Firmenmuseen in Baden-Württemberg

Firmenmuseen in Baden-Württemberg Bearbeitet von Prof. Dr. Gert Kollmer-von Oheimb-Loup, Prof. Dr. Götz Adriani 1. Auflage 2011. Buch. 192 S. Hardco...
Author: Karin Grosser
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Firmenmuseen in Baden-Württemberg

Bearbeitet von Prof. Dr. Gert Kollmer-von Oheimb-Loup, Prof. Dr. Götz Adriani

1. Auflage 2011. Buch. 192 S. Hardcover ISBN 978 3 17 021585 6 Format (B x L): 22 x 29 cm Gewicht: 1238 g

Weitere Fachgebiete > Kunst, Architektur, Design > Kunstwissenschaft Allgemein > Kunstsammlung, Museen, Ausstellungen Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei

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ALB-GOLD – KUNDENZENTRUM, NUDELWELT, KRÄUTER WELT

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Eieraufschlag – 54 000 Stück pro Stunde

ALB-GOLD wurde 1968 von Franz Freidler als Geflügelhof gegründet. Der landwirtschaftliche Betrieb ließ sich auf der Schwäbischen Alb vor den Toren Trochtelfingens im Landkreis Reutlingen nieder. Franz Freidler besaß ursprünglich einen kleinen Schlossereibetrieb in Leonberg bei Stuttgart und züchtete nebenbei Hühner. Da seine Frau an einer Erkrankung der Atemwege litt, empfahl ihr der Arzt von Leonberg in eine Region mit besserem Klima zu ziehen. Die Schwäbische Alb war als Wochenendausflugsziel bekannt. Freidler entschloss sich kurzerhand seinen technischen Betrieb zu schließen, auf die Alb umzusiedeln und zukünftig ganz auf sein „Hobby“, die Hühnerzucht, zu setzen. Mit dem Bau des ersten Hühnerstalls erfüllte er sich einen Traum und schon im Jahr 1970 wurde eine zweite Stal-

lung errichtet. Außerdem startete der rührige Unternehmer in diesem Jahr mit der Direktvermarktung von Eiern und Geflügelprodukten mit einem eigenen Verkaufsfahrzeug. Die Eier und Geflügelprodukte erlangten schnell Bekanntheit und der Hof wuchs stetig. Mitte der 1970er Jahre brach jedoch der Eiermarkt in Deutschland und Europa zusammen und das Wachstum verlangsamte sich. 1977 trat der Sohn Klaus Freidler in das Unternehmen ein. Er suchte fortan nach alternativen Vermarktungs- und Veredlungsformen der Eier. Im selben Jahr kam dem Junior die Geschäftsidee, welche das Unternehmen in den kommenden Jahren prägen sollte: die Nudelherstellung. Auf einer Messe erstand Klaus Freidler eine Maschine zur Teigwarenproduktion. Am meisten faszinierte ihn die Menge an Eiern, die der Verkäufer vor Ort in den Nudel-

ALB-GOLD – KUNDENZENTRUM, NUDELWELT UND KRÄUTER WELT

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Geschichte

25 In Trochtelfingen wurde 1995 die Hühnerhaltung schließlich komplett eingestellt und der letzte verbleibende Stall zu einem Lager umgebaut. Außerdem wurde das Verpackungsdesign komplett überarbeitet und umgestellt, um das Image des Hühnerhofs abzulegen. 1998 gelang ALB-GOLD eine echte technische Innovation: Die Schwaben stanzten ab sofort aus gewalzten Teigbändern Formen wie Hütchen, Schleifchen oder Täschle. Weitere Modernisierungen und Erweiterungen der Produktions- und Lagerhallen folgten. Außerdem wurden die Marken Bechtle Teigwaren im Jahr 2001 und Zahner Traiteur im Jahr 2007 übernommen und fortan in Trochtelfingen produziert. Heute produziert ALB-GOLD frische und getrocknete Teigwaren in biologischer und konventioneller Qualität. Der Nudelspezialist stellt sein komplettes Markensortiment aus Rohstoffen ohne Gentechnik her. Sämtliche im Betrieb frisch aufgeschlagenen Eier stammen von Hühnern aus Bodenhaltung, größtenteils aus Baden-Württemberg. Das Unternehmen setzt sich bei zahlreichen Veranstaltungen im Kundenzentrum für Lebensmittel und eine Landwirtschaft ohne Gentechnik ein. Der Familienbetrieb hat sämtliche Zertifizierungen erlangt, die für die nachhaltige Herstellung hochwertiger Produkte wichtig sind: DIN ISO 9001, IFS (International Food Standard V5 = Higher Level), DIN EN ISO 14001:9000 (Umweltzertifizierung), EU-Bio, Demeter, Bioland und NOP (National Organic Program USA). Kundenzentrum, Museum und „Gläserne Produktion“ Mit der Eröffnung des ALB-GOLD Kundenzentrums in Trochtelfingen hat das Unternehmen seine Erfolgsgeschichte fortgeschrieben. 2002

