Namibia

Claudia Dippold

Reisebericht Namibia 23.10.-10.11.2008 Anreise Regensburg – Windhoek Mal wieder stehe ich am Flughafen in München. Mal wieder habe ich eine Reise geplant - und mal wieder habe ich sie alleine geplant, werde alleine in den Flieger steigen, in einem fremden Land ankommen und dieses erkunden. Trotzdem ist es dieses Mal anders: ich bin nicht im Airportliner zum Flughafen gefahren; habe meine Vorbereitungen nicht alleine getroffen, sondern Stefan hat mir geholfen: mir Ratschläge gegeben und mich zum Flughafen gebracht. Schon blöd endlich, endlich bin ich nicht mehr solo; habe einen Schatz an meiner Seite, der mit mir meine Afrika-Leidenschaft teilt. Der sogar vor wenigen Wochen selbst noch in Südafrika gewesen war! Mit seinem Studienfreund Peter - schon lange gebucht; lange bevor wir uns kennen bzw. lieben lernten. Shit happens - und so muss ich eben noch mal alleine los. Aber ich freue mich natürlich auch. Auf Namibia, dieses weite Land, in dem gerade mal 2 Einwohner auf einem Quadratkilometer wohnen. Dem Land, in dem sich die Einwohner freuen, wenn überhaupt mal Regen fällt. In dem viele Leute Deutsch sprechen, obwohl über 90% natürlich Schwarzafrikaner sind. Vieles wird auch für mich total neu sein: ganz auf mich alleine gestellt; in der Wüste, nur ich und das Auto... aber nach den stressigen Wochen in der Arbeit; den Messen, Kundenbesuchen, Querelen, Problemfällen freue ich mich auch, mal nicht ständig reden zu müssen. Einfach nur fahren, schauen und die Einsamkeit genießen. Etwas bange ist mir natürlich schon zumute: wurde nicht erst vor einem Jahr in Namibia ein Tourist auf offener Straße erschossen? Wie kommt man überhaupt durch in einem Land, wo es kaum geteerte Straßen gibt? Bin ich als Alleinreisende Frau nicht prädestiniert dafür, überfallen zu werden? - Die Neugierde siegt; und schließlich gibt es in einem 2

Land, in dem es wenig Leute gibt, auch wenige, die einen überfallen können und den Reifen sollte ich ja wohl auch alleine wechseln können, sofern mir der selbige in der Tat auf den staubigen Pisten Namibias irgendwo platzen sollte. Am 22. Oktober 2008 geht es nun endlich los. Stefan fliegt fast gleichzeitig mit mir los - allerdings zum “Malochen” - sprich: zu einem Kunden. Nur recht schließlich musste ich vor ein paar Wochen auch das Bruttosozialprodukt stützen, während er mit Peter in Südafrika Löwen und Leoparden gejagt hatte! Irgendwie fühlt sich’s seltsam ein: eigentlich verabschiede ja ich Stefan, denn er fliegt (mit Jenni, einer weiteren Kollegin) 2 Stunden vor mir los. Ich gönne mir, wie üblich, noch mein Urlaubs-Sushi im Mangostin. Zwar ist der Flieger nicht voll, aber dennoch habe ich keinen Platz am Fenster mehr bekommen. Auch mein Wunsch, von Johannesburg doch noch “last minute” auf einen früheren Flug nach Windhoek mitgenommen zu werden, klappt leider nicht. Und so verbringe ich zehn ziemlich ungemütliche Stunden in dem Airbus A340-300, der zwar in München mit einer Viertelstunde Verspätung abgehoben war, diese aber während des Nachtfluges quer über Afrika wieder aufholte. Am anderen Ende der vierer-Sitzreihe sitzt ein Colored, der gute Ähnlichkeit mit Barack Obama hat. Er erwies sich aber leider als sehr wortkarg, und so schloss ich messerscharf, dass es nur ein Doppelgänger gewesen sein konnte. Ohne Fenster, dafür mit einem freien extra-Sitz neben mir muss ich doch etwas geschlafen haben - denn als ich nach dem Abendessen und Einschlaf-Film zum ersten mal wieder meine schmerzenden Gliedmaßen ausschütteln gehe, sind es schon nur noch fünf Stunden bis nach Jo-Burg. Als mir dann nach einer weiteren Schlummerphase auch die andere Pobacke wehtut, sind es nur noch drei. Und als ich nochmal später gar nicht mehr weiß, wie ich mich setzen soll, gibt es auch schon Frühstück, und wir setzen wenig später bei bewölktem Himmel und nicht allzu warmen Temperaturen in Johannesburg auf.

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Glücklicherweise hatte Stefan recht behalten, und der Transitbereich von Johannesburg besitzt in der Tat sehr viele Shops, die mir (neben einem “Spiegel”, den ich importiert habe) die fast fünf Stunden Wartezeit auf den Anschlußflug schnell vergehen lassen. Leider dürfen Deutsche mit Flug nach Namibia hier nur Südafrikanische Waren kaufen (da Namibia zur gleichen Zollzone gehört, wie man mir erklärt). Und so muss ich mein Estee-Lauder-Makeup und die M&M’s, die ich mir als Snack zwischendurch ausgeguckt hatte, wieder zurück ins Regal legen. Das Biltong hat mir über den ersten Hunger weggeholfen; und im nur zweistündigen Anschlußflug nach Windhoek gab’s sogar Mittagessen (Lamm - sehr lecker!). Mit fünf Minuten Verspätung, für die sich der Pilot sogar noch entschuldigt, setzen wir in Windhoek auf. Glücklicherweise schafft es auch mein Sitznachbar, ein Koloss aus mindestens 150kg Lebendfleisch, sich aus dem Platz neben mir wieder rauszuschälen, in dem er sich in Joburg mit Mühe reingepresst hatte. Er erwies sich während des Fluges als toller Gesprächspartner: war er doch während seiner aktiven Zeit Südafrikanisches Parlamentsmitglied gewesen, hatte sich als solches für Naturschutz und den Ausbau der National Parks in Südafrika eingesetzt und besaß sehr viel Wissen über die Tierwelt des südlichen Afrikas! Seine Vorfahren in dritter-vierter Generation waren aus Deutschland und den Niederlande und hießen Boesmann bzw. vorher Boesemann - “but that’s not what I am, trust me!” Er und seine Frau hatten einen Kurztrip von nur 6 Tagen geplant; und gerne hätte ich die beiden in der Namib nochmals getroffen, allerdings stellten wir später fest, dass unsere Reisepläne uns knapp aneinander vorbei schrammen ließen. Beim Anflug auf Windhoek war lange nichts vom Boden zu sehen - Bewölkung und als wir dann schließlich auf dem kleinen putzigen “Hosea Kutako Internatio4

nal Airport” von Windhoek aufsetzen, meine ich meinen Augen nicht zu trauen: Das Rollfeld ist nass! In der Tat, es hatte kurz vorher geregnet - und sollte es später noch mal tun! Schick die Claudia in die Wüste, und es wird regnen... aber immerhin haben mir sowohl die Frau am Mietwagenschalter als auch die Hotelrezeptionistin erklärt, welch tolles Wetter sie doch unerwarteter weise gerade hätten! Mein Koffer wurde just in dem Moment aus dem Gepäckband gespült, in welchem ich aus der Immigration/Passkontrolle komme, und so bin ich als eine der ersten am Mietwagenschalter - was sich als Glück erweist: die EuropcarAngestellte macht ein sorgenvolles Gesicht... was denn nicht stimmen würde, frage ich... Antwort: “there are minimum five People with Vouchers in the row behind you, but I have only two cars left...” - also fünf Leute, fünf Vorbestellungen, und nur zwei Autos! Einer davon ist der, mit dem ich wenig später vorsichtig aus dem Flughafen steuere: ein VW Golf Chico - nichts anderes als ein 1er-Golf. Farbe: das blauste blau, das man sich vorstellen kann! Und das Lenkrad ist rechts - das beste Indiz dafür, dass ich besser links fahren sollte. Auch an die fehlende Servolenkung muss ich mich beim Rangieren aus dem Flughafen erst gewöhnen. Etwas Sorgen bereiten mir die Reifen, die eher aussehen wie die Oberseite eines Streuselkuchens als Reifen mit einem geordneten Profil. Aber neue Reifen könne ich nicht erwarten, entgegnet mir der EuropcarMan; und ein Ersatzreifen ist ja auch drin; Reifenversicherung auch; und ein anderes Auto ist wohl auch nicht zu erwarten; und so rolle ich (mit 100 km/h scheinbar zu langsam, denn die Namibier lassen keine Gelegenheit aus, den schicken Chico zu überholen) nach Windhoek. Die Nelson Mandela Avenue ist schnell gefunden; und auch das Hotel sehe ich gerade noch und bremse scharf was meinen unachtsamen Hintermann fast noch hätte draufrumsen lassen. Der schimpft noch kurz, und rangiert dann seinen Wagen an meinem durch die Grasnarbe vorbei. Das Roof of Africa Hotel entpuppt sich als eine hübsche Ansammlung kleiner Chalets mit jeweils 2-3 Zimmern, in der Mitte ein Pool und - ein Tiergehege mit Gänsen, Wildenten, einer Ziege und sogar zwei Schildkröten! Vor meinem Zimmer gibt es eine schöne Terrasse (auf der ich gerade diese Zeilen tippe); und im 5

Haupthaus befindet sich eine Bar im afrikanischen Stil, wo es zwei Stunden später auch Dinner Buffet geben sollte. Meine doch “leicht” vorhandene Müdigkeit lässt mich nicht lange überlegen, und so beschließe ich, den Abend im Hotel zu verbringen, anstelle noch in die Stadt zu gehen. Dorthin könne man zwar tagsüber problemlos in 15-20 Minuten laufen; aber nachts sollte man dies besser unterlassen; erst recht allein als Frau. Da es hier in Namibia schnell dunkel wird, bliebe mir sowieso nicht mehr viel Zeit und so verschiebe ich den Stadtbummel auf morgen. Nehme eine erfrischende Dusche und freue mich unheimlich über das Goodie und die lieben Zeilen, die mir Stefan vor meiner Abreise noch in meinen Koffer geschmuggelt hat! Schade, dass er nicht hier sein kann! Ob ich wirklich Hunger habe, bin ich mir gar nicht so sicher; oder lockt mich nur mein müdes Gewissen in Richtung Bett? Aber die Neugierde siegt, und ich beschließe, zumindest mal nachzusehen was es so gibt. Das Essen ist noch nicht fertig, obwohl es schon seit einer halben Stunde hätte sein sollen - aber - RICHTIG! - ich hatte fast vergessen, dass Namibia trotz seiner weißen Vergangenheit zu Afrika gehört; und meine Kenianische Uhr wohl auch hier die richtige (nämlich gar keine) Zeit anzeigt. So nehme ich für den Übergang noch kurz an der Bar Platz. Nach dem ersten Windhoek Lager ist das Essen zwar immer noch nicht fertig, aber zumindest leistet mir Andrew aus Otjiwarongo Gesellschaft. Er ist zu einer Konferenz (über “Treatment of medical waste” - worüber man alles konferenzen kann?!) im Hotel und berichtet einiges über seine Arbeit als Hygiene-Aufseher; über die Korruption, Schieberei zwischen Kommunen und Staat sowie über seine beiden Reisen nach Europa, die ihn immerhin schon nach Amsterdam, Belgien, St. Petersburg und Russland geführt hatten. Später, als das Buffet endlich eröffnet ist und wir uns an Süßkartoffeln, Beef, Lamb Stew und Karottenkuchen laben, gesellt sich noch ein Kollege von Andrew zu uns, der den gleichen Job in Swakopmund ausübt. Und obwohl beide keine native english speakers sind und sich ohne meine Anwesenheit eher auf Afrikaans unter6

halten hätten, bleiben wir beim englisch und unterhalten uns angeregt über Themen aus dem namibischen Alltag; z.B. die Bedrohung von Farmvieh durch Leoparden, die Jagdleidenschaft vieler namibischer Bürger und deren Unmut darüber, dass sie dieser Leidenschaft, seitdem nur noch auf Farmen und gegen viel Geld gejagt werden kann, fast nicht mehr nachgehen können. Darüber, dass der Sohn von Andrews Kollegen mit dreizehn Jahren schon selbstverständlich mit einem Gewehr umgehen kann, und dass man hierzulande Angst um die Kudus hat, da deren Bestand durch eine Krankheit, die wahrscheinlich unserer Tollwut ähnlich ist, schon stark dezimiert ist. Letztendlich bin ich froh darüber, dass Andrews Kollege selbst der Meinung ist, dass die Jagd auf Kudus und Antilopen mit Großkalibrigen Jagdgewehren schon deswegen verboten gehört, weil das a) sowieso nur die machen, die’s nicht drauf haben, b) man meist noch viel mehr kapputt macht, als nur das Vieh (z.B. ein dahinterstehenden Baum) und c) der Reiz ja gerade darin bestünde, mit einer kleinen Pistole und auf weite Distanz ein Vieh zu erlegen, anstatt z.B. einem Löwen, der gerade seine Beute ausweidet, von hinten eins drüberzubraten! Darüber, dass “wir Europäer” Tiere im Allgemeinen lieber mit der Kamera jagen anstatt mit der Schusswaffe, lassen sich beide aber gar nicht aus - hier scheinen die Kulturen trotz gleicher Hautfarbe doch sehr auseinanderzugehen; die Lebenswelten sehr verschieden zu sein. Da die beiden schon um acht Uhr zu ihrer Konferenz anwesend sein müssen, kann ich es mir nicht verkneifen, noch ein “I think of you when I’ll turn around once more at five past eight tomorrow morning” in den Raum zu werfen - worauf der Kollege von Andrew antwortet, nachdem er ja jetzt mein Zimmer weiß (worauf die Getränke gehen), könnte er ja morgen um halb acht ein Morgenständchen bringen... na da bin ich ja gespannt! Gegen zehn Uhr beschließen wir die kleine Runde. Ich muss mich bemühen, schnell genug ins Bett zu kommen, um nicht schon zuvor umzufallen, und bin binnen von Sekunden eingeschlafen.

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Windhoek Das befürchtete Ständchen bleibt aus; trotzdem bin ich schon um acht Uhr wach. Mein erster Tag in Namibia! Ich will’s ruhig angehen, und gehe erst mal gemütlich frühstücken. Noch kenne ich das System nicht, und so sitze ich zunächst mit einem Stück Brot, Messer und Gabel sowie einem Joghurt mit Früchten am Tisch - das Besteck passt nicht so recht zum Essen; und das Brot ist ohne Butter schon etwas trocken. Es dauert noch ein paar Minuten, bis ich kapiere, dass man mir alles gebracht hätte (man war sogar erstaunt, dass ich es selbst geschafft hatte, mir was vom Brot abzuschneiden!) und bald schwelge ich in Fried Eggs (medium), Bacon, Kaffee, Butter und Marmelade. Meine Abendbekanntschaft ist nicht zu sehen, und so hinterlasse ich Andrew (davon ausgehend, dass A. Blablabla auf Zimmer 22 der Richtige ist) noch meine EmailAdresse. Packe in Ruhe meinen Rucksack, verstaue die wichtigsten Wertsachen im Safe und mache mich auf den Weg in die Stadt. Vorbei an noblen Häusern, allesamt Alarmund Wachgesichtert, besteige ich auf der Sinclair Road den Hügel, der die Innenstadt von Klein Windhoek, wo das Roof of Africa ist, trennt. Oben angekommen, geht es nur noch ein paar hundert Meter steil abwärts, und schon stehe ich mitten in Windhoek, am Kaiserlichen Vermessungsamt. Links zweigt schon die Independence Avenue ab - die Hauptader Windhoeks - die ich langsam hinunterschlendere. Am ersten Supermarkt versorge ich mich zunächst mit Wasser und etwas Obst. Am Bankomat hole ich noch mehr Geld (denn ich hatte gestern nicht gecheckt, dass “... input your amount in multiples of 10N$” nicht bedeutet, dass der Betrag automatisch mit zehn multipliziert wird - und mit umgerechnet nur ca. 50€ werde ich wohl nicht weit kommen). 3000 N$ sind der Maximalbetrag, den man eingeben kann - und der mir in einem großen Geldbündel auch ohne Mucken ausgespuckt wird. Wohin jetzt damit? - Nachdem mir ein Junge schon sehr interessiert zuschaut, lasse ich den Packen Geld wortlos in meiner Hosentasche 8

verschwinden und trotte weiter in Richtung der verschiedenen Sehenswürdigkeiten, doch etwas beunruhigt ob des hohen Betrages in meiner Hosentasche. Bei der ersten Gelegenheit möchte ich das Geld in ein verstecktes Fach meines Rucksacks verschwinden lassen. Ein christlicher Buchladen gleich neben der Kirche war hierfür ideal geeignet. Erleichtert schlendere ich weiter zur Post Street Mall, wo sich die Touristenläden ballen und sich ein Straßencafé nach dem anderen reiht. Zum Shoppen habe ich keine Lust. Dafür lasse mich zusammen mit einigen Meteoriten ablichten, die vor 150 Jahren in Gibeon, ein paar Kilometer südlich von Windhoek, vom Himmel gefallen waren und hier den Meteoritenbrunnen bilden. Vorbei am Clocktower, schaue ich noch kurz an der Tourist Information direkt gegenüber des Zoo Parks vorbei. Gegenüber der Touristeninfo hockt eine Himba-Frau mit ihrem Kleinen. Zwar biedert sie sich mir an, dass ich sie fotografieren sollte - aber irgendwie widert mich diese Art der Prostitution an, und so fotografiere ich sie nur von weitem inmitten der Artefakte, die sie und viele weitere Souvenirverkäufer hier am zentralen Busbahnhof von Windhoek anbieten. Ein kurzer steiler Anstieg über die Fidel Castro Ruiz-Straße führt mich zur Christuskirche. Leider ist das Gemeindeamt, wo man sich den Schlüssel hätte holen können, nicht besetzt - ich hätte mir gerne mal angesehen, wie christliche Missionare, die zunächst mal “die Wilden, Ungläubigen” bekehren müssen, bevor sie Leute als Christen ansprechen können, so eine Kirche gestalten! Und so muss ich mich auf ein paar Fotos der von außen perfekt Europäisch wirkenden Kirche beschränken. Gleich gegenüber ist das Reiterdenkmal, welches der gefallenen Deutschen während der Kriege gegen die Nama und die Herero gedenkt. Hier werde ich von einem Schwarzen in perfektem Deutsch angesprochen und gefragt, ob ich schon von den DDR-Kindern Namibias gehört hätte - mein Reiseführer bewahrheitete sich mal wieder haargenau! Er erzählte mir von einer Ausstellung, die diese Gruppe von Namibischen Kindern, welche in den 60er-Jahren durch die Swapo-Kriege in die DDR geflüchtet waren, im Owambo-Museum gerade organisiert. Natürlich brauchte er dafür auch noch etwas Geld - was ich ihm aber gerne gab, denn er beantwortete meine Fragen hinsichtlich seiner Erinnerung an die Zeit in der DDR sehr genau, und kannte 9

sogar Little Berlin! Die nächste Station, nur wenige Meter vom Reiterdenkmal, ist die Alte Feste, in der sich das Staatsmuseum befindet. Bevor ich hier (kostenlos) sehr interessante Dokumente und Fotos über wichtige Stationen und Personen in der Geschichte Namibias bestaune, muss ich aber noch einen recht lästigen Mann abschütteln, der sich gerne als Tour Guide angeboten hätte - aber, wie ich nach ein paar Testfragen schnell herausfinde, noch weniger weiß als das, was ich aus meinen Reiseführern behalten habe. Ins Museum scheint er sich nicht zu trauen (schließlich steht auch überall in auffälligen Lettern, dass man niemandem Geld geben sollte), und so studiere ich in Ruhe die Briefwechsel zwischen Befreiungskämpfen und Unterstützern, betrachte die Fotos der wichtigsten Stammeshäuptlinge und informiere mich über die Hintergründe der ersten freien Wahlen in Namibia, die 1989 stattgefunden haben. Leider entpuppt sich der “Panaroamic View”, der von einem der Türme angepriesen wird, als ein panoramisch angelegtes Gemälde - auf den Dach des Turms, von dem aus man bestimmt tolle Fotos hätte machen können, durfte man nicht. Also bummle ich weiter zum “Tintenpalast” (weil darin soviel Tinte verschrieben wurde...), der heute die Regierung Namibias beherbergt, und durch den dazugehörigen Regierungsgarten. Erst vor sechs Jahren wurden die Statue Hosea Kutakos, des großen Herero-Anführers, enthüllt - denn man hatte Bedenken, genau diesen, neben den vielen weiteren herausragenden Widerständlern, die Namibia vorzuweisen hat, herauszustellen! Als nächstes möchte ich gerne die drei Burgen sehen, die Windhoek aus der Zeit der deutschen Kolonisation ebenfalls vorzuweisen hat: die Schwerinsburg, Heinitzburg und Sanderburg. Zwar weist mein Reiseführer darauf hin, dass diese nicht wirklich in Gehweite liegen - aber ich schätze meine Gehweite als etwas über dem Durchschnitt liegend ein; mache mich auf den Weg entlang der Robert Mugabe Avenue (jedem Staatsmann seine Straße!!) und bin schon nach zehn Minuten Gehzeit an der Heinritzburg Street angelangt - die allerdings noch erklommen werden will, den die gleichnamige Burg 10

liegt auf einem steilen Hügelstück. Eigentlich wollte ich ja nur kurz nen Kaffee trinken, aber das dem Heinritzburg Hotel angeschlossene Restaurants “Leo’s in the Castle” bietet einen derartig schönen Ausblick auf Windhoek und die dahinterliegenden Berge, dass ich den Heinritzburg Temptations Salat nicht widerstehen kann. Für Salat, Mineralwasser und einen Espresso zahle ich 160 N$ - ein Schnäppchen; vor allem bei dem gerade gefallenen Wechselkurs von 1E zu 14 N$! Ich genieße jede Minute auf der Terrasse, lasse mir das laue Lüftchen, das die heute morgen noch hängenden Wolken inzwischen vertrieben hat, um die Ohren wehen - und bin heilfroh, dass ich nicht in den 50-Mann-Bus gequetscht werde, der zeitgleich mit mir das Restaurant verlässt! Die so beschwerlich erklommenen Höhenmeter gehe ich, vorbei an der strengst gesicherten und abgesperrten amerikanischen Botschaft, hinunter zum Ausspannplatz, wo ich hoffe, das Büro meines ehemaligen Kollegen Max Pieper finden zu können. Leider habe ich die exakte Adresse zuhause vergessen, und kann seinen Namen auf keinem der Schilder finden. So mache ich mich auf den Weg zurück in die Stadt, denn mittlerweile freue ich mich schon auf einen Saft an der Mall Ave. Soweit sollte ich aber gar nicht kommen - denn vorher zweigt noch ein Hinterhof in das Namibian Crafts Centre ab. Ganz entspannt, ohne am Rockzipfel hängenden Verkäufern, kann man hier echte einheimsch Produzierte Artefakte und afrikanische Gebrauchsgegenstände und Souvenirs erwerben. Mir haben es besonders die Fotos eines Namibischen weißen Fotografen angetan, wo ich auch eines mitnehme. Im Hof fällt mir eine offene Bahn auf, auf der geschrieben steht, dass von hier in einer halben Stunde eine Stadtrundfahrt und Township-Tour durch Kaututura beginnen würde. Leider gelingt er mir nicht, den Angestellten zu finden, der eigentlich hinter seinem Stand die Karten hierfür hätte verkaufen sollen. Die Bahn steht eine halbe Stunde nach Abfahrt auch immer noch da. Schade - denn mittlerweile hätten meine schmerzenden Füße nichts dagegen gehabt, sich für ein paar Stunden fahren zu lassen, anstelle selbst trippeln zu müssen. Und so gönne ich mir, zurück am Meteoritenbrunnen, einen schönen Käsekuchen mit Früchten. Das Angebot des Energy Drinks erweist sich leider als Ente aber auch die süße homemade Limonade vermag, meine Energiereserven wie11

