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Author: Alexa Gerber
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gwf-Wasser|Abwasser

NETZWERK WISSEN Aktuelles aus Bildung und Wissenschaft, Forschung und Entwicklung

Studienort Oldenburg im Porträt Zum 26. Oldenburger Rohrleitungsforum im Februar 2012:    

iro-Leiter Prof. Thomas Wegener im Interview Am Puls der Zeit: Rohrleitungen in neuen Energieversorgungskonzepten Das Institut für Rohrleitungsbau arbeitet und forscht praxisnah Zwickendes Zwerchfell und blubbernde Bäuche beim „Ollnburger Gröönkohlabend“

Zur Jade Hochschule und Oldenburg:  Praxisnah studiert man in der Übermorgenstadt  Mit dem Kanu unterwegs auf Oldenburgs Wasserstraßen

Forschungs-Vorhaben und -Ergebnisse  Prüf- und Forschungsarbeit auf dem Gebiet der Hochdruckwasserstrahltechnik  Forschungsschwerpunkt „Abwasserwärmerückgewinnung“  Hoch aufgelöste Messdaten in der Schmutzfrachtmodellierung von Kanalsystemen

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Einleitung

Vortrag von Prof. Thomas Wegener beim 25. Oldenburger Rohrleitungsforum

Wir haben für jeden etwas Interessantes im Angebot! iro-Leiter Prof. Thomas Wegener lüftet das Erfolgsgeheimnis des Oldenburger Rohrleitungsforums Am 9. und 10. Februar 2012 trifft sich die Fachwelt aus der Baubranche im niedersächsischen Oldenburg zum 26. Oldenburger Rohrleitungsforum. Der Leiter des Instituts für Rohrleitungsbau (iro), welches das Forum organisiert, Prof. Dipl.-Ing. Thomas Wegener, erklärt im Interview mit gwf-Wasser |Abwasser, warum man an diesen zwei Tagen nicht um Oldenburg herumkommt, und stellt die Frage, welche Rolle Rohrleitungen in der Energieversorgung der Zukunft einnehmen können.

gwf: Im Februar nächsten Jahres startet wieder ein neues Oldenburger Rohrleitungsforum. Das erste fand im Jahr 1987 statt, also jährt sich das Großereignis zum 26. Mal. Herr Prof. Wegener, entwickelt sich da Routine oder sind Sie schon aufgeregt? Prof. Thomas Wegener: Jetzt noch nicht, es sind ja noch einige Wochen bis zum Forum, aber ich gebe zu: In den Tagen und Stunden, bevor es dann losgeht, da kommt schon ein wenig Lampenfieber.

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gwf: Was erhoffen Sie sich von der Veranstaltung? Prof. Thomas Wegener: Was ich mir – auch für alle iro-Mitarbeiter und Helfer – wünsche, ist eine gut besuchte Veranstaltung. Mit möglichst vielen Tagungsteilnehmern aus Deutschland und dem angrenzenden Ausland sind alle Mühen der Vorbereitung entlohnt. gwf: Wo setzen Sie dieses Mal Schwerpunkte?

Prof. Thomas Wegener: Der Schwerpunkt der Veranstaltung ist im Titel zu erkennen: „Rohrleitungen – in neuen Energieversorgungskonzepten“. Rohrleitungen – streng nach Medien getrennt – sind langlebige Wirtschaftsgüter. Vor dem Hintergrund der rasant fortschreitenden Diskussion und der sich daraus ergebenden Entwicklung um die Energieversorgung der nächsten Jahrzehnte muss schon gefragt werden, welche Rolle Rohrleitungen haben

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können. Oder um es mit einem Beispiel auf den Punkt zu bringen: schon heute muss man sich in einem Neubaugebiet fragen, ob sich der flächendeckende Ausbau des Gasverteilnetzes noch ökonomisch darstellen lässt. Darüber und über die daraus entstehenden Folgen lässt sich trefflich diskutieren. gwf: Die Veranstaltung entwickelte sich 1985 aus einer Ringvorlesung und richtete sich zunächst nur an Studenten. Mittlerweile hat das Forum eine Größe erreicht, die den nationalen Rahmen bei Weitem sprengt. Auch internationale Gäste und Aussteller sind dabei. Was denken Sie, worin liegt das Geheimnis des Erfolgs? Prof. Thomas Wegener: Es gibt eine Reihe von Faktoren, die auf die Entwicklung günstig einwirken konnten. Dazu zählt der frühe Zeitpunkt der Veranstaltung im Wirtschaftsjahr. Dazu zählt die Umgebung der Hochschule, das besondere Flair, mit den vielen, vielen helfen-den Studenten und Studentinnen, welches sich hier entwickeln kann – man ist eben nicht in einer mehr oder minder auswechselbaren Messehalle. Aber auch die Geschichte ist wichtig. Das Oldenburger Rohrleitungsforum wurde groß in den Zeiten nach dem Mauerfall, als sich viele Ingenieure und Techniker aus den Neuen Ländern orientieren wollten und mussten, als die Baubranche boomte. Dieses Treffen der Branche hat sich damals etabliert und ist es bis heute geblieben. gwf: Welchen Nutzen können Ingenieure denn aus der Veranstaltung ziehen? Prof. Thomas Wegener: Wir versuchen bei dieser Veranstaltung die gesamte Bandbreite der Thematik Rohrleitungen abzudecken. Das gelingt eigentlich nicht, auch wenn wir über 120 Referenten und Mode-

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Zur Person Prof. Dipl.-Ing. Thomas Wegener ist seit 2001 Geschäftsführer der iro GmbH Oldenburg und seit 2003 Mitglied des Vorstands des iro e.V. Außerdem lehrt er seit dem 1. September 1999 an der Hochschule in Oldenburg, der jetzigen Jade Hochschule. Er ist dort Professor für „Baubetriebslehre“. Vor seiner Hochschullaufbahn war Prof. Wegener in verschiedenen Funktionen (Bauleitung, Oberbauleitung, Abteilungsleitung und Niederlassungsleitung) im Rohrleitungs- und Anlagenbau in Deutschland und einem guten halben Dutzend Ländern in Europa unterwegs. „Dort habe ich viel gelernt über die Materie, aber auch über Land und Leute sowie zum unterschiedlichen Verständnis zur Berufsauffassung“, erklärt Prof. Wegener in der Rückschau.

ratoren im Einsatz haben, die in fünf parallel laufenden Vortragsreihen ihre Themen zu besonderen Überschriften vortragen. Was uns gelingt ist, dass wir für jeden, der am Thema Rohrleitungen interessiert ist, irgendetwas Interessantes im Angebot haben. Ob Wasser oder Abwasser, ob Gas oder Fernwärme, ob es Verfahrenstechnik oder Materialentwicklung oder Rechtsfragen oder Managementprobleme anbelangt: Es ist für alle Teilnehmer etwas dabei, was ihnen dann am Arbeitsplatz später von Nutzen sein kann.

schule eingebunden. Welche Chancen bietet die Veranstaltung den Studenten? Prof. Thomas Wegener: Das liegt auf der Hand: „Kontakte schaden nur dem, der sie nicht hat“, pflegte mein langjähriger Chef Günter Bruns von der Firma Ludwig Freytag oft zu sagen. Hier kann der Einstieg in die Berufswelt gesucht und auch gefunden werden. Abgesehen davon, dass man sich durch die Mithilfe bei Auf- und Abbau des Forums noch einige Euro zum Studentenbudget dazuverdienen kann.

gwf: … und die Aussteller? Prof. Thomas Wegener: Die wissen, dass hier im Februar die Rohrleitungswelt zusammenströmt. Man weiß, dass man sich auf dem Forum in Oldenburg an diesen zwei Tagen nicht aus dem Wege gehen kann, man weiß auch, dass man hier in Oldenburg mit seinem Produkt, seiner Dienstleistung vertreten sein muss, um in der Folgesaison zu punkten. Letztlich erspart man sich viele, viele Kilometer der Akquisition.

gwf: Ihr persönliches Forumshighlight im nächsten Jahr: Guss-Rohrsysteme oder doch eher Grünkohlabend? Prof. Thomas Wegener: Ach wissen Sie, es gibt so viele sinnvolle und tolle Rohrsysteme für die unterschiedlichsten Einsatzzwecke, da will ich mich gar nicht beschränken. Vom Grünkohlabend hoffe ich, dass er auch diesmal für unsere Gäste ein weiteres Highlight wird und somit den Besuch hier in Oldenburg abrundet.

gwf: Bei der Organisation des Forums sind auch Studenten der Jade Hoch-

gwf: Herr Professor Wegener, vielen Dank für das Interview.

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Am Puls der Zeit: Rohrleitungen in neuen Energieversorgungskonzepten Das iro lädt zum 26. Oldenburger Rohrleitungsforum im Februar 2012 Beim Institut für Rohrleitungsbau (iro) läuft der Countdown für das 26. Oldenburger Rohrleitungsforum. Dieses findet am 9. und 10. Februar 2012 in der niedersächsischen Universitätsstadt statt. Eins steht schon im Vorfeld fest: Es wird wie jedes Jahr eine Veranstaltung der Superlative für die Branche.

