Nehmen Sie vielleicht Atommüll?

COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teil...
Author: Ferdinand Kranz
0 downloads 2 Views 106KB Size
COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden.

Deutschlandradio Kultur - Länderreport -

Nehmen Sie vielleicht Atommüll? Nachgefragt in den Bundesländern.

Autor

Dieter Nürnberger

Beitrag 1: 3’54“

Susanne Schrammar

Beitrag 2: 4’03“

Michael Watzke

Beitrag 3: 4’05“

Ludger Fittkau

Beitrag 4: 3’56“

Red.

Claus Stephan Rehfeld

Sdg.

07.04.2011 - 13.07 Uhr

Länge 20.28 Minuten

Moderation

(in vorproduzierter Sendung)

1

-folgt Script SendungScript Sendung

M 01 ErkMu REGIE Musik kurz frei & unter Moderator legen MOD

Nehmen Sie vielleicht Atommüll? Nachgefragt in den Bundesländern. Am Mikrofon begrüßt Sie Claus Stephan Rehfeld.

REGIE Musik kurz frei & unter Moderator weg

MOD

Ist die Bundesrepublik zu klein? Liegt sie zu hoch oder zu tief? Oder ist sie einfach nur ungeeignet? Jedenfalls was die Endlagerung von Atommüll anbetrifft? Oder war die Bundesregierung zu schnell mit ihrem Beschluß der Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke? Also mit dem Ausstieg aus dem Ausstieg, aus dem sie jetzt offenbar auch wieder aussteigen wird – siehe Moratorium. Egal wie die Entscheidung in ein paar Wochen ausfallen wird, unterm Strich bleibt ein Ergebnis unverändert: Wir haben Atommüll. Und es fällt immer mehr Atommüll an. Das wissen alle, aber bei der Suche nach einem Endlager für Atommüll findet sich keine Landesregierung, die - ohne Protest der Bevölkerung - sagt: Hey, bei uns könnt ihr den Müll einbuddeln. Oder hat sich die Lage geändert? Der Länderreport fragt nach.

REGIE kurzer Musikeffekt

MOD

Der Umweltschutzorganisation Greenpeace zufolge fallen hierzulande pro Kalenderjahr rund 400 Tonnen hochradioaktiver Müll an. Und: Die Kernkraftwerke laufen und laufen und laufen, doch ein Endlager für diesen Müll gibt es bislang nicht. Von der Politik wurde das Thema oft auf die lange Bank geschoben. Die Verfahren für eine Standortsuche waren wenig transparent, was wiederum den Protest der Bevölkerung beförderte. Doch welches Konzept hat eigentlich die Bundesregierung? Hat sie auf das Endlager auch eine endgültige Antwort? Dieter Nürnberger hat sich das auch gefragt.

B 01

Bund und Länder zum Atommüll / Nürnberger – 3’56“

2

AUT

Als die schwarz-gelbe Bundesregierung im Herbst 2010 die Laufzeitverlängerungen bekanntgab, wurde auch eine Art Vorentscheidung für ein Endlager in Deutschland getroffen. Die Erkundungsarbeiten in Gorleben wurden wiederaufgenommen – das hieß gleichzeitig, dass die Suche nach alternativen Standorten für den Atommüll eingestellt wurde. Zwar betont die Bundesregierung stets, dass das Verfahren noch ergebnisoffen sei, doch gibt es viele Zweifel. Wolfram König ist Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, eine Bundesbehörde, zu deren Aufgabenfeld auch die Endlagerung gehört.

E 01

(König) Es ist ein Standort, der seit 30 Jahren im Gespräch ist. Wo Geld investiert worden ist – über 1,5 Milliarden Euro. Und zweitens: Es hat keine formalisierte Bürgerbeteiligung gegeben, keine formalisierte, auch das gehört zur Wahrheit. Neben der fachlich soliden Arbeit ist es dringend erforderlich, dass man parallel die Bevölkerung mitnimmt.

AUT

Nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima ist das Thema Endlagerung - noch nicht auf die politische Tagesordnung zurückgekehrt. Die angekündigten Sicherheitsüberprüfungen älterer Atommeiler stehen im Vordergrund. Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde zwar danach gefragt, doch aussagekräftig waren die Antworten nicht. Ein Beispiel:

E 02

(Merkel) Neben den Sicherheitsfragen, die die Kernenergie insbesondere betreffen, gibt es natürlich auch die Frage der Entsorgung. Auch die müssen in Betracht gezogen werden.

