Ein Handbuch für

nachhaltige Aquakultur

Project N°: COLL-CT-2006-030384

Sixth Framework Programme

Integrierte Lösungswege für eine nachhaltige und gesunde Süßwasseraquakultur

SUSTAINAQUA HANDBUCH

Vorwort

3

1.

SustainAqua – Eine Einführung

4

2.

Nachhaltigkeit in der Aquakultur

6

3. Technologien in der Süßwasseraquakultur in Europa 3.1. Teichwirtschaft 3.2. Durchflusssysteme 3.3. Kreislaufanlagen 3.4. Gehegekulturen in Süßwasserseen und Flüssen

12 12 13 13 14

4. Rechtliche Rahmenbedingungen in der europäischen Süßwasseraquakultur 4.1. Gemeinsame Fischereipolitik (GFP) 4.2. Umweltpolitik, die auf die Entwicklung der Aquakultur wesentlichen Einfluss hat

15 16 19

5.

Hohe Produktqualität und neue Geschäftsfelder – Marktchancen für Fischprodukte höchster Qualität und Sekundärprodukte 5.1. Produktqualität – die polnische Fallstudie 5.2. Wasserreinigende Pflanzen für die Bioenergieindustrie – die ungarische Fallstudie 5.3. Hydrokulturpflanzen und tropische Früchte – die Schweizer Fallstudie 6. 6.1. 6.2. 6.3. 6.4.

Reinigung des Ablaufwassers intensiver Aquakulturen durch Feuchtgebiete und extensive Fischteiche – Fallstudie in Ungarn Künstliche Feuchtgebiete als eine nachhaltige Methode zur Behandlung des Ablaufwassers von Fischzuchten und zur Produktion wertvoller Biomasse Von der Fallstudie zu einer Fischzucht: Wie kann das Ablaufwasser einer Welsfarm behandelt werden? Kombination von intensiver und extensiver Fischzucht für die nachhaltige Nutzung von Wasser und Nährstoffen (Teich-in-Teich-System) Von der Fallstudie zur Fischzucht: Entwurf eines theoretischen kombinierten Systems

7. Verbesserte natürliche Produktion in extensiven Fischteichen – Fallstudie in Polen 7.1. Neue Fischarten und Methoden in der Karpfenteichwirtschaft: Modul POLYKULTUR 7.2. Praktische Ratschläge und Rückschlüsse für die Züchtung von Löffelstör in Polykultur 7.3. Nutzung von Nährstoffen aus landwirtschaftlichen Reststoffen in der Teichwirtschaft: Modul KASKADE in Polen 7.4. Von der Fallstudie zur Fischfarm: Entwurf eines Kaskaden-Moduls

22 22 23 24 26 26 31 35 40 43 43 50 53 58

8. Neue Methoden zur Reduzierung der Emissionen von Forellenfarmen – Fallstudie Dänemark 8.1. Einführung – Allgemeine Beschreibung der Fallstudie 8.2. Futter und Fütterung – Emissionen aus den Farmen 8.3. Energieverbrauch der Modellfarmen 8.4. Kultivierung von Gartenteichpflanzen in den Lagunen 8.5. Kultivierung alternativer Fischarten in den Lagunen 8.6. Zusammenfassung – Möglichkeiten und Grenzen 8.7. Von der Fallstudie zur Fischfarm: Wie kann man eine Modellforellenfarm mit einer Produktion von 500 Jahrestonnen betreiben (Modellfarm Ejstrupholm)

61 61 63 66 68 70 71

9. Tilapiazucht in Kreislaufanlagen – Fallstudie in den Niederlanden 9.1. Modul – Schlammdenitrifikationsreaktor (SDR) 9.2. Von der Fallstudie zur Fischfarm: Integration eines SDR-AS in eine 100 t Tilapiakreislaufanlage 9.3. Modul – Algenbettfilter ( PTS-Periphyton Turf Scrubber) 9.4. Von der Fallstudie zur Fischfarm: Wie ist ein Modellfischteich mit PTS-Modul zu betreiben, der 5 t Fisch pro Jahr produziert?

74 74 78 97

10.

72

98

Das Tropenhaus: eine Polykultur zur nachhaltigen Produktion von tropischen Früchten und Fischen – Ein Fallbeispiel aus der Schweiz 100 10.1. Einführung – das Konzept des Schweizer Tropenhauses 100 10.2. Integration von Krebsen in die Tilapiaproduktion sowie Herstellung von Fischfutter aus tropischen 1/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH

10.3. 10.4.

Pflanzenresten 101 Warmwasser-Aquaponikfilter im tropischen Polykultursystem 104 Vom Pilotprojekt zur Fischfarm: Der Entwurf eines Aquaponikfilter-Systems für das Tropenhaus Wolhusen 107

Literaturempfehlungen

111

Autoren

115

Danksagung

116

2/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Vorwort

Vorwort Die Bedeutung der Aquakultur wächst weltweit. Die stetig zunehmende Nachfrage nach Fischprodukten und der gleichzeitige Rückgang der natürlichen Bestände durch Überfischung fördern diese Entwicklung seit Jahrzehnten. Die Fischzüchter sollten jedoch die Fehler vermeiden, die zuvor in der Landwirtschaft und der Fischerei begangen wurden: Sie sollten die Grundsätze der Nachhaltigkeit – also die gleichwertige Bedeutung einer umweltfreundlichen, wirtschaftlich rentablen und zugleich sozial verantwortlichen Entwicklung – beherzigen. Letztendlich muss sich jeder Fischzüchter, egal ob bei einer Kreislaufanlage oder in der Teichwirtschaft, den gleichen Herausforderungen stellen: wie können durch effizientere Nutzung des Fischfutters zugleich Kosten gespart, eine höhere Produktion erreicht und die Nährstoffkonzentration im Prozesswasser reduziert werden? wie kann die Wasseraufbereitung verbessert werden, um die Kosten für Abwassergebühren zu verringern? Wie kann man all die gesetzlichen Auflagen einhalten, Fisch von höchster Qualität und auf umweltfreundliche Weise züchten und dabei noch ausreichend Gewinn erzielen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen und die Arbeitsplätze seiner Mitarbeiter zu sichern? Das EU-Projekt SustainAqua hat es sich zum Ziel gemacht, einige dieser Fragen zu beantworten und die europäische Süßwasseraquakultur nachhaltiger zu gestalten. Das Hauptziel des Projekts war, Produktionsmethoden zu verbessern, potenzielle Märkte zu analysieren und die Produktqualität zu erhöhen. Fünf Fallstudien wurden in Europa durchgeführt, die die wichtigsten Produktionssysteme in der Süßwasseraquakultur und die am häufigsten gezüchteten Fischarten repräsentieren: extensive und semi-intensive Teichwirtschaft, die in Zentralund Osteuropa vorherrscht, und intensive Kreislaufanlagen, wie sie in Nord-West-Europa zunehmend betrieben werden. Verschiedene Module wurden in jeder Fallstudie erforscht. Die wichtigsten Ergebnisse sind in diesem Handbuch zusammengestellt. Zu Beginn diskutieren wir Nachhaltigkeit und ihre Bedeutung für die Aquakultur. Wir stellen die Nachhaltigkeitsindikatoren vor, die für die Bewertung der Fallstudien zu Beginn des Projekts entwickelt wurden. Die verschiedenen Produktionssysteme – Teichwirtschaft, Durchflusssysteme und Kreislaufanlagen – werden ebenfalls kurz erläutert. Wie wir alle wissen, wird die jetzige und künftige Arbeit der Fischzüchter durch die nationale und europäische Gesetzgebung stark beeinflusst. Deshalb werden die rechtlichen Rahmenbedingungen in der EU anschließend vorgestellt. Höchste Produktqualität und die innovative Nutzung etwaiger Nebenprodukte aus der Fischzucht sind entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit einer jeden Aquakultur. Ein Kapitel behandelt entsprechend die Auswirkungen verschiedener Zuchtbedingungen auf die Produktqualität sowie das Erschließen neuer Märkte für Nebenprodukte aus der Aquakultur. Die Beschreibung der verschiedenen Module, die in den fünf SustainAqua Fallstudien erforscht wurden, bildet den Hauptteil dieses Handbuchs. Die traditionelle Teichwirtschaft Mittel- und Osteuropas wird durch die ungarische und polnische Fallstudie repräsentiert. In Ungarn wird die Wasseraufbereitung einer intensiven Durchflussanlage durch künstlich angelegte Feuchtgebiete verbessert, die als Biofilter fungieren. Außerdem werden die Vorteile der Kombination von intensiver und extensiver Fischzucht hinsichtlich der effizienten Nutzung von Wasser- und Nährstoffressourcen vorgestellt. Die polnische Fallstudie verbindet Aquakultur mit Landwirtschaft. In einem Kaskadensystem wird Jauche genutzt, um Plankton als natürliches Futter für Karpfen zu erzeugen. Zudem wird der Löffelstör als neue Fischart in die traditionelle Polykultur eingeführt, um die Fischproduktion zu erweitern, Nährstoffe effektiver zu nutzen und die Rentabilität der Karpfenzucht zu steigern. In Dänemark und in den Niederlanden wurden verschiedene Module für Kreislaufanlagen erforscht. In Dänemark wird die Regenbogenforelle in sogenannten 'Modellzuchtanlagen' erforscht. Das Fütterungsmanagement soll hier optimiert, die negativen Auswirkungen der Fischzucht auf die Umwelt sowie die Energiekosten sollen gesenkt werden. Die holländische Fallstudie untersuchte die Produktion von Tilapia in einer geschlossenen Kreislaufanlage. Zwei verschiedene Module, ein Schlamm-Denitrifizierungs-Reaktor sowie eine Technik zur Produktion von Periphyton, sollten den Wasser- und Energieverbrauch sowie den Nährstoffaustrag reduzieren. Die Schweizer Fallstudie, ein zur Zeit noch einzigartiges Projekt in Europa, züchtet Tilapia und kultiviert tropische Früchte in einem Gewächshaus, in dem industrielle Abwärme kostenlos genutzt wird. Dieses tropische Polykultursystem beweist, dass 'Abfall' als multifunktionale Ressource dienen kann, um umweltfreundlich und wirtschaftlich rentabel Fisch und andere Produkte zu erzeugen. Um die wissenschaftlichen Ergebnisse von SustainAqua für die Fischzüchter nutzbar zu machen, beschreibt das Kapitel “Von der Fallstudie zur Fischfarm” praktische Informationen zur Umsetzung der verschiedenen Module. Zunächst wird jedoch jedes Modul mit einer allgemeinen Beschreibung, seinen Grundprinzipien, der Bewertung durch die SustainAqua-Nachhaltigkeitsindikatoren, den Möglichkeiten und Grenzen bei der praktischen Anwendung sowie den größten Stärken der einzelnen Module vorgestellt. Als Forscher und Fischzüchter können wir so unsere Stärken bündeln, neue Technologien entwickeln und anwenden und die Verbraucher von der Qualität unserer Produkte überzeugen. Auf diese Weise kann die Süßwasseraquakultur in Europa einer nachhaltigen, ja einer strahlenden Zukunft entgegensehen. Dipl. Ing. Alexandra Oberdieck Bremerhaven, Deutschland, Juni 2009 Koordinatorin SustainAqua

Prof. Dr. Johan Verreth Wageningen, Niederlande, Juni 2009 Wissenschaftlicher Manager SustainAqua

3/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH SustainAqua – Eine Einführung

1.

SustainAqua – Eine Einführung

Die europäischen Fischzüchter kämpfen an zwei Fronten gleichzeitig: Einerseits müssen sie in Zeiten der Globalisierung zunehmend mit Produzenten aus anderen Ländern konkurrieren, die jedoch wesentlich geringere Produktionskosten aufweisen. Auf der anderen Seite müssen sie die strengen Vorschriften der nationalen und europäischen Gesetzgebung in Bezug auf Produktqualität, Umweltschutz und Gesundheit einhalten (z.B. Abwassereinleitung, Wasserentnahme, Einsatz von Chemikalien, etc.). Der Erfolg des europäischen Aquakultursektors wird stark davon abhängen, ob die Fischzüchter diese Herausforderungen bewältigen können. Konzept von SustainAqua SustainAqua ist ein dreijähriges Kollektivforschungsprojekt, das von der Europäischen Union im sechsten Forschungsrahmenprogramm mitfinanziert wird. Hauptziel des Projektes ist, die europäische Süßwasseraquakultur nachhaltiger zu gestalten und den Fischzüchtern dabei zu helfen, international konkurrenzfähig zu bleiben. Um dieses Ziel zu erreichen, soll der Wissensstand der europäischen Züchter in den folgenden Bereichen erweitert werden: •

Verbesserung der Produktionsmethoden, Prozesseffizienz und der Rentabilität



Erforschung potenzieller Märkte für Nebenprodukte aus der Aquakultur, z.B. in der Energie- oder Kosmetikindustrie

Verbesserung der Produktqualität (Geschmack, Nährwert), um die Verbraucherakzeptanz von Fisch aus Aquakultur zu erhöhen und so das Image des gesamten Sektors zu verbessern. Das Projekt präsentiert eine Reihe von technischen Verbesserungen, um konventionelle Fischzuchten für die Zukunft zu rüsten. Die neuen Technologien haben geringere Bau- und Wartungskosten, besonders im Hinblick auf die Aufbereitung von Prozess- und Ablaufwasser.



Angewandte Forschung in den SustainAqua Fallstudien Um die genannten Ziele zu erreichen, werden fünf verschiedene Fallstudien in Ungarn, Polen, den Niederlanden, Dänemark und in der Schweiz durchgeführt. Jede Fallstudie repräsentiert eines der wichtigsten Produktionssysteme in der Süßwasseraquakultur und die am häufigsten gezüchteten Fischarten: Forelle, Karpfen, Tilapia und Wels. In allen Fallstudien werden verschiedene Module zur Optimierung von Produktionsprozessen, zur Qualitätsverbesserung und Produktdiversifizierung entwickelt und erforscht. Im Einzelnen werden folgende Aspekte untersucht: •

Verschiedene Techniken zur Optimierung der Nährstoff-, Wasser- und Energiemanagements: o Reduzierung der Energiekosten durch Verbesserung der Energieeffizienz; o Reduzierung der Abwassergebühren durch Verminderung der Emissionen; o Reduzierung der Kosten für Fischfutter durch höhere Nährstoffverwertung; o Reduzierung der Arbeitskosten;



Geschmack und Nährwert von Fisch aus verschiedenen Produktionssystemen

• Innovative Nutzung etwaiger Nebenprodukte aus der Fischzucht für potenzielle neue Märkte Die Partner von SustainAqua übertragen dabei die höchst effektiven Prinzipien von natürlichen Ökosystemen auf Fischzuchten. Ein gutes Beispiel ist die effiziente Nutzung von Nährstoffen: Neben der Erzeugung von Fisch wird die verfügbare organische Substanz für die Produktion von anderen marktfähigen Produkten verwendet, wie z.B. Pflanzen zur Bioenergieerzeugung. Eine solche optimierte Nährstoffkette verringert die Menge des nährstoffreichen Ablaufwassers einer Fischzucht und reduziert auf diese Weise die Kosten für die Wasseraufbereitung. Diese Prinzipien werden in extensiven, semiintensiven und intensiven Zuchtsystemen getestet. Zudem erforschen die Partner anhand professioneller sensorischer und analytischer Untersuchungen, ob diese technischen Verbesserungen auch positive Auswirkungen auf die Qualität von Fischprodukten haben. Auf diese Weise können die Anforderungen der Verbraucher nach gesunden und geschmackvollen Fisch besser erfüllt werden. Kurze Vorstellung der fünf SustainAqua Fallstudien Die ungarische Fallstudie untersucht die Erzeugung von afrikanischem und europäischem Wels, der in Netzgehegen in Teichen produziert wird (Teich-in-Teich-System). Außerdem wird die Aufbereitung von Prozesswasser aus intensiver Aquakultur in künstlichen Feuchtgebieten erforscht: In mehreren miteinander verbundenen Teichen werden zum einen verschiedene Karpfenarten gezüchtet, zum anderen wachsen dort Klärpflanzen wie Weide und Schilfgras. Letztere dienen nicht nur als kostengünstige und effektive Wasseraufbereitung. Sie sollen auch als nachwachsende Rohstoffe für die Bioenergieindustrie verwendet werden. 4/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH SustainAqua – Eine Einführung In der polnischen Fallstudie werden in zwei verschiedenen Modulen neue Techniken in der Karpfenzucht erforscht. In einem Modul wird Gülle von landwirtschaftlichen Betrieben genutzt, um in einem Kaskadensystem Plankton als natürliches Futter für Karpfen zu erzeugen. Auf diese Weise kann Fisch gezüchtet werden, ohne auf künstliches Futter angewiesen zu sein. Außerdem wird in einem zweiten Modul der Löffelstör als neue Fischart in die traditionelle Polykultur eingeführt, um die Fischproduktion zu erweitern und die Rentabilität der Karpfenzucht zu steigern. Die holländische Fallstudie untersucht die Produktion von Tilapia in einer geschlossenen Kreislaufanlage. Zwei verschiedene Module, ein Schlamm-Denitrifizierungs-Reaktor sowie eine Technik zur Produktion von Periphyton (Algenwuchs an submersen, also unter der Wasseroberfläche befindlichen Oberflächen) sollen den Wasser- und Energieverbrauch sowie den Nährstoffaustrag (Phosphor, Stickstoff, organische Substanz) reduzieren. In Dänemark wird die Produktion von Regenbogenforellen in sogenannten 'Modellzuchtanlagen' erforscht. Das Fütterungsmanagement soll hier optimiert, die negativen Auswirkungen auf die Umwelt sowie die Energiekosten sollen gesenkt werden. Die Modellzuchtanlagen kombinieren die intensive Zucht in Kreislaufanlagen mit der Wasseraufbereitung in künstlichen Feuchtgebieten aus der traditionellen Forellenzucht. Auf diese Weise ist eine steigende Fischproduktion ohne zusätzliche Umweltbelastung möglich. In der Schweiz wird Tilapia in Polykultur mit tropischen Früchten wie Banane, Mango oder Guave gezüchtet. Das 'Tropenhaus Ruswil' ist ein 1 500 m² großes Gewächshaus, in dem die Abwärme einer Gasverdichtungsstation als Energiequelle genutzt wird. Die Fallstudie will aufzeigen, dass 'Abfallstoffe' als multifunktionale Ressource dienen können, um umweltfreundlich und wirtschaftlich rentabel Fisch und andere Produkte zu erzeugen. Die Bedeutung von Nachhaltigkeit Nachhaltigkeit in der Aquakultur ist ein Kernpunkt in der weiteren Entwicklung, wenn der Aquakultursektor nicht die gleichen Fehler wie die Hochseefischerei begehen will. Fast 75% der globalen Fischbestände gelten als voll genutzt oder bereits als überfischt. Gleichzeitig ist der Fischverbrauch weltweit von 45 Millionen Tonnen im Jahr 1973 auf mehr als 130 Millionen Tonnen im Jahr 2000 gestiegen. Die Welternährungsorganisation (FAO) erwartet einen weiteren Anstieg des Bedarfs an Fisch und Meeresfrüchten um 40 Millionen Tonnen bis zum Jahr 2030, und dies nur, um das derzeitige Verbrauchsniveau beibehalten zu können. Um dieser steigenden Nachfrage langfristig gerecht werden zu können, müssen nachhaltige Alternativen verstärkt eingesetzt werden. Die am meisten versprechende Alternative ist die Aquakultur. Mit einer Wachstumsrate von jährlich 8% seit den 1980er Jahren ist die Aquakultur die am schnellsten wachsende Nahrungsmittelindustrie. Derzeit zeichnet sie sich für beinahe die Hälfte des weltweit konsumierten Fischs verantwortlich, im Vergleich zu lediglich 9% im Jahr 1980. Wissenstransfer Das Projekt SustainAqua liefert mit den verschiedenen Modulen, die in den fünf Fallstudien erforscht und getestet wurden, anwendbare Technologien und umfassende Information darüber, wie konventionelle Aquakultursysteme auf nachhaltige Art und Weise modernisiert werden können. So können Fischzüchter Produktionsprozesse, Umweltverträglichkeit und Produktqualität optimieren sowie ihre Produktpalette vergrößern. Diese neuen technischen Möglichkeiten werden den Fischzüchtern dabei helfen, einerseits die aktuellen genauso wie die künftigen Gesetze und Vorgaben einzuhalten und andererseits auch die nachhaltigen Qualitätsstandards und Verhaltenskodexe, die zur Zeit entwickelt werden, zu erfüllen – ein nicht zu unterschätzender Vorteil für die Werbestrategien der Züchter. Die erforschten Module verfügen fast alle über mehr als eine Funktion gleichzeitig, beispielsweise die Kombination aus Wasseraufbereitung, effektives Nährstoffmanagement und der Erzeugung von ökonomisch wertvollen Nebenprodukten. Mit der Diversifizierung ihrer Produktpalette werden die Fischzüchter flexibler und weniger anfällig auf Marktschwankungen reagieren können. Das in den Fallstudien gewonnene Wissen wird in 22 Trainingsseminaren in acht europäischen Ländern an die Fischzüchter weitergegeben. Die Seminare werden in Österreich, Dänemark, Deutschland, Ungarn, Polen, Schweden, Spanien und der Türkei angeboten werden. Außerdem werden die Aquakulturverbände in diesen acht Ländern als individuelle Beratungsplattformen für Fischzüchter nationale Kontaktstellen einrichten, die auch nach Abschluss des Projekts das generierte Wissen weitervermitteln werden. Zusätzlich besteht die Möglichkeit an zwei E-Learning-Seminaren im Juni und Juli 2009 teilzunehmen. Die größten Vorteile, Risiken, Kosten, Erfolgsfaktoren sowie technische Anleitungen für die einzelnen Module werden in diesem SustainAqua Handbuch und im SustainAqua Wiki zusammengefasst. Mit Hilfe all dieser Instrumente und Tätigkeiten werden die Fischzüchter dazu ermutigt und in die Lage versetzt, einen Teil oder ihre gesamte Fischzucht nachhaltiger und effizienter zu gestalten und auf diese Weise sowohl ökonomische als auch umweltrelevante Verbesserungen zu erzielen. 5/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Nachhaltigkeit in der Aquakultur

2.

Nachhaltigkeit in der Aquakultur

Der oftmals lediglich als Schlagwort verwendete Begriff Nachhaltigkeit oder auch 'Nachhaltige Entwicklung' hat weitaus mehr zu bieten. Es handelt sich dabei um ein Konzept zur langfristigen Sicherung einer lebenswerten Umwelt für alle Menschen. Nachhaltige Entwicklung umfasst mindestens drei fundamentale Bereiche: Erhalt einer funktionierenden Umwelt, ökonomischer Wohlstand und soziale Gerechtigkeit. Im Bereich der Aquakultur beinhaltet das Streben nach Nachhaltigkeit nicht nur Umweltziele, sondern bietet den Fischzüchtern langfristig klare ökonomische Vorteile. Oftmals wird der Begriff Nachhaltigkeit in seiner Bedeutung abgeschwächt und unscharf verwendet. Von Politikern, Unternehmern und der Öffentlichkeit wird er bei zahlreichen Gelegenheiten sehr allgemein verwendet, meist in oberflächlicher und irreführender Weise, mitunter aber auch mit falscher Bedeutung um die positiven Assoziationen des Begriffes auszuschöpfen (ebenso wie es mit den Begriffen „Bio“ und „Öko“ in den 1990er Jahren geschehen ist). Der folgende Text beschreibt den Zusammenhang, in dem das SustainAqua Projekt entwickelt und durchgeführt wurde. Nach einer kurzen Einführung in die Hintergründe und die eigentliche Definition des Begriffes „Nachhaltigkeit“ folgt eine Einleitung zum Thema Nachhaltigkeit und Aquakultur und schließlich widmet sich der Text deren Anwendung. Einleitung – Grundlagen zur 'Nachhaltigkeit' Ein wichtiger Ursprung des Konzepts der 'Nachhaltigkeit' bzw. der 'Nachhaltigen Entwicklung' ist der Bericht 'Our common future' der Brundtland-Kommission. Die Kernaussage ist, dass nachhaltige Entwicklung die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generationen befriedigt, ohne die Möglichkeiten der zukünftigen Generationen einzuschränken, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Eine derartige nachhaltige Entwicklung (in der Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei) schützt Land-, Wasser-, pflanzliche und tierische Ressourcen, vermindert Umweltschäden, ist technisch angemessen, ökonomisch tragbar und sozial akzeptabel. Nachhaltige Entwicklung basiert auf langfristigen Erwägungen und ist ein integrativer, themenübergreifender Ansatz. Der Begriff umfasst normalerweise die drei Bereiche ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit. Jeder Bereich ist gleichberechtigt und es bestehen zahlreiche Wechselwirkungen zwischen ihnen. Sie können nicht von einander getrennt werden. Ursprünglich zielte das Modell mit den drei gleichberechtigten Bereichen auf eine Stärkung der Umweltbelange. Allerdings wird inzwischen kritisiert, dass in dieser Auffassung die existentielle Abhängigkeit der Ökonomie und der Gesellschaft von der natürlichen Umwelt und ihren Ressourcen nicht entsprechend berücksichtigt wird (siehe Abbildung 1).

Abb. 1: Das Tragwerk der Nachhaltigkeit

Im beginnenden 21. Jahrhundert ist festzustellen, dass eine bessere Integration der drei Bereiche dringend notwendig ist, um nachhaltige Entwicklung zu verwirklichen. Gegenwärtig liegt der Schwerpunkt auf der Wirtschaft und vernachlässigt sowohl soziale Belange als auch Umweltaspekte. Deshalb ist es wichtig, innerhalb der Abwägung der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit mehr Bedeutung zu verleihen und die Überbewertung der Wirtschaft abzuschwächen. Aus der Rio-Deklaration über Umwelt und Entwicklung ergibt sich der Schutz der Umwelt als feststehender und integrativer Bestandteil aller übergreifenden Entwicklungsprozesse und darf nicht isoliert betrachtet werden. Auch wenn natürlich keine Bestrebungen in 6/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Nachhaltigkeit in der Aquakultur Industrie, Landwirtschaft oder Aquakultur unternommen werden, wenn sie ökonomisch unrentabel sind, es die Aufgabe von Politik und Gesellschaft Wege zu finden, um alle drei Bereiche der Nachhaltigkeit fördern. Ein wichtiges Werkzeug um diese Anforderungen der Nachhaltigkeit in allen drei Bereichen erreichen, ist die Erforschung und Anwendung innovativer oder optimierter Technologien. Dies entspricht Bereich der Süßwasseraquakultur genau dem Ziel von SustainAqua.

ist zu zu im

Nachhaltigkeit und Aquakultur Die Aquakultur steht, ebenso wie die gesamte Nahrungsmittelproduktion oder industrielle Produktion, vor der Herausforderung einer nachhaltigen Entwicklung. In den vergangen 50 Jahren wuchs die Aquakultur exponentiell. In den 1950er Jahren produzierte sie noch unter einer Million Tonnen, im Jahr 2006 entsprach die Produktion bereits 51,7 Millionen Tonnen. Im Gegensatz dazu war der Ertrag des Fischfangs gleichbleibend beziehungsweise zeitweilig sogar rückläufig. Aquakultur wächst weiterhin schneller als jeder andere tierproduzierende Wirtschaftszweig. Zukünftig wird sie aufgrund der international steigenden Nachfrage nach Fischprodukten weiterhin eine wachsende Rolle in der weltweiten Fischproduktion spielen. Deshalb ist die kontinuierliche Weiterentwicklung von Methoden für eine nachhaltigere, effizientere und kosteneffektivere Produktionsweise in der Aquakultur notwendig, etwa durch Fortbildung, einer besseren Ressourcennutzung und einem entsprechenden Umweltmanagement. Innerhalb von SustainAqua werden konkrete Lösungen mit angepassten technischen und methodischen Instrumenten erforscht. Darauf aufbauend werden Trainingsmaßnahmen angeboten, um die Fischzüchter über die vielschichtigen Ergebnisse des Projekts zu informieren und zu einer nachhaltigeren Aquakultur in Europa beizutragen. Die verschiedenen nationalen, europäischen und internationalen Initiativen zu Verhaltensregeln, Nachhaltigkeitsindikatoren und Zertifizierungssystemen müssen kontinuierlich weiterentwickelt und ständig aktualisiert werden. Dadurch sollen ein besseres Verständnis und mehr Akzeptanz für die Nachhaltigkeit von Aquakulturen bei allen Beteiligten erreicht werden. Darüber hinaus muss klar definiert sein, wie diese Ziele in der Praxis zu erreichen sind. Wichtige Regelungen dazu sind: •

FAO " Verhaltensregeln für verantwortungsbewusste Fischerei" (1995)



FEAP "Verhaltensregeln für europäische Aquakultur" (2000); werden gegenwärtig überarbeitet



EVAD "Richtlinie zur Mitgestaltung von Indikatoren der Nachhaltigen Entwicklung in der Aquakultur" (2008)

Vereinbarung der internationalen Aquakultur Vereinigung (Global Aquaculture Alliance - GAA) und GLOBALGAP zur Entwicklung und Vereinheitlichung von Zertifizierungssystemen für den weltweiten Aquakultursektor (2009) Beispielsweise wurden im Rahmen des EU Projekts CONSENSUS (2005-2008) durch die Beteiligung aller relevanten Interessengruppen und Organisationen Nachhaltigkeitsindikatoren zusammengestellt, die als Grundstein eines Zertifizierungssystems für nachhaltige Aquakulturen sowie für Benchmarking-Prozesse genutzt werden können. Dahinter standen Ziele wie geringe Umweltauswirkungen, hohe Wettbewerbsfähigkeit und ethische Verantwortung unter Berücksichtigung der Biodiversität und des Tierschutzes. SustainAqua 'ergänzt' CONSENSUS sozusagen durch die Untersuchung bestimmter technologischer Verbesserungen, um die Nachhaltigkeit verschiedener europäischer Süßwasseraquakultursysteme zu steigern. Die hier dargestellte Erläuterung der Nachhaltigkeit will hauptsächlich eine klare Zielrichtung für die in SustainAqua durchgeführten Forschungen aufzeigen. So sollen Methoden und Technologien für eine nachhaltigere Aquakulturproduktion entwickelt werden. Auf diese Weise trägt SustainAqua zu zukünftiger Rechtsprechung und Produktkennzeichnung bei. Diese werden zwar gegenwärtig immer noch diskutiert, bieten aber Richtlinien und technische anwendbare Lösungen für eine nachhaltigere Praxis der Fischzucht. •

Systemgrenzen Für eine praktikable Betrachtung der Nachhaltigkeit von Aquakulturen ist es wichtig, die Systemgrenzen sinnvoll festzulegen. Für SustainAqua wurden drei verschiedene Ebenen als Systemgrenzen unterschieden, dargestellt als drei konzentrische Ringe in Abbildung 2: 1. Auf der Ebene der Fischzuchten befinden sich die Faktoren, die direkt durch die Züchter beeinflusst werden können, wie z. B. die Wasserqualität, das Abb. 2: Die Nachhaltigkeit von Aquakulturen kann in Abhängigkeit von den gewählten Systemgrenzen Nährstoff- und Energiemanagement oder die beschrieben werden Gesundheit der Fische. 2. Die zweite Ebene richtet sich auf Faktoren, die direkt mit den Prozessen in den Fischzuchten verknüpft sind. Diese werden von den Züchtern nicht direkt beeinflusst, könnten aber, bei entsprechenden 7/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Nachhaltigkeit in der Aquakultur Bemühungen, von ihm mit beeinflusst werden. Dies betrifft beispielsweise die Fischfutterqualität, wie das Fischfutter zusammengesetzt oder produziert wurde, für den Transport des Futters zurückgelegte Transportwege, die vom Fischzüchter genutzten Energieträger (erneuerbare oder fossile Energien), den Ort der Vermarktung (weit entfernte Märkte – lange Transportwege, regionale Märkte - kurze Transportwege), usw. Der Fischzüchter könnte einige Faktoren aus der 2. Ebene in die Farmebene 'übertragen', zum Beispiel durch die Produktion von Fischfutter direkt innerhalb der Fischzucht selbst, Nutzung von auf der Farm produzierter Energie oder durch den Verkauf von Produkten direkt auf dem Hof. Die ersten zwei Ebenen sind die wichtigsten für das Projekt SustainAqua. 3. Die dritte Ebene enthält Faktoren, die nur indirekt mit den Produktionsprozessen verbunden sind und normalerweise nicht von dem Fischzüchter beeinflusst werden können. Diese Faktoren sind zum Beispiel die Nachhaltigkeit der Verpackungsmaterialen (Produktion, Material usw.) oder die für den Transport der Fische genutzten Energieart. SustainAqua legt den Schwerpunkt auf die Ebene der Fischzuchtbetriebe. Die wichtigsten Faktoren der zweiten Ebene werden ebenfalls berücksichtigt, beispielsweise Fischfutterproduktion, Energieproduktion, die benötigte Energie für die Wasserversorgung bestimmter Qualität, die benötigte Energie für den Transport und die potenziellen Märkte. Der Vollständigkeit halber muss auch der rechtliche Rahmen berücksichtig werden, wie Regelungen der EU, nationale oder regionale Vorschriften und Normen. Diese betreffen alle Ebenen unterschiedlich stark und können nicht direkt vom Fischzüchter beeinflusst werden. In SustainAqua werden die Vorschriften berücksichtigt, die für die erste und zweite Ebene von Bedeutung sind. Nachhaltigkeitsindikatoren und Zertifizierung Die begrenzte Verfügbarkeit der natürlichen Ressourcen gekoppelt mit steigenden Energiepreisen verdeutlicht die Notwendigkeit, Aquakulturen nachhaltiger zu gestalten. Die Aquakulturbranche stellt sich bereits dieser anspruchsvollen Aufgabe, sie befindet sich allerdings noch am Anfang des Weges. Verglichen mit anderen Tierproduktionssystemen steht die Fischzucht unter besonderem Druck sich nachhaltig zu entwickeln, da sie wichtige natürliche Ressourcen nutzt, wie Süßwasser, Feuchtgebiete, Küstenzonen sowie der Fang von Wildfischen zur Futterproduktion oder zum Bestandsaufbau. Weder die Nachhaltigkeit einer Maßnahme noch deren Messung kann statisch erfolgen, da ökonomische, ökologische und soziale Aspekte zu beachten sind (siehe Abbildung 3). Jeder Ansatz, die Nachhaltigkeit zu steigern, basiert sowohl auf unumstrittenen Fakten als auch auf gesellschaftlichen Werten und anderen Bewertungen, die noch diskutiert werden oder sich im Laufe der Zeit ändern können. Folglich ist es nicht immer möglich, eineindeutige Entscheidungen darüber zu treffen, ob ein Prozess nachhaltig ist oder nicht. Sehr häufig gibt es fließende Übergänge zwischen nicht-nachhaltigen und nachhaltigen Prozessen.