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25. Oldenburger Rohrleitungsforum: Gedrängel auf dem Freigelände …

Das Oldenburger Rohrleitungsforum Die jetzige Traditionsveranstaltung startete ganz klein. Das Forum entwickelte sich aus der Ringvorlesung zum Thema Rohrleitungen, die seit 1985 wöchentlich stattfand – zunächst für Studierende und ab 1986 dann auch für Ingenieure aus der Praxis. Aus der freien Wirtschaft kam der Vorschlag, die Vorlesungsreihe im Winter abzuhalten, wenn es witterungsbedingt weniger Arbeit in der Baubranche gibt. Außerdem wäre eine mehrtägige Blockveranstaltung attraktiver, besonders für diejenigen, die von außerhalb anreisen würden. Im Januar 1987 wurde das 1. Oldenburger Rohrleitungsforum ins Leben gerufen. In einem Hörsaal der Fachhochschule Oldenburg referierten insgesamt 12 Experten zwei Tage lang zum Thema „Kunststoffrohre im Bauwesen“. Knapp 100 Teilnehmer besuchten die Veranstaltung und 10 Fachfirmen stellten aus. Im nächsten Jahr sollte sich die Teilnehmerzahl sogar schon verdoppeln. Ab diesem Zeitpunkt war der Erfolgszug des Forums nicht mehr zu stoppen. 1993 gab es bereits 700 Teilnehmer und 83 Aussteller, sodass nun auch das zweite Obergeschoss der Fachhochschule mitgenutzt wurde. Im Jahr darauf musste zum ersten Mal einigen Teilnehmern und Ausstellern abgesagt werden, da die Räumlichkeiten der Fachhochschule mittlerweile nicht mehr ausreichten. Zum zehnten Jubiläum des Oldenburger Rohrleitungsforums 1996 machte die starke internationale Beteiligung zum Thema „Horizontal Drilling“ deutlich, dass das Interesse an dem Oldenburger Rohrleitungsforum bereits über die Grenzen Deutschlands hinausgeht. Und die Nachfrage steigt weiterhin an. Viele Teilnehmer schätzen das praxisnahe Konzept des Forums und die Kooperation zwischen freier Wirtschaft und der Fachhochschule.

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as diesmalige Forum steht unter dem Leitthema „Rohrleitungen – in neuen Energieversorgungskonzepten“. Mit der Wahl dieses Schwerpunktes liegen die Veranstalter am Puls der Zeit. Denn die viel zitierte Energiewende – weg von Kohlenwasserstoffwirtschaft und Atomstrom hin zu neuen Systemen auf der Basis regenerativer Energieträger – ist unbestrittener Megatrend des angehenden 21.  Jahrhunderts und wird es in den kommenden Jahrzehnten bleiben. Die Frage, welche Rolle spielt das Rohr im Rahmen der neuen Versorgungskonzepte, soll beim Forum 2012 ausführlich erörtert werden. Denn die klassische Aufgabenteilung – Rohrleitungen für die Fernwärme, die Gasversorgung, die Trink- und Löschwasserbereitstellung und für den Regen- und Schmutzwassertransport – scheint ins Wanken zu geraten.

Energiespeicher Gasleitung Schmutzwasser ist nicht nur Schmutzwasser, sondern ein Wärmeenergieträger, der sich mitunter sinnvoll nutzen lässt. Gasversorgungsleitungen, deren Ende in der Verteilung in den nächsten Dekaden vorhergesagt wird, werden als Energiespeicher für die regenerativen Energien erkannt, um diese in den Zeiten des Stromüberschusses zu nutzen. Und so sind auch die Vortragsblöcke entsprechend gewählt: „Erdgasnetze und modifizierte Nutzung“, „Energiequelle Abwasserwärme oder Klimaschutz“ oder „Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit – Innovative Konzepte im Energie-

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und Abwassersektor“ stehen im Fokus des Interesses beim 26. Oldenburger Rohrleitungsforum. Daneben stehen aber auch Themenklassiker wie HDD, GFK-Rohrsysteme oder Pipelinebau wieder auf dem Programm. Gleich in der Eröffnungsrunde des Kongresses informiert Dietmar Schütz, der Präsident des Bundesverbandes Erneuerbarer Energien e. V. (BEE), die Besucher, wohin der Zug in punkto Versorgungskonzepte absehbar fährt. Darauf folgt ein Highlight mit Oldenburger Lokalbezug: die Präsentation des Pilotprojektes „Abwasserwärme in Oldenburg“, das der OldenburgischOstfriesische Wasserverband (OOWV) gemeinsam mit dem iro quasi vor dessen „Haustür“ realisiert. Ein Thema der Zukunft sind „Smart grids“ oder Intelligente Netze: In Oldenburg wird die Möglichkeit einer Konvergenz von Netzinfrastrukturen vor dem Hintergrund moderner Informations- und Regelungstechnik beleuchtet. Soweit ein kleiner Ausschnitt des viel umfangreicheren Programms.

3000 Besucher 2011 Das Oldenburger Rohrleitungsforum ist seit vielen Jahren eine Veranstaltung der Superlative für die Fachbranche und ein Muss im Terminkalender von Ingenieuren und Unternehmen im Rohrleitungsbau.

Auf der Jubiläumsveranstaltung 2011 tummelten sich geschätzte 3000 Besucher, davon gut 900 angemeldete Teilnehmer, 112  Referenten, 31 Moderatoren und 70 Ehrengäste. Dazu kamen die Aussteller. Auf einer Fläche im Gebäude der Jade Hochschule von etwa 2360 m2 waren 292 Stände, noch mal 27  Stände standen im Außenbereich des Hochschulgebäudes auf einer Freifläche von 960 m2. Insgesamt präsentierten sich auf dem 25. Oldenburger Rohrleitungsforum 330 Firmen an 319 Messeständen, die von etwa 900 Personen betreut wurden. Um eine solche Riesenveranstaltung auf die Beine zu stellen, ist straffes Organisationsmanagement gefragt und trotzdem kann vieles erst kurz vor der Veranstaltung in Angriff genommen werden. „Auch wenn es gut vorbereitet wurde, muss es dann in sehr kurzer Zeit fertig gestellt sein“, erklärt Ina Kleist, die für die Gesamtorganisation des Forums zuständig ist. Die iro-Mitarbeiterin betreut die Referenten und Moderatoren, bearbeitet die Vorträge und verwaltet die Teilnehmeranmeldungen. Sie ist Ansprechpartnerin für alle Fragen zum Forum. Allein für den Endspurt beschäftigt das iro 70 Studierende der Jade Hochschule, um den Um- und Rückbau der Hochschule zu realisieren.

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Rückschau – Stimmen vom 25. Oldenburger Rohrleitungsforum

Dr.-Ing. Werner Brinker, Vorstandsvorsitzender EWE Aktiengesellschaft, Oldenburg, Forumsbeitrag zum Pressegespräch 2011 „Unsere zukünftige Aufgabe wird es sein, die Mittel- und Niederspannungssysteme zu optimieren. Die Volatilität der Einspeisung von Strom aus Wind und Photovoltaik-Anlagen zwingt uns, nach neuen Stromsenken in der Anwendung des Stroms aus regenerativen Energien zu suchen. Als Stromsenken bieten sich auf den ersten Blick Kühlhäuser der Ernährungswirtschaft und des Lebensmittelhandels an. In ähnlicher Weise könnte man Strom nicht nur in Form von Kälte, sondern auch in Form von Wärme speichern. Zum Beispiel in einem separaten Wärmekreislauf von öffentlichen Schwimmbädern und Hallenbädern oder auch durch eine große Anzahl von elektrisch betriebenen Wärmepumpen für Ein- und Mehrfamilienhäuser.“

Christian Günner, Bereichsleiter Grundlagen und Systementwicklung HAMBURG WASSER, Forumsbeitrag zum Pressegespräch 2011 „Ganz wichtig ist das Begreifen von „Abwasser“ als eine Ressource mit dem Potential einer Teilstrombehandlung vor Ort und der Mehrfachnutzung. Der Paradigmenwechsel, wonach Abwasser nicht als Belastung anzusehen ist, die weggeschafft werden muss, sondern Regen- und Schmutzwasser als ökonomisch nutzbare Ressource betrachtet werden soll, ist weiter voranzutreiben. Daraus folgen u. a. die Integration der Versorgungssektoren und neue Geschäftsmodelle. Die Grenzen zwischen den Infrastruktursparten verwischen dabei immer mehr. Die Integration von Wasserversorgung und Abwasserentsorgung zeigt sich z. B. dort, wo Abwasser zur Wiederverwendung aufbereitet wird, bei der Nutzung von Abwasser-Wärme oder bei der Einspeisung von Bioerdgas aus Klärschlamm in das städtische Gasnetz. Der Weg dahin geht über die Durchführung von großtechnischen „Pilot“-Projekten.“

… vor dem Tagungsbüro … Dezember 2011 gwf-Wasser Abwasser

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Weite Informationen Online-Anmeldung: http://www.iro-online.de/index.php?id=158Programm: http://www.iro-online.de/index.php?id=107P+R: http://www.iro-online.de/index.php?id=115-

„Wir versuchen innerhalb der studentischen Hilfskräfte ein paar – wenn auch sehr flache – Hierarchien zu gestalten. Schließlich gibt es ja immer ein paar Studenten, die auch im letzten Jahr schon dabei waren. Das rettet uns“, schätzt Kleist. Allein in der Zeit der Veranstaltung fallen etwa 2000 Hilfskraftstunden an.

Kapazitäten am Anschlag „Zum 26. Oldenburger Rohrleitungsforum erwarten wir ähnliche Zahlen wie in den Vorjahren. Wir sind mit unserer Kapazität auf allen Ebenen am Anschlag“, fasst Kleist zusammen. Das heißt im Klartext: Es gibt keinen

… und bei den Vorträgen.

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Platz! In der Hochschule ist während des Forums kein Durchkommen. Auch draußen auf dem Freigelände drängen sich die Besucher. Donnerstagmittag ist jeder Teilnehmer froh, wenn er in der Mensa – nachdem er die Schlange der Essensausgabe überstanden hat – noch einen freien Stuhl ergattern kann. Die Organisatorin rät Besuchern dringend davon ab, mit dem Auto zum Veranstaltungsort zu kommen. Denn die wenigen Parkplätze, die es gibt, sind für Referenten und Moderatoren des Forums reserviert. Allen anderen Tagungsteilnehmern empfiehlt sie „P+R“. Auch 2012 wird wieder mit etwa 3000 Teilnehmern gerechnet. Allerdings ist die Anmeldephase noch nicht abgeschlossen. „Wie immer um diese Zeit, gleich nachdem das Programmheft rauskommt, melden sich viele Teilnehmer an. Dann ist die Situation eher schleppend. Kurz vor Weihnachten kommt noch mal ein Schwung und Anfang Januar gibt es auch noch einmal eine große

Anmeldewelle. Am Ende ist das Haus voll“, resümiert Kleist. Gerne würde sich auch die eine oder andere Firma noch mit einem Ausstellungsstand präsentieren, doch es ist kein Quadratmeter Fläche mehr zu vergeben. Kleist dazu: „Selbst einigen potentiellen Ausstellern, die sich in diesem Jahr innerhalb der Anmeldefrist als Aussteller angemeldet haben, haben wir absagen müssen. Auch die Warteliste ist lang.“ Für 2012 konnten 332 Firmen einen der begehrten Standplätze ergattern, darunter auch Unternehmen aus der Schweiz, Österreich, Dänemark, Italien und den Niederlanden. Kontakt Institut für Rohrleitungsbau an der Fachhochschule Oldenburg e.V. Ofener Straße 18 26121 Oldenburg Tel. (0441) 36 10 39-0 Fax (0441) 36 10 39-10 E-Mail: [email protected] Internet: www.iro-online.de

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Das Institut für Rohrleitungsbau arbeitet und forscht praxisnah Gleich zwei Jubiläen feierte das Institut für Rohrleitungsbau im Jahr 2011: das 25. Oldenburger Rohrleitungsforum und das 10-jährige Bestehen der iro GmbH.

