Energietechnik

Neue Energie von der Sonne Die Vision von der großflächigen Nutzung der Sonnenenergie in der Wüste Andreas Moglestue

Ohne die Sonne gäbe es keine Zivilisation, ja noch nicht einmal Leben. Der Großteil unserer Energiequellen, ob nun fossile Brennstoffe, Biomasse oder Wind, ist direkt oder indirekt auf das Sonnenlicht zurückzuführen, das auf die Erdoberfläche fällt. Bis heute hat der Mensch fast seinen gesamten Energiebedarf durch diese Quellen gedeckt – hauptsächlich in der Form fossiler Brennstoffe. Mit steigendem Lebensstandard – insbesondere in den Entwicklungsländern – steigt auch der globale Energiebedarf. Und wenn die Weltbevölkerung wie erwartet bis zum Jahr 2050 auf 10 Milliarden ansteigt, werden schon grundlegende Dinge wie die Trinkwasserversorgung nur mit energieintensiven Technologien wie Entsalzungsanlagen zu bewältigen sein. Wie kann dieser stetig steigende Energiebedarf gedeckt werden, ohne dass die Umwelt schwerwiegende Schäden nimmt? Wie kann angesichts der begrenzten Reserven an fossilen Brennstoffen die Energieversorgung der Welt langfristig sichergestellt werden? Schätzungen zufolge könnte der weltweite Bedarf an elektrischer Energie durch Solarkraftwerke in der Wüste auf einer Gesamtfläche von nur 90.000 Quadratkilometern gedeckt werden. Dies entspricht einem Gebiet von 300 x 300 km und macht nur einen Bruchteil der Wüstengebiete auf der Erde aus. Hinzu kommt, dass rund 90 % der Weltbevölkerung höchstens 3.000 km von einer Wüste entfernt leben – eine Entfernung, die mithilfe der modernen HGÜ-Technologie auf wirtschaftliche Weise überbrückt werden kann. Im Rahmen der Desertec Industrie-Initiative setzt sich ABB gemeinsam mit verschiedenen Partnern für die Umsetzung eines solchen Vorhabens in der sogenannten EUMENA-Region (Europa, Naher Osten und Nordafrika) ein. Hier soll in den nächsten 30 Jahren die Nutzung der Sonnenenergie im großen Maßstab realisiert werden.

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er Leistungsbedarf des Menschen, verursacht durch seine Aktivitäten auf der Erde, beträgt sage und schreibe 15 Terawatt (15.000 GW). Zum Vergleich: Das gesamte in der Nordsee geförderte Öl hat einen Heizwert von etwa 420 GW1), die in den USA abgebaute Kohle etwa 760 GW2). Die weltweite Stromerzeugung beträgt ca. 2.200 GW3).

verbrauchs. Mit anderen Worten, alle 90 Minuten erreicht uns die Menge an Energie, die die gesamte Menschheit in einem Jahr verbraucht. In der Zeit, die der durchschnittliche Leser benötigt, um bis an diese Stelle des Artikels zu gelangen, hat das Äquivalent von sechs Monaten Ölförderung in der Nordsee die Erdoberfläche erreicht.4)

Fossile Brennstoffe, mit denen zurzeit 80–90 % des weltweiten Bedarfs gedeckt werden, stehen nicht unbegrenzt zur Verfügung. Dennoch werden sie noch lange der wichtigste Energieträger bleiben. Mittelfristig wird der Verbrauch fossiler Brennstoffe sogar noch steigen. Andere Quellen wie Wind, Biokraftstoffe oder die Kernkraft werden mit großer Wahrscheinlichkeit eine bedeutende Rolle spielen, wenn es darum geht, die Abhängigkeit von kohlenstoffbasierten Energieträgern zu mindern. Einige dieser Energiequellen verzeichnen bereits jetzt ein rapides Wachstum, sowohl im Hinblick auf ihre Nutzung als auch ihren Marktanteil.

