen nicht wichtiger sein als eine gewaltfreie Schule. (Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN) Vizepräsident Armin Tahan: Ihre Zeit ist leider um; tut mir leid. – Als Nächstes bitte ich Naomi Baba von der FDP nach vorne. (Beifall von der FDP und von der CDU) Naomi Baba (FDP): Lieber Landtagspräsident! Liebes Präsidium! Liebe Abgeordnete! Liebe Zuhörer! Schule ist ein Thema, das allen, besonders jedoch uns als Jugend-Landtagsabgeordneten, am Herzen liegen sollte. Schule ist nicht nur der Ort der Bildung und des Lernens, sondern auch der Ort, an dem wir als Schüler beginnen müssen, uns über unsere berufliche Zukunft Gedanken zu machen. Diese Verantwortung tragen wir als Schüler jedoch nicht alleine.

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Auch Schule selbst sollte dazu beitragen, die Schüler bestmöglich bei ihrer Berufswahlorientierung zu unterstützen. Sogenannte Tage zur Berufsfindung sind bislang freiwillig. Daher werden sie nicht von allen Schulen in NRW wahrgenommen. Ist das Chancengerechtigkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen? (Beifall von der FDP und von der CDU) Wir als FDP-Fraktion fordern die gesetzliche Einführung eines Tages zur Berufswahlorientierung. Hieran sollten diverse Unternehmen, wenn möglich aus der Wirtschaftsbranche, teilnehmen und die Vielfalt der verschiedenen Berufe darstellen. Durch diese Zusammenarbeit von Wirtschaft und Schule entsteht eine Bindung, aus der Berufspraktika resultieren können. Vizepräsident Armin Tahan: Entschuldigung. Da ist eine Frage von der SPD. Lassen Sie die zu? Naomi Baba (FDP): Nein. – Wir fordern, diese Praktika in den G8-Jahrgängen in den Stufen 8 und 11 gesetzlich einzuführen, wobei wir nur die gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen, den Schulen jedoch den von dem Expertenausschuss geforderten Freiraum bei der endgültigen Organisation selbst überlassen. (Beifall von der FDP und von der CDU) Wie soll dieses Projekt funktionieren? Die FDPFraktion fordert eine landesweite Werbekampagne, die als Motivation, Anregung, Denkanstoß der jungen Menschen zur Berufsorientierung dient. Vorbild dieser Aktion ist die Kampagne zur Einschränkung des Alkoholkonsums von Jugendlichen „Kenn dein Limit“ der BZgA. Zur Maßnahme II der Initiative „Schule zukunftsfähig gestalten“ schlägt die FDP-Fraktion folgenden Änderungsantrag vor: Erstens. Wir fordern die Ausweitung der sozialen und psychologischen Betreuung an Grundschulen sowie an allen weiterführenden Schulen. (Beifall von der FDP und von der CDU) Zweitens. Wir fordern eine engere Kooperation zwischen Polizei und Kommune mit den Schulen. Zuletzt möchte ich noch einmal betonen, dass vor allem die zwei Praktika während der Schullaufbahn von großer Bedeutung für uns sind, da ein bzw. die von Rot-Grün geforderten zwei oder mehr Tage zur Berufsfindung definitiv nicht ausreichen, um Schülerinnen und Schüler umfassend über ihre zukünftigen Möglichkeiten zu informieren. – Vielen Dank. (Beifall von der FDP und von der CDU)

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Vizepräsident Armin Tahan: Dann bitte Marcel Fischer von der SPD. Marcel Fischer (SPD): Sehr geehrte Frau Baba! Sehen Sie keinen Konflikt zwischen den Beutelsbacher Verträgen bzw. § 2 des Schulgesetzes NRW und Ihrem Vorschlag, dass die Wirtschaft mehr Einfluss in der Schule bekommt und somit die Schüler in eine Richtung beeinflusst werden? Das ist meine Frage. – Vielen Dank. Naomi Baba (FDP): Ich habe eine Rückfrage: Was steht in § 2 des Schulgesetzes? Vizepräsident Armin Tahan: Das ist hier keine Diskussion. (Allgemeiner Beifall)

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die er zu bewältigen hat. Daher ist eine intensive, langfristig angelegte, aber vor allem objektive Berufsberatung, die auf individuelle Bedürfnisse und Talente eingeht, notwendig. (Beifall von der LINKEN, von der SPD und von den GRÜNEN) Diese Objektivität ist jedoch nicht durch Kooperation mit privaten Unternehmen der Umgebung und nicht durch die von Ihnen bereitgestellte Hilfe gewährleistet – ganz im Gegenteil. Dies erfolgt nur aus Eigeninteresse. Sie haben nur den eigenen, nicht den Vorteil des Schülers im Auge. (Beifall von der LINKEN und von der SPD) Sie kommen wegen ihrer Werbezwecke. Vizepräsident Armin Tahan: Entschuldigung. Lassen Sie eine Frage von der CDU zu?