Abb. 3: Nachhaltige Süßwasseraquakultur vereint ökologische, ökonomische und soziale Aspekte

Die verschiedenen bereits erwähnten Verhaltensregeln und Kriteriensysteme versuchen, zu einer Lösung des Bewertungsproblems beizutragen und so die die nachhaltige Aquakultur zu unterstützen. Bislang existieren jedoch keine vollständigen und anwendbaren Kriterien, Indikatoren oder damit verbundene Kennzeichnungssysteme in Europa, die tatsächlich in der Lage wären, den Nachhaltigkeitsstatus eines Fischprodukts zu zertifizieren. Das SustainAqua-Projekt trägt zur Weiterentwicklung der von verschiedenen 8/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Nachhaltigkeit in der Aquakultur Initiativen entwickelten Kriterien bei (siehe oben). Wie bereits erwähnt, steht SustainAqua nicht in Konkurrenz zu Indikatorsystemen, die bereits mit vielen Interessengruppen erarbeitet wurden, wie zum Beispiel durch CONSENSUS. Die unten vorgestellten, ausgewählten Kriterien sind für die fünf SustainAquaFallstudien entwickelt worden. Sie weisen die Richtung, wie die Nachhaltigkeit in den jeweiligen Fischzuchten verbessert werden kann. Grundsätzlich wurden sie so entwickelt, dass die Nachhaltigkeit der Forschungsansätze damit quantifiziert werden kann, um zur Übertragbarkeit und Anwendbarkeit der Forschungsergebnisse in Form von anwendbaren Methoden und Technologien beizutragen. Es ist nicht die Aufgabe von SustainAqua zu beurteilen, ob eine bestimmte Süßwasseraquakultur nachhaltig ist oder nicht. Vielmehr geht es um eine unmissverständliche Richtung, was in einer Fallstudie oder einer bestimmten Fischzucht erreicht werden kann, um die Nachhaltigkeit zu verbessern. SustainAqua-Nachhaltigkeitsindikatoren Das SustainAqua-Konsortium entwickelte zu Beginn des Projekts 28 Indikatoren für die Bereiche der ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit. Allerdings war es nicht möglich im Rahmen des Projekts alle möglichen Bereiche der Erforschung und Verbesserung der Nachhaltigkeit auf Fischzuchten abzudecken. Die endgültige Anzahl der Indikatoren wurde schließlich auf acht reduziert und auf die fünf Fallbeispiele des Projekts angewendet (siehe Tabelle 1). Die Auswahl der acht Indikatoren erfolgte auf Basis der folgenden vier Kriterien: •

Handlungsrelevant: Der Indikator zeigt Änderungen des Managements hinsichtlich der Zielstellung und erlaubt zu messen, ob ein Akteur auf das Ziel hinarbeitet oder nicht.



Plausibel: Der Indikator ist für den Akteur verständlich.



Messbarkeit: Es ist möglich, den Indikator zu messen.



Machbarkeit: Es ist möglich, den Indikator mit den vorgesehenen Projektmitteln (Budget, Zeit) zu messen und zu erfassen.

Nährstoffe

Wasser

Energie

Umweltbereich Konkrete Ziele / Kriterien

Indikator

Einheit

Energieeffizienz: maximale Reduzierung des benötigten Energieaufwands

Energieaufwand pro Ertrag (Fisch, Biomasse)

kWh/ kWh Ertrag (differenziert für jedes Produkt)

Input: Reduzierung der Frischwasserzufuhr von außen (maximale Wiedernutzung des Wassers)

Wasserbedarf pro Ertrag (Fish, Biomasse)

l/kg Ertrag

Output: Reduzierung der Ablaufwassermenge (Qualitätsaspekte siehe Nährstoffe/Output)

Abfluss pro Ertrag (Fisch, Biomasse)inkl. Regenwasser aber ohne Verdunstung und Versickerung

l/kg Ertrag

Nährstoffverwertung: möglichst effiziente Nutzung der Nährstoffe (bei einer bestimmten Nährstoffzufuhr sollte eine maximale Menge an vermarktbaren Produkte bei hoher Qualität produziert werden)

Effizienz der Nährstoffretention – Nährstoffrückhalt in dem produzierten Produkt pro kg Nährstoffzufuhr in das Gesamtsystem (Fisch, Biomasse)

kg Nährstoff (N, P, CSB) der im Produkt enthalten ist je kg Nährstoffzufuhr [%] (GSB berechnet aus CSB und N)

Output (siehe Wasser): Reduzierung der Emissionen (Nähr- und Mineralstoffe und organische Stoffverluste)

N, P, CSB, elektrische Nährstoffmenge/ Qualität des Ablauf-/ Leitfähigkeit die pro kg Ertrag Prozesswassers abgegeben wird

Nährstoffwiederverwendung zur Produktion wertvoller sekundärer Produkte innerhalb der Fischzucht

Nährstoffspeicherung der genutzten N/P für wertvolle sekundäre Produkte

kg Nährstoffspeicherung in sekundären Produkten pro kg Nährstoffinput in das Gesamtsystem [%]

Konkrete Ziele / Kriterien

Indikator

Einheit

Steigerung der Produktivität pro Arbeitseinheit

Benötigte Arbeitszeit pro Erzeugnis auf der Ebene kommerzieller Fischzuchten h/kg Erzeugnis (Modelbasierte Annahme)

Verbesserung der Produktsicherheit / Fischgesundheit: Reduzierung von Krankheitsausbrüchen

Behandlung je Produktionszyklus

Abfangen Produktionsvon Marktkosten fluktuationen

Ökonomischer Bereich

Tabelle 1: Nachhaltigkeitsindikatoren für die fünf SustainAqua-Fallstudien

9/116

Behandlung je Produktionszyklus

SUSTAINAQUA HANDBUCH Nachhaltigkeit in der Aquakultur In den nachfolgenden Kapiteln zu den Fallstudien werden diese Indikatoren häufig verwendet. Sie dienen als Grundlage zur Bewertung der Forschung in den fünf SustainAqua-Fallstudien und sollen zur Übertragung der Ergebnisse für die praktische Anwendung beitragen. Die verbleibenden 20 Indikatoren wurden weder detailliert gemessen noch bewertet. Diese Bewertung hätte den Rahmen des Projekts gesprengt. Unter ihnen befanden sich auch Indikatoren für 'Wasser und Klima. Zur Unterstützung der Stabilisierung des lokalen Klimas durch Steigerung der Verdunstung mit Hilfe einer vermehrten Anzahl von Feuchtgebieten/ offenen Wasserflächen'. Weitere Indikatoren betrafen den sozialen Bereich, beispielsweise 'Die Unterstützung der Entwicklung von zusätzlichen Arbeitsplätzen' oder 'Die Unterstützung der ländlichen Entwicklung'. Weitere Information zum Thema finden sich im SustainAqua-Wiki unter http://wiki.sustainaqua.org. Anwendung nachhaltiger Strategien in der Aquakultur In den folgenden Abschnitten wurden die Prinzipien jedes einzelnen Nachhaltigkeitsbereichs detailliert beschrieben. Zusätzlich werden allgemeine Vorschläge gemacht, wie Aquakultursysteme unter Berücksichtigung dieser Prinzipien nachhaltiger gestaltet werden können. Praktische Beispiele dieser möglichen Anwendungsprinzipien werden in den verschiedenen SustainAqua-Fallstudien des Handbuchs vorgestellt. Steigerung der ökologischen Nachhaltigkeit Wasser, Nährstoffe, der Flächenbedarf der Fischzucht und die Energie sind die wichtigsten Gesichtspunkte bei der Betrachtung der ökologischen Nachhaltigkeit von Fischzuchten. Bezüglich des Wassers sind die Menge und die Qualität wichtige Aspekte. Frischwasser kann sowohl aus Oberflächengewässern, beispielsweise Seen, Flüsse, als auch aus dem Grundwasser entnommen werden. Ein wichtiges Ziel in allen Systemen ist die Reduzierung des Frischwasserbedarfs zur Entlastung der natürlichen Ökosysteme. Eng damit verbunden ist das gleichrangige Ziel, das Prozesswasseraufkommen zu reduzieren und dieses besser zu behandeln, da in den meisten Fällen der Abfluss der Fischzuchten noch zahlreiche Nährstoffe enthält, die die natürlichen Gewässer eutrophieren. Die beste Managementstrategie hängt normalerweise von der Art der Aquakultur ab. Traditionelle Karpfenteiche benötigen beispielsweise lediglich Wasser, um die Verdunstung und Versickerung zu ersetzten, der Abfluss ist auf das Abfischen beschränkt. Kreislaufanlagen wie die dänische Modelfischzucht für Forellen sind ein weiteres Beispiel dafür, wie der benötigte Wasserbedarf substanziell reduziert werden kann. In diesem Fall werden zum Beispiel auch künstliche Feuchtgebiete für den Nährstoffrückhalt des Ablaufwassers verwendet. Eine effiziente Nutzung der benötigten Nährstoffe ist ebenfalls für die ökologische Nachhaltigkeit wesentlich. Die Reduzierung der Futterverluste durch ein weiterentwickeltes Fütterungsregime und die Auswahl geeigneten Futters sind der erste Schritt. Die zusätzliche Nutzung der verbleibenden Nährstoffe ist eine Aufgabe, die abhängig von den Bedingungen der jeweiligen Fischzucht anzugehen ist. Die Nutzung des Periphytons (Aufwuchses), wie in der ungarischen Fallstudie, ist eine Möglichkeit. Die Verwendung von verschiedenen Fischarten in einem gemeinsamen Teich als Polykultur kann die Nährstoffeffizienz steigern, da die verschiedenen ökologischen Nischen im Teich durch die unterschiedlichen Fischarten besetzt werden, wie in der polnischen Fallstudie gezeigt wird. Grundsätzlich sollte dabei vermieden werden, fremde Arten zu nutzen. Wenn ausreichende Flächen zur Verfügung stehen, bestünden im Anbau erneuerbaren Rohstoffe, zum Beispiel Schilf oder Weide (ungarische Fallstudie) oder Gartenpflanzen (dänische Fallstudie) weitere Möglichkeiten für die Steigerung der Nährstoffeffizienz. Die Herkunft des genutzten Futters ist eine weitere Möglichkeit zur ökologischen Nachhaltigkeit beizutragen, wie etwa durch die Nutzung von Fischmehl aus dem Beifang nachhaltigen Fischfangs (z. B. MSC zertifiziert). Nachhaltigkeit in Bezug auf die durch die Fischzuchten genutzten Flächen hängt sehr stark von den lokalen Bedingungen ab. Allgemein führt die Notwendigkeit, sowohl erneuerbare Ressourcen als auch Nahrungsmittel zu produzieren, zu einer verstärkten Flächenkonkurrenz. Der verminderte Flächenbedarf pro kg erzeugten Fisch in einigen Kreislaufanlagen kann einen Beitrag leisten. Anderseits kann die Teichfläche von Fischzuchten zur Stabilisierung des lokalen Klimas durch deren Verdunstung beitragen. Teiche bieten ebenfalls hervorragende ökologisch wertvolle Flächen. Die Energienutzung ist ein wichtiges Thema besonders in Kreislaufanlagen wie in den Niederlanden (siehe Kapitel zur niederländischen Fallstudie). Auch in anderen Aquakultursystemen ist es möglich und wichtig, den Energiebedarf durch die Steigerung der Energieeffizienz zu reduzieren. Dies wäre unter anderem durch die Nutzung effizienterer Pumpen möglich. Bezüglich der Energienutzung ist es das Ziel, mit weniger Energie mindestens dieselbe Menge an Fisch zu produzieren oder sogar mehr Fisch bei gleichbleibendem Energiebedarf. Steigerung der ökonomischen Nachhaltigkeit Fischzucht ist ökonomisch nachhaltig und lebensfähig, wenn die Farm gewinnbringend arbeitet, die Einnahmen zuverlässig sind und die Produkte von den Verbrauchern angenommen werden. In vielen Fällen 10/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Nachhaltigkeit in der Aquakultur ist die Verbesserung der ökologischen Nachhaltigkeit eng verbunden mit der Optimierung der ökonomischen Nachhaltigkeit. Zum Beispiel ist eine effizientere Nutzung des Futters und der Nährstoffe oder die Reduzierung der Frischwassernutzung nicht nur positiv für die Umwelt, sondern reduziert auch Kosten. Abhängig von den nationalen Gesetzen kann eine reduzierte Abwassermenge dazu beitragen, die Produktionskosten zu senken. Dasselbe gilt für alle energieabhängigen Prozesse. Eine regionalere Vermarktung der Produkte senkt die Transportkosten, die Teil der Energiekosten sind. Die Diversifizierung der Aquakultur kann Marktschwankungen ausgleichen. Polykulturen oder die zusätzliche Produktion erneuerbarer Ressourcen, Gartenpflanzen oder Fischbrut sind praxisnahe Beispiele in den SustainAquaFallstudien. Herstellung von nachweisbar hochwertigen Produkten kann den tatsächlichen Preis und das Vertrauen der Kunden erhöhen. Letzten Endes trägt eine aus eigener Einsicht vertretene Nachhaltigkeit (und nicht nur widerwillig vorgenommene Anpassungen unter Zwang) dazu bei, die Akzeptanz bei den Konsumenten zu erhöhen. All diese Aspekte müssen individuell bewertet werden, denn die Verfügbarkeit der für die Aquakultur benötigten Ressourcen (Wasser, Land, Nährstoffe, Energie) variiert zwischen den verschieden europäischen Ländern stark. Zum Beispiel kann ein Kreislaufsystem in der Nachbarschaft großer Städte sehr nachhaltig sein, besonders wenn es mit Abwärme beheizt werden könnte. In ländlichen Gebieten, wie z. B. auch in vielen Teilen Ungarns, kann es dagegen ökonomisch viel nachhaltiger sein, große extensive Karpfenteiche zu bewirtschaften, weil Land und Wasser verfügbar und relativ günstig sind. Steigerung der sozialen Nachhaltigkeit Das Wesen der sozialen Nachhaltigkeit ist ebenfalls sehr vielgestaltig. Sie betrifft Beschäftigungsmöglichkeiten in der Branche, die Arbeitsbedingungen in den Fischzuchten (Hygiene, Sicherheit, Schulung), aber auch die allgemeine Öffentlichkeit in Verbindung mit Erholung, Gesundheit und ernährungsrelevanten Belangen. Wichtige Aspekte sind auch die Attraktivität der Aquakultur für die jüngeren Generationen oder die Frage, wie die mit den Fischzuchten verbundene Kultur und Tradition erhalten werden kann, wie beispielsweise in den durch Fischteichen geprägten Regionen in Osteuropa. Soziale Nachhaltigkeit war jedoch kein Schwerpunktthema in SustainAqua. Das Projekt konzentrierte sich vorwiegend auf technische Lösungen, um eine direkte Steigerung der ökonomischen und ökologischen Nachhaltigkeit zu erreichen. Wird diese erreicht, fördert das wiederum die soziale Nachhaltigkeit (sichere Arbeitsplätze, Sicherung einer funktionsfähigen Umwelt für Erholung, Beitrag zu ein hochwertigen und gesunden Versorgung, usw.).

11/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Technologien Süßwasseraquakultur

3.

Technologien in der Süßwasseraquakultur in Europa

Es gibt viele Möglichkeiten, die sehr unterschiedlichen Produktionstypen in der Süßwasseraquakultur bestimmten Gruppen zuzuordnen und sie zu beschreiben. Aus der Sichtweise der Nachhaltigkeit allerdings bilden die Produktionsmethoden die beste Grundlage für eine Einteilung. Obwohl es viele Überschneidungen und Übergänge bei den verschiedenen Produktionssystemen gibt, lassen sich die folgenden Produktionsmethoden grundsätzlich voneinander unterscheiden: Teichwirtschaft, Durchflusssysteme, Kreislaufanlagen, Gehegekulturen

3.1. Teichwirtschaft Die Teichwirtschaft zählt zu den ältesten Formen der Fischproduktion in Europa; ihre Anfänge reichen bis ins Mittelalter zurück. Die Teiche wurden in den Gebieten angelegt, in denen ausreichend Wasserressourcen vorhanden waren und der Boden für die Landwirtschaft nicht geeignet war. Fischteiche prägen und gestalten seitdem die Kulturlandschaft in weiten Teilen Mittel- und Osteuropas. Die Produktionsmenge in Europa beträgt insgesamt ca. 475 000 Tonnen Fisch pro Jahr. Ungefähr die Hälfte dieser Produktion sind Cypriniden, wie Karpfen, Silberkarpfen und Marmorkarpfen. Die wichtigsten Produktionsländer sind Polen, Ungarn, die Tschechische Republik, Deutschland, Ukraine und die Russische Föderation. Typische Fischteiche sind in Erdbauweise errichtet, in denen die Fische fast wie in der Natur leben können und sich auch vorwiegend von natürlicher Nahrung wie Algen, Wasserpflanzen, Fischchen, Krebsen und Insektenlarven ernähren, die von Natur aus im Teich vorkommen. Um höhere Erträge zu erzielen, füttern die Fischzüchter mit Getreide zu oder fügen Nährstoffe durch organische Düngung (z.B. durch Gülle) hinzu, um die natürliche Nahrungsproduktion zu stimulieren. Die Teiche werden i.d.R. jährlich mit Jungfischen besetzt. Die Teichwirtschaft wird in den meisten Ländern extensiv bzw. semi-intensiv (mit zusätzlicher Fütterung) betrieben. Chemikalien und andere Behandlungsstoffe werden normalerweise nicht eingesetzt. Das wichtigste Thema aus Sicht des Umweltschutzes ist der Einsatz von Düngemitteln, der bei übermäßigem Einsatz zur Eutrophierung der natürlichen Gewässer führen kann. Fischteiche sind aus Sicht der Ökologie jedoch auch sehr positiv zu bewerten. So bieten extensiv bewirtschaftete Fischteiche mit ihrem Schilfgürtel und umgebenden natürlichen Vegetation wertvollen Lebensraum für seltene Pflanzen- und Tierarten. Aus wasserrechtlicher und klimatologischer Sicht sind Teiche von größter Bedeutung, da sie wichtige Wasserrückhaltebecken darstellen. Auch für den Tourismus in ländlichen Gebieten spielen Teiche eine wachsende Rolle. Viele Teichwirtschaften wurden bereits zu multifunktionalen Fischfarmen umgebaut, die verschiedenste Dienstleistungen anbieten, über Freizeitangeln, Erhaltung der Artenvielfalt oder Verbesserung des Wassermanagements.

Multifunktionale Teichwirtschaft in Ungarn (Foto: HAKI)

12/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Technologien Süßwasseraquakultur

3.2. Durchflusssysteme In traditionellen Durchflusssystemen fließt das Wasser nur einmal durch die Aquakultur und wird danach wieder in die natürlichen Gewässern eingeleitet. Das Wasser wird i.d.R. einem Fluss entnommen, durch die Zuchtanlage geleitet und vor der Einleitung in die Vorfluter aufbereitet. Der Zufluss muss so hoch sein, dass das Wasser mindestens einmal täglich ausgetauscht wird. Durch den stetigen Wasserdurchfluss werden einerseits die Fische mit ausreichend Sauerstoff versorgt, andererseits werden so die überschüssigen Nährund Schwebstoffe aus der Anlage in die Vorfluter geleitet. In Europa wird in solchen Durchflusssystemen vor allem Forellenzucht betrieben. Die Regenbogenforelle (Oncorhynchus mykiss) dominiert wegen ihrer guten Wachstumsleistung weite Teile der europäischen Forellenzucht (ca. 95% der Gesamtproduktion). Die meisten Forellenzuchten in der EU liegen an Flüssen und nutzen Betonbassins oder Teiche. Einige Netzgehege in Seen werden auch genutzt. Ca. 220 000 Tonnen Portionsforellen werden jährlich in Europa produziert und verkauft, 85% davon werden in der EU produziert. Die Hauptproduzenten sind Italien und Frankreich, gefolgt von Dänemark, Deutschland und Spanien. Ein großer Produzent von Portionsforellen außerhalb der EU ist die Türkei. Nach vielen Jahren langsamen, aber stetigen Wachstums ging die Produktion von Portionsforellen im Zeitraum von 2000-2005 leicht zurück (ca. minus 0,6% pro Jahr), die Preise allerdings blieben stabil. Andere Wasserquellen für Durchflusssysteme sind Quell- oder Grundwasser. In einigen Ländern werden auch aufgeheizte, industrielle Wasserquellen (wie z.B. von Energieerzeugungsanlagen) genutzt, um Fisch in Durchflusssystemen zu produzieren. Geothermalwasser ist ebenfalls eine natürliche Warmwasserquelle, die die Zucht von entsprechenden Süßwasserfischarten erlaubt (besonders Afrikanischer Wels, Aal, Stör, Barsch und Tilapia).

Traditionelle Forellenzucht in Dänemark (Foto: DTU-Aqua)

3.3. Kreislaufanlagen Kreislaufanlagen sind landbasierte Zuchtsysteme, in denen das Wasser wieder verwendet wird, nachdem es mechanisch und biologisch aufbereitet wurde. Auf diese Weise werden Wasser- und Energiebedarf sowie die Emission von Nährstoffen in die Umwelt reduziert. Diese Systeme haben mehrere Vorteile, wie z.B. Wasserersparnis, eine strenge Kontrolle der Wasserqualität, geringe Umweltauswirkungen, hohe Biosicherheitsstandards und eine im Vergleich zu anderen Produktionssystemen leichter durchführbare Kontrolle der anfallenden Reststoffe. Die hauptsächlichen Nachteile sind hohe Investitionskosten, hohe Betriebskosten (v.a. für Energie), hohe Anforderung an das Management mit entsprechend gut qualifizierten Arbeitskräften sowie Schwierigkeiten bei der Behandlung von Krankheiten. Die Bedeutung von Kreislaufanlagen für die Fischzucht in Europa ist zur Zeit noch gering. Besonders in den 13/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Technologien Süßwasseraquakultur Niederlanden und in Dänemark werden allerdings schon beträchtliche Mengen Fisch mit dieser Technologie produziert. Die hauptsächlichen Süßwasserfischarten, die in Kreislaufanlagen gezüchtet werden, sind Wels und Aal, aber auch andere Arten werden bereits mit dieser Technologie produziert. Die Aalproduktion in der EU lag bis 2001 bei ca. 11 000 Tonnen/Jahr, anschließend ging sie auf ca. 8 500 Tonnen jährlich zurück und hat sich seitdem stabilisiert. Diese Zahlen verbergen jedoch wesentliche Produktionsverlagerungen bei den Hauptproduzenten: Die Produktion in Italien (vormals der größte Produzent der EU) erfährt seit den späten 1990er Jahren einen konstanten Abwärtstrend, und auch die dänische Produktion ist seit 2001 gesunken. Diese Verluste wurden jedoch durch stetiges Wachstum in der holländischen Produktion teilweise kompensiert. Wegen der unsicheren Versorgung mit Glasaalen für den Besatz jedoch weichen einige Aalzüchter auf andere Arten aus oder verlassen die Branche komplett.

Intensive Tilapia-Produktion in einer Kreislaufanlage (Foto: FISHION AQUACULTURE B.V.)

3.4. Gehegekulturen in Süßwasserseen und Flüssen Gehegekulturen, die sorgfältig geplant und gut gemanagt werden, bieten zwar begrenzte, aber durchaus bedeutende Möglichkeiten in der Süßwasseraquakultur. In bestimmten Gewässern kann eine extensive oder intensive Fischproduktion in Netzgehegen mit einer nachhaltigen Nutzung von natürlichen Ressourcen Hand in Hand gehen. So ist zum Beispiel die Seesaiblingszucht (Salvelinus alpinus) derzeit ein kleiner, aber erfolgreicher Geschäftszweig in Schweden. Es ist zu erwarten, dass diese Branche im Laufe der nächsten Jahre beträchtlich an Bedeutung gewinnen wird. Diese Aquakulturen befinden sich im Norden des Landes in den nahezu ungenutzten Seen und Stauseen, die entlang der durch Dämme regulierten Flüsse liegen. Diese Gewässer waren von Natur aus arm an Nährstoffen und wurden im Zuge der Wasserregulierung noch weiter ausgedünnt, so dass derzeit dort nahezu sterile Bedingungen herrschen. Fischzucht in diesen Gewässern würde eine Wiederherstellungsmaßnahme bedeuten, da die vermehrte Menge an Nährstoffen dazu dient, die Gewässerbedingungen wieder an den natürlichen Zustand anzunähern. Es ist mindestens eine Jahresproduktion von 5 000 Tonnen Seesaibling notwendig, um das derzeitige Niveau von Phosphor in diesen Seen von 3 µg/l auf ein geschätztes natürliches Niveau in Höhe von 10 µg/l zu bringen.

14/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Rechtliche Rahmenbedingungen

4.

Rechtliche Rahmenbedingungen Süßwasseraquakultur

in

der

europäischen

Es ist weithin bekannt, dass die Aquakultur eine der am strengsten regulierten Industrien in der Europäischen Union ist. Die Produktion von Fisch, die die begrenzten natürlichen Ressourcen der Küsten und Binnengewässer nutzt, steht weiterhin im Fokus des öffentlichen Interesses. Es überrascht deswegen nicht, dass die verschiedensten Politiker und Interessengruppen, wie z.B. die EU und die nationalen Regierungen, Nichtregierungsorganisationen, und die Aquakulturindustrie selbst die Fischzucht kontrollieren möchten. Auf der anderen Seite hat dieses Interesse schon zu so vielen Vorschriften und Regelungen geführt, dass sie für den einzelnen Fischzüchter nur sehr schwer überschaubar geworden sind. Im Rahmen des Projekts SustainAqua wurden verschiedene Fallstudien durchgeführt und Module erforscht, um die Fischzüchter in der Süßwasseraquakultur dabei zu unterstützen, ihren Betrieb weiterzuentwickeln und dabei gleichzeitig ihre wertvollste Ressource zu schützen: sauberes Frischwasser. Dieses Kapitel soll einen Überblick auf die wichtigsten Regularien geben, die für die Aquakultur relevant sind. Ausführlichere Informationen sind hierzu im SustainAqua Wiki auf http://wiki.sustainaqua.org zu finden. In den EU-Mitgliedsstaaten haben die Gesetzgebung und Finanzierungsinstrumente der EU die größte Bedeutung für die Regulierung der Aquakultur. Eine sehr gute Zusammenfassung über die verschiedenen Dokumente, die im Gesetzgebungsprozess der Europäischen Kommission relevant sind, wurde von der Vereinigung der europäischen Aquakultur-Produzenten (FEAP) verfasst (Quelle: www.profetpolicy.info): Grünbuch: Grünbücher sind von der Kommission veröffentlichte Mitteilungen, die eine öffentliche Diskussion über einen bestimmten Politikbereich anregen sollen. Sie richten sich an interessierte Dritte (Organisationen wie Einzelpersonen), am jeweiligen Beratungsprozess teilzunehmen und auf der Basis der vorgebrachten Vorschläge zu diskutieren. Aus einem Grünbuch kann sich ein Gesetzgebungsprozess entwickeln, der dann in einem Weißbuch dargestellt wird. Weißbuch: Weißbücher enthalten Vorschläge für ein Tätigwerden der EU in einem bestimmten Bereich. Sie folgen zuweilen auf Grünbücher, die bereits einen Konsultationsprozess auf europäischer Ebene eingeleitet haben. Während in Grünbüchern Ideen präsentiert werden, enthalten Weißbücher bereits förmliche Vorschläge für bestimmte Politikbereiche und dienen dazu, diese zu entwickeln. Der Europäische Rat, also die regelmäßigen Zusammenkünfte der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der EU, kann z.B. aus einem solchen Weißbuch ein Aktionsprogramm für die betroffenen Regionen der EU veranlassen. KOM- und SEC-Dokumente: Hierbei handelt es sich um Dokumente, die die Kommission an den Europäischen Rat und andere Gemeinschaftsorgane als Bestandteil des Entscheidungsfindungs- und Gesetzgebungsprozesses der Gemeinschaft schickt. Sie erscheinen in Form von Memoranden, Berichten oder anderen schriftlichen Mitteilungen oder in Form von Gesetzesvorlagen. KOM-Dokumente beinhalten Gesetzesvorschläge, die entsprechenden vorbereitenden Dokumente und sonstige Mitteilungen. SEKDokumente sind interne Dokumente, die mit den Entscheidungsprozessen und der allgemeinen Funktionsweise der Kommissionsdienststellen zusammenhängen. Richtlinie: Richtlinien müssen von den Mitgliedstaaten erst in nationales Recht, also verbindliche innerstaatliche Rechtsvorschriften, umgesetzt werden. Sie besitzen dabei einen gewissen Gestaltungsspielraum, um den jeweiligen nationalen Besonderheiten Rechnung tragen zu können. Eine Richtlinie legt Ziele sowie einen Zeitrahmen für deren Umsetzung fest. Im Laufe der Jahre hat das EU-Gericht für viele Richtlinien entschieden, dass sie direkt anzuwenden sind und zusätzlich bestimmt, dass Länder verpflichtet werden können, Entschädigungszahlungen zu leisten, wenn eine Richtlinie nicht gemäß der Zeitvorgabe implementiert wurde. Verordnung: Verordnungen gelten nach ihrer Verabschiedung direkt in allen EU-Mitgliedstaaten. Während Richtlinien erst in Landesgesetze umgesetzt werden müssen, ist eine Verordnung unmittelbar verbindlich. Es ist verboten, EU-Verordnungen zu ändern, wenn sie in die nationale Gesetzgebung Eingang finden. Auf diese Weise dient wird eine einheitliche Anwendung des EU-Rechts in allen Mitgliedstaaten gewährleistet. Entscheidung: Eine EU-Entscheidung ist verbindlich für Personen, Unternehmen oder Mitgliedsstaaten, die sie bezeichnet. Sie ist allerdings nicht allgemein verpflichtend, wie dies bei einer Verordnung der Fall ist. Die Entscheidung dient der Regelung konkreter Sachverhalte gegenüber bestimmten Adressaten. Empfehlung: Sie ist nicht nicht verbindlich, die Mitgliedsstaaten werden zu ihrer Erfüllung nur angehalten. Ein Mitgliedsstaat kann für die Nicht-Beachtung einer Empfehlung nicht mit einer Strafe belegt werden. Resolution: Eine Resolution ist ebenfalls eine nicht verbindliche Aussage, die Ziele definiert und politische Erklärungen abgibt. Die Resolutionen des Europäischen Rats bestimmen die Richtung der zukünftigen EU-Politik. Resolutionen können vom EU-Gericht zur Auslegung von Gesetzen herangezogen werden. Sie gelten als eine Art “weiches Gesetz”.