der aufzufüllen. Und so nehme ich das letzte Tagesziel, den Bahnhof mit dem angeschlossenen TransNamib Railway Museum, in Angriff. Auch das Bahnhofsgebäude sieht echt deutsch aus - Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut, lassen sich Jugendstilelemente an der Tür entdecken; und die Treppe sieht aus wie zuhause in der WilhelmStraße! Im Museum bietet sich sogleich ein perfekt deutsch sprechender Namibier an, mir alle Fragen zu beantworten. Und so erfahre ich auch, was eigentlich ein Fahrkartenschrank macht - denn aus dem öffentlich ausgestellten Exemplar, in dem sich leider keine Karten befinden, hat sich mir die Funktion nicht erschlossen. Erst ein weiterer Schrank, den mir mein persönlicher Führer hinter einer verschlossenen Tür zeigt, offenbart sein Geheimnis: es handelt sich bei dem Gestell im Schrank um nix anderes als um viele kleine Fächer - jedes Fach beinhaltet die Karte für ein ganz bestimmtes Fahrziel! Eigentlich klar; schließlich konnte man vor 100 Jahren nicht einfach so mit einem Drucker das Ziel auf eine Karte printen! Sehr interessant auch die Erschließungskarten einiger TransNamibischer Eisenbahnstrecken; mit Höhenprofilen und genauer Streckenbeschreibung “erwarte Fluten wegen fehlenden Grasbewuchses”... sowie die Fotos aus Zeiten des Baus dieser Strecken. Nach so viel Informationen und Historie vergesse ich vollkommen, dass ich eigentlich noch die “Turnhalle”, in der 1975 die Konferenz zur Unabhängigkeit Namibias stattgefunden hatte, hätte besichtigen wollen. Nur vom Kaiserlichen Patentamt, das heute Morgen noch im Schatten gelegen hatte, mache ich noch ein Foto in schönstem Sonnenlicht, bevor ich wieder den Berg zurück nach Klein-Windhoek erklimme, der Sinclair Road steil bergauf folgend. Mittlerweile habe ich auch keine Angst mehr, dass mir beim ersten Augenblick, ich dem ich meinen Foto aus der Tasche hole, mir der selbige gestohlen wird und so gelingen mir noch ein paar schöne Bilder von ebenso schönen und noch viel teureren Villen auf den Hügeln Windhoeks. Unvorstellbar, dass nur ein paar Kilometer weiter, in Kaututura, die Menschen in Wellblechhütten hausen, in denen es weder fließendes Wasser noch Elektrizität gibt! Zurück im Roof of Africa, 12

versuche ich zunächst, meine prepaid Air-One-Simkarte zum funktionieren zu bringen. Noch keine zehn Minuten bin ich im Raum, als schon das Telefon klingelt: Andrew ist dran; meine Bekanntschaft von gestern! Er hat meine Nachricht erhalten und bittet noch um meine Handy-Nummer, da er wohl in Otjiwarongo nicht zuverlässig Emails schreiben kann. Das Vorhaben “namibian airfare” erweist sich leider als nicht erfolgreich - ob es an meinem mangelnden Unverständnis liegt; oder einfach daran, dass mein Company Phone für solche Schweinereien wie namibische Prepaid-Karten gesperrt ist, weiß ich nicht; jedenfalls wird keine der PIN-Nummern akzeptiert und das Telefon bleibt “eingeschränkt tauglich” – d.h. ich kann nix aber auch gar nix machen. Aktion abgebrochen; aber zumindest der Computer funktioniert noch, und so tippe ich die Erlebnisse meines ersten vollen Namibia-Tages, bevor ich mich “fein” mache für Joe’s Beerhouse, dass, wie ich zu meiner Begeisterung festgestellt hatte, gar nicht weit weg sein konnte und ebenfalls an der N. Mandela Road liegt. Fünf Minuten Gehzeit; und die Nelson Mandela Avenue sei eine der sichersten in Windhoek - na also! Besser geht’s nicht; und in der Tat waren es kein halber Kilometer bis zum Eros Shopping Center, wo gleich daneben das Beerhouse liegt. Beerhouse - das klingt nach gemütlichem Keller; einer kleinen Bar und vielleicht 3-4 Tischen, an denen Maßkrug-stemmende Bayern oder Biker mit Bierbäuchen sitzen. Oder nach Hofbräuhaus - gemütlich; aber “etwas” mehr Tische. In Joe’s Beer House sieht’s etwas anders aus: man sitzt meist im Freien; es sind gibt sehr viele Tische; mittendurch führen geschotterte Wege; und an der Wand hängen keine Maßkrüge oder Fassdeckel, sondern vielmehr Hirschköpfe und - Jägermeister-Werbung; Jägermeister-Devotionalien überall - und sogar die Decken der einzelnen Bars (ich habe mindestens vier gezählt) sind mit JägermeisterFlaschen dekoriert! Als vergleichbares Lokal fällt mir nur das ... an der LeopoldStraße in München ein, wo man ebenfalls unter reetgedeckten Hütten sitzt. Allerdings ist es im ... unmöglich, mit einer Rechnung von (zugegeben: umgerechnet...) nur knapp über zehn Euro zu bezahlen. Das kann man in München noch nicht mal schaffen, ohne etwas zum Essen zu bestellen. Hier in Windhoek verzehre ich für 130 N$ ein wirklich unvergleichlich leckeres, zartes Gemsbok-Filet. 13

Mit Knoblauchbutter, gebratenen Champignons und Steakhouse Fries. Und ein Bier. Und einen Jägermeister - den es gratis dazu gibt. Ich habe Glück, dass ich alleine bin, denn die Kneipe ist übervoll - schließlich ist es Freitagabend. Immerhin scheint die Sechsergruppe, die sich gleichzeitig mit mir um einen Sitzplatz bemüht hatte, diesen, als ich zwei Stunden später das Lokal satt und hochzufrieden verlasse, schon bekommen zu haben. Die Wartezeit aufs Essen hatte mir eine Reisegruppe (ein flotter Dreier) aus Düsseldorf und - Pfaffenhofen! verkürzt, indem sie mir einige Tips für die Kontrolle meines Mietwagens gegeben haben. Die drei hatten wohl schon mehrere Abenteuerreisen mit dem 4x4 durch die entlegensten Parks Südafrikas unternommen, und waren gerade von einer zweiwöchigen Reise durch den Süden Namibias zurückgekehrt. Sie waren, wie sich im Laufe des Gespräch rausstellet, im gleichen Hotel untergebracht wie ich - allerdings wohl weitaus weniger zufrieden, da sie wohl sehr lange auf ihr Zimmer hatten warten müssen. Etwas neidisch schienen sie schon, als ich erzählte, dass ich meine Reise noch vor mir hatte, während sie am nächsten Morgen schon um fünf Uhr würden aufstehen müssen! Auf dem Nachhauseweg, keine 100m vom Hoteleingang weg, wurde ich noch von einem Schwarzen angesprochen, der sich nicht abwimmeln ließ. Wie er erzählte, wohnte er in der Nachbarschaft (die ja keine schlechte war); allerdings war mir doch nicht ganz wohl, als er nicht nachgab und unbedingt noch ein Bier mit mir trinken wollte. Ich bat ihn, mich zurück ins Hotel zu begleiten, um nicht den Anschein von Angst zu erwecken, und entschuldigte mich anschließend, dass ich zu müde sei. Eine (selbstverständlich falsche) Telefonnummer gab ich ihm auch noch, so dass er sich letztendlich trollte. Ich weiß nicht, ob ich hier einfach nur übervorsichtig oder über-ängstlich gewesen bin, schließlich muss ja nicht jeder, der einen in Afrika abends um zehn Uhr anspricht, gleich was schlimmes im Schilde führen... aber letztendlich wollte ich’s dann doch nicht drauf ankommen lassen und meine, mich so zumindest gut aus der Affäre gezogen zu haben. “Zuhause” angekommen, genieße ich noch den lauen Abend, gemütlich auf der Terrasse sitzend. Wie zuhause in Hallerstein fängt nach zehn Minuten eine der Gänse an zu kreischen - was einen in der Stille der Nacht ganz schön erschrecken kann! 14

Windhoek – Kalahari (Mariental, Kalahari Anib Lodge) “Kurz vor acht” scheint meine Afrika-Aufstehzeit zu werden. Dieses Mal weiß ich, wie das Frühstück funktioniert, und weise bei der Gelegenheit gleich eine gebürtige Äthiopierin ein, die gerade von den USA nach Namibia übergesiedelt ist und sich momentan noch auf Wohnungssuche befindet. Obwohl ich schon am Vorabend größtenteils gepackt hatte, brauche ich doch noch über eine Stunde, bis ich mich auf den Weg machen kann. Bevor ich mich aus der Zivilisation verabschiede, möchte ich gerne noch etwas mehr Vertrauen in mein Auto gewinnen denn beim Kurzcheck des Bordwerkzeugs stellte sich in der Tat raus, dass mein Wagenheber zwar auf einer befestigten Straße gut funktionieren; auf Sand aber kläglich einsinken würde. In Kombination mit drei vollständig abgefahrenen Reifen und der Tatsache, dass ich bei weitem nicht nur reifenschonendes Terrain zu befahren gedenke, ist mir das Risiko einfach zu hoch, bei einer (sehr in dem Zustand des Fahrzeugs sehr wahrscheinlichen) Reifenpanne vollständig auf die Gunst eventuell vorbeikommender Reisender angewiesen zu sein. Glücklicherweise ist die Europcar-Station Windhoek-Stadt nicht weit weg. Ab halb elf sei diese besetzt, findet man im Hotel noch für mich raus. Bis dahin habe ich noch etwas Zeit totzuschlagen, und so gehe ich im benachbarten Supermarkt noch das Allernötigste einkaufen - z.B. Dauerwurst. Obwohl mir von einem Promoter sehr leckere Wiener zum Probieren angeboten waren - und ich das Argument, dass man dem drohenden schnellen Verfall der Würstchen bei Hitzelagerung im Auto durch Kauf einer Kühlbox würde vorbeugen können, durchaus einleuchtend war! Immerhin konnte ich einen Adapter für die sehr außergewöhnlich geformten Namibischen Steckdosen besorgen; nebst acht Litern Wasser, einem EnergyDrink und einigen Früchten. Um halb elf stehe ich vor dem Eingang des Europcar-Büros - aber nix rührt sich; keiner zuhause (obwohl an der Tür steht, dass die Station am Samstag schon ab acht Uhr geöffnet haben sollte!) Ein hilfsbereiter Nachbar aus dem Immobilienbüro nebenan stellt sein Handy zur Verfügung und findet raus, dass die Europcar-Dame noch schnell etwas hatte ausliefern 15

müssen, aber in wenigen Minuten zurück sei. Das war sie denn auch. Hörte sich geduldig meine Sorgen an; ließ von ihrem Mitarbeiter die Profiltiefe prüfen (1 x 8mm, 2 x 3mm, 1 x 2mm) - aber kann dann leider auch nix machen, obwohl sie feststellt, dass die Mindestprofiltiefe, ab der Europcar wechselt, 3mm ist. Man müsse erst zu einer Reifenhandlung fahren, dort ein “Gutachten” erstellen lassen, dies zur Zentrale schicken, dort auf Approval warten, bevor die Reifen ersetzt würden. Wie lange das dauern würde? - Entsetzt sah sie mich an; schließlich war ja Wochenende! Ich schlug vor, dass ich versuchen würde, zumindest bis Swakopmund durchzukommen, dass ich dort aber die Reifen gewechselt haben wollte. Also folgte ich ihrem treuen Gehilfen zur Reifenwerkstatt des Vertrauens und ließ das Gutachten erstellen. Ergebnis: (1 x 8mm, 1 x 3mm, 2 x 2mm). Kurzentschlossen beschloss ich, einen Reifen einfach selbst zu kaufen, um zumindest das Risiko zu minimieren - umgerechnet 35Euro war mir das durchaus wert. Drei eifrige Helfer begannen sodann, die Reifen so zu arrangieren, dass die zwei besten (also das Ersatzrad und der neue Reifen) an der Vorderachse ihren Platz fanden, und die beiden schlechteren auf der Hinterachse montiert wurden. Als Karen, die Chefin der Niederlassung von meiner Aktion erfährt (und von meinem Ansinnen, das Geld natürlich zurück zu verlangen), nimmt auf einmal die Issue eine unerwartete Wendung: ich werde nochmals zur Kasse gebeten - und bekomme auf der Stelle mein Geld zurück! Kurz nach zwölf ist auch diese Aktion überstanden, und nach einer kurzen Suche im “Industriegebiet Süd” nach der B1 - der HauptStraße in Richtung Süden - bin ich endlich “On the Road”. Die ersten 40 Kilometer nach Windhoek verlaufen durch eine interessante, felsige Hügellandschaft; mit malerischen Kurven und im schönen Mittagslicht leuchtenden gelben Felsen. Kurz vor Rehoboth, der nächsten “größeren” Stadt, wird dann die Landschaft zunehmend flacher und uninteressanter. Ein kurzer Blick in die Karte und den Reiseführer weist eine landschaftlich schöne Talsperre, den Lake Oanob, aus. Kurzentschlossen biege ich an der Wegweisung zum Lake Oanob Ressort rechts ab - auf die erste Schotterpiste meiner Tour! Oje, hier bekomme ich erste Bedenken, ob mein Auto selbst mit neuen Reifen so eine Tortur durchhalten würde! Nach wenigen Kilometern erreiche ich 16

ein Gate, wo mir 15N$ permission fee abgeknöpft werden. Trotz schlechter Schotterpiste ist der Aussichtspunkt schnell erreicht, und ich packe meinen ersten Road-Apfel nebst dem Orangensaft; als Abwechslung zum Wasser, aus und genieße die Aussicht auf den See, wo sich sogar ein Wasermobilfahrer vergnügt, und die dahintergelegene, wirklich sehr schön gelegene Lodge. Leider ist die Ruhe nicht von langer Dauer - denn die Wolken, die bereits kurz hinter Windhoek erste Tropfen geschickt hatten, machen jetzt ernst und es ergießt sich ein - wenn auch nur fünf Minuten langer - Wolkenbruch. Entnervt fliehe ich zurück ins Auto und fahre die wenigen Kilometer bis nach Rehoboth hinunter. Da es immer noch nieselt, und ich lieber schnell vorankommen möchte, verzichte ich auf einen Stopp in Rehoboth und nehme die Strecke bis zur nächsten Stadt Kalkrand - in Angriff. 70km sind auf einem Schild ausgewiesen. Ich fahre die unendlich scheinende meist geradlinig verlaufende B1 entlang - 60km - immer noch geradeaus - 50km - kein Landschaftlicher Anhaltspunkt - 40km - irgendwann beginnt man, sich sogar über die Kilometerangaben zu freuen, die pünktlich alle 10km auftauchen! Als schließlich der Hinweis auf den nächsten Etappenpunkt - Mariental - auftaucht, wundere ich mich zunächst, ob ich wohl Kalkrand irgendwie übersehen hatte! Und in der Tat: die eine Tankstelle, die ich passiert hatte, mit angeschlossenem Wohnhaus, war wohl Kalkrand gewesen. 10km vor Mariental, so weist mir die Wegbeschreibung, muss ich nach links zur Anib Lodge, meinem Tagesziel, abbiegen. Juhuu, ich darf also 10km abziehen von der KM-Angabe bis nach Mariental! Die Abbiege-Aktion bringt keine wirkliche Abwechslung; zumindest war die Farbe der Landschaft kurz vor Mariental urplötzlich von gelbem Grasbewuchs auf schwarz gewechselt. Ein Grasbrand hatte scheinbar weite Flächen Gras niedergebrannt, wodurch die umgebenden Erhebungen wie auf dem Mond wirken. 24km sind’s noch bis zur Lodge; der Weg verläuft auf der geteerten Straße nach Stampried. Als links der Wegweiser erscheint, werde fahre ich gleich an der Straße, natürlich erst, nachdem mein Name und Autokennzeichen notiert wurden, schon auf dem Gelände der Lodge. Durch weichen roten Kalahari-Sand wühlen sich meine Reifen, bevor nach weiteren 3 Kilometer das Hauptgebäude erreicht ist. Die davor parkenden mindes17

tens zehn Game Drive Vehicles lassen erahnen, dass es sich hier nicht wirklich um eine kleine, familiär geführte Lodge handelt. Tatsächlich treffe ich hier meine Bekanntschaft vom Flughafen wieder, welche ihre DER-Reisegruppe gefunden hatte und jetzt im Reisebus unterwegs war. Zum Sundowner Game Drive bin ich knapp zu spät, und so beziehe ich in Ruhe mein schönes, im afrikanischen Stil eingerichtetes, Zimmer. Unter Donnergrollen wasche ich mir unter der wohltuend kühlen Dusche den Dreck des Tages vom Körper - und es plätschert sogar noch, als ich längst aus der Dusche raus bin: es regnet!! - und das mindestens eine halbe Stunde lang! Der Österreicher aus dem Zimmer neben mir trifft den Nagel auf den Kopf: Vielleicht gehen wir ja in die Geschichte Namibias ein als die Gruppe, die den Regen gebracht hat?? Ich bin froh, den Sundowner Gamedrive nicht mehr geschafft zu haben - schließlich werde ich noch zwei weitere Tage hier sein, und genug Zeit haben, die Lodge und die Kalahari drumrum mit einer Wanderung und den angebotenen Game Drives zu genießen. Und - nachdem der DER-Bus geschlossen mit den Geländewägen unterwegs zu sein scheint, ist es ruhig in der Lodge, und ich genieße den Wind, der vor meiner Terrasse über die Weite der Kalahari weht, bei einem Glas Brandy, der als Welcome Drink schon auf dem Zimmer steht. Von meinem Rundgang durch die Lodge, um auch einige dokumentarische Fotos zu machen, zurückgekehrt, komme ich gerade richtig, um noch den schönsten Sonnenuntergang vor Afrikanischer Kulisse zu erleben, den man sich vorstellen kann: genau zwischen zwei Bäumen, schiebt sich die Sonne zwar zunächst hinter eine Wolke, um aber kurz darauf mit vielen Strahlen, die Wolken über sich erleuchtend, wieder aufzutauchen und in einem blutroten Ball am Horizont der afrikanischen Wüste zu versinken. Noch Minuten später leuchtet die sich vor meiner Terrasse erstreckende Savanne blutrot. Letztendlich werde ich mich doch losreißen müssen, wenn ich nicht das tolle viergängige Menü verpassen wollte. Vorher registriere ich mich noch zum Early18