Nächste Frage. Bitte. Seyda Kurt (LINKE): Nein. Fabian Bologna (SPD): Sie beantragen zwei Praktika in den Klassen 8 und 11. Wir sind im G8Jahrgang – mein Kollege von der SPD hat es eben betont – stark gestaucht. Wie wollen Sie es verantworten, in einer bestimmten Länge Praktika zu erlauben und vorzuschreiben, wenn dafür viel Unterricht in gestauchten Lehrplänen entfällt? Das ist ein Mangel, der nicht zu verantworten ist. Wir haben im Moment Unterrichtsmangel. Da wird Stoff nicht vermittelt, der wichtig ist fürs Berufsleben. Ich frage mich, wie es zu verantworten ist, dass Sie so viel Unterricht streichen wollen. Wir haben eine effizientere Lösung, die auch funktionieren wird. (Beifall von der SPD) Naomi Baba (FDP): Wir finden, dass die praxisnahe Berufsorientierung auf jeden Fall in die Schule gehört. Deswegen darf dafür auch Unterricht ausfallen. (Beifall von der FDP und von der CDU) Vizepräsident Armin Tahan: Die nächste Rednerin kommt von der Linken, Seyda Kurt. (Beifall von der LINKEN)

(Beifall von der LINKEN) Wir fordern wirtschaftlich und auch politisch neutrale Beratung, die in erster Linie auf den Schüler als Menschen eingeht und nicht in ihm direkt einen potenziellen Gewinnbringer für das Unternehmen sieht. (Beifall von der LINKEN, von der SPD und von den GRÜNEN) Dies ist der Grund, warum wir der Antragsänderung der Kollegen von der SPD und den Grünen zustimmen – mit dieser gerade erläuterten Voraussetzung. Ja, zumindest zwei gesetzlich verpflichtende Berufsorientierungstage ab der achten Klasse mit Workshops und Trainingsprogrammen, hauptsächlich organisiert durch die Arbeitsagentur und zusätzlich anderen wirtschaftlich unabhängigen Einrichtungen. (Beifall von der LINKEN, von der SPD und von den GRÜNEN) Das dreistufige Konzept halten wir für sehr sorgfältig ausgearbeitet. Die von der CDU und FDP hervorgehobene berufliche und betriebliche Erfahrung könnte man tatsächlich durch mehr Praktika und Freiraum gewährleisten.

Seyda Kurt (LINKE) : Sehr geehrter Herr JugendLandtagspräsident! Liebe Abgeordnete und Besucherinnen und Besucher! Zu dem Antrag „Wir fordern die gesetzliche Einführung von verpflichtenden Tagen zur Berufsfindung an allen weiterführenden Schulen unseres Landes“ nehmen wir als Die Linke wie folgt Stellung:

Doch haben Sie sich einmal im Gegensatz zu uns gefragt, wie das möglich ist bei dem G8, das von Ihnen doch eben noch so hoch gelobt wurde,

Die Berufsorientierung und die abschließende Wahl zählen heute leider – so ist das nun einmal – zu den größten Hürden im Leben eines jungen Menschen,

wo die elfte Klasse fehlt – mit so einem straffen Zeitrahmen und so einem hohen Leistungsdruck? Wir

(Beifall von der CDU)

(Beifall von der LINKEN, von der SPD und von den GRÜNEN)

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möchten, dass unsere Schulen wieder die kulturellen Einrichtungen werden, in denen Dichter und Denker zu Hause sind, die Sie ja nicht sind, wie Sie eben bestätigt haben.