AUT

Das hatte im Herbst - anlässlich der Laufzeitverlängerungen - auf jeden Fall aktiver geklungen. Längere Laufzeiten heißt auch mehr Atommüll in Deutschland. Darum müsse sich endlich kümmern, sagte Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) im Oktober.

E 03

(Röttgen) Wir brauchen diesen Endlagerstandort, wir betreiben nämlich seit Jahrzehnten Kernkraftwerke. Und daraus erwächst die Verantwortung und Pflicht, das zu suchen. Und wer das negiert, der ist feige und verantwortungslos. Und das ändern wir!

AUT

Die Erkundungsarbeiten in Gorleben laufen also wieder weiter, doch sonst ist nicht viel passiert. Atomrecht ist Bundesrecht, allerdings wird ein Konsens über ein Endlager nicht ohne die Bundesländer gehen. Im Bundesrat fand die letzte große Diskussion anlässlich der Laufzeitverlängerungen im November statt. Beschlossen 3

wurden damals neue Enteignungsmöglichkeiten für die Suche nach AtommüllEndlagern. Zudem klagen derzeit bekanntlich SPD-geführte Bundesländer gegen die Laufzeitverlängerungen. Doch aktiv beteiligen würden sich die Bundesländer derzeit wenig, sagt Wolfram König, der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz. Bei der Endlagersuche gäbe es ja theoretisch auch noch andere Standorte.

E 04

(König) Hier haben wir drei Gesteinsformationen, die grundsätzlich in Frage kommen. Das ist Salz, Tongestein und Granit. Und das wäre insbesondere BadenWürttemberg, es wäre in Bayern noch die Möglichkeit, aber es wären noch viele alternative Standorte in Niedersachsen bis Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt hinein denkbar. Aber bislang gibt es keine aktiven Angebote seitens der Bundesländer, sich hier für eine derartige Suche bereitzustellen.

AUT

König sieht nun, nach Fukushima, eine größere Chance, das Thema Endlager nach vorn zu bringen. Die Bundesregierung betont derzeit ständig die Notwendigkeit für einen nationalen Konsens in der Atomdebatte. Und nur so - innerhalb einer parteiübergreifenden und gesamtgesellschaftlichen Einigung - so der Präsident des Strahlenschutzamtes, seien Fortschritte zu erzielen. Er geht davon aus, dass die vorübergehende Abschaltung der älteren Meiler von Dauer sein werde. Aber erst wenn ein neuer Ausstiegsfahrplan konkret stehe, und somit die Menge des in Deutschland produzierten Atommülls wieder begrenzt sei, könne wohl diese so lange verdrängte Frage mit Aussicht auf Erfolg angegangen werden.

E 05

(König) Das ist keine Garantie, dass am Ende die Bevölkerung über einen solchen Standort jubelt, aber es geht um das Verständnis, dass wir solch ein Endlager brauchen, dass wir diese hochgefährlichen Stoffe nicht einfach ins Ausland in billige Entsorgungseinrichtungen schieben dürfen, dies muss die Politik, die Gesellschaft auch leisten.

-ENDE Beitrag 1 / Nürnberger-

MOD

Die Politik, die Gesellschaft – für dieses Verhältnis steht seit Jahren Gorleben in Niedersachsen. Und so horchte so mancher auf, als kurz nach dem Gau im fernen Fukushima Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister, CDU, in die Mikrofone sagte, es sei bekannt, dass er „immer recht skeptisch zur Kernenergie“ gestanden habe. Das war vielen entgangen, verteidigte doch McAllister lange den Ausstieg aus dem Ausstieg. Doch nun wagte er sich offenbar aus der Deckung, wenn er – trotz Zurückhaltung Merkels - hartnäckig fordert, dass auch die 4

Endlagerstandorte in Deutschland einer Überprüfung unterzogen werden sollen. Ob allerdings auch der mögliche Endlagerstandort Gorleben dazu gehören soll, da hält sich der CDU-Ministerpräsident bislang bedeckt. Sollte nun Fukushima auch Auswirkungen auf die Endlagerdebatte um Gorleben haben? Susanne Schrammar hat politische Akteure in Niedersachsen dazu befragt.