Sonne und Dampf

Alle 90 Minuten erreicht uns die Menge an Energie, die die gesamte Menschheit in einem Jahr verbraucht. Es gibt jedoch eine Quelle, die ca. 170.000 TW an die Erde abgibt, von denen 90.000 TW die Erdoberfläche erreichen. Dies entspricht dem 6.000-fachen des derzeitigen Energie-

Bei dieser reichen Energiequelle handelt es sich natürlich um die Sonne. Auf immer mehr Dächern von Gebäuden sind Solarzellen zu sehen, die längst nicht nur Taschenrechner und Parkuhren versorgen, sondern ihren Strom zunehmend auch in das Netz einspeisen.5) Ein Nachteil der Sonnenenergie ist, dass sie nicht konstant zur Verfügung steht. Das gilt nicht nur für die Nacht, auch am Tag können Wolken die Erzeugungsleistung stark beeinträchtigen. Allerdings gibt es Regionen auf der Erde, in denen letzteres Problem kaum zum Tragen kommt. In Wüstengebieten ist nicht nur die Sonneneinstrahlung am stärksten, das Wetter ist auch relativ konstant und vorhersehbar: Die meiste Zeit brennt die Sonne erbarmungslos vom Himmel.

ähnlicher Form auch in herkömmlichen Wärmekraftwerken zu finden sind. Diese Art der Stromerzeugung ist unter Wüstenbedingungen nicht nur effizienter und wirtschaftlicher – anders als bei Photovoltaik-Anlagen, die bei einsetzender Dunkelheit keinen Strom mehr produzieren, kann hier die Wärme gespeichert werden, damit auch nachts weiter Strom produziert werden kann. Außerdem bietet die Verwendung von Turbinen die Möglichkeit, (wenn erforderlich) zusätzlichen Dampf durch Ver-

90.000 TW Strahlungsleistung erreichen die Erdoberfläche. Dies entspricht dem 6.000-fachen des derzeitigen Energieverbrauchs. brennungsprozesse bereitzustellen, um Reserven vorzuhalten der gar gemischte Erzeugungsprozesse zu realisieren. Eine weitere wichtige Möglichkeit ist die Kraft-Wärme-Kopplung, bei der die anfallende Abwärme für andere Zwecke genutzt wird. Fußnoten 1)

In den geplanten Sonnenkraftwerken in der Wüste sollen allerdings keine Photovoltaik-Module, sondern solarthermische CSP-Anlagen (Concentrating Solar Power) zum Einsatz kommen. In diesen Kraftwerken wird das Sonnenlicht mit Reflektoren gebündelt, um Wasser zu verdampfen. Mit diesem Dampf werden dann Turbinen angetrieben, wie sie in

In der Nordsee werden ca. 6 Millionen Barrel am Tag gefördert. Der Heizwert eines Barrels beträgt ca. 6,1 GJ.

2)

In den USA werden jährlich etwa 1.000 Megatonnen Kohle abgebaut. Der Heizwert von einem Kilogramm Kohle beträgt etwa 24 MJ.

3) 4)

19 Billionen kWh Ausgehend von einer durchschnittlichen Lesegeschwindigkeit von 250 bis 300 Wörtern in der Minute.

5)

Siehe auch „Strom aus Licht“ auf Seite 22 dieses Hefts.

Das solarthermische Kraftwerk Andasol bei Guadix in Spanien. Die Parabolspiegel bündeln das Sonnenlicht zur Dampferzeugung. Dieser wird mithilfe von Turbinen in Elektrizität umgewandelt.

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ABB und Desertec Im Juli 2009 unterzeichnete ABB ein „Memorandum of Understanding“ zur Gründung der Desertec Industrie-Initiative. Warum macht ABB mit? ABB hat bereits in den frühen 1990er Jahren die Idee eines europäischen Stromnetzes erarbeitet, das verschiedene erneuerbare Energie integriert. Dabei ging es auch darum, die Sonnenenergie in Wüsten zu nutzen, um Europa mit emissionsfreiem Strom zu versorgen. Da ist es nur folgerichtig, dass ABB seit mehreren Jahren mit der Desertec Foundation spricht und das Projekt unterstützt. Wir sind überzeugt, dass wir unsere Technologie und unser Knowhow für den Erfolg dieses zukunftsweisenden Projekts einbringen können. Ist diese Vision vom sauberen Wüstenstrom für Europa heute technisch realisierbar? Die Technologien für ein solches Projekt stehen heute bereits zur Verfügung und sind erprobt. Wir wissen, wie man Energie über lange Distanzen transportieren kann. ABB hat mit der Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) die Schlüsseltechnologie für den Ferntransport von Strom schon vor über 50 Jahren erfunden. Seitdem wurde die HGÜ ständig weiterentwickelt, um erneuerbare Energien zu nutzen, Netze zu verbinden und die Effizienz zu erhöhen. Geht auf dem Transport – bei Desertec spricht man von 3.000 Kilometern – nicht sehr viel elektrische Energie verloren? Dank unserer HGÜ-Technologie lässt sich Strom über lange Distanzen sehr verlustarm übertragen. Pro 1.000 Kilometer gehen wir bei einer Spannung von 800 Kilovolt von etwa drei Prozent Verlust aus – bei einer 3.000 Kilometer langen Verbindung wären es also weniger als 10 Prozent. Eine Verbindung dieser Länge wird aber eher die Ausnahme sein. Viel realistischer scheint es mir, von Nordafrika aus den Strom über Südeuropa ins europäische Verbundnetz einzuspeisen.