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len selbst entscheiden zu lassen, in welchem Schuljahr sich wie viele Tage einschieben lassen – zusätzlich zu diesen zwei verpflichtenden? (Beifall von den GRÜNEN)

(Beifall von der LINKEN und von der SPD) Vizepräsident Armin Tahan: Es gibt noch zwei Fragen von der CDU. Lassen Sie die zu? Seyda Kurt (LINKE): Nein. Vizepräsident Armin Tahan: Der nächste Redner ist Florian Merker von der CDU. (Beifall von der CDU) Florian Merker (CDU) : Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte kurz auf das eingehen, was die SPD, die Grünen und die SED hier fordern. Sie haben geschrieben … (Beifall von der CDU und von der FDP – Lebhafter Widerspruch von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Ihr fordert, dass es verpflichtende Tage gibt ab der achten Klasse bis zum Abschluss. Das heißt, ihr benachteiligt Haupt- und Realschüler. Das ist ungerecht. Was ist mit den Gymnasiasten? (Beifall von der CDU und von der FDP) Warum werden die bevorzugt? Macht es lieber richtig, macht es ausführlich – nicht nur zwei Tage! Jetzt kommt mir nicht mit dem „mindestens“. „Mindestens“ ist so eine schwammige Formulierung. Darauf könnt ihr euch nicht die ganze Zeit beziehen. Vizepräsident Armin Tahan: Entschuldigung, es gibt eine Frage von der SPD? Lassen Sie die zu? Florian Merker (CDU): Ja. Oliver Thiemann-Garmann (SPD): Das ist keine Frage. Ich beantrage einfach eine Entschuldigung bei der Linken für Ihre vorhin gemachte Äußerung. (Beifall von der SPD und von der LINKEN) Das war unter der Gürtellinie. Vizepräsident Armin Tahan: Die nächste Frage bitte von den Grünen. Maria Wagner (GRÜNE): Ich habe eine Frage. Ich möchte gerne wissen: Wie wollen Sie garantieren, dass Schulen noch eigenständig handeln können, wenn Sie Ihnen sehr große Zeiträume für Berufsorientierung verpflichtend vorschreiben, statt die Schu-

Florian Merker (CDU): Ich habe hier nirgendwo gesehen, dass Sie den Schulen selber die Möglichkeit geben wollen. Das steht bei Ihnen auch nicht drin. Sie können jetzt hier nicht mit Sachen argumentieren, die Sie selber gar nicht geschrieben haben. Das finde ich nicht in Ordnung. (Beifall von der CDU) Die nächste Sache ist euer psychologisches Gremium. Das finde ich sehr interessant. Ich weiß nicht, ob ihr es wisst, aber wir haben 396 Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen. Das heißt, 396 Gremien mit fünf Leuten, fünf Psychologen, das sind 1.500 Psychologen. Erstens: Wo bekommen wir die her? Zweitens: Wer bezahlt die? Drittens: Erzählt mir nicht, dass ein Schüler, wenn er psychische Probleme hat, zum Schulleiter geht und sagt: Bitte beantragen Sie, dass ein psychologisches Gremium in unsere Schule kommt. – Das kann doch nicht wahr sein. (Beifall von der CDU und von der FDP) Ihr macht es euch in eurem Antrag viel zu einfach, auch durch Worte wie „mindestens“, einfach schwammig formuliert. Ich beantrage, dass ihr, wenn ihr euch schon kümmert, das auch vernünftig macht. – Danke schön. (Beifall von der CDU und von der FDP) Vizepräsident Armin Tahan: Ich bitte Umut Cansid von der SPD nach vorne. (Beifall von der SPD) Umut Cansid (SPD): Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Jugend-Landtagsabgeordnete! Liebe Zuschauer! Wissen Sie eigentlich, dass jeder Vierte in NRW in Armutsverhältnissen lebt? – Wie, jeder vierte? Und was hat das eigentlich mit dieser Thematik zu tun? Ja, jeder Vierte, und ja, es hat viel mit dieser Thematik zu tun, denn Armutsverhältnisse führen zu sozialen Problemen und Missständen, die sich an einem sehr wichtigen Ort sehr deutlich widerspiegeln, nämlich an unseren Schulen, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Deshalb fordern wir, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Linke, pro Schule – ich lese es noch einmal vor – zusätzlich zu den Lehrerstellen sowohl mindestens einen Sozialarbeiter, der nach Erstellung