Bird-Gamedrive. Man platziert mich an einen Einzeltisch, von welchem aus ich noch nicht mal den “rest of the pack” sehen kann - ziemlich einsam. Das bekommt scheinbar einer der Guides (wie ich später erfahren sollte: ein persönlicher Guide eines Schweizer Ehepaares) mit und lädt mich ein, mit den dreien an einem Tisch zu sitzen, was ich auch erfreut annehme. Es bedarf nur weniger Sätze, um festzustellen, dass ich hier wohl sehr viel Glück gehabt hatte: die beiden Schweizer (zumindest der männliche Part davon) waren nur zum fotografieren hier, und hatten beide schon 16-mal Namibia bereist. Nicht nur konnten mir die beiden (Hans-Peter, ..., sowie ihr Guide Wayne) wertvolle Tipps, z.B. zum Fotografieren in der Namib geben. Sie bieten mir auch an, mich morgen noch früher als den Rest (und somit auch mit mehr Vorlauf bis zum Sonnenaufgang ausgestattet) auf eine private Foto-Ausfahrt mitzunehmen. Was ich natürlich sehr sehr gerne annahm! Allerdings bedeutete das: noch mal früher aufstehen. 4:45 Uhr!! Aber ich freue mich sehr, mit Wayne und seinen beiden Schützlingen (anstelle einer bunt gewürfelten Bus-Reisegruppe) den Namibischen Sonnenaufgang über der Kalahari genießen und fotografieren zu dürfen. Obwohl wir viel Diskussionsstoff anrissen (vor allem das Thema Naturschutz hat es Wayne angetan), unterbrochen von der Ansage des Menüs in drei Sprachen (eine davon die Klicklaut-Sprache der Damara) und einer tänzerischen und musikalischen Vorführung des Personals, brechen wir die Runde um kurz nach zehn Uhr auf, um in wenigen Stunden wieder fit zu sein für unseren even earlier Morning drive. Schon lustig: die beiden Schweizer wohnen in Nussbaumen - und nach kurzer Überlegung ist mir eingefallen, dass ich dort schon war und jemand kenne - natürlich kennen sie ihn auch: Dominik Heil, den Schwager von Sebastian - der allerdings schon seit einem Jahr nicht mehr in Nussbaumen ist. So erfährt man die Veränderungen in der Familie seines Ex-Freundes in der Weite der Kalahari! In dieser Nacht finde ich keinen rechten Schlaf; jedes Geräusch bringt mich aus der Fassung, alle zwei Stunden werde ich wach, mein T-Shirt ist nassgeschwitzt, weil kein Luftzug das Zimmer kühlt und jede Riesenheuschrecke, die gegen mein Fenster springt, klingt als würde jemand anklopfen - aber zum Ende der Nacht (so gegen vier Uhr) scheine ich doch eingeschlafen zu sein, da ich träu19

me, den Foto-Drive zu verpassen - weil ich mein Zimmer nicht wiederfinde, wo ich noch etwas hätte holen wollen! Zum Glück ist es nur ein Traum, und wenig später weckt mich mein Handy pünktlich um viertel vor fünf. Fünf Minuten später klopft’s wirklich - diesmal ist es aber nur Wayne, der zum Wake-up-call gekommen ist. Die beiden Schweizer sind schon beim Kaffee; und so brechen wir um zwanzig nach fünf im offenen Geländewagen auf in die noch dunkle afrikanische Nacht. Auf einer der höchsten Dünen halten wir an. Mittlerweile ist es schon so hell geworden, dass man erkennen kann, was nachher zum baldigen Sonnenaufgang die lohnendsten Motive zu sein versprechen. Hans-Peter ist sofort in den Dünen verschwunden. Ihn sollen wir die nächsten zwei Stunden nicht mehr sehen. Wir, das ist Linda, sein Frau; Wayne, unser Fahrer und ich. Auch ich bringe mein Stativ in lohnenswerte Positionen und schieße einige wunderschöne Aufnahmen der morgendlichen Kalahari. Kurz vor sechs Uhr endlich zeigt sich, dass das frühe Aufstehen voll gelohnt hat: obwohl es wolkig ist, geht die Sonne sichtbar, zwar von einigen Wolken teilweise verdeckt, dennoch sehr malerisch, über dem Horizont auf und verwandelt den Himmel in ein sich ständig wandelndes Farbenspiel. Auch in der Sonne nicht zugewandte Richtungen erscheinen tolle Wolken- und Farbenformationen. Auf der der Sonne abgewandten Seite der Düne erstrahlt die Kalahari im wunderschönen Morgenlicht, und ich komme mit dem Wechseln der Objektive gar nicht nach. Unser Fahrer hat an alles gedacht, sogar der Tisch (an dem normalerweise wohl der Sundowner stattfindet) ist gedeckt, und so können wir uns zwischendurch sogar an heißem Kakao stärken. Zwischendurch sehen wir neben der Herde Springböcke, die im Gras weidet, auch ein zweibeiniges Tier: es ist Hans-Peter, der die Dünen in weitem Bogen umrundet, um die schönsten Fotomotive zu finden. Als Gag versuche ich, Hans-Peter mit meinem neuen Spiegeltele einzufangen - ob das aber trotz des stark wehenden Windes und mit meinem beileibe nicht super-hochwertigen Stativ gelungen ist, wird sich erst zu20

hause rausstellen - schließlich fotografiere ich noch klassisch-analog und kann nicht sofort den Bildschirm der Kamera konsultieren! Neben dem Fotografieren und Experimentieren mit Motiven, Einstellungen und Farbenspielen macht es mir große Freude, mit dem tollen Fernglas von Wayne die Herde Springböcke zu beobachten, die sich immer noch auf der Düne nebenan tummelt. Als schließlich Hans-Peter mal wieder kurz zu sehen ist, kann Wayne es sich nicht verkneifen, diesen mit der Bemerkung “Breakfast won’t be waiting ... I’m hungry!” wieder dazu zu bewegen, zu uns zurück zu kommen, damit wir uns auf den Weg zurück zur Lodge machen können. Gerade noch rechtzeitig, viertel vor neun, kommen wir dort an und stärken uns an Ei, Speck - und sogar Nutella ist da! Das Dreiergespann muss leider schon bald weiter, denn bis zum Köcherbaumwald haben sie noch einige Kilometer vor sich. Wir tauschen Adressen aus, mit dem Versprechen, uns die schönste Aufnahme gegenseitig zu schicken. Mittlerweile macht sich bei mir doch der fehlende Schlaf bemerkbar, und schließlich habe ich ja Urlaub, und so lege ich mich noch für zwei Stunden zur Ruhe. Gegen zwölf Uhr jedoch hält mich nichts mehr im Bett, und zwischendurch ist es auch schon wieder ganz schön heiß geworden. Ich lese noch einige Kapitel in meiner Nelson-Mandela-Biographie, bevor mich mit Nachdruck wieder die Wüste ruft, denn ich möchte ja gerne zumindest einen der kürzeren Trails erwandern. An der Rezeption bekomme ich nicht nur die Karte, sondern trage mich auch gleich für den abendlichen Sundowner Game Drive ein. Der kürzeste Weg ist ca. 5km lang hierfür wird 2h veranschlagt. Der längste ist knapp 10km und wird mit 4h Gehzeit beziffert. Beides erscheint mir ziemlich lang - aber ich würde mich ja auf dem Weg noch entscheiden können, wie weit ich gehen wollte. Nach 20min. ist bereits die erste Abzweigung erreicht - also der kürzeste der Wege ist wohl eindeutig zu kurz, die Hälfte dessen hätte ich demnach schon geschafft! Eine Herde Springböcke kreuzt meinen Weg und begleitet mich ein Stück. So ist auch die Abzweigung zum längsten der Wege flott erreicht, also fällt mir die Entscheidung nicht schwer, diesen auch in Angriff zu nehmen. Zweifel kommen mir nur, als es zu regnen beginnt und ich sogar ernsthaft nass werde - in der Wüste!! Alles hätte ich gedacht... Zwei mal ist der Pfad nicht ganz eindeutig ausgeschildert - an 21

einer Weggabelung kann ich nur raten, dass ich mich hier wohl besser links halten müsste. Aber meine Vermutung, dass der Wendepunkt an dem von weitem sichtbaren Windrad ist, bestätigt sich. Am Wendepunkt weist der Pfeil zwar wie auf der Karte ersichtlich v-förmig zurück, zum anderen “Ufer” des TrockenFlussbetts - aber Weg ist keiner mehr erkennbar. Ich erinnere mich, von der anderen Seite des Flussbetts einen der markanten Pfeile erspäht zu haben und laufe einfach das Flussbett entlang. An eben diesem Pfeil biegt der Weg wieder aus dem Flussbett weg und in die Savanne hinein. Nach wenigen Metern treffe ich auf eine Herde Gnus. Diese beäugen mich zwar leicht misstrauisch, lassen sich jedoch nicht bei ihrem Mittagessen stören sondern schnauben nur gut hörbar vor sich hin. Ein unvergessliches Erlebnis, so nahe bei den Tieren; ohne laufenden Motor, nur Stille und die Laute der Gnus! Ein paar Meter weiter ein einzelnes Tier: ich erinnere mich an mein Erlebnis in der Masai Mara, als wir Zeuge sein durften, wie ein einzelnes Gnu von zwei Löwinnen erlegt wurde - und hoffe inständig, dass dies nicht hier auch der Fall sein würde. Nicht, weil ich nicht gerne noch mal so ein Schauspiel erlebt hätte.. aber weil ich mir nicht sicher gewesen wäre, dass Mensch für die Löwen (die es in diesem Gebiet der Kalahari höchstwahrscheinlich nicht gibt, sonst dürfte man wohl auch nicht frei drin rumlaufen) nicht eine willkommene Abwechslung gewesen wäre! Mittlerweile bin ich mir nicht mehr vollständig sicher, ob ich richtig gehe - denn eigentlich bin ich ja schon auf dem Rückweg; aber ich vermute die Lodge in einer ganz anderen Richtung als die, die der Pfad nimmt! Abzweigung kann ich aber keine verpasst haben, und so beschließe ich, noch ein Stück geradeaus zu gehen. In der Tat stoße ich schon nach wenigen Minuten auf das nächste Hinweisschild, wo der mittel-lange der drei Wege sich bereits wieder mit meinem vereinigt. Kurz darauf bekomme ich nochmals Zweifel, wohin ich gehen muss: ich komme zu einer Abzweigung, wo sich kein Schild befindet. Im ersten Affekt gehe ich geradeaus um aber nach einem kurzen Blick auf die Karte festzustellen, dass sich an dieser Stelle der Weg vom Flussbett abwenden sollte, und ich also links hätte gehen sollen. Das tue ich dann auch, und nach ziemlich genau zwei Stunden bin ich wieder zurück an der Lodge - gerade noch rechtzeitig vor dem zweiten Bus - der 22

erste ist schon da, was sich durch die lautere Geräuschkulisse, die aus den Räumen klingt, schnell bemerkbar macht. Wieder zurück auf meinem Zimmer, entledige ich mich der lästigen Steine aus den Schuhen und streife meine nassen Klamotten ab. Der nächste Regenguss lässt nicht lange auf sich warten, und ich nutze die Zeit bis zum Game Drive, um in Ruhe mein Tagebuch zu schreiben und ein paar Zeilen zu lesen. Einige Minuten zu früh, lasse ich mich noch an einem der Bartische nieder, um die Neuankömmlinge zu mustern. Man trägt wohl ausnahmslos Safari-Hosen; die Damen sind frisch geschminkt, und die Unterhaltungen drehen sich vor allem darum, in welcher Situation man wohl “den Löwen” heute antreffen würde - aha, die Herrschaften waren wohl schon in Etosha! Aus meinen Begegnungen während der Wanderung (und der Tatsache, dass ich diese alleine machen konnte) schließe ich haarscharf, dass wohl zumindest keine Löwen zu erwarten sein würden, sondern dass der Reiz dieses Game Drives eher aus den kleinen Begegnungen bestehen würde. Ich komme in den “Restewagen” - also das Auto, wo all die drauf sind, die nicht zu einer der beiden großen Reisegruppen gehören, die heute angekommen sind. Glücklicherweise haben wir keine kichernden allwissenden Studiosi an Bord, sondern meist Leute, die sich wie ich auch über ein paar kleine Springböcke bereits freuen konnten. Die gibt es zu Hauf in der Kalahari - dafür keine Impalas, die dafür im Etosha meist im praktischen Mehrfachpack anzutreffen sind. Außer Springböcken erfahren wir Wissenswertes über die Webervögel, die in dieser Gegend - im Gegensatz z.B. zu Ostafrika keine Kurzfristwohnungen anlegen, sondern langfristig bauen. Auf einem der Webervögel-Wohnblöcke findet sich ein ungebetener Gast: eine Schlange; eine Yellow Cape Cobra - eine sehr giftige Schlange, weswegen wir zwar aussteigen dürfen (ob der fehlenden Raubtiere hier insgesamt kein Problem), aber stark davon abgeraten wird, sich direkt unter dem Baum mit dem Nest zu stellen (um z.B. direkt nach oben, in den Eingangsbereich der Webervögelnester zu fotografieren). Wir erfahren über die Unterschiede des südafrikanischen Plane Zebras (dreifarbig) zum Standard-Zebra, das (natürlich!) schwarz-weiß (also zweifarbig) ist, und kommen an einem sterbenden Oryx-Antilopen vorbei, den uns vorher 23

bereits mehrere schon wartende Geier haben vermuten lassen. Die Sonne lässt sich nach mehreren Regengüssen sogar dauerhaft blicken, so dass wir bis kurz vor Sonnenuntergang traumhafte Kalahari-Stimmungen mit unseren Kameras einfangen können. Auf dem Weg zum Sundowner-Viewpoint lässt unser Guide allerdings kurz verlauten “this could be the last time you see the sun today” - und er soll leider recht behalten: diese verschwindet leider noch einige Winkelgrade über dem Horizont bereits hinter einer Wolke, weswegen der Sundowner eher symbolhaft bleibt. Die Sundowner-Bar (mit Gin-Tonic, Wein, Bier, und natürlich einigen Softdrinks) lässt so gut wie keine Wünsche offen. Aufgrund des stärker werdenden Gewitters und des sich verstärkenden Windes fragt ... schon bald nach, ob er jetzt die Bar schließen dürfe. Da niemand gesteigerte Lust hat, tropfnass nach Hause zu kommen (und wenn’s regnet, dann g’scheit - soviel deuten die tiefschwarzen Wolken deutlich an!), wird nicht protestiert, und wir schwingen uns in unser offenes Auto, um die letzen 8-10 Kilometer zur Lodge noch trocken zurücklegen zu können. Trotz mehrerer, in der Tat immer näher kommender Blitze bleiben die meisten trocken - nur zwei erwischt je ein Regentropfen. Beim Dinner bittet mich heute ein Dreiergespann aus Hamburg zu sich an den Tisch. Zwei Damen und ein Herr, diese waren schon seit vier Wochen in Namibia unterwegs; und befinden sich gerade auf der Rückfahrt nach Windhoek. Vier Tage in der Wellness-Lodge lagen noch vor ihnen. Das Ehepaar in der Gruppe hat - ähnlich wie meine Schweizer Bekanntschaft - auch schon viele afrikanische Nationalparks bereist; und ähnlich zu den Schweizern beklagen auch sie, dass die Parks zu voll geworden wären. Nur in Sambia könnte man noch einigermaßen ungestört Wild beobachten. Die Hamburger hatten ihre Reise mit Absicht so geplant, dass sie zuerst in den Norden gefahren waren - denn im Norden seien wohl zuerst die Regenfälle zu erwarten, und so hatte der Regen vermieden werden können. Morgen früh habe ich mich zum Morning Game Drive angemeldet 24

das heißt früh aufstehen - also verabschiede ich mich nach der heutigen Tanzdarbietung in mein Nachtlager. Diese Nacht schlafe ich gut. Erst um kurz vor fünf Uhr weckt mich mein Handy - und Regengetrommel auf dem Dach. Ich beschließe, locker wieder wegzupennen, da ich mir nicht sicher bin, ob der Game Drive bei Regen überhaupt stattfinden würde, und ob man zum Sonnenaufgang losfahren würde oder etwas später - da bei Bewölkung die Sonne sowieso nicht sichtbar sein würde. Eine halbe Stunde später werde ich jedoch vom Weckservice geweckt. Gemeinsam mit einem Fotografen-Paar und weiteren Reisegruppen-Teilnehmern klettere ich in eines der offenen Autos. Schon bald bin ich froh, noch schnell meine Jacke aus dem Auto geholt zu haben; denn aufgrund der fehlenden Sonne ist der Fahrtwind doch sehr kühl. Meine heutigen Mitreisenden waren von den Springböcken weitaus mehr zu begeistern als die Etoshaerfahrene Gruppe des gestrigen Sundowner Drives. Unaufhörlich klicken die Fotoapparate. Wir fahren zunächst auf dem Wanderpfad, den ich gestern erwandert hatte. Und in der Tat - an der gleichen Stelle wie gestern stehen wieder die Gnus. Sogar zwei Schakale bekommen wir kurz zu sehen. Wie die Hasen, die vor uns über den Weg hoppeln, sind diese jedoch zu schnell im Gebüsch verschwunden. Hinter der nächsten Düne wartet eine Herde Oryx-Antilopen auf uns. Einer von ihnen hat gebogene Hörner - eine Krankheit, wie unser Guide erzählt, die jedoch außer dem Schönheitsfehler nicht gefährlich sei - “They get along with that mistake”. Der Oryx, den wir gestern Abend noch im Todeskampf gesehen hatten, war heute jedoch seiner Krankheit erlegen. Noch hatten ihn die Geier nicht gefunden; schon bald würde die Natur bestimmt auch hier den Rest erledigen. Wem’s auch nicht gut geht, war das zweite Auto, das hinter uns fährt. Auf einer Düne halten wir an, und der (deutsche) Fahrer dieses Wagens erklärt, dass sein Auto wohl keinen Wasserdruck mehr hat, und man einen neuen Wagen anfordern sollte. Während wir auf diesen warten, gibt es warmen Kakao eine Wohltat an dem frühen kühlen Morgen. Eine weitere Attraktion an dem Frühstücksplatz sind die beiden Djongololos - afrikanische Tausendfüßler, die lustig an der Hand kitzeln, wenn man sie drüber krabbeln lässt. Den “Hirschkäfer”, den wir ebenfalls im Sand krabbeln sehen, sollte man aber lieber nicht an25

fassen, denn dieser sondert ein Gift ab, das den bespritzten ein starkes Brennen verspüren lässt. Inzwischen ist das Auto aus der Lodge eingetroffen. Leider hat es kein Wasser dabei, und auch an der nahen Wasserstelle gibt es keines, weswegen lediglich die Besatzung in das soeben angekommene (eigentlich zu kleine) Auto umgeladen wird, und der Fahrer des defekten Wagens diesen so wie er ist zurück in die Lodge bringt. Eine interessante Geschichte über die (verlassenen) Straußeneier, die wir am Wegrand sehen, gibt unser Guide noch zum Besten: nicht nur, dass diese eben verlassen werden, weil die Eltern nicht alle Eier, die das Weibchen legt, auf genug hohe Brüttemperatur bringen kann. Nein, teilweise muss ein Straußenpapa sogar mehrere Nester co-betreuen: nämlich dann, wenn er neben seiner Hauptfrau auch noch Liebschaften hat. Fast menschlich, so ein Straußenleben! Wegen der Panne eine halbe Stunde verspätet, kehren wir ziemlich durchgefroren gegen neun Uhr an die Lodge zurück, wo bereits das Frühstück auf uns wartet. Das Frieren sollte auch bald ein Ende haben: gegen zehn Uhr bricht die Sonne durch; die Wolken werden weniger und es wird richtig heiß. So stelle ich mir die Wüste vor! Ich genieße die Tatsache, dass ich nichts und niemandem irgendeine Rechenschaft schuldig bin oder etwas zu verpassen habe und knalle mich einfach nur vor meinem Zimmer in die Sonne. Lese Nelson Mandela, hier und da einen Schluck Wasser, schließe den Entschluss, heute noch mal den Game Drive mitzumachen (vielleicht springt ja doch noch ein Sonnenuntergang raus), brauche noch eine geschlagene Stunde, um mich hochzuraffen, mich anzumelden, wälze meine Karten für die morgige Route, lasse feststellen dass ich den Hardap Pass locker fahren kann.. und faul und lässig isses auch schon wieder halb fünf, und der Game Drive ist da. Die Sonne brennt immer noch - Gelegenheit, endlich mal mein Spiegel-Tele auszuprobieren! Man darf gespannt sein, ob die “Kehrbruch-Regel” (1/Brennweite = längste haltbare Belichtungszeit) auch hier gilt; denn über eine Dreihundertstelsekunde komme ich nicht mal im Wüstenlicht Namibias - was die 26

Oryxe allerdings nicht daran hindert, beim geringsten Annäherungsversuch sofort die kalte Schulter zu zeiten und davon zu trotten. Obwohl wir dieses mal nicht an dem toten Oryx vorbeikommen, sitzen auf dem Baum heute nicht drei oder vier Geier, sondern insgesamt flattern mindestens zwanzig dieser unheimlichen Tiere durch die Gegend. Die Erklärungen der Guides kommen einem nach dem dritten Game Drive schon sehr bekannt vor, aber das kann meine Freude über das herrliche Abendlicht nicht schmälern. Auch am Sundowner Viewpoint das gewohnte Spiel: ratz-fatz, und schon steht die Kalahari-Bar, und Gin Tonic, Wein, Bier und Co stehen zum Ausschank bereit! Die Gruppe besteht aus vielen aus tiefstem Herzen Naturbegeisterten (nicht so viele Pauschaltouristen, die nach Etosha gar nix mehr beeindrucken kann...) und so ergeben sich einige gute Gespräche - aber auch die Chance auf wirklich gute Fotos. Denn die Sonne, die eigentlich schon seit einer Viertelstunde hinter einer dicken Wolke verschwunden gewesen war, zeigt sich - genau richtig! - doch noch mal und versinkt letzten endlich afrikanisch-kitschig glutrot hinter dem Horizont. Selbst nach dem eigentlichen Sonnenuntergang geht das Farbenspiel weiter, denn in den schwarzen Wolken befindet sich ein Loch, in welchem eine weiße Cumulus-Wolke schwebt - die jetzt genau von der Sonne angestrahlt wird, und somit orangerot erscheint! Die gesamte Rückfahrt können wir uns gar nicht vor dem Anblick trennen; und bei einem Stop, um den ich unseren Guide noch extra bitte, entstehen einige genau dieser kitschigen Baum-vor-afrikanischer-Sonne-Bilder, die man gemeinhin so kennt. An der Lodge herrscht diese Stimmung immer noch vor, und mir gelingen noch einige gute Bilder, indem ich den Fotoapparat auf die Holzbohlen in Richtung der Sonne platziere und mich, um Streulicht zu vermeiden, einfach auf die kugelförmigen Wegmarkierer hocke. Nach weiteren zehn Minuten ist das Farbenspiel jedoch endgültig vorbei. Ich entschließe mich, trotz “Staubhose” diese doch noch kurz durchs Wasser zu lassen, um nicht allein schon durch das Tragen meiner Hose dreckig zu werden. Am Abendessen winkt mich schon das Fotografenpaar aus Berlin zu sich (er heißt wohl Lutz - Namen haben wir keine ausgetauscht) zu sich, und so ergibt sich eine recht nette Unterhaltung über vergange Afrika-Abenteuer. Nach den (für mich mittlerweile schon obligatori27

schen) Afrika-Songvorführungen der Lodge-Mitarbeiter verabschiede ich mich zur guten Nacht, da morgen mein erster wirklicher Schotter-Fahr-Tag auf dem Plan steht. Kalahari – Sossusvlei (A Little Sossus Lodge) Die ersten 100km durch’s Niemandsland sind ja sogar noch geteert: bis Maltahöhe geht’s auf schnurgerader Piste, und ich komme zügig voran. Aber gleich hinter dem kleinen Örtchen hört die Straße auf: links geht’s nach Helmeringhausen; rechts nach Solitaire. Beide Orte sind mehr als 150km entfernt; viel mehr gibt’s dazwischen nicht. Ich biege links auf die C19 in Richtung Helmeringhausen ab. Anfangs noch recht holprig und steinig, gleitet man auf der C19 meist scheinbar schwerelos auf grobem Sand dahin - bis man von einer kurzen Wellblech-Passage, die das Auto kräftig durchrüttelt, wieder in die Realität zurückgeholt wird. Leider fehlen die “50km - 40km - 30km - ....”Entfernungsangaben auf den SchotterStraßen; und so bleiben nur die Abzweigungen, die so alle 2030km eingezeichnet sind, als Orientierung. Zusätzlich merke ich mir das jeweils letze Anzeichen menschlichen Lebens - so im Schnitt alle 10-15km tauchen an der Straße Hinweisschilder zu Farmen oder Eingangstore auf. Denn noch immer schwebt die Angst mit, im Falle eines Plattfuße ganz allein Reifen wechseln zu müssen und nicht klar zu kommen - und dann ist es gut zu wissen, wie weit die nächste Hilfestellung entfernt wäre!. Viel Verkehr ist auf der C19 jedenfalls nicht. Vier oder fünf Autos auf 100km kann nicht wirklich “viel befahren” genannt werden! Die ersten 60km vergehen gefühlt schneller als auf der langweiligen Teerstraße, es geht ständig leicht bergauf und als ich schließlich auf der Anhöhe herrlich anzusehende Berglandschaften auftun (die Nubibberge, wie mir 28

