Ein Parité Gesetz für Deutschland

Ein Parité–Gesetz für Deutschland Gleichberechtigte demokratische Teilhabe von Frauen und Männern in der repräsentativen Demokratie Vorbildfunktion de...
Author: Kasimir Mann
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Ein Parité–Gesetz für Deutschland Gleichberechtigte demokratische Teilhabe von Frauen und Männern in der repräsentativen Demokratie Vorbildfunktion des französischen Parité-Gesetzes 7. März 2011, Landtag Stuttgart Prof. Dr. Silke R. Laskowski Email: [email protected]

◦ 1948/49 als SPD-Abg. im Parlamentarischen Rat ◦ „Mutter“ des Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz (GG) und der „Waschkörbeaktion“ der westdeutschen Frauen ! „Die

mangelnde Heranziehung von Frauen zu öffentlichen Ämtern und ihre geringe Beteiligung in den Parlamenten ist doch schlicht Verfassungsbruch in Permanenz.“ (1981)

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Fraktion FDP: 100 % männliche Abgeordnete Fraktion CDU: 85 % männliche Abgeordnete Fraktion SPD: 82,9 % männliche Abgeordnete Fraktion Grüne: 69,4 % männliche Abgeordnete

◦ Landtag insgesamt:  81,2 % männliche Abgeordnete (112)  18,8 % weibliche Abgeordnete (26) !  „Verfassungsbruch in Permanenz“ (Selbert, 1981)

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1. Das Demokratiekonzept der Volkssouveränität im GG gebietet die tatsächliche gleichberechtigte demokratischen Teilhabe von Frauen und Männern nach Art.20 Abs.2 S.2, Art.21 Abs.1 S.3, Art.3 Abs.2 S.1,2 GG („effektive Einflussnahme des Volkes“). 2. Die mangelnde paritätische Besetzung der deutschen Parlamente begünstigt „ungleichberechtigte“ politische Entscheidungen und Gesetze. 3. Ein verfassungskonformes und verfassungsrechtlich gebotenes Mittel zur Durchsetzung der tatsächlichen gleichberechtigten demokratischen Teilhabe von Frauen und Männern ist eine verbindliche gesetzliche Regelung zur paritätischen Besetzung von Kandidatenlisten und Wahlkreisen durch die politischen Parteien für die Wahl zum Deutschen Bundestag; Landtagswahlen; Kommunalwahlen >> „Parité-Gesetz“; Vorbild: „La loi sur la parité“ 2000/01 4



Gesetzl. Quote f. Aufsichtsräte/Vorstände: Mindestquote 40 % ◦ Gesetz-E Bündnis 90/Die Grünen 2011, Aufsichtsräte ◦ Gesetz-E SPD 2012, auch Vorstände ◦ Sachverständigenanhörung BT-Rechtsausschuss 11.05.2011: Mehrheit bejaht gesetzliche Quotenregelung ◦ EU-Kommissarin Viviane Reding: EU-Quote 08.03.2012



Gesetz gegen Entgeltungleichheit von Frauen und Männern: Gender Pay Gap 25 %, Pension Gap 60 % = Frauenaltersarmut! ◦ Gesetz-E Entgeltgleichheit SPD, angekündigt für Ende 2011 (???)



„Parité-Gesetze“ zur paritätischen Besetzung der Parlamente: Bundestag / Länderparlamente / Kommunalparlamente ◦ BT-Fraktion Bündnis 90/Grüne Gutachten (Laskowski), 2009 ◦ GesetzE Fraktion Bündnis 90/Grüne LT Kiel, 2008 ◦ Enquete-Kommission 16/2 LT Mainz, 2012 (Vorlage 16/2-41) 5

EU-Kommission fordert von den Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils in Entscheidungspositionen, einschließlich nationale Parlamente

„Gesetz zur Förderung des gleichen Zugangs von Frauen und Männern zu Wahlmandaten und Wahlämtern“

In Kraft seit 2001

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1. Paritätische Besetzung der Wahllisten mit Frauen und Männern vorgeschrieben („Quotenregelung“), Zurückweisung von nicht quotierten Listen (Sanktion), gilt für  Kommunalwahlen ◦  





Gemeinden über 3.500 Einwohnern/-innen

Regionalwahlen Senatswahlen (Chambre haute des Parlaments)

Quotierung wirkt aber nur beschränkt, weil sie nur für einen Teil der Senatswahl gilt, zudem: Wahlkollegium darf panaschieren, also von Quotierung abweichen, zudem (seit 2004): nur Hälfte der Senatoren/-innen wird alle 3 Jahre neu gewählt, Wahlperiode 6 Jahre

Europawahlen

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2. Quotierung der Wahlkreise für Wahlen zur Nationalversammlung (Chambre basse des Parlament) ◦ Keine Listenwahl, sondern ◦ 577 Wahlkreise (i.d.R.: 66.400 Wahlberechtigte pro Wahlkreis) ◦ 577 Abgeordnete  „Anreize“ zur Quotierung über Parteienfinanzierung (Sanktion): ◦ Nachträgliche Kürzung staatlicher Zuwendungen an Parteien, bei denen der zahlenmäßige Unterschied zwischen aufgestellten Kandidaten und Kandidatinnen mehr als 2 % beträgt 9

… 10 selbstbewusste Politikerinnen unterschiedlicher Parteien fordern 1996 gemeinsam gesetzliche Veränderungen

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Simone Veil, Edith Cresson, Yvette Roudy, Monique Pelletier, Frédérique Bredin, Michèle Barzach, Catherine Lalumière, Hélène Gisserot, Véronique Neiertz, Catherine Tasca 10 Ex-Ministerinnen ◦ 5 „Linke“, 5 „Rechte“



fordern Verfassungsänderung ◦ Voraussetzung für gesetzliche Paritè-Förderung

 

fordern Parité-Gesetz fordern Parité-Parteienfinanzierung 11

Neu: Artikel 3 Absatz 5 (VerfassungsG Nr. 99569) Das Gesetz fördert – den gleichen Zugang von Frauen und Männern zu den Wahlmandaten und – auf Wahl beruhenden Ämtern.