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as „Institut für Rohrleitungsbau an der Fachhochschule Oldenburg e.V.“, kurz „iro“, wurde 1988 als An-Institut zur damaligen Fachhochschule Oldenburg gegründet. Träger des iro ist ein gemeinnütziger Verein, dem aktuell über 250 Mitglieder aus Forschung, Industrie, Behörden und Fachverbänden angehören. Das iro arbeitet an der Schnittstelle zwischen der Lehre an der Fachhochschule auf der einen Seite und der Praxis in der freien Wirtschaft auf der anderen Seite. Eine wichtige Aufgabe besteht darin, Studierende an Themen der unterirdischen Infrastruktur heranzuführen. So absolvieren am Institut jährlich 10 Studierende ihr Praktikum, schreiben ihre Bachelor- oder Masterarbeit. Studierende können das Wissen, das sie sich in der Hochschule angeeignet haben, im iro als wissenschaftliche Hilfskräfte bei der Mitarbeit an diversen Projekten vertiefen. Fast durchgehend arbeiten zwischen fünf und zehn Studenten im iro.

Arbeit am iro ist ein Sprungbrett in den Job Für sie ist das ein Sprungbrett in den späteren Job. Da viele an Projekten mitarbeiten, die von Unternehmen getragen werden, ergibt es sich oft, dass nach Abschluss des Projekts und des Studiums ein entsprechendes Angebot aus der Wirtschaft kommt. „Man hat sich ja bereits schon kennen gelernt, ein unschätzbarer Vorteil im Wettbewerb der Unternehmen um fähige Köpfe“, erläutert iro-Leiter und Professor für Baubetriebslehre an der Jade Hochschule Prof. Dipl.-Ing. Thomas Wegener den Vorteil einer solch engen Kooperation.

Ingenieure auf dem gesamten Rohrleitungssektor weiterzubilden sowie praxisnah zu forschen und zu entwickeln, sind weitere Aufgabenschwerpunkte. Neben unterschiedlichen Projekten organisiert das iro regelmäßige Fortbildungsveranstaltungen: darunter das bekannte Oldenburger Rohrleitungsforum, das in diesem Jahr sein 25-jähriges Jubiläum feierte, den iro-Workshop „Qualitätssicherung bei Gashochdruckleitungen“ oder der iro-Treffpunkt Gasverteilleitungen. Darüber hinaus bietet das iro unterschiedliche Seminare zur produktbezogenen Weiterbildung an, bei denen Firmen und Verbände die Möglichkeit haben, sich in einem Fachseminar zu präsentieren. Als das iro 1988 gegründet wurde, war noch nicht abzusehen, welche Erfolgsgeschichte das Institut schreiben sollte, wie hoch der Bedarf war, sich nicht nur mit den zu transportierenden Medien zu beschäftigen, sondern sich auch intensiv um „das Mittel zum Zweck“ zu kümmern: die Rohrleitung. Im Laufe der Zeit erledigten die iroIngenieure erste Auftragsarbeiten. Aus formalen und steuerrechtlichen Gründen wurde es deshalb notwendig, Projekte mit „Gewinnerzielungsabsicht“ aus dem Verein auszugliedern. Das war die Geburtsstunde der iro GmbH Oldenburg.

iro GmbH Oldenburg feiert 10-Jähriges Die Gesellschaft ist eine 100-prozentige Tochterfirma des Instituts für Rohrleitungsbau an der Fachhochschule Oldenburg e.V. Sie wurde 2001 gegründet. In den 10 Jahren, die sie jetzt besteht, hat sie sich zu einem wichtigen Bestandteil

Bürogebäude des Instituts für Rohrleitungsbau in Oldenburg.

der Firmenstruktur entwickelt. Derzeit beschäftigt die iro GmbH Oldenburg sechs Ingenieure unter Leitung von Prof. Wegener. Ihr Aufgabenschwerpunkt liegt im Bereich der Auftragsforschung. Die Leistungen reichen von der Beratung bei Fragen zum Rohrleitungsbau über die Durchführung von Materialprüfungen und die Erstellung von Gutachten bis hin zu Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen. Außerdem werden in der gesellschaftseigenen Forschungshalle Versuche und Tests durchgeführt, die im Wesentlichen Unternehmen bei der Produktentwicklung unterstützen. Über mangelnde Aufträge kann das iro dabei nicht klagen. Im Gegenteil: „Es ist sogar so, dass in der Regel mehr Aufgaben an uns heran getragen werden, als wir mit den wenigen Mitarbeitern zu bearbeiten in der Lage sind. Aber wir tun halt, was wir können“, sagt Prof. Wegener. Für die nächste Zeit ist vorgesehen, die Versuchseinrichtungen zu vervollständigen und insbesondere Studierende in den Versuchsbetrieb einzubinden. Die Anfertigungen praxisorientierter Ingenieurarbeiten sind ein wesentliches Ziel des Instituts, das die iro GmbH Oldenburg unterstützt. Dezember 2011 gwf-Wasser Abwasser

Weitere Informationen www.iro-online.de

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Zwickendes Zwerchfell und blubbernde Bäuche beim deftigen „Ollnburger Gröönkohlabend“ Was dem Berliner sein Bär, ist dem Oldenburger der Grünkohl. Nicht umsonst schmückt sich die Stadt mit dem Titel „Kohltourhauptstadt“. Klar, dass beim geselligen Teil des Rohrleitungsforums die Speisenauswahl feststeht. Grünkohl und Pinkel kommen am ersten Kongressabend auf den Tisch. Der „Ollnburger Gröönkohlabend“ hat eine so lange Tradition wie das Forum selbst.

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enauso wie das Rohrleitungsforum über die Jahre immer größer wurde, wuchs auch der Stapel mit Anmeldungen für den Grünkohlabend. Das beeinflusste natürlich die Wahl der Lokalität. So zog man vom Hengelbräu, der ersten Oldenburger Gasthausbrauerei, in der das Essen in den ersten Jahren stattfand, übers Gesellschaftshaus „Wöbken“ in Hundsmühlen (immerhin Platz für 420 Gäste) in die oberen Festsäle der Weser-Ems-Halle. Doch selbst die hier vorhandenen 680 Plätze reichten nicht mehr aus. 2011 schnabulierten über 900 Gäste

ihren Grünkohl erstmalig in der Kongresshalle der Weser-Ems-Halle. Endlich mussten keine Absagen mehr verschickt werden. Gut so. Denn je mehr Gäste, desto höher der Erlös aus dem Losverkauf der alljährlichen Tombola. Mit der Endsumme unterstützen die Veranstalter soziale Projekte mit Lokalkolorit, etwa die jährliche Weihnachtsaktion der NordwestZeitung, der Oldenburger Regionalzeitung, die Kindern in Not hilft, oder kleinere Hilfsorganisationen in der Region, die auf Spenden angewiesen sind.

2011 wurden beim Grünkohlabend Lose für rund 4600 Euro verkauft. Die Summe wurde dem Kinderhospiz Löwenherz e.V. in Syke bei Bremen übergeben als Beitrag zum Bau eines Jugendhospizes für schwerstkranke Jugendliche und junge Erwachsene. Da ist grün nicht nur die Farbe des Grünkohls, sondern auch die Farbe der Hoffnung.

Wackeltenöre reizen zum Lachen Wenn zu fortgeschrittener Zeit am Abend die Bäuche noch nicht blubbern, fängt spätestens mit den

Grünkohlbräuche in Oldenburg

© Oldenburg Tourismus und Marketing GmbH

© Oldenburg Tourismus und Marketing GmbH

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Grünkohl ist aus der niedersächsischen Küche nicht wegzudenken und in der Hochburg der Kohlpflanze, in Oldenburg, läuft ohne Grünkohl mit Pinkel (geräucherte Grützwurst) auf dem Tisch im Winter gar nichts. Wenn der erste Frost klirrt, beginnt die Ernte. Der Genuss hält von November bis März an. Zahlreichen Bräuchen frönen die Oldenburger während der Saison in den Herbst- und Wintermonaten: Vereine und Firmen gehen auf Kohlfahrt und küren ihren Kohlkönig, häufig kombiniert mit der regionaltypischen Sportart Boßeln (Gummikugelweitwurf). Die Stadt Oldenburg lädt einmal im Jahr hochrangige Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kultur ein, um anlässlich des „Defftig Ollnborger Gröönkohl-Ätens“ im politischen Berlin für sich zu werben und einen Politiker als „Oldenburger Kohlkönig“ zu küren. Die Liste der Amtsträger umfasst alle wichtigen Namen der deutschen Politik. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Christian Wulff trugen den Titel bereits. Amtierender Grünkohlkönig ist Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler. Der Veranstalter hofft, dass sich der König während der „Amtszeit“ für die Interessen der Stadt einsetzt. Jeder König hat die Pflicht, die Stadt Oldenburg mindestens einmal während der Regentschaft zu besuchen. Bei soviel Kult um den Kohl verwundert es auch nicht, dass Oldenburg als einzige Stadt ein Grünkohl-Studium anbietet. Das Vorlesungsverzeichnis 2011/2012 verteilt die Grünkohl-Akademie. Bei den teilnehmenden Forschungsinstituten erhält man so schmackhafte Dinge wie Grünkohl-Marmelade, Oldenburger Pinkel-Mostrich oder das allseits beliebte Kohlkönig-Brot. Weitere Informationen: www.kohltourhauptstadt.de