B 02

Niedersachsen zum Atommüll / Schrammar – 4’03“

E 01

(RUDEK) Wir werden uns hier nie wieder was erzählen lassen von einer Million Jahre Sicherheit. Das sind die Ankündigungen des Bundesumweltministeriums und das ist einfach ein Hohn! Die Nichteignung ist belegt seit über 20 Jahren: Durch ein fehlendes Deckgebirge, durch Wasserwegsamkeiten, durch Gaseinschlüsse, durch die direkte Nähe der Elbe. Wir fordern, dass der Standort Gorleben als Endlager jetzt endgültig aufgegeben wird.

AUT

Für Kerstin Rudek von der Bürgerinitiative „Umweltschutz Lüchow-Dannenberg“ ist die Sache klar. Nach den Ereignissen von Fukushima, sei die Sorge um das Gefahrenpotential von Atomkraft noch gestiegen. Seit Jahrzehnten warnen Wendländer Aktivisten vor den Gefahren, die drohen, wenn eines Tages tatsächlich hochradioaktiver Atommüll in den Salzstock Gorleben eingelagert würde. Sollten gefährliche Radionuklide austreten, sei der Schaden um ein Vielfaches höher als in Fukushima und betreffe die kommenden 40.000 Generationen, fürchtet Rudek. Doch das Thema Sicherheit habe für die Verantwortlichen bisher nicht im Zentrum gestanden.

E02

(RUDEK) Es ist die ganze Zeit so, dass erkundet wird in Gorleben und dass die Sicherheitskriterien schleichend dem Standort Gorleben angepasst werden. Also, auf Kosten der Sicherheit wird hier ein Standort zurechtgezimmert.

AUT

Das Atomunglück von Japan stellt eine Zäsur dar, sagt auch Christian Carmienke, der in Dannenberg nur wenige Kilometer vom Salzstock Gorleben entfernt wohnt. Dass der CDU-Kreistagsvorsitzende jetzt einen möglichst schnellen Atomausstieg fordert, lässt aufhorchen. Schließlich galt die CDU im Wendland bisher als besonders leidenschaftlicher Verteidiger der Atomkraft. Nun jedoch gibt es sogar regionale Christdemokraten, die fordern, dass der Standort Gorleben aufgegeben wird. Atomkraft sei nicht beherrschbar, heißt es. Doch die Zweifler seien in der Minderheit, stellt Carmienke klar. Die meisten in der CDU wollten an der Erkundung des Salzstocks festhalten. Angst vor einer Atomkatastrophe in Gorleben habe er persönlich nicht, so der 33jährige.

5

E03

(CARMIENKE) Wenn Wissenschaft sagt, dass es da sicher ist, dann glaube ich das in dem Sinne auch, wenn ein Ergebnis feststeht. Wir sind ja hier in Deutschland keine Bananenrepublik, wir haben hier Gesetze und wir haben Aufsichtsbehörden und deshalb ist mein Sicherheitsgefühl kein anderes als vorher.

AUT

Auch die FDP im niedersächsischen Landtag macht sich weiterhin stark für eine ergebnisoffene Untersuchung des Salzstocks. Fukushima habe mit Gorleben nichts zu tun, sagt Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander. Zwar kündigt der Liberale an, die Erdbebensicherheit Gorlebens noch einmal prüfen lassen zu wollen und bringt erneut andere Standorte für ein mögliches Endlager ins Spiel. Doch letzteres hat weniger mit Fukushima sondern eher mit dem Wahlsieg der Grünen in Baden-Württemberg zu tun. Im Süden der Republik gibt es Granit- und Tonvorkommen – Gesteine, die für die Endlagerung hochradioaktiven Mülls ebenfalls geeignet sein sollen. Hans-Heinrich Sander.

E04

(SANDER) Ich muss ja jetzt zur Kenntnis nehmen, dass es Forderungen von den Grünen gab, andere Standorte auch in anderen Bundesländern zu erkunden, dann ist das ein möglicher Ansatz von Herrn Kretschmann, dass man auch in der Verantwortung der Endlagerung endlich auch dem entsprechend gerecht werden will und das heißt auch ein Endlager in Baden-Württemberg benennen.

AUT

Granit- und Tongestein schon jetzt während der Erkundung Gorlebens wissenschaftlich auf ihre Eignung zu untersuchen, das haben niedersächsische Landtagsabgeordnete der CDU bereits vor Fukushima gefordert. Hinter verschlossenen Türen werden jetzt Stimmen lauter, die mit der Endlagerpolitik der Bundesregierung hadern. Wenn es um die Sicherheit von Gorleben geht, müsse das Desaster in der Asse eine Mahnung sein, heißt es beispielsweise. Björn Thümler, Chef der CDU-Landtagsfraktion, stellt in Frage, ob die vorgesehenen Atommüllbehälter wirklich eine Million Jahre sicher in einem Endlager Gorleben aufbewahrt werden können.