ein Blick auf die Karte zeigt), frage ich mich, ob ich den mit etwas Bangen erwarteten Zarishoogte-Paß, den ich würde überwinden müssen, etwa schon hinter mir gelassen hatte, ohne es zu merken! Zunächst mal gönne ich mir eine Rast mit herrlichem Ausblick; schon etwas selbstbewusster, was das Schotterfahren und das Durchkommen mit meinem alten Golf anging. Tatsächlich, wenige Meter später steht das Schild zum Zarishoogte Paß - auf der Passhöhe war ich bereits. Bergab ging’s zwar etwas steiler zu als aufwärts, jedoch war auch diese kurze steile Passage schnell und ohne Probleme genommen. Ein mit Wasser gefüllter Wegabschnitt ließ mich die vier Sekunden, die ich beim Drauf zufahren zum Drüber-Nachdenken hatte, mal kurz daran erinnern, dass man in solchen reißenden Gewässern auch durchaus versinken kann - aber in der dreieinhalbsten Sekunde entschloss ich mich, einfach durchzufahren - was ohne Probleme gelang; die reißenden Wasser sind nicht mehr als eine Pfütze, die immerhin mein Auto malerisch braun einfärbt. In der Mittagshitze kann man die Wüste bereits spüren - und trotzdem tun sich immer wieder auch grün aussehende Hänge auf, was mit dem gelben trockenen im Wind wiegenden Gras einen herrlichen Anblick, vor der grandiosen Kulisse der braunen schroffen Nubib- und Tsarisberge, bietet. Eine halbe Stunde gleite und rattere ich durch die Wüste; und schon erscheinen die ersten Sossusvlei-Lodges. Weit kann’s nicht mehr sein. Und in der Tat, schon um kurz nach ein Uhr habe ich die Little Sossus Lodge erreicht. Die Lodge erscheint zunächst verlassen, aber der Inhaber schreckt sogleich von seinem Mittagsschlaf auf und erklärt mir die verschiedenen Procedere: wann gibt’s Essen; wie ist der Ablauf, ob ich morgen mit zum Ausflug möchte, wo ist der Pool usw. Mein kleines Steinchalet, mit aus Steinen gemauerter Dusche, Moskitonetz und Terrasse mit herrlichem Blick auf die Nubib-Berge ist sehr liebevoll dekoriert: die Handtücher sind wunderschön zu Muscheln gefaltet, werden von Bast umbunden in Form gehalten und sind mit getrockneten Orangen und Paprika 29

verziert. Bevor ich mein Reich richtig in Beschlag nehme (und insbesondere alles in Unordnung bringe), mache ich erst mal Fotos von den tollen Arrangements. Dann aber nix wie unter die Dusche: diese wird, wie mir der Besitzer vorher erklärt hatte, zwar nur zweimal täglich für heißes Wasser geheizt; aber erstens ist hier bei weit über 35° selbst das kalte Wasser nicht wirklich kalt; und zweitens braucht man auch kein heißes Wasser, wenn man sowieso schon schwitzt und die Luft vor Hitze schwirrt! So erfrischt, mache ich meinen obligatorischen Foto-Rundgang durch die Lodge. Der Pool macht einen sehr einladenden Eindruck, und so geselle ich mich mit meinem Reiseführer und der NelsonMandela-Biographie zu einem Schweizer und einem Stuttgarter Paar sowie zwei weiteren Deutschen Mädels. Nach zwei Stunden Ruhe und Lesen drängt es mich, doch noch eine kleine Exkursion in die Gegend zu unternehmen. Der Lodge-Inhaber kann eine kleine Wanderung auf einen der umliegenden Berge empfehlen, 4km mit dem Auto von der Lodge; vom der Sossusvlei Camp Site aus geht’s nach oben. Der “Berg” (ich nehme mir ob der immer noch guten Hitze nur den kleineren der beiden vor) ist schnell erklommen, und von oben ergibt sich ein toller Ausblick über das ganze Tal von mindestens 50km in beide Richtungen. Ich genieße die letzen Strahlen der Abendsonne. Um viertel nach sieben, so gibt das Procedere vor, soll ich zurück an der Lodge zum Dinner sein. Und so kann ich leider den Sonnenuntergang nicht oben abwarten. Auf der kurzen Heimfahrt jedoch kann ich nicht widerstehen und bleibe mehrmals stehen, um die sich ständig ändernden Lichtstimmungen einzufangen. Genau gegenüber dem Eingangstor zur Lodge schließlich ist es so weit, und die Sonne versinkt hinter dem Horizont - genau zwischen zwei Bergen, so dass mir bestimmt einige sehr kitschige (nein: malerische!) Fotos gelungen sind. Jetzt aber nix wie heim; schnell rein gestiegen in die “guten” Klamotten (ich bin Stefans Rat gefolgt und habe eine “Staubgarnitur” und einen Satz Kleidung für die sauberen Gelegenheiten, wie z.B. Abendessen). Kurz nach viertel acht bin ich an der Bar, die anderen Lodgebewohner haben schon ihr Feierabend-Bier geordert. Ein älteres, wohl recht wohlhabendes Rentner-Ehepaar aus Aschaffenburg bittet mich zu sich an den Tisch. Die beiden haben ein paar Tage in Hoachanas verbracht - einem 30

Dorf zwischen Windhoek und Rehoboth. Dort gibt es ein Projekt, das eine weitere Aschaffenburgerin unterhält, und wo die beiden sich mal selbst vergewissern wollten, was hier von einer Deutschen schon seit vielen Jahren geleistet wird. Wir tauschen Erinnerungen aus; die beiden erzählen von H... und den Kindern dort; ich von Uganda und erkläre die Arbeitsweise der Uganda Kinderhilfe. Für morgen sind alle zum Ausflug ins Sossusvlei angemeldet, und das heißt einmal mehr: früh aufstehen! Auch in der Little Sossus Lodge wird gesungen, auch hier ist der Gesang der Angestellten ein schöner Abschluss des Abends. Zurück in Room Number Six versuche ich mich vor dem Schlafengehen noch an einigen Fotos des tollen afrikanischen Sternenhimmels. Falls die nichts werden sollten, bleibe ich selbst noch eine Viertelstunde draußen sitzen und sauge die immer noch warme, duftende Wüstenluft in mich auf. Leider hat es eine Mücke bis unter das Moskitonetz geschafft und piesackt mich die ganze Nacht durch. Dadurch, und auch weil es unter der Decke viel zu heiß ist, schlafe ich zwar nicht fest, fühle mich am nächsten Morgen aber trotzdem wieder unternehmungslustig und freue mich aufs Sossusvlei, Dead Vlei und die Dünen. Viel zu spät fahren wir los, da ein Pärchen, das bei uns im Wagen eingeteilt ist, erst eine Viertelstunde später als vereinbart erscheint. Unser Guide Matthew - ein Himba, wie sich später rausstellt, erzählt bereits während der Anfahrt sehr viel und ausführlich über die Tier- und Pflanzenwelt. Als wir am Tor zum Park ankommen, hat dieser schon geöffnet, und wir erleben den Sonnenaufgang anstelle zwischen den Dünen am Eingangstor. Das herrliche Morgenlicht, welches die Dünen mit scharfen Kontrasten beleuchtet, hält aber noch über eine Stunde an und wiederum steht meine Kamera kaum still. Noch sind die Temperaturen einigermaßen erträglich, und so erklimmen wir zu viert (der dicke Schweizer kommt nicht mit) die berühmte Düne 45. Diese heißt so, weil sie an km45 hinter dem Eingangstor zum Park liegt. 65km sind es bis zum Ende der Straße, welche am trockenen Flussbett des Tschauchab entlang führt. Die letzten fünf km sind nur mit 4x4-Geländewägen überwindbar. Wir haben einen solchen und müssen nicht wie Fahrer eines Personenwagens in die Shuttles umsteigen. Matthew’s Erfahrung im Fahren auf Sand macht sich bemerkbar, denn immer wieder treffen 31

wir auf Autos, deren Fahrer eine ungeeignete Spur gewählt haben und stecken geblieben sind. Nach kurzer Fahrt ist das Ende der befahrbaren Straße erreicht. Um uns rum überall Sand: bis zu 300m hoch werden die Dünen der Namib; um uns rum ist Old Mama mit knapp 100m die höchste Düne. Das Dead Vlei ist der letzte Teil des Tschauchab-Tals - in welches der Fluss jedoch schon seit vielen Jahren kein Wasser mehr hinführen kann, da eine Düne den Durchfluss dorthin absperrt. In dem bisher befahrenen Teil ist es zwar auch in der meisten Zeit trocken - aber hie und da fallen ein paar Tropfen Regen; und dann erblüht die Namib innerhalb weniger Pracht in voller Blüte. Matthew zeigt uns eines dieser kleinen Wunder, indem er Wasser auf eine der Wüstenpflanzen träufelt: nach wenigen Sekunden öffnet diese ihre Kelche und reckt sich der Sonne entgegen! Um zum Dead Vlei zu gelangen, in welchem jedes Leben endgültig gestorben ist, müssen wir noch die Düne überwinden, die sich dem Tschauchab in den Weg geweht hat. Oben tut sich eine irre Aussicht auf die Kalkpfanne mit ihren darin befindlichen, malerisch schwarzen, abgestorbenen Baumfragmenten auf. Zwar wäre die Sicht von einer höheren Düne noch besser - doch mittlerweile ist es schon wieder dermaßen heiß, dass keiner mehr Lust auf einen Aufstieg hat. Stattdessen ziehe ich meine Schuhe aus (die mittlerweile so voll Sand gelaufen sind, dass ich kaum mehr Platz drin habe) und wandere in die Pfanne, um möglichst viele Fotos vom weißen Dead Vlei, den umliegenden roten Sanddünen der Wüste und dem makellos tiefblauen Himmel zu schießen sowie die unwirkliche Stimmung in mir aufzusaugen. Der Rest der Gruppe ist mittlerweile schon etwas ermattet und geht schnell zum Auto zurück, um unter den dortigen Bäumen Schatten zu erhaschen. Matthew schlägt mir vor, nicht auf direktem Weg zurück zu gehen, sondern über eine weitere “Verwehung” noch einen weiteren Teil des Dead Vlei anzusehen. Hier ist es noch unwirklicher wie “drüben”, wo die vielen 32

Leute anzutreffen sind - kein Laut ist zu hören; die Trockenheit der Landschaft und die abgestorbenen Bäume stehen wie ein Mahnmal dafür, wie gut und einfach wir in Europa es doch haben; so viel Süßwasser steht uns zur Verfügung und wie lieb- und achtlos gehen wir doch mit diesem so äußerst kostbaren Wertstoff um! Kaum zu glauben, dass im Jahr 2000, nach den heftigsten Regenfällen seit langem, das ganze Tal unter Wasser gestanden war! Um zurück zum Auto zu gelangen, müssen wir von hier aus noch mal 20 Höhenmeter über eine Düne klettern - was meinen Puls in der Hitze schneller hochklettern lässt als ich das von mir gedacht hatte. Zurück am Wagen gibt’s endlich Frühstück für alle. In den Paketen befinden sich sogar Eier, Joghurt, Sandwiches; wir haben Kaffee und unter den Schatten spendenden dürren Bäumen lässt sich’s gut aushalten! Einen Programmpunkt haben wir noch vor uns: den Sesriem Canyon, der vom Tor aus auf einer 4km langen Schotterstraße zu erreichen ist. Spätestens auf der Fahrt dorthin bin ich sehr froh, nicht selbst gefahren zu sein: der Schotter hier ist spitz und wäre für meinen kleinen Golf nur zusätzlicher Stress gewesen! Der Sesriem Canyon ist zwar mit dem Fish River Canyon oder gar dem Grand Canyon keinesfalls vergleichbar in Größe und Höhe. Trotzdem ergeben sich tolle Ausblicke und Fotomotive, weswegen ich natürlich hinuntersteigen muss - als einzige der Gruppe! Nur Matthew folgt mir; und kümmert sich fast etwas zu rührend um mich... wir wandern eine halbe Stunde im Canyon umher; Matthew versucht, mir mit einer kleinen Schlange Angst einzujagen (was ihm aber nicht gelingt!). Oben angekommen, hat sich der Rest der Gruppe schon im Auto verkrochen - denn weitere Schattenspender gibt es nicht. Zurück am Gate, muss unser Guide noch die Formalitäten erledigen, denn aus irgendeinem Grund hatte das heute morgen nicht geklappt. So kommen wir ins Gespräch mit einer Gruppe Oldtimer-Besitzern - zumeist aus Deutschland kommend und wahrscheinlich nicht gerade arm, durchqueren diese in wunderschönen Wägen (alten Mercedes, Rolls-Royce, Porsche...) die Wüste; von Kapstadt bis ins Kaokoveld! In einem Wagen mit Kelheimer Kennzeichen lasse ich mich ablichten - schon skurril, einen heimatlichen Wagen hier zu sehen; und keinen normalen, sondern einen wahrscheinlich über 50 Jahre alten Volvo!. Unglaublich: die fahren mit nem Por33

sche da lang, wo ich schon um meinen Golf mit weitaus mehr Bodenfreiheit Angst bekomme! Mittlerweile hat Matthew schon Nachricht von der Lodge bekommen, dass er heute nochmals los muss: zum Sundowner am Sossusvlei. Gestern noch hätte mich der brennend interessiert; aber heute bin ich zu faul, um noch mal los zu fahren. Die Sundowner-Gäste sind scheinbar recht ungeduldig, denn während der nur halbstündigen Rückfahrt werden wir zweimal angefunkt wie weit wir denn schon seien... ganz einfach ist so ein Job als Guide bestimmt nicht; und jetzt kann ich Matthew besser verstehen, warum er erzählt, bereits abends um neun Uhr zum Schlafen gehen zu müssen: schließlich ist er an einem Tag wie diesem mehr als 14 Stunden im Einsatz! Noch dazu muss er immer freundlich und gut gelaunt sein; und das auch bei weniger pflegeleichten Gruppen als wir das sind. Sehr überrascht bin ich nicht, als Matthew nach der Ankunft noch kurz bei meinem Chalet vorbeischaut und mich fragt, ob wir uns heute Abend noch kurz sehen könnten. Mit einem “I’ll be around anyway” verabschiede ich ihn zu seiner nächsten Tour - und denke noch lange darüber nach, was wohl im Kopf von ihm vorgegangen sein mag: ist es reine Sympathie für mich, auf die er eine Freundschaft aufbauen will; erhofft er sich eine Beziehung mit einer Weißen - und hat er sich drüber Gedanken gemacht, wie sowas laufen könnte, oder möchte er einfach nur mehr über unsere Kultur erfahren; lernen, über die Kultur der Europäer und ihre Sprache? Das Abendessen verbringe ich zusammen mit meinen Freunden aus Aschaffenburg und einem älteren Ehepaar aus Berlin. Die Unterhaltung bestreitet vor allem der Berliner, der wohl Professor an der TU in Berlin gewesen ist. Es geht um Erlebnisse nach dem Krieg - ein Thema, wo ich zwar interessiert zuhöre, aber wo ich ganz froh bin, dass wohl jeder “obviously” versteht, wieso ich nicht allzu viel beizutragen habe. Der freundliche Holländer von der Bar begleitet mich sogar noch bis zu meinem Chalet - er scheint mehr Angst zu haben von Skorpionen und dergleichen als ich! Von Matthew ist nichts zu sehen - obwohl er von der Tour zurück sein muss, denn ich habe während des Essens das Auto der Sundowner zurückkommen hören. Heute lässt mich die Mücke in Frieden schlafen - erst nach Sonnenaufgang schleicht sich eine unter das Netz und weckt 34

mich. So bleibt mir Zeit, in Ruhe vor dem Frühstück noch alles bis auf die Zahnpasta zu packen und schon mal soweit wie möglich im Auto zu verstauen. Sossusvlei – Swakopmund Heute habe ich meine zweit-längste, bestimmt aber die anstrengendste FahrEtappe vor mir: zum einen geht die Strecke direkt durch die Namib - und verspricht somit, aufgrund der Außentemperaturen sehr Schweißtreibend zu werden. Zum anderen wird es um die Piste rum sehr sehr einsam sein. Ein weiterer Reisender aus der Lodge hat die Situation in der Namib so beschrieben: Man fährt geradeaus; sieht den “Horizont” - einen kleinen Hügel in der Straße, dahinter flirrt schon die Straße mit Aussicht auf eine Fortsetzung der gleichen Art, man fährt drauf zu, hofft auf Abwechslung - aber nichts tut sich; wieder Horizont, links und rechts Wüste, ein Flirren der Straße und dahinter nichts als die Weite und noch mehr schnurgerade Piste... Ich bin gespannt und aufgeregt zugleich: werde ich ohne Panne durchkommen? Werden wir, so wie die Aschaffenburger angedeutet haben, wirklich miteinander fahren können (dh gerade in dem Abstand, in dem der Hintermann nicht mehr den Staub des Vordermanns einatmen muss)? Zunächst muss noch die Technik - sprich: die Telefonverbindung via Satellit bezwungen werden: unsere Schulden können wir zwar mit Kreditkarte bezahlen; allerdings gäbe es, so unser Lodgebesitzer, in der Umgebung von nur 35km über 100 Lodges - und die wollen alle jetzt auschecken! - und so dauert es etwas länger, bis wir eine Verbindung bekommen und der jeweilige Betrag abgebucht werden kann. Trotz der hohen Lodge-Dichte im Gebiet um das Sossusvlei wirkt die Gegend alles andere als dicht besiedelt: Bis Solitaire - der letzten Tankstelle vor Walfis Bay - sind die einzigen Lebewesen, die wir zu Gesicht bekommen, eine Herde Springböcke, die gemächlich die Piste kreuzen - und die drei Autos aus der Little Sossus Lodge sich kurz an einer Stelle versammeln lassen. Selbst die Aschaffenburger sind schon wieder da - sie hatten ihr Plastikgeld in der Lodge vergessen und waren noch mal umgekehrt. Die Fahrt bis Solitaire 35

verläuft durch den Namib Naukluft Park - d.h. vorbei an faszinierenden Berglandschaften; links die Dünen der Namib; hin und wieder durchfahren wir trockene Flußtäler - und vor uns nur die ewige Weite der Staubpiste. Entgegenkommende Autos kündigen sich schon von 10km Entfernung durch eine kleine aufsteigende Staubfahne an - und so können wir die Breite der Piste nutzen und die beste, ruckelfreiste Spur suchen. Nach etwas mehr als einer Stunde Fahrt ist Solitaire erreicht. Hier gibt es in der Tat den von Michael Martin in “Die Wüsten der Erde” angekündigten erstklassigen Apfelkuchen (“den besten der Namib”...), sondern neben Benzin auch jede Menge Skurrilitäten - so z.B. einige verrostete Autos und ein halbes Motorrad, an der Decke hängend; die Leuchten bestehen auf aufgeschnittenen halben Ölkanistern - so dass das Ensemble aus Tankstelle, Shop, Cafe und einem Stall mit der Aufschrift “Namib Desert Festival” mehr wie aus dem Westen der USA entnommen als ein Teil Afrikas zu sein scheint. Ich genieße meinen Kuchen, der selbst Vergleiche mit deutscher Backkunst in den Schatten stellt, und eine Tasse Kaffee, bevor wir uns an den Rest der STrecke (130km bis Walfis Bay) wagen. Auf dem Weg liegen noch der Gaub Pass, der Kuiseb Pass sowie Wüste, Wüste und nix als Wüste - leider nicht immer so malerisch wie im Sossusvlei. Die Strecke ist so eintönig und geradlinig, dass selbst geringste Krümmungen mit lauten Warnschildern angekündigt werden - und man sich hinterher fragt, ob’s das jetzt schon gewesen ist?! Nur das Wackeln und Schütteln des Wagens, wenn sich eine bislang glattgebügelte Piste kurzfristig mal wieder in Wellblech verwandelt, reißt einen aus seinen Gedanken. Der Gaub Pass sowie der Kuiseb Pass bringen zwar etwas Abwechslung in die Streckenführung (beide führen nicht wie der Namen erwarten ließe über einen Pass, sondern vielmehr nach unten durch Flusstäler). Die kurvige Strecke lässt sich jedoch in der Umgebung dieser Passes (=“Durchfahrten”) nur im Schneckentempo, mit höchstens 60 km/h, bewältigen, was die restlichen km bis nach Walvis Bay (ich denke, jeder aus dem Konvoi hat den Tageskilometerzähler im Blick so 36

wie ich das tue) nur sehr langsam dahin schmelzen lässt. Im Kuiseb-Tal, einem (selbstverständlich trockenen) kleinen Canyon mit einigen Bäumen und schwarz sedimentiertem, sehr fotogenem Gestein, wo sogar zwei leider sehr kurze Straßenabschnitte geteert sind - eine Wohltat zum Fahren - , gönne ich mir eine Pause sowie mein eisgekühltes Cola aus Solitaire. Eine willkommene Abwechslung zum warmen Wasser aus der Flasche! Auf der 100km langen Geraden, die (ohne dass man diesen sieht) beständig auf den Vogelfederberg zuführt, ist die einzige Abwechslung zunächst eine Meute aus fünf Autos aus Deutschland. Zuerst zieht ein neuer Mercedes CLS mit Stuttgarter Kennzeichen im Affentempo an mir vorbei - natürlich eine lange Staubfahne nach sich ziehend, so dass ich meine eigene Geschwindigkeit zunächst vermindern muss. Wenig später folgt das zweite Auto aus dieser Gruppe; dann noch eins (wieder Mercedesse, beide mit Kennzeichen aus Freiburg); und als letztes noch ein BMW, ebenfalls neuerer Bauart, aus München. Wahrscheinlich fahren die vier ein Wettrennen ohne Rücksicht auf Verluste; die Geschwindigkeit die die vier auf der durchaus welligen Strecke vorlegen ist nicht nur atemberaubend (wegen des Staubes im wahrsten Sinne des Wortes), sondern auch ein Killer für Reifen und Stoßdämpfer - auch wenn es sich hier nicht wie gestern um Oldtimer handelte! Nach einer letzten, selbst schon unendlich groß erscheinenden Grasebene, die von einigen Bäumen, welche in einem trockenen Flusslauf stehen, malerisch in zwei Teile getrennt wird, geht die Landschaft endgültig in vegetations- und leblose Wüste über. Die Piste ist weiß; die Ebene ein paar Nuancen dunkler. Leichte Hügelchen geben die Sichtgrenze vor, d.h. den Horizont - hinter dem man in Lichtspiegelungen schon die gleichförmige Weiterführung vermutet. Unser Mitreisender wird Recht behalten: in der Einförmigkeit der Strecke freut man sich auf jede Abwechslung - und da es hier noch nicht mal eine Einmündung von einer anderen Straße oder dergleichen gibt, freut man sich eben über einen Berg, der nach über 20min. Fahrt ohne jegliche Änderung der äußeren Umstände am Horizont auftaucht - der Vogelfederberg. Man fährt auf diesen zu; freut sich auf die Abwechslung, fährt dran vorbei - und fährt weiter; allerdings ohne dass die Abwechslung wirklich viel gebracht hätte... Zumindest frisst die flotte Fahrt auf 37

meist sehr guter, glatter Piste die Kilometer wie Butter - und so ist man fast überrascht, als überraschenderweise das erste Zeichen von Zivilisation auftaucht: eine Stromleitung! Lange führt die Piste unter bzw. neben dieser her; bevor die Gegend um die Straße schließlich immer sandiger wird - ein Zeichen für den nahenden Strand, der den Sand bringt: wir kommen näher an Walvis Bay! Urplötzlich, wie aus dem Nichts, tauchen Dünen auf; dann eine PrivatStraße, dann rechts - die Abzweigung zum Flughafen von Walvis Bay! - und dann bin ich am Zwischenziel. Das eigentlich mit dem Endziel des Tages, Swakopmund, gleichzusetzen ist - denn dazwischen liegen nur 30km Fahrt; diese sogar geteert - und am Meer entlang! Es ist erst kurz vor 13 Uhr; und eigentlich hätte mich die Lagune von Walvis Bay, mit ihren tausenden Wasservögeln, den Delfinen und vielleicht sogar Walen, schon brennend interessiert, und so fahre ich zunächst in den Ort, um dort Ausschau nach den Booten zu halten, die die Touristen zur Lagune bringen. Jedoch ist nicht nur der Ort sehr schmucklos, sondern auch der dazugehörige Hafen (an dem ich die Boote zur Lagune vermute) weder gut zu finden noch sehr einladend; und so mache ich mich auf die letzen Kilometer auf der herrlich geteerten B2 bis nach Swakopmund. Die Lufttemperatur hat innerhalb von wenigen Kilometern von über 30° auf 20° gewechselt; es ist kühl und feucht in der Luft, obwohl die Sonne scheint. Zwischendurch halte ich noch kurz an der Küste an. Einerseits, um das pittoreske Wrack zu fotografieren, das vor geschätzten 10-15 Jahren kurz vor Swakopmund gestrandet ist; andererseits auch, um die Wegbeschreibung zum Hotel auszukramen, um in Swakopmund nicht lange suchen zu müssen. Das Hotel liegt laut meiner Karte direkt an der B2, sollte also nicht schwierig zu finden zu sein! Leider besteht, wie sich rausstellen wird, die Moses-and-Garoeb-Street nicht nur aus der B2. Stattdessen zweigt diese so benamte Straße sogar zweimal ab, ist in einem Wohngebiet kurz unterbrochen, um wenig später unter gleichem Namen wieder aufzutauchen und so scheitere ich zunächst bei der Suche nach meinem Hotel.