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eines Sozialbedarfsplanes den Schulen nach sozialem Erneuerungsbedarf auf Antrag zur Verfügung gestellt werden soll, als auch ein psychologisches Gremium auf kommunaler Ebene, das Sprechstunden an Schulen bei Bedarf anzubieten hat. Vizepräsident Armin Tahan: Entschuldigung. Da ist eine Frage von der CDU. Lassen Sie die zu? Umud Cansid (SPD): Ich sage grundsätzlich Nein. Vielleicht wird sich Ihre Frage im Weiteren von alleine beantwortet. Wenn das nicht passiert, können wir es so machen: Sie laden mich zu einem Kaffee ein, und ich beantworte das. (Beifall von der SPD und von der LINKEN) Jetzt zu den Aufgaben. Ein Schulsozialarbeiter vermittelt zwischen Lehrer, Eltern und Schüler, ein Schulpsychologe bezieht sich auf psychologische Aspekte wie Lernen, Persönlichkeit und Entwicklung. Anscheinend sind die Probleme der Jugendlichen unseres Landes es in den Augen unserer sehr verehrten CDU/FDP-Fraktion nicht wert, in fachkompetente Hände gelegt zu werden. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Ihnen reichen ja, wie es aussieht, freiwillige Helfer, deren Kompetenz in keinster Art und Weise nachgewiesen ist. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN)

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Und was braucht man dafür? – Man braucht berufsvorbereitende Tage, in denen optimal auf die Schüler eingegangen wird. Man braucht praxisorientierte Projekte und die Hilfe der Jobcenter. Es ist in Deutschland nun einmal so, dass viele Jugendliche nur ein paar Bereiche und Berufe kennen. Es gibt aber viel mehr Berufe, als die meisten wissen. Auch von uns kennt keiner wirklich jeden Beruf. Dafür brauchen wir die Beratung: damit jeder mit Blick auf einen optimalen Beruf beraten wird. (Beifall von den GRÜNEN und von der SPD) Denn jeder Schüler hat Stärken und Schwächen. Und die müssen heraus- und aufgearbeitet werden. Zu dem zweiten Punkt, den Sozialarbeitern und Psychologen. – Es heißt nicht, dass sie generell zugewiesen werden. Es heißt: nur bei Bedarf. Der Einsatz dieser Personen ist wirklich wichtig, denn wir müssen den Schülern auch helfen, wenn wir das Land wieder nach oben bringen wollen. Wir können nicht die Schüler, etwa in Gebieten mit sozial schwacher Bevölkerung, einfach ohne Hilfe lassen. Wenn sie Hilfe brauchen und die Hilfe gerne hätten und beantragen, dann müssen sie die Hilfe auch erhalten. Vizepräsident Armin Tahan: Entschuldigung, es liegt eine Frage von Marcel Faßbender von der FDP vor. Lassen Sie die zu? Sören Bröcker (GRÜNE): Ja.

Pure Naivität! Die Mehrheit unter uns und die Mehrheit des Landes NRW sollten – nein: müssten! – so verantwortungsbewusst sein … Vizepräsident Armin Tahan: Die Redezeit ist leider vorbei. Umut Cansit (SPD): Einen Satz noch! – Ich möchte noch einmal an Sie appellieren: Es ist an der Zeit, gemeinsam das Problem am Kragen zu packen und anzugehen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Vizepräsident Armin Tahan: Dann bitte ich Sören Bröcker von den Grünen nach vorne. Sören Bröcker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! „Schule zukunftsfähig gestalten“, das heißt auch, die Schüler gut vorzubereiten, und zwar auf die Zukunft, auf die Zeit nach der Schule.

Marcel Faßbender (FDP): Die Frage wurde eben schon gestellt. – Glauben Sie wirklich, dass sich jemand mit Problemen meldet, um eine solche Hilfe zu beantragen? Sören Bröcker (GRÜNE): Ja, das denke ich. (Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN) Wenn er es nicht selbst tut, dann macht das vielleicht jemand anderes. Wenn Lehrer sehen, dass Schüler Probleme haben, ist es auch in deren Verpflichtung, zum Schulleiter zu gehen und eine entsprechende Hilfe zu beantragen. Es heißt nicht, dass der jeweilige Schüler sie beantragen muss. Es kann auch ein Lehrer, ein Vertrauenslehrer oder sonst wer den Antrag stellen. Vizepräsident Armin Tahan: Dann ist da noch eine Frage von Sarah Klees von der CDU. Sarah Klees (CDU): Sie haben gerade gesagt, bei Bedarf könne die Schule einen Sozialpädagogen