E05

(THÜMLER) Im europäischen Nahraum oder auch in anderen Staaten gibt’s die Möglichheit, dass man Castoren zeitlich begrenzt auf 100 oder 50 Jahre einlagern kann, dass man die Rückholbarkeit in den Vordergrund stellt, also diese Dinge müssten auch wissenschaftlich untersucht werden, weil davon, finde ich, hängt auch viel Zukunft von ab.

-ENDE Beitrag 2 / Schrammar-

6

MOD

Vor einem halben Jahr war es, da gab es Zoff zwischen Niedersachsen und Bayern, zwischen CDU-Ministerpräsident McAllister und CSU-Umweltminister Söder. Der norddeutsche CDU-MP hatte die Suche nach Endlagern für Atommüll auch in Bayern angesprochen und von dort Vorschläge dazu gefordert. Der süddeutsche CSU-Minister wehrte ab, schloß „defintiv“ ein Endlager in Bayern aus. Man habe ja schließlich keine „so mächtigen Salzstöcke“. So kommt, es dass auch die bayerische Landesregierung sich zum Widerstand gegen Endlager – jedenfalls in Bayern- einreiht. Michael Watzke zur bayerischen Neigung in Sachen atomares Endlager daheim.

B 03

Bayern zum Atommüll / Watzke – 4’05“

AUT

Das kleine Örtchen Thurmansbang, tief im Bayrischen Wald gelegen, will kein atomares Endlager werden. Bürgermeister Martin Behringer:

E 01

(Behringer) „Bei uns nicht. Wir wehren uns da mit Händen und Füßen. Jeder ist vom Tourismus abhängig. Und keiner möchte gern auf einem Atommüll-Endlager Urlaub machen.“

AUT

Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe hatte Thurmansbang 1995 explizit als mögliche Endlagerstätte genannt. Denn hier gibt es eine tiefe und extrem harte Gesteinsformation: den Saldenburger Granit. Genauso hart wie das Urgestein sind allerdings auch die Dickschädel der niederbayerischen Bevölkerung:

E 02

(Bürger) „Keiner will den Dreck hier haben. / Nein, auf keinen Fall! / Wieso ausgerechnet hier? Wieso nicht dort, wo größere Stollen sind? Es gibt sicherlich deutlich bessere und sinnvollere Alternativen als gerade jetzt bei uns. / Granit ist zu teuer und kommt nicht infrage. Außerdem ist unser Granit sehr zerklüftet, er hat wasserführende Schichten. Dadurch kann es ganz leicht zu Radioaktivität kommen, und dann würden die niedrigen Tallagen radioaktiv verseucht werden.“

AUT

Das bayerische Umweltministerium schließt sich dieser Argumentation an. Weder im Bayerischen Wald noch sonst irgendwo in Bayern könne ein Endlager entstehen, sagt Bayerns Umweltstaatssekretärin Melanie Huml.

E 03

(Huml) „Weil wir keine vergleichbaren Salzstöcke haben. Weil der Granit bei uns sehr zerklüftet ist. Und weil auch die Tonschichten bei uns nicht diese Dicke und Ausbreitung haben wie in anderen Bundesländern.“ 7

AUT

Dabei spiele es keine Rolle, so Huml, dass Bayern seit Jahrzehnten Deutschlands größter Atommüll-Produzent ist.

E 04

(Huml) „Für unsere Bodenformationen können wir in Bayern ja nichts dafür, in dem Sinne.“

AUT

Bayerische Umweltschützer sehen das anders. Anti-Atom-Aktivist Raimund Kamm aus Augsburg fordert, dass der Staat in ganz Deutschland nach alternativen Endlager-Standorten für Gorleben suchen müsse:

E 05

(Kamm) „Da kommen Salz, Ton und Granit infrage. Und da kommen auch bestimmte Bereiche in Bayern infrage. Welcher der beste Bereich ist, können wir Umweltschützer nicht sagen, können Politiker nicht sagen. Wir müssen Wissenschaftlern, Geologen, Geophysikern den Auftrag geben, diesen Ort zu finden, nach festen Kriterien und transparent für die Bevölkerung. Und ich muss diesen bayerischen Politikern Söder, Seehofer und Co. wirklich entgegenhalten: Sagt endlich die Wahrheit, wie groß das Problem ist, und hört auf mit so kleinlichen Aussagen wie ‚In meinem Dorf nicht, lieber doch fünf Dörfer weiter’“.

