Neu in Alt. Umbau eines Pfarrstadels in Schwindkirchen zum Pfarrheim

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Author: Florian Kohler
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Foto: Arc Architekten

Fotos (2): Peter Bonfig

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Neu in Alt Umbau eines Pfarrstadels in Schwindkirchen zum Pfarrheim Die Pfarrgemeinde des Ortes Schwindkirchen brauchte ein neues Gemeindehaus. Was sie dagegen nicht mehr benötigte, war ihr alter Pfarrstadel. Zusammen mit dem Pfarrhaus und der Kirche bildet er jedoch ein Ensemble, das zwar nicht denkmalgeschützt, aber trotzdem erhaltenswert ist. Das Büro Arc Architekten aus München schlug der Pfarrei eine Lösung vor, die beides verbindet: den Neubau des Pfarrheimes im alten Stadel, der als Hüllhaus dann mit relativ geringem Aufwand saniert werden konnte. Der sanierte Pfarrstadel, das Pfarrhaus und die Kirche im Hintergrund bilden im Ortskern von Schwindkirchen ein erhaltenswertes Ensemble Bild rechts daneben: Fast wäre dieses Ensemble der maroden Bausubstanz des Stadels wegen zerstört worden

Dipl.-Ing. Thomas Wieckhorst, Bielefeld Schwindkirchen ist ein kleiner Ort rund 70 Kilometer westlich von München. Kommt man aus Richtung Schwindegg auf der Straße über die Hügelkuppe von Niederloh, so sieht man den spitzen Kirchturm von Schwindkirchen schon von weitem und drum herum ein Dorf, das sich beschaulich zu beiden Seiten der Goldach an die Hügel schmiegt. Manch ortsfremdem Autofahrer mag die Kirche allerdings nur ein Verkehrshindernis sein, das langsam und vorsichtig umfahren werden will. Dabei steht die Kirche sinnbildlich im Mittelpunkt des Ortes und dessen Geschichte: Schon 765 wird Schwindkirchen als Kirchort genannt. Die heutige Kirche geht allerdings auf einen Neubau von 1781 zurück, der ursprünglich als Umbau einer rund zwanzig Jahre zuvor

renovierten Kirche geplant war. Der Pfarrstadel entstand gut zehn Jahre vor der heutigen Kirche. Er bildet zusammen mit dem Pfarrhaus und der Kirche ein Ensemble, das zwar nicht denkmalgeschützt, wegen seiner Lage im Ort und Verankerung in der Geschichte des Ortes, jedoch erhaltenswert ist. Haus im Haus Der 1770 erbaute Pfarrstadel diente der Pfarrei Schwindkirchen noch bis 1928 als Getreidemagazin und zur Viehhaltung. Danach war er nur noch Lagerhalle und zuletzt Abstellraum. Da die Pfarrei des Ortes für sich ein Haus brauchte, lag es nahe, den alten Stadel zum Pfarrheim umzubauen. Nur welche Pfarrei braucht heute schon ein Haus mit 8000 m3 Raumvolumen? Da die Bausubstanz des Stadels zudem ziemlich marode war, lag sein Abriss und der Neubau

eines viel kleineren Hauses für die Gemeinde nahe. Das hätte aber das Ensemble aus Kirche, Pfarrhaus und Stadel zerstört. Das für die Arbeiten an den kirchlichen Liegenschaften der Region zuständige erzbischöfliche Baureferat des Ordinariats München und Freising wandte sich, mit den Wünschen der Gemeinde konfrontiert, an das Münchner Büro Arc Architekten. Diese schlugen für den Pfarrstadel zunächst zwei Lösungen vor: Ein Teilumbau des Stadels, um den Rest des Gebäudes später für eine andere Nutzung umbauen zu können, die jedoch nicht in Sicht war. Daher wurde die zweite Lösung, der Neubau eines Gemeindehauses im alten Stadel der Gemeinde als die Lösung der Wahl vorgestellt. Diese von den Gemeindemitgliedern zunächst anhand eines Modells skeptisch betrachtete, ungewöhnliche Lösung überzeugte jedoch, da der