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Erst ein Nachfragen in der Swakopmund Lodge bringt die Dreifach-Existenz der Moses-and-Garoeb-Street an den Tag. Das Indongo Guesthouse stellt sich als sehr nobel raus - viel nobler, als ich hinter dem Namen Guesthouse vermutet hätte! Der Eingangsbereich mit plüschigen Ledersofas; davon weggehend große ausladende Treppen, alles ist in weiß gehalten und sehr gediegen. Das Zimmer ist riesig; das Bett 2,20m breit und ich habe vier Schränke, die ich füllen könnte. Mein mit einer 2mm dicken Staubschicht bedeckter Koffer passt nicht so recht in das noble Ambiente, genau so die vor Dreck schon selbst stehende Safari-Hose. Nach einer ausgiebigen Dusche kann zumindest ich mich wieder unter Leuten sehen lassen; die Haare hängen wieder und stehen nicht mehr wie Stacheln vom Kopf ab. Das Handtuch zeigt jedoch immer noch leichte braune Flecken beim Abtrocknen - obwohl ich mich zweimal eingeseift hatte...! Auch aus den Klamotten dringt aus jeder Ritze Staub. Glücklicherweise hat mein Koffer dicht gehalten; und so ist die Stadthose noch ansehnlich und staubfrei geblieben. Swakopmund Entlang am Meer schlendere ich langsam in die Stadtmitte und lasse mir den kühlen erfrischenden Wind um die Nase wehen. Am Leuchtturm, der zwar keine Funktion mehr erfüllt aber nachts immer noch leuchtet - ,der Hafen von Swakopmund ist längst versandet ist - halte ich am Leuchtturm-Cafe an und genehmige mir eine Waffel und einen Cappuccino. Ein Blick in den Reiseführer verrät mir, wo sich die Sehenswürdigkeiten verstecken. Aber eigentlich genügt es, einfach nur durch die Straßen zu schlendern. Sehr europäisch ist das Ambiente; immer wieder finden sich Häuser, die vor 100 Jahren als Zollamt oder , Postamt gedient hatten. Das herrliche Licht des Ozeans lässt diese hell erstrah39

len. In der evangelischen Christuskirche unterhalte ich mich mit einer älteren Deutschen über die Nöte der Deutsch-evangelischen Gemeinden in Namibia, erstehe zwei CDs, damit die Weiterfahrt im Auto nicht mehr so eintönig ist und eine Sonnenmilch. Wenn man den Blick die breiten Straßen entlang aus der Stadt hinaus verlängert (sehr groß ist Swkopmund ja nicht) wird am augenfälligsten, dass wir uns nicht in Deutschland sondern in der Wüste befinden, denn hinter den Häusern beginnen gleich die ersten Dünen. Die Gehsteige bestehen teilweise aus Sand. Obwohl ich mich hier eigentlich wohlfühlen könnte - immerhin herrschen angenehme Temperaturen und eine fast vertraute Atmosphäre, es wird überall deutsch gesprochen - finde ich die Stadt irgendwie befremdlich, fast abweisend. Vielleicht liegt das daran, dass ich sehr oft angesprochen werde; “how are you, are you from switzerland, no, from germany, no (manchmal sage ich auch yes), ...” , es sind immer die gleichen Fragen; die Jungs rennen über die Straße, sprechen einen an und hängen sich dann an den Rockzipfel dran. Zuerst wimmle ich sie noch einfach ab oder versuche sie zu ignorieren, dann lege ich mir eine passende Antwort auf das obligatorische “how are you” zurecht: “... not so fine since I’m tired of these questions of you guys, over and over again...!”. Das lässt zumindest die meisten von ihnen schnell wieder umkehren. Aber wirklich sicher fühle ich mich nicht. In diesen Momenten verfluche ich mein Alleinreisen am meisten - denn sobald man zu zweit ist oder sich nur in der Nähe einer weiteren Person bewegt, wird man in Ruhe gelassen. Als ich vor dem Sonnenuntergang an der Mole entlang bummle, schlägt das Genervtsein so langsam in ein mulmiges Gefühl um. Und so bin ich froh, als ich die beiden Aschaffenburger treffe. Im Erich’s essen wir zusammen leckeren Fisch und lassen uns mit dem Taxi nach Hause bringen. Heute Morgen gibt’s weder Game Drive noch weckt mich eine Mücke, aber heftiges Bauchgrimmen mit Durchfall zwingt mich um sechs Uhr zunächst mal aus dem Bett und auf den Lokus. Alles raus, alles wieder OK; dennoch ist mir das Hotel trotz all des Luxus nicht sehr sympathisch (vielleicht auch deswegen, weil ich der einzige Gast zu sein scheine?) und ich bin froh, als ich ausgecheckt habe und meine Siebensachen im Auto verstaut sind. Noch schnell das allernötigste eingekauft, gilt es jetzt, herauszu40

finden, wo Europcar ist, um endlich meinen Mietwagen wirklich auf Vordermann bringen zu lassen: Sam Nujoma Drive 62 steht im Telefonbuch - den war ich jedoch gestern bereits abgelaufen, ohne dass ich das Office entdeckt hätte. In der Tourist-Info in der gleichen Straße frage ich nach; noch unwissend, welche Reaktion ich bei Almut, der diensthabenden Angestellten, auslösen würde: zu Europcar will ich also; ob denn wieder mal bei Europcar mit dem Auto was nicht stimmen würde; da kämen momentan alle paar Tage Leute vorbei.. eine Dame, die auch noch im Büro ist, stimmt auch gleich auf den Lobgesang ein. Durch ein Telefonat findet Almut raus, wo Europcar wirklich ist; nämlich im Hansa Hotel (bzw. wie sich wenig später rausstellt: auf der Rückseite des Hansa Hotels). Die Swakopmunderin nimmt mich mehr oder weniger an die Hand und stürmt mit mir ins Europcar Office eine Straße weiter. Dort vollzieht sich mehr oder minder das gleiche wie eine Woche vorher in Windhoek: ich müsse zu einer Werkstatt, die müssten die Reifenprofiltiefe messen und bestätigen, usw... als ich der diensthabenden Europcar-Dame klarmache, dass diese Messung in Windhoek bereits getätigt worden sei, stellt sich raus, dass dieses Protokoll natürlich nicht in Swakopmund angekommen war. Erst, als von Swakopmund aus mit Windhoek telefoniert wird - und auch erst dann, als ich den Sachverhalt der Zentrale in Windhoek persönlich am Telefon erkläre, geht den Damen auf, dass scheinbar was schief gelaufen war. Schließlich steht fest: ich bekomme einen neuen Wagen - allerdings würde dieser erst um elf Uhr aus Walfis Bay angeliefert. Zähneknirschend stimme ich zu. Die eineinhalb Stunden hätte ich zwar lieber in der Natur verbracht als mich in Swakopmund rumzudrücken, aber was will ich machen. Ich hole mir ein Permit für den Welwitschia Drive, schaue mir die Schaufenster an und hocke mich schließlich in ein Cafe neben dem Europcar-Büro. Pünktlich um elf Uhr steht dann tatsächlich der Austausch-Wagen vor der Tür: ein Kia Picanto; eine ganze Nummer kleiner als der Golf; knallrot - und ebenfalls mit drei abgefahrenen und einem bereits ausgetauschten Reifen! Nach Inspektion des Bordwerkzeugs und Ersatzreifens stellte ich gar fest, dass dieser gar keinen vollwertigen Ersatzreifen, sondern nur ein Notrad besitzt - das wäre dann wohl eher den Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben; dieses Auto werde ich 41

jedenfalls nicht nehmen! Noch ein kurzes Telefonat mit Swakopmund; der Schaum steht mir schon bis sonstwohin, aber was will ich machen: ich beschließe, die Sache selbst in die Hand zu nehmen; und - ähnlich wie in Windhoek - die fehlenden zwei noch alten Reifen auf eigene Kosten auszutauschen. Wieder werde ich zur Reifenwerkstatt gebracht... und siehe da: wieder erreicht meine Begleitung in der Werkstatt ein wundersamer Anruf, dass Europcar die Reifen übernehmen würde! Weit nach zwölf Uhr ist die Sache endlich ausgestanden und ich kann die Stadt endlich hinter mir lassen. Noch volltanken und dann nix wie weg; raus in die Wärme, weg von der Küste!

Swakopmund – Welwitschia Drive – Karibib (Etusis Lodge) Zwar erwische ich zunächst den Weg nach Norden; und auch der WelwitschiaDrive ist missverständlich ausgeschrieben; zweimal muss ich wenden. Trotzdem finde ich meine Ruhe wieder, als die Temperaturen außerhalb der Stadt wärmer werden und der Golf mit jetzt vier neuen Reifen beruhigend unter mir surrt und über die Bodenwellen hoppelt. Auf dem Welwitschia Drive - wo die Straße in der Tat so schlecht ist wie mir von Stefan angekündigt; der arme Golf wird gleich auf eine harte Probe gestellt, halte ich Ausschau nach den uralten Pflanzen; kann aber keine entdecken. Dafür taucht nach wenigen Metern der erste Outlook auf die Mondlandschaft auf. Diese hat ihre Bezeichnung wirklich verdient: dunkle Canyons durchziehen eine unwirklich aussehende, vor Hitze flimmernde, nicht wirklich einladende Gegend. Nach weniger als 10km auf dem Welwitschia-Drive 42

trete ich jedoch den Rückzug an, schließlich möchte ich nicht die neuen Reifen gleich wieder auf die Probe stellen! Der kleine Zubringer zur geteerten B2 in Richtung Ukanos führt auf einer kurvigen Straße durch den Canyon der Mondlandschaft und entschädigt so ausreichend für die “fehlende” Urpflanze. Auf der B2 angekommen, komme ich zügig voran. Gegen vier Uhr ist Karibib erreicht, wo in der Tat bereits die Schilder der Etusis Lodge den Weg dorthin weisen obwohl die Lodge noch fast 40km entfernt ist. Ab Karibib geht’s auch wieder auf die Piste; und nach 20km guter, glatter Staubpiste ist selbst damit Schluß und ich biege auf einen kleinen Schotterpfad ein, der quer durch die Steppe an den Bergen vorbei führt. Man kann höchstens 30 km/h fahren; aber ich genieße jeden Meter - vor allem, als plötzlich zwei Oryx-Antilopen aus dem Gebüsch lugen, sich jedoch schnell trollen, als sie den quietschblauen Golf erspähen! Die Fahrt geht sprichwörtlich über Stock und Stein; Bergauf und Bergab; es macht höllisch Spaß, den Golf über die hohen Steine und um Löcher rum zu lenken. Eigentlich viel zu schnell, komme ich so gegen fünf Uhr an der Lodge an und werde sogleich von drei Hunden begrüßt. Herbert, der Verwalter, kommt mir entgegen, bietet mir einen kalten Drink an und weist mich in die Lokalitäten ein. Momentan bin ich der einzige Gast in der herrlich vor einem Bergmassiv gelegenen Lodge. Die Hitze flirrt über dem künstlichen Wasserloch, wo abends die seltenen Hartman-Bergzebras gesichtet werden können! Ich werde von dem gebuchten Zelt in ein Chalet upgegradet - aus dem Grund, wie Monika, die Frau Herberts erklärt, dass in den Zelten gerade die Toilettenbereiche frisch gestrichen worden sind und diese deswegen gerade noch ziemlich stark nach Farbe riechen. Die Chalets sind sehr geschmackvoll eingerichtet; jeder für sich gelegen, sogar mit Galerie und Leiter ausgestattet. Die Hunde folgen den Gästen auf Schritt und Tritt wie von den Besitzern bereits angekündigt! Meine fotografische Rundtour durch die Lodge und ihren Einrichtungen, z.B. die Pferdestallungen, beende ich auf dem Ausguck des Haupthauses. Von dort ergibt sich ein toller Blick auf das Wasserloch, und dieser Ausguck liegt auch bis zu deren Untergang genau in der Sonne. Ich genieße die letzen Sonnenstrahlen bei einem kühlen Bier, nur unterbrochen von den beiden kleinen Jack-Russels, die sich gegenseitig gefühlte 2043

30-mal in der Stunde die Kehle durchbeißen und dabei dementsprechende Geräusche von sich geben... Als die Sonne schließlich hinter den Bergen verschwunden ist, erstrahlen deren Kuppen später in tiefem rot. Es wird kühler, und Herbert schürt auf der Terrasse ein kleines Feuer, das die Zeit bis zum Abendessen brennt. Wir essen zu sechst: ein weiteres Paar, das nach mir noch angekommen ist; Herbert und Monika, die Pferdewirtin Juanita, und ich. Die Speisekarte, die Monika aufzählt, könnte locker auch für dreißig Leute reichen. Es gibt Kürbissuppe als Vorspeise; danach Kudu-Gulasch, Springbock-Hack, verschiedene Beilagen; und zur Nachspeise Orangen-Mousse sowie Guave mit Keks und einer schokoartigen Soße und Sahne. Super-Lecker!! Das Essen ist ein Gesamt-Erlebnis für sich, denn dank der Beleuchtung nicht nur des Wasserlochs, sondern auch eines Teils des dahinterliegenden Hügels schweift der Blick immer wieder auf die wunderschöne Landschaft und die mittlerweile funkelnden Sterne ab. Herbert erzählt einiges zur Tierwanderung auf den Lodges sowie zur Geschichte der Etusis Lodge und den verschiedenen Ausrichtungen der Betriebe. Auch ein paar Benzinweisheiten (über Automarken und deren Eigenheiten sowie Mietwagenfirmen... ) werden zum Besten gegeben. Morgen um viertel nach sechs Uhr möchte ich mit Herbert zum Game Drive und Kontrolle der Zäune rausfahren, und so verabschiede ich mich kurz nach Juanita - die vermutlich auch früh zu ihren Pferden muss. Die Geräusche der Steppe, das Zirpen der Grillen und des kühlenden Westwinds wiegen mich in tiefen Schlaf. Der Morning Game Drive, auf den Herbert mich - und seit scheinbar längerer Zeit auch seine Frau Monika - mitnimmt, verspricht besonders schön zu werden, denn ich bin alleine mit den beiden und den zwei Hunden. Erst auf der Ausfahrt zwischen dem Marmorberg und den Ojkaterra-Bergen lässt sich das Ausmaß der Farm erahnen. Die Sonne spitzt so langsam über den Marmorberg und 44

taucht die Spitzen des dahinterliegenden fast 2000m hohen Ojkaterra-Berge in weiches, rötliches Morgenlicht. Herbert erzählt, dass der Marmor, der dem gleichnamigen Berg seinen Namen gibt, glücklicherweise nicht zur Verarbeitung in Möbeln o.dgl. geeignet ist, da er zu stark unter Spannung steht und sich nach dem Abbau Risse bilden - sonst wäre der Berg wohl längst abgebaut bzw. ein Bergwerk würde die Landschaft verschandeln und Tiere vertreiben. So aber ist es bei dem Probeschnitt geblieben, der das gleißend weiße Gestein sichtbar macht. Auf der weiteren Fahrt kommen wir am sog. “Schwiegermutterloch” vorbei. Monika steigt nicht aus - sie sagt, sie hat Angst, dass eines Tages einer der Hunde dort runter stürzen könnte. Die Hunde indes lassen sich nicht davon abhalten, Herbert und mich beim kurzen Aufstieg zu dem 11m tiefen viereckigen Loch zu begleiten. Hier wurde ein Probeschnitt gemacht, ob sich der Kupferabbau lohnen würde - auch das stellte sich, zum Glück für die Landschaft, als negativ heraus, da zwar an der Oberfläche immer wieder grünlich schimmerndes Kupferoxyd zu sehen ist, ein Abbau sich wirtschaftlich aber nicht lohnen würde. Auch schwarzer Turmalin würde in den Ojkaterra-Bergen vorkommen, so Herbert. Immer wieder treffen wir auf Löcher, die Zebras beim Staub-Suhlen im Boden hinterlassen haben - aber leider auf keines der Hartman-Bergzebras. Auf einem kleinen Berg entdecken wir zwei Steinböckchen, die Barbara kurz vorher hinter einem Hügel hatte verschwinden sehen. Ich steige den Berg hoch, um die beiden weiter zu beobachten - als wie ein geölter Blitz Hund Paul an mir vorbeischießt. Herbert hat uns am Vorabend noch erklärt, dass Jack Russels zwar Jagdhunde seien und diesen Instinkt auch immer wieder an den Tag legen würden - das jedoch seine beiden diese nur sehr unkoordiniert täten - was hier in der Tat auch der Fall war; den kurz darauf kehrt Paul zwar außer Atem, aber ohne Beute, zurück. Meine Bewunderung gilt ihm trotzdem, denn erstens war ich auf den wenigen Metern, die ich in der Zeit, die er bis ganz oben gebraucht hatte, gekommen war, schon ziemlich außer Puste; und zweitens hat er das auch noch mit viel kürzeren Beinen - die noch dazu für die spitzen, losen Steine mechanisch noch viel ungeeigneter waren als meine Bergschuhe, geschafft! Herbert erklärt mir diese Diskrepanz damit, dass Paul halt Tierbeine hatte und diese 45

wohl einfach besser für solches Terrain geeignet seien. Ganz leuchtet mir dieser Erklärung zwar nicht ein, aber sie muss soweit taugen, denn eine andere gibt es nicht! In dem sich öffnenden Fenster nach Westen, das den Blick auf die ersten Vorboten der Naukluft-Berge freigibt, fängt Monika an, von einem Tented Camp zu träumen. Ein Vorschlag, der später beim Frühstück kurz mit Juanita besprochen wird. Juanita könnte ja die Main Lodge managen; Monika und Herbert das Camp. Sehr begeistert scheint sie aber nicht zu sein... Die einzigen Tiere, die wir auf dem Rest der Fahrt zu sehen bekommen, sind zwei Nachtflughühner, die auch sogleich emporstieben, als unser Geländewaggen im rauhen Terrain an ihnen vorbeihoppelt. Nichtsdestotrotz genieße ich jede Minute der Fahrt in der klaren Morgenluft durch die atemberaubend schöne Gegend mit Blick über die Steppe hin zur Namib-Wüste. Per “Landfrauen-Funk” (Originalton Herbert), der usn zwischendrin erreicht, wird abgefragt, ob auf den umliegenden Lodges und Farmen alles in Ordnung sei. Zurück an der Lodge, erwartet uns schon das Frühstück. Mittlerweile ist die Sonne schon ein Stück höher und beweist eindrucksvoll ihre Stärke - es ist ganz schön warm geworden, die Hitze des Tages lässt sich bereits vorausahnen. Und so verbringe ich den Mittag und Nachmittag lesend und dösend, gemeinsam mit Paul, auf der schattigen Terrasse vor meiner Hütte namens “Leopard”. Ein Baboon taucht am Wasserloch auf und sitzt noch einige Zeit auf dem Felsen, laut in die Gegend schimpfend, bevor er hinter dem Bergkamm verschwindet. Zwei Stunden bevor die Sonne hinter unserem “Hausberg” verschwindet, raffe ich mich doch noch zur kurzen Wanderung zum Wasserfall auf; für den Fall, dass ich irgendwo abgeholt werden möchte, sogar mit einem Funkgerät ausgestattet. Hund Paul begleitet mich auf Schritt und Tritt. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn er geht nicht nur “bei Fuß”, sondern huscht auch ständig zwischen den Füßen rum, so dass man aufpassen muss, ihn nicht versehentlich zu treten. Die Sonne taucht die Natur in die schönsten Abendfarben, und ich hoffe, doch noch ein paar Bergzebras sehen zu können. Am Wasserfall (der nur bei extremen Regenfällen wirklich Wasser führt - heute ist nur noch ein Wasserloch übrig) trinkt Paul mit Lust aus dem erfrischenden Nass - und versinkt dabei mitsamt 46