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Showeinlagen das Zwerchfell an zu zwicken. So strapazierten zum Beispiel in diesem Jahr die Wackeltenöre weniger mit ihrem Gesang als mit Grimassen, großen Gesten und vollem Körpereinsatz in maximaler Schräglage – fallen sie nun um, oder hält die Fußhalterung? – die Lachmuskeln der Gäste. Muskeleinsatz der ganz anderen Art zeigte das Künstlerpaar „Nos Ipsi“. An der Vertikalstange waren Bauchmuskeln und Bizeps gefragt, um nicht auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt zu werden. Ein großes Hallo gibt es jedes Mal bei der Kür des neuen Kohlkönigs. Mit den Insignien seiner Macht, Urkunde und dem Orden „das goldene Schwein“, schreitet er zu seiner ersten Amtshandlung: Der Ziehung der 16 Losgewinner. Auf die warten hochkarätige Preise. So durfte sich der diesjährige Gewinner des ersten Preises über eine Brunchfahrt an Bord eines imposanten Windjammers während der Kieler Woche sowie zwei Übernachtungen im Steigenberger Conti-Hansa freuen. Sind alle Gewinner gezogen, endet der offizielle Teil der Veranstaltung, was nicht heißt, dass Musik und Genuss schon vorbei wären. Denn erst nach Mitternacht zieht es die Gäste in ihre Hotels zurück.

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Über 900 Gäste kamen zum Grünkohlabend in die Weser-Ems-Halle.

Übrigens warnt der Veranstalter vor „gestörten Verdauungsabläufen“, dem latenten Restrisiko bei übermäßigem Grünkohlverzehr. Dieses könne aber in Grenzen gehalten werden „durch verantwortungsvollen Umgang mit den fleischlichen Beilagen der Oldenburger Identitätspflanze und durch prophylaktische Einnahme des einen oder anderen klaren Schnapses“. Gegen Lachmuskelkater allerdings fehlt ein solch wirksames Gegenmittel.

Losverkauf für den guten Zweck.

Spendenaktion beim nächsten Grünkohlabend

Das Künstlerpaar „Nos Ipsi“ an der Vertikalstange.

Der Erlös des Losverkaufs kommt 2012 der Deutschen Knochenmarkspende (DKMS) zu Gute. In Zusammenarbeit mit dem Oldenburger Pius Hospital wird ein „Oldenburger Typisierungstag“ ausgerichtet. Die DKMS typisiert per Blutentnahme oder Wangenabstrich freiwillige Stammzellspender. Stammzellen benötigen Menschen (meist Kinder und junge Erwachsene), die z. B. an Leukämie oder aplastischer Anämie erkrankt sind, damit sie eine Überlebenschance haben. Alle typisierten Menschen gehen in eine internationale Datenbank ein und werden dort bis zu ihrem 60. Lebensjahr gespeichert. Diese Typisierung finanziert sich nicht aus öffentlichen Mitteln. Jede „Bestimmung der Gewebemerkmale“ kostet die DKMS 50 Euro. Diese Summe umfasst größtenteils die Laborkostenrechnung, alle anderen Aktionen und Personalkosten übernehmen die Krankenkassen. Mit dem Erlös aus der Spendenaktion des Grünkohlabends sollen diese Kosten, die durch die Untersuchung bereitwilliger Spender entstehen, gedeckt werden. Dabei bleiben die Veranstalter ihrem Motto treu, regionale Hilfsprojekte zu unterstützen. Denn alle Gelder werden für Typisierungen vor Ort, also im Pius Hospital, Oldenburg (Sprechstunde jeden Dienstag von 10°° bis 16°° Uhr), verwendet.

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Praxisnah studiert man in der „Übermorgenstadt“ Seit 2009 schmückt sich Oldenburg in Niedersachsen mit der Jade Hochschule und dem Titel „Stadt der Wissenschaft“ An der Jade Hochschule im niedersächsischen Oldenburg werden Ingenieure ausgebildet, die optimal auf ihr späteres Berufsleben vorbereitet sind. Schon während ihres Studiums sammeln die Studenten Praxiserfahrungen und knüpfen Kontakte zur Industrie. Wer später eine Karriere in der Wasserwirtschaft starten möchte, studiert an der Jade Hochschule im Fachbereich Bauwesen und Geoinformation am Standort Oldenburg.

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Fortbewegungsmittel Nr. 1 in Oldenburg: das Fahrrad. © Oldenburg Tourismus und Marketing GmbH/Thorsten Ritzmann

Deutschlandstipendium: Jade Hochschule sahnt ab Die Jade Hochschule hat erstmalig zum Wintersemester 2011/2012 Deutschlandstipendien an insgesamt 26 Studierende der Hochschule vergeben. Dabei sind die Weichen für eine neue Stipendienkultur gestellt: Private Geldgeber und öffentliche Hand übernehmen jeweils die Hälfte der Fördermittel von monatlich 300 Euro für jedes Stipendium. Als eine von wenigen Hochschulen konnte die Hochschule den vollen Förderrahmen des Bundes ausschöpfen. „Dies spricht für eine enge und gute Kooperation mit der regionalen Wirtschaft und eine hohe Akzeptanz der Jade Hochschule von Seiten der ansässigen Unternehmen“, äußerte sich eine Sprecherin der Hochschule gegenüber gwfWasser|Abwasser. Neben der finanziellen Unterstützung und der Belohnung für gute Studienleistung erhalten die Stipendiaten darüber hinaus Kontakt zu Unternehmen und potentiellen Arbeitgebern. Das Stipendium ist unabhängig vom Einkommen der Eltern, wird nicht auf das BAföG angerechnet und ist rückzahlungsfrei. Förderer erhalten durch das Programm Kontakt zu den Spitzenkräften von morgen und können schon heute einen Beitrag gegen den Fachkräftemangel leisten. Das Deutschlandstipendium bietet Förderern, Studierenden und der Hochschule die Möglichkeit, engen Kontakt zu pflegen. Das Netzwerk wird so gestärkt und Teilnehmer und Förderer leisten einen Beitrag für die Zukunft der Region. Weitere Informationen: http://www.jade-hs.de/studierende/foerderungen/stipendien/deutschlandstipendium/

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tudentenstädte erkennt man gemeinhin am Fahrradaufkommen. Wenn es danach geht, hat sich das im westlichen Niedersachsen gelegene Oldenburg den Titel Universitätsstadt redlich verdient. Auf rund 162 000 Einwohner kommen geschätzte 250 000 Fahrräder. Dies ist nicht nur umweltbewussten Bürgern zu verdanken, sondern auch den über 10 000 Studenten der Carl von Ossietzky Universität. Natürlich sind auch die insgesamt 2000 Studenten der Jade Hochschule am Standort Oldenburg auf zwei Rädern unterwegs. Immerhin schreibt sich die Hochschule ausdrücklich das Prädikat „umweltfreundlich“ auf ihre Flügel. Das passt gut ins Bild einer jungen Hochschule, denn die Jade Hochschule mit den drei Standorten in Wilhelmshaven, Oldenburg und Elsfleth ist in ihrer jetzigen Form gerade mal zwei Jahre alt (vorher Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven). Gegründet wurde sie in 2009 – einem ganz besonderen Jahr für die Stadt. Für dieses Jahr verlieh der Stifterverband der Deutschen Wissenschaft Oldenburg den Titel „Stadt der Wissenschaft“. Die Gründung einer modernen Hochschule, die sich versteht als „forschende, familien- und umweltfreundliche Hochschule, die auch in der Lehre neue Wege beschreiten möchte“, trägt das Konzept „Übermorgenstadt“ der Stadtväter. Hinter diesem Begriff versteckt sich weniger eine technikverliebte Zukunftsvision mit fliegenden Robotern oder Magnetschwebe-

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bahnen, die die Stadt durchqueren sollen, als vielmehr handfeste Ideen, in welche Richtung sich die Stadt bis 2014 entwickelt haben soll, damit sie sich als Wissenschaftsund Wirtschaftsstandort gegen andere Städte behaupten kann. Die Neuauflage der Hochschule war da ein wichtiger Punkt. An der Jade Hochschule sind in insgesamt 30 Bachelor- und 8 Masterstudiengängen 6700 Studenten eingeschrieben. 190 Professoren unterrichten nicht nur, sondern betreuen die Studenten persönlich und helfen, Kontakte zu potentiellen Arbeitgebern zu vermitteln. Die Jade Hochschule verteilt sich auf drei Studienorte:  Wilhelmshaven mit den drei Fachbereichen Ingenieurwissenschaften, Wirtschaft sowie Management, Information, Technologie  Elsfleth mit dem Fachbereich Seefahrt  Oldenburg mit den zwei Fachbereichen Architektur sowie Bauwesen und Geoinformation Wer später in der Wasserwirtschaft, Schwerpunkt Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung,

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Fuß fassen möchte, studiert an der Jade Hochschule Bauingenieurwesen. In Teilbereichen werden Grundlagen auch den Wirtschaftsingenieuren der Bauwirtschaft vermittelt.

1000 Studenten im Fachbereich Bauwesen Mit derzeitig rund 1000 Studierenden gehört der Fachbereich Bauwesen am Standort Oldenburg zu den größten Baufachbereichen in Deutschland. In diesen Fachbereich fällt der Studiengang Bauingenieurwesen (Schwerpunkte: Baumanagement, Europäisches Baumanagement, Konstruktiver Ingenieurbau, Verkehrswesen, Wasserbau und Umwelttechnik, Bauingenieurwesen-Technische und kulturelle Integration) sowie die Studiengänge Wirtschaftsingenieurwesen-Bauwirtschaft, Management und Engineering im Bauwesen, Facility Management und Immobilienwirtschaft. Obwohl die Jade Hochschule selber noch jung ist, hat die Ausbildung von Bauingenieuren in Oldenburg eine lange Tradition. Bereits im Herbst 1877 wurde in der Nähe Oldenburgs eine Winter-Bauschule für Bauhandwerker gegründet, die

Dr. Elmar Schreiber, Präsident der Jade Hochschule „Um optimale Leistungen erbringen zu können, muss vor allem die Atmosphäre zwischen allen Akteuren – sowohl nach innen als auch nach außen – stimmen. Deshalb arbeiten wir dafür, dass wir eine Hochschule sind, in der der Mensch im Mittelpunkt steht“.