4. Jugend-Landtag Nordrhein-Westfalen anfragen. – Wo sollen die denn herkommen? Sollen die immer bereitstehen? Und wer zahlt dann dafür? (Beifall von der CDU und von der FDP) Sören Bröcker (GRÜNE): Wir haben genug Pädagogen in Deutschland, die dann zugeteilt werden könnten. Es heißt ja auch nicht, dass man hundert bereithält, die schon bezahlt werden, um, wenn einer gebraucht wird, ihn in die anfragende Schule zu schicken. Bei Bedarf wird einer eingestellt und dahin geschickt. (Unruhe und Heiterkeit von der CDU und von der FDP – Zuruf von der SPD: Geh nicht drauf ein und mach weiter!) – Ich verstehe es akustisch nicht. Vizepräsident Armin Tahan: Viktor Kürten bitte. Viktor Kürten (CDU): Also, stellt Ihr euch das dann so vor … Sören Bröcker (GRÜNE): Das waren eh zwei Fragen; von daher ist es dann ja auch egal. Es ist wirklich wichtig, Schüler gut vorzubereiten und zu beraten. Deswegen: Es geht um unser Land, es geht um unsere Zukunft. Und deswegen sollte man dem Antrag zustimmen. (Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN) Man sollte nach seinem Gewissen entscheiden. Das ist das einzig Richtige, was man machen kann. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN) Vizepräsident Armin Tahan: Dann bitte ich Jan Fischer von der FDP nach vorne. (Beifall von der FDP und von der CDU)

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Was wir meiner Meinung nach aber alle versuchen müssen, ist, Schule so zu gestalten, dass wir heute guten Gewissens sagen können: Das, was wir heute beschließen, ist morgen noch wahrhaftig, ist morgen noch sinnvoll, ist morgen noch in irgendeiner Weise zukunftsfähig. (Beifall von der FDP und von der CDU) Begangene Fehler der Regierungen vor uns sollten nicht noch einmal aufgearbeitet werden, sondern sollten beiseitegelegt werden, aus der Welt geschafft werden; es sollte in die Zukunft gedacht werden. Wir als FDP-Jugend-Landtagsfraktion fordern deshalb einen verpflichtenden Tag zur Berufsfindung. Hinzufügend zu diesem verpflichtenden Tag der Berufsfindung fordern wir aber realitätsnahe Praktika, in denen sich der Schüler Gedanken machen kann, ob der Beruf, in dem er gerade ein Praktikum absolviert, der Beruf ist, den er 40, 50 Jahre lang in seinem Leben ausüben will oder nicht. Dies kann der Schüler nicht erkennen, wenn ihm nur ein oder zwei Tage zur Berufsfindung zur Verfügung stehen, in denen realitätsfern theoretisch über den Beruf diskutiert wird. Da gewinnt der Schüler keinerlei Einblicke, meine Kolleginnen und Kollegen, und kann sich darüber nicht weiterbilden. (Beifall von der FDP und von der CDU) Vizepräsident Armin Tahan: Es liegen mir zwei Zwischenfragen vonseiten der Fraktion der SPD vor. Wollen Sie die zulassen? Jan Fischer (FDP): Ja, bitte. Tim Brandt (SPD): Welche Vorgängerregierung meinen Sie? Schwarz-Gelb oder Rot-Grün? Es kann eigentlich nur Schwarz-Gelb gewesen sein. Jan Fischer (FDP): Es war klar, dass mir aus meinem Fauxpas ein Strick gedreht wird. Ich meine natürlich die aktuelle Regierung. Und vor der schwarzgelben Vorgängerregierung gab es rote Regierungen, die ähnliche Fehler gemacht haben, wie sie jetzt wieder begangen werden.

Jan Fischer (FDP): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf den Zuschauerplätzen! Ich danke meinen Vorrednern, insbesondere dem jungen Herrn von den Grünen, sehr, da er ein wenig das erzählt hat, was auch ich jetzt ausführen möchte.

Ich möchte jetzt eigentlich zum Ende kommen.

Wie kann man Schule zukunftsfähig gestalten? Das ist die elementarste Frage, die heute hier auf dem Programm steht. – Zukunft ist ein sehr irreales Thema, da keiner von uns prophezeien kann, was morgen passiert.

Jan Fischer (FDP): Ja, wer möchte noch fragen?