15/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Rechtliche Rahmenbedingungen Diese gesetzlichen Dokumente sind also die Grundlage für die Entwicklung und Umsetzung der EU-Politik. Es gibt viele Gesetzeswerke, die die Süßwasseraquakultur beeinflussen. Im Folgenden sollen jedoch die beiden Politikbereiche vorgestellt werden, die für diesen Sektor von der größten Relevanz sind: •

Gemeinsame Fischereipolitik (GFP)



Umweltpolitik, mit einem Fokus auf Wasserpolitik

4.1. Gemeinsame Fischereipolitik (GFP) Die Gemeinsame Fischereipolitik (GFP) ist das Steuerungsinstrument der Europäischen Union für die Fischerei und Aquakultur. Ziel der Gemeinsamen Fischereipolitik ist die nachhaltige Nutzung aquatischer Arten, die durch Vorsorgemaßnahmen geschützt und erhalten werden sollen. Die negativen Auswirkungen der Fischerei auf die marinen Ökosysteme sollen so gering wie möglich zu halten. Weitere Ziele sind eine rentable und wettbewerbsfähige Fischwirtschaft und Aquakultur, ein angemessener Lebensstandard für die von der Fischerei abhängigen Menschen und die Wahrung der Verbraucherinteressen. Des Weiteren soll bei der Bestandsbewirtschaftung stärker auf die Meeresökosysteme Rücksicht genommen werden. Entsprechende Maßnahmen wurden in den folgenden Bereichen vereinbart: •

Bestandserhaltung und Begrenzung der negativen Auswirkungen der Fischerei und Aquakultur auf die Umwelt – Schutz der Fischbestände durch Festlegung der Fischmengen, die den Meeren entnommen werden dürfen; Maßnahmen, damit junge Fische sich vermehren können; Schutz empfindlicher Lebensräume; Kontrollen, damit die Maßnahmen auch eingehalten werden;



Strukturen – Unterstützung von Fischerei- und Aquakultursektor bei der Anpassung ihrer Organisationsstrukturen und Ausrüstungen an die Beschränkungen, die sich aus der Ressourcenknappheit und der Marktlage ergeben.



Märkte – Aufrechterhaltung einer gemeinsamen Marktorganisation für Fischereierzeugnisse und Anpassung von Angebot und Nachfrage zum Nutzen der Erzeuger und Verbraucher;

Internationale Beziehungen – Abschluss von Fischereiabkommen und Verhandlungen auf internationaler Ebene im Rahmen regionaler und internationaler Fischereiorganisationen über gemeinsame Bestandserhaltungsmaßnahmen im Bereich der Hochseefischerei. Seit dem Start der Integrierten Meerespolitik der EU im Jahr 2007, werden die Maßnahmen der GFP in deren Rahmen umgesetzt. Der Name der verantwortlichen Generaldirektion in der Kommission ist 'Maritime Angelegenheiten und Fischerei' (DG MARE). Allerdings liegt das Hauptaugenmerk der GFP auf der Hochseefischerei. Die Aquakultur hat erst in den vergangenen Jahren eine größere Bedeutung erlangt. Seitdem nimmt sie auch in der GFP und den oben beschrieben Bereichen eine immer wichtigere Rolle ein. DG MARE verfasste 2002 ein KOM-Dokument bezüglich der Strategie zur nachhaltigen Entwicklung der europäischen Aquakultur (COM(2002)511). Im Jahr 2007 begann DG MARE eine wechselseitige Diskussion mit dem Aquakultursektor, um diese Strategie zu aktualisieren. Die Neue Strategie (COM(2009) 162) wurde im April 2009 veröffentlicht und liegt in allen Amtssprachen vor. •

4.1.1. Strategie für die nachhaltige Entwicklung der europäischen Aquakultur Die Strategie für eine nachhaltige Entwicklung der europäischen Aquakultur strebt folgende Ziele an: •

Schaffung von langfristig sicheren Arbeitsplätzen, besonders in Regionen, die von der Fischerei abhängig sind;

Im Hinblick auf die Verbraucher Sorge dafür tragen, dass Erzeugnisse zur Verfügung stehen, die gesund, sicher und qualitativ hochwertig sind, sowie Förderung hoher Standards in der Tiergesundheit und im Tierschutz. Die Strategie sieht vor, die negativen Auswirkungen der Aquakultur auf die Umwelt zu verringern, indem eine Reihe von Normen festgelegt und/oder freiwillige Vereinbarungen getroffen werden, die einer Verschlechterung der Umweltsituation vorbeugen. Auf der anderen Seite sind die positiven Auswirkungen bestimmter Entwicklungen in der Aquakultur auf die Umwelt anzuerkennen und zu unterstützen, auch mittels finanzieller Anreize durch die öffentliche Hand. Bezüglich der Konflikte zwischen Aquakultur und Umwelt identifizierte die Strategie folgende Bereiche: •



Reduzierung der Abfallbelastung.



Kontrolle der Nachfrage nach Wildfängen als Besatzmaterial.



Bekämpfung der Auswirkungen, die durch entwichene Tiere, nichtheimische Arten und GVO entstehen.



Integrierte Vermeidung und Bekämpfung der Umweltverschmutzung.

16/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Rechtliche Rahmenbedingungen •

Spezifische Kriterien und Leitlinien für die Umweltverträglichkeitsstudien im Sektor Aquakultur.



Anerkennung und Stärkung der positiven Auswirkungen von extensiven Zuchttechniken und Aufstockungsmaßnahmen.

• Lösungen zur Bekämpfung der Dezimierung durch geschützte Wildarten. Im Allgemeinen sind die Ziele der Strategie von 2002 noch immer gültig. Allerdings war auch eine Überarbeitung gerechtfertigt. Dementsprechend initiierte die Kommission 2007 einen Konsultationsprozess zur Aktualisierung der Aquakulturstrategie. Im April 2009 veröffentlichte die Kommission ein neues KOMDokument 'Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Zukunft für die Aquakultur - Neuer Schwung für die Strategie für die nachhaltige Entwicklung der europäischen Aquakultur'. Folgende Aspekte werden hier betont: 1. Umweltfreundliche Aquakultur: Die EU engagiert sich in hohem Maße für den Umweltschutz, und die entsprechenden Gemeinschaftsvorschriften basieren auf dem Vorsorgeprinzip. Techniken für die Reinigung der Gewässer durch die Beseitigung von Abfällen und Kontaminanten stehen bereits zur Verfügung, und in den kommenden Jahren ist mit der weiteren Entwicklung neuer Technologien zur Reduzierung der Abwässer zu rechnen. Von entscheidender Bedeutung ist auch die Einhaltung der Vorschriften des EU-Wasserrechts, wodurch die für die Erzeugung von hochwertigen und sicheren Lebensmitteln erforderliche Wasserqualität gewährleistet werden soll. 2. Tierhaltung: Optimale Haltungsbedingungen, gute Gesundheit und auf die physiologischen Bedürfnisse der Zuchttiere abgestimmtes Futter sind wesentliche Voraussetzungen für optimales Wachstum und optimale Produktionsleistung. Außerdem wirkt sich die artgerechte Haltung von Zuchtfischen positiv auf das Ansehen der Aquakulturwirtschaft aus. 3. Gleichberechtigter Wettbewerb um geeignete Standorte: Der zunehmende Wettbewerb mit Landwirtschaft, Industrie und Tourismus um den verfügbaren Raum stellt eine wesentliche Herausforderung für die Weiterentwicklung, ja sogar die Erhaltung sämtlicher Formen der Aquakultur dar. Die Standortwahl ist eine äußerst wichtige Entscheidung, bei der die Raumplanung eine wesentliche Rolle spielt, indem sie Orientierungshilfen und zuverlässige Daten für die Ansiedlung von Wirtschaftsbetrieben bereit stellt. 4. Schaffung der Voraussetzungen, damit die Aquakultur der Nachfrage nachkommen kann: Der Aquakultursektor der EU sollte imstande sein, auf die Verbrauchernachfrage zu reagieren, sich problemlos an veränderte Markterfordernisse anzupassen und mit den anderen Akteuren der Vermarktungskette gleichgestellt zu interagieren. Entsprechend sollen im Rahmen der anstehenden Reform der Marktpolitik für Fischerei- und Aquakulturerzeugnisse die Bedürfnisse des Aquakultursektors insbesondere in Bezug auf Erzeugerorganisationen, brancheninterne Beziehungen, Verbraucherinformation und Vermarktungsinstrumente wie die Kennzeichnung von aquatischen Nahrungsmitteln bewertet und berücksichtigt werden. 5. Reduzierung des Verwaltungsaufwands: Für die Förderung der Entwicklung des Sektors ist es wichtig, dass der Verwaltungsaufwand insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen reduziert wird.

4.1.2. Europäischer Fischereifonds (EFF) Bis 2006 war das wichtigste Finanzierungsinstrument zur Umsetzung der GFP das 'Finanzinstrument für die Ausrichtung der Fischerei' (FIAF). Für den Zeitraum von 2007 bis 2013 wird stattdessen der Europäische Fischereifonds (EFF) eine nachhaltige Fischerei und Aquakultur in Europa finanziell fördern. Vorrangig werden die Fördermittel an in der Aquakultur, der Verarbeitung und Vermarktung tätigen Kleinund Kleinstunternehmen vergeben. Beihilfen für mittlere und einige große Unternehmen sind jedoch auch möglich. Außerdem können auch Fischfarmer Ausgleichszahlungen erhalten, deren Betriebe sich in Natura 2000-Schutzgebieten befinden. Zuschüsse für die Binnenfischerei, Erzeugergemeinschaften und den Kauf eines ersten gebrauchten Schiffes durch Jungfischer werden beibehalten. Der Fonds hat eine Laufzeit von sieben Jahren, seine Mittelausstattung beläuft sich auf insgesamt rund 3,8 Mrd. Euro. Der EFF wird Mittel für alle Zweige der Fischwirtschaft – See- und Binnenfischerei, Aquakulturbetriebe, Erzeugerorganisationen, den Verarbeitungs- und Vermarktungssektor – und für die Fischereigebiete bereitstellen. Die Mitgliedstaaten können selbst entscheiden, wie sie die Finanzmittel auf die einzelnen Prioritäten aufteilen wollen. Diese müssen allerdings als Basis einen Nationalen Strategischen Plan (NSP) aufstellen. Inhaltlich sollte ein NSP folgende Bereiche abdecken: •

Allgemeine Beschreibung des Sektors



SWOT-Analyse des Sektors und seiner Entwicklung



Ziele und Prioritäten der Mitgliedsstaaten bezüglich der nachhaltigen Entwicklung der Fischerei und Aquakultur unter Einbeziehung der GFP 17/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Rechtliche Rahmenbedingungen •

Finanzplanung zur Umsetzung der nationalen Strategie



Verfahrensweise zur Entwicklung, Durchführung und Überwachung der NSP

Finanzielle Unterstützung für Fischfarmer Selbstverständlich müssen die nationalen Strategien und geplanten Maßnahmen mit den Zielen des Europäischen Fischereifonds im Einklang stehen. Der EFF konzentriert sich auf die folgenden fünf Förderprioritäten: 1. Anpassung der Kapazität der EU-Fangflotte 2. Aquakultur, Binnenfischerei sowie Verarbeitung und Vermarktung von Fischerei- und Aquakulturprodukten 3. Maßnahmen von gemeinsamem Interesse 4. Nachhaltige Entwicklung der Fischereigebiete 5. Technische Hilfe, um die Bereitstellung der Fördermittel zu erleichtern Für Fischfarmer in der Süßwasseraquakultur sind die beiden wichtigsten sogenannten Prioritätsachsen die Schwerpunkte 2 und 3. Prioritätsachse 2 – Aquakultur, Binnenfischerei, Verarbeitung und Vermarktung von Fischerei- und Aquakulturprodukten Die Prioritätsachse 2 fördert folgende Maßnahmen im Bereich der Aquakultur: Produktive Investitionen in der Aquakultur: Der EFF kann Investitionen für den Bau, die Erweiterung, die Ausrüstung und die Modernisierung von Produktionsanlagen unterstützen, insbesondere im Hinblick auf die Verbesserung der hygienischen Bedingungen, den besseren Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier. Die Verbesserung der Qualität der Erzeugnisse oder die Verringerung der nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt steht ebenfalls im Fokus. Die Investitionen sollen zum Erreichen von einem oder mehreren der folgenden Ziele beitragen: a. Diversifizierung auf neue Arten und Erzeugung von Arten mit guten Marktaussichten; b. Anwendung von Aquakulturmethoden, die gegenüber den üblichen Praktiken in der Aquakultur deutlich geringere negative Auswirkungen oder deutlich positivere Auswirkungen auf die Umwelt haben; c. Unterstützung von traditionellen Aquakulturtätigkeiten, die für die Erhaltung und Verbesserung des wirtschaftlichen und sozialen Gefüges als auch der Umwelt von Bedeutung sind; d. Unterstützung für den Erwerb von Ausrüstungen zum Schutz der Zuchtanlagen gegen wild lebende Raubtiere; e. Verbesserung der Arbeits- und Sicherheitsbedingungen von in der Aquakultur tätigen Personen Umweltschutzmaßnahmen in der Aquakultur: Der EFF kann Ausgleichszahlungen für die Anwendung von Produktionsmethoden in der Aquakultur gewähren, die zum Schutz und zur Verbesserung der Umwelt und zur Erhaltung der Natur beitragen. Voraussetzung ist jedoch, sie gehen über die einfache Anwendung der allgemein üblichen guten Aquakulturpraxis hinaus. Der Begünstigte muss sich außerdem für mindestens fünf Jahre zu Umweltschutzmaßnahmen in der Aquakultur verpflichten. Förderfähig sind zum Beispiel Formen der Aquakultur, die den Schutz und die Verbesserung der Umwelt und natürlichen Ressourcen, der genetischen Vielfalt und die Erhaltung der Landschaft und traditioneller Merkmale der Aquakulturgebiete einbeziehen. Um diese Unterstützung zu erhalten, muss der Nutzen dieser Verpflichtungen für die Umwelt durch eine vorherige Bewertung nachgewiesen werden, die von den vom betreffenden Mitgliedstaat benannten zuständigen Stellen durchgeführt wird. Außerdem will die Kommission die Fischfarmer dazu ermutigen, am Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und Umweltbetriebsprüfung teilzunehmen, dass durch die sogenannte EMASVerordnung 2001 ins Leben gerufen wurde. Es sieht die freiwillige Beteiligung von Organisationen am sogenannten Öko-Audit vor (Englisch: Eco Management and Audit Scheme - EMAS). Gesundheitspolitische Maßnahmen: Diese Maßnahmen betreffen hauptsächlich die Muschelzüchter und sichern diese gegen die wirtschaftlichen Auswirkungen ab, die aus einer vorübergehenden Einstellung der Ernte von Zuchtmuscheln resultieren (z.B. schädliche Algenblüten). Veterinärmaßnahmen: Der EFF kann sich an der Finanzierung zur Eindämmung und Beseitigung von Krankheiten in der Aquakultur beteiligen. Es existieren innerhalb der Prioritätsachse 2 noch einige andere Maßnahmen, die nicht direkt Fischfarmer in der Süßwasseraquakultur betreffen, die aber in einigen Fällen trotzdem von Interesse sein können.

18/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Rechtliche Rahmenbedingungen Binnenfischerei: Förderfähige Maßnahmen: •

Beihilfen für die Binnenfischerei und Eisfischerei (ähnlich FIAF)



Beihilfe für die Umstellung von Fahrzeugen der Binnenfischerei auf andere Tätigkeiten als die Fischerei

• Vorübergehende Einstellung der Fischerei Verarbeitung und Vermarktung: Förderfähige Maßnahmen: •

Verbesserung von Arbeits-, Gesundheits-, Hygienebedingungen und der Qualität der Erzeugnisse



Verringerung der negativen Auswirkungen auf die Umwelt



Herstellung hochwertiger Erzeugnisse für Nischenmarkte



Bessere Nutzung von wenig verwerteten Arten, Nebenerzeugnissen und Abfällen



Herstellung oder Vermarktung neuer Erzeugnisse, Anwendung neuer Technologien, Entwicklung innovativer Produktionsmethoden



Vermarktung von Erzeugnissen, die hauptsachlich aus örtlichen Anlandungen und der örtlichen Aquakultur stammen



Lebenslanges Lernen

Prioritätsachse 3 – Maßnahmen von gemeinsamem Interesse Innerhalb der Prioritätsachse 3 kann der EFF Maßnahmen mit einer größeren Tragweite als die von der Privatwirtschaft üblicherweise durchgeführten Maßnahmen unterstützen, die zur Verwirklichung der Ziele der GFP beitragen. Träger dieser Maßnahmen können private Wirtschaftsbeteiligte, im Namen der Erzeuger tätige oder andere anerkannte Organisationen sein, sofern sie im allgemeinen Interesse tätig sind. Förderungswürdige Maßnahmen sind: •

Kollektive Maßnahmen



Schutz und Entwicklung der Wasserfauna und -flora



Fischereihäfen, Anlandestellen und Fischereischutzhäfen



Erschließung neuer Absatzmärkte und Ausarbeitung von Werbekampagnen



Pilotprojekte, die von einem Wirtschaftsakteur, einem anerkannten Berufsverband oder einer anderen vom Mitgliedsstaat zu diesem Zweck benannten einschlägigen Einrichtung in Partnerschaft mit einer wissenschaftlichen oder technischen Stelle durchgeführt werden



Umbau von Fischereifahrzeugen zur anderweitigen Verwendung

Kollektive Maßnahmen, die im Zusammenhang mit Aquakultur stehen, können zum Beispiel folgende sein: •

Verbesserung von Arbeitsbedingungen und Arbeitssicherheit



Transparenz der Märkte



Verbesserung der Qualität und Lebensmittelsicherheit



Entwicklung, Umstrukturierung und Verbesserung von Aquakulturanlagen



Entwicklung neuer Ausbildungsmethoden



Förderung der Partnerschaft zwischen Wissenschaftlern und Wirtschaftsbeteiligten



Förderung von Chancengleichheit



Gründung und Umstrukturierung von Erzeugergemeinschaften und Umsetzung ihrer Qualitätsverbesserungspläne



Durchführung von Machbarkeitsstudien über die Förderung von Partnerschaften mit Drittländern

4.2. Umweltpolitik, die auf die Entwicklung der Aquakultur wesentlichen Einfluss hat Die Umweltpolitik der EU ist nichts Neues. Das derzeitige Umweltaktionsprogramm ist bereits das sechste in der Reihe und beschreibt die Prioritäten der EU-Umweltpolitik für einen Zeitraum von zehn Jahren (20022012). In den vergangenen 30 Jahren wurden dank dieser Programme bereits viele Erfolge erzielt – angefangen von einer besseren Luft- und Wasserqualität über die Ausweitung von Naturschutzgebieten, eine bessere Abfallbehandlung, eine höhere Berücksichtigung von Umweltauswirkungen im Vorfeld von Planungsentscheidungen bis hin zu umweltfreundlicheren Erzeugnissen. Große Herausforderungen stehen jedoch noch an. Das sechste Umweltaktionsprogramm umfasst vier Prioritäten:

19/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Rechtliche Rahmenbedingungen •

Klimawandel



Natur und Artenvielfalt



Umwelt, Gesundheit und Lebensqualität,

• Natürliche Ressourcen und Abfälle. Aus der Sicht eines Fischfarmers ist der Bereich des Naturschutzes und der Schutz der natürlichen Ressourcen (wie z.B. Wasser) von größter Bedeutung. Im Folgenden sollen diese beiden Gebiete der EUUmweltpolitik vorgestellt werden.

4.2.1. Naturschutzpolitik: Natura 2000 – FFH- und Vogelschutzrichtlinie Seit 1992 ruhen die Eckpfeiler der Naturschutzpolitik der EU auf zwei Gesetzeswerken – der Fauna-FloraHabitatrichtlinie (FFH-Richtlinie) und der Vogelschutzrichtlinie. Durch diese Richtlinien wird ein europäisches ökologisches Netz von Schutzgebieten mit der Bezeichnung „Natura 2000" geschaffen. Beide Richtlinien sind ein wesentlicher Beitrag zur Umsetzung des "Übereinkommens über die Biologische Vielfalt", das 1992 anlässlich der Umweltkonferenz der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro unterzeichnet wurde. Das Ziel des Netzwerks Natura 2000 ist der länderübergreifende Schutz gefährdeter wildlebender heimischer Pflanzen- und Tierarten und ihrer natürlichen Lebensräume innerhalb von Europa. Das Netzwerk Natura 2000 setzt sich aus den 'Gebieten gemeinschaftlicher Bedeutung' (GGB) zusammen, die nach den im Anhang der FFH-Richtlinie aufgelisteten 231 gefährdeten Lebensraumtypen und rund 900 Arten ausgewiesen werden. Gleichermaßen umfasst es 'besondere Vogelschutzgebiete', die nach der Vogelschutzrichtlinie Lebensraum für ca. 200 gefährdete wildlebende Vogelarten bieten. Natura 2000 ist allerdings nicht nur ein Netz von Naturschutzgebieten, aus denen alle menschlichen Tätigkeiten verbannt werden. Im Gegenteil: es wird anerkannt, dass der Mensch ein integraler Teil der Natur ist. Tatsächlich sind viele Natura 2000-Schutzgebiete gerade wegen der Art und Weise, in der sie bis jetzt bewirtschaftet wurden, schützenswert. Es wird auch in der Zukunft wichtig sein, sicher zu stellen, dass diese Landnutzung (wie z.B. die extensive Bewirtschaftung von Grünland) weitergeführt wird. Auch andere Politikbereiche wurden durch die FFH- und Vogelschutzrichtlinie beeinflusst. Die kürzliche Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik im Jahre 2003 hat z.B. das komplexe System produktionsgebundener Direktzahlungen auf betriebsbezogene entkoppelte, d.h. produktionsunabhängige Direktzahlungen ("Betriebsprämien") umgestellt, die sich u.a. auch an die Erfüllung von Umweltauflagen richten. Ähnliche Prinzipien wurden auch in die Gemeinsame Fischereipolitik aufgenommen. Es werden z.B. Fischfarmer unterstützt, die die Anforderungen von Natura 2000 bei der wirtschaftlichen Nutzung einhalten. Die beiden Richtlinien schreiben außerdem vor, dass innerhalb von Natura 2000-Gebieten schädigende Aktivitäten zu vermeiden sind, die die geschützten Arten wesentlich stören oder die Lebensräume wesentlich beeinträchtigen könnten. Wenn nötig, müssen Maßnahmen getroffen werden, um die Lebensräume und Lebensbedingungen für die geschützten Arten wiederherzustellen.

4.2.2. Wasserrahmenrichtlinie und Süßwasseraquakultur Im Jahr 2000 wurde die EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) verabschiedet. Die Wasserrahmenrichtlinie dehnt den Wasserschutz auf alle Gewässer aus und legt klare Ziele fest, um zu gewährleisten, dass bis zum Jahr 2015 ein „guter Gewässerzustand“ für alle europäischen Gewässer sowie eine nachhaltige Wassernutzung erreicht wird. Dieses neue, alles umspannende System kommt gerade zur rechten Zeit, da die europäischen Wasserressourcen zunehmenden Belastungen ausgesetzt sind. Die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie bringt für die Kommission, Mitgliedsstaaten, Beitrittsstaaten, Länder des Europäischen Wirtschaftsraumes sowie für die Interessengruppen und Nichtregierungsorganisationen eine Vielzahl von Herausforderungen technischer Art mit sich. Zum Beispiel gehen die Einzugsgebiete vieler europäischen Flüsse (Rhein, Elbe, Donau, etc.) über Staatsgrenzen hinweg. Entsprechend ist eine internationale Kooperation und eine gute Koordination aller Beteiligten von entscheidender Bedeutung für die erfolgreiche Umsetzung der Richtlinie. Die wichtigsten Ziele, die durch die WRRL, erreicht werden sollen, sind die folgenden: •

Ausweitung des Wasserschutzes auf alle Gewässer – Flüsse, Seen, Küstengewässer und Grundwasser



Erreichen eines “guten Gewässerzustands” für alle Gewässer bis 2015



Erstellung eines Bewirtschaftungssystems für grenzüberschreitende Flusseinzugsgebiete



"Kombinierter Ansatz" zur Kontrolle der Umweltverschmutzung: größtmögliche Reduzierung von Schadstoffemissionen und Setzen eines Mindestqualitätsstandard



Wasserpreisgestaltung und Sicherstellung des Verursacherprinzips. 20/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Rechtliche Rahmenbedingungen •

Stärkere Einbindung und Beteiligung aller Betroffenen

• Gesetzesvereinfachungen Um das Ziel des länderübergreifenden Gewässerschutzes zu erreichen, müssen alle Partner im Einzugsgebiet eines Flusses – der natürlichen, geologischen und hydrologischen Einheit – ihre Wasserressourcen in enger Zusammenarbeit bewirtschaften. Die EU hat hier z.B. aus der Erfahrung gelernt, die in verschiedenen Regionen innerhalb Europas wie beispielsweise im Rheingebiet, an der Maas oder der Schelde gesammelt wurde, wo bereits eine langjährige Tradition internationaler Kooperation besteht. Im Rahmen der WRRL soll nun für jedes nationale genauso wie für jedes länderübergreifende Flusseinzugsgebiet ein gemeinsamer Bewirtschaftungsplan aufgestellt und alle sechs Jahre aktualisiert werden. Um eine europaweit einheitliche Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie zu gewährleisten, haben die Mitgliedstaaten, Norwegen und die Kommission bereits 2001 eine gemeinsame Einführungsstrategie für die WRRL beschlossen. Diese Einführungsstrategie wird von den Mitgliedsstaaten regelmäßig aktualisiert. Für den Zeitraum von 2007-2009 beinhaltet das Arbeitsprogramm die folgenden Schwerpunkte: 'Wasserrahmenrichtlinie und Landwirtschaft', 'Wasserrahmenrichtlinie und Hydromorphologie', 'Umweltziele, Ausnahmen und wirtschaftliche Aspekte, 'Wasserknappheit und Dürre' sowie 'Biologisches und chemisches Monitoring. Weiterhin ist ein Schwerpunkt 'Klimawandel' vorgesehen, der die Möglichkeiten, die die Richtlinie bietet, nutzt, um die Wasserpolitik an die Folgen des Klimawandels anzupassen. Den Kern der Wasserrahmenrichtlinie bilden die Umweltziele (Artikel 4). Sie geben den Rahmen für die langfristige nachhaltige Gewässerbewirtschaftung auf der Grundlage eines hohen Schutzniveaus für die Gewässerumwelt vor. Die allgemeinen Ziele der WRRL sind in Artikel 4.1 niedergelegt, die in allen Oberflächengewässern und im Grundwasser erreicht werden sollen. Oberflächengewässer z. B. sollten bis 2015 einen "guten ökologischen" und "guten chemischen" Zustand erreichen. Sie dürfen sich außerdem in Zukunft gegenüber einem guten ökologischen und chemischen Zustand nicht verschlechtern. Allerdings werden auch verschiedene Ausnahmen von den Zielen des Artikels 4.1 beschrieben, die von der Verwirklichung weniger strenger Ziele bis zu mittel- und langfristigen Abänderungen der Regel des 'guten Zustands bis 2015' reichen. Diesen Ausnahmen ist jedoch gemeinsam, dass strenge Bedingungen erfüllt sein müssen und der Bewirtschaftungsplan für das Einzugsgebiet eine entsprechende Begründung enthalten muss. Mit der von der WRRL vorgesehenen sogenannten 'Interkalibrierung' soll eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse der in den Mitgliedstaaten zu implementierenden biologischen Gewässerüberwachung sichergestellt werden. Die Einstufung des ökologischen Zustands der Gewässer erfolgt in fünf Klassen: sehr gut, gut, mäßig, unbefriedigend und schlecht.

21/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Marktchancen

5.

Hohe Produktqualität und neue Geschäftsfelder – Marktchancen für Fischprodukte höchster Qualität und Sekundärprodukte

Eine hohe Produktqualität ist heutzutage die Voraussetzung, um sich gegen die wachsende Konkurrenz auf dem Fischmarkt behaupten zu können. Für die Verbraucher wird es immer wichtiger, wie der Fisch produziert wird und welche Futtermittel dabei eingesetzt werden. Die Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit und Rückverfolgbarkeit der Fischprodukte werden durch alle Stufen der Herstellung, der Verarbeitung und des Vertriebs hinweg durch die Gesetzgebung der EU genau vorgeschrieben. Die meisten Supermarktketten stellen dementsprechend hohe und strenge Anforderungen an die Herstellung und Qualität von Fischprodukten, um den Ansprüchen der Verbraucher und den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden. Um Fisch über diesen eminent wichtigen Absatzweg verkaufen zu können, müssen die Erzeuger entsprechend hohen Qualitätsanforderungen genügen. Auf der anderen Seite schafft das ständig wechselnde ökonomische und gesellschaftliche Umfeld unserer Zeit stets neue Märkte, auch für Nebenprodukte aus der Aquakultur. Fischzüchter müssen neue Wege gehen, um diese Nebenprodukte ökonomisch effizienter zu nutzen. Wenn diese alternativen und rasant wachsenden Märkte parallel zum Hauptabsatzmarkt von qualitativ hochwertigen Fischprodukten erschlossen werden, könnten die europäischen Fischzüchter ihre ökonomische Nachhaltigkeit steigern und zugleich ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der internationalen Konkurrenz verbessern, insbesondere gegenüber den Billigimporten aus Asien. Eines der Hauptziele von SustainAqua ist deswegen, den Einfluss unterschiedlicher Zuchtbedingungen und Fütterungssysteme auf die Fischqualität zu untersuchen. Außerdem sollten potenzielle Märkte für verschiedene Nebenprodukte aus Aquakultur analysiert werden. In der polnischen Fallstudie wurde deshalb in drei verschiedenen Zuchtsystemen erforscht, welche Auswirkungen die Fütterung sowie die Zucht in Polykultur oder Monokultur auf die Qualität von Karpfen haben. In den Fallstudien in der Schweiz und in Ungarn wurde das Marktpotenzial von verschiedenen Nebenprodukten auf dem boomenden Kosmetik- und Bioenergiemarkt analysiert: Hydrokulturpflanzen und tropische Früchte aus dem Tropenhauses in der Schweiz für die Naturkosmetikindustrie sowie verschiedene Feuchtbiotopspflanzen aus der ungarischen Fallstudie für die Verwendung in der Bioenergieindustrie.