1938 zur „Staatsbauschule, Fachschule für Hoch- und Tiefbau in Oldenburg“ wurde, 1968 zur „Staatlichen Ingenieurakademie“ und durch Zusammenschluss mit der Seefahrtschule in Elsfleth im Jahr 1971 schließlich zur „Fachhochschule Oldenburg“. Derzeit wird in Oldenburg für angehende Bauingenieure ein sehr großes Portfolio an Veranstaltungen vorgehalten. Das liegt daran, dass im Fachbereich Bauwesen und Geoinformation fast 50 Lehrende tätig sind. Neben dem Pflichtprogramm

Das Hauptgebäude der Jade Hochschule in Oldenburg mit dem Fachbereich Bauwesen. © Jade Hochschule

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Prof. Dipl.-Ing. Thomas Wegener, Professor für Baubetriebslehre, Geschäftsführers der iro GmbH „Unsere Absolventen sollen von der Wirtschaft nach ihrem Studium nach kurzer Einarbeitungszeit eingesetzt werden können. Das ist durchaus nicht selbstverständlich. Da ist der enge Schulterschluss, der Kontakt zwischen Wissenschaft und Wirtschaft erforderlich.“

wird so auch eine Reihe von Spezialitäten vorgehalten. Studenten können sich zum Beispiel in zahlreichen Veranstaltungen umfangreiches Wissen im Bereich Siedlungswasserwirtschaft aneignen. Durch die enge Verzahnung der Hochschule mit dem Institut für Rohrleitungsbau (iro) wird zudem im Bereich Rohrleitungen ein starker Akzent gesetzt. „Die Studierenden können sich in der Vertiefung

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des Studiums sehr, sehr breit aufstellen und zielgerichtet studieren. So gibt es einiges zum Thema Rohrleitungen und Rohrleitungsbau. Das findet man meines Erachtens sonst nirgendwo“, meint Prof. Dipl.-Ing. Thomas Wegener, der an der Jade Hochschule die Professur für Baubetriebslehre innehat und gleichzeitig seit 2001 das Amt des Geschäftsführers bei der iro GmbH Oldenburg bekleidet.

Gut Noten beim aktuellen CHE-Hochschulranking Beim aktuellen Hochschulranking des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) erhält die Jade Hochschule gute Bewertungen. Am Standort Oldenburg sind speziell die Wirtschaftsingenieure überdurchschnittlich zufrieden mit den Studienbedingungen. Für Praxisbezug, Betreuung durch Lehrende und Unterstützung fürs Auslandstudium verteilen die befragten Studenten Bestnoten. Damit schneidet die Hochschule in den Augen der Studenten genau in den Bereichen sehr gut ab, auf

Campus in Oldenburg. © Jade Hochschule

die sie besonderen Wert legt: starker Praxisbezug, internationale Ausrichtung und eine hohe Qualität in der Lehre. Der Präsident der Jade Hochschule Dr. Elmar Schreiber bringt dieses Selbstverständnis auf den Punkt: „Die Jade Hochschule steht für eine hohe Qualität in der Lehre und ein gutes Betreuungsverhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden. Sie orientiert sich in der Forschung an den Bedürfnissen der Menschen und Märkte und gehört seit Jahren zu den forschungsstärksten Fachhochschulen des Landes.“

„Change Management“: neues Modell für Studierende Der richtige Umgang mit Veränderungen in einem Unternehmen wird für die Führungsebene immer wichtiger. Deshalb hat die Jade Hochschule diesen Themenkomplex jetzt in das Curriculum für angehende Manager im Bauwesen aufgenommen. „Unsere Absolventen werden später in Führungspositionen tätig sein und müssen sich früh genug auf diese wichtige Kommunikations-Aufgabe vorbereiten“, sagt Prof. Dr. Kirsten Plog, die seit 1996 das Lehrgebiet Personal- und Verhandlungsführung an der Hochschule vertritt. „Veränderungen sind heute an der Tagesordnung, aber weder Firmen noch Menschen können sich daran gewöhnen“, weiß Plog. Zwei Jahre hat die Kommunikationswissenschaftlerin zu diesem Themenbereich geforscht und nun auch ein Handbuch dazu veröffentlicht. Auf über 200 Seiten wird ein Hundert-Punkte-Programm für erfolgreiche Veränderungen ausführlich erklärt und zur spezifischen Nutzung aufbereitet. „Wie sag ich’s dann den Betroffenen und Beteiligten? Wie können wir alle an einem Strang ziehen, wer muss mit ins Boot, wer kann rudern? Das sind nur einige Fragen, die das „Begleitbuch für Veränderungen“ beantwortet und in den Seminaren mit den Studierenden bearbeitet werden. Zahlreiche Unternehmen, Führungskräfte und Mitarbeiter unterliegen Einflussfaktoren wie zum Beispiel Wettbewerbsdruck, Globalisierung oder Wirtschaftslage und erfahren einen hohen Handlungsdruck. Jedes Unternehmen braucht aber ein individuelles Change Management, Prof. Dr. Kirsten Plog (rechts das sich dem Unternehmen anpasst. im Bild) in einem Seminar zum Change Management. © Jade Hochschule Weitere Informationen: www.jade-hs.de

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Dass die Jade Hochschule zu den forschungsstärksten Hochschulen des Landes zählt, liegt an drei AnInstituten und 15 In-Instituten, die zahlreiche Forschungsprojekte realisieren (zwei aktuelle Forschungsprojekte des iro unter der Rubrik Netzwerk Wissen Aktuell). Speziell für den Standort Oldenburg im Fachbereich Bauwesen sind als AnInstitute das Institut für Materialprüfung (IfM) und das Institut für Rohrleitungsbau (iro) zu nennen sowie das In-Institut für Mess- und Auswertetechnik (IMA).

Praxisnähe wird großgeschrieben Ein weiterer wichtiger Punkt, den sich die Jade Hochschule auf die Fahnen schreibt, ist Praxisnähe. Wer in Oldenburg studiert, ist ganz nah dran am Job. Dafür steht zum einen das Themenspektrum, das sich am

aktuellen Arbeitsmarkt orientiert. Zum anderen kommen alle Dozenten aus der Praxis und halten den Kontakt zur Wirtschaft. Prof. Wegener erklärt die Zielsetzung: „Unsere Absolventen sollen von der Wirtschaft nach ihrem Studium nach kurzer Einarbeitungszeit eingesetzt werden können. Das ist durchaus nicht selbstverständlich. Da ist der enge Schulterschluss, der Kontakt zwischen Wissenschaft und Wirtschaft erforderlich.“ Im Bereich Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung arbeitet die Hochschule eng zusammen mit dem großen regionalen Flächenversorger und -entsorger, dem Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverband (OOWV), zu dem traditionell gute Verbindungen bestehen. Die örtliche EWE AG ist ebenfalls bei einigen Veranstaltungen im Boot. Teilweise bestehen

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auch Kooperationen mit Institutionen der nächsten Großstadt wie zum Beispiel der hanseWasser Bremen GmbH, dem größten privaten Dienstleister rund um Wasser und Abwasser in Norddeutschland. Die Jade Hochschule punktet bei angehenden Bauingenieuren also mit Studieninhalten, Praxisbezug und Kontakten zur Wirtschaft. Wer zudem kurze Wege, kleine Mieten und familiäre Atmosphäre im Hochschulbetrieb zu schätzen weiß, der ist in Oldenburg genau richtig. Kontakt Jade Hochschule University of Applied Sciences Ofener Straße 16/19 26121 Oldenburg Tel. (0441) 7708-0 Fax (0441) 7708-1000 Internet: www.jade-hs.de E-Mail: [email protected]

Mit dem Kanu unterwegs auf Oldenburgs Wasserstraßen Wasserratten nähern sich der Stadt über Hunte und Küstenkanal bis zum Oldenburger Hafen Oldenburg ist eine Stadt des Wassers und der Wasserstraßen: Über 100 Kilometer Gräben, Bäche, Teiche, Seen sowie die Flüsse Hunte und Haaren und der Küstenkanal prägen das Stadtbild und das Umland. Idyllisch liegt der Alte Stadthafen im Herzen Oldenburgs. Hektischer geht’s im Industrieteil des Oldenburger Hafens zu. Hier ist ein großer Umschlagplatz der Binnen- und Seeschifffahrt.



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asserbegeisterte Besucher sollten sich Oldenburg von Flussseite her nähern, genauer gesagt im Kanu über die Hunte. So erlebt man die Stadt aus ganz anderer Perspektive. Der knapp 190 Kilometer lange Nebenfluss der Weser schlängelt sich südwestlich von Oldenburg durch die Marschlandschaft. Hier starten wir unsere Kanutour. In der saftigen, grünen „Buschhagenniederung“ kreuzen gleich mehrere Wege für Fuß-, Rad- und Wasserwanderer. Vom Kanu aus lassen wir den Blick über das Gebiet

Citypaddeln auf Oldenburgs Wasserstraßen: Erste Testfahrt mit Bürgermeister, Gästeführern, Geschäftsführung OTM und Kooperationspartner Yeti Sport & Reisen am 13. Juli 2010. © Pressebüro Stadt Oldenburg/OTM. Dezember 2011 gwf-Wasser Abwasser

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Die Cäcilienbrücke kann um 3,50 m angehoben werden, damit Binnenschiffe passieren können. © Oldenburg Tourismus und Marketing GmbH/Verena Brandt

zwischen Osternburger Kanal und Hunte schweifen: Röhrichte, Flutrasen, Seggen- und Binsenrieder und feuchte Grünlandbrachen mit Sumpfdotterblumenwiesen soweit das Auge reicht. Früher wurden große Bereiche der Buschhagenniederung als Rieselwiesen genutzt. Heute zeugen von dieser Bewässerungstechnik nur noch die zahlreichen Gräben und Siele.