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Stadel so als Hülle mit vergleichsweise bescheidenen Mitteln und unter aktiver Eigenleistung der Gemeinde instand gesetzt werden konnte. Zudem nimmt der von den Architekten vorgeschlagene zweigeschossige Holzkubus des Pfarrheims lediglich ein Drittel der Grundfläche und sogar nur ein Fünftel vom Raumvolumen des Stadels ein. Mauerwerkssanierung „Unserer Meinung nach war es nicht möglich, die Außenwände des Stadels so hinzubekommen, dass eine moderne Nutzung im Gebäude möglich gewesen wäre“ meint Christof Illig vom Büro Arc Architekten. Dies lag an der Feuchtigkeit, vor allem aber an der Nitratsalzbelastung der Ziegelwände, die noch von der einstigen Viehhaltung herrührte. Da der Stadel aber nur als Hüllhaus erhalten bleiben musste, war eine umfangreiche 3/2005

Feuchte- und Salzsanierung der Außenwände gar nicht notwendig: Die Gemeindemitglieder entfernten den Altputz in Eigenleistung und die Rohbauer der Firma Neumayer mussten dann nur noch die durch das Salztreiben zerbröselten Ziegel ersetzen und das Mauerwerk abschnittsweise – der mangelnden Standfestigkeit des Stadels wegen – mit einem Betonfundament unterfangen. Auch den Innenanstrich der Ziegelaußenwände mit Kalk übernahm die Gemeinde, das Aufbrin-

Das Münchner Büro Arc Architekten stellte den Neubau des Pfarrheimes in den sanierten Pfarrstadel hinein

gen eines neuen Kalkzementputzes auf die Außenseite dagegen die Handwerker der Firma Lehner. Tragwerksertüchtigung Aber nicht nur die Ziegelaußenwände waren sanierungsbedürftig, auch das darin eingestellte Haupttragwerk aus rahmenartigen Bindern musste verstärkt werden. Im Laufe der Jahrhunderte hatte man die 13 im Gebäude vorhandenen Binder so häufig verändert, dass Tragwerksplaner Ernst

A WC WC Küche Saal

Clubraum Nebenr. WC

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Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1 : 500

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Bilder oben: Der First erhielt ein durchgängiges Lichtband Darunter: Nachdem die Zimmerleute die Binder mit Stahlteilen statisch ertüchtigt hatten, betonierten die Rohbauer die Bodenplatte für das neue Pfarrheim in den alten Stadel hinein

Friedel vom Münchner Büro Seeberger, Friedl und Partner sich bei der Bestandsaufnahme mit sechs verschiedenen Bindertypen konfrontiert sah. Die Zimmerleute der Firma Tröstl haben nach seinen Angaben die Binder mit wenigen Stahlteilen so unterspannt, dass heute alle Binder statisch ähnlich funktionieren und aussehen und die Halle zudem stüt-

zenfrei bleibt. Außerdem mussten einige Hölzer der alten Binderkonstruktion von den Zimmerleuten verstärkt werden, da sie nach der statischen Berechnung gar nicht hätten halten können. Bei diesen Reparaturarbeiten verwendeten die Zimmerleute die alten Holzteile wieder, die sie der neuen Stahlteile wegen an anderer Stelle entfernen konnten.

Solarabsorberdach Die alte Falzziegeldeckung musste komplett heruntergenommen werden. Auf den First setzten die Stahlbauer anschließend mit dem Mobilkran ein Lichtband, das sie in der Werkstatt vorgefertigt hatten und auf der Baustelle nur noch auf die Binder zu schrauben brauchten. So ist der Raum

Den Holzkubus des neuen Pfarrheimes errichteten die Zimmerleute aus vorgefertigten Holzelementen