5.1. Produktqualität – die polnische Fallstudie Der Ausdruck “Fischqualität” setzt sich aus einer komplexen Sammlung von Eigenschaften zusammen, die von verschiedensten Faktoren beeinflusst werden. Er umfasst: Erscheinungsbild (z.B. Farbe), Nährwert (Zusammensetzung, z.B. Fettsäuren, Fett), organoleptische Eigenschaften (Geschmack, Aroma, Geruch, Textur), Frische und Sicherheit (Anteil an Giftstoffen, Schwermetallen, Chemikalien, Pathogenen, etc.). Mit Hilfe von Verbrauchertests, sensorischer Prüfung mit geschulten Testpersonen sowie chemischen Analysen von Protein, Fett und Fettsäuren wurden der Einfluss unterschiedlicher Zuchtbedingungen und Fütterungssysteme auf Qualität und Geschmack von Karpfen analysiert. Folgende Fragen sollten beantwortet werden: •

Gibt es einen Unterschied in Geschmack und Qualität, wenn Karpfen in Polykultur oder Monokultur gehalten wird (z. B. durch Nutzen eines anderen Nahrungsspektrums)?



Gibt es einen Unterschied in Geschmack und Qualität, wenn Karpfen mit Getreide (Mais oder Weizen) gefüttert wird oder wenn natürliches Futter (Plankton), das sich im Teich entwickelt, genutzt wird?

Die Untersuchung konzentrierte sich auf Karpfen (Cyprinus carpio), die wichtigste in Polen gezüchtete Fischart. Folgende Fischproben wurden analysiert: 1. 2. 3.

Karpfen, gezüchtet in traditioneller Monokultur – Fütterung mit Getreide Karpfen, gezüchtet in traditioneller Polykultur – natürliche Fütterung (durch Düngung, siehe Kapitel 7) Karpfen, gezüchtet in Monokultur – natürliche Fütterung (durch Düngung, siehe Kapitel 7)

Außerdem wurde Marmorkarpfen (Hypophthalmichthys nobilis) aus Polykultur mit natürlicher Fütterung analysiert, um dessen Geschmack und hohe Qualität zu beweisen und eine höhere Verbraucherakzeptanz zu erreichen. Derzeit bestehen einige Vorurteile von Verbrauchern gegenüber dieser Art. Der Marmorkarpfen soll einen schlechteren Geschmack als der Karpfen haben. Entsprechend erreicht er zur Zeit mit nur ca. 1€/kg wesentlich geringere Marktpreise. Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen, dass Karpfen mit natürlicher Fütterung einen weitaus 22/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Marktchancen geringeren Fettgehalt aufweist als Karpfen, der mit Getreide gefüttert wurde. Beträchtliche Unterschiede bestehen auch beim Fettsäuregehalt und -zusammensetzung. Karpfen mit natürlicher Fütterung hatte höhere Anteile an mehrfach ungesättigten n-3 und n-6 Fettsäuren, die positive Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben sollen. Auch hinsichtlich der Verbraucherakzeptanz wurde Karpfen mit natürlicher Fütterung wesentlich besser bewertet. Er punktete insbesondere bezüglich seines frischen Geruchs und zarten Geschmacks. Keine Unterschiede hingegen konnten bezüglich der Zucht in Monokultur oder Polykultur festgestellt werden. Folglich hat die Fütterung einen wesentlich höheren Einfluss auf die sensorische und chemische Qualität als das Zuchtsystem. Der Hauptfaktor, der den Fettgehalt, die Fettsäurezusammensetzung und die organoleptischen Eigenschaften beeinflusst, ist das Futter, wie bereits auch frühere Studien gezeigt haben. Ob Karpfen in Monokultur oder Polykultur gezüchtet wird, scheint keinen großen Einfluss auf die Qualität des Fischs zu haben. Außerdem zeigen die Ergebnisse der Studie, dass Marmorkarpfen sowohl hinsichtlich der sensorischen Prüfung und Verbraucherakzeptanz als auch hinsichtlich seiner chemischen Zusammensetzung gut abschneidet. Er erreicht die gleichen, teilweise sogar bessere Werte als Karpfen.

5.2. Wasserreinigende Pflanzen für die Bioenergieindustrie – die ungarische Fallstudie Das Potenzial der Nutzung von Biomasse für den boomenden Bioenergiesektor ist gewaltig. Lignozellulosehaltige Nebenprodukte aus Aquakultur könnten eine nachhaltige Alternative bieten, aus Biomasse Strom, Wärme und Kraftstoffe zu erzeugen. Die innovative Kombination von Aquakultur, Wasseraufbereitung und Bioenergieerzeugung dient gleich zwei Zielen auf einmal: 1. Aquakulturfarmer profitieren gleich zweifach: Der Farmer spart Kosten für die Wasseraufbereitung und erschließt durch den Verkauf eines neuen Produkts neue Einnahmequellen. 2. Die EU muss alle Flächenpotenziale für die Biomasseerzeugung nutzen, wenn die ambitionierten Bioenergieziele erreicht werden sollen.

Korbweide in künstlichem Feuchtgebiet zur Wasseraufbereitung in Ungarn (Foto: AKVAPARK)

Potenziale Im Rahmen von SustainAqua wurden Schilf (Phragmites australis), Rohrkolben (Typha latifolia/ angustifolia), Pfahlrohr (Arundo donax) und Korbweide (Salix viminalis) hinsichtlich ihres Potenzials zur Bioenergieerzeugung untersucht. Die Pflanzen könnten z.B. für die Produktion von Hackschnitzel und Pellets zur Wärme- und Stromerzeugung oder für die Herstellung von Bioethanol als Biotreibstoff auf Zellulosebasis für den Transport dienen (siehe Tabelle 2). 23/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Marktchancen Wassergehalt

- Kritischer Faktor, der den Heizwert bei der Verbrennung stark beeinflusst - Je höher der Wassergehalt der Pflanze, desto geringer der Heizwert

Heizwert

- Menge der freigesetzten Energie in Form von Wärme bei der Verbrennung von 1 kg Holz

Zellwandpolysaccharide

- Pflanzenzellwände enthalten hauptsächlich drei verschiedene Polymere: Zellulose, Hemizellulose und Lignin. - Zellulose und Hemizellulose bestehen aus langen Zuckerketten, die sich in Treibstoff umwandeln lassen, der z.B. als Bioethanol für den Transport verwendet werden kann. - Den Anteil der Zuckerketten (Polysaccharide) zu kennen, ist wichtig, um das Potenzial der Pflanze zur Produktion von Biotreibstoff zu bestimmen.

Tabelle 2: Analysen zur Bestimmung des Potenzials von wasserreinigenden Pflanzen zur Bioenergieerzeugung

Die Ergebnisse dieser Analysen beweisen das Potenzial der Pflanzen zur Erzeugung von Bioenergie. Die Zahlen der Polysaccharidanalyse zeigen, dass die Produktion von Bioethanol aus Zellulose, insbesondere von Pfahlrohr und Schilf, vielversprechend sein kann. Rohrkolben wies dagegen die besten Heizwerte auf. Die Ergebnisse anderer internationaler Studien belegen das große Potenzial für alle vier getesteten wasserreinigenden Pflanzen. Allerdings muss man beachten, dass in einer Aquakultur das primäre Ziel beim Anbau dieser Pflanzen die Aufbereitung von Ablaufwasser aus der Aquakultur ist. Die produzierte Biomasse soll natürlich als Nebenprodukt für die Bioenergieerzeugung genutzt werden. Aber die Wasseraufbereitung wird immer die Priorität bei der Nutzung von künstlichen Feuchtgebieten sein, nicht die Bioenergieproduktion. Diese Rangfolge führt jedoch zu einigen Faktoren, die sich ungünstig auf die effiziente und kosteneffektive Erzeugung von Biomasse für die Energienutzung auswirken können: 1. Die Standortbedingungen des künstlichen Feuchtgebiets bieten eventuell keine optimalen Wachstumsbedingungen zur Produktion von Biomasse für die Energienutzung. 2. Der Zeitpunkt der Ernte ist essenziell für die optimale Verbrennungsqualität (am besten im Frühling). 3. Erntezyklen von zwei oder drei Jahren könnten den Heizwert der Pflanzen steigern. Es muss also noch genau erforscht werden, auf welche Weise die Wasseraufbereitung und die Produktion von Energiepflanzen möglichst effizient kombiniert werden können, um optimale Bedingungen zum Erreichen beider Ziele zu schaffen.

Marktchancen Die Ausgangsbedingungen für die Produktion von Biomasse zur Energiegewinnung sind zur Zeit sehr günstig. Die ehrgeizigen Ziele der EU zur Steigerung des Anteils an Bioenergie im europäischen Energiemix schaffen eine große Nachfrage für Biomasse in den kommenden Jahren. Dies ist auch eine einmalige Chance für Fischzüchter, eine wertvolle zusätzliche Einnahmequelle zu erschließen, indem sie 'nebenbei' produzierte Biomasse ihrer Aquakultur dazu nutzen, die boomende Bioenergieindustrie mit der dringend benötigten Biomasse zu versorgen. Korbweide (Salix viminalis) wird bereits zur Produktion von Hackschnitzeln zur Wärme- und Stromerzeugung verwendet, z.B. in sogenannten Kurzumtriebsplantagen (KUP). Die Erfahrungen, die bereits mit Kurzumtriebsplantagen gesammelt werden konnten, geben viele nützliche Hinweise für das genaue Design der künstlichen Feuchtgebiete zur Anwendung in der Aquakultur. Um rentabel zu sein, sollte die Fläche mindestens 1 ha groß und für Maschinen zugänglich sein sowie mindestens 8-11 t Trockenmasse im Jahr produzieren. Für die Nutzung der drei anderen Pflanzen der ungarischen Fallstudie, Schilf, Rohrkolben und Pfahlrohr beginnt sich der Markt erst zu entwickeln. Allerdings wird hier bereits in der nahen Zukunft eine steigende Nachfrage am Markt erwartet. Es wird erwartet, dass in den kommenden 3-5 Jahren die notwendigen technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen für einen funktionierenden Biomasse- und Bioenergiemarkt in Europa erreicht werden. Diese Entwicklungszeit sollte dafür genutzt werden, die Bedingungen für die Biomasseproduktion in Verbindung mit Aquakultur zu optimieren, wobei man das Primärziel der künstlichen Feuchtgebiete, die Wasseraufbereitung und Nährstoffrückhaltung, nicht aus den Augen verlieren darf.

5.3. Hydrokulturpflanzen und tropische Früchte – die Schweizer Fallstudie Hydrokulturpflanzen und Tropenfrüchte haben ein großes Potenzial zur Verwendung als nachwachsende Rohstoffe in der Kosmetikindustrie. Die besondere Chance dieser Nebenprodukte liegt in der Vermarktung der regionalen Herkunft und des umweltfreundlichen Herstellung dieser Erzeugnisse. Das ganzheitliche Konzept des Tropenhauses ist hier ein einzigartiges Alleinstellungsmerkmal. Speziell Kleinere und Mittlere Unternehmen (KMU) könnten großes Interesse daran haben, gemeinsam neue Produkte zu entwickeln, wie z.B. Papaya- oder Guavencreme, wie dies im kleinen Maßstab im 'Tropenhaus' bereits erfolgt. 24/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Marktchancen

Potenziale Im Rahmen von SustainAqua wurden Wasserlinse (Lemna sp.) – die auch ein mögliches Nebenprodukt der ungarischen Fallstudie zur Wasseraufbereitung (siehe Kapitel 6.1) oder des polnischen Kaskadensystems (siehe Kapitel 7.3) sein könnte – Wasserhyazinthe (Eichhornia crassipes), Guave (Psidium sp.) und Papaya (Carica papaya) analysiert. Bei den tropischen Früchten wurden Früchte von niedriger oder mittlerer Qualität untersucht, die am Obstmarkt nicht als erstklassige Produkte verkauft werden können. Da es nicht möglich war, neue Bestandteile oder die gesamte chemische Zusammensetzung aller gewählter Pflanzen zu bestimmen, wurden die bekannten wertvollen Bestandteile der Pflanzen auf ihre Konzentration hin untersucht (siehe Tabelle 3): Pektine

- Wasserlinsen sind reich an einem Lemna-spezifischen Pektin (Apiogalaktoronan/ Lemnan) - Außerordentliche Eigenschaften im Vergleich mit herkömmlichen Pektin (aus Äpfeln) - Könnte zur Behandlung von Symptomen von Hautalterung und -entzündungen eingesetzt werden

Carotenoide, Lycopin

- Guave und Papaya sind beide reich an bioaktiven Substanzen - ß- Karotin und Lycopin sind für ihre positiven Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit bekannt

Polyphenole

- Guave hat antioxidative Eigenschaften, die auf ihre Polyphenol-Anteile zurückgeführt werden - Wasserhyazinthe, mit ihrem Polyphenolanteil, kann die Haut gegen schädliche Auswirkungen von Schwermetallen schützen und die Zellatmung verbessern. - Wasserhyazinthe könnte auch zur Phytoremediation geeignet sein, da sie Schwermetalle und toxische Materialien aus Abwässern absorbiert.

Tabelle 3: Analysen zur Bestimmung des Potenzials von Hydrokulturpflanzen und Tropenfrüchten für die Kosmetikindustrie

Die Ergebnisse dieser Analysen zeigen, dass die Nebenprodukte aus der Aquakultur des 'Tropenhauses' im Vergleich mit anderen Pflanzen keine höhere Konzentration der untersuchten Substanzen enthalten. Allerdings könnte der Mehrwert für die Kosmetikindustrie, diese Produkte zu nutzen, in dem holistischen und ökologischen Ansatz bestehen, der im 'Tropenhaus' oder anderen nachhaltigen Aquakulturen verfolgt wird. Ein so einmaliges Alleinstellungsmerkmal könnte für bestimmte Branchen in der Industrie ein verkaufsförderndes Argument sein, besonders in der Naturkosmetik.

Marktchancen Die derzeitige Entwicklung auf dem Kosmetikmarkt, speziell in der Naturkosmetik, sind sehr günstig für die Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen aus der Aquakultur: •

Starkes Marktwachstum von bis zu 20% in der Naturkosmetikbranche Der weltweite Verkauf von Naturkosmetikartikeln steigt stetig, mit Erträgen von beinahe 5 Milliarden € im Jahr 2006. Europa ist dabei eine wesentliche Wachstumsmaschine mit Wachstumsraten von über 20% und mit Verkaufszahlen von 1,1 Milliarden €. Deutschland, gefolgt von Österreich und der Schweiz, ist in diesem Marktsegment mit Abstand das führende Land: In Deutschland wurden im Jahr 2006 Verkaufszahlen von 650 Millionen € registriert. Der Marktanteil am gesamten Kosmetikmarkt wird voraussichtlich von derzeit 6% auf 10% bis zum Jahr 2012 steigen. Allerdings wächst der französische Markt am schnellsten, mit einer Wachstumsrate von 40% im Jahr 2005.



Dominanz von innovativen KMUs In Europa ist die Angebotsseite des Marktes stark fragmentiert und wird von kleinen und mittleren Unternehmen beherrscht: über 400 KMUs stellen Naturkosmetikartikel her.



Hohe Innovationsfähigkeit des Sektors: ständige Entwicklung und Einführung neuer Produkte Die Kosmetikindustrie lebt von ihrer Innovationsfähigkeit und ihren zahlreichen Produktneuentwicklungen. Innovation ist unabdingbar, um die Leistung, Sicherheit und die Umweltauswirkungen der Produkte zu verbessern. Die Unternehmen experimentieren zunehmend mit natürlichen Inhaltsstoffen und rücken von synthetischen Chemieprodukten ab.



Produktpositionierung: Erfolgreiches Marketing beruht auf klarer Differenzierung von Konkurrenzprodukten Ein entscheidender Erfolgsfaktor der Naturkosmetik ist die Positionierung ihrer Produkte. Gewinner am Markt sind diejenigen Unternehmen, die ihre Produkte erfolgreich gegen Konkurrenzprodukte abgrenzen. Dies gilt für Naturprodukte genauso wie für konventionelle Produkte.

25/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Ungarn

6.

Reinigung des Ablaufwassers intensiver Aquakulturen durch Feuchtgebiete und extensive Fischteiche – Fallstudie in Ungarn

6.1. Künstliche Feuchtgebiete als eine nachhaltige Methode zur Behandlung des Ablaufwassers von Fischzuchten und zur Produktion wertvoller Biomasse 6.1.1. Allgemeine Beschreibung Das Erreichen und Erhalten einer guten Wasserqualität in natürlichen Gewässern ist ein wichtiges Ziel sowohl europäischer und nationaler Gesetze als auch von Nichtregierungsorganisationen, weil die Qualität und Quantität der Süßwasserressourcen ein Schlüsselfaktor für gesundes menschliches Leben sind. Durch Ablaufwässer von Fischzuchten können die natürlichen Ökosysteme eutrophiert und beeinträchtigt werden. Darüber hinaus ist die Abwasserabgabe in Ungarn eine wesentliche Kostengröße. Dadurch werden die Produzenten gezwungen, wirksame und kosteneffiziente Behandlungsverfahren zu finden. In den letzten Jahrzehnten wurden künstliche Feuchtgebiete als eine wirksame Methode zur Abwasserbehandlung wiederentdeckt. In Feuchtgebieten wird die Nährstofffracht über geeignete Pflanzen und natürliche Prozesse reduziert. Schwebstoffe setzen sich ab und gelöste Nährstoffe werden durch die Organismen des Feuchtgebietes aufgenommen. Durch die Kombination verschiedener Feuchtgebietstypen, wie Schönungsteiche, Fischteiche und Pflanzenteiche, kann die Nährstoffretention verbessert werden. Durch die Wahl geeigneter Fisch- und Pflanzenarten können die Nährstoffe dabei sogar in vermarktbare Nebenprodukte umgewandelt werden. Durch den Fischbesatz kann ein Anteil der Nährstoffe im Ablaufwasser für den Aufbau von Fischfleisch genutzt werden. Zugleich sichern die notwendigen Sauerstoffgehalte adäquate Bedingungen für aerobe Prozesse. In den Makrophytenteichen nehmen geeignete Pflanzenarten bemerkenswerte Mengen von Nährstoffen für die Biomasseproduktion auf. Die Pflanzen können zur Bereitstellung von regenerativer Energie genutzt werden.

6.1.2. Grundprinzipien der Fallstudie Die Anlage zur Zucht von afrikanischem Wels, deren Ablaufwasser in diesem Modul geklärt werden sollen, liegt auf dem Gebiet der Versuchsteichanlage des Forschungsinstitutes für Fischerei, Aquakultur und Bewässerung (HAKI) in Szarvas, Ungarn. Die künstlichen Feuchtgebiete im Pilotmaßstab umfassen 1,1 ha (Subsystem 'A') und 0,4 ha (Subsystem 'B') und wurden angelegt, um das Ablaufwasser der intensiven Durchflusssystems zur Produktion afrikanischer Welse zu behandeln. Die Feuchtgebiete werden durch die Kombination eines Schönungsteiches, eines Fischteiches und von Makrophytenteichen gebildet. Die Teiche wurden mit Wasser aus einem nahen Altarm des Körös-Flusses zu Beginn der Betriebsperiode bespannt (Mai 2007, Februar 2008). Ein Schema dieses Moduls ist in Abbildung 4 dargestellt. Das Ablaufwasser der Welsfarm Subsystem ’B’ Subsystem ’A’ wurde zunächst in einen Schönungsteich eingeleitet, der durch einen Schaufelradbelüfter 2 mit Sauerstoff versorgt und wo A_SP B_SP 1387 m zusätzliches Flusswasser hinzu2 3072 m gefügt wurde. Das Wasser vom Schönungsteich wurde dann in 2 B_FP 1380 m den Fischteich eingeleitet, in dem A_FP eine gewisse Menge der Nährstoffe in der Fischbiomasse 2 3072 m B_SA B_AR zurückgehalten wurde. Daran anschließend floss das Ablaufwasser in vier als Horizontalfilter ausgebildete künstliche FeuchtB_SAi B_TAi gebiete, die mit verschiedenen A_PH A_TY Energiepflanzen bepflanzt waren: Schilf (Phragmites australis), Durchflussschmalund breitblättriger 2 2 system für 2288m 2728m Rohrkolben (Typha latifolia und Schönungsteich Afrikanischen Fischteich T. angustifolia), Korbweide (Salix Makrophytenteich Wels viminalis), Pfahlrohr (Arundo Bewässerung donax) und Salzzeder (Tamarix Abb. 4: Schematische Darstellung des Entwurfs der ACS-Fallstudie tetrandra) (siehe Tabelle 4). 26/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Ungarn Zwei zusätzliche Flächen wurden 2008 mit dem Teilsystem 'B' verbunden. Diese Flächen wurden nicht überstaut, sondern nur bewässert, um die Salztoleranz der Energieweide und der Salzzeder untersuchen zu können. Zusammengefasst wurden die folgenden Prinzipien in diesem Modul angewendet: •

Retentionszeit: Die berechnete hydraulische Retentionszeit betrug 18 Tage in jedem Feuchtgebiet.



Wassertiefe: Die mittlere Wassertiefe betrug 1,20 m in den Schönungsteichen und Fischteichen und 0,50 m in den Makrophytenteichen.



Fischbesatz: Die Teiche wurden im April und Mai mit einer Polykultur und einer Dichte von 900 kg/ha besetzt: 35% Karpfen (Cyprinus carpio), 60% Silberkarpfen (Hypophthalmichthys molitrix) und 5% Graskarpfen (Ctenopharyngodon idella). Dieses Fischartenspektrum wurde nach dem Ziel der Behandlung des Ablaufwassers so gewählt, dass möglichst viele Nährstoffe als Nahrung genutzt werden konnten.



Fütterung: Auf die zusätzliche Gabe von Futter wurde vollständig verzichtet.



Abfischung: Die Fischteiche wurden im November abgefischt, das Wasser abgelassen und der Teichboden von November bis Februar trocken gelegt. Einheit

Fläche

Wassertiefe

Art

Anmerkungen

A_SP

3 072 m

2

1.2 m

Wasserlinse (Lemna sp.)

Regelmäßig entfernt

A_FP

3 072 m

2

1.2 m

Karpfen-Polykultur

Besatz im April Abfischung im November

A_PH

2 288 m

2

0.5 m

Schilf (Phragmites australis), Wasserlinse

Geerntet im November

A_TY

2 728 m

2

0.5 m

Rohrkolben (Typha latifolia, T. angustifolia)

Geerntet im November

B_SP

1 387 m

2

1.2 m

Wasserlinse (Lemna sp.)

Regelmäßig entfernt

B_FP

1 380 m

2

1.2 m

Karpfen-Polykultur

Besatz im April Abfischung im November

B_SA

683 m

2

0.5 m

Korbweide (Salix viminalis), Rohrkolben (Typha sp.)

Gepflanzt 2006, unzureichendes Wachstum der Weide, Ausbreitung von Rohrkolben

B_AR

683 m

2

0.5 m

Pfahlrohr (Arundo donax), Rohrkolben (Typha sp.)

Gepflanzt 2006, unzureichendes Wachstum des Pfahlrohrs, Ausbreitung von Rohrkolben

B_SAi

683 m

2

Nicht anwendbar

Korbweide (Salix viminalis)

Gepflanzt 2007, bewässert mit dem Ablaufwasser des Fischteichs (B_FP)

B_TAi

683 m

2

Nicht anwendbar

Tamariske (Tamarix tetrandra)

Gepflanzt 2007, bewässert mit dem Ablaufwasser des Fischteichs (B_FP)

Tabelle 4: Fischbesatz und Bepflanzung in den verschiedenen Versuchseinheiten

6.1.3. Bewertung des Moduls anhand der SustainAqua-Nachhaltigkeitsindikatoren Wasserzulauf/ Wasserablauf Das in der Versuchsanlage genutzte Wasser kam aus den folgenden zwei Quellen: •

Ablaufwasser aus der Zuchtanlage für afrikanischen Wels und

Frischwasser aus dem Fluss Körös, um die Teiche zu bespannen sowie zur Versorgung mit Sauerstoff und Algen der Schönungsteiche während des Betriebs. Die Teiche wurden erstmalig mit Wasser aus dem nahegelegenen Flussarm des Körös bespannt. Der 3 3 größte Teil des Flusswassers wurde während des Bespannens genutzt (13 829 m in 2007; 11 173 m in 3 3 2008); weitere 10 037 m wurden 2007 und 17 089 m 2008 während des Betriebs der Schönungsteiche 3 3 zugefügt. Der tägliche Wasserbedarf betrug im Mittel 65.6 m bzw. 69.5 m in 2007 und 2008. Die theoretische tägliche Wassermenge wurde berechnet, da das Einlaufwasser nicht kontinuierlich zugefügt wurde, sondern nur in Zeiten unzureichender Sauerstoffversorgung. Der spezifische Frischwasserbedarf 3 3 wurde für die Versuchsanlage mit 0.159 - 0.274 m Flusswasser je 1 m zu behandelndem Wasser 3 insgesamt berechnet (einschließlich des anfänglichen Bespannens der Teiche mit 0.279 - 0.453 m ). Der Wasserabfluss wurde über den Auslauf der Makrophytenteiche kontrolliert. Während der Retentionszeit wurde das Zulaufwasser durch Verdunstung und Versickerung reduziert. Dadurch war der Ablauf um 5557% geringer als das insgesamt zugeführte Wasservolumen. •

27/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Ungarn Nährstoffverwertung In der Summe betrug der Stickstoffaustrag während der Bewirtschaftungsperiode 2007 162 kg, was 1,05 kg/d für das Gesamtsystem entspricht. Im Ablaufwasser wurde weniger als 10% des Stickstoffs des Zulaufwassers gemessen. Die Summe des Phosphoraustrags betrug 44,9 kg, entsprechend 0,29 kg/d; das sind 27% im Vergleich zum Phosphoreintrag. Der Kohlenstoffgehalt der Wasserproben wurde berechnet als die Hälfte der volatilen Schwebstoffe: der Austrag betrug 3 262 kg während des Betriebs, entsprechend 21,1 kg/d. Im Ablaufwasser wurden weniger als 8% der zulaufenden Kohlenstofffracht gefunden (siehe Tabelle 5). N

P

C

Teich / Feuchtgebiet

Zulauf

Ablauf

Reduktion

Zulauf

Ablauf

Reduktion

Zulauf

Ablauf

Reduktion

kg

kg

%

kg

kg

%

kg

kg

%

A_ST

1 167

722

38.1

117

95.1

18.7

1 930

1 307

32.2

A_FI

722

404

27.2 (44.0)

95.1

69.0

22.3 (27.4)

1 307

1 022

14.8 (21.9)

A_PH

207

77.4

11.1 (62.6)

35.6

20.5

12.9 (42.4)

526

325

10.4 (38.2)

A_TY

196

46.5

12.8 (76.3)

33.4

15.1

15.6 (54.8)

495

279

11.2 (43.6)

A_Ges.

1 167

124

89.4

117

35.6

69.6

1 930

605

68.7

B_ST

512

235

54.1

50.0

31.9

36.2

813

561

31.0

B_FI

235

114

23.6 (51.5)

31.9

18.8

26.1 (41.0)

561

374

23.0 (33.4)

B_SA

56.4

21.1

6.90 (62.6)

9.30

5.13

8.36 (44.9)

188

108

9.82 (42.5)

B_AR

58.1

17.0

8.03 (70.8)

9.55

4.13

10.8 (56.7)

186

79.4

13.1 (57.3)

B_Ges.

512

38.1

92.6

50.0

9.26

81.5

813

187

77.0

Gesamt

1 679

162

90.3

167

44.9

73.1

2 743

792

71.1

Tabelle 5: Zulauf, Ablauf und Reduktion der Nährstoffe in den Teichen und Feuchtgebieten zur Reinigung des Ablaufwassers 2007 (ACS; in Klammern: Reduktion berechnet für den Teichzulauf). N

P

C

Teich / Feuchtgebiet

Zulauf

Ablauf

Reduktion

Zulauf

Ablauf

Reduktion

Zulauf

Ablauf

Reduktion

kg

kg

%

kg

kg

%

kg

kg

%

A_ST

1 352

865

36.0

152

95.9

37.0

2 646

1 304

50.7

A_FI

865

376

36.1 (56.5)

95.9

48.0

31.5 (49.9)

1 304

1 143

6.07 (12.3)

A_PH

184

41.9

10.5 (77.3)

23.7

15.5

5.36 (34.4)

562

161

15.2 (71.4)

A_TY

198

37.1

11.9 (81.2)

23.3

14.7

5.66 (36.9)

522

166

13.4 (68.1)

A_Ges.

1 352

79.0

94.2

152

30.2

80.1

2 646

327

87.6

B_ST

717

361

49.6

78.9

40.4

48.7

1 351

554

59.0

B_FI

361

184

24.7 (49.0)

40.4

19.3

26.7 (52.2)

554

503

3.78 (9.22)

B_SA

88.3

17.3

9.90 (80.4)

9.21

2.96

7.93 (67.9)

238

68.3

12.5 (71.3)

B_AR

99.0

19.5

11.1 (80.3)

9.78

3.97

7.36 (59.4)

257

80.1

13.1 (68.8)

B_Ges.

717

36.8

94.9

78.9

6.93

91.2

1 351

148

89.0

Gesamt

2 069

116

94.4

231

37.1

83.9

3 997

475

88.1

Tabelle 6: Zulauf, Ablauf und Reduktion der Nährstoffe in den Teichen und Feuchtgebieten zur Reinigung des Ablaufwassers 2008 (ACS; in Klammern: Reduktion berechnet für den Teichzulauf).

Der absolute Stickstoffaustrag des Gesamtsystems beläuft sich auf 116 kg während des Betriebs 2008, entsprechend 0,48 kg/d. Im Ablaufwasser wurde weniger als 6% des Stickstoffs des Zulaufes gemessen. Die absolute Phosphormenge machte 37,1 kg aus, entsprechend 0,15 kg/d bzw. 16% des Zulaufes. 4 812 kg organischen Kohlenstoffs wurden während des Betriebs ausgetragen, entsprechend 19,7 kg/d. Im Ablauf wurden damit weniger als 5% des organischen Kohlenstoffs im Vergleich zum Zulauf gefunden (siehe Tabelle 6). Der Stickstoff- und Phosphoraustrag waren 2008 erheblich geringer als 2007, besonders die täglichen Austragsraten waren fast 50% weniger als 2008. Der Austrag an organischem Kohlenstoff war, entsprechend den täglichen Werten, in beiden Jahren gleich.