1927 wurde die Hunte begradigt und angehoben Doch so sah die Buschhagenniederung nicht immer aus. Bevor der Mensch eingriff, fand sich hier eine feuchte Auenlandschaft mit Erlenbruchwald. 1927 veränderte sich das Gebiet drastisch: Um den Küstenkanal mit Wasser zu speisen, wurde die Hunte in diesem Jahr begradigt, erneut verlegt und auf ein Niveau von fünf Metern über Normalnull angehoben. Dies führte

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dazu, dass die Buschhagenniederung eingedeicht werden musste. Paddelt man weiter Richtung Oldenburg trifft man bald auf den Küstenkanal. Die 70 Kilometer lange Bundeswasserstraße verbindet über die Untere Hunte Weser und Ems. Hunte und Küstenkanal verlaufen in diesem Streckenabschnitt parallel, sodass wir hier schwere Binnenfrachtschiffe vorbeiziehen sehen. Kurz darauf, noch oberhalb der Schleuse, teilt sich die Hunte. Die Alte Hunte wird durch einen Düker von Süden nach Norden geleitet und verläuft dann nördlich des Küstenkanals. Unterhalb der Stadtautobahn wurden umfangreiche wasserbauliche Maßnahmen 2006 abgeschlossen. Im Zuge einer Neugestaltung des Flussbades OLANTIS erhielt die Alte Hunte, die hier auch Mühlenhunte genannt wird, in diesem Bereich ein neues, naturnah gestaltetes Bett. Die Mühlenhunte fließt anschließend am Schlossgarten und an der Huntestraße entlang und speist unterhalb des Stautors den Alten Hafen. Am Stautor mündet, von Westen kommend, ein weiterer Fluss, der das Stadtbild Oldenburg prägt, in die Hunte: die Haaren. Dass die Oldenburger wasserverliebt und für jeden Spaß zu haben sind, beweist die Waschzuber-Regatta auf der Haaren, die bis 2009 alljährlich stattfand. An den Flussufern am Heiligengeistwall versammelten sich die Zuschauer, um die Bottich-Paddler anzufeuern und zu sehen, wer als erster durchs Ziel treibt.

Im Industrieteil des Oldenburger Hafens werden jährlich 1,2 Millionen Tonnen landwirtschaftliche und baustoffliche Güter umgeschlagen. © Oldenburg Tourismus und Marketing GmbH/Verena Brandt

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Geschichte zum Anfassen bei Schleuse und Kraftwerk Unsere Kanutour geht indes parallel zum Küstenkanal auf der Neuen Hunte weiter. Hier treffen wir bald auf zwei geschichtsträchtige Bauwerke: Schleuse und Kraftwerk. Die Schleuse Oldenburg stellt die Verbindung der Hunte in den Küstenkanal und in das westdeutsche Kanalnetz her. Seit fast 75 Jahren steht dieses Bauwerk der Schifffahrt zur Verfügung. Sechs Jahre von 1922 bis 1928 wurde die Schleuse gebaut. Ihre Kammer misst 105 m Länge und 12 m Breite. Der überwundene Höhenunterschied ist abhängig vom Wasserstand in der Hunte, deren Unterlauf als Küstengewässer abhängig ist von den Gezeiten. Bei Tideniedrigwasser beträgt der Unterschied etwa 5,40 m. Gespeist wird die Schleuse mit Wasser aus dem Küstenkanal. Für eine Schleusung werden zwischen 3700 m³ (bei Tidenhochwasser) und 7000 m³ Wasser (bei Tidenniedrigwasser) benötigt. Jährlich passieren etwa 5000 Binnenschiffe die Schleuse, die dabei zwei Millionen Gütertonnen Ladung befördern. Auch etliche Freizeitschiffer nutzen den Kanal und die Schleuse. Direkt neben der Schleuse befindet sich eine Staustufe in der Hunte. Die Staustufe entstand mit dem Bau des Küstenkanals, um die Wasserstände der Hunte, des Küstenkanals und der Mühlenhunte zu regulieren. Hier wurde 1927 das Wasserkraftwerk an der Hunte in Betrieb

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genommen. Es reguliert auch heute noch die Wasserstände von Hunte, Mühlenhunte und Küstenkanal. Gleichzeitig nutzt es den Höhenunterschied von gut fünf Metern an dieser Stelle, um Strom zu erzeugen. Das Laufwasserkraftwerk ist mit Kaplan-Turbinen mit einer Gesamtleistung von 700 kW ausgerüstet. Da der Wasserstand der Hunte abhängig ist von Ebbe und Flut, ist auch die Fallhöhe im Unterwasser tideabhängig und schwankt zwischen 1,80 m und 6,20 m. Obwohl die Stromerzeugung hier nicht im Vordergrund steht, erzeugt das Wasserkraftwerk Jahr für Jahr rund zwei Millionen Kilowattstunden Strom. Wer will, begibt sich auf eine Zeitreise ins Wasserkraftwerk: Die Turbinen stammen noch aus der Zeit von etwa 1930. Eine umweltfreundliche Neuerung ist die 2006 fertig gestellte Fischtreppe. Sie ermöglicht Wanderfischen, den Höhenunterschied der künstlich erzeugten Wasserstände zu überbrücken. Über 36 Einzelbecken meistern Lachse, Meerforellen und Flussneunaugen den Aufstieg in Richtung Huntemündung oder Flussoberlauf problemlos.

Achtung Berufsschifffahrt am Zusammenfluss mit dem Kanal Nicht ganz so problemlos überwinden die Kanuten den Höhenunterschied. Wir müssen jetzt raus aus dem Wasser und unser Kanu schultern. Am Kraftwerk ist umtragen angesagt! Danach heißt es aufpassen. Denn ab dem Zusammenfluss mit dem Küstenkanal bis zur Mündung in die Weser ist die Hunte Bundeswasserstraße und das heißt, ab hier treffen wir auf Berufsschifffahrt und motorisierte Freizeitschifffahrt. Bis wir unser Ziel, den Oldenburger Stadthafen, erreichen, passieren wir noch einige imposante Brückenbauwerke: Zunächst die Hochstraße Oldenburg: Die Autobahnbrücke (A 28) der stadtnahen Südumgehung Oldenburgs ist mit 1450 m das

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Idyllisch zeigt sich der Westteil des Hafens: Blick vom Stau auf die Hafenpromenade. © Oldenburg Tourismus und Marketing GmbH/ Verena Brandt

längste Brückenbauwerk Niedersachsens und überzieht die Hunte, den Küstenkanal und den Osternburger Kanal. Danach die Cäcilienbrücke: Sie ist die einzige verbliebene Hebebrücke über die Hunte bzw. den Küstenkanal mit einer Spannweite von 40,80 m und verbindet die Innenstadt mit dem Stadtteil Osternburg. An beiden Ufern stehen je zwei geklinkerte Türme, dazwischen spannt sich die Fahrbahn aus Stahl, die zwei asphaltierte Spuren für Autos und Fahrräder und eine durch eine Wand abgegrenzte Fußgängerspur auf jeder Seite besitzt. Die Hebevorrichtung zieht die Fahrbahn mit einer MAN-Maschinenanlage und Stahlseilen um 3,50 m nach oben, um die Durchfahrt für Schiffe zu ermöglichen. Kurz vor dem Hafen die Amalienbrücke: Im Gegensatz zur Cäcilienbrücke ist die aktuelle Amalienbrücke eine durchgängige Brücke. Eine lange Auffahrt führt die Fahrbahn bis in etwa 8 m Höhe über den Kanal und ermöglicht damit auch Binnenschiffen eine Durchfahrt. Die Fahrbahn umfasst zwei Fahrstreifen und auf jeder Seite je einen breiten Fuß- und Radweg.

Im Hafen werden 1,2 Millionen Tonnen Güter umgeschlagen Nachdem diese Brücke unterquert ist, haben wir unser Ziel erreicht: den Oldenburger Hafen. Der hat

mehr zu bieten, als man auf den ersten Blick vermutet. Östlich liegt der Wirtschaftshafen für die Binnenund Seeschifffahrt vor uns. Hier werden hauptsächlich Getreide, Futterund Düngemittel umgeschlagen, gefolgt von Sand und Kies, insgesamt jährlich 1,2 Millionen Tonnen. Damit gehört der Oldenburger Hafen zu den umschlagsstärksten Binnenhäfen Niedersachsens. Die Umschlagsarbeit erledigen 7 Kräne, 4 Verladebrücken, 1 Umschlagstutzen für Ölprodukte sowie insgesamt 11 Mobilkräne. Sie fertigten im Jahr 2009 insgesamt 1041 Binnen- und 104 Seeschiffe ab. Gleichzeitig ist der Oldenburger Hafen Durchgangsstation für Binnenschiffe, die zwischen dem Rhein-Ruhr-Revier und dem WeserEms-Revier unterwegs sind. Wir wollen es aber gemütlicher haben und wenden unser Kanu in den westlichen Teil des Hafens. Hier steht eher die Freizeitnutzung im Vordergrund. Deshalb treffen wir an dieser Stelle vor allem Motor-, Segel- und Ausflugsboote. Nach dieser kräftezehrenden Tour ist Erholung für die Muskeln und noch eine kleine Stärkung für den Magen angesagt. Beides bekommt man im Schwan am Oldenburger Stadthafen. Hier kann man im Biergarten direkt an der Kaimauer stilecht sein Pangasiusfilet oder Tagliatelle mit Lachs genießen und den Blick verträumt über die kleinen Segelboote streifen lassen. Dezember 2011 gwf-Wasser Abwasser

Weitere Informationen: www.oldenburg.de www.oldenburgtourist.de

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Aktuell

Prüf- und Forschungsarbeit auf dem Gebiet der Hochdruckwasserstrahltechnik Seit Gründung des iro ist der Themenkomplex Reinigung von Abwasserleitungen und Kanälen mit Hochdruckwasserstrahltechnologie ein Schwerpunkt in der Arbeit des Instituts sowie der iro GmbH Oldenburg. Viele Projekte wurden in der Vergangenheit zu diesem Thema praktisch durchgeführt und auch in der Theorie umfangreich erfasst, was sich in dem Buch „Reinigung von Abwasserkanälen mit Hochdruckspülung“ (iro-Schriftenreihe Band 11) widerspiegelt. Das Buch ist 2007 in der nunmehr dritten Auflage erschienen.