dem Latz und der Schnauze bis zur Unkenntlichkeit im Schlamm! Als er als kleines Erdferkel wieder rauskommt, muss ich lachen, so dreckig ist er - und verbiete ihm ausdrücklich, in irgendeiner Weise mit mir zu schmusen. Was ihn aber nicht stört, und so sieht mein Unterschenkel nach kurzer Zeit aus wie er. Um den Dreck schneller wieder los zu werden, tut er es den Zebras gleich und wälzt sich im Staub.. Herbert scheint seinen Hund so gewohnt zu sein; ihn schockt das Erdferkel-Outfit mitnichten. In der Zwischenzeit sind noch weitere Gäste - ein junges Ehepaar mit ihrem Säugling - eingetroffen. Die drei kommen aus dem nur 30km entfernten Karibib und wollen der Stadt entfliehen - die zugegebenermaßen aus nicht viel mehr als der Tankstelle und dem Shop besteht. Andererseits kann ich es gut nachvollziehen, auch mal eine Nacht inmitten der Berge, unter den leuchtenden Sternen verbringen zu wollen, sich “lekker” bekochen zu lassen und sich einfach zu entspannen. Am nächsten Morgen erwartet mich schon Mr. Paul, der Hund - nur Sekunden nachdem mein Wecker geklingelt hatte, war er angesaust gekommen. Der Abfalleimer in meinem Chalet interessiert ihn sehr. Wahrscheinlich, weil ich gestern die Schalen der Dauerwurst darin versenkt hatte und diese ihm in die Nase steigen. Nach dem üppigen Frühstück mit Eiern und Speck, das wir zusammen mit den Wirtsleuten und den drei “Karibib-ianern” einnehmen, ist es Zeit für den Abschied. Mein Auto strahlt frisch geputzt. So nebenbei verrät mir noch Hausherr Herbert, dass es am Vortag einen Platten gehabt hätte, er jedoch kein Loch hatte finden können. Was ich mir zwar nicht so recht erklären konnte, schließlich war ich mit intakten Reifen angekommen! Herbert meinte aber, das könnte auch durch einen Fremdkörper im Ventil vorkommen; und seit einem Tag stünde er ja jetzt ohne Platten da, also müsste alles in Ordnung sein. Etusis Lodge - Vingerklip Leider halten sich die beiden Oryxe, die ich auf dem Herweg gesehen hatte, dieses Mal versteckt. In Karibib an der Tankstelle muss ich mir wieder mal die Story des von einer Deutschen verlassenen Afrikaners anhören. Das ist wohl einer der 47

nervigsten Aspekte des Alleinreisens als Frau: man wird allzu häufig angesprochen; und meist lautet die dritte Frage nach “how are you” und “where do you come from”: “are you married?” - und danach kommt dann die Telefonnummernfrage. So arten einfache Stadtbummel oder der Kauf eines kalten Colas zwischendurch in Spießrutenlaufen auf, denn schließlich möchte ich ja auch nicht allzu rüde sein! Die Strecke auf der geteerten C33 von Karibib nach Omaruru verläuft eintönig. Nach etwas über einer halben Stunde ist das kleine Städtchen Omaruru erreicht. Selbst hier finden sich noch Zeichen der deutschen Kolonialherrschaft in der Architektur und der Beschilderung der Straßen. Insgesamt ist Omaruru ein sehr lebhafter, schöner Flecken mit einigen kleinen Läden und einer Kirche an der Straße. Ich habe mich entschlossen, Herberts Rat zu folgen und nicht weiter auf der geteerten Straße in Richtung Otjiwarongo zu fahren sondern stattdessen die Piste D2344 zu nehmen, welche zwischen Uis und Khorixas in die C35 mündet. Die D2344 führt durch Savanne, in der ich immer wieder auch Springböcke ausmachen kann und in toller Landschaft um die Ugab Terrassen herum, wogegen ich südlich von Otjiwarongo und Outjo durch plattes langweiliges Farmland gefahren wäre. Mehrmals überhole ich von Eseln gezogene, vollbesetzte Karren - wahrscheinlich Bewohner kleinerer Dörfer (von denen es entlang der D2344 erstaunlich viele gibt), die in Omaruru in die Kirche gegangen waren. Schließlich ist Sonntagvormittag! Außer, dass man feststellt, dass die Läden alle zu sind, verliert man auf einer solchen Reise total das Zeitgefühl. Selbst die Lodge-Betreiber müssen teilweise überlegen, wenn sie nach dem Wochentag gefragt werden! Eines fällt mir an den kleinen Siedlungen, die meist nur aus einigen primitiven Hütten bestehen, auf: fast keine dieser Siedlungen kommt ohne einen “Bottle Shop” aus einen Schnapsladen also. Auch die meisten der - meist selbstgeschriebenen Werbeschilder an der Piste weisen auf solche Bottle Shops hin. Die bunten vik48

torianisch anmutenden Kleider der am Straßenrand hockenden, kleine Bastelarbeiten feilbietenden Frauen verrät mir, dass es sich hier wohl um HereroSiedlungen handeln muss. Immer wieder fahre ich an Anhaltern vorbei. Mir tut es leid, dass ich keinen von ihnen mitnehmen kann; schließlich hätte ich genug Platz im Auto. Aber letztendlich ist mir das Risiko doch zu groß, von einem solchen Anhalten überfallen oder meines Geldes beraubt zu werden. Auf der Weiterfahrt fällt mir im Wald eine größere Ansammlung von alten Autos auf. Ich halte an und stelle beim näheren Hinsehen fest, dass es sich nicht etwa um eine Versammlung von Leuten (und deren Autos) handelt, sonder vielmehr um einen Autofriedhof. Ist ein Auto kaputt und wird unnutzbar, wird dieses entweder einfach im Garten verrotten gelassen, oder aber man fährt es an einen solchen Platz. In dem kleinen Ort Onzodati bestehen die Anwesen meist aus einem durch Steine markierten Platz mit einer kleinen Wohn-Hütte - und ein bis zwei kaputten, vor sich hinrottenden Autos, die teilweise sogar als Verkaufsstand weitere Verwendung finden! Immer wieder steige ich aus und kontrolliere meine Reifen, da mir der lose Sand, der sich an manchen Stellen auf der Straße findet, das Auto schwimmen lässt als hätte es einen Platten. Zum Glück ist alles in Ordnung, und nach doch fast zwei Stunden Fahrt habe ich die C35 erreicht. Bis nach Khorixas sind es immer noch über 70km; und die Straße ist auch nicht besser als meine kleine “minor road” D2344. Aber auch diese 70km gehen zu Ende. Etwa auf der Hälfte der Strecke zweigt links eine Piste in Richtung Twyfelfontain ab, der Höhle mit den berühmten mehrerer tausend Jahre alten Felszeichnungen. Da diese aber noch mehr als 70km entfernt ist, in der entgegengesetzten Richtung wie mein Ziel, die Vingerklip Lodge, und ich mich mittlerweile schon nach einer Dusche sehne, setze ich meinen Weg fort. Endlich ist die Abzweigung nach Khorixas, und damit auch die Teerstraße in Richtung Outjo, an der die Lodge liegt, erreicht. Obwohl man hier Gas geben könnte, muss man häufig auf die Bremse, denn an der Straße weiden immer wieder Ziegen und überqueren die Straße unvermittelt. Kurz nach der Abzweigung zur D2743, die zur Lodge führt, sitzt auf einmal eine Familie Himba an der Straße. Dies verwundert mich, denn ich bin ja noch mitnichten im Himbaland, welches erst weiter im Norden beginnt. 49

Auf meine Nachfrage in der Lodge erklärt man mir, dass ich Herero gesehen hatten, die wohl mitbekommen hatten, dass “mit Himbas Geld zu machen sei” d.h. sie hatten sich kurzerhand als Himba “verkleidet” und deren Merkmale wie z.B. die bei den Kindern zu Hörnern geflochtenen Haare und die Bauweise des Dorfs, übernommen. Allerdings könnten sie nichts zu der Kultur der Artefakte, die sie tragen, erzählen. Man empfiehlt mir, lieber eine guided Tour zu buchen, die von der Lodge angeboten wird, und die zu einem echten Himba-Dorf führt. Zunächst aber springe ich unter die Dusche und wasche meine Hose, die mittlerweile schon mehr aus Staub denn aus Stoff besteht. Innerhalb von 20 Minuten ist die Hose in der Sonne auf meiner Terrasse wieder trocken!! Ich mache mich auf zu meinem planmäßigen Foto-Rundgang durch die Lodge und frage nach, ob der Sundowner heute Abend zustande kommen würde. Leider ist der Guide für diese Tour immer noch nicht von der Himba Tour zurück. Außerdem wäre ich der einzige Gast für den Sundowner - was aber kein Problem wäre. Kurz darauf trifft die Himba-Tagesausflug-Truppe zurück in der Loge ein. Ich frage den Guide, ob es für ihn OK sei, wenn er mich fahren müsste, obwohl er schon den ganzen Tag unterwegs gewesen sein - was er natürlich bejaht. Außer mir kommt noch ein weiterer weißer Namibianer mit, der als personal guide bereits seit mehreren Wochen ein Berliner Ehepaar durchs Land fährt. So bin ich bestens betreut; und die beiden können wirklich jede Frage beantworten! Die Gegend hier, die auf den ersten Blick an den Westen der USA (Sedona) erinnert, ist durch reine Wasser-Erosion entstanden - und zwar noch zu der Zeit, als die Kontinente Afrika und Südamerika noch “Gondwanaland” hieße und noch nicht auseinandergedriftet waren. Die Farm, auf der die Vingerklip Lodge steht, umfasst 30 km² und besitzt u.a. 300 Kudus, mehrere Giraffen, Impalas, Oryxe, Springböcke und weiteres Wild. Wir treffen auf eine Giraffenfamilie mit adoptiertem Kleinen. Die Mutter des erst vier Monate alten Babys hatte ein weiteres Junges bei sich aufgenommen, nachdem dessen Mutter sich bei einem Sturz den Hals gebrochen hatte und gestorben war. Sehr viel mehr Wild sehen wir auf der Fahrt nicht. Was vor allem daran liegt, dass es in den letzten Tagen “sehr viel” (ca. 8mm) geregnet hat, und die Bäume für diese Gegend ungewöhnlich 50

grün sind - das Wild also überall genug zu Fressen findet. Nur die Kudus, die ließen sich immer noch von Heu anlocken. Unser Guide verstreut einen Heuballen an der Futterstelle direkt unterhalb des Sundowner-Aussichtspunktes. Und tatsächlich: kurz nachdem der Sekt zum Sundownder kredenzt wird, erscheinen zunächst sieben weibliche, noch recht junge Kudus; später mehrere ältere Böcke, und laben sich an dem gerade verstreuten Heu. Immer wieder werden sie von kleinen Geräuschen aufgeschreckt, die ihnen normalerweise wohl nicht gestört hätten. Der Guide erklärt, dass das wohl mit dem starken Wind zusammenhinge. Denn aufgrund des Windes würden sich die Tiere schwer tun, Feinde rechtzeitig zu wittern, und wären deshalb sehr empfindlich auf fremdartige Geräusche. Wir sehen den Tieren sehr lange und in Ruhe zu, was ich sehr genieße - denn meist waren die Sundowner eher hektisch; und schon nach einer halben Stunde wurde zum Aufbruch geblasen. Hier in der Vingerklip Lodge wird das Abendessen als Buffet gereicht, und deswegen ist es auch nicht schlimm, als wir erst um halb neun zurück an der Lodge sind. Das Ankomm-Bier, der Sundowner-Sekt und der Weißwein zum Dinner haben mir etwas zugesetzt, und so verschiebe ich mein Tagebuchschreiben auf den nächsten Tag. Ich würde viel Zeit haben, denn die Himba-Tour kam leider nicht zustande. Den ersten Teil der Nacht verbringe ich auf der Liege draußen auf der Terrasse, denn im Zimmer ist es noch sehr heiß, während draußen bereits ein kühler Wind geht und die Sterne funkeln - wie so oft ist es eine perfekte afrikanische Nacht! Der nächste Morgen beginnt sehr, sehr faul. Noch nicht einmal zum Frühstücken kann ich mich zunächst entschließen. Mein Magen meldet sich aber mit Hunger, und schließlich gebe ich nach. Eigentlich frisch gestärkt, dauert es auch vormittags noch einige Zeit, bis ich mich zu einer Aktivität aufraffen kann. Erst als die Putzfrau fragt, ob sie das Zimmer machen könnte, nehme ich das zum Anlass, meine Sachen für eine Wanderung zu packen. Die lange Runde, die sowohl North als auch South Terrace umwandert und zuletzt noch zum Vingerklip geht, scheint mit 3 1/2 Stunden veranschlagter Gehzeit machbar zu sein. Schließlich habe ich schon mehrmals bemerkt, dass die angegebenen Gehzeiten sehr großzügig abgeschätzt sind und eher auf sehr langsame Wanderer passen. Es ist noch ange51

nehm warm, als ich mich auf den Weg in Richtung Süden mache. Immer wieder ergeben sich neue Ausblicke auf die vom Wasser vor vielen Millionen Jahren erodierten Terrassen und die sich an diese schmiegenden Gebäude der Lodge. Schon nach einem Kilometer raschelt es vor mir im Gebüsch. Ich höre ein Schnauben, und plötzlich steht ein Zebra weniger als 20m vor mir auf dem Weg! Drei bis vier weitere daneben im Busch. Das Erstaunen seitens Zebra dauert jedoch nicht lange, dann galoppiert die kleine Gruppe los in sichere Entfernung von dem unbekannten Wanderer. In 100m Entfernung kann ich die Tiere noch einige Minuten weiden sehen, bevor sie schließlich in einer Baumgruppe verschwinden. Am südlichsten Punkt der Wanderung ergibt sich die erste Unsicherheit, welchen Weg der Gabelung ich zu wählen hätte. Beide können nicht allzu falsch sein; das schlimmste, was mir passieren könnte, ist auf direktem Weg zur Lodge zurück zu laufen. Ich entscheide mich für links. Eine gute Entscheidung denn nach wenigen Metern wird ein Viewing Point sichtbar. Und neben dem Viewing Point steht ein Kudu-Weibchen, das sogleich das Weite sucht, als ich mich ihm nähere. Von der Aussichtsplattform aus, auf der ich die erste Pause einlege (langsam aber sicher macht die Sonne sich vehement bemerkbar) kann ich die Kudus noch aus einiger Entfernung beim Weiden beobachten. Der Weg geht weiter auf der Rückseite der Southern Terrace, an der Lodge vorbei. Auf dem Teilstück, das die Wanderwege um Northern und Southern Terrace verbindet muss ich mich durch einige dornige Büsche kämpfen und hole mir einige Schrammen, die ich aber vermutlich gerade so überleben werde. Der Weg um die Northern Terrace macht mehr Spaß, ist er doch kleiner und führt etwas über 52

der Ebene, “über Stock, Stein und trockene Täler” um die Terrasse herum. Mittlerweile ist es glühend heiß geworden. Zum Glück habe ich mehr als 2l Wasser dabei, die wohl gut ausreichen werden. Trotzdem bin ich froh, als zum ersten Mal die Vingerklip in Sichtweite kommt. Der Weg wird etwas breiter und flacher, und so lasse ich es mir nicht nehmen, den einzigen Schatten weit und breit auch aufzusuchen. Die Sonne steht fast senkrecht am Himmel; aber die Vingerklip bietet an der Stelle, wo der Fels auf dem Steinhaufen aufzustehen scheint, durch einen Überhang etwas Schatten. Die wenigen Höhenmeter, die es den Steinhaufen hinauf zu erklimmen gilt, sind fast schon beschämend anstrengend. Im Schatten der Vingerklippe esse ich meinen zweiten Apfel und nehme einen guten Schluck vom mittlerweile nicht mehr ganz so kühlen Wasser. Der Rückweg zur Lodge ist nicht weit, und so bin ich nach etwa drei Stunden Gehzeit zurück auf der schattigen Terrasse, wo soeben ein Bus angekommen ist. Ich genieße mein eiskaltes Cola und lasse die Füße baumeln und den Blick noch einmal über die Ebene schweifen. Zurück auf dem Zimmer, macht sich im Nu die Müdigkeit bemerkbar - trotz Cola und der angenehmen Kühle, die dort herrscht. Schließlich habe ich niemandem etwas zu beweisen, und so lege ich mich für ein Mittagsschläfchen eine Stunde aufs Ohr. Als die größte Hitze etwas vorbei ist, möchte ich mir noch die nur 3km entfernten Bushman Art Caves anschauen, die auch ohne eine Exkursion gebucht zu haben gut erreichbar seien. Gefunden habe ich die kleine Farm gleich - jedoch vermeldet der Farmerssohn, dass der Guide momentan in Windhoek und erst gegen Ende der Woche zurück sei und man die Zeichnungen deswegen gerade nicht besichtigen könnte. Unverrichteter Dinge fahre ich zur Lodge zurück und genieße auf der Terrasse noch eine Stunde lang den Blick über die Ebene, wo gerade nur ein weißer Fleck als Tier durchgehen könnte. Da ich kein Fernglas besitze, nehme ich einfach an, noch mal ein Zebra gesehen zu haben! Um heute den Sundown “von oben” erleben zu können, mache ich mich schon frühzeitig auf dem Weg ins Eagle’s Nest, dem Restaurant oben auf der Northern Terrace. Der Ausblick von oben ist gigantisch: schon der Aufstieg über den kleinen Weg und dann die Senkrechte mit einer Stahltreppe bietet einen tollen Blick auf die Lodge. Außer dem Restaurant, das gleich an der 53

Treppe zu finden ist, achteckig aufgebaut ist und rundum Fenster besitzt, gibt es auf der Northern Terrace noch eine Honeymooner Suite, von der Guide Herbert am Vorabend noch süffisant gesagt hatte: wenn man mal richtig Laut werden will kann man’s ja ganz einsam buchen... die Honeymooner Suite ist auch nur über einen stacheligen Pfad erreichbar, so dass bestimmt keiner stört. Ich habe mir zwar (wegen des Ausblicks in die Weite - nicht durch die Fenster!!) den Weg durch die Dornen gebahnt, aber leider ist keiner zuhause... am Nördlichen Ende kann man seinen Blick über die Vingerklippe und die weite dahinterliegende Savanne schweifen lassen. Die beiden Deutschen, die mich schon als ich meinen Kopf über den Klippenrand gesteckt hatte, mit ihrem Bier zugeprostet hatten, werden sich bestimmt wundern, wo ich so lange bleibe, aber ich möchte jede Ecke der Klippe erkunden; jeden Ausblick genießen. Den Sonnenuntergang kann man vom Eagle’s Nest aus sehen, und so bestelle ich mir mein Sundowner-Bier, mache noch einige vielbewunderte Fotos von einem Schweizer Ehepaar, als der Grillmeister (ein wohlduftendes Barbecue lässt einen schon seit einigen Minuten das Wasser im Munde zusammenlaufen) zum Essen bittet. Am Buffet kann man sich an Kudu-Steaks, Sprinbock-Hack-Bratwürste, aber auch Hähnchen und Schweinfleisch bedienen; mit verschiedenen Saucen, als Beilage Pap und Ofenkartoffeln, dazu noch Knoblauchbutter. Leider gibt es keinen Wein by the glass und eine ganze Flasche ist mir dann doch zu viel. Als die beiden Deutschen das mitbekommen, werde ich von ihnen auf ein Glas Rotwein eingeladen und wir setzen uns an einen Tisch. Einer der beiden - Volker - hat die Reise als Incentive von seiner Firma bekommen. Das sollte Osram mal einfallen, seine Mitarbeiter zur Belohnung auf eine dreiwöchige Rundreise zu schicken! Wir unterhalten uns nett über unsere jeweils geplanten Routen, unsere Jobs und afrikanische Musik. Unten gibt’s noch einen Amarula an der Bar. Am nächsten Mor54

gen stelle ich beim Packen fest, dass ich meinen Fotoapparat nicht finden kann. Sollte ich diesen etwa oben liegen gelassen haben? Oder an der Bar? Eigentlich kann er ja nicht wegkommen - außer einer der Gäste hätte ihn brauchen können... an der Rezeption leuchtet mir schon meine staubige, blau-schwarze Tasche entgegen - ich hatte die Kamera wohl beim Fotostop (ich hatte mit meiner kleinen Knipse die Lodge fotografiert) auf dem Rückweg liegengelassen; die Gäste hinter uns hatten sie abgegeben. Beruhigt mache ich mich an’s Frühstück, und schon um neun Uhr bin ich wieder “on the road”. Vingerklip Lodge – Etosha Nationalpark Die fake“Himba” stehen immer noch (schon wieder?) an der Straße und versuchen, Autos zum Stoppen und Fotografieren zu bewegen. Nach weniger als einer Stunde Fahrt bin ich in Outjo, wo das Auto betankt und neue Vorräte eingekauft werden (Birnen, die wie ich später feststelle nach gar nix schmecken...). Von Outjo bis zum Etosha Nationalpark führt die geteerte C38, und so sind auch die restlichen 100km bis zur Lodge kein Problem. In der Etosha Safari Lodge kann man meinen Namen nicht finden. Obwohl ich mir ziemlich sicher war, in der Lodge eingebucht zu sein und nicht im Camp, ruft man doch zur Sicherheit “unten” an (die Lodge ist neueröffnet und liegt wunderschön auf einem Hügel). Im Etosha Safari Camp findet sich ein Mr. Dippold, aber nachdem ich hier schon des Öfteren als Herr auf der Gästeliste erschienen war, bin ich mir sicher, dass ich gemeint war. Die Hütten hier im Camp sind zwar einiges einfacher und auch älter als in den vergangenen Lodges, aber hier fehlt’s mir auch an nichts, und so dusche ich mir Staub vom 55