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„Gesetz zur Förderung des gleichen

Zugangs von Frauen und Männern zu Wahlmandaten und Wahlämtern“

In Kraft seit 2001

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… Entgeltgleichheitsgesetz 2006 … Verfassungsänderung 2008

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Artikel 1 Absatz 2 (VerfassungsG Nr. 2008-724 vom 23. Juli 2008)

Das Gesetz fördert - den gleichen Zugang von Frauen und Männern zu den Wahlmandaten und - auf Wahl beruhenden Ämtern sowie - zu den Führungspositionen im beruflichen und sozialen Bereich.

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 





Regionalparlamente: 47,6 % weibliche Abgeordnete Kommunalparlamente: 48,5 % weibliche Abgeordnete Senatswahl: Senat: 21,5 % weibliche Abgeordnete (Quote kann hier nur eingeschränkt wirken, vgl. Folie 4) Europaparlament: 44,4 % weibliche Abgeordnete Klare positive Bilanz, zudem gestiegene Wahlbeteiligung seit Einführung der Quote ! 16

 

Nationalversammlung (nur Wahlkreise): 18,9 % weibliche Abgeordnete, denn Parteien verzichten bei Kandidatenaufstellung lieber auf Geld als auf Männer (Legislper. 2007-12) ◦ Regierungspartei UMP: ca. 20 Mio. Euro ◦ Sozialistische Partei (SP): mehr als 2,5 Mio. Euro

◦ Aber 2010 Gesetz-E (SP), Ziel: stärkere Kürzung staatlicher Mittel, keine aussichtslosen Wahlkreise (mehr) für Frauen – Entwurf knapp gescheitert (290 : 213 Stimmen)

Bilanz positiv, gestiegene Wahlbeteiligung! Aber: Quotierung der Wahlkreise erfordert gesetzliche Nachbesserung, um Umgehung der Quote zu verhindern. 17

Artikel 21 i.V.m. Artikel 20 Grundgesetz (GG), Parteienfreiheit Artikel 21 Absatz 1 Satz 3 GG, innerparteiliche Demokratie, Ausgestaltung durch Quotierung Artikel 38 GG, Wahlrechtsgrundsätze Artikel 3 Absatz 2, Absatz 3 GG Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 GG, Fördergebot In Deutschland ist – anders als in Frankreich 1999 - keine Änderung der Verfassung erforderlich, denn das Fördergebot, das proaktive Maßnahmen wie Quotenregelungen rechtfertigt, ist bereits seit 1994 ausdrücklich im GG verankert 18

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. 19

(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muss demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben. (2) (…)

(3) Das Nähere regeln Bundesgesetze.

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Paritéregelung (Quote) = proaktive Fördermaßnahme zur Durchsetzung gleichberechtigter politischer Teilhabe von Frauen in der Realität Bricht verdeckte, strukturelle Diskriminierung auf Neue Rspr BVerfG 2003 (BVerfGE 109, 64)





Benachteiligung von einzelnen männlichen Kandidaten wird gerechtfertigt durch das überwiegende Allgemeinwohlinteresse an paritätisch besetzten Parlamenten Demokratiekonzept des GG (Art. 20, 21, 38) fordert Repräsentanz des ganzen Volkes, nicht nur der männlichen Hälfte

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(Es hat sich) die Rechtslage, soweit sie den Grundsatz der Gleichberechtigung der Geschlechter betrifft, durch die Fortentwicklung des europäischen Gemeinschaftsrechts und des deutschen Rechts zur Durchsetzung des Grundsatzes der Gleichberechtigung der Geschlechter, insbesondere durch d. Neufassung des Art. 3 Abs. 2 GG, geändert.“



Vorwurf: Eigennützige „Standesinteressen“ ◦ Ständegesellschaft: Hierarchisch geordneter Teil e. Gesellschaft aus abgeschlossenen sozialen Gruppen – den Ständen – mit eigenen rechtl., sozialen u. kulturellen Normen, deren Zusammenhalt auf Gemeinsamkeit in Abstammung, Beruf, Besitz o. Bildung besteht.



Frauen als soziale Gruppe mit spezifischen „Standesinteressen“? ◦ Keine homogene Gruppe mit homogenen Interessen ◦ Aber gemeinsame Interessen aufgrund gemeinsamer Diskriminierungserfahrungen – Bsp. Entgeltungleichheit ◦ Und andere Perspektiven auf Sachverhalte aufgrund „weiblicher“ Sozialisation



Überrepräsentierte Männer als soziale Gruppe mit spezifischen „Standesinteressen“? 23

Für gleichberechtigte demokratische Teilhabe von Frauen und Männern in der repräsentativen Demokratie!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!