28/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Ungarn

Nährstoff

Einheit

Zulauf

Ablauf

2007

2008

N

P

C

N

P

C

kg

1 679

167

2 743

2 069

231

3 997

Wasser

%

9.7

27

29

5.6

16

4.3

Wasser bei Abfischung

%

10

17

20

5.9

9.2

7.5

Fisch

%

1.0

1.8

3.5

0.99

1.7

2.3

Pflanzen

%

4.0

9.2

n.b.*

3.7

8.5

n.b.*

*nicht berechnet

Tabelle 7: Nährstoffaustrag und Nährstoffretention in sekundären Produkten

Ein Teil der Nährstoffe in diesem Modul wurde durch Fische und Pflanzen aufgenommen und auf diese Weise für die Erzeugung von wertvollen Nebenprodukte genutzt werden. Ein vergleichbarer Anteil der Nährstoffe im Zulaufwasser wurde in beiden Jahren in Fisch und Pflanzenbiomasse umgewandelt: 1,0%, 1,8% und 2,3-3,5% des zugeführten Stickstoffs, Phosphors und organischem Kohlenstoff wurden in dem gefangenem Fisch und zusätzlich 3,7-4,0% Stickstoff und 8,5-9,2% Phosphor in den Energiepflanzen gebunden (siehe Tabelle 7). Energieeffizienz Während des Betriebs des Versuchssystems wurde elektrische Energie benötigt, um das Zulaufwasser in die Schönungsteiche zu pumpen (eine Pumpe mit 3,1 kW Leistung) sowie zum Mischen und Belüften des Wassers (zwei Belüfter mit 0,75 kW Leistung). Der Energieverbrauch der elektrischen Pumpen und Belüfter betrug 16 221 kWh 2007 und 16 997 kWh 2008. Wenn es möglich ist, das zu behandelnde Ablaufwasser im freien Gefälle dem künstlichen Feuchtgebiet zuzuführen, kann die Energie für das Pumpen entfallen. Der 3 spezifische Energieverbrauch für das zu behandelnde Ablaufwasser betrug 0,257 kWh/m 2007 und 3 0,273 kWh/m 2008. Etwa 48 l Brennstoff oder 487 kWh wurden für die Ernte und den Transport der Biomasse benötigt. 2007 2008 Der Brennwert der geernteten kWh MJ kWh MJ Biomasse betrug 81 728 MJ (entsprechend 22 702 kWh) im Jahr Elektrischer Stromverbrauch 16 221 58 396 16 997 61 189 2007 und 359 207 MJ (entsprechend davon: Pumpen des Zulaufwassers 10 714 38 570 9 077 32 677 99 780 kWh) 2008. Die Energiebilanz davon: Belüftung 5 508 19 829 7,920 28 512 für das experimentelle System weist Treibstoffverbrauch 487 1 754 487 1 754 einen um 6 000 kWh höheren Ertrag als den Energieverbrauch im Jahr Effektiver Brennwert der Pflanzen 22 702 81 728 99 780 359 207 2007 auf. 2008 wurde sogar ein Bilanz 5 994 21 578 82 296 296 263 Überschuss von 82 296 kWh erzielt Tabelle 8: Energiebilanz des Moduls (siehe Tabelle 8). In dem System zur Behandlung des Ablaufwassers wurden Energiepflanzen als wertvolle Nebenprodukte angebaut, die als erneuerbare Energiequelle genutzt werden können. Die Pflanzen in den Makrophytenteichen wurden im Dezember 2007 geerntet, das absolute Gewicht der Biomasse betrug 8 320 kg. Die produzierte Pflanzenbiomasse wurde 2008 auf 40 900 kg geschätzt. Der Rohrkolben zeigte den höchsten Zuwachs, während die Weiden die geringste Wachstumsrate aufwiesen. In den Teichen mit Pfahlrohr und Weiden breitete sich angeflogener Rohrkolben aus und unterdrückte die Entwicklung der anderen Pflanzenarten. Schilf hatte den höchsten Brennwert von im Mittel 11 372 J/g; Weiden wiesen einen Wert von 9 699 J/g auf. Rohrkolben und Pfahlrohr wiesen vergleichsweise geringe Brennwerte von 9 214 J/g bzw. 8 611 J/g auf. Während der Jahreszeiten Herbst, Winter und Frühling verdoppelte sich der Brennwert für Schilf nahezu und nahm für Rohrkolben um 45% zu, da der Wassergehalt abnahm. Die Ergebnisse zeigen, dass zwischen März und April die beste Zeit für die Ernte der Feuchtgebietspflanzen ist, da dann der Wassergehalt am geringsten und der Brennwert vergleichsweise hoch ist. Arbeitsproduktivität Bepflanzung, der tägliche Betrieb, die Ernte der Pflanzen und das Abfischen benötigte etwa 64, 176, 216 bzw. 32 Arbeitsstunden. Der gesamte Arbeitsaufwand für die Behandlung des Ablaufwassers betrug 488 Stunden, entsprechend 0,00778 Arbeitsstunden/m³ zu behandelndes Wasser.

29/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Ungarn

6.1.4. Erfolgsfaktoren und Einschränkungen Die Anlage zur Behandlung des Ablaufwassers aus der Produktion afrikanischer Welse zeigte signifikante positive umweltrelevante und wirtschaftliche Ergebnisse: •

Nährstoffrückgewinnung und -rückhalt: Durch die Anwendung des untersuchten Aufbereitungssystems konnte die Menge der emittierten Nährstoffe aus der intensiven Aquakultur um 1 300 kg N/ha, 130 kg P/ha und 7 500 kg CSB/ha während der Betriebsperiode vom Februar bis November 2008 reduziert werden.



Fischproduktion: In den Fischteichen konnten im Mittel 1 458 kg/ha an Fischbiomasse mit Hilfe der Naturnahrung produziert werden.



Produktion von Biomasse: 40 900 kg Pflanzenbiomasse wurden produziert, die als mögliche erneuerbare Energiequelle genutzt werden können. Die Biomasse könnte die Verbrennung fossilen Gases ersetzen und so jährlich die Emission von 11 250 kg CO2 vermeiden.



Positive Energiebilanz: Während des Betriebs des künstlichen Feuchtgebietes wurde weniger Energie verbraucht als mit der Pflanzenbiomasse produziert werden konnte.



Die Entfernung von Nährstoffen aus dem Ablaufwasser der Fischzucht führte zu einer Reduktion der Abwassergebühren und entlastet die Umwelt.



Geringere Kosten als bei herkömmlichen Wasseraufbereitungsanlagen.



Produktion vermarktbarer Beiprodukte erzeugt ein zusätzliches Einkommen.

Die Anwendung der Aufbereitungsmethode unterliegt jedoch einigen Einschränkungen: •

Die klimatischen Bedingungen in Mittel- und Osteuropa beschränken den kontinuierlichen Betrieb künstlicher Feuchtgebiete im Winter. Bei niedrigen Temperaturen (unter 15°C) wird empfohlen die Belastung im Zulauf durch Verringerung der Konzentrationen (Filtern der suspendierten Feststoffe) oder des Volumens (durch Speicherung) zu verringern.



Das Überstauen in den künstlichen Feuchtgebieten bei kontinuierlicher Wasserzugabe sichert günstige Bedingungen für Schilf und Rohrkolben. Die offene Wasserfläche und die relativ geringe Bodenschicht sind jedoch nicht optimal für das Wachstum von Weiden und Pfahlrohr. Feuchte, tiefgründige und fruchtbare Böden bietet bevorzugte Bedingungen für die Produktion dieser Arten.



Die Anlage und der erfolgreiche Betrieb erfordert eine detaillierte Planung und eine kontinuierliche Kontrolle der Wasserqualität in den Feuchtgebieten und des Sauerstoffgehaltes in den Fischteichen, da eine zu hohe Belastung schwerwiegende Störungen des natürlichen Gleichgewichtes in den Teichen als künstlichen Ökosystemen auslösen kann.

6.1.5. Vorteile der Anwendung Die Umweltgesetzgebung zwingt die Fischzüchter, Nährstoffaustrag und Gewässerbelastungen zu minimieren und nachhaltige Reinigungsmethoden zu verwenden. Die kombinierten künstlichen Feuchtgebiete, wie hier vorgestellt, bieten eine angemessene Wasseraufbereitungsmethode, die in der Lage ist, die Umweltstandards einzuhalten. Die Kosten für Anlage und Betrieb sind geringer als bei konventionellen Aufbereitungstechnologien. Die Berechnung auf Grundlage der Daten zur Wasserqualität in dem Experiment führt zu einer Reduzierung der Abwassergebühren von 34 500 € (9,7 Mio. HUF) für die Welsfarm. Die Fischteiche sind außerdem für eine zusätzliche Fischproduktion geeignet, z. B. für die Zucht von Zierfischen oder Arten, die die Naturnahrung nutzen und so die sonst verschwendeten Nährstoffe nutzen können. Ein zusätzliches Einkommen von 15 000 € (4,3 Mio. HUF) durch Rohrkolben und die Fischproduktion kann so erzielt werden, während die gesamten Kosten des Betriebs unter 17 000 € (4,6 Mio. HUF) liegen. Natürliche Behandlungsmethoden erfordern zwar nur eine geringe Menge nicht-erneuerbarer Energie, benötigen jedoch eine große Landfläche. Auf der Grundlage der Ergebnisse der beiden Jahre der Experimente und unter Berücksichtigung der klimatischen und ökonomischen Bedingungen kann ein künstliches Feuchtgebiet von 12 ha Fläche das Ablaufwasser einer Fischzucht mit 300 t afrikanischen Welsen pro Jahr vollständig reinigen.

30/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Ungarn

6.2. Von der Fallstudie zu einer Fischzucht: Wie kann das Ablaufwasser einer Welsfarm behandelt werden? 6.2.1. Beschreibung der intensiven Zuchtanlage Die Ergebnisse der Fallstudie werden extrapoliert zu einer bestehenden Durchflussanlage mit einer Produktionskapazität von jährlich 300 Tonnen. Der afrikanische Wels (Clarias gariepinus) wird intensiv in Außenbecken mit geothermalem Wasser produziert. Das gesamte Wasservolumen in den Tanks beträgt 1 200 m³ auf einer Fläche von 3 690 m³. Der mittlere Futterquotient für marktfertige Fische beträgt 1,2 kg Futter je kg Fisch. Bei der Produktion von 1 t afrikanischem Wels werden 24 kg Stickstoff (N) und 3,9 kg Phosphor (P) in Fischbiomasse umgesetzt, sowie 52 kg N und 9,8 kg P mit dem Ablaufwasser emittiert. Das gebrauchte Wasser wird in einen Altarm eingeleitet, wo die Nährstoffe zur Eutrophierung und Beeinträchtigung des natürlichen Ökosystems führen. Den umweltrechtlichen Regelungen entsprechend wird zudem eine Abwassergebühr auf der Grundlage der Netto-Nährstoffmenge erhoben. Die Betreiber der Anlage sind verpflichtet, eine nachhaltige Aufbereitungstechnologie anzuwenden.

6.2.2. Reinigungsprozesse von künstlichen Feuchtgebieten In Feuchtgebieten werden bestimmte Belastungen durch natürliche Prozesse reduziert. Künstliche Feuchtgebiete sind eine nachhaltige Technologie, weil: •

Sie effektiv Nährstoffe zurückhalten bzw. reduzieren



Nur geringe Mengen fossiler Energie und Chemikalien notwendig sind;



Die Bau-, Betriebs- und Wartungskosten für die Anlage geringer sind als für konventionelle Wasserreinigungssysteme;



Sie sich gut in die natürliche Umwelt einfügen und ihr ästhetischer Wert zu einer höheren Akzeptanz in der Gesellschaft führt;



Die Anlage von Feuchtgebietshabitaten hilft, seltene Feuchtgebietsarten zu erhalten und so einen Beitrag zur Artenvielfalt leistet.

Mit der Kombination verschiedener Feuchtgebietstypen, wie dem Makrophytenteich kann die Effizienz der Nährstoffreduktion erhöht entsprechender Pflanzen- und Fischarten können die Nährstoffe umgewandelt werden. Bei der Anlage von künstlichen Feuchtgebieten Faktoren wesentlich:

Schönungsteich, Fischteich und werden. Durch die Verwendung in vermarktbare Nebenprodukte ist die Berücksichtigung folgender



Die Verfügbarkeit der Fläche ist Voraussetzung (großer Flächenbedarf) und



Die klimatischen Bedingungen beeinflussen die Reinigungsleistung.

6.2.3. Parameter für die Planung Charakterisierung des zu reinigenden Wassers Das Ablaufwasser der Welsfarm ist durch einen hohen Anteil an gelösten Salzen gekennzeichnet, die aus dem geothermalen Wasser stammen, sowie durch einen hohen chemischen Sauerstoffbedarf (CSB). Der absolute Stickstoffgehalt setzt sich aus etwa 60% Ammonium und 40% organischem Stichstoff zusammen; andere Stickstoffformen kommen nur in vernachlässigbaren Mengen vor. Der gesamte Phosphorgehalt enthält nahezu 50% Orthophosphat, während volatile Schwebstoffe 90% der gesamten Schwebstoffmenge ausmachen. Auf der Basis der mittleren Konzentrationen beträgt der mittlere jährliche Stickstoffaustrag 13 t, die Phosphormenge macht 1,3 t aus, CSB 87 t (siehe Tabelle 9).

Parameter

AAblauf

STD

mg/l

Fracht kg/Tag

Summe gelöster Salze

714

62.5

857

Chemischer Sauerstoffbedarf

200

89.0

239

Ammonium-N

18.7

5.84

22.4

Gesamt organischer N

11.6

11.8

13.9

Gesamt-N

29.7

11.4

35.6

Orthophosphat-P

1.37

1.07

1.64

Gesamt-P

2.90

0.92

3.48

Volatile Schwebstoffe (VSS)

114

57.6

137

Tabelle 9: Mittlere Werte der wasserchemischen Parameter und die berechnete tägliche Fracht des Ablaufwassers (n=38) (STD: Standardabweichung)

Nährstoffretention Auf der Grundlage eines Experimentes zur temperaturabhängigen Befrachtung im Jahr 2008 wurde die Retentionskapazität in 5 °C-Intervallen berechnet. Die Stickstoffentfernung zeigt die höchste Sensitivität, aber auch die Verringerung des CSB war bei höheren Temperaturen stärker. Der Rückhalt von P und die Entfernung volatiler Schwebstoffe waren nur im obersten Temperaturbereich deutlich effizienter (siehe 31/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Ungarn Tabelle 10). Für die Planung des Systems wurde von der geringsten Reduktionskapazität TemperaturN P VSS CSB ausgegangen. Es wird empfohlen, die intervall des verschiedenen Feuchtgebietstypen mit parallelen kg/ha/Tag Wassers Einheiten anzulegen, so dass je nach Bedarf 10-15 ºC 2.96 0.36 19.48 18.99 Feuchtgebiete zu- und abgeschaltet werden können. 15-20 ºC 5.71 0.37 18.68 30.92 Die Möglichkeit, zusätzliches Frischwasser während 20-25 ºC 7.41 0.75 37.66 44.46 des Betriebes hinzuzufügen, vor allem zur Tabelle 10: Spezifische Reduktionsraten für die künstlichen Stabilisierung der Fischteiche, ist ein wichtiges Feuchtgebiete bei unterschiedlichen Systemen Prinzip für den Reinigungsprozess. Das Kanalsystem zum Bespannen und Entleeren der Teiche sollte so geplant und gebaut werden, dass die einzelnen Teiche unabhängig voneinander gefüllt und abgelassen werden können, wenn dieses notwendig ist. Reduktion

Fischbesatz In den Fischteichen wurde eine Karpfenpolykultur ausgewählt, um einen bestimmten Anteil der ungenutzten Nährstoffe direkt durch die Fische oder über das Nahrungsnetz der Teiche nutzen zu können. Der Karpfen wühlt als Grundfisch das Sediment auf, wodurch die Nährstoffe und das organische Material in das freie Wasser gelangen, wo sie die Primärproduktion ankurbeln und die verfügbare Futtermenge für Filtrierer erhöhen. Der Silberkarpfen toleriert höhere Dichten und kann einen großen Anteil vom Phyto- und Zooplankton konsumieren. Es wurde beobachtet, dass der Silberkarpfen die Futterreste vom Ablauf der Fischzucht herausfiltern konnte. Der Graskarpfen als Pflanzenfresser wurde zur Kontrolle des Wachstums der Wasserlinse in den Teichen eingesetzt. In einem eutrophen bzw. hypertrophen Teich wachsen verschiedenen Arten der Wasserlinse. In kleinen Teichen können sie die gesamte Wasseroberfläche bedecken und so die Primärproduktion der Algen vermindern. Darüber hinaus kann der Besatz mit jungen Karpfen ein abundantes Wachstum des Zooplanktons vermeiden. Verschiedene Besatzdichten wurden im Laufe der Experimente getestet. Die höchsten Nettoerträge sowohl für Karpfen als auch für Silberkarpfen wurde bei Besatzdichten von insgesamt 1 000 kg/ha und einer Zusammensetzung von 35%:50%:15% (ergänzt mit Graskarpfen) erzielt. Das Gewicht der zum Besatz verwendeten Fische bzw. entsprechend ihr Alter beeinflusst die Erträge, da bei einjährigem Fisch ein schnelleres Wachstum als bei größeren Fischen angenommen werden kann. Zweijährige Karpfen können jedoch das Sediment effizienter umwühlen.

6.2.4. Kritische Faktoren für den Betrieb Klimatische Bedingungen: Die natürliche Reinigung des Wassers funktioniert angemessen bei Wassertemperaturen von 15 bis 30 °C, entsprechend von April bis Oktober in Mittel- und Osteuropa. Die Fischproduktion erfolgt jedoch kontinuierlich über das ganze Jahr. Im Winter ist eine reduzierte Nährstoffreduktion (v.a. Stickstoff) charakteristisch für überstaute künstliche Feuchtgebiete. Deshalb sinkt die Möglichkeit der Befrachtung der künstlichen Feuchtgebiete bei geringeren Temperaturen und eine größere Fläche wird für die Nährstoffreduktion benötigt. Die mechanische Filtration kann ebenso die Nährstofffracht der gelösten Verbindungen reduzieren Fischbesatz: In Teichökosystemen benötigen die eingesetzten Arten und die natürlich vorkommenden Organismen entsprechende Bewirtschaftungsmaßnahmen. Fische sind sehr empfindlich gegenüber geringen Sauerstoffkonzentrationen (0.3-0.4 mg/l). Wenn die Sonneneinstrahlung permanent durch wolkiges, regnerisches Wetter reduziert ist, kann die photosyntetische Sauerstoffproduktion reduziert sein und dadurch auch der im Wasser gelöste Sauerstoff verringert sein. Höhere Ammoniakkonzentrationen können durch eine Überlastung der Teiche verursacht sein, vor allem bei niedrigen Temperaturen und wenn die Aktivität der nitrifizierenden Bakterien unterdrückt ist. Unterhalb der benötigten gelösten O2-Konzentration wurde das Defizit durch Belüftung oder Frischwasser ausgeglichen. Belüftung und die Zugabe von Frischwasser ermöglicht auch die Reduzierung des nicht-ionisierten Ammoniaks. Regelmäßige (tägliche) Überwachung der O2 und Ammoniak-Konzentrationen und die Berücksichtigung der Wetterbedingungen können eine fatale Verschlechterung der Wasserqualität vermeiden. Algenblüten: Zu Beginn der Vegetationsperiode kann ein übermäßiges Wachstum des Zooplanktons auftreten. Das Zooplankton filtert Schwebstoffe und Phytoplankton aus und produziert dabei selbst eine bemerkenswerte Biomasse. Durch die Zunahme des Planktons kann es jedoch auch zur Abnahme der Sauerstoffkonzentration im Wasser kommen. Um eine ungünstige Entwicklung des Zooplanktons zu vermeiden, kann durch den Besatz mit Jungfischen oder durch Filtration die Biomasse des Zooplanktons vermindert werden. Blaualgenblüten wurden in den zur Behandlung des Ablaufwassers genutzten Teichen nicht beobachtet. 32/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Ungarn Wasserlinse: In stehenden Gewässern können unterschiedliche Arten der Wasserlinse auftreten und unter optimalen Bedingungen zu einer übermäßigen Vermehrung kommen. Wenn die Wasserlinse die gesamte Teichfläche bedeckt, wird die Entwicklung des Phytoplanktons behindert, was im Wasser zu anaeroben Bedingungen führen kann. Da für die Behandlung des Ablaufwassers aerobe Bedingungen angestrebt werden, wird empfohlen, die Wasserlinse von allen Teichen zu entfernen. Die beste Lösung für die Kontrolle der Wasserlinse ist in Fischteichen der Besatz mit Graskarpfen, der die Wasserlinse frisst und so in Fischbiomasse umwandelt. In den Makrophytenteichen wird die manuelle Entfernung der Wasserlinse ebenfalls empfohlen, um den Anteil der offenen Wasserfläche zu erhöhen. Anreicherung: Eine mäßige Anreicherung mit Schlamm wurde im Einlaufbereich der zu behandelnden Ablaufwässer in den Schönungsteichen nach längerem Betrieb (15-20 Jahre) beobachtet. Dieser Schlamm muss dann entfernt werden.

6.2.5. Gestaltung des vorgeschlagenen künstlichen Feuchtgebietes Auf der Grundlage der vorhandenen Ergebnisse und der berechneten täglichen Frachten, die von einer Fischzucht mit einer jährlichen Kapazität von 300 t emittiert werden, wird ein künstliches Feuchtgebiet von 12 ha Fläche empfohlen. Die Größe und Struktur des Systems ist dafür ausgelegt, eine zuverlässige Behandlung auch im Winter sicherzustellen und die Qualität des ablaufenden Wassers zu verbessern. Die Anlage mehrerer paralleler Teiche erhöht die Flexibilität des Systems, da im Winter eine größere Fläche als im Sommer zur Behandlung benötigt wird, um die Grenzwerte Fischzucht einzuhalten (siehe Abb. 5). Die Untersuchung des Anteils der verschiedenen Feuchtgebietstypen an der Entfernung der Nährstoffe ergibt ein empfohlenes Verhältnis von Schönungsteich zu SchönungsSchönungsSchönungsteich teich teich Fischteich zu Makrophytenteich von 3,5 : 2 : 1. Das 2.2 ha 2.2 ha 2.2 ha vorgeschlagene künstliche Feuchtgebiet besteht deshalb aus: •

Drei Schönungsteichen mit je 2.2 ha,



Einem Fischteich mit 3.7 ha und

Tiefe 1.2 m

Tiefe 1.2 m

Tiefe 1.2 m

Fischteich

3.7 ha • Einem Makrophytenteich mit 1.8 ha. Tiefe 1.2 m Der Besatz mit Karpfen in Polykultur wird für den Fischteich empfohlen. Es wird ein Besatzverhältnis von 35% Karpfen (2 Macrophytenteich sömmrig), 50% Silberkarpfen (einsömmrig) und 15% 1.8 ha Graskarpfen mit einer Dichte von 1 000 kg/ha und 50-300 g Tiefe 0.5 m Gewicht je Fisch. Andere Karpfenarten, etwa Zierfische, können ebenfalls mit der gleichen Besatzdichte verwendet Abb. 5: Vorgeschlagene Struktur des werden. künstlichen Feuchtgebietes zur Behandlung des Zu Beginn des Betriebs werden die Teiche mit Flusswasser Ablaufwassers einer Fischzucht zur Produktion gefüllt (kein verschmutztes Oberflächenwasser oder von 300 t afrikanischen Welsen pro Jahr. Grundwasser). Werden parallel Schönungsteiche verwendet, kann die Trockenlegung und die Bespannung alternativ gehandhabt werden. Entsprechend unserer Annahmen wird einer der drei Schönungsteich während der warmen Monate (von April bis September) nicht in Betrieb sein. Die Bespannung dieses Teiches kann vor oder gleichzeitig mit der Trockenlegung und Bespannung der anderen Schönungsteiche erfolgen. Während des Trockenlegens und der Bespannung eines Schönungsteiches kann die Behandlung des Ablaufwassers in den bereits bespannten Teichen erfolgen. Der Fischteich wird Ende Oktober oder Anfang November abgefischt. Nach dem Abfischen kann wieder Wasser aus dem Schönungsteich in den Fischteich eingeleitet werden. Es wird empfohlen, die Pflanzen im frühen Frühjahr (im März) zu ernten, wenn der Wassergehalt in den oberirdischen Pflanzenteilen am geringsten ist. Es ist sinnvoll, während der Ernte den Wasserspiegel in den Makrophytenteichen zu reduzieren. Es wird angenommen, dass dieses Feuchtgebiet innerhalb eines Jahresungefähr 1 000 - 1 100 kg Phosphor, 7 000 - 8 000 kg anorganischen Stickstoff, und 70 000 - 80 000 kg CSB von dem Ablaufwasser entfernt: Ausgehend von den mittleren Werten der Wasserqualität der Experimente kann die Abwasserabgabe der Welszucht um 34 543 € reduziert werden. Zusätzliche Einnahmen stammen von der Fischproduktion in dem Fischteich und der Produktion von Rohrkolben in den Makrophytenteichen, der als zur Bereitstellung von Bioenergie genutzt werden kann. Entsprechend unserer Berechnung zahlt sich die Investition nach acht Jahren aus. Der Wert des Investition beträgt nach 15 Jahren 102 175 € bei einer jährlichen Abzinsung von 5%. Weitere Berechnungen finden sich in Tabelle 11 auf der nächsten Seite. In der Kosten-Nutzen-Analyse wird angenommen, dass der Energie- und Treibstoffpreis sowie der Marktpreis für Rohrkolben jährlich um 6% steigen. Die Zunahme der Arbeitslöhne wird mit jährlich 3% angenommen, während Preissteigerungen für Fisch und Jungfische mit jährlich 2% berechnet sind.

33/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Ungarn 2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

2022

2023

2024

228 571

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

Kosten für Jungfische

0

4 029

4 109

4 191

4 275

4 361

4 448

4 537

4 628

4 720

4 815

4 911

5 009

5 109

5 211

5 316

Treibstoffkosten (250 l/Jahr)

89

268

284

301

319

338

358

380

403

427

453

480

508

539

571

606

Elektrizitätskosten (35,040 kWh/ Jahr)

0

4 505

4 775

5 062

5 366

5 688

6 029

6 391

6 774

7 181

7 611

8 068

8 552

9 065

9 609

10 186

1 429

7 500

7 725

7 957

8 195

8 441

8 695

8 955

9 224

9 501

9 786

10 079

10 382

10 693

11 014

11 344

Einnahmen durch (2.9 EUR/GJ)

0

3 082

3 267

3 463

3 671

3 891

4 125

4 372

4 634

4 912

5 207

5 520

5 851

6 202

6 574

6 968

Einnahmen durch die Fischproduktion

0

11 986

12 225

12 470

12 719

12 974

13 233

13 498

13 768

14 043

14 324

14 611

14 903

15 201

15 505

15 815

Vermiedene Abwassergebühren

0

34 543

34 543

34 543

34 543

34 543

34 543

34 543

34 543

34 543

34 543

34 543

34 543

34 543

34 543

34 543

Ergebnis

-230 089

33 309

33 142

32 965

32 778

32 580

32 371

32 150

31 917

31 670

31 410

31 135

30 845

30 539

30 216

29 875

Abgezinstes Ergebnis (r=5%)

-230 089

31 723

30 061

28 476

26 966

25 527

24 156

22 848

21 602

20 415

19 283

18 204

17 176

16 195

15 261

14 370

Aktueller Wert

-230 089 -198 366

-168 306

-139 829

-112 863

-87 336

-63 180

-40 332

-18 729

1 686

20 969

39 173

56 348

72 544

87 805

102 175

Anlagekosten (Fläche, Teiche, Pumpen, Belüfter)

Arbeitskosten (2,800 Stunden/Jahr)

Tabelle 11: Kosten-Nutzen-Rechnung des vorgeschlagenen 12 Hektar großen künstlichen Feuchtgebietes (in Tausend HUF, 1 EURO=275 HUF)

34/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Ungarn

6.3. Kombination von intensiver und extensiver Fischzucht für die nachhaltige Nutzung von Wasser und Nährstoffen (Teich-in-Teich-System) 6.3.1. Allgemeine Beschreibung Mit der Entwicklung einer umweltfreundlichen Fischproduktion erscheint es, eine naheliegende Lösung zu sein, intensive Aquakultur in Fischteiche zu integrieren. Das Prinzip dieser Methode ist, das Ablaufwasser, das mit organischen und anorganischen Nährstoffen der intensiven Fischzucht befrachtet ist, in einem extensiven Teich zu behandeln. Dort kann ein Teil der Nährstoffe durch unterschiedliche biologische Produktionsprozesse genutzt werden, während der andere Teil sedimentiert. Das behandelte oder gereinigte Wasser wird in den intensiven Teil des Fischteiches zurückgeführt. Die Anwendung solch eines kombinierten Produktionssystems trägt zur ökologischen Nachhaltigkeit und zur Produktion von vermarktbarem Fisch bei. Die Verwendung von Periphyton in der Aquakultur ist eine Technologie für die Steigerung der natürlichen Nahrungsproduktion im Teich und deren Nutzung für die Fischproduktion. Die bessere Ausnutzung der Nährstoffe in Aquakultursystemen zielt auf eine verringerte Belastung der natürlichen Gewässer ab. Die Aquakulturproduktion ist höher in Teichen, die mit Periphytonsubstraten ausgestattet sind als ohne diese. Die zusätzliche Primärproduktion und die benthische Sekundärproduktion der daran gebundenen Lebensgemeinschaften bilden durch die künstlichen Oberflächen ein neues Nahrungsnetz, von dem Teile in der Fischbiomasse enden. Die Beweidung einer zweidimensionalen Periphytonschicht ist mechanisch effizienter als das Filtrieren von Algen in einer dreidimensionalen planktischen Umwelt. Könnten die Algen im Teich auf festen Oberflächen gezüchtet werden und könnten diese von mehr Fischarten genutzt werden, so führte dies zu einer höheren Ausnutzung der Primärproduktion. Die Anwendung von Periphyton in einem extensiven, für die Behandlung von Ablaufwasser errichteten Teich, kann die Reinigungskapazität des Teiches dementsprechend erhöhen. Das übergeordnete Ziel dieser Fallstudie zur Kombination von intensiver und extensiver Aquakultur ist es, traditionellen Karpfenzüchtern zu helfen, ihr Wasser durch die Produktion wertvoller Fischarten in ihren Speicherbecken oder extensiv genutzten Teichen effektiver zu nutzen, ihre Produktion zu diversifizieren und die ökologische Leistung der Fischproduktion zu erhöhen. Das Prinzip der Forschung in diesem Modul basiert auf der Verbindung zwischen intensiven und extensiven Produktionsmethoden und unterschiedlichen Arten, die verschiedene ökologische Nischen im Nahrungsnetz besetzen, innerhalb eines integrierten Systems, so dass bislang ungenutzte Nährstoffe recycelt werden können. Dies führt zu einer höheren Nährstoffnutzung und zu reduzierten Emissionen. Zur gleichen Zeit wird mehr Fischbiomasse je verwendetem Liter Wasser produziert. Der Zweck dieser Untersuchung war es, eine neue Methode zur Produktion von Raubfischen in Teichsystemen zu entwickeln und die Nährstoffnutzung zu erhöhen. Die Ziele der Innovation waren: 1. 2. 3.

Steigerung der Produktionskapazität; Diversifizierung der gezüchteten Arten und Recycling der Nährstoffe innerhalb des Produktionssystems.