Bild 1. 2009 wurde eine Forschungshalle errichtet, um der immer größeren Nachfrage nach Prüfungen nach DIN 19523 gerecht zu werden.

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nsbesondere die Untersuchung von Rohren hinsichtlich ihrer Widerstandskraft gegenüber den Einwirkungen der Hochdruckwasserstrahlen beschäftigt das iro seit jeher intensiv. Über viele Jahre Vorreiter in der Forschung und Ausführung von Prüfungen auf diesem Gebiet hat das iro seinerzeit einen speziellen Spülstand entworfen und umfangreiche Messtechnik angeschafft. Unter den Stichworten „Hamburger Spülversuch, Schweizer Norm und DIN V 19517“ wurden über die Jahre regelmäßig Untersuchungen und später Prüfungen durchgeführt, deren Anzahl sich nicht mehr fassen lässt. Nach dem Rückzug der DIN V 19517 war das iro maßgeblich an der Entwicklung und Ausgestaltung der heute gültigen DIN 19523 „Anforderungen und

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Prüfverfahren zur Ermittlung der Hochdruckstrahlbeständigkeit und -spülfestigkeit von Rohrleitungsteilen für Abwasserleitungen und

-kanäle“ beteiligt und führt heute entsprechende Prüfungen aus. In DIN 19523 werden zwei Arten der Prüfung unterschieden. Die „Werkstoffprüfung“ prüft mit einer definierten Belastung durch eine einstrahlige Düse die Widerstandsfähigkeit des Rohrmaterials gegenüber der HD-Wasserstrahlbelastung. Hierbei wird ein kurzes Rohrstück als Prüfmuster in den bereits erwähnten Spülstand eingebaut und die Prüfung drei Prüfzyklen durchgeführt. Die Praxisprüfung erfordert hingegen einen Aufbau einer mindestens 15 m langen Versuchsstrecke, die drei Rohrverbindungen und vier nachträglich montierte Anschlüsse aufweist. Mit einer genormten Reinigungsdüse wird die Prüfstrecke in 60 Zyklen befahren. Sämtliche Prüfungen werden ausschließlich mit DKD geprüfter Messtechnik und somit in entsprechend hoher Genauigkeit ausgeführt.

Bild 2. Versuche zum Ausblasrisiko verschiedener Reinigungsdüsen in Projektphase 2.

Aktuell

Fragen …  … zum Projekt „Ausblasen von Geruchverschlüssen infolge Hochdruckreinigung“ beantwortet Herr Dipl.-Ing. Matthias Heyer unter E-Mail: [email protected]  … zum Thema Prüfungen nach DIN 19523 beantwortet Herr Dipl.-Ing. Bernd Niedringhaus unter E-Mail: [email protected]

Um der immer größeren Nachfrage nach Prüfungen nach DIN 19523 gerecht zu werden, wurde im Jahr 2009 eine Forschungshalle errichtet (Bild 1). Die Halle ist in ihrer Dimensionierung insbesondere auch auf diese Prüfungen ausgelegt und bietet somit einen geeigneten Raum für die Durchführungen der Prüfung. In 2010 wurde die Forschungshalle um eine Lagerhalle erweitert, die unter anderem auch die ordnungsgemäße Lagerung von Prüfmustern ermöglicht. Aktuell wird am iro mit dem Forschungsprojekt „Ausblasen von Geruchverschlüssen infolge Hochdruckreinigung“ im Bereich der HDReinigung geforscht (Bild 2 und 3). Dieses Projekt – ursprünglich im Jahr 2001 durch die Berliner Wasserbetriebe ins Leben gerufen – befin-

det sich derzeit in der nunmehr dritten Projektphase und ist durch die hanseWasser Bremen GmbH, den Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverband, die Stadtentwässerung Frankfurt sowie die Beteiligung von Herstellen von Reinigungsdüsen im Jahr 2008 erweitert worden. Nachdem zunächst der Hintergrund von Ausblasereignissen – also das Ausblasen oder Leersaugen von Geruchverschlüssen in den angeschlossenen häuslichen Entwässerungsgegenständen durch Reinigungsmaßnahmen im Hauptkanal – untersucht wurde, ist die aktuelle und auch finale Zielsetzung des Projekts die Ermittlung einer Reinigungsdüse oder Düsenkonfiguration, um eine effiziente Reinigung des öffentlichen Kanals mit einem geringen Ausblasrisiko zu kombinieren. Eine neue Versuchsreihe ist für die kommenden Wochen vorgesehen. Mit einem Ergebnis und somit Abschluss dieses Projekts ist im Frühjahr 2012 zu rechnen.

Autor Dipl.-Ing. Matthias Heyer Institut für Rohrleitungsbau an der Fachhochschule Oldenburg e.V. Ofener Straße 18 26121 Oldenburg Internet: www.iro-online.de

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Bild 3. Ergebnisse der zweiten Projektphase: Maximal auftretende Über- und Unterdrücke an Anschlussleitungen infolge einer HD-Reinigung.

Weitere Informationen  Artikel „Hochdruckreinigung von Abwasserkanälen: Die neue Norm DIN 19523“ (Februar 2008, bi-Umweltbau)  Artikel zu den Ergebnissen des Forschungsprojekts „Ausblasen von Geruchverschlüssen infolge Hochdruckreinigung“ in der Projektphase 2 (bi-Umweltbau-Ausgabe 01-2011) jeweils als Download unter: http://www.iro-online.de/?id=32-

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Aktuell

Forschungsschwerpunkt „Abwasserwärmerückgewinnung“ Die relativ jungen Technologien um die „Wärmerückgewinnung aus Abwasser“ bieten dem Institut für Rohrleitungsbau (iro) ein breites Forschungsspektrum. Angefangen mit der Entwicklung eines Wärmetauschers für kleine Kanäle reichen die Aktivitäten mittlerweile von der Durchführung praxisorientierter Effizienztests über Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bis hin zu der Entwicklung ganzheitlicher Konzepte für den Einsatz von Wärmetauschern in Abwasserkanäle.

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in aktuelles Forschungsprojekt des iro, das in Kooperation mit dem Leed-Partner Jade-Hochschule in Oldenburg durchgeführt wird, behandelt die Entwicklung von neuen Methoden, Konzepten und Werkzeugen für eine nachhaltige Energieplanung in Kommunen. Das Projekt wurde von Akteuren aus den unterschiedlichsten Bereichen ins Leben gerufen: Vertretern der „Grünen Industrie“, Regionalplanern und Akteuren der regionalen und gemeindlichen Entwicklung. Das Projekt wird seitens der EU im Programm Interreg IVB gefördert und hat eine Laufzeit von September 2009 bis August 2012. Am Beispiel der Kleinstadt Osterholz-Scharmbeck bei Bremen wird hier unter anderem der Einsatz eines Abwasserwärmetauscherprototyps in der Praxis geprüft, der in Kombination mit einem Sanierungsverfahren in nicht begehbare Kanäle eingebracht werden kann.

Bild 1. Versuchsaufbau der WärmetauscherPrüfstrecke in der iro-Forschungshalle.

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Bild 2. Grafische Darstellung der Erstprüfung zur Erfassung von Abwasserwärmenutzungspotentialen in Osterholz-Scharmbeck.

Um die Anforderungen für einen sinnvollen Einsatz zu definieren und ggf. die Wirksamkeit des neuen Wärmetauschers optimieren zu können, werden in der Forschungshalle des iro verschiedene Prüfstrecken entwickelt und installiert. Differenzierte Überströmungsversuche geben Aufschluss darüber, wie der Prototyp in Abhängigkeit von dem vorher am Beispielstandort OsterholzScharmbeck erfassten Kanalbetriebsbedingungen reagiert (siehe Bild 1). Die Analyse der Ergebnisse wird als Muster der Entscheidungsfindung für eine Pilotanwendung dienen. Für eine systemspezifische Standortsuche wird eine Verschneidung der Leitungsinformationen mit denen aus der Bestandsdatenbank öffentlicher Liegenschaften durchgeführt. Dieses schafft eine Identifizierung von möglichen Einsatzorten und dient als Basis für

eine langfristige Umsetzung des Nutzungspotentials (siehe Bild 2). In einem nächsten Schritt wird ein regelbasiertes Entscheidungsunterstützungsmodell entwickelt, welches als Basis für den abgestimmten Einsatz unterschiedlicher Abwasserwärmetauscher-Technologien dient. Auf Basis des Regelwerkes kann so ein Diskurs zwischen den Akteuren (Investor, Eigentümer, Betreiber des Kanalnetzes und der Klärwerke sowie der Kommune) stattfinden, um ein nachhaltig tragfähiges Konzept für die Nutzung von Wärme aus Abwasser zu erarbeiten. Autor Dipl.-Ing. Mike Böge Institut für Rohrleitungsbau an der Fachhochschule Oldenburg e.V. Ofener Straße 18, 26121 Oldenburg E-Mail: [email protected] Internet: www.iro-online.de

Aktuell

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Hoch aufgelöste Messdaten in der Schmutzfrachtmodellierung von Kanalsystemen Kurzfassung der Dissertation Von DI Dr. techn. Valentin Gamerith Technische Universität Graz, Institut für Siedlungswasserwirtschaft und Landschaftswasserbau Begutachter: Univ.-Prof. DDipl.-Ing. Dr. techn. Dr.h.c. Harald Kainz, Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Wolfgang Rauch

Einleitung Die Modellierung von Kanalsystemen ist seit mehreren Jahrzehnten Gegenstand der Forschung und findet seit längerem auch Anwendung in der Praxis. Neuentwicklungen in der Messtechnologie erlauben mittlerweile die zeitlich hoch aufgelöste Erfassung von Abfluss und Schmutzstoffkonzentrationen direkt im Kanalsystem. Die großen Datenmengen stellen dabei eine Herausforderung sowohl an das Datenmanagement als auch an die sinnvolle Anwendung der Daten in der Modellierung dar. Diese Arbeit behandelt die Anwendbarkeit hoch aufgelöster Langzeitmessreihen in der Schmutzfrachtmodellierung von Kanalnetzen. Dabei wurde eine Vorgehensweise entwickelt, die den Weg von Daten zu validierten Modellergebnissen erleichtern soll. Dazu wurden Methoden zur Datenanalyse, Datenvalidierung und Sensorkalibrierung entwickelt und umgesetzt. Methoden zur globalen Sensitivitätsanalyse wurden in das bestehende Optimierungsframework BlueM. OPT integriert, welches auch einen Optimierungsalgorithmus basierend auf evolutionären Strategien zur Modelloptimierung beinhaltet. Die entwickelten Methoden wurden in der Fallstudie Graz West R05 angewendet, wo seit mehreren Jahren kontinuierlich hoch aufgelöste Messreihen zu Abfluss und Schmutzstoffkonzentrationen aufgezeichnet werden.