Leib, um mich danach zu erkundigen, ob heute noch eine Ausfahrt zum Park möglich sei. “Hier ist noch alles ziemlich chaotisch; wir fangen morgen erst an”, lautet die etwas kryptische Antwort des Verwalters. Wie ich erfahre, hat dieser erst vor kurzem gewechselt; und die neue Verwaltung fängt so nach und nach an, die touristischen Einrichtungen wie z.B. Game Drives erst wieder neu zu installieren. Immerhin werde ich dadurch morgen Teil einer Premiere sein - allerdings heute muss ich allein los. Gleich hinter dem Anderson Gate - dem Eingang zum Nationalpark - treffe ich auch schon die erste Giraffe. Gerne wäre ich bereits auf eine der kleineren Straßen abseits des Teers abgebogen, da hier bestimmt mehr Game (Wild) zu sehen gewesen wäre, weiß aber nicht, wie hier die Handhabe ist: schließlich muss ich in Okaukueju noch mein Eintrittsgeld entrichten. Also auf kürzestem Wege nach Okaukueju, wo es ja auch das berühmte Wasserloch geben soll, an dem wohl immer “was los” (also Wild zu sehen) sei. Das Wasserloch ist eigentlich fast schon Teil der Lodge; zumindest kann man von einigen der Chalets direkt zu den Elefanten sehen - fast wie im Zoo; nur dass es hier nur einen Zaun gibt - der nächste Zaun wäre der Nordrand von Etosha; und der ist über 50km entfernt. Obwohl also die wilden Tiere mehr als genug Auslauf haben (der Etosha-Nationalpark umfasst insgesamt immerhin ... km², wovon ... % auf die äußerst trockene Etosha-Pfanne entfallen), bleibt Wasser in dieser trockenen, eigentlich unwirtlichen Gegend die Haupattraktion. Und so ist an dem natürlichen Wasserloch immer was los (natürlich ist zumindest das Wasservorkommen; der Schutzzaun, damit Löwe, Elefant &Co nicht in die Lodge einbrechen, ist natürlich von Menschenhand gebaut). Zunächst sind da “nur” ein paar (20-30) Impalas; gegenüber grätscht eine Giraffe in wilden Verrenkungen nach dem (nicht sehr kühlen - die Außentemperatur beträgt um die 40°) Nass. Danach kommen ein paar Zebras vorbei; und kaum haben die ihren Durst mit lautem Schnauben gestillt, tauchen einige elegant gemusterte Oryx-Antilopen ihren Körper wie in einem Schwimmbad ins Wasser. Eine tolle Harmonie herrscht da im Tierreich! Vom Horizont bemerken wir, wie zwei Elefanten langsam heran trotten. Ob sich die anderen Tiere wohl wenn die Dickhäuter eintreffen trollen werden? - Mitnichten! Friedlich baden die Elefanten neben Zebras 56

und Oryx; außen am Wasserloch wälzen sich noch ein paar Schakale, als wollten sie am Bauch gekrault werden - wie Waldi zuhause. Immer wieder finde ich neue lohnenswerte Motive; wechsle von Super-Tele auf Weitwinkel; schieße einige Bildschirmhintergründe mit der Digi-Cam.. und schon sind wieder zwei Filme verknipst. Bisher hatte ich keine Bedenken, dass mir meine drei Speicherkarten reichen würden - immerhin hatte ich erst gestern auf die zweite gewechselt eine gute Bilanz, nachdem schon 2/3 meines Urlaubs rum waren. Aber mittlerweile bekomme ich Bedenken; irgendwie sind Tiere einfach fotogener als Menschen. Wieso nur??? Nach bestimmt zwei Stunden am “Luxus-Wasserloch” (mit Tribüne!!) entschließe ich mich, doch noch etwas auf Basic-Pirsch zu gehen und das Wasserloch ... im Norden des Parks aufzusuchen. Die Landkarte besagt, dass es hier besonders viele Löwen-Sichtungen geben soll. Leider bin ich schon etwas unter Zeitdruck, denn zu Sonnenuntergang müssen alle Besucher, die nicht im Park übernachten, diesen verlassen haben; und zu denen gehöre ich leider. Das Wasserloch ist 20km entfernt. Eigentlich nicht weit, aber erstens darf man nicht mehr als 60 km/h fahren; und zweitens lenkt immer wieder einiges Getier vom Weiterfahren ab. Am Wasserloch sehe ich auch zum ersten mal die eigentliche Etosha-Pfanne. Im staubtrockenen, weißen Kalk tummeln sich viele hundert Tiere; bis zum Horizont ist der Park gesprenkelt mit Straußen, Gnus, Zebras, Springböcken und Oryxen. Lieber nicht drüber nachdenken, wieso diese Tiere eigentlich lieber im trockenen Afrika leben als im vergleichsweise um einiges fruchtbareren Europa - wahrscheinlich hat über lange, lange Jahre der Mensch hier seine Hände im Spiel, und eine dichte Besiedelung durch Menschen ist direkt kontraproduktiv mit einer vielfältigen und zahlreichen Fauna. Sollte der Mensch, das Über-Säugetier, etwa doch nicht so ein kommunikatives Wesen, und deswegen lieber unter seinesgleichen sein?? - Die Tiere machen uns hier glatt was vor, denn außer es geht um Leben und Tod, tut keiner dem anderen was zuleide. Die Sonne steht schon “bedrohlich” tief (drohen tut vor allem ein Bußgeld, wenn man zu spät raus ist...) und so mache ich mich schon bald auf den Rückweg. Zwischen Okaukueju und dem Gate gelingen mir noch 57

einige “Kitsch-Afrika-Giraffen-Bilder” – d.h. Giraffe vor untergehender Sonne. Kurz vor Okaukueju stehen zwei Giraffen direkt am Weg. Ich muss an das Bild mit dem Elefanten, der seinen Rüssel auf den im Vergleich dazu kleinen Golf (der gleiche wie meiner!!) gelegt hat, denken mit der Unterschrift: “That’s when tourists finally realize that Africa is not a Zoo!” - d.h. spätestens jetzt bekommt man als Tourist mit, dass man nicht in einem Zoo ist... Die beiden Exemplare vor meinem Golf lassen sich von der SchreckBlauen Farbe nicht beeindrucken und wandern gemütlich über die Straße. Die Sonne steht noch 5min über dem Himmel; gerade richtig so dass ich sogar noch bei Helligkeit wieder zurück an der Lodge bin. Auf die Dusche verzichte ich ausnahmsweise; schließlich hatte ich vor ein paar Stunden erst geduscht. Zweimal am Tag Duschen geht mir gegen den Strich, da ja das Wasser hier wirklich nicht in Masse vorhanden ist. Die Plätze sind mit Namen zugeteilt, Mrs. Dippold (nicht: Mr.!) das muss ich sein, also setze ich mich an meinen Tisch für zwei und sehe mich um. Das große Camp hat heute zwei Busse zu Gast, von denen die meisten Mitfahrer schon etwas älter sind. Ich wechsle ein paar Worte mit dem Paar neben mir; beim Drink nach dem Essen, im Garten und zur Begleitung eines (nur mäßig afrikanischen) Hippie-Trommlers unterhalte ich mich nett mit Erich, dem Verwalter der Lodge. Natürlich kennt er Monika und Herbert von Etusis; die Tourismusbranche muss man sich in diesem Riesigen Land wohl ähnlich vorstellen wie in einem Skiort. Die Anzahl an Betten pro Einwohner stimmt; nur die Anzahl an Betten pro Quadratkilometer ist hier in Namibia definitiv niedriger! Nach einem AbschlußAmarula gehe ich zeitig zu Bett. Der Wind weht die Vorhänge umher und schafft so eine Grund-Geräuschkulisse, an die man sich erst gewöhnen muss. Dafür kühlt das Zimmer schnell ab. 58

Der ganztägige Game Drive (der leider mittags zum Lunch unterbrochen wird, d.h. wir sollen aus dem Park raus zurück zur Lodge kommen, um danach wieder in den Park zu fahren) startet um 6:30 Uhr, kurz nach Sonnenaufgang. Wir sind nur zu dritt in dem offenen Geländewagen und können uns ausbreiten. Die ersten beiden Stunden ist die Luft noch richtiggehend kalt; nur wenn wir am Wasserloch halt machen, spürt man schon die wärmende Kraft der Sonne. Nach den Formalitäten am Eingang schauen wir kurz am Wasserloch Ombika vorbei, das direkt hinter dem Eingangstor liegt. Um diese Zeit befinden sich dort nur ein paar Schakale, und natürlich die obligatorischen Springböcke. Während unser Guide (Isaak?) die Permits bezahlt, besteht für uns drei die Gelegenheit, den netten Ground Squirrels also Eichhörnchen -, die putzig Männchen machen und für die Kamera posieren, einen Besuch abzustatten. Von einem Besuch des Okaukueju-Wasserlochs hält Isaak nichts, denn schließlich gehen wir ja auf Pirschfahrt und wollen kein Public Viewing machen!. Er möchte uns die Big Five zeigen (die in Etosha sowieso nur Big Four sind, denn Büffel gibt es hier nicht) - also Elefant, Löwe, Leopard und Nashorn. Obwohl sie so groß ist, gehört die Giraffe nicht zu den Big Five, denn sie ist einfach zu leicht zu finden. Die ersten standen bereits in der Nähe des Wasserlochs und bemühten sich, trotz ihrer nicht so passenden Anatomie das Maul zum Trinken in das kühle Nass zu stecken. Immerhin hat die Natur dem Hirnschlag vorgebeugt: denn würde der Giraffe bei jedem Hals-nach-unten das Blut in den Kopf und nachher wieder raus schießen, würde sie es wohl nicht überleben. Nur durch ein ausgeklügeltes Ventilsystem kommt immer genauso viel Blut, wie die Giraffe zum Überleben in allen Lebenslagen braucht, auch in die entlegensten Teile ihres Körpers - den Kopf! Am Kopf kann man auch erkennen, ob es sich um 59

Männlein oder Weiblein handelt: den Weibchen stehen nämlich auf den Hörnern noch ein paar Haare oben ab, während die Männer obenrum kahl sind. Im nördlich von Okaukueju gelegenen Wasserloch Okondeka sollen die Chancen gut stehen, Löwen zu sehen zu bekommen, also machen wir uns - wie schon ich gestern in meinem Chico - auf den Weg dorthin. Leider ist dort noch “weniger los” als gestern, und so biegen wir, zurück in Okaukueju, nach Osten in Richtung Halali ab. Schon bald sehen wir von weitem die ersten Elefanten. Elias meint, dass diese in Richtung Olifantsbad unterwegs seien. Vorher könnten wir noch in Ruhe in einem weiter westlich gelegenen Wasserloch vorbeigucken; denn schließlich hätten die Elefanten noch einen weiten Weg vor sich. Nicht nur wegen der Elefanten sind wir froh, als wir dann in Olifantsbad sind: denn außer dem Wasserloch gibt es hier auch einen Picknickplatz mit Toilette, an dem man insbesondere den Wagen verlassen darf. Was anderswo in Namibia so einfach ist - einfach aussteigen und hinter den nächsten Busch zum Pinkeln gehen;; wenn keiner da ist ist’s auch egal, weil Auto kommt so schnell eh keins - wird hier zur Schwierigkeit; denn man darf ja nicht aus dem Auto raus; und uns drückt der Morgenkaffee auf die Blase. Die Elefanten treffen kurz nach uns am Wasserloch ein, und so werden wir erneut Zeuge des harmonischen Zusammenspiels der verschiedenen Tierarten am Wasserloch: es baden und trinken Zebras, Oryxe, Springböcke, Impalas und sogar zwei Schakale friedlich nebeneinander. Sogar die Reihenfolge ist gelöst: die Elefanten dürfen erst dann das Wasser eintrüben und drin rumwühlen, wenn die anderen genug getrunken haben - wer möchte schon Schlammwasser zu sich nehmen! Mir gelingen einige schöne, faszinierende Aufnahmen der gegenüber den Elefanten so mickrig erscheinenden Oryx, z.B. als einer von ihnen durch die Beine der Elefanten in die Kamera linst. Das Impala, das man hier im Etosha zu Gesicht bekommt, ist übrigens nicht zu verwechseln mit den “NAFIs” (Not Another Fucking Impala!) aus Südafrika: denn das Etosha- oder Black Faced Impala ist hier in Namibia endemisch, hat etwas dunkleres Fell wie das Gemeine Impala und außerdem fehlt ihm das charakteristische schwarze McDonalds-Zeichen am Hintern. Anhand einer wandernden Herde Gnus erzählt uns Isaak etwas über die Rangordnung der Tiere: 60

angeführt wird die Herde von einem Halbstarken, der gerade dabei ist, sich zum Leader hochzuarbeiten. Das gerade amtierende Ober-Gnu geht am Ende - bis es von dem halbstarken Anführer aus der Herde verstoßen wird, und dieses seinen Platz als Herdenältester einnimmt. An einem weiteren Wasserloch treffen wir auf zwei weitere Autos aus dem Etosha Safari Camp. Ephraim weiß, dass es sich hier um reine Bird-Watcher (Vogelfreunde) handelt. Und tatsächlich schenken diese beiden Busse den Steppenzebras mit den drei Streifen (Weiß, Braun und Schwarz) keinerlei Beachtung. Dafür wenden sich deren Ferngläser, als ein Sekretärvogel auf der Bildfläche erscheint. Der heißt so, weil sich seine Federn sehr gut zum Schreiben mit Tinte eignen! Auch die im Rudel ans Wasserlock gackernden Guinea Fowls (Perlhühner) finden Anklang bei den Ornithologen. Leider weiß unser ansonsten sehr kundige Guide nicht, wieso die Guinea Fowls denn das “Guinea” im Namen hätten - ob sie etwa von dort stammen würden - oder ob sie etwas mit den Guinea Pigs (Meerschweinchen) gemeinsam hätten. Dafür hätte er mir den Tiernamen in 12 Sprachen übersetzen können. So viele kann er nämlich. Die Französin im Nachbarbus ist sehr verzückt, als sie sich endlich mal mit jemandem unterhalten kann! Schon bald stellen die Bus-Insassen fest, dass sich eigentlich niemand im Bus so nach der Lodge sehnt, dass wir unbedingt zum Lunch zurück müssten. Am Telefon von Mitfahrer Josef stellt unser Guide schließlich fest, dass wir auch niemanden mehr abholen müssen. So legen wir lediglich eine Stunde Pause in Okaukuejo ein, ohne zurück zum Camp zu fahren. Nicht weit vom Eingang nach Okaukueju kommt ein Elefant angestapft. Dieser muss, so unser Guide, wohl schon etwas älter sein, denn erstens würden jüngere Elefanten nicht freiwillig so nahe an menschliche Siedlungen rangehen; und zweitens hätte dieses Exemplar sehr lange Zähne. Dies ist ein Zeichen dafür, dass er sich diese nicht wie bei jungen, ungestümen Typen regelmäßig beim Buddeln im Sand abbrechen oder abschleifen würde! Die seltsam weiße Farbe der Elefanten ist schnell erklärt: das ist einfach die Farbe des Staubs, der auf dem Elefanten drauf liegt. Aufpassen müsse man nur, wenn unter dem Auge des Elefanten eine Träne sichtbar wird (also ein Tropfen den Staub dunkel verfärbt): 61

das passiert nämlich dann, wenn das Tier wütend oder traurig ist; also auch, wenn es Tendenzen hat, aggressiv zu sein. Am nächsten Wasserloch treffen wir eine bisher noch nicht gesehene Tierart an: das Red Hartebeest, d.h. die Kuhantilope. Diese ist etwas kleiner, dafür aber kräftiger gebaut als der Oryx, braun und hat leicht geschwungene (keine gedrehten) Hörner. Der erhoffte Löwe bleibt leider weiterhin aus. Das alte, ausgestoßene, allein gelassene Gnu lässt Hoffnungen auf die Sichtung eines oder mehrerer Löwen in mir hoffen, denn schließlich war es genau so eines, was im Masai Mara von zwei Löwinnen attackiert worden war. Leider vergeblich. E... tröstet uns: wenn die Löwen heute nicht trinken würden, dann würden sie bestimmt morgen trinken! Auch Nashörner lassen sich keine blicken. Ein Blick zum Himmel lässt mich skeptisch stimmen, was die ansonsten so schlüssig klingende Argumentation des Trinkverhaltens der Löwen angeht: dieser hat sich in der letzten Stunde der Abenddämmerung schwarz gefärbt; es herrscht Gewitterstimmung, ein Sturm kommt auf. Wenn es aber regnet im Park, haben die Löwen noch weniger Grund, ihren Hintern zum Wasserloch zu bemühen - und es wird noch schwieriger werden, sie morgen zu sehen. Obwohl es irgendwo in der Ferne schon ein paar Tropfen geregnet haben muss (man kann die Erde riechen), bleiben wir im Bus trocken. Erst nach dem Abendessen, beim Rückweg zu meiner Hütte, treffen mich vier Tropfen. Zu wenig, um die Löwen morgen vom Trinken an den Wasserlöchern abzuhalten! Am nächsten Tag, meinem letzten in Etosha, weckt mich kein Wecker; nur die Stimmen der Natur. Der Himmel ist bewölkt, als ich um kurz vor acht meinen Golf zum letzten Mal auf die Schotterpiste - in den Etosha Nationalpark - schicke. Mein Drei-Tages-Permit erregt wiederum Interesse. Scheinbar kennt man 62

diese Praxis am Anderson Gate noch nicht.. letztendlich werde ich aber, wie schon am Vortag, durchgelassen. Okaukuejo lasse ich heute aus, und nach einer kurzen Stippvisite am Wasserloch Ombika gleich am Eingang biege ich auf der Gegenseite der Hauptstraße in Richtung des Wasserlochs Aus ab. Die Wasserlöcher sind, wie schon gestern, gut besucht. Nur die Löwen lassen sich noch bitten. Dafür lasse ich mir viel Zeit für Close-Ups. Eine Herde Springböcke unter einem Baum zu beobachten, oder dem Schnauben von Zebras hautnah zuzuhören ist doch genauso Gänsehaut-fähig! Am Wasserloch Gemsbokvlakte bekomme ich die erste “Jagdszene” zu sehen: ein Schakal versucht sich an einem Springbock, der gerade Baden ist. Leider ohne Erfolg: das Wasser war zu niedrig; der Springbock kann sich ohne Probleme befreien und rennt davon. Auch der Schakal trollt sich und muss weiter nach seinem Frühstück suchen. Ich treffe Ephraim, unseren Guide von gestern. Er war (mit seinen französischen Gästen, die sich jetzt endlich mal in ihrer geliebten Landessprache unterhalten können!) heute morgen beim Wasserloch Okondeka im Norden gewesen und hatte dort Löwen gesehen; sieben insgesamt. Aber ich musste mich ja für die andere Richtung entscheiden... In Olifantsbad gibt es heute leider keine Elefanten. Auch auf der Strecke habe ich keine “anrollen” sehen. Dafür erwischt mich zuerst eine Biene und sticht mich in den Oberarm. Kurz darauf schlägt ein kleines käferartig aussehendes, beige-Farbiges kleines Insekt zu. Als drittes setzt noch eine Fliege (scheinbar ein Exemplar mit Stachel) eins drauf. Und das alles innerhalb fünf Minuten! Die Schmerzen beider ersten Stiche sind schnell vorbei; die Fliege hat eh nur gepiekst. Allerdings bleibt der rechte Arm an beiden Stellen bis zum Abend richtiggehend blau-taub. Selbstverständlich steht mein No-Bite-Insektenspray friedlich zuhause in der Hütte. Zum Glück finde ich am nächsten Wasserloch eine freundliche Deutsche, die mir aushelfen kann - Ge63

genstände durch das Fenster weiterzureichen, ist ja nicht verboten, solange man nicht aussteigt dabei! Unser Gastgeber hat mir empfohlen, wenn ich in Richtung Halali fahren sollte, gleich noch ein paar Kilometer weiter nach Goas zu fahren, denn dort sei immer was los. Die Wasserlöcher Sueda und Salvadora seien auch sehr zu empfehlen und liegen sowieso auf dem Weg. Zwar stellen sich beide als trocken heraus und nur wenige Tiere treiben sich hier rum. Durch die Lage der beiden Wasserlöcher direkt an der Etosha-Pfanne bietet sich aber eine herrliche, bizarre Aussicht. Eine ganze Reihe Oryx zieht in ca. 100m Entfernung durch die Pfanne. Und auf dem Weg zum ebenfalls sehr nahen Wasserloch Chraritsaub muss ich an einem Elefant vorbei, der neben dem Weg in der Wiese steht. Das als großes und “scenic” angepriesene Rietfontein ist in der Tat herrlich gelegen. Einige Oryx-Antilopen tummeln sich gemeinsam mit Zebras und Kudus im großflächigen Wasserloch. Von hier aus ist es nicht mehr weit zum mittleren der drei großen Camps in Etosha, Halali. Ohne dass ich gemerkt habe, wo die Zeit hin ist, ist es bereits fast zwei Uhr! Davon, im Restaurant von Halali zu Abend zu essen, hat mir unser Gastgeber im Etosha Safari Camp abgeraten das Essen dort hätte wohl schon bei mehreren Gästen zu Magenverstimmungen geführt. Ich habe eh keinen großen Hunger und hole mir nur eine Cola und nen Schokoriegel. Wieder einmal heftet sich ein Wärter an meine Fersen, der mich vorher noch mit dem altbekannten “how are you where do you come from...” belabert hat. Als ich ihn frage, wieso er mich verfolgt, trollt er sich aber. Nach einer kurzen Stippvisite am Wasserloch von Halali, Moringa, setzte ich mich lieber wieder ins Auto. Nachdem heute morgen sogar kurz ein paar Tropfen gefallen waren, sticht die Sonne momentan stärker wie eh und je vom Himmel. Schwarze dunkle Wolken sowie immer wieder einschlagende Blitze in meiner Richtung kündigen aber noch mehr Wasser “von oben” an. Als östlichsten Punkt meiner Pirschfahrt mache ich mich wie vorgeschlagen auf zum Wasserloch Goas, das ca. 15km von Halali entfernt ist. Um dieses Wasserloch kann man vollständig außen rum fahren. Und obwohl man vom “Eingang” eigentlich genauso gut sieht wie von der gegenüberliegenden Seite (und außerdem nicht viel los zu sein scheint), stehen gegenüber einige Autos rum. Das kenne ich noch von Masai 64