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Hat ABB schon Erfahrung mit so langen Übertragungsstrecken? Bereits heute baut ABB in China eine Hochspannungs-Gleichstromübertragungsanlage, die den Strom über 2.000 Kilometer hinweg transportiert und eine Leistung von 6.400 Megawatt hat. Das entspricht etwa sechs Atomkraftwerken. Und im Juli dieses Jahres haben wir den Auftrag für die längste Stromleitung der Welt erhalten. Mittels HGÜ werden zwei neue Wasserkraftwerke im Nordwesten Brasiliens über eine Entfernung von 2.500 Kilometern mit der Wirtschaftsmetropole São Paulo verbunden. Desertec verlangt sehr hohe Investitionskosten. Kann die in der Sahara gewonnene Energie überhaupt wirtschaftlich sein? Wir würden das Projekt nicht unterstützen, wenn wir nicht davon überzeugt wären, dass es mittel- bis langfristig auch wirtschaftlich ist. Bei Desertec sprechen wir ja von einer großen Zeitspanne – nicht von wenigen Jahren, sondern von Jahrzehnten. Die ersten Pilotversuche werden in mehreren Jahren realisiert sein. Bis zum Jahr 2050 sollen die Solarkraftwerke in der Sahara dann 15 Prozent des europäischen Strombedarfs decken. Experten gehen davon aus, dass Strom aus Solarkraftwerken in den nächsten 20 Jahren wettbewerbsfähig sein wird. Gleichzeitig wird Strom aus konventionellen Energieträgern teurer. Kann die in der Wüste gewonnene Energie überhaupt in das bestehende Elektrizitätsnetz in Europa eingespeist werden? Die Netze sind ja bereits heute ausgelastet . . . Die europäische Netzinfrastruktur wird aufgrund des immer stärkeren Stromhandels und wachsenden Energiebedarfs über die Landesgrenzen hinweg ausgebaut werden müssen – so oder so. Nicht zuletzt durch die geplanten Windparks in Deutschland, vor Belgien oder in Spanien. Es kann nur von Vorteil sein, wenn die Anbindung des DesertecProjekts von Anfang an mit in Betracht gezogen wird.

Müsste nicht noch mehr in die Speicherbarkeit von Sonnenenergie investiert werden? Wird bei ABB derzeit in diese Richtung geforscht? Zunächst ist in den Wüsten die Einstrahlung sowohl intensiver als auch viel regelmäßiger als bei uns. Es gibt keine langen Bewölkungsphasen und auch kaum saisonale Schwankungen. Darüber hinaus erlauben Sonnenwärmekraftwerke auch die kurzfristige Speicherung von Energie: In Salzspeichern wird die am Tag erzeugte Wärme festgehalten, damit die Turbinen auch nachts angetrieben werden können. Ich rechne aber damit, dass bei der Stromspeicherung in Zukunft Verbesserungen erzielt werden. Wird Ihrer Meinung nach die Sonnenenergie aus der Wüste herkömmliche Kern-, Gas- und Kohlekraftwerke ersetzen? Desertec ist ein visionäres Projekt, das eine CO2-neutrale Stromversorgung für Europa ein Stück näher bringt. Trotzdem wird es noch einige Zeit dauern, bis der erste Wüstenstrom zu uns nach Europa fließt. Deshalb muss der Energiebedarf durch einen breiten Energiemix gedeckt werden. Wir werden also heute und auch in Zukunft auf die konventionelle Energieerzeugung angewiesen sein. Kritiker wenden ein, dass eine große Hürde für dieses Projekt die verschiedenen Interessen der beteiligten Staaten aus Europa, Nordafrika und in den arabischen Ländern sind . . . Das ist in der Tat eine Herausforderung. Gerade deshalb ist geplant, die Kraftwerke über das gesamte nordafrikanische Gebiet und den Mittleren Osten verteilt zu erstellen und den Strom über mehrere „Energiebrücken“ nach Europa zu transportieren. Ich bin zuversichtlich, dass die politischen Hürden überwunden werden, wenn es sich zeigt, dass das Projekt sich wirtschaftlich lohnt. Davon werden auch die afrikanischen und arabischen Staaten profitieren. Inwiefern? Solarenergie könnte zu einem Exportschlager in diesen Ländern werden. Aus einem im Überfluss vorhandenen Roh-