AUT

In Thurmansbang in Niederbayern rechnet Bürgermeister Behringer fest damit, dass die Endlager-Debatte auch in Bayern wieder aufflammt. Jetzt, wo Isar 1 stillsteht. Möglicherweise auf Dauer. Irgendwo müsse der Müll ja hin. Dem bayerischen Umweltminister traut Behringer, ein Freier Wähler, nicht über den Weg:

E 06

(Behringer) „Man sieht’s ja jetzt in der aktuellen Debatte: vor einem halben Jahr hat man noch auf kein Atomkraftwerk verzichten können, und plötzlich kann man gleich vier ohne Probleme abschalten. Und das macht einen schon stutzig. Bayern hat viele Atomkraftwerke von dementsprechend sind viele Standorte schon erkundet worden.“

AUT

1995, als Thurmansbang erstmals als mögliches Endlager im Gespräch war, gründete Behringer eine Bürgerinitiative und veranstaltete Protestmärsche. Die Krallen seien geschärft, sagt der Niederbayer:

E 07

(Behringer) „Die Krallen sind immer ausgefahren. Wir sind jederzeit bereit. Sobald in irgendeiner Weise nur das Kleinste bekannt würde oder wir auch nur ein

8

bisschen in die Diskussion geraten, sind wir bereit und stehen auf. Wir haben eine gutgefüllte Kasse, die würde dann gewinnbringend eingesetzt werden.“

AUT

Die Niederbayern haben viel Erfahrung mit Widerstand. Der Ort Wackersdorf ist gerade mal 70 Kilometer entfernt. Dort wollte Franz Josef Strauß in den 80er Jahren eine Wiederaufarbeitungsanlage bauen lassen. Er scheiterte am Widerstand der Bürger. Auch aus Thurmansbang waren damals Demonstranten angereist.

-ENDE Beitrag 3 / Watzke-

MOD Atommüll wird meistens in speziellen Behältern durchs Land gefahren, gelegentlich aber steht Atommüll auch sichtbar in der Gegend herum. Das heißt dann Atomkraftwerk. Eines davon wurde per Gerichtsbeschluss stillgelegt, weil es auf einer Erdbebenspalte steht. Die Rede ist vom Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich bei Koblenz. In den nächsten Jahren soll es abgerissen werden. Weil jedoch Teile des alten AKW strahlenbelastet sind, kann der Schutt nicht einfach irgendwo hingekippt werden. Ludger Fittkau über die strahlende Zukunft von Atomschrott.

B 04

Rheinland-Pfalz zum Atommüll / Fittkau – 3’56“

E 01

(Siegmar Gabriel) Jetzt wartet das ehemalige Kraftwerk darauf, dass Schacht Konrad bei mir zu hause in Betrieb kommt, denn da wird es dann endgelagert werden.

AUT

Der Schrott des rheinland-pfälzischen Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich soll also Siegmar Gabriel vor die Füße gekippt werden? Soll wieder dahin, wohin die Castoren mit dem strahlenden Müll meistens hingebracht werden: Nach Niedersachsen, wo man in Gorleben sowieso schon längst die Nase voll von den Hinterlassenschaften des Atomzeitalters hat? Und dann auch noch in den Wahlkreis des Hoffnungsträgers der deutschen Sozialdemokratie – auf das die Wähler dem Siegmar Gabriel böse sind und ihm scharenweise gerade dann weglaufen, wenn er als Kanzlerkandidat die Ära Merkel beenden will? Das kann dem alten sozialdemokratischen Fahrensmann Kurt Beck nicht gefallen, auf dessen Territorium Mülheim-Kärlich steht:

E 02

(Kurt Beck) Wir hätten die Reißleine früher ziehen müssen.

AUT

Ja, ja is ja richtig, aber andererseits – es ist ja noch nix passiert. Noch steht der stillgelegte Meiler am Rhein – auf einem ehemaligen Vulkan im Erdbebengebiet. 9

Es bleibt noch Zeit, naheliegendere Lösungen als Schacht Konrad zu suchen. Hier ein paar Vorschläge.