Mara und Krüger: viele Autos heißt, da gibt’s was zu sehen! Tatsächlich: als ich den Pulk erreiche, liebkosen sich gerade ein Löwen-Paar zärtlich unter einem Baum! Zu lieb sehen die beiden aus: immer wieder reiben sie ihre Köpfe aneinander; Mr. Löwe kneift seine Dame sanft in den Schwanz oder tatzt nach ihren Schultern. Als sie Durst bekommt, machen sich beide auf den kurzen Weg zum Wasserloch. Sie voraus, dahinter er, und nach den beiden - die Autos! Zwischendurch sind die zwei nur zwei Meter von meinem Fenster entfernt. Jeder hält die Luft an; außer den gelegentlich startenden Motoren hört man keine Geräusche. Weitere Tiere sind nicht da; nur zwei Giraffen schauen vom Gebüschrand sehnsuchtsvoll aufs Wasser - und respektvoll auf die beiden Miezekatzen! Nach dem Zwischenstopp an der Bar ist erst mal wieder Ruhe angesagt, und das Liebespaar verzieht sich in den Schatten. Sie voraus, er hinterher - scheinbar sind die beiden noch sehr jung; denn immer wieder necken sie sich gegenseitig, er fängt ihren Schwanz oder sie knabbert liebevoll in seine Seite. Den Rückweg in Richtung Anderson Gate/Okaukuejo möchte ich nicht entlang der Pfanne zurücklegen, sondern auf dem weiter südlich gelegenen Rhino Drive, da ich hoffe, dort noch auf Rhinozerosse zu stoßen. Außerdem soll es in dieser Gegend des Parks auch Leoparden geben. Das wäre natürlich die Krönung, wenn ich da welche sehen würde! Ein Auto vor mir ist explizit auf Leopardensuche und scannt Baum um Baum - aber auch die beiden haben keinen Erfolg. Die Fahrt entlang des Rhino Drive erweist sich als lang und beschwerlich. Der Weg ist schlecht, sehr wenig befahren und immer wieder muss ich Steinen ausweichen, so dass nicht viel Gelegenheit bleibt, die Büsche nach Tieren abzusuchen. Eine Stunde lang treffe ich kein Auto. Auch kein Rhinozeros zeigt sich. Als ich aber auf einem etwas besseren Wegstück kurzzeitig mal mehr als 40 km/h fahren kann, muss ich abrupt bremsen - denn direkt vor mir bricht eine Elefantenherde aus dem Dickicht! Die Mama mit ihren Kindern biegt auf der anderen Straßenseite wieder in den Wald. Der Papa lässt 65

es sich jedoch nicht nehmen, auf Berührungsentfernung an meinem Auto vorbei zu gehen. Ob er mir Angst einjagen möchte, oder einfach nur zeigen, wer da Herr im Busch ist? Ich muss an das Foto mit dem Elefanten und dem dagegen mickrigen Golf denken, “that’s when tourists finally realize that Africa is not a zoo” - falls der Herr jetzt seinen Rüssel auf mein Auto legen würde, wäre das ein 1:1-Nachstellen genau dieser Szene! Die Strecke auf dem Rhino Drive zieht sich endlos dahin. Außer den Elefanten habe ich noch kaum Tiere gesehen, und die Straße wird auch nicht zwischen Halali und Okaukuejo, ein. Eigentlich wollte ich ja gerne noch zum nördlichen Wasserloch fahren - die Löwen, von denen Ephraim berichtet hat, würden mich schon sehr reizen. Aber erstens hat es mittlerweile zu Regnen begonnen; und auf der Straße steht das Wasser in den Pfützen. Welcher Löwe würde sich da noch bis zum Wasserloch begeben, wenn er das lebensnotwendige Nass Frei Haus geliefert bekommt? Zweitens wird mir wahrscheinlich auch die Zeit davonlaufen. Bis Okaukuejo sind es noch einige Kilometer, und in 1,5h ist schon Sonnenuntergang! Nach einigen Kilometern: endlich wieder gute Piste! Ich sehe schon von Weitem einen Pulk Autos am Wegrand stehen. An den wenigen Zebras, die noch dazu recht weit vom Weg entfernt stehen, kann dieser Menschenauflauf wahrscheinlich nicht liegen. Aber außer den Zebras kann ich keine Tiere erkennen. Schnell das Nachbarauto gefragt, was es denn eigentlich zu sehen gibt: es sind Löwen; und gleich sieben davon! Ins Gebüsch geduckt, versuchen diese, eines der Zebras zu jagen. Von meiner niedrigen Sitzhöhe sind die geduckten Löwen nicht zu erkennen, aber urplötzlich stauben sie wie auf Kommando los: ran an ein Zebra, es wehrt sich, die Herde galoppiert weg - und das Opfer kann letztendlich fliehen. Die Löwen es sind männliche und weibliche Exemplare dabei - bleiben hungrig. Noch lange beobachten wir die Löwen nach der vergeblichen Jagd. Sie scheinen sich nicht 66

allzu viel draus zu machen, spielen miteinander und wirken keinesfalls geknickt ob der fehlenden Abendmahlzeit. Mittlerweile ist es endgültig zu spät für den Abstecher nach Okondeka, da ich in Okaukuejo auch noch Tanken muss. So langsam gehen meine Bargeld-Vorräte zu Ende - wahrscheinlich werde ich noch mal Geld holen müssen. Die Tankstelle nimmt kein Bargeld - jetzt sind’s noch 200 N$, die mir bleiben! Zum Glück fahre ich keinen 4x4.. denn das Exemplar, das vor mir zum Tanken dran ist, schluckt 150 Liter! Dementsprechend lange muss ich warten, denn es ist nur eine Tanksäule in Betrieb. Bei Nieselregen fahre ich nun schnurstracks zum Anderson Gate. Die 300m Abstecher zum Wasserloch gleich beim Gate gönne ich mir noch. Doch wie erwartet ist dieses unbevölkert - die Tiere haben momentan einfachere Möglichkeiten, an ihr Wasser zu kommen. An der Lodge widme ich heute ausnahmsweise mal schon vor dem Abendessen dem Tagebuch. Nach dem Sundowner-Bierchen ist es mir die letzten Tage doch meist sehr schwer gefallen, noch alle Erlebnisse des Tages zusammen zu bekommen. Rückfahrt Etosha – Windhoek (Gästefarm Ondekaremba) Das Auschecken an der Lodge am nächsten Morgen stellt sich als recht schwierig raus: zwar bin ich mittlerweile geübt darin, meine Siebensachen aus allen Ecken des Raumes effizient wieder zusammen zu sammeln; aber die Telefonverbindung für die Kreditkartenzahlung streikt mal wieder. Die Alternative wäre, mit Bargeld zu zahlen. Doch davon habe ich nicht mehr genug. Nicht mal die Zahlung in Euro hätte hingehauen. Ich schlage vor, die Kreditkarte einfach nach meiner Unterschrift, und unabhängig von der Telefonverbindung zu belasten. Über’s Internet ist das ja auch möglich. Und genau so machen wir’s dann auch. In der Zwischenzeit hatte Andrew aus Otjiwarongo, 67

dem ich am Vorabend noch eine SMS geschrieben hatte, sich gemeldet: ja, er würde sich gerne auf eine Cola mit mir treffen. Die Straße über Outjo nach Otjiwarongo ist wie schon von einigen Namibia-Erfahrenen beschrieben: geteert zwar, aber durch die fehlende Abwechslung unendlich lange erscheinend. Ich komme zügig voran und bin pünktlich um kurz vor elf in Otjiwarongo. Andrew passt mich sogar schon an der Ampel ab und leitet mich zu dem kleinen Restaurant, wo wir eine gekühlte Cola zu uns nehmen und Andrew noch etwas von seiner Konferenz, an der er teilgenommen hatte, als wir uns vor zwei Wochen in Windhoek kennen gelernt haben. Als Namibier fährt man wohl gerne nach Swakopmund und an die Westküste, da es dort kühler ist als im Rest des Landes. Ich führe es auf meine nordeuropäische Sehnsucht nach Wärme zurück, dass es mir genau dort nicht so gut gefallen hatte. Sehr froh ist Andrew darüber, dass er nun außer meiner Email-Adresse auch meine Faxnummer bekommen hat, denn er besitzt keinen Computer und kann deswegen keine Emails schreiben oder empfangen. Im Büro gibt es nur einen Computer, und den bedient die Sekretärin. Ich stelle mir das traumhaft vor: ohne die tägliche Email-Flut, einfach nur seine Arbeit erledigen zu können... und bin schon gespannt, ob ich am kommenden Dienstag die 1000er-Marke an ungelesenen Emails erreichen werde. Vor der Reise hatte ich NULL. Ich möchte lieber noch nicht dran denken...! Die restlichen 250km bis nach Windhoek, über Okahandja, sind ebenso schnell zurück gelegt wie die ersten 200. Die Landschaft mit den Khomas-Hochland links und rechts wird etwas abwechslungsreicher, und dunkle Gewitterwolken zaubern geheimnisvolles Licht über die Hügel und Bäume. Problemlos fädle ich mich durch Windhoek und fahre ich Richtung Flughafen - froh, die nächsten zwei Tage noch Zeit zum Ausschwingen auf Ondekaremba zu haben. Dort steht bereits der Nachmittagskaffee auf dem Tisch, was mir gerade recht kommt, denn mein Magen meldet sich knurrend zu Wort. Ob der heutige Sundowner-Drive zustande kommen würde, hängt noch stark vom Wetter ab, denn zwischendurch hört es zwar kurz zum Regnen auf, aber das Band schwarzer Wolken will nicht abreißen. Gegen 17 Uhr ist es immer noch trocken, und wir brechen mit Oliver 68

Rust, dem Ur-Ur-Enkel des Farmgründers von Ondekaremba, Erich Rust, auf. Die Farm wird immer noch von der Familie Rust geführt. Das Farmland des Großvaters wurde in der Familiengeschichte einmal geteilt - nämlich unter den zwei Söhnen des Gründers. Ansonsten ist dieses Gebiet seit Beginn des 20. Jahrhunderts im Besitz immer der gleichen Familie. Oliver hat von seinen Vorfahren die Begeisterung für die Natur geerbt. Leidenschaftlich erzählt er uns von dem Wild, das er am liebsten frei durch ganz Namibia ziehen lassen wollte, von den herrlichen verschiedenartigsten Landschaftsformen seines Heimatlandes und wie sehr er den Zaun hasst, den die benachbarte Landwirtschaftsschule zwischen seinem und deren Terrain errichtet hat. Obwohl Oliver wie auch seine Frau und Eltern sowohl die Deutsche als auch die Namibische Staatsbürgerschaft besitzen, ist ihre Heimat doch eindeutig Namibia. Die deutsche Sprache haben sie sich erhalten, sprechen jedoch wie die meisten Weißen im Land auch Afrikaans. Es ist ziemlich kühl auf dem offenen Wagen. Dennoch genieße ich die Fahrt, auf der wir Oryx-Antilopen, Hartebeester (Kuhantilopen), ein Kudu sowie Stachelschweine und Hasen zu Gesicht bekommen. Außer mir ist noch ein Ehepaar aus Sachsen an Bord, das in Zürich lebt - und bei denen sich der eindeutig Sächsische Dialekt mit einigen Schwiizerdeutschen Ausdrücken zu einem lustigen Gemenge vermischt. Die beiden sind mit dem Wohnwagen schon fünf Wochen durch Namibia unterwegs gewesen und haben so einiges erlebt. Kaum zu glauben, dass der Ehemann bereits 72 Jahre alt ist. Trotz ihres Alters schrecken die beiden nicht vor abenteuerlichen Off-Road-Touren zurück. Bei jedem steil nach unten führenden Pfad bricht die Ehefrau in schallendes Lachen aus. Was genau sie dazu bringt, zu lachen (anstatt vielleicht zu kreischen, weil sie Angst hat - was durchaus denkbar wäre) finden wir nicht raus. Ihr Mann, ein begeisterter Fotograf, scheint jedoch Bescheid zu wissen... Den Sundowner (der nicht wirklich einer ist, da Wolken die Sonne verdecken) nehmen wir an einem schnurstracks zusammengesuchten kleinen Lagerfeuer ein, das uns angenehm wärmt. Der Schweizer versucht, die Szene mit seiner Digitalen Spiegelreflexkamera und Selbstauslöser aufzunehmen - was ihm aber nicht auf den ersten Versuch gelingt, und bei seiner Frau wiederum ansteckende Heiterkeitsausbrüche 69

hervorruft. Wir steigen in eine Fotografendiskussion ein. Oliver interessiert sich sehr für mein 600er-Teleobjektiv. Von ihm stammen die tollen Tierfotografien, die überall in der Lodge ausgestellt sind. Er bestärkt mich in meinem Willen, die Farm wandernd zu erfahren, was ich am nächsten Morgen auch tun werde. Erst auf der Rückfahrt bietet sich wirklich das, was man unter “Afrika-Romantik” versteht: nur an einer flachen Wolkenlücke, vor der genau eine Bergkette zu sehen ist, schimmert der von der bereits untergegangenen Sonne rot gefärbte Himmel durch. Mit einer Akazie im Vordergrund ergibt sich das perfekte Afrika-KitschBild, wofür Oliver auch gerne den Wagen stoppt sowie die Lichter ausschaltet! Das Abendessen ist sehr lecker, als Hauptgericht gibt es Lamm. Die Mitglieder der Familie Rust setzen sich allesamt mit ihren Gästen zusammen an den Tisch und erzählen Geschichten aus der Vergangenheit der Farm sowie der momentanen Lage und über die gerade noch im Bau befindliche Seniorenresidenz, die ebenfalls der Familie gehört. Ein netter Plausch mit einem Paar älterer Herrschaften aus der Nähe von Kapstadt geht der Tag zu Ende. Am nächsten Morgen werde ich schon um kurz nach sechs Uhr vom lauten Gekreische der Pfaue, die zur Farm gehören, geweckt. Immerhin war es nicht, wie von Oliver gestern angekündigt, halb fünf, als die beiden zu Plärren begonnen haben. Dennoch bin ich schon zeitig vom Frühstück zurück. Es kommt mir sehr recht, dass mein Zimmer gerade dann gemacht wurde, als ich zurückkomme denn so kann ich mir mit dem warmen Putzwasser und Lappen meine überaus staubigen Wanderschuhe reinigen. Diese möchte ich nicht nur zur Wanderung über das 70

Ondekaremba-Farmland tragen, sondern vor allem morgen im Flieger! Der Himmel ist immer noch leicht bewölkt, aber die Sonne scheint und es ist nicht allzu heiß - ideale Bedingungen, den 13km langen Rundweg in Angriff zu nehmen. Der orange Pfad ist gut ausgeschildert. Mal huscht ein Warzenschwein kurz vor mir über den Weg; ein andermal hoppelt ein Hase durch die Dornbüsche. Ich wünschte, ich hätte auch ein so dickes Fell, denn bereits die erste Berührung mit einem der Büsche hinterlässt einen blutigen Kratzer in meinem rechten Arm. Mehrmals mache ich Rast und lasse meinen Blick über das weite Land, das im Osten vom Flughafen Windhoek jäh durchschnitten wird, gleiten. Mein letzter voller Tag in Afrika! Zweieinhalb Wochen toller Bilder und Eindrücke liegen hinter mir. Jede Sekunde, jedes Gespräch haben neue Gedanken ausgelöst; die Menschen, die in einer so eigentlich unwirtlichen Gegend gut leben, haben tiefen Eindruck bei mir hinterlassen. Vor allem die Unterhaltung mit dem Guide Wayne, in den ersten Tagen “on the road” in der Kalahari Anib Lodge, bleibt mir in Erinnerung: Wayne predigt seinen Gästen, dass das Wasser das wertvollste in Namibia sei. Vom Wasser hängt hier alles ab. An der vorhandenen Wassermenge orientiert sich die Besiedlungsdichte - mehr als die 2 Einwohner pro Quadratkilometer kann dieses trockene Land nicht ernähren. Nur im Norden von Etosha und im Caprivi, wo es feucht ist durch den Kuenene-Fluß, wird die Bevölkerung etwas dichter. Und da, wo eigentlich kein Wasser ist, und viele Touristen trotzdem danach dürsten - im Sossusvlei nämlich - entstünde gerade ein sehr ernstes Problem. Immer tiefer muss man dort nach dem Gold Namibias schürfen, um die Duschen der Lodges laufen lassen zu können. Ich hoffe, dass Namibia den Spagat, auszutarieren zwischen dem Geld, das der Tourismus ins Land holt, und den Ressourcen, die dafür benötigt werden, schafft und dass trotzdem noch viele interessierte Menschen aus aller Welt nach mir die Gelegenheit haben werden, dieses herrliche Land kennen zu lernen! Den Nachmittag verbringe ich ganz faul im Garten der Lodge und beobachte, wie der Pfauenmann den beiden Damen mit seinem eindrucksvollen Rad zu imponieren versucht. Langsam werde ich meine Koffer packen müssen; die Ausrüstung reorganisieren, um alles auch wieder sicher nach Deutschland zurück bringen zu 71

können. Es beginnt, stark zu regnen, ein kräftiges Gewitter geht über der Lodge nieder. So kann ich das Gefühl haben, bei namibischem “Guten Wetter” zu packen, und der Abschied fällt nicht ganz so schwer. Sogar Frau Pfau sucht auf meiner Terrasse Unterstand, während ich versuche, meine Siebensachen in den Koffer zu quetschen. Der Regen lässt sogar das Blau meines Autos wieder etwas besser zur Geltung kommen. Als sauber darf der Golf aber dennoch nicht wirklich gelten… Hoffentlich würde die Autovermietung wegen eines kaputten Frontscheinwerfers keine Umstände machen! Die Hitze während der Wanderung hatte ich bereits während der selbigen bemerkt – der Durchfall, der sich urplötzlich bemerkbar gemacht hatte, war wohl eine Auswirkung davon. Und mein rechtes Auge tränt – nicht oder nicht nur, weil der Abschied aus diesem schönen Land nicht mehr weit war, sondern weil ich den Augapfel nicht mit Sonnencreme oder Sonnenbrille vor Sonnenbrand geschützt hatte! Um den Abend noch genießen zu können, gönne ich mir eine Kopfschmerztablette, die auch bald wirkt. Die Augentropfen, die mir ein weiterer Gast anbietet, helfen ebenfalls, und so ist der Sonnenstich schnell Vergangenheit. Ein letztes Mal wiegen mich die Geräusche der Nacht in den Schlaf. Ebenfalls zum letzten Mal bietet sich die Gelegenheit, die Morgenluft während einer Ausfahrt zu genießen, die Urgroßenkel Oliver und sein Cousin Stefan, der eine Reisegruppe als Guide und Ornithologe begleitet, ausgeheckt haben. Da zögere ich natürlich nicht lange lerne so noch viel über die Vögel Afrikas – und der Kaffee schmeckt an der frischen Luft auch doppelt so gut! Oliver zeigt uns einige Markierungen, die man einem großen Stein im Flussbett gefunden hatte und die wie eine Zählung aussehen – vermutlich seien diese noch älter als die berühmten Felszeichnungen von Twyfelfontain. Niemand der Wissenschaftler, die schon befragt worden waren, hatte eine Ahnung, wann und von wem die Einkerbungen hinterlassen worden sein könnten. Deshalb wird davon ausgegangen, dass schon lange vor den San und den Buschmännern intelligente Menschen Afrika besiedelt haben, über die man aber sehr wenig weiß. Die San oder die Buschmänner selbst haben wohl keine Zählungen oder Kalender ange72

legt und scheiden so als die Urheber der Kerben aus. Eines der allgegenwärtigen Siedelweberneste sei eine Besonderheit, so der Ornithologe Stefan – denn in diesem würden nicht nur die gelben niedlichen Siedelweber leben, sondern auch der kleinste Greifvogel der Welt, der Zwergfalke. Diesen bekommt man nur selten zu Gesicht. Am andersfarbigen Kot ist aber zu erkennen, dass dasjenige Nest auch Fremdbevölkert ist. Der Zwergfalke ernährt sich auch von den Eiern, die die Siedelweber legen – allerdings nie von denen der eigenen Kolonie. Von seiner Beute gibt er auch ab, und so entsteht eine perfekte Vogel-Symbiose. Eigentlich hätten wir schon um halb neun zurück sein sollen. Aber durch die vielen Sichtungen (Oryx, Hartebeest, verschiedenste Vögel, Warzenschweine) und sonstigen Interessanten Geschichten der Familienmitglieder verbringen wir fast drei Stunden draußen auf der Farm. Nur im Spaß werden wir von Olivers Mutter abgepasst und sofort mit einem augenzwinkernden Schimpfen zum Frühstückstisch dirigiert – sonst gibt’s nichts mehr! Das Auschecken bis zehn Uhr wird nach hinten verschoben, und so bleibt mir nach dem Zusammenpacken meiner restlichen Habseligkeiten nur noch eine halbe Stunde, die ich auf der Farm „vergammle“ und ruhig auf der Terrasse verbringe. Dabei läuft mir noch Frank, der Freund von Oliver, über den Weg. Er hat einen jungen Strauß im Arm, der ihm zugelaufen ist! Der will jedoch gerne nach Hause. Schade; gerne hätte ich noch etwas mit dem süßen Vogel gespielt! Heimreise Die Fahrt zum Flughafen dauert nur zehn Minuten – und es ist kaum zu glauben: ohne irgendeine Beschwerde wird der Dreckhaufen, unter dem sich mein Golf befindet, zurückgenommen. Schlangen beim Einchecken gibt es auch nicht, und so bin ich viel zu früh am Flughafen. Da dieser sehr klein ist, kann man aber gut vor dem Gebäude sitzend noch die Sonne genießen – und z.B. schon mal anfangen, Postkarten zu schreiben. Die Abfertigungshalle besteht aus nur zwei Ausgängen. Weil ein Flieger nach Lusaka scheinbar noch einen Passagier vermisst und der zweite Ausgang von einer weiteren Maschine belegt ist, verschiebt 73

sich unser Abflug um mehrere Minuten. Das stört mich jedoch mitnichten, denn fünf Stunden sind zum Umsteigen in Johannesburg wahrlich genug! Jetzt bin ich ja auf dem Nachhauseweg und kann somit einen internationalen Boarding Pass vorlegen, und so hole ich die Einkäufe nach, die mir auf dem Hinflug noch verwehrt worden waren. Zusätzlich finde ich den tollen Likör, der mir auf Etusis zum Eis angeboten worden war: Ilala, ein Likör aus den Früchten der Ilala-Palme. Mit Postkartenschreiben und dem ausführlichen Studium einer Cosmopolitan (um auch immer über die neuesten Sex-Stellungen Bescheid zu wissen…) geht die Wartezeit schnell zu Ende. Im Langstreckenflug gibt es wieder die persönlichen Bildschirme, und so ziehe ich mir das sehr primitive, sich wohl selbst verarschende, dafür aber umso bessere MamaMia-Abba-Musical rein. ach fünf Stunden unruhigen Schlafens (dummerweise sind im Airbus die Fenster weiter weg, so dass man sich nicht so gut anlehnen kann) kann ich kein Auge mehr zu tun und kann deswegen dem Pixar-Film „Wall-E“, den ich schon zweimal gesehen hatte, nicht widerstehen. Dann ist auch schon Wecken, es gibt ein letztes Mal Eier mit Speck – und bei einem Sonnenuntergang, der den Farben Afrikas wohl nachahmen möchte, landen wir bereits um viertel vor sieben am Flughafen München. Stefan’s Audi steht schon vor der Tür, als ich auf mein Gepäck warte. Mein Herz klopft, so sehr freue ich mich auf unser Wiedersehen. Nur das Gepäck.. das kommt und kommt nicht… und so muss ich bevor ich Stefan in die Arme schließen kann, noch die Lost-and-Found-Stelle aufsuchen und den Kofferverlust melden. Wenige Augenblicke später ist es soweit: Stefan steht – in seiner berühmten grünen Jacke, über die wir so oft witzeln – vor dem Ausgang und wir liegen uns in den Armen. Und sind uns sicher, dass wir den nächsten Urlaub in Namibia gemeinsam verbringen werden!

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