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Eine wertschöpfende Entwicklungsinitiative

stoff – also der Sonnenenergie – kann Wertschöpfung erfolgen. Es entstehen Arbeitsplätze, die technologische Entwicklung wird vorangetrieben, und der Wohlstand steigt. Und vergessen Sie nicht, dass diese Länder selber auch Abnehmer des Sahara-Stroms sein werden. Diesen könnten sie dann zum Beispiel für die Entsalzung von Meereswasser nutzen. Trinkwasser zu gewinnen ist sehr energieintensiv. Mit dem Strom aus der Sahara könnten also gleich zwei Probleme auf einmal gelöst werden.

Die Regionen, in denen diese CSPKraftwerke vorgesehen sind, profitieren nicht nur von neuen Arbeitsplätzen, die mit dem Projekt verbunden sind, sondern auch von den weitreichenden Vorteilen einer kostengünstigen und nachhaltigen Energieversorgung. Diese Energie kann beispielsweise zur Versorgung von Entsalzungsanlagen für die Trinkwassergewinnung und Bewässerung eingesetzt werden und somit heute benachteiligten Regionen völlig neue wirtschaftliche Perspektiven eröffnen. Die Technologie

Die Finanzierung ist zum heutigen Zeitpunkt noch nicht sichergestellt. Wird sich ABB finanziell beteiligen? Ziel von ABB ist es, die Technologie für das Wüstenstrom-Projekt zu liefern und damit dazu beizutragen, die Machbarkeit und Zuverlässigkeit zu gewährleisten – alles wichtige Voraussetzungen für Investoren.

So ehrgeizig die technische Umsetzung auch klingen mag, die größten Hürden liegen in der Schaffung der politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, um eine solche Entwicklung zu ermöglichen. Die Technologien sind das kleinere Problem, da sie entweder bereits zur Verfügung stehen oder aus bestehenden Technologien abgeleitet werden können.

Das Interview mit Peter Smits führte Melanie Nyfeler,

Es können Entsalzungsanlagen für die Trinkwassergewinnung und Bewässerung gebaut werden, was heute benachteiligten Regionen völlig neue wirtschaftliche Perspektiven eröffnet.

ABB Schweiz.

Peter Smits ist Leiter der Region Zentraleuropa und Vorstandsvorsitzender der deutschen ABB AG. Peter Smits war als Vertreter von ABB einer Mitgründer der Desertec Industrie-Initiative.

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Der Grundgedanke der konzentrierten Sonnenenergie ist alles andere als neu. Schon vor 22 Jahrhunderten hatte Archimedes die Idee, das Sonnenlicht mithilfe beweglicher Spiegel zu bündeln, um feindliche Schiffe in Brand zu setzen. Moderne CSP-Kraftwerke dienen zwar friedlicheren Zwecken, doch das Prinzip ist das gleiche: Bewegliche Spiegel folgen kontinuierlich dem Lauf der Sonne, um eine maximale Energieausbeute zu gewährleisten. Das reflektierte Licht wird in einem Brennpunkt konzentriert, in dem die Temperatur mehrere Hundert Grad Celsius erreichen kann. Kraftwerke, die nach diesem Prinzip funktionieren, gibt es bereits seit den 1980er Jahren in Kalifornien, und im Laufe der Zeit kamen weitere Anlagen an anderen Standorten hinzu. An einigen dieser Projekte, wie dem Extresol-

Projekt in Spanien, war auch ABB beteiligt Infobox 1 . Das Sonnenlicht einzufangen und in Elektrizität umzuwandeln, ist nur ein Teil des Ganzen. Anschließend muss ein Teil der erzeugten Elektrizität nach Europa transportiert werden. Hier kommt die Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) ins Spiel. In Umrichterstationen wird die erzeugte Spannung hochtransformiert, um eine verlustarme Übertragung über große Entfernungen zu ermöglichen.