Fallstudie Graz West R05: Messungen, Daten und Modell

flächen Ak kumulations- und Abtragsmodellansätze.

Im Einzugsgebiet Graz West R05 in Graz (Österreich) werden seit 2002 durchgehend hoch aufgelöste Daten zu Niederschlag, Hydraulik und Schmutzstoffkonzentrationen aufgezeichnet. Das Einzugsgebiet mit einer Gesamtfläche von 460 ha wird im Mischsystem entwässert. Schmutzstoffkonzentrationen (abfiltrierbare Stoffe, chemischer Sauerstoffbedarf und andere) werden direkt an einem Mischwasserüberlauf am Auslass des Einzugsgebiets in-situ von einem UV-VIS Spektrometer mit einer zeitlichen Auflösung von 1 bzw. 3 Minuten (Regenund Trockenwetterabfluss) gemessen. Alle verfügbaren Daten wurden visuell auf Fehler und Lücken analysiert. Die Periode 2009 wurde im Detail betrachtet. Auf Basis der Beobachtungen wurden in der Software R Scripts zur (halb)automatisierten Datenvalidierung entwickelt, welche über mehrere Tests die Daten in gültig, nicht gültig oder zweifelhaft klassifizieren. Anschließend wurde ein Modell des Einzugsgebiets in der Software SMUSI 5 erstellt. SMUSI ist ein konzeptionelles deterministisches Niederschlags-Abfluss-Transportund Schmutzfrachtmodell. Das Einzugsgebiet wurde dabei zu 57 Teileinzugsgebieten und 56 Haupthaltungen aggregiert. Für das Schmutzfrachtmodell kamen drei Modellansätze zur Anwendung: ein Ansatz mit konstanter Regenwasserkonzentration und zwei Ober-

UV-VIS Sondenkalibrierung Für die Kalibrierung der UV-VIS Sonde standen 36 Samples von 6 Regenereignissen zur Verfügung. Zwei Methoden – die Anwendung einer linearen Regression und eine Kopplung an einen Optimierungsalgorithmus – wurden verglichen. Mit der vorhandenen, vom Hersteller zur Verfügung gestellten „globalen Kalibrierung“ wurden systematische Fehler von bis zu 50 % ermittelt. Durch die lokale Kalibrierung auf Basis der linearen Regression konnten die Fehler auf eine Größenordnung von 25 bis 30 % reduziert werden. Die Kopplung an den Optimierungsalgorithmus brachte keine signifikant besseren Resultate als die Regressionsmethode. Besondere Vorsicht wird bei der lokalen Sondenkalibrierung empfohlen, wenn nur wenige Samples zur Verfügung stehen, da mögliche Änderungen in der Abwassermatrix dabei nicht berücksichtigt werden: Wenn in der Kalibrierung nur Samples von einem Ereignis herangezogen wurden, führte dies zu Fehlern von bis zu 100 % für die Validierungsereignisse.

Globale Sensitivitätsanalyse und Multikriterielle Optimierung Zwei Methoden der globalen Sensitivitätsanalyse – die Screening Methode nach Morris und die Methode der Standardisierten Regressionskoeffizienten (SRCs) wurden in das BlueM.OPT Framework Dezember 2011 gwf-Wasser Abwasser

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implementiert und anschließend verglichen. Ziel dabei war die Identifikation und Reihung der maßgebenden Modellparameter. Im Allgemeinen führten beide Methoden zu gleichen Ergebnissen, sofern ein annähernd linearen Verhaltens für die SRCs vorausgesetzt werden kann. In diesem Fall kann mithilfe der SRCs die Varianz in der Zielgröße auf Grund der Variation der einzelnen Parameter bestimmt werden. Das Morris Screening wiederum erlaubt die Identifikation von Parameterinteraktion oder Nichtlinearitäten bei geringerem Rechenaufwand. Weiters wurde gezeigt, wie sich Sensitivitäten der Parameter mit der Wahl des Niederschlagsereignisses und der gewählten Zielgröße ändern. Dies erlaubt eine sinnvolle Wahl von Niederschlagsereignissen und Zielgrößen für die anschließende Modellkalibrierung. Die Modellkalibrierung erfolgte über die Kopplung des Modells an einen evolutionären Algorithmus der die gleichzeitige Optimierung mehrere Zielfunktionen (multikriterielle Optimierung) erlaubt. Ein Vergleich der Optimierung wurde mit einem und mit mehreren Regenereignissen sowohl für das hydraulische Modell als auch die drei  Schmutzfrachtansätze durchgeführt. Im Allgemeinen führte die gleichzeitige Optimierung auf mehrere Ereignisse zu den besten Resultaten für die Validierungsereignisse. Ein Vergleich der Schmutzfrachtmodelle zeigte, dass das einfachere Oberflächen Akkumulations- und Abtragsmodell zu den besten und stabilsten Resultaten führte.

Zusammenfassung Durch die entwickelten Methoden für die Datenanalyse und Datenvalidierung konnten die vorhandenen

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Aktuell

hoch aufgelösten Messdaten sinnvoll geprüft und deren Qualität für die weitere Verwendung in der Modellierung abgesichert werden. Eine Auswertung der Messergebnisse der installierten UV-VIS Spektrometersonde zeigte die Notwendigkeit einer lokalen Sondenkalibrierung und diskutiert deren Grenzen. Zwei Methoden zur globalen Sensitivitätsanalyse wurden implementiert, verglichen und ihre Anwendbarkeit diskutiert. Im Allgemeinen wurden dabei dieselben Modellparameter als einflussreich identifiziert. Ein erster Ansatz zur Bewertung der Sensitivität von Modellparametern bei Berücksichtigung von Kombinationen von Regenereignissen und/oder Zielfunktionen wurde entwickelt. Ein Vergleich der automatisierten Modellkalibrierung bei Optimierung auf eine Zielfunktion und zweier Ansätze der multikriteriellen Optimierung zeigte, dass mit multikriterieller Optimierung eine höhere Qualität der Ergebnisse in der Modellvalidierung erreicht werden kann. Dabei führten beide Ansätze der multikriteriellen Optimierung zu gleich guten Ergebnissen. Drei Schmutzfrachtmodelle wurden verglichen und deren Anwendbarkeit für die Fallstudie diskutiert. Zusammenfassend liefert die vorgeschlagene Methodik wertvolle neue Einsichten und zufrieden stellende Ergebnisse für die Fallstudie und kann auch einfach auf andere Fallbeispiele übertragen und angewendet werden. Auch die praxisbezogene Anwendung der vorgestellten Methoden kann nur empfohlen werden. Nichtsdestotrotz wird angeraten, die Methoden mit Bedacht anzuwenden und die Ergebnisse kritisch zu hinterfragen. Gerade die Anwendung von kom-

plexen Methoden verleitet zu übermäßigem Vertrauen in die Ergebnisse, auch wenn sie dem Ingenieursverständnis widersprechen.

Ausgewählte Veröffentlichungen Gamerith, V.: High resolution online data in sewer water quality modelling. Schriftenreihe zur Wasserwirtschaft , Technische Universität Graz, Band 64 (2011). Verlag der Technischen Universität Graz, Graz, Österreich. Gamerith, V., Gruber, G. and Muschalla, D.: Single and Multievent Optimization in Combined Sewer Flow and Water Quality Model Calibration. Journal of Environmental Engineering 137 (2011) 7, S. 551–558. Gamerith, V., Muschalla, D., Veit, J. and Gruber, G.: Online Monitoring of Combined Sewer Systems: Experiences and Application in Modeling. – in: Cognitive Modeling of Urban Water Systems, Monograph 19 (2011), S. 167–183. Gamerith, V., Muschalla, D., Gruber, G. und Kainz, H.: Schmutzfrachtmodellierung auf Basis zeitlich hochaufgelöster Messdaten. – in: Schriftenreihe zur Wasserwirtschaft, Technische Universität Graz, Band 62: Aqua Urbanica 2011 – Niederschlags und Mischwasserbewirtschaftung im urbanen Bereich. (2011), S. K1–K25. Gamerith, V., Neumann, M. B. and Muschalla, D.: Applied Global Sensitivity Analysis in Sewer Flow and Water Quality Modelling. 12th International Conference on Urban Drainage Proceedings (2011). Gamerith, V., Steger, B., Hochedlinger, M. and Gruber, G.: Assessment of UV/VISspectrometry performance in combined sewer monitoring under wet weather conditions. 12th International Conference on Urban Drainage Proceedings (2011). Gamerith, V., Muschalla, D., Könemann, P. and Gruber, G.: Pollution load modelling in sewer systems: an approach of combining long term online sensor data with multi-objective autocalibration schemes. Water Science & Technology 59 (2009) 1, S. 73–79.