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teig gab. Er überredete den Verkäufer ihm die Maschine nach der Messe in Trochtelfingen vorbeizubringen und startete seine ersten Versuche gewalzte Nudeln herzustellen. Vor dem landwirtschaftlichen Hintergrund war ihm klar, dass er nur die besten Rohstoffe und vor allem reichlich Eier für den Teig verwenden wollte. Die deutschen Hersteller machten damals ihre Nudeln vor allem aus Weizenmehl. Freidler entschloss sich für den teureren Hartweizengrieß und erzeugte daraus zu Beginn rund 50 Kilogramm Nudeln pro Tag. Ende der 1970er Jahre standen rund 50 000 Hühner in den Ställen von ALB-GOLD. Vier Fahrzeuge sorgten für die Direktvermarktung von Eiern, Nudeln und frischem Geflügel aus eigener Schlachtung. 1980 wurde das Nudelsortiment um gepresste Teigwaren erweitert. Man begann die Produkte auch an Direktvermarkter und den Fachhandel zu vertreiben. Schließlich wurde 1982 die erste vollautomatische Nudellinie in Betrieb genommen, 1986 startete ALBGOLD mit der vollautomatischen Produktion von Spätzleprodukten. Noch immer wurden die Hühnerfarm und die Nudelproduktion parallel betrieben, Anfang der 1990er Jahre begann dann die Umstrukturierung des Unternehmens weg vom landwirtschaftlichen Betrieb hin zum reinen Lebensmittelhersteller. 1993 folgte ein weiterer Meilenstein in der Firmengeschichte. Klaus Freidler entschied sich, den nach der Wende zur Schließung verurteilten Betrieb „Teigwaren Riesa“ in Sachsen zu übernehmen, um den Erhalt einer Traditionsmarke zu sichern. Mit der Übernahme des wirtschaftlich desolaten Betriebes in Riesa stellte sich der mittelständische schwäbische Spezialitätenhersteller einer großen Herausforderung, denn der Riesaer Marktanteil lag Anfang 1993 unter 1 %. Heute ist Teigwaren Riesa mit Abstand die Nummer 1 in Ostdeutschland.

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Schwäbisches Gold

Neugierig?

wurde die Teigwarenproduktion komplett für Besucher geöffnet. Das Kundenzentrum mit mehreren Erlebnisbereichen wurde als Marktplatz rund um die gesunde Ernährung vorgestellt und war ab sofort der ideale Ort für den direkten Kundendialog. Drei Jahre später wurde vor dem Gebäude als Ergänzung die mehr als 2 Hektar große Kräuter Welt eröffnet. Schnell etablierten sich Kundenzentrum und Kräuter Welt als Besuchermagneten und konnten bis heute rund 300 000 Besucher jährlich begrüßen.

und natürliche Zutaten kennen viele nur noch von großflächigen Werbeplakaten der Lebensmittelindustrie. Der Bezug zur Nahrung und Ernährung geht mehr und mehr verloren. Erstaunlicherweise lässt sich jedoch zugleich bei einer wachsenden Gruppe in der Bevölkerung ein zunehmendes Interesse an regionalen Lebensmitteln und an gesunder Ernährung beobachten. Die gläserne Produktion mit der Nudelwelt liefert den Besuchern in anschaulicher Weise interessante Informationen, für jeden nachvollziehbar anhand der Herstellungsgeschichte und der Vielfalt der Teigwaren: Vom Saatgut bis auf den Teller wird in der ALB-GOLD Nudelwelt die Nudelproduktion erklärt, denn will man beste Lebensmittelqualität erzeugen, muss man bei der landwirtschaftlichen Urproduktion beginnen. Schließlich ist die Güte der Rohstoffe entscheidend für die Produktqualität. Für das gesamte Unternehmen stellt das „Museum“ eine ausgezeichnete Plattform der Unternehmenskommunikation dar. Es ist konzipiert als ein Treffpunkt für Endverbraucher, Wissenshungrige, Vertriebspartner und Rohstofflieferanten, es bietet eine angenehme Atmosphäre, um sich auszutauschen – ein wirksames Instrument um über Public Relations das Megathema hochwertige ökologische Lebensmittel, den Markennamen und natürlich auch die ALB-GOLD-Produkte ins Gespräch zu bringen.

Ziele des „Museums“ In den letzten Jahrzehnten hat sich der Großteil der Menschen durch den heutigen hektischen Lebensstil von einer gesunden und ausgewogenen Ernährung entfernt. Fertiggerichte, Wellness-Drinks und Fast-Food machen die Ernährung der „modernen“ Menschen aus

Das Informationsangebot im ALB-GOLD Kundenzentrum mit der Nudel- und Kräuter Welt ist breit gestreut. Einen objektiven Blick in die komplexe Herstellung hochwertiger Lebensmittel – vom Saatgut bis zur fertig verpack-

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Was wird gezeigt?

27 ten Nudel – eröffnen die Betriebsführungen im Rahmen der gläsernen Produktion. Die Besucher werden hautnah an die Ausgangsrohstoffe und ihre Weiterverarbeitung herangeführt. Spannend ist es, zu beobachten, wie rund 200 000 frische Eier täglich maschinell aufgeschlagen werden oder die unterschiedlichen Formen, die bei der Spätzleherstellung eingesetzt werden, zu entdecken.

Ein Nudel-Labyrinth

Köstliche Ergebnisse

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Während der etwa 60-minütigen Führung ist man hautnah dabei. Einzelne Bereiche werden mit kurzen, fachspezifischen Filmen ergänzt. Um den hohen Hygieneanforderungen in einem Lebensmittelbetrieb gerecht zu werden, können einige Teile von den Gästen durch große Glasscheiben eingesehen werden. Kompetente Mitarbeiter begleiten die Gäste während des Rundgangs, erklären und beantworten aufkommende Fragen. Ein Besuch der ALB-GOLD Nudelwelt gehört zur Erlebnisführung, in den architektonisch außergewöhnlich gestalteten Räumen werden Nudeln ganz neu in Szene gesetzt: historisch, künstlerisch, einzigartig.