Bis 2050 könnten 15 % des europäischen Strombedarfs aus CSP-Kraftwerken gedeckt werden. Die Verluste einer HGÜ-Leitung betragen auf 1000 km nur ca. 3 %. Zudem kann die Energie über Seekabel übertragen werden, was eine direkte Verbindung durch das Mittelmeer nach Europa ermöglicht. ABB ist führend auf dem Gebiet der HGÜ und kann auf zahlreiche fertiggestellte und laufende Projekte verweisen, in denen elektrische Energie über Tausende von Kilometern transportiert wird Infobox 2 . Die Desertec Industrie-Initiative

ABB hat sich mit verschiedenen anderen Herstellern, Energieversorgern und Infobox 1

Das solarthermische Kraftwerk Extresol

Extresol ist eine CSP-Anlage mit 100 MW, die derzeit in der spanischen Region Extremadura errichtet wird. ABB liefert hierzu die Leittechnik, mit der die 1.248 Parabolspiegel mit einer Genauigkeit von 0,03 Grad dem Lauf der Sonne nachgeführt werden. Ebenfalls im Lieferumfang enthalten sind die Instrumentierung, das Automatisierungssystem, Motoren, Antriebe, Niederspannungsanlagen und Schaltanlagen. Überschüssige Wärme wird in dieser Anlage in Flüssigsalztanks gespeichert, damit auch nachts Strom erzeugt werden kann. Die Inbetriebnahme der ersten 50 MW ist für Ende 2009, die der zweiten 50 MW sechs Monate später geplant.

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Finanzpartnern zusammengeschlossen, um die Umsetzung dieser Pläne in der EUMENA-Region voranzutreiben. Dazu sieht die Desertec Industrie-Initiative die Einbindung der Mittelmeerunion vor, die ursprünglich gegründet wurde, um die Zusammenarbeit zwischen den Ländern dieser Region zu verbessern und zu vereinfachen. Neben der Bereitstellung öffentlicher Informationen befasst 1

sich die Desertec Industrie-Initiative mit der Durchführung von Machbarkeitsstudien zu den politischen, organisatorischen, finanziellen, technologischen und ökologischen Aspekten des Projekts. Das Ziel ist die Entwicklung eines Rollout-Plans, der beschreibt, wie bis zum Jahr 2050 etwa 15 % des europäischen Bedarfs an elektrischer Energie gedeckt werden können. In einem

Die Vision von Desertec sieht ein Netz aus Übertragungs-Superhighways vor, das große Sonnenwärme-, Wind- und andere Kraftwerke mit Verbrauchsschwerpunkten verbindet. Quelle: Desertec

Sonnenwärme

Wasserkraft

Photovoltaik

Biomasse

Windkraft

Geothermie

Sonnenkollektorfläche zur Stromerzeugung Weltweit 2005 EU-25 2005 MENA 2005 TRANS-CSP-Mix EUMENA 2050

zweiten Schritt soll eine Reihe von kleineren Referenzprojekten identifiziert und spezifiziert werden, um die Machbarkeit des Konzepts zu testen und zu demonstrieren. Das ultimative Ziel der Desertec Industrie-Initiative ist ein Netz aus „Übertragungs-Superhighways“, das die Erzeugungs- und Verbrauchsschwerpunkte in der EUMENA-Region miteinander verbindet 1 . Neben CSP-Kraftwerken sollen auch große On- und Offshore-Windparks, Wasserkraftwerke und sogar einige Biomasse- und Erdwärmekraftwerke in dieses Supernetz eingebunden werden.

Ein Netz aus „Übertragungs-Superhighways“ soll die Erzeugungs- und Verbrauchsschwerpunkte der Region miteinander verbinden. Die Integration dieser Anlagen in das vorhandene Stromnetz ist mit vielen Herausforderungen verbunden – zum Beispiel im Hinblick auf Veränderungen Infobox 2

Bedeutende HGÜ-Projekte

Vor Kurzem hat ABB in China eine 1.060 km 2

ABB-Vision eines europäischen „Superverbundnetzes“ aus dem Jahr 1992. Das Konzept weist deutliche Ähnlichkeiten zu dem in 1 dargestellten Konzept auf (Gunnar Asplund, ABB).

lange HGÜ-Verbindung mit einer Übertragungsleistung von 3 GW zwischen dem Wasserkraftwerk am Drei-Schluchten-Damm und der Stadt Shanghai fertiggestellt. Zuvor