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zwischen dem Hüll- und dem Kernhaus ausreichend mit Tageslicht versorgt. Für die restliche Dachfläche befestigten die Zimmerleute als Dämmung auf den Bindern Styroporkeile von Thermodach, in welche die Dachziegel ohne Lattung eingehängt werden können. In den Styroporkeilen verlegten die Installateure anschließend die aus schwarzem Kunststoff (EPDM) bestehenden Schläuche für den Solarabsorber, der, mit einem Speicher verbunden, Teil des energetischen Konzeptes aus natürlicher Hüllraumerwärmung und Kernhausbeheizung ist – im Sommer wird der Speicher aufgeladen und gibt im Winter die gespeicherte Energie an das Gebäude ab. „Ursprünglich wollten wir schwarz engobierte Ziegel auf dem Dach haben, weil die die Sonnenenergie am 3/2005

besten aufnehmen. Wir haben dann getestet, welcher Ziegel die Wärme am Besten durchlässt“, so Christof Illig. Das Ergebnis war überraschend: rot engobierte Ziegel lassen die Wärme fast ebenso gut durch wie ihr schwarzes Pendant, und weil rot eindeutig besser zum Ortsbild passt, haben die Zimmerleute nun rot engobierte Falzziegel (Meindl)

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Schnitt AA, Maßstab 1 : 250

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auf dem Dach des Stadels verlegt. So konnte die neue Dacheindeckung in sinnvoller Art und Weise mit der Energieversorgung des Hauses verbunden werden. Holzkubus Parallel zu den Arbeiten am Hüllhaus begannen die Rohbauer damit, die Bodenplatte für das Kernhaus im Stadel

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Auf der Innenseite der Holzelementwände schraubten die Trockenbauer eine 70 mm dicke Lattung, die einen ausreichenden Abstand für die Installationsebene und die Wandflächenheizung zwischen der OSB-Platte und der Gipskartonbeplankung gewährleistet

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zu betonieren. Darauf montierten die Zimmerleute der Firma Enßlin die in ihrem Holzbaubetrieb vorgefertigten Holzelementwände (innen mit OSB-, außen mit Weichfaserdämmplatten beplankte Ständer, 60 x 120 mm, dazwischen Steinwolledämmung), die als baugleiches Element auch für das Dach Verwendung fanden. Der Gemeindesaal blieb im Südteil über beide

Geschosse offen; nur im Küchenbereich wurde eine Holzbetonverbunddecke eingezogen. Auf die mit OSB-Platten beplankte Innenseite der Holzelementwände schraubten die Trockenbauer von Baierl & Demmelhuber eine 70 mm dicke Lattung und darauf Gipskartonplatten, so dass neben einer Installationsebene ausreichend Raum für die Wandflächenheizung

Fotos (5): Arc Architekten

Wandflächenheizung Rechts daneben: Feststehender Holzjalousieladen im Ziegelaußenmauerwerk

entstand. Die Gipskartonplatten wurden anschließend lediglich gespachtelt und weiß gestrichen. Die ebenfalls weiß gestrichenen bodentiefen Holzfenstertüren hatte Schreinermeister Hans Obermaier bereits in seiner Werkstatt vorgefertigt. Er befestigte sie auf Rollen als Schiebetüren mit einem Schiebetürbeschlag, noch bevor die Zimmerleute auf die Außenseite der Holzelementwände FichtenholzGlattbretter in einem Fugenabstand von 10 mm schraubten, die anschließend einen ochsenblutroten Anstrich erhielten. Die Schiebetüren und Schiebefenster sind durchaus als Reminiszenz an die einst landwirtschaftliche Nutzung des Stadels zu verstehen und außerdem „sollten die Fenster komplett zur Seite geschoben werden können, damit im Sommer nicht nur das Kernhaus ge-

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nutzt werden kann, sondern der Gemeindesaal sich in das Hüllhaus hinein erweitert“, meint Architekt Illig.

konnte. Außerdem musste der Schreiner auch die alten Scheunentore reparieren und zum Teil neu anfertigen.