G 01

Atmo Wellenschlag am Laacher See

AUT

Nur ein paar Kilometer weiter westlich von Mülheim-Kärlich liegt in einem Lavakegel der größte Vulkansee Deutschlands – der Laacher See. Ein tiefes Gewässer, die Wasserqualität ist seit langem nicht die Beste, die Betonreste des Atommeilers auf dem Seegrund dürften da nicht mehr viel zerstören. Es leben auch nicht sehr viele Menschen an den Ufern des Vulkansees. Eigentlich fast nur die Mönche des Klosters Maria Laach. Die sind allerdings schon seit dem Mittelalter da und könnten vielleicht etwas gegen den Atomschrott haben. Abt Benedikt sorgt sich ohnehin um die Wassergüte des Sees:

E 03

(Abt Benedikt) Es ist nicht so ganz einfach, da in dieser Richtung zu gehen. Es gibt historische Eingriffe in den Laacher See. Der Erste war schon kurz nach der Gründung des Klosters im Mittelalter. Man hat den Seespiegel abgesenkt. Das alles, so sagen die Fachleute, ist nicht etwas, was in ein paar Jahrzehnten verdaut ist, das wirkt nach, muß man bedenken.

AUT

Na ja, Atommüll soll ja auch nachwirken – andererseits: Wer wie die Kirche in Jahrtausenden denkt, hat vielleicht weniger Angst vor endlosen Halbwertszeiten als jemand, dessen Vorstellungsvermögen vielleicht gerade mal zwei bis drei Legislaturperioden reicht.

G 02

Atmo Stahltür schlägt zu

AUT

Vorschlag Nummer Zwei: Der leerstehende Bundesbank-Atombunker in Cochem an der Mosel.

E 04

(Peter Pfeifer) Das Fort Knox der ehemaligen Bundesrepublik.

AUT

Sagt der jetzige Hausmeister Peter Pfeifer. Im kalten Krieg war hier die „D-Mark Zwo“ untergebracht, eine hochgeheime Reservewährung, die im Atomkriegsfall die verstrahlte „D-Mark Eins“ ersetzt hätte. Irgendwann in deutsch-deutschen Wendezeiten wurden die Scheine aus dem Bunker geholt und in Frankfurt am Main verbrannt:

10

E 05

(Michaela Kahle) Wir haben hier ein paar Bilder zu: Wurden dann im Dezember hier abtransportiert mit LKW’s und dann nach Frankfurt gebracht und vernichtet.

AUT

Jetzt steht der riesige Atombunker an der Mosel leer und bietet viel Platz für strahlenden Müll. Ein Problem könnten Michaela Kahle und ihre Freunde sein, die in dem ehemaligen Bundesbankbunker eine historische Dokumentationsstätte errichten wollen.

E 06

(Kahle) Wir erfahren auch sehr großen Zuspruch aus der Stadt, aus der Gemeinde.

AUT

Der Atommüll aus Mülheim-Kärlich könnte damit zu heiß sein für die Erinnerung an die skurrilen Auswüchse des Kalten Krieges.

G 03

Nochmal zufallende Tür – Nachhall

AUT

Gut, noch ein letzter Vorschlag für die Beseitigung des Atomschrotts aus MülheimKärlich. Die Lavasandgruben der Vulkaneifel. Auf dem Boden der Abbaumulden ist viel Platz, die Landschaft ist ohnehin durchlöchert wie ein Schweizer Käse und Müll ist hier immer schon abgelagert worden – oft auch heimlich, hat ein Anwohner beobachtet:

E 06

(Anwohner) Bauschuttabfälle aus dem ganzen westlichen Europa angekarrt. Da standen morgens um sechs Uhr schon die ersten LKW´s aus Belgien, Holland und haben munter abgekippt im Dunkeln und keine weiß, was da ist.

AUT

Mhm, so etwas könnte man mit dem Atommüll aus Mülheim-Kärlich nicht machen. Der würde ordnungsgemäß am helllichten Tag entsorgt – und außerdem weiß man da ja, was man hat. Jede Menge Strahlung nämlich. Für ziemlich lange Zeit.

-ENDE Beitrag 4 / Fittkau-

MOD

Nehmen Sie vielleicht Atommüll? Eine notwendige Nachfrage zu einem aktuellen Thema. Dieter Nürnberger, Susanne Schrammar, Michael Watzke und Ludger Fittkau suchten Antworten darauf.

Morgen dann im Länderreport ab 13.07 Uhr: Die Bundeswehrreform, die Bundesländer und die mögliche Schließung von Standorten.

11

Am Mikrofon verabschiedet sich von Ihnen Claus Stephan Rehfeld.

-ENDE Ablaufplan-

12