Mit diesen Zielen lag der Schwerpunkt der Forschung auf: •

Bewertung der möglichen Wiedernutzung von Nährstoffen in kombinierten Aquakultursystemen



Erforschung unterschiedlicher biotechnologischer Elemente (z. B. Anwendung von Periphyton, Besatz mit Muscheln) auf die zusätzliche Fischproduktion und die Wasserqualität



Bewertung der Nährstoffbilanz des experimentellen Systems

6.3.2. Grundprinzipien des Moduls Die Experimente wurden in drei Teichen durchgeführt (Fläche 310 m², Tiefe jeweils 1 m). Diese Teiche wurden als extensive Teilflächen genutzt, während darin in jedem Teich ein Netzkäfig als intensive Teilfläche integriert war (Volumen 10 m³) (siehe Abb. 6). Die Teiche wurden mit unbehandeltem Wasser aus einem Fluss eine Woche vor dem Besatz mit Fischen bespannt. Wasserverluste wurden regelmäßig durch zusätzliches Flusswasser ausgeglichen. Ein Schaufelradbelüfter (0,5 kW) wurde in jedem Teich installiert, um eine ausreichende Sauerstoffversorgung sicherzustellen und eine Wasserzirkulation innerhalb des intensiven und extensiven Teils zu erzwingen. Medikamente und Chemikalien wurden während des ganzen Experimentes nicht verwendet.

35/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Ungarn Wasserzufuhr

Ausschließlich Fischbesatz

Wasseraufbereitung

Wasseraufbereitung

300 m2

300 m

2

Periphyton Fischbesatz

Versuchsvariante I. (IES/1)

Periphyton Fischbesatz + Muscheln (2007)

Versuchsvariante II. (IES/2)

: Schaufelradbelüfter

Intensiver Teil

2

Intensiver Teil

300 m

Intensiver Teil

Wasseraufbereitung

Versuchsvariante III. (IES/3)

: Richtung der Wasserzirkulation

Abb. 6: Schema der Versuchsanordnung

Alle Teiche wurden bezüglich der Fütterung und dem Fischbesatz gleich behandelt. Als Futter wurden Pellets (45% Rohprotein, C:N-Verhältnis 6) täglich über Fütterungsautomaten im intensiven Teil verabreicht, während in dem extensiven Teil nicht gefüttert wurde. Die Gestaltung der extensiven Teiche war der einzige Unterschied zwischen diesen Systemen, in denen der Einfluss des Periphytons und des Muschelbesatzes auf die Wasserqualität, die Fischerträge und die Nährstoffnutzung getestet wurden. Die durchschnittliche Futtermenge betrug 0,5 g N/m²/d im Jahr 2007 und 1,2 g N/m²/d 2008 (siehe Tabelle 12). Die einzige Nährstoffquelle des Systems war das Fischfutter, das in dem intensiven Teil verwendet wurde. Die zusätzliche Oberfläche für die Entwicklung des Periphytons entsprach 0, 100 und 200% der Teichfläche (entsprechend 0, 1 und 2 m² Periphytonfläche je m² Teichfläche) (siehe Tabelle 13). Stickstoff

Phosphor

Organischer Kohlenstoff

Mittel

Maximum

Mittel

Maximum

Mittel

2007

0.51

0.72

0.08

0.12

3.1

Maximum 4.4

2008

1.2

1.8

0.19

0.28

7.3

10.6

Tabelle 12: Tägliche Futtermenge des Teich-in-Teich-Moduls IES/1

IES/2

Mittlere Futtermenge 2 0.5 g N/m /Tag (2007)

Kein Periphyton

P 1 m /m

Mittlere Futtermenge 2 1.2 g N/m /Tag (2008)

Kein Periphyton

P 1 m /m

IES/3

2

2

2

2

2

2

P 1 m /m + Besatz mit Muscheln 2

P 2 m /m

2

P: zusätzliche Periphytonoberfläche

Tabelle 13: Versuchsanordnung

Betrieb des Systems im Jahr 2007 In den intensiven Teilen wurde europäischer Wels (Silurus glanis L.) gezüchtet und mit Pellets gefüttert. Der anfängliche Fischbesatz betrug 100 kg (10 kg/m³), während in den extensiven Teilen Karpfen (Cyprinus carpio L.) und Nilbuntbarsch (Oreochromis niloticus L.) mit einer Besatzdichte von 60 kg (Besatzverhältnis 1:1) ohne Futtergabe gezüchtet wurde. In dem dritten Teich wurden zusätzlich Süßwassermuscheln (Schwanenmuscheln, Anodonta cygnea L.) eingesetzt mit einer Dichte von 1 Muschel je m² (Größe 109±69 g/Tier). Die Muscheln wurden in Kunststoffnetzen 10 cm über dem Teichboden aufgehängt. 10 Muscheln wurden in jedem Beutel platziert und insgesamt wurden 30 Beutel ausgebracht. In zwei Teichen (IES/2 und IES/3) wurde die Produktivität des extensiven Teils durch die Entwicklung von Periphyton auf künstlichen Oberflächen verbessert, während in der Kontrolle (IES/1) keine zusätzlichen Oberflächen eingebracht wurden. Als Substrat wurden Weidenzweige verwendet. Die Oberfläche der Weide besaß etwa 300 m² je Teich, entsprechend der ungefähren Teichoberfläche des gesamten Teiches. Die Oberfläche der Zweige nahm jedoch kontinuierlich während des Betriebes ab und betrug zum Ende der Saison nur noch ungefähr 70 m². Das experimentelle System war über 22 Wochen vom 10. Mai bis zum 11. Oktober 2007 in Betrieb. 36/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Ungarn Betrieb des Systems im Jahr 2008 Im zweiten Betriebsjahr wurde die Besatzdichte des intensiven Teils auf 20 kg/m³ verdoppelt im Vergleich zu 2007, und damit auch die mittlere Futtermenge auf 1,2 g N/m²/da erhöht. Für den sichereren Betrieb wurde der intensive Teil mit afrikanischem Wels (Clarias gariepinus L.) als Modellfisch bestockt, der robuster als der europäische Wels (Silurus glanis L.) ist. Das Experiment des Teiches IES/3 wurde 2008 geändert, indem kein Besatz mit Muscheln vorgenommen wurde, dafür aber die künstliche Oberfläche auf 600 m² erhöht wurde (2 m² zusätzliche Oberfläche je m² Teichoberfläche). Der Grund für den Verzicht auf die Muscheln war die hohe Mortalität der Muscheln im ersten Jahr, weshalb die Nährstoffanreicherung in den Muscheln nicht so hoch wie erwartet ausfiel. Zusätzlich traten in dem Teich Probleme mit Parasiten auf, die eine hohe Mortalität bei den Fischen im intensiven Teil zur Folge hatte. Im zweiten Jahr des Experiments wurden auch künstliche Kunststoffoberflächen statt der IES/1 IES/2 IES/3 Weidenzweige verwendet, da deren Oberfläche 2007 Intensiver Teil 3 173 5 747 2 747 über die Zeit konstant bleibt. Der Betrieb dauerte Extensiver Teil 3 619 2 078 4 044 16 Wochen an, vom 21. Mai bis zum 10. September 2008. Gesamtsystem 6 792 7 825 7 083 In beiden Jahren war der Nettofischertrag des 2008 Intensiver Teil 13 221 12 788 12 811 gesamten Systems (intensiver und extensiver Teil Extensiver Teil 2 789 5 048 2 718 zusammen) am höchsten in den Teichen, in Gesamtsystem 16 010 17 837 15 529 denen die Periphyton-Fläche 100% der Teichoberfläche betrug (siehe Tabelle 14). Tabelle 14: Nettofischertrag in IES (kg/ha)

6.3.3. Bewertung des Moduls anhand der SustainAqua-Nachhaltigkeitsindikatoren Energieeffizienz Es wurde nur elektrische Energie zum Mischen und Belüften des Wassers mit Hilfe eines Schaufelradbelüfters (Leistung 0,5 kW) während des Betriebs verwendet. Der elektrische Energieverbrauch dominierte den Gesamtenergieverbrauch, bei dem der Treibstoffverbrauch lediglich 2-3% ausmacht. Der tägliche Energiebedarf betrug 12,2 kWh 2007 und 12,4 kWh in 2008. Der Energieverbrauch für die Fischproduktion ist in Tabelle 15 zusammengefasst. Der spezifische Energieverbrauch war 2007 wesentlich höher als 2008 aufgrund der geringeren Fischerträge im ersten Jahr der Forschung. Die Energieeffizienz wurde durch die zusätzliche Fischproduktion in dem extensiven Teil um 35% im Jahr 2007 und um 21% im zweiten Jahr gesteigert. Wasserzulauf/ Wasserablauf Die Teiche wurden mit Frischwasser von einem nahe gelegenen Arm des Flusses Körös bespannt (siehe Tabelle 16). Die Verdunstung und Versickerung wurden regelmäßig während des Experimentes ausgeglichen. Während des Betriebs wurde kein Ablaufwasser an die Umwelt abgegeben, das Wasser floss lediglich während des Trockenlegens der Teiche zum Abfischen ab.

IES/1

IES/2

IES/3

2007 Energieverbrauch

1857

1857

1857

EV intensiver Teil (kWh/kg)

18,8

10,4

21,6

EV Gesamtsystem (kWh/kg)

8,76

7,61

8,40

2008 Energieverbrauch

1384

1384

1384

EV intensiver Teil (kWh/kg)

3,35

3,47

3,46

EV Gesamtsystem (kWh/kg)

2,76

2,48

2,85

EV: Energieverbrauch für die Fischproduktion (kWh/kg Netto-Fischproduktion)

Tabelle 15: Energieverbrauch des Moduls (kWh)

IES/1 2007

IES/2

IES/3

Wasserzulauf

735

518

848

Wasserablauf

248

242

225

3

WV (m /kg Fisch)

3.5

2.1

3.8

2008 Wasserzulauf

956

890

850

Wasserablauf

245

256

260

3

1,9

1,6

1,8

WV (m /kg Fisch)

WV: Wasserverbrauch für die Fischproduktion (Wasseraufnahme je kg Fisch) 3

Tabelle 16: Wasserbilanz des Moduls (m )

Nährstoffnutzung Die absoluten Nährstoffzufuhren (Fischbesatz, Zulaufwasser, Fischfutter) und Nährstoffausträge (entnommener Fisch, Wasserablauf beim Trockenlegen) sind in Tabelle 17 zusammengefasst. Die Hauptnährstoffquelle war das Fischfutter, das 80 % der Gesamteinträge an Stickstoff ausmachte, 75% des Phosphors und 85% des Kohlenstoffes. Der Nährstoffrückhalt betrug im Jahr 2008 6 300 kg/ha für organischen Kohlenstoff, 1 000 kg/ha für Stickstoff und 180 kg/ha für Phosphor. Die Nährstofffracht war 2008 höher als im vorherigen Jahr. Die zurückgehaltenen Nährstoffe entsprechen im Mittel 65 % bzw. 57 % des Stickstoffs, 66 % und 58 % des Phosphors und 75 % bzw. 64 % des organischen Kohlenstoffes für die Jahre 2007 bzw. 2008. Das kombinierte System konnte 1 400 kg/ha an Stickstoff aus dem Fischfutter verarbeiten. 37/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Ungarn IES/1 2007

2008

N

P

Zufuhr (kg/ha)

930

160

Austrag (kg/ha)

330

55

IES/2 C

N

P

5400

930

150

1200

350

59

IES/3 C

N

P

C

5400

950

160

5500

1600

310

55

1300

Rückhalt (%)

65

65

78

63

67

72

67

65

76

Zufuhr (kg/ha)

1790

310

9700

1800

320

9700

1800

310

9700

Austrag (kg/ha)

760

130

3100

840

140

3900

720

130

3200

Rückhalt (%)

58

60

67

53

55

59

60

60

67

Tabelle 17: Partielle Nährstoffbilanz in den Versuchsteichen

Die Nährstoffnutzung der Fischproduktion in diesem Modul, ausgedrückt in Prozent der mit dem Fischfutter zugeführten Nährstoffe, wird in Tabelle 18 dargestellt. Die kombinierte Fischproduktion führte zu einer höheren Proteinnutzung von 26%. Durch das zusätzliche Periphyton konnte dieses Verhältnis 2008 auf 40 % gesteigert werden. Die gesamte Nährstoffnutzung für die Fischproduktion war in den Teichen mit 100 % zusätzlicher Periphytonfläche in Bezug zur Teichfläche in beiden Jahren am höchsten. Die Nährstoffnutzung in den Teichen mit der höchsten Periphytonfläche war hingegen geringer. Dies zeigt, dass der Anteil von 100% zusätzlicher Periphytonoberfläche ausreichend ist, um die Metaboliten der Futtermenge von 1,8 g N/m²/d zu nutzen. Der mittlere Futterquotient betrug 3,3 (2007) bzw. 1,6 (2008). Mit der kombinierten Produktion konnte der Futterquotient um 51% bzw. 44% (auf 1,6 und 0,9) durch den zusätzlichen Fischertrag des extensiven Teils erhöht werden. PO 0%

2007

2008

PO 100%+M (2007), PO 200% (2008)

PO 100%

N

P

C

N

P

C

N

P

C

Intensiv

8.5

7.8

5.6

17

17

11

6.4

5.6

4.1

Extensiv Gesamt

11 20

13 21

7.8 13

6.5 24

6.9 24

4.2 16

13 19

17 24

9.2 13

Intensiv

23

23

16

22

22

15

22

22

15

Extensiv Gesamt

6.1 29

3.3 26

4.4 20

10 33

8.9 31

7.3 22

5.9 28

3.3 25

4.2 19

PO: Periphytonoberfläche, M: Muscheln

Tabelle 18: Nährstoffakkumulation der Fischbiomasse in Prozent der Futterzufuhr (%)

Aus den Versuchsteichen wurden pro 1 kg Fischbiomasse 2,6-8,3 g Stickstoff, 0,20-0,53 g Phosphor und 9-46 g organischer Kohlenstoff emittiert (siehe Tabelle 19). Ein Effekt der zusätzlichen Periphytonoberfläche und der Futtermenge auf den Nährstoffgehalt des Ablaufwassers konnte nicht gefunden werden. Nur die Stickstoffkonzentration war im Ablauf geringer bei einer auf 200% erhöhten Periphytonoberfläche. IES/1

IES/2

IES/3

N

P

C

N

P

C

N

P

C

2007

8.3

0.48

9.2

5.1

0.48

30

5.1

0.32

25

2008

4.2

0.20

16

5.8

0.53

46

2.6

0.27

20

Tabelle 19: Nährstoffemission der Fischproduktion in den Versuchsteichen (g/kg Netto-Fischertrag)

Bei Betrieb des Wasseraufbereitungssystems kommt, neben der Nährstoffaufnahme durch Algen und dem bakteriellen Abbau, dem Verbrauch der heterotrophen Organismen und den Denitrifikationsprozessen eine wichtige Rolle zu. Schließlich ist die Regulation des Sauerstoffsystems durch die künstliche Belüftung von Bedeutung, um aerobe Bedingungen und damit eine wirksame Nährstoffentfernung während der Wasserbehandlung aufrecht zu erhalten. Das Experiment einer intensiven Fischzucht mit einem extensiven Fischteich im Pilotmaßstab zeigte die Anwendbarkeit eines solchen Systems. Das kombinierte System konnte einen signifikanten Teil der zusätzlichen Nährstoffe von der intensiven Fischzucht verarbeiten. Das Maximum der wiederverwendeten überschüssigen Nährstoffe durch die zusätzliche Fischproduktion entsprach 13% des Stickstoffs, 17% des Phosphors und 9% des organischen Kohlenstoffes. Die Effizienz des extensiven Teils wurde durch das Periphyton verbessert, das sich auf den künstlichen Oberflächen entwickelte, da das Periphyton von einigen Fischen als Nahrung genutzt werden kann. Der Gehalt an Trockenmasse des Periphytons war signifikant höher in den Proben, die an den Stäben mit der zusätzlichen Oberfläche weiter oben gesammelt wurden als Proben, die vom unteren Teil entnommen 38/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Ungarn wurden. Im Vergleich der jährlichen mittleren Mengen der Trockenmasse des Periphytons waren keinen signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Teichen zu finden. Dennoch führte die größere Aufnahme des Periphytons durch die Fische zu einem höheren Fischertrag in den extensiven Teilen. Durch die Kenntnisse der quantitativen und qualitativen Änderungen des Periphytons kann nun detailliertes Wissen über die Funktionsweise des Systems, die Nährstoffkreisläufe und den Energiefluss im aquatischen Ökosystem abgeleitet werden. Daraus ergeben sich Möglichkeiten, die Effizienz des Systems zu erhöhen und dies anwendbar für den Betrieb und die weitere Technologieentwicklung zu machen. Untersuchungen über die Nährstoffbilanz des Systems zeigten, dass eine angemessene Größe des extensiven Fischteiches die Ablaufwässer der intensiven Fischzucht wirksam behandeln kann und die erneute Wassernutzung für eine zusätzliche Fischproduktion möglich macht. Arbeitsproduktivität und ökonomische Nachhaltigkeit 31,3 bzw. 37,3 Arbeitsstunden wurden für die Fischproduktion in jeder Versuchseinheit benötigt. Der durchschnittliche Arbeitsaufwand betrug entsprechend 0,13-0,15 Stunden/kg netto Fischertrag im Jahr 2007 und 0,07-0,08 Stunden im Jahr 2008. Da in beiden Jahren des Betriebs gezeigt werden konnte, dass das Teilsystem IES/2 die beste Leistung zeigte, kann gefolgert werden, dass die Verwendung von 1 m² zusätzlicher Oberfläche für Periphyton je m² Teichfläche auch zur höchsten ökonomischen Rentabilität führt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Zucht des Afrikanischen Welses (2008) rentabler als die Zucht des Europäischen Welses ist (2007).

6.3.4. Erfolgsfaktoren und Einschränkungen Die Ergebnisse zeigen, dass die Kombination intensiver und extensiver Fischzuchtsysteme ein wirksamer Ansatz zur Reduktion der Umweltbelastung durch intensive Fischzuchten ist und zur Steigerung der extensiven Fischzucht als zusätzlichem Nebeneffekt dienen kann. Die Effizienz des extensiven Teils kann durch die Kultivierung des Periphytons auf künstlichen Oberflächen erhöht werden. Die kombinierte Fischproduktion führte zu einer höheren Proteinnutzung von 26%; mit zusätzlichem Periphyton sogar um 40%. Diese auf den Oberflächen basierenden Lebensgemeinschaften ermöglichen ein zusätzliches Nahrungsnetz, und ein Teil der zusätzlichen Nährstoffe findet sich als Fischbiomasse wieder. Die Wasserqualität ist für das Fischwachstum geeignet. Generell betragen die Fischerträge etwa 1 t/ha in traditionellen Teichen, während in kombinierten Teich-inTeich-Systemen bis zu 20 t/ha möglich sind. Trotzdem sind die Nährstoffemissionen von den traditionellen Fischteichen sehr gering aufgrund der verbesserten Nährstoffausnutzung.

6.3.5. Vorteile der Anwendung

IES/1

IES/2

IES/3

Die Kombination der intensiven und extensiven Energieverbrauch für die Fischproduktion (kWh/kg) Aquakultur nutzt die Vorteile sowohl der traditionellen Intensiver Teil 3,4 3,5 3,5 Teichwirtschaft als auch der intensiven FischzuchtGesamtsystem 2,8 2,5 2,9 systeme. Wertvolle Raubfischarten können in dem intensiven Teil des Systems produziert werden, Wasserverbrauch für die Fischproduktion (m3/kg) während die Integration eines extensiven Teiches zur Wasserzufuhr 1,8 1,6 1,6 Behandlung des Ablaufwassers zu einer reduzierten Wasserablauf 0,5 0,4 0,5 Nährstofffracht in die Umwelt und zu einer Nährstoffverlust je kg produziertem Fisch (g/kg) gesteigerten Nährstoffnutzung in der Fischproduktion N 4,2 5,8 2,6 führt. Die intensive Zucht kann in Netzgehegen oder in P im Teich schwimmenden Tanks durchgeführt werden, 0,20 0,53 0,27 die im extensiven Teich platziert werden. In dem C 16 46 20 intensiv bewirtschafteten Teil des Systems können Nährstoffrückgewinnung durch die zusätzliche wertvolle Raubfische unter kontrollierten Bedingungen Fischproduktion (% der Nährstoffzufuhr) produziert werden und zusätzlich gefüttert werden. N 6,0% 10% 5,8% Das nicht gefressene Futter sowie die metabolischen P 3,2% 8,6% 3,2% Reststoffe können in dem extensiven Teil genutzt C 4,3% 7,2% 4,1% werden und die Fischerträge steigern. Im Vergleich zur Effizienz der Nährstoffnutzung von etwa 20-25% in Tabelle 20: Nachhaltigkeitsindikatoren des Moduls 2008 den meisten intensiven Fischzuchten kann diese auf 30-35% in den integrierten Teichsystemen gesteigert werden. Dies führt zudem zu einer geringeren Nährstoffbelastung der die Ablaufwässer aufnehmenden natürlichen Gewässer. Die Anwendung der kombinierten Teich-in-Teich-Systeme kann zu einer besseren Nutzung der Wasserressourcen und zur Nachhaltigkeit der Aquakultur beitragen. Die Ergebnisse der Fallstudie zeigen, dass die Kombination der intensiven Aquakultur mit extensiven Fischteichen die Effizienz der Nährstoffnutzung verbessert. Die wichtigsten Nachhaltigkeitsindikatoren sind in Tabelle 20 zusammengefasst. 39/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Ungarn

6.4. Von der Fallstudie zur Fischzucht: Entwurf eines theoretischen kombinierten Systems 6.4.1. Generelle Technologie Die Anwendung der hier vorgestellten Teich-in-Teich-Technologie ist einfach: ein abgeteilter Teil für die intensive Produktion platziert in einem traditionellen Fischteich. Netzgehege oder Tanks können als intensiver Teil genutzt werden, der in enger Wechselwirkung mit dem Fischteich betrieben wird. Der Fischteich wirkt als biologischer Filter und behandelt die Reststoffe aus dem intensiven Teil. Die Fischerträge in dem extensiven Fischteich können durch die Bereitstellung einer zusätzlichen Oberfläche für den vermehren Aufwuchs von Periphyton gesteigert werden. Basierend auf den Ergebnissen war die zusätzliche Fischproduktion bei einer zusätzlichen Periphytonoberfläche von 100% bezogen auf die Teichfläche am Höchsten. Der Schlüssel für den sicheren Betrieb des Systems ist der Ausgleich zwischen der Nährstofffracht des intensiven Teils und der Wasseraufbereitungskapazität des extensiven Teiches. Wenn eine ausreichende Größe für den extensiven Teich gegeben ist, kann eine angemessene Wasserqualität für die Fischzucht aufrecht erhalten werden und die Nährstoffverluste an die natürlichen Gewässer können minimiert werden. Schaufelradbelüfter können zu einer adäquaten Wasserzirkulation zwischen dem intensiven und extensiven Teil beitragen und einen optimalen Sauerstoffgehalt gewährleisten. Das Teichsystem funktioniert als geschlossenes System; während der Zuchtperiode werden keine Ablaufwässer an die Umwelt abgegeben. Nur während des Abfischens werden die Teiche trocken gelegt und das Wasser aus den Teichen abgelassen. Nur die Verdunstung und die Versickerung sollten regelmäßig ausgeglichen werden. Die Verdunstung ist in einem kontinuierlich belüfteten System größer als in den traditionellen Fischteichen; für den Ausgleich des Wasserverlustes muss jährlich mit 150% des Teichvolumens gerechnet werden. Vorteile

Nachteile

Einfache Technologie mit niedrigen Investitions- und Betriebskosten

Weniger kontrollierbare Produktionsbedingungen (z.B. Temperaturschwankungen)

Verbesserte Nährstoffverwertung und zusätzliches Einkommen durch zusätzliche Fischproduktion

Wasserqualität wird primär durch natürliche biologische Prozesse beeinflusst

Geringe Nährstoffeinträge in natürliche Gewässer

Beschränkte Wachstumsperiode (von April bis Oktober in Ungarn)

Geringer Energieverbrauch für die Fischproduktion

Überwinterung der Fische muss gelöst werden

Geringerer Wasserverbrauch im Vergleich zu anderen Teichwirtschaften Durch die konzentrierte Produktion werden Verluste durch Raubtiere reduziert Tabelle 21: Pro und Kontra der Anwendung einer Kombination von intensiver und extensiver Aquakultur

6.4.2. Planungsparameter Die maximale Futtermenge des Systems beträgt 1,8 g N/m²/d (dies entspricht der Anwendung von Fischfutter, das 11,2 g Rohprotein enthält oder 2 kg Fischbesatz in dem intensiven Teil). Als Fischbesatz wurde eine Karpfenpolykultur in dem extensiven Teil vorgeschlagen, basierend auf dem Karpfen als omnivorem Grundfisch zusammen mit Filtrierern, wie z. B. Tilapia oder Silberkarpfen. Wird eine Karpfen-Monokultur im extensiven Teil verwendet, so wird eine Altersmischung empfohlen (ein- und zweisömmerige Karpfen). Der erwartete Nettofischertrag liegt bei 18 t/ha mit einer zusätzlichen Periphyton-Produktion (13 t/ha von der intensiven Produktion und 5 t/ha entstammen dem extensiven Fischteich), und 16 t/ha ohne die Bereitstellung zusätzlicher Oberflächen für das Periphyton (13 t/ha von dem intensiven und 3 t/ha von dem extensiven Teil). Die empfohlene zusätzliche Oberfläche für das Periphyton entspricht 100% der Teichoberfläche. Unsere Ergebnisse belegen, dass die Wirksamkeit des extensiven Teils durch die Entwicklung des Periphytons auf künstlichen Oberflächen gesteigert werden kann. Die kombinierte Fischproduktion führt zu einer 25% höheren Proteinnutzung als in der einer intensiven Aquakultur ohne extensiven Teil; mit der Oberfläche für Periphyton kann dieser Anteil auf bis zu 40% gesteigert werden. Der Sauerstoffbedarf des Produktionssystems ist höher als das traditioneller Teichwirtschaften aufgrund der hohen Nährstofffracht und des Fischbesatzes. Die Gesamtrate des Sauerstoffbedarfs beträgt 1,5 g 2 O2/m /Stunde und entstammt der Sauerstoffproduktion der Algen tagsüber. Ein zusätzlicher Sauerstoff40/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Ungarn eintrag ist während der Nachtstunden erforderlich. Schaufelradbelüfter können genutzt werden, um ausreichende Sauerstoffkonzentrationen vorzuhalten und die Wasserzirkulation im Gewässer zu erzwingen. Entsprechend unserer Berechnungen genügt insgesamt die Leistung von 1 kW, um den Sauerstoffgehalt in 1500 bis 2000 m² Teichfläche während der Nachtstunden mit einem Schaufelradbelüfter aufrecht zu erhalten. Tagsüber, besonders in den den sonnigen Stunden, ist die Hauptfunktion der Belüfter eine ausreichende Wasserzirkulation zwischen dem intensiven und extensiven Teil des System zu erhalten, um die Rückstände des intensiven Teils fortzuspülen. Die Durchmischung ist wichtig, um sicherzustellen, dass die Algen in der Wassersäule umgewälzt werden, um die Primärproduktion zu verbessern. Die adäquate Geschwindigkeit der Wasserzirkulation beträgt 5-10 cm/s.

6.4.3. Kritische Faktoren für den Betrieb Das größte Risiko des Betriebs ist eine ungleichmäßige Reinigungsfunktion durch unvorhersehbare Schwankungen der Phytoplanktonbiomasse und der Zusammensetzung der Planktonarten in den Behandlungsteichen. Deshalb sind die wichtigen Faktoren für die Praxis die homogene Durchmischung des Wassers des Behandlungsteiches und die Aufrechterhaltung ausreichender Sauerstoffkonzentrationen, um den Sauerstoffbedarf für Fische, Nitrifikation und Zersetzungsprozesse sicherzustellen. Die kritische Sauerstoffkonzentration beträgt 4 mg/l. Sie ist auch von Bedeutung, um permanent anaerobe Bedingungen in dem System zu vermeiden. Der Gesamt-Ammonium-Stickstoff und die Nitrit-StickstoffKonzentration sollten unter 0,5 mg/l liegen. Das Auftreten höherer Ammoniumkonzentrationen weist auf eine unzureichende Nitrifizierung hin oder auf eine Überlastung des Systems. In den Fällen eines zu hohen Ammoniumgehaltes sollte die Futtermenge reduziert und die künstliche Belüftung intensiviert werden, bis die Ammonium- und Nitritkonzentrationen auf akzeptable Werte zurückgehen. Um die Akkumulation von Nährstoffen im Sediment zu vermeiden ist eine periodische Belüftung durch Trockenlegung erforderlich. Es wird empfohlen, den Teich im Winter trocken zu lassen, da die Mineralisation von Stickstoff und organischem Kohlenstoff während dieser Zeit stattfinden kann. Darüber hinaus reduziert die Trockenphase das Auftreten von Parasiten und anderen Krankheitserregern. Die Futtermengen müssen an die Temperaturschwankungen angepasst werden.

6.4.4. Entwurf einer theoretischen Fischzucht mit einer Produktionskapazität von 80 t/Jahr Eine theoretische Fischzucht mit einem erwarteten Bruttoertrag von etwa 50 t intensiv produziertem Raubfisch sowie 30 t Karpfen ist nachfolgend beschrieben. Mit einem erwarteten Profit von 22.000 € (6.2 Millionen HUF) kann sie als Klein- oder Familienbetrieb charakterisiert werden (siehe Tabelle 22). Basierend auf den Ergebnissen der Experimente und unter Berücksichtigung ökonomischer Überlegungen, schlagen wir den Aufbau eines 2,5 ha großen Teich-in-Teich-Systems vor. Das System besteht aus zwei Teichen, die beide je vier Netzgehege für die intensive Zucht von Raubfischen beinhalten (Besatzdichte: 20 kg/m³, Futterquotient 1,5). In dem extensiven Teil des Teiches ist es ratsam, Karpfen ohne zusätzliche Fütterung zu züchten (Besatzdichte 6 t/ha). Es sollte zusätzliche Oberfläche bereitgestellt werden, um ein zusätzliches Wachstum von Periphyton zu ermöglichen (10 000 m² Oberfläche/Hektar). Das Wasser sollte mit vier Schaufelradbelüftern in jedem Teich in Bewegung gehalten (jeweils 2 kW). Intensiver Teil

Extensiver Kombination Teil

Besatz

Intensiver Teil Abfischung

16

15

2 t/ Netzgehege 2 (100 m )

7.5 t/ Teich (1.25 ha)

6.4

6

12.4

ha (t/ha)

FQ

1.5

-

1.0

Nettoertrag

Futterverbrauch

51 t

-

51 t

gesamt (t) Einheit ha (t/ha)

Extensiver Kombination Teil

31

50

27.5

6.25 t/ Netzgehege 2 (100 m )

15 t/ Teich (1.25 ha)

20

13.75

31

gesamt (t)

34 t

12.5

46.5

ha (t/ha)

13.6

5

18.6

gesamt (t) Einheit

Tabelle 22: Fischbesatz und Erträge der theoretischen Fischzucht

41/116

77.5

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Ungarn

Gesamtteichoberfläche 1,25 ha

Gesamtteichoberfläche: 1,25 ha

Intensive Fischproduktion

Intensive Fischproduktion

Intensive Fischproduktion

Intensive Fischproduktion

100 m2

100 m2

100 m2

100 m2

Intensive Fischproduktion

Intensive Fischproduktion

Intensive Fischproduktion

Intensive Fischproduktion

100 m2

100 m2

100 m2

100 m2

Abb. 7: Schematische Darstellung der theoretischen Fischzucht

Die berechneten Investitionskosten erlauben den Kauf von 3,5 ha Land (5000 €, 1,4 Mio. HUF), die Anlage einer 2,5 ha großen Teichfläche (54 000 €, 15 Mio. HUF) mit einem 800 m³ großen Netzgehege (3 000 €, 0,8 Mio. HUF), das Einbringen künstlichen Substrats für das Periphyton (4 000 €, 1,2 Mio. HUF) und die Bereitstellung notwendiger Materialien für den Start (2 000 €, 0,6 Mio. HUF). Weitere Berechnungen sind der folgenden Tabelle zu entnehmen. In der Kosten-Nutzen-Analyse wird von konstanten Preisen ausgegangen. Die Investitionskosten sind im vierten Jahr zurückgezahlt, während der aktuelle Investitionswert bei einer 10%igen Abschreibungsrate 74 000 € (20,7 Mio. HUF) nach zehnjährigem Betrieb ausmacht. * 1 Euro = 275 HUF (13.05.2009) 0. Jahr 1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr 4. Jahr 5. Jahr 6. Jahr 7. Jahr 8. Jahr 9. Jahr 10. Jahr Investition

67 857

Verbleibender Wert nach 10 Jahren

17 857

Futterkosten

36 643

36 643

36 643

36 643

36 643

36 643

36 643

36 643

36 643

36 643

Saatkosten

62 857

62 857

62 857

62 857

62 857

62 857

62 857

62 857

62 857

62 857

Arbeitskosten

7 857

7 857

7 857

7 857

7 857

7 857

7 857

7 857

7 857

7 857

Energiekosten und Wassergebühren

6 714

6 714

6 714

6 714

6 714

6 714

6 714

6 714

6 714

6 714

Gesamtkosten Gesamtertrag

114 071 114 071 114 071 114 071 114 071 114 071 114 071 114 071 114 071 114 071 136 071 136 071 136 071 136 071 136 071 136 071 136 071 136 071 136 071 136 071

Cashflow

-67 857 22 000

22 000

22 000

22 000

22 000

22 000

22 000

22 000

22 000

39 857

Diskont. Cashflow (r=10%)

-67 857 20 000

18 182

16 529

15 026

13 660

12 418

11 289

10 263

9 330

15 367

Kumulat. diskont. Cashflow

-67 857 -47 857 -29 675 -13 146

1 880

15 540

27 959

39 248

49 511

58 841

74 208

Tabelle 23: kosten-Nutzen-Analyse einer theoretischen Fischzucht (EUR, die Kalkulation basiert auf einem Wechselkurs von 280 EUR/HUF)

42/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Polen

7.