(Beifall von der FDP und von der CDU)

Vizepräsident Armin Tahan: Es gibt noch eine Frage vonseiten der SPD.

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Bent Duddek (SPD): Du sprachst gerade vom verpflichtenden Tag. In eurem Antrag steht „verpflichtende Tage“. Wie viele sind es genau? (Beifall von der SPD und von den GRÜNEN) Jan Fischer (FDP): Ich denke, ein Tag reicht völlig aus, um sich über die Bandbreite eines Berufsspektrums Gedanken zu machen und darauf aufbauend seinen Praktikumsplatz auszusuchen. (Beifall von der FDP) Vizepräsident Armin Tahan: Als letzte Rednerin möchte ich Jessica Karli von den Linken nach vorne bitten. Jessica Karli (LINKE) : Sehr geehrter Herr JugendLandtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren und sehr geehrte Zuschauer! Wir haben oft darüber diskutiert, ob Sozialarbeiter und Schulpsychologen in der Schule nützlich sind. Ich finde ja! Auch im Namen der Partei sage ich Ja. Denn wenn ein Schüler Probleme mit einem Lehrer hat, kann er diese Probleme mit dem Schulpsychologen besprechen; dieser kann ihn beraten und ihm Hilfe geben. Würde sich ein Schüler hingegen von einem Lehrer beraten lassen, kann das Einfluss auf die Noten haben. Es kann aber auch sein, dass die Lehrer wenig Zeit dafür haben oder dazu gar nicht in der Lage sind, weil sie nicht so ausgebildet worden sind wie Psychologen und Sozialarbeiter. (Beifall von der LINKEN und von der SPD) Außerdem finde ich, dass die Einstellung von Sozialarbeitern und Schulpsychologen keinen Einfluss auf die Zahl der Lehrerstellen haben sollte, sondern für Sozialarbeiter und Schulpsychologen neue zusätzliche Stellen geschaffen werden müssen. (Beifall von der LINKEN, von der SPD und von den GRÜNEN)

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(Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN) Das kann wirklich nicht sein, so etwas hier in diesem Jugend-Landtag zu tun! Hier hat euch bisher niemand beleidigt. Wir haben zwar argumentiert, aber ihr habt es gemacht! Ich sage nicht „ihr“, denn das war eine Person; sorry, sage ich jetzt schon mal. Diese Person sollte jetzt nach vorne kommen und sich hier persönlich entschuldigen! (Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN) Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Vizepräsident Armin Tahan: Erstens: Fragen sind nicht zugelassen. Zweitens: Eine Beleidigung hat das Präsidium nicht gehört. (Beifall von der CDU und von der FDP – Zahlreiche Zurufe und Unruhe von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN – Mehrere Abgeordnete melden sich.) Sind das Geschäftsordnungsfragen? (Zurufe: Ja!) Dann Marcel Fischer von der SPD. Marcel Fischer (SPD): Ich stelle den Antrag, dass das Präsidium das Protokoll einsehen und kontrollieren soll, ob eine Beleidigung des CDU-Kollegen vorgelegen hat. – Vielen Dank. (Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Vizepräsident Armin Tahan: Dann eine Geschäftsordnungsfrage von Felix Rauls von den Linken. Felix Rauls (LINKE): Ich würde gerne eine kurze Stellungnahme dazu abgeben, wenn ich darf.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall von der LINKEN, von der SPD und von den GRÜNEN)

Vizepräsident Armin Tahan: Nein, das geht leider nicht.

Vizepräsident Armin Tahan: Capaci Metehan wollte vor der Abstimmung eine persönliche Erklärung abgeben.

Dorothea Dietsch (Landtagsverwaltung): Es kann nur eine persönliche Erklärung abgeben werden, aber keine Stellungnahme zu einer anderen persönlichen Erklärung.

Metehan Capaci (GRÜNE) : Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Vizepräsidenten und Vizepräsidentinnen! Liebe Kollegen! Wir haben eben eine schlimme Situation erlebt mit dem, was die CDU gegenüber den Linken getan hat. Ich finde es von euch wirklich unverschämt, dass ihr so etwas macht!

Vizepräsident Armin Tahan: Dann bitte Metehan Capaci von den Grünen. Metehan Capaci (GRÜNE): Ich bin der gleichen Meinung wie die SPD: Das muss erfolgen. Es ist

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wirklich unverschämt, dass er sich nicht jetzt hier entschuldigt.

klärung abgeben, denn das wäre dann endlos. Dann hätten wir wieder eine neue Debatte.

(Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN)

(Can Arslan [LINKE]: Das ist totale Beeinflussung!)

Vizepräsident Armin Tahan: Das war keine Frage zur Geschäftsordnung. – Dann bitte Frederik Maximilian Lethmate von der CDU.

Wir können gerne die Vizepräsidentin von der Linken, Frau Böth, weil ihr Linken euch beeinflusst fühlt, fragen, ob das so in Ordnung ist, wie wir das machen.

Frederik Maximilian Lethmate (CDU): Ich habe diese Beleidigung leider persönlich gehört und möchte mich im Namen meiner Fraktion dafür entschuldigen. (Langanhaltender Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN – Einige Abgeordnete von SPD und GRÜNEN erheben sich von den Plätzen.) Vizepräsident Armin Tahan: Hat sich das mit der Erklärung dann erledigt? – Bitte, Joachim Hoischen von der CDU. Joachim Hoischen (CDU): Man sollte zumindest mir persönlich noch die Möglichkeit geben, Stellung dazu zu nehmen. – Ich weiß ja, dass das mit den Linken und der Geschichte nicht ganz so einfach ist. Aber wenn man seinen ehemaligen Parteinamen verdrängt und nicht dazu steht, dafür habe ich – tut mir leid – kein Verständnis. Ihr wart die SED und ihr seid heute die Linken! Das ändert nichts! (Vereinzelt Beifall – Zurufe: Unverschämt! – Weitere Zurufe) – Das Zentrum ist niemals in die CDU übergegangen. Vizepräsident Armin Tahan: Das war keine Frage. Bitte nur Anträge und Fragen! (Can Arslan [LINKE]: Aber darauf muss man doch antworten!) Können wir zur Abstimmung kommen? (Felix Rauls [LINKE]: Ich würde gerne eine kurze persönliche Erklärung abgeben!) Dorothea Dietsch (Landtagsverwaltung): Sie haben doch zurückgezogen. (Felix Rauls [LINKE]: Nein! Ich habe vorhin zurückgezogen, nachdem sich der Fraktionsvorsitzende entschuldigt hat, möchte aber zu dem Statement des Herrn, der uns als SED bezeichnet hat, etwas sagen!) – Diskussion ist leider nicht möglich. Du kannst eine persönliche Erklärung abgeben, aber du kannst nicht zu einer Stellungnahme eine persönliche Er-

(Vizepräsidentin Gunhild Böth: Eine persönliche Erklärung kann natürlich jeder abgeben!) – Jeder, aber er kann jetzt natürlich nicht eine persönliche Erklärung zum Vorredner, der eine persönliche Erklärung abgegeben hat, abgeben usw. Das geht natürlich nicht. (Can Arslan [LINKE]: So was ist nicht zu entschuldigen! Bei so was muss eine Ausnahme gemacht werden! – Beifall von der LINKEN – Can Arslan [LINKE]: Der hat noch einmal einen draufgesetzt! Das ist nicht zu entschuldigen!) Wenn es eine Beleidigung gegeben hat, die das Präsidium hätte rügen müssen, dann wird das Protokoll genau gelesen, genau geprüft, und im Nachhinein wird dann dieses Wort oder dieser Satz noch gerügt. So ist es korrekt. Keine weiteren persönlichen Erklärungen? – Dann könnten wir zur Abstimmung kommen. – Doch noch zwei. Vizepräsident Armin Tahan: Von der SPD hat sich Fabian Bologna zu Wort gemeldet. Fabian Bologna (SPD): Ich wollte nur die Rückkehr zur Tagesordnung beantragen. (Beifall von der SPD und von den GRÜNEN) Dorothea Dietsch (Landtagsverwaltung): Wir hatten zwei Änderungsanträge. Der eine ist wieder zurückgezogen worden, der andere schriftlich eingereicht. Ich würde den Vizepräsidenten bitten, zum besseren Verständnis den Antrag, auf den sich die Änderung dann bezieht, zunächst noch einmal vorzulesen; anschließend lesen wir den Änderungsantrag vor, den ihr nicht habt, weil er eben erst eingereicht wurde. – Also: Wir lesen jetzt erst noch einmal den Antrag vor. Vizepräsident Armin Tahan: „Die Vorbereitungen auf das Berufsleben in den meisten Schulen lassen zu wünschen übrig. Deshalb ist es an der Zeit, Maßnahmen zu diskutieren, mit denen junge Menschen schon früh-