Europa 20XX

hatte ABB bereits zwei 500-kV-HGÜ-Verbindungen mit einer Leistung von 3.000 MW zwischen dem Drei-Schluchten-Damm und Changhzou bzw. Guangdong realisiert. Kürzlich erhielt ABB den Auftrag zur Liefe-

Wasserkraft Sonnenenergie

rung der Schlüsseltechnologie für das RioMadeira-Projekt, eine 2.500 km lange

Windkraft

600-kV-Verbindung mit 3.150 MW zwischen

Gleichstromübertragung

einem Wasserkraftwerk im brasilianischen Amazonasgebiet und Sao Paulo. Außerdem hat ABB die Technologie für zahlreiche HGÜ-Seeverbindungen geliefert, darunter auch die kürzlich fertiggestellte NorNed-Verbindung in der Nordsee zwischen den Niederlanden und Norwegen. Diese 580 km lange Verbindung (das längste Seekabel der Welt) hat eine Übertragungsleistung von 700 MW. Auch die Kabel sind eine Schlüsseltechnologie von ABB.

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Know-how und Technologien aus dem aktuellen ABB-Portfolio, mit denen ABB zum Desertec-Projekt beitragen kann.

Hochspannungs-GleichstromÜbertragung (HGÜ)

Netzmanagement zur leichteren Integration bestehender Stromnetze

Seekabel

Steuerungs- und automatisierungstechnische Produkte und Systeme

Schaltanlagen

im Betrieb konventioneller Kraftwerke und die Anpassung des Netzes an die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien. All dies sind Gebiete, auf denen ABB wichtiges Know-how beisteuern kann.

ins Leben gerufenen Studienkreis zur langfristigen Zukunft der Energieübertragung vorgestellt. Seine Vision weist erstaunliche Ähnlichkeiten mit den heutigen Zielen der Desertec IndustrieInitiative auf.

lässt sich das Konzept auch auf andere Wüstenregionen der Welt, z. B. in Amerika, Australien oder Asien, übertragen, wodurch der weltweite CO2Ausstoß in einem bisher unvorstellbaren Maß reduziert werden könnte.

Vorreiterrolle

Umweltfreundlicher Strom durch Sonnenlicht

Weitere Informationen über Desertec finden Sie unter

Obwohl die Desertec Industrie-Initiative formell erst in diesem Jahr gegründet wurde, gehen ihre Ursprünge auf Pläne der Deutschen Gesellschaft Club of Rome (einer globalen „Ideenfabrik“, die sich mit politischen Fragen und Themen wie Umweltschutz, Hunger, Wasserknappheit usw. befasst) aus den 1990er Jahren zurück. Eine im Jahr 2006 veröffentlichte Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) zu einem möglichen Trans-Mediterranen Solarstromverbund6) lieferte ermutigende Ergebnisse. Das Engagement von ABB reicht jedoch noch weiter zurück. Bereits 1992 präsentierte das Unternehmen die Vision eines europäischen Stromnetzes der Zukunft 2 . Diese wurde von Gunnar Asplund, dem damaligen Entwicklungsleiter für die HGÜ-Technologie bei ABB, entwickelt und in einem von ABB ABB Technik 4/2009

Die Desertec Industrie-Initiative plant für die kommenden drei Jahre die Durchführung verschiedener Machbarkeitsstudien. Bei einem positiven Ergebnis dieser Studien und entsprechender politischer und finanzieller Unterstützung werden die CSP-Kraftwerke in der Wüste voraussichtlich einen deutlichen Einfluss auf den Energiemarkt von morgen ausüben. Auch wenn Pilotanlagen vielleicht schon früher in Betrieb gehen, wird ein größerer Beitrag zur Stromversorgung der Region jedoch erst in einigen Jahrzehnten möglich sein.

www.desertec.org.

Andreas Moglestue ABB Review Zurich, Schweiz [email protected]

ABB verfügt über das nötige Know-how und die Technologien, um einen erheblichen Beitrag zum Desertec-Projekt zu leisten. Einige dieser Technologien sind in 3 dargestellt. Auch wenn sich die Desertec Industrie-Initiative vorrangig auf die EUMENA-Region konzentriert,

Fußnote 6)

Die Studie „Trans-Mediterranean Interconnection for Concentrating Solar Power“ wurde vom deutschen Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in Auftrag gegeben.

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