Verbesserte natürliche Produktion in extensiven Fischteichen – Fallstudie in Polen

7.1. Neue Fischarten und Methoden in der Karpfenteichwirtschaft: Modul POLYKULTUR 7.1.1. Allgemeine Beschreibung Die Mehrheit der Teichwirtschaften in Polen wird als Monokultur mit Karpfen betrieben. Andere Fischarten, die zusammen mit Karpfen in Polykultur produziert werden, haben wegen schwacher Nachfrage nur einen geringen Marktwert. Daher lassen sich wirtschaftliche Verluste, die durch eine schrumpfende Nachfrage nach Karpfen entstehen, wegen der geringen Diversifizierung der Produktion nicht auffangen. Zudem sind Monokulturen im Hinblick auf die Nährstoffnutzung nicht effizient. Eine Möglichkeit zur Steigerung der Rentabilität der Karpfenteichwirtschaften und zur Senkung der negativen Umweltauswirkungen sind neue Arten, die in Polykultur gehalten werden. Die Einführung neuer Fischarten würde das Produktangebot der Teichwirtschaften vergrößern und sie in die Lage versetzen, mit anderen Fischproduzenten besser zu konkurrieren. In der Polykultur der Karpfenteichwirtschaft wäre der Ersatz der pflanzen- und planktonfressenden Cypriniden die vernünftigste Lösung. Der amerikanische Löffelstör (Polyodon spathula) könnte eine geeignete Art für diese Nahrungsnische darstellen, wie die Auswertung der Literatur und erste praktische Erfahrungen zeigten. Der Löffelstör ist ein störartiger Fisch. Sein natürlicher Lebensraum sind langsam fließende Flüsse in der gemäßigten Zone von Nordamerika. Im Verlauf seines Lebens ernährt sich der Löffelstör, im Unterschied zu anderen Störarten, ausschließlich von Planktonorganismen und erreicht eine Länge von 2 m. Er wird wegen des Geschmacks seines Fleischs und seines Rogens sehr geschätzt. Während der 1980er Jahre wurde der Löffelstör nach Polen importiert, konnte sich aber bisher am Markt nicht durchsetzen. Der Löffelstör ist ein Filtrierer und bietet sich wegen seines raschen Wachstums als erstklassiger Ersatz für den Marmorkarpfen in der Polykultur an. Neben den wirtschaftlichen Vorteilen verbessert die Präsenz einer filtrierenden Fischart die Nährstoffdynamik im Teich und die Rückhaltung von Stickstoff und Phosphor in der Fischbiomasse. Auf diese Weise kann der Nährstoffaustrag in die Vorfluter reduziert werden.

7.1.2. Grundprinzipien des Moduls Die Technologie, die in diesem Modul entwickelt wurde, eröffnet den Teichwirten neue Möglichkeiten. Der Löffelstör wird hier in die Polykultur als Ersatz für den Marmorkarpfen integriert. In den folgenden Kapiteln werden die Artenzusammensetzung in der Polykultur, die zu erwartende Produktion, die wirtschaftlichen Ergebnisse, sowie praktische Beobachtungen im Zusammenhang mit der Löffelstör-Zucht beschrieben. Die hier vorgestellte Technologie benötigt außer dem Erwerb des neuen Fischbesatzes keinerlei Investitionen. Fischbesatz Bei den verschiedenen Versuchsanordnungen wurde sicher gestellt, dass jedes Nahrungsspektrum der Fische (bodenorientierte Fische, Filtrierer, Pflanzenfresser) im Bezug auf Fischbiomasse zu gleichen Teilen abgedeckt war (Tabelle 24). Spezies Graskarpfen (Ctenopharyngodon idella) Silberkarpfen (Hypophthalmichthys molitrix) Marmorkarpfen (Aristichthys nobilis) Löffelstör (Polyodon spathula) Schleie (Tinca tinca) Karpfen (Cypriunus carpio) Stör (Acipenser baerii)

Monokultur -

Polykultur Schleie Polykultur Karpfen 30 kg/ha 500 g 60 kg/ha 500 g 72 kg/ha 100 g

-

-

Polykultur Stör

30 kg/ha 500 g 60 kg/ha 500 g

30 kg/ha 500 g 60 kg/ha 500 g

-

-

72 kg/ha 500 g

72 kg/ha 500 g

-

-

150 kg/ha 250 g

45 kg/ha 250 g 105 kg/ha 250 g

150 kg/ha 250 g

-

-

-

-

150 kg/ha 250 g

-

Tabelle 24. Fischbesatz im Polykultur-Modul (Besatzgewicht insgesamt und durchschnittliche Stückmasse pro Fisch)

43/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Polen Die Versuche wurden mit zweifacher Wiederholung angesetzt. Der Besatz erfolgte Ende April und nach 5 Monaten wurde abgefischt. Teiche Der Pilotversuch wurde über zwei Saisons hinweg durchgeführt. Es wurden typische Karpfenteiche mit natürlichem Untergrund (ohne Folie) verwendet. Alle Versuche wurden in einem Komplex von Versuchsteichen durchgeführt, der im Süden Polens liegt (18°45’E, 49°53’N). Die Größe der Teiche beträgt 2 3 je 1 500 m , die durchschnittliche Tiefe ist 1 m. Der Rauminhalt beträgt entsprechend 1 500 m . Die Teiche lassen sich vollständig trockenlegen und werden mit Wasser aus der Weichsel gespeist. Düngung Die Teiche wurden wöchentlich mit Carbamid (46% N) und Superphosphat (20% P) gedüngt. Dies führte zu einer Düngungsintensität von 147 kgN/ha und 25 kgP/ha pro Saison.

7.1.3. Bewertung des Moduls anhand der SustainAqua-Nachhaltigkeitsindikatoren Fischproduktion Die Versuchsanordnung 'Polykultur Karpfen' mit einem Fischbesatz mit Löffelstör und Karpfen zugleich hatte den größten Fischzuwachs von allen Versuchsvarianten, die in diesem Modul getestet wurden (siehe Tabelle 25). Der Löffelstörzuwachs war hier ca. 30% größer als der Karpfenzuwachs. Der Karpfenzuwachs ist in den Versuchsvarianten 'Monokultur' und 'Polykultur Karpfen' (mit Löffelstörbesatz) vergleichbar. Der Löffelstör war in beiden Versuchsvarianten, in denen er eingesetzt wurde, in 'Polykultur Karpfen' und 'Polykultur Stör', für den Hauptanteil der gesamten Fischproduktion verantwortlich (siehe Abb. 8). Das Ausbrechen des Koi Herpes Virus (KHV) in der “Polykultur Schleie” führte zu einer hohen Sterblichkeitsrate beim Karpfen in dieser Versuchsvariante und zu dem entsprechend niedrigen Fischzuwachs. Der Zuwachs beim Marmorkarpfen erreichte in dieser Versuchsvariante nur 53% des Zuwachses beim Löffelstör, der in den anderen beiden Polykultur-Versuchsvarianten eingesetzt wurde. Der geschätzte Wert des Fischzuwachses in allen getesteten Versuchsvarianten wird in Abb. 9 dargestellt. Die durchschnittlichen Einzelhandelspreise in Polen, die zur Berechnung herangezogen wurden, werden in Tabelle 26 dargestellt. Unter der Annahme der Richtigkeit dieser Preise war der ökonomische Wert des produzierten Löffelstörs (Zuwachs in einer Saison) ungefähr dreimal höher als der Wert aller anderen in Polykultur gezüchteten Arten zusammen. Spezies

Monokultur

Polykultur Schleie

Polykultur Karpfen

Polykultur Stör

Graskarpfen

-

85 kg/ha; 95 %

100 kg/ha; 100 %

91 kg/ha; 100 %

Silberkarpfen

-

65 kg/ha; 65 %

99 kg/ha; 70 % g

91 kg/ha; 70 %

Marmorkarpfen

-

280 kg/ha; 83 %

-

-

Löffelstör

-

-

567 kg/ha; 65 %

488 kg/ha; 67 %

Schleie

-

24 kg/ha; 87 %

-

-

Karpfen

438 kg/ha; 95 %

49 kg/ha; 37 %

426 kg/ha; 65 %

-

-

-

-

102 kg/ha; 89%

Stör

Tabelle 25: Fischzuwachs und Überlebensrate im Polykultur-Modul Preis (PLN/kg)

Preis (€/kg)

Karpfen

10,04

2,23

Schleie

13,30

2,95

Stör

26,87

5,97

8,43

1,87

Silberkarpfen Marmorkarpfen Löffelstör* Graskarpfen

8,43

1,87

26,87

5,97

9,00

2,00

* geschätzter Wert, basierend auf anderen Störpreisen (keine realen Werte erhältlich)

Tabelle 26. Durchschnittliche Einzelhandelspreise für die im Polykultur-Modul verwendeten Fische

44/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Polen

1200

Produktion [kg/ha]

1000

Graskarpfen 800

Löffelstör Marmorkarpfen

600

Silberkarpfen 400

Stör Schleie

200

Karpfen 0 MONOKULTUR KARPFEN

POLYKULTUR KARPFEN

POLYKULTUR STÖR

POLKULTUR SCHLEIE

Abb. 8: Durchschnittlicher Zuwachs der untersuchten Bestände

Produktionswert [€/ha]

5000

4000

Graskarpfen Löffelstör

3000

Marmorkarpfen Silberkarpfen

2000

Stör Schleie 1000

Karpfen

0 MONOKULTUR KARPFEN

POLYKULTUR KARPFEN

POLYKULTUR STÖR

POLKULTUR SCHLEIE

Abb. 9: Geschätzter Wert der während der Untersuchungssaison gewonnenen Zuwachses

Der zu Beginn des Projekts zugekaufte Löffelstör wurde unter extensiven Bedingungen in Karpfenteichen ohne zusätzliche Fütterung gehalten. Die Fische ernährten sich ausschließlich von Plankton. Das durchschnittliche Gewicht der einzelnen Fische im 10., 18. und 30. Monat der Produktion wird in Abb. 10 auf der nächsten Seite dargestellt. Primärproduktion Die höchste durchschnittliche Nettoprimärproduktion des Planktons (0,349 mgO2/L·h) wurde in den Teichen gemessen, in denen die Versuchsvariante 'Polykultur Karpfen' mit Karpfen und Löffelstör getestet wurde. Sie war um 53% höher als in Monokultur. Dieser beträchtliche Unterschied entsteht durch das Nahrungsspektrum des Löffelstörs, der die Zusammensetzung des Planktons wesentlich beeinflusst. Der Löffelstör ernährt sich hauptsächlich von Zooplankton. Das Abgrasen von Zooplankton begünstigt das Wachstum autotropher Algen und damit die Nettoprimärproduktion des Teichwasserkörpers. Der Karpfen übernimmt ebenfalls eine wichtige Funktion bei der Nettoprimärproduktion, da er den 45/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Polen Gewässergrund bei der Nahrungsaufnahme durchwühlt und so zu einer effizienten Aufwirbelung von Bodensedimenten beiträgt. So führte das Fehlen des Karpfens in der Versuchsvariante 'Polykultur-Stör' zu einer um 24% niedrigeren Primärproduktion im Vergleich mit der Variante 'Polykultur Karpfen' (Abb. 11).

.

Primärproduktion [mgO 2 /L·h]

Abb. 10: Durchschnittliche (±SD) Stückmasse des Löffelstörs in drei aufeinander folgenden Jahren

0,40 0,35 0,30 0,25 0,20 0,15 0,10 0,05 0,00 Monokultur Karpfen

Polykultur Karpfen

Polykultur Stör

Polykultur Schleie

Abb. 11: Primärproduktion im Saisondurchschnitt in den Teichen mit den untersuchten Beständen

Energieeffizienz In der Teichwirtschaft wird externe Energie zum größten Teil für den Transport und für die Verarbeitung der Fische benötigt. Der Energiebedarf ist sehr unterschiedlich und hängt stark von der Größe der Aquakultur, den Eigenschaften der Teiche und der verwendeten Ausrüstung ab. Diese Faktoren beeinflussen den Energiebedarf sehr viel mehr als die jeweilige verwendete Produktionstechnologie. Aus diesen Gründen wurde die Energieeffizienz in diesem Modul nicht untersucht. Wasserverbrauch Für die extensive Karpfenzucht sind große Wassermengen zur Bespannung der Teiche im Frühjahr erforderlich. Der Wasserverbrauch (Zufuhr), in Litern pro kg Produkt ausgedrückt, ist zehn- bis hundert Mal so groß wie in der intensiven Fischzucht. Allerdings darf man die Wassermengen, die in der Teichwirtschaft 46/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Polen verwendet werden, nicht nur aus Sicht der Fischproduktion betrachten. Die großen Wasserflächen der Teiche sind wichtige Elemente im Ökosystem und tragen zum Wasserrückhalt und zum lokalen Wasserkreislauf bei. Die Teiche, die im Rahmen des Polykultur-Modul genutzt wurden, sind Teil desselben Teichkomplexes und liegen direkt nebeneinander. Sie unterliegen also den gleichen klimatischen Bedingungen. Das Wassermanagement war in allen Versuchsanordnungen gleich. Dementsprechend wurden die Berechnungen, die in den folgenden Abschnitten dargestellt werden, für den gesamten Teichkomplex, nicht für die einzelnen Teiche, vorgenommen. Die Unterschiede zwischen den getesteten Versuchsvarianten sind also ausschließlich auf den unterschiedlichen Fischzuwachs zurückzuführen. Wasserzulauf: l/kg Produkt 3 Die Versuchsvariante 'Polykultur-Karpfen' erreichte mit einem Wasserbedarf von 8,4 m /kg Fisch die besten Werte. Dies ist eine deutliche Verbesserung im Vergleich zur Monokultur, bei der der Wasserbedarf pro kg Produkt mehr als doppelt so hoch sein kann (Tabelle 27). 3

m /kg MONOKULTUR KARPFEN POLYKULTUR KARPFEN

26,5 8,4

POLYKULTUR STÖR

15,4

POLYKULTUR SCHLEIE

19,9

Tabelle 27: Wasserzufuhr ausgedrückt in 3 Volumen pro Produktgewicht (m /kg)

Wasserablauf: l/kg Produkt Im Allgemeinen entspricht der Wasserabfluss eines Teiches dem Volumen des abgefischten Teiches. Allerdings trägt der Überlauf zum gesamten Wasserabfluss bei, wenn die Wasserverluste während einer Zuchtsaison, die durch Versickern und Evapotranspiration verursacht werden, durch Niederschlag kompensiert werden. Für die Berechnungen des Wasserabflusses wurden das Gesamtvolumen des Teichkomplexes und die Niederschlagswerte herangezogen. Je nach Versuchsvariante bewegten sich die Werte des Wasserablaufs 3 zwischen 13,81 und 43,65 pro m /kg Rohprodukt (Tabelle 28).

Nährstoffverwertung Im Modul 'Polykultur' gibt es die folgenden fünf Hauptquellen für die Nährstoffzufuhr: •

Dünger (Harnstoff und Superphosphat) – Hauptquelle von Stickstoff (N) und Phosphor (P) in diesem Modul



Zulaufwasser – das Flusswasser, das zum Bespannen der Teiche genutzt wurde, enthält die Nährstoffe aus dem Flusseinzugsgebiet; die Nährstoffmenge ist relativ gering, aber nicht zu vernachlässigen. Für die Berechnungen wurde nur das Einzelvolumen des Teichs herangezogen;

3

m /kg MONOKULTUR KARPFEN

43,65

POLYKULTUR KARPFEN

13,8

POLYKULTUR STÖR

25,4

POLYKULTUR SCHLEIE

32,8

Tabelle 28. Wasserablauf, ausgedrückt in Volumen pro Produktgewicht



Sedimentablagerungen – Nährstoffe sammeln sich auch im Sediment an und stehen so 'biologisch' zur Verfügung. Sie stellen eine weitere Hauptquelle von Stickstoff und insbesondere von Phosphor dar, da ein großer Anteil des Phosphatdüngers im Sediment gebunden wird. Allerdings zeigen quantitative Analysen im Bodensediment der Teiche vor und nach der Zuchtsaison keine wesentlichen Unterschiede in der Stickstoff- und Phosphorkonzentration. Die quantitative Steigerung dieser Verbindungen wurde für N bzw. P auf +0,84% und +0,45% geschätzt. Daraus ergibt sich eine Steigerung von 1,57 kg P/ha im Vergleich zu 26,9 kg P/ha aus der Düngung und ein Plus von 19,35 kg N/ha im Vergleich zu 159 kg N/ha durch Dünger. Folglich wurde die Bodenschicht nicht in die Berechnungen aufgenommen.



Regenwasser und Verdunstung – externe, unkontrollierte Nährstoffquellen. Im Fall des PolykulturModuls ist die Verdunstung im Gegensatz zum Regenwasser zu vernachlässigen. Das Regenwasser wurde jedoch nicht auf seinen P- und N-Anteil hin analysiert und wurde folglich auch bei den Berechnungen nicht berücksichtigt.



Stickstoffbindung – einige Blaualgen und Bakterien können molekularen Stickstoff in organische Verbindungen einbinden und reichern so das Ökosystem mit biologisch zur Verfügung stehendem Stickstoff an. Die Bedeutung dieser Prozesse kann besonders in warmem Wasser groß sein, unter den klimatischen Bedingungen der Fallstudie ist sie jedoch im Vergleich zur Düngung zu vernachlässigen. Aufgrund dieser Hypothese wurde die Stickstoffbindung bei den Berechnungen nicht berücksichtigt.

Dementsprechend beruhen die Berechnungen zur Nährstoffverwertung auf den Nährstoffeintrag durch Düngung und das Zulaufwasser. Die Nährstoffverwertung der Versuchsanordnung 'Polykultur-Karpfen' 47/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Polen wurde auf 20,9% und 10,8% für N bzw. P geschätzt und erreichte die besten Werte aller Versuchsvarianten (Tabelle 29). Für den Stickstoff wurden die N2-Bindung und die N2-Abnahme durch Denitrifizierung berücksichtigt. STICKSTOFF ZUFUHR RÜCKHALTUNG kg/ha % MONOKULTUR KARPFEN POLYKULTUR KARPFEN POLYKULTUR STÖR POLYKULTUR SCHLEIE

159,1 159,1 159,1 159,1

10,6 33,3 18,1 14,0

6,6 20,9 11,4 8,8

PHOSPHOR ZUFUHR RÜCKHALTUNG kg/ha % 30,9 30,9 30,9 30,9

1,1 3,3 1,8 1,4

3,4 10,8 5,9 4,6

Tabelle 29. Rückhaltung von Stickstoff und Phosphor in der Fischbiomasse

Harnstoff bildet die einzige nennenswerte externe Kohlenstoffquelle. Kohlenstoff (C), der durch Dünger eingebracht wurde, sowie C und CO2, die mit dem Oberflächenabfluss oder Zulaufwasser ins System gelangen, können vernachlässigt werden. Der gesamte organische Kohlenstoff im Teichsystem stammt aus der Primärproduktion. Die Wege von organischem Kohlenstoff im Ökosystem Teich sind sehr komplex und schwanken während der Zuchtsaison. Die Menge von organischem Kohlenstoff in einem Gewässer lässt sich berechnen (basierend auf CSB). Nährstoffaustrag Ein sachgerecht gewarteter Teich leitet während der Zuchtsaison kein Wasser ab, da jegliche Nährstoffverluste unerwünscht sind. Dies trifft auch für die extensiv bewirtschafteten Teiche im Modul Polykultur zu. Während der Zuchtsaison werden Nährstoffe nur durch Versickern verloren. Allerdings ist dies äußerst fallspezifisch und macht nur einen geringen Anteil des Nährstoffverlusts während einer Zuchtsaison aus. Der größte Teil der Nährstoffe wird während des Ablassens der Teiche bei der Abfischung Nährstoffaustrag ausgetragen. kgN/kg Fisch kgP/kg Fisch Der Nährstoffaustrag wird dementsprechend wie folgt berechnet: es wird angenommen, dass der MONOKULTUR KARPFEN 0,39 0,079 Nährstoffaustrag gleich der Nährstoffkonzen0,1 0,023 tration im Teich vor der Abfischung ist. Dieser POLYKULTUR KARPFEN Betrag wird anschließend mit dem Teichvolumen POLYKULTUR STÖR 0,22 0,045 multipliziert. POLYKULTUR SCHLEIE 0,29 0,059 Wie bei der Wasserzufuhr hängen die unterschiedlichen Werte der verschiedenen Tabelle 30. Nährstoffverlust durch ausgeleitetes Wasser pro Versuchsvarianten vor allem mit dem Fisch- kg produziertem Fisch zuwachs zusammen. Die Nährstoffkonzentration im Wasserabfluss war dementsprechend unbedeutend für die Unterschiede, die in den Versuchsvarianten festgestellt wurden. In diesem Modul wurden nur die Mengen von Stickstoff und Phosphor geschätzt (Tabelle 30). Produktivitätssteigerung pro Arbeitseinheit Das hier vorgestellte Modul (Besatz mit Löffelstör) hat wenig Einfluss auf die normalen Abläufe und Ausrüstung in der Karpfenwirtschaft. Allerdings wurde festgestellt, dass bei der Abfischung, insbesondere beim Sortieren, mehr Arbeitsleistung notwendig ist. Die Abfischung bei Polykulturen erfordert im Vergleich mit Monokulturen ca. 10% mehr Zeit bzw. Arbeit. Der Arbeitsaufwand wird sehr stark von den verwendeten Anlagen und Geräten sowie von der Anzahl und der Erfahrung der eingesetzten Arbeitskräfte abhängen. Die Größe bzw. Anzahl der abgefischten Teiche spielt gleichfalls eine große Rolle.

7.1.4. Erfolgsfaktoren und Einschränkungen Die wesentlichen Ergebnisse in diesem Modul sind folgende: •

Der Löffelstör als Ersatz für den Marmorkarpfen in nachhaltigen, extensiven Karpfenteichkulturen führt zu einem beträchtlichen Anstieg des Fischzuwachses.



Der hohe Marktwert des Löffelstörs kann die Rentabilität einer Teichwirtschaft steigern, indem qualitativ hochwertige Produkte erzeugt werden.

48/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Polen Filtrierende Fischarten erhöhen die Nährstoffdynamik in den Teichen. Auf diese Weise kann ein höherer Rückhalt von Stickstoff und Phosphor in der Fischbiomasse und dementsprechend eine Reduzierung der Nährstoffanreicherung in der Umwelt erreicht werden. Trotz dieser vielversprechenden Ergebnisse gilt es für die Löffelstör-Produktion auch folgende Einschränkungen zu berücksichtigen: •



Hoher Satzfischpreis von ca. 8 € je Fisch (1 Jahr alt, ~100 g): Dieser hohe Preis hängt mit den hohen Anforderungen bei der Reproduktion von Löffelstör zusammen.



Probleme bei der Zucht von Löffelstör: o Junge Löffelstöre sind eine leichte Beute für Vögel, deshalb sollte der Produktionsteich mit Netzen überspannt werden. o Wenn sie abgefischt werden, müssen die Fische mit großer Vorsicht behandelt werden, da sie sehr empfindlich gegenüber Verletzungen sind. o Für das Sortieren der Fische wird zusätzlicher Platz und ein verstärkter Durchfluss benötigt, um eine ausreichende Sauerstoffversorgung sicherzustellen.



Die EU-Gesetzgebung beschränkt die Verwendung nicht heimischer und gebietsfremder Arten in der Aquakultur. Entsprechend kann die Produktion von Löffelstör in der EU auf Schwierigkeiten stoßen. Allerdings könnte ein steigender Bedarf an Aquakulturprodukten in der EU die Entwicklung von Technologien fördern, die die Zucht von nicht heimischen Arten wie dem Löffelstör ohne negative Auswirkungen auf die Umwelt bzw. Artenvielfalt möglich macht.

Marktbedingte Faktoren: o Der Löffelstör ist bislang kein bekannter Speisefisch auf dem EU-Fischmarkt. o Die unsichere Nachfrage führt derzeit zu unsicheren Einzelhandelspreisen. o Es steht bislang wenig Informationsmaterial über Produktverarbeitung und -qualität zur Verfügung. Die oben aufgeführten Punkte bedürfen weiterer Forschung. •

7.1.5. Vorteile der Anwendung Die Einführung des Löffelstörs als Ersatz für pflanzen- und planktonfressende Cypriniden kann die Rentabilität der Teichwirtschaft verbessern. In den Versuchen wurde aufgezeigt, dass der Löffelstör aufgrund seines guten Wachstums, der ausgezeichneten Qualität von Fleisch und Rogen und den höheren Marktpreisen ein hervorragender Ersatz für den Marmorkarpfen sein kann. Die Einführung dieser neuen Art würde die Produktvielfalt in der Karpfenteichwirtschaft erhöhen und sie im Vergleich zu anderen Fischproduzenten wettbewerbsfähiger machen, da sie Fisch anbieten könnten, für den die Kundennachfrage potenziell größer ist.

49/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Polen

7.2. Praktische Ratschläge und Rückschlüsse für die Züchtung von Löffelstör in Polykultur 7.2.1. Wachstumsleistung des Löffelstörs Die Wachstumsleistung des Löffelstörs in Karpfenteichen ist untersucht worden. Stückgewicht und Ausfälle wurden 24 Monate lang während jeder Abfischung aufgezeichnet. Das anfängliche durchschnittliche Stückgewicht von 10 Monate alten Fischen war ca. 90 g und stieg während der ersten Zuchtsaison auf ca. 2 700 g. Es wurden vor der Überwinterung im Jahr 2008 Fische geschlachtet, um den Darminhalt zu untersuchen. Im Unterschied zum Karpfen enthielt der Darm des Löffelstörs große Mengen an Plankton. Dieses Futterverhalten weist auf eine längere Fütterungssaison als beim Karpfen hin und führt dazu, dass der Löffelstör im Vergleich zum Karpfen während der Überwinterung kein Körpergewicht verliert.

7.2.2. Ausfälle Die Verlustrate bei der Zucht von Löffelstör könnte das größte Hindernis bei der Einführung dieser Art in die Teichwirtschaft sein. Während des Zeitraums von 24 Monaten waren Ausfälle im Ausmaß von beinahe 50% zu verzeichnen. Diese Verlustrate ist zwar vergleichbar mit der des Karpfens. Allerdings ist der wirtschaftliche Verlust beim Löffelstör aufgrund seines höheren Marktwertes wesentlich gravierender. Im Folgenden werden auf Grundlage der gesammelten Erfahrungen einige praktische Empfehlungen vorgestellt, um die Sterblichkeit des Löffelstörs unter realen Produktionsbedingungen zu reduzieren: •

Bei der Abfischung sind die eingesetzten Arbeiter bislang mehr an Karpfen gewöhnt, der ein sehr viel widerstandsfähigerer Fisch als der Löffelstör ist. Es sollte jedoch höchste Sorgfalt bei der Handhabung von Löffelstör angewendet werden. Dies betrifft sowohl die Kescherhandhabung als auch das Sortieren. Die Arbeitskräfte sollten für die Eigenarten der neuen Art aufgeklärt und sensibilisiert werden.



Besondere Sorgfalt ist bei der Kescherhandhabung und der Konzentrierung der Fische notwendig. Der Löffelstör verheddert sich leicht mit seinem Maul in den Zugnetzen, die zur Abfischung verwendet werden. Der bewegungsunfähige Fisch kann so ersticken. Es sollten Netze mit entsprechend kleinen Maschen verwendet werden, um das Verheddern zu verhindern.



Auch eine zu lange Aufbewahrung im Zugnetz zusammen mit anderen Arten kann dazu führen, dass der Löffelstör erstickt. Dies gilt insbesondere dann, wenn zwischen aufeinander folgenden Fischtransporten eine Pause entsteht.



Nach der Abfischung werden die Fische in Frischwasser gehalten, um die Kiemen auszuspülen. Der Löffelstör braucht hier mehr Platz zum Schwimmen als der Karpfen, da er keine Kiemendeckel zur Verfügung hat, die den Durchfluss des Wassers durch die Kiemen zu ermöglichen.



Wegen der verlängerten Form des Rostrums passen Löffelstöre nicht in die meisten Handnetze. Hier werden deshalb oft das Rostrum oder die Kiemen beschädigt. Deswegen sollten Handnetze von ausreichender Größe verwendet werden, um Verletzungen am Körper oder Kiemen zu vermeiden



Junge Löffelstöre sind eine leichte Beute für fischfressende Vögel. Daher müssen Teiche, die mit Löffelstören von 300-500 g besetzt sind, gegen die Vögel mit Netzen geschützt werden.