4. Jugend-Landtag Nordrhein-Westfalen

zeitig auf berufliche Perspektiven während der Schulzeit aufmerksam gemacht werden: 1. Wir fordern die gesetzliche Einführung von schuljährlich mindestens zwei verpflichtenden Tagen zur Berufsfindung in Form von Workshops an allen weiterführenden Schulen unseres Landes von der 8. Klasse bis zum Abschluss. Diese Tage werden von der Arge/Jobcenter und/oder sozialen Kooperationspartnern der Schulform und Jahrgangsstufe angemessen organisiert und müssen informative, beratende und praktische Anteile beinhalten. 2. Wir fordern sowohl pro Schule zusätzlich zu den Lehrerstellen mindestens einen Schulsozialarbeiter, der nach Erstellung eines Sozialbedarfsplanes den Schulen nach sozialem Erneuerungsbedarf auf Antrag zur Verfügung gestellt werden soll, als auch ein psychologisches Gremium auf kommunaler Ebene, die Sprechstunden an Schulen bei Bedarf anzubieten haben. Diese Gremien können individuell dem Bedarf angepasst werden. (Änderung der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE) Wir bitten den Jugend-Landtag NRW, sich mit diesen Forderungen auseinanderzusetzen und den Beschluss anschließend dem Landtag NRW und seinen Ausschüssen bekannt zu geben. Die Initiative ‚Schule zukunftsfähig gestalten‘ bedankt sich für Ihr Engagement und wünscht Ihnen eine erfolgreiche Debatte.“ Dazu gibt es einen Änderungsantrag von der CDU: „Wir beantragen zusätzlich zu Punkt 1, diesen Punkt um ein zweiwöchiges verpflichtendes Praktikum zu ergänzen.“ (Beifall von der CDU und von der FDP – Zurufe von der SPD: Gibt es schon!) Jetzt muss erst über den Änderungsantrag abgestimmt werden. Soll dieser Punkt ergänzt werden? Wer ist dafür?

16.07.2011 Plenarprotokoll

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Wir stimmen nun über den Antrag in der geänderten Form ab. Wer ist dafür? (Zurufe von der SPD: Wofür?) Dorothea Dietsch (Landtagsverwaltung): Für den Antrag in der geänderten Form, ergänzt in Punkt 1 um das zweiwöchige verpflichtende Praktikum. Vizepräsident Armin Tahan: Wer ist dafür? (Zurufe: Wofür?) Dorothea Dietsch (Landtagsverwaltung): Wer ist für den Antrag, den wir eben vorgelesen haben, mit der angenommenen Änderung? Der Antrag wurde ja ergänzt, erweitert. Es soll zusätzlich noch ein zweiwöchiges verpflichtendes Praktikum gemacht werden. Das ist der geänderte Antrag, über den wir jetzt abstimmen müssen. Wer dafür ist, der hebt bitte die Hand. – Wer ist dagegen? – Eine Gegenstimme. Wer enthält sich? – Der Antrag ist, Herr Präsident, mit großer Mehrheit bei einer Gegenstimme und einigen Enthaltungen angenommen. (Allgemeiner Beifall) Vizepräsident Armin Tahan: Jetzt wird, wie von allen Parteien im Ältestenrat beschlossen, die Nationalhymne gesungen. Es dauert ungefähr zehn Sekunden, bis die Musik beginnt. Wir stehen dafür bitte auf. (Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen. – Die Nationalhymne wird gesungen. – Anschließend allgemeiner Beifall) Vizepräsident Armin Tahan: Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Ende unserer heutigen Sitzung des Jugend-Landtags. Ich berufe das Plenum wieder ein für das Jahr 2012. (Allgemeiner Beifall)

(Zuruf: Wofür?) Ich sehe Fragen von der SPD. Lukas Lorenz bitte. Dorothea Dietsch (Landtagsverwaltung): Geht nicht. An wen sollen sich die Fragen denn richten? – Wir stimmen jetzt über den Änderungsantrag ab. Vizepräsident Armin Tahan: Wer ist für den Änderungsantrag von der CDU mit dem zweiwöchigen Praktikum? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist der Änderungsantrag mit großer Mehrheit angenommen. (Allgemeiner Beifall)

Schluss: 13:00 Uhr