Winterfenster Fazit Der Schreiner war es auch, der die alten feststehenden Holzjalousieläden, die für eine zur Lagerung von Heu und Getreide genutzte Scheune in Süddeutschland typisch sind, reparierte beziehungsweise neu anfertigte. „Damit im Winter die Luft aber nicht ungebremst durch die Jalousieläden des Hüllhauses pfeift, haben wir innen eine Art Winterfenster vorgeblendet“, so Christof Illig. Diese Winterfenster fertigte der Schreiner aus Doppelstegplatten, die er auf einen Holzrahmen setzte, der mit vier Fensterreibern von innen ohne großen Aufwand an den Holzjalousieläden befestigt werden 3/2005

Das Bauen im Bestand hat das Münchner Büro Arc Architekten wörtlich genommen und in den von der Backsteinhülle des 225 Jahre alten Pfarrstadels vorgege-

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benen Raum einen zweigeschossigen Holzkubus für das neue Gemeindehaus hineingestellt, der nur ein Fünftel vom Raumvolumen des Stadels einnimmt: Ein Haus im Haus mit weichem Kern und harter Hülle. Auf diese Weise erhielt die Gemeinde für rund 1,5 Millionen Euro nicht nur ein neues Pfarrheim, sondern auch noch einen sanierten Pfarrstadel dazu.

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Die Wandflächenheizung befindet sich unter den Gipskartonplatten, die lediglich gespachtelt und weiß gestrichen wurden

Im nördlichen Teil des Pfarrheimes befindet sich über dem Clubraum und der Küche eine Holzbetonverbunddecke

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Dachaufbau: 30 mm 160 mm 160 mm 22 mm 180 mm 12,5 mm

Dreischichtplatte Balken, dzw. Wärmedämmung Schalung abgehängte Decke GK-Platte

Deckenaufbau: 40 mm 50 mm 100 mm 30 mm 180 mm 12,5 mm

Dielenboden Trittschalldämmung Stahlbeton Dreischichtplatte abgehängte Decke GK-Platte

Wandaufbau: 26 mm Holzschalung Windpappe Ständer, dzw. Wärmedämmung OSB-Platte Installationsebene GK-Platte

60/120 mm 120 mm 22 mm 70 mm 12,5 mm

Bodenaufbau: 40 mm Dielenboden 160 mm Lagerhölzer, dzw. 160 mm Wärmedämmung 150 mm Stahlbetonbodenplatte

Fassadenschnitt, Maßstab 1 : 20

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Baubeteiligte Bauherr: Erzbischöfliches Baureferat, München und Freising, Baureferent Dipl.-Ing. George Resenberg Planung: Arc Architekten, München und Bad Birnbach Horst Biesterfeld, Manfred Brennecke, Christof Illig und Thomas Richter, Dipl.-Ing. Architekten BDA Mitarbeit: Ursula Reiter und Anke Pfeffer, Dipl.-Ing. Architekten Bauleitung: arc Architekten mit Huber und Reichenspurner, Schwindegg Mitarbeit: Dipl.-Ing. Peter Lehr Tragwerksplanung: Seeberger, Friedl und

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Partner, Pfarrkirchen und München, Dipl.-Ing. Ernst Friedl

Trockenbauarbeiten: Firma Baierl & Demmelhuber, Töging

Heizung-, Lüftung-, Sanitärplanung: Ing.-Büro Reinisch, Eggenfelden

Malerarbeiten: Firma Kröll, Neumarkt St. Veit

Rohbauarbeiten: Firma Neumayer, Taufkirchen Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten (Hüllhausdach): Firma Tröstl, Obertaufkirchen Zimmererarbeiten (Kernhaus): Firma Enßlin, Möttingen Schreinerarbeiten: Firma Obermaier, Schwindegg Putzarbeiten: Firma Lehner, Oberbergkirchen

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Schlosserarbeiten: Firma Bichlmeier, Mühldorf Glasdacharbeiten: Firma Butzenberger, Vilshofen Installationsarbeiten: Firma Oberwallner, Buchbach

Der Gemeindesaal im südlichen Teil des Pfarrheimes blieb über beide Geschosse offen (Foto: Peter Bonfig)