7.2.3. Ökologische Leistung Filtrierende Fischarten wie der Löffelstör verstärken die Primärproduktion des Ökosystems Teich. Wegen dieser gesteigerten Produktivität des Teichs und den unterschiedlichen Nahrungsnischen der verschiedenen Fischarten, wurde die Gesamtproduktion in Polykultur im Vergleich zu Monokultur beinahe verdreifacht. Auch auf hydrochemische und physikalische Wasserparameter wie Sichttiefe und Chlorophyll-Konzentration, die von der Planktonproduktion abhängen, hat der unterschiedliche Fischbesatz einen großen Einfluss. Auch die durchschnittliche Konzentration von gelöstem Sauerstoff in Monokultur war niedriger und instabiler als bei den Versuchsvarianten in Polykultur. Filtrierende Fischarten reduzieren das Risiko einer unkontrollierten Ausbreitung von Zooplankton und gewährleisten auf diese Weise ein konstanteres Sauerstoffniveau im Teich. Zooplanktonorganismen ernähren sich nämlich von autotrophen Algen, die wiederum für die Sauerstoffproduktion im Teich und damit für die Primärproduktion verantwortlich sind. Das Futterverhalten des Karpfens wirkt sich ebenfalls positiv auf die Primärproduktion aus. Da der Karpfen bei der Nahrungsaufnahme den Gewässergrund durchwühlt, verursacht er eine effiziente Aufwirbelung von Bodensedimenten und sorgt auf diese Weise für einen besseren Nährstoffaustausch. Nachdem in diesem Modul keine anderen Pflanzen oder Tiere außer dem Fisch genutzt werden, kann ausschließlich der Fischzuwachs für die genannten Unterschiede zwischen den Versuchsvarianten verantwortlich sein. Die überschüssigen Nährstoffe werden vor allem im Bodensediment abgelagert. Diese 50/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Polen können bei der Abfischung (durch mechanische Aufwirbelung) ins Ablaufwasser gelangen und so zur Eutrophierung der natürlichen Gewässer beitragen. Eine verbesserte Nährstoffverwertung wie in der Polykultur eliminiert dieses Phänomen zwar nicht, reduziert es aber beträchtlich.

7.2.4. Wirtschaftliche Leistung Der Einsatz des Löffelstörs in der traditionellen Karpfenwirtschaft ist eine mögliche Lösung, um deren Rentabilität zu erhöhen. Da das Fleisch des Löffelstörs dem anderer Störarten ähnlich ist, kann davon ausgegangen werden, dass es mittelfristig von den Verbrauchern ähnlich geschätzt und den entsprechenden hohen Preis erreichen wird. Außerdem liefert der Löffelstör sehr guten und wertvollen Rogen (Kaviar). Mit der Versuchsvariante 'Polykultur-Karpfen' kann der Fischbesatz mit Löffelstör, Karpfen, Silberkarpfen und Graskarpfen ohne zusätzliche Fütterung ähnliche Zuwachsraten erreichen wie in der reinen Karpfenmonokultur mit Getreidefütterung. Während in der Monokultur die Kosten für Weizen und Mais bezahlt werden müssen, wird in der hier vorgestellten Polykulturvariante ausschließlich kostenloser landwirtschaftlicher Dünger verwendet. Diese Einsparung der Futterkosten sowie die höheren Marktpreise für den erzeugten Fisch bringen wesentliche wirtschaftliche Vorteile für die die Versuchsvariante 'PolykulturKarpfen' im Vergleich mit der traditionellen Monokultur. Eine wirtschaftliche Bewertung der Polykultur muss allerdings auch den höheren Arbeitsaufwand insbesondere bei der Abfischung berücksichtigen. Auch für das Sortieren der Fische werden mehr Arbeitsstunden benötigt. Zusätzliche Ausrüstung, z.B. für Netze, Handhabung, Transport und Hälterung des Löffelstörs, können außerdem notwendig sein.

7.2.5. Empfohlener Fischbesatz Basierend auf den bereits genannten Ergebnissen kann ein Fischbesatz mit Löffelstör generell empfohlen werden. Für eine semi-extensive Zucht in Karpfenteichen ohne zusätzliche Fütterung und Verwendung von landwirtschaftlichem Dünger können folgende Empfehlungen getroffen werden: •

Der Fischbesatz kann bei allen verwendeten Arten in verschiedenen Altersgruppen erfolgen. Es müssen jedoch einige grundlegende Voraussetzungen erfüllt sein (siehe Tabelle 31).



Eine effiziente Aufwirbelung der Bodensedimente, die für eine effiziente Nährstoffzirkulation in der Wassersäule sorgt, setzt einen ausreichenden Besatz mit Bodentierfressern voraus. Deshalb ist der Besatz mit Karpfen insbesondere im zweiten und dritten Zuchtjahr von Vorteil.



Die Besatzdichte sollte sich an der geplanten Düngungsintensität und der Fruchtbarkeit des Teichs orientieren. Der geschätzte Zuwachs von Karpfen in einem Teich, der pro Saison mit 40 kgP/ha und 240 kgN/ha gedüngt wird, beträgt 450 kg/ha.



Die Besatzdichte und die Stückmasse müssen nach dem erwünschten Endgewicht errechnet werden.



Beim Löffelstör kann ein Zuwachs von ca. 600 kg/ha und eine Stückmasse von 1750 und 3500 g nach der zweiten bzw. dritten Zuchtsaison erwartet werden. Die Besatzdichte des Löffelstörs, die in Tabelle 31 dargestellt wird, basiert ausschließlich auf der Wachstumsleistung, die in den Versuchen von SustainAqua gemessen wurde. Diese Werte bestimmen nicht das maximale Wachstumspotenzial des Löffelstörs unter Produktionsbedingungen.

Fischart

Geschätzter Fischzuwachs

Erwünschtes Endgewicht

Stückmasse

Besatzdichte

[kg/ha]

[kg/ind]

[kg/ind]

[ind/ha]

Karpfen

Löffelstör

Silberkarpfen Graskarpfen

400

0,3

0,05

1 600

400

1,2

0,2

400

600

1

0,1

667

600

2

1

600

600

3

2

600

70

1,5

0,5

70

70

0,5

0,1

175

100

1,5

0,5

100

100

0,5

0,1

250

Tabelle 31. Beispiel für Planung der Bestandsdichte

7.2.6. Maßgebliche Einschränkungen bei der Löffelstörzucht Trotz der vielen positiven Aspekte im Zusammenhang mit der Löffelstörzucht gibt es auch einige Einschränkungen, die es zu berücksichtigen gilt: 51/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Polen •

Besatzmaterial: Derzeit wird der Löffelstör in Polen nicht kommerziell reproduziert. Sämtliches Besatzmaterial wird als befruchtete Eier oder Brut importiert. Dies ist der Hauptgrund für den hohen Preis des Besatzmaterials. Der Preis liegt derzeit bei ca. 8 € pro 100 g Fisch. Allerdings vermelden einige polnische Fischfarmen Fortschritte bei der Reproduktion. Sobald der Löffelstör kommerziell reproduziert werden kann, werden die entsprechenden Preise merklich fallen. In der EU wurde eine erfolgreiche Reproduktion von Löffelstör bereits aus der Tschechischen Republik und aus Rumänien gemeldet.



Neue Techniken erforderlich: Die Einführung neuer Fischarten verlangt nach neuen Techniken, die hauptsächlich mit der Handhabung des Fischs und der Ausbildung der Arbeitskräfte bei der Abfischung zusammenhängen. Die wichtigsten Empfehlungen sind in den vorangegangenen Kapiteln bereits aufgelistet.



EU-Gesetzgebung: Der Löffelstör ist in Europa eine nicht heimische Art. Die EU-Gesetzgebung beschränkt die Einführung neuer Arten in die Aquakultur. Folglich kann die Zucht von Löffelstör in der EU auf Schwierigkeiten stoßen. Allerdings räumt die EU-Richtlinie den Mitgliedsstaaten gewisse Freiräume bei der Umsetzung in nationales Recht ein. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass auch andere Fischarten, die in Polen und anderen EU-Staaten produziert werden, im Sinne der Richtlinie nicht heimisch bzw. gebietsfremd sind. Bei den Arten, die im Modul Polykultur genutzt werden, gilt nur die Schleie als einheimisch. Der steigende Bedarf an Aquakulturprodukten in der EU könnte jedoch die Entwicklung von Technologien forcieren, die die Produktion von nicht heimischen Arten wie dem Löffelstör ohne negative Auswirkungen auf die Umwelt bzw. Artenvielfalt ermöglichen.



Markt für Lebendfisch: Der Löffelstör ist keine etablierte Art auf dem EU-Fischmarkt. Dies gilt insbesondere für Polen, aber auch für andere Länder. Das lange Rostrum macht den Fisch zwar einerseits interessant, aber die meisten Verbraucher mögen das Aussehen des Fischs nicht. Der Gesamteindruck des Löffelstörs kann die Nachfrage und den Wert negativ beeinflussen. Der Verkauf 1 von lebendem oder lediglich ausgenommenem Fisch wird dementsprechend keinen größeren Markt finden. Allerdings ist eine bescheidene, aber konstante Nachfrage nach dem ganzen Fisch zu erwarten.



Verarbeitung: Der Löffelstör sollte entsprechend vor allem als verarbeitetes Produkt auf dem Markt angeboten werden. Allerdings sind bei der Verarbeitung wegen der ungewöhnlichen Gestalt des Löffelstörs bestimmte technische Schwierigkeiten zu erwarten. Es stehen keine oder nur sehr dürftige Informationen im Bezug auf die Verarbeitung und die Qualität des Endprodukts zur Verfügung. Es gibt ebenfalls keine wissenschaftlichen Informationen über die Haltbarkeit oder Verbrauchervorlieben.



Preise: Der Einzelhandelspreis hängt stark vom Preis für das Besatzmaterial und von der Akzeptanz durch den Verbraucher ab. Allerdings kann man wegen der Ähnlichkeit der Fleisch- und Rogenqualität mit anderen Störarten von einem ähnlich hohen Preis ausgehen.



Verbraucherbewusstsein: Das steigende Bewusstsein der Verbraucher bezüglich artgerechter Tierhaltung ist ein wesentlicher Faktor. Jede Art stellt eigene Anforderungen an ihre Umwelt. Der Löffelstör entwickelte sich zwar hinsichtlich Wachstumsrate in den hier durchgeführten Versuchen sehr gut. Allerdings entsprechen Fischteiche nicht seinem natürlichen Lebensraum. Die Umweltbedingungen in einem Karpfenteich könnten für den Löffelstör suboptimal sein. Das Gleiche betrifft die Handhabung und den Transport des Löffelstörs. Auch dieses Thema bedarf weiterer Forschung.

1

Die Abgabe von lebendem Fisch an Endverbraucher (Schlachten zu Hause) ist in Deutschland verboten.

52/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Polen

7.3. Nutzung von Nährstoffen aus landwirtschaftlichen Reststoffen in der Teichwirtschaft: Modul KASKADE in Polen 7.3.1. Allgemeine Beschreibung Die fortschreitende Spezialisierung der Landwirtschaft in Mitteleuropa führt zu einer starken Intensivierung und Konzentration in der Tierproduktion. In diesen Großbetrieben besteht keine Möglichkeit mehr, überschüssige Nährstoffe betriebsintern für andere Produktionsabläufe zu nutzen. Die Entsorgung von Gülle wird wegen gesetzlicher Auflagen und technischer Einschränkungen zunehmend zum Problem. Für ein kostengünstiges, nachhaltiges, umweltfreundliches und leicht anwendbares Verfahren zur Nutzung von Gülle gäbe es ein großes Anwendungspotenzial. In einem Fischteich laufen viele unterschiedliche biochemische Prozesse ab, die auch durch das unterschiedliche Fressverhalten der Fische beeinflusst werden können. Energie- und Nährstoffquelle kann dabei z. B. auch Gülle aus der Tierhaltung sein, die durch die verschiedenen Stoffkreisläufe im Ökosystem Teich schließlich als natürliche Fischnahrung dient. Zunächst erfolgt die Umwandlung der Gülle in anorganische Nährstoffe (Mineralisation), die wiederum den Pflanzen und Algen für ihr Wachstum zur Verfügung (Primärproduktion) stehen und die Nahrungsgrundlage für das Ökosystem Teich bilden. Die Kombination von Tierhaltung und Aquakultur ist ein Schritt in Richtung der integrierten Landwirtschaft. Die Nutzung von Ressourcen, die im selben Betrieb erzeugt und verwendet werden, ist ein wichtiger Bestandteil der Nachhaltigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebs. Die hier vorgestellte Lösung ist hauptsächlich für kleine Tierhaltungsbetriebe relevant, die ökologisch wirtschaften oder ihre Nachhaltigkeit verbessern möchten. Ein Durchflusssystem, das aus mehreren Fischteichen besteht und mit Frischwasser versorgt wird, verbraucht große Mengen an Stickstoff, Phosphor und organischen Substanzen. Ein beachtlicher Anteil dieser Verbindungen wird im Teich zurückgehalten oder in Gase umgewandelt. Der Nährstoffaustrag während einer Zuchtsaison ist so wesentlich geringer als der Eintrag. Neben diesen ökologischen Vorteilen kann die Fischproduktion außerdem eine zusätzliche Einnahmequelle bedeuten.

7.3.2. Grundprinzipien des Moduls

Wasser [kg/ha]

C

402,5

144,3

546,8

N

39,7

78,2

117,8

P

16,3

1,1

17,4

Tabelle 32: Nährstoffzufuhr Frischwasser in die Kaskade

durch

Gülle

POLYKULTURTEIL „C”

XXXXX Netz XXXXX XXXXX Netz XXXXX FILTRIERERTEIL „B”

SEDIMENTATIONSTEIL „D”

Abb. 12: Schematische Darstellung des Kaskadensystems

Die Teiche wurden mit Frischwasser versorgt, bei einem durchschnittlichen Zufluss von 4,23 l/s·ha 3 (15,3 m /h·ha). RinderGülle Gülle wurde zwei Mal die Woche in den Zooplankton-Abschnitt der Kaskade eingeleitet. Während der Saison wurde das System 3 3 mit 25 m /ha (7,5 m pro Abschnitt) bzw. mit 571 kg/ha versorgt. Die Menge der in die Kaskade eingeleiteten Nährstoffe wird in Tabelle 32 dargestellt.

Gesamt [kg/ha]

Gülle [kg/ha]

ZOOPLANKTONTEIL „A”

Abfluss

Nährstoff

Wasser

Nährstoffquelle

Jauche

Das hier vorgestellte Modul besteht aus einem Durchflusssystem mit vier Teichabschnitten, die ähnlich einer Kaskade miteinander verbunden sind. Die einzigen externen Nährstoff- und Energiequellen sind Frischwasser und Gülle als organischer Dünger. Diese organischen und mineralischen Verbindungen sind verantwortlich für die Erzeugung von Plankton, das den Fischen als natürliche Nahrung dienen soll. Das Modul ist so entworfen, dass jeder Teil der Kaskade durch die verschiedenen ökologischen und biochemischen Prozesse einen Teil der Nährstoffe nutzt. Die Versuchsanordnung bestand aus zwei identischen Teichen mit natürlichem Untergrund (ohne Folie), die durch eine Leitung miteinander verbunden waren (35 m Länge, ØIN 15 cm, Gesamtareal 0,3 ha). Jeder Teich war durch ein Netz (3x3 cm) in zwei Teile unterteilt, wodurch sich insgesamt vier Abteilungen ergaben (siehe Abb. 12). Jedem Abschnitt kam in dem konstruierten Kaskadensystem eine andere Aufgabe zu (siehe Tabelle 33 auf der nächsten Seite).

und

53/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Polen Teil des Systems A Abschnitt 'Zooplankton'

Beschreibung • Zufuhr von Gülle • Organische Substanz aus der Gülle Hauptenergiequelle für die Entwicklung von Zooplankton und Bakterioplankton • Kein Fischbesatz • 33% der Kaskadenfläche

B Abschnitt 'Filtrierer'

• Fischbesatz: Filtrierer zur Nutzung des Planktons, das in Abschnitt A erzeugt wurde • 17% der Kaskadenfläche

C Abschnitt 'Polykultur'

• Fischbesatz: Polykultur mit Karpfen, Marmorkarpfen, Silberkarpfen und Graskarpfen • Nährstoffe und Fisch zur Nutzung des Planktons, das in Abteil A erzeugt wurde • 25% der Kaskadenfläche

D Abschnitt 'Sedimentierung'

• Dient als Sedimentfalle für gelöste Feststoffe aus Teil C • 25% der Kaskadenfläche

Tabelle 33: Rolle der entsprechenden Abschnitte des Kaskadensystems

Haupteigenschaften der in den Versuchen verwendeten Gülle Um eine effiziente Umwandlung der Nährstoffe und Energie in Biomasse zu erreichen, ist biologisch leicht abbaubares, organisches Material notwendig. Aus vielen Gründen wird Gülle bereits seit Jahrhunderten als Nährstoffquelle in Fischkulturen verwendet: (1) sie ist relativ billig, (2) vor Ort verfügbar, und (3) geeignet für eine Reihe von Fischarten in einer Polykultur. Dazu kommt, dass in jüngster Zeit das Ausbringen von Gülle auf landwirtschaftlichen Flächen gesetzlich begrenzt worden ist. Die meisten Fischteiche in Polen liegen in ländlichen Gegenden, in denen die Tierhaltung als landwirtschaftliche Nutzung dominiert. Die Entsorgung der Gülle wird hier zu einem zunehmenden Problem. Rinder- und Schweinegülle sind für die Anwendung in der Teichwirtschaft als Energie- und Nährstoffquelle für Zooplankton gut geeignet. Parameter Einheit Wert Die Zusammensetzung der Gülle, die für die Versuche im Modul Kaskade ausgewählt wurde, wird in Tabelle 34 Trockenmasse (DM) [%] 8,0 veranschaulicht. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass Gülle Stickstoff gesamt (N) [%DM] 0,48 sich in ihrer Zusammensetzung und Qualität während einer Phosphor gesamt (P) [%DM] 0,15 Produktionssaison je nach Art, Größe und Alter der Tiere, die Potassium (K) [%DM] 0,26 die Gülle liefern, sowie in Abhängigkeit von deren Futter- und 3 Wasseraufnahme sowie anderer Umweltfaktoren ändern BSB5 [gO2/dm ] 5,0 3 kann. Deshalb muss die Analyse der zugeführten Gülle CSB [gO2/dm ] 14,0 während der Anwendung regelmäßig wiederholt werden. Tabelle 34: Zusammensetzung von gemischter Rinder-/SchweineGülle (~50:50)

7.3.3. Bewertung des Moduls anhand der SustainAqua-Nachhaltigkeitsindikatoren Das Modul Kaskade wurde in zwei aufeinander folgenden Jahren untersucht. Die vorläufige Datenauswertung der Versuchsanordnung von 2007 ergab allerdings unbefriedigende Ergebnisse. Deshalb wurde 2008 die Versuchsanordnung neu gestaltet. In beiden Saisonen wurden die Versuche mit zweifacher Wiederholung angesetzt, um die Genauigkeit der erhaltenen Daten sicherzustellen. Die Zuchtsaison wurde in fünf Zeitabschnitte zu je vier Wochen eingeteilt (Beginn 12. Mai). Gülle wurde nur in den ersten vier Perioden zugeführt. Aufgrund der Lichtverhältnisse und eines beträchtlichen Temperatursturzes in der letzten Periode konnte kein zusätzliches organisches Material eingeleitet werden, um Sauerstoffmangel im Teich zu verhindern. Wasserzulauf: l/kg Produkt Die Wasserzufuhr diente primär dazu, die Nährstoffe in den verschiedenen Teichabschnitten zu 'transportieren'. Als Nährstoffressource spielte das Wasser selbst keine Rolle. Die Wasserzufuhr, die zur 3 Fischproduktion notwendig ist, wurde berechnet und auf 66,9 m /kg Fisch geschätzt. Wasserablauf: l/kg Produkt Das gleiche Prinzip wie oben gilt für die Berechnung des Wasserabflusses. Die Differenz zwischen Zufuhr und Abfluss entsteht durch Versickerung, Evapotranspiration und Regenwasser. Der Wasserabfluss vom 3 System wurde auf 44,07 m /kg Fisch geschätzt.

54/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Polen Energieeffizienz Die hier vorgestellte Aquakulturtechnik benötigt keine zusätzliche Energie. Lediglich zum Transport des Fischs vor und nach der Zuchtsaison und zum Instandhalten der Aquakulturanlagen wurde fossile Energie genutzt. Wenn die Wasserversorgung des Systems nicht von der Gravitation übernommen werden kann, kann es notwendig sein, das Wasser über Pumpen in die Kaskade zu befördern. Wenn dies der Fall ist, kann der Energiebedarf hohe Kosten verursachen, um das Modul funktionsfähig zu erhalten.

Nährstoffaustrag Das Kaskadensystem wurde konstant mit Wasser versorgt. Folglich war trotz der hohen Retention von Stickstoff die Gesamtanreicherung an Nährstoffen hoch und erreichte 0,125 kg N und 0,018 kg P per kg produziertem Fisch.

400

Fischproduktion[kg/ha]

Fischproduktion Das Modul ist so angelegt, das prinzipiell nur überschüssige Nährstoffe aus der Landwirtschaft verwendet werden. In den Teichen kann so ein beachtlicher Fischzuwachs erzeugt werden. Trotz der vielen Variablen lässt sich die gesamte Fischproduktion auf 380 kg/ha schätzen. Eine Aufschlüsselung der Produktion (Fischzuwachs einer Saison) nach Fischarten wird in Abb. 13 dargestellt.

350

Stör

300 250

Löffelstör Karpfen

200

Marmorkarpfen

150

Silberkarpfen Graskarpfen

100 50 0

Abb. 13: Fischzuwachs im Kaskaden-Modul

Nährstoffverwertung Das Hauptziel des Moduls ist, Nährstoffe aus der Landwirtschaft zu verwerten. Zwei Hauptquellen von Stickstoff, Phosphor und organischem Kohlenstoff gingen in die Berechnungen ein: •

Frischwasser – In die Kaskade wurde konstant Flusswasser eingeleitet. Während des Untersuchungszeitraums (20 Wochen) wurde dadurch eine beträchtliche Menge an Nährstoffen in das System eingebracht. Insgesamt wurden 424 kgC/ha (organischer Kohlenstoff), 39,7 kgN/ha und 16,3 kgP/ha mit der Frischwasserzufuhr eingeleitet.



Gülle – Als Hauptquelle für die Stickstoffversorgung wurde zwei Mal die Woche Gülle in das System eingebracht. Insgesamt wurden 78,1 kgN/ha und 1,1 kgP/ha innerhalb von 20 Wochen eingeleitet.



Stickstoffbindung – Wie bereits im Modul Polykultur wurde diese Stickstoffquelle in den Berechnungen ausgelassen.

Der Rückhalt von Nährstoffen sowohl in der Fischbiomasse als auch in den verschiedenen Teichabschnitten ist von großer Bedeutung im hier vorgestellten Modul. Bezüglich der Fischbiomasse wurde nur die Retention von Stickstoff und Phosphor berücksichtigt (siehe Tabelle 35). Obwohl durch die Gülle auch ein großer Anteil an organischem Kohlenstoff eingeleitet wurde, wurde nicht untersucht, wie sich der Fischzuwachs diesbezüglich entwickelt hat. Der überwiegende Anteil an organischem Material, das in Fischbiomasse umgewandelt wird, stammt aus der Primärproduktion. Nach der Abfischung wurde die Menge an Stickstoff und Phosphor in der Fischbiomasse mit der Gesamtzufuhr dieser Verbindungen verglichen. Zufuhr [kg/ha·Saison]

Retention

Wasser

Gülle

TOTAL

kg/ha

%

Stickstoff

39,7

78,1

117,8

10,4

8,8

Phosphor

16,3

1,1

17,4

1,0

5,8

Tabelle 35: Nährstoffverwertung durch Fisch im Kaskaden-Modul

Während der Zuchtsaison hielt das Kaskadensystem beachtliche Mengen von Nährstoffen zurück. Die Konzentration aller gemessenen Parameter war nach dem letzten Kaskadenabschnitt kleiner als der Nährstoffeintrag zu Beginn. In den folgenden Abbildungen sind die Konzentrationen von organischem Kohlenstoff, Stickstoff und Phosphor bei Eintritt und Verlassen des Systems aufgeführt, aufgeteilt in Zeiträume von je vier Wochen (I bis IV) der Saison (16 Wochen insgesamt).

55/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Polen

org. Kohlenstoff [kg/ha]

70 60 50 40 Jauche

30

Wasserzufluss

20

Wasserabfluss

10 0 Zufluss Abfluss Zufluss Abfluss Zufluss Abfluss Zufluss Abfluss I

II

III

IV

Stickstoff [kg/ha]

Abb. 14: Vergleich des Gehaltes an org. Kohlenstoff im Zu- und Abfluss des Kaskadensystems

45 40 35 30 25 20 15 10 5 0

Jauche Wasserzufluss Wasserabfluss

Zufluss Abfluss Zufluss Abfluss Zufluss Abfluss Zufluss Abfluss I

II

III

IV

5,0 4,5 4,0 3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0

Jauche Wasserzufluss

I

II

III

Abfluss

Zufluss

Abfluss

Zufluss

Abfluss

Zufluss

Abfluss

Wasserabfluss Zufluss

Phosphor [kg/ha]

Abb. 15: Vergleich des Stickstoffgehalts im Zu- und Abfluss des Kaskadensystems

IV

Abb. 16: Vergleich des Phosphorgehalts im Zu- und Abfluss des Kaskadensystems

56/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Polen Der Nährstoffrückhalt wurde über die Differenz zwischen der gesamten Nährstoffzufuhr (Frischwasser und Gülle) und den während der Zuchtsaison ausgeleiteten Nährstoffen (basierend auf der Nährstoffkonzentration am Abfluss) berechnet. Die Ergebnisse werden in Tabelle 36 dargestellt.

Verbindung

Zufuhr

Rückhalt

[kg/ha]

kg/ha

%

C

571,61

291,44

50,99

N

117,85

88,72

75,28

P

17,33

8,64

49,86

Tabelle 36: Rückhalt von mit Frischwasser und Gülle Nährstoffwiederverwendung ins Kaskadensystem eingeleitetem C,N und P In diesem Modul wurde der Versuch unternommen, zusätzlich Nutzpflanzen zu produzieren. Allerdings scheiterte der Versuch an technischen Problemen. Die Eigenschaften des verwendeten Teichs förderten das Wachstum von unerwünschten Pflanzenarten mehr als das der erwünschten Arten. Trotzdem ist die Produktion von potenziell nützlichen Pflanzen, die vor Ort z.B. als Fischfutter verwertet werden könnten, möglich. Die Produktion von Azolla (Wasserfarn) als Futterpflanze für pflanzenfressende Fische und als alternative Stickstoffquelle kann in Betracht gezogen werden.

Produktivitätssteigerung pro Arbeitseinheit Die Einführung des Kaskadensystems verlangt zusätzlichen Arbeitsaufwand für die Wartung der Teiche und die Abfischung. Das System verbessert das Verhältnis Produktivität/ Arbeit nicht.

7.3.4. Erfolgsfaktoren und Einschränkungen Im hier vorgestellten Modul Kaskade wurde eine umweltfreundliche Technologie entwickelt, bei der organische Reststoffe aus anderen Zweigen der Landwirtschaft (Rinder- und Schweinebetriebe) für die Produktion von Fisch verwendet werden. Die hauptsächlichen Einschränkungen des Systems sind: •

Wasserbedarf: Das System verbraucht beachtliche Mengen Wasser, um einen Nährstoffdurchfluss durch die Kaskade zu gewährleisten. Sowohl die Wasserzufuhr als auch der Wasserabfluss in natürliche Gewässer kann in einigen Ländern beschränkt sein. Dies gilt insbesondere, wenn nur die Nährstoffkonzentration in Betracht gezogen wird und nicht die Differenz zwischen Zufuhr und Abfluss.



Die einwandfreie Funktion des entworfenen Systems ist auf ca. sieben Monate zwischen Frühjahr und Herbst beschränkt, wenn die Wassertemperatur hoch und die Sonneneinstrahlung intensiv genug ist, um die hydrobiologischen Prozesse auf einem ausreichend hohen Niveau zu halten.

7.3.5. Vorteile der Anwendung Zusammengefasst bietet das Modul folgende Vorteile: •

Die Teichkaskade kann als multifunktionales Segment eines integrierten Tierhaltungsbetriebs dienen.



Das Modul schafft Möglichkeiten zur Kostenreduzierung bei der Nährstoffrückhalt in einem kontrollierten Ökosystem in einer Teichkaskade.



Die vorgeschlagene Technologie vermindert die negativen Auswirkungen eines landwirtschaftlichen Betriebs auf die natürliche Umwelt.



Fisch wird durch die Nutzung überschüssiger Nährstoffe auf extensive Weise produziert.



Der Fisch, der mit natürlicher Nahrung gezüchtet wird, kann eine höhere ernährungsphysiologische Qualität aufweisen und wird deshalb möglicherweise von den Verbrauchern mehr geschätzt (siehe Kapitel 5).



Neben diesen Vorteilen bereichert ein Bau oder die Erhaltung eines Teichs die natürliche Umwelt auf verschiedene Weise, z.B. in Bezug auf die Förderung der Artenvielfalt, Stabilisierung des Grundwasserniveaus oder zusätzliche Wasserrückhaltung. Der Besitz von Teichen berechtigt den Landwirt möglicherweise auch zur Antragsstellung von EU- oder nationalen Subventionen im Bereich Umwelt- oder Naturschutz. Die Teiche, die als Kaskadensystem angelegt sind, können außerdem für den Sportfischfang genutzt werden und so eine zusätzliche Einnahmequelle schaffen.

57/116

Gülleentsorgung

durch

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Polen

7.4. Von der Fallstudie zur Fischfarm: Entwurf eines Kaskaden-Moduls 7.4.1. Zielgruppe und technologische Grundanforderungen Das hier vorgestellte Modul ist vor allem für kleine Tierhaltungsbetriebe geeignet, die ökologische Landwirtschaft betreiben und/ oder ihre Nachhaltigkeit weiter verbessern wollen. Die Möglichkeit, mit einem Fischzüchter zusammenzuarbeiten, sollte ebenfalls gegeben sein. Rinder- und Schweinehaltungsbetriebe, deren Gülle gesammelt und fermentiert wird, sind besonders gut geeignet von diesem Modul zu profitieren. Ein Betrieb, der an der Umsetzung des Kaskadensystems interessiert ist, sollte bereits im Besitz von Teichen oder in der Lage sein, Teiche anzulegen und mit Wasser zu versorgen. Das System ist landintensiv und braucht etwa 1 ha Teichfläche, um 150 kg organischen Kohlenstoff aus Gülle zu verwerten. Gleichzeitig muss das System mit einem Wasserdurchfluss versorgt werden, der eine hydraulische Rückhaltungszeit von ca. 45 Tagen ermöglicht.

7.4.2. Planungsparameter einer Kaskade •

Das untersuchte System wurde entworfen, um die Vorteile der Teichwirtschaft mit den Bedürfnissen eines Tierhaltungsbetriebs zu kombinieren und dabei Gülle zu nutzen.



Das Modul basiert auf einem Durchflusssystem mit vier Teichabschnitten, die ähnlich einer Kaskade miteinander verbunden sind und mit Frischwasser als Nährstoffträger versorgt werden.



Die einzigen Nährstoffquellen für den Teich sind Gülle und Frischwasser. Diese mineralischen und organischen Verbindungen sind verantwortlich für die Entwicklung von Biomasse in den entsprechenden Teilen der Kaskade.



Jeder Teichabschnitt ist für unterschiedliche Prozesse verantwortlich, die die Nutzung von überschüssigen Nährstoffen aus der Landwirtschaft auf verschiedenen Trophieebenen ermöglichen.

Das Plankton, das sich in den entsprechenden Teilen der Kaskade entwickelt, bildet die Nahrungsgrundlage für den gezüchteten Fisch. Die Fischproduktion kann eine zusätzliche Einkommensquelle darstellen. Um eine optimale Leistung zu erzielen, sollte die Anlage aus vier Abschnitten bestehen, die unterschiedliche Funktionen im System wahrnehmen. Die hier vorgeschlagene Kaskade ist in Abb. 17 dargestellt. Von der relativen Flächengröße, die für jeden Abschnitt angegeben wird, sollte nur geringfügig abgewichen werden. Bezüglich der Dimensionierung eines jeden Abschnitts gibt es zwar keine allgemeingültigen Grenzen, wegen des notwendigen Wasserdurchflusses durch das System sind jedoch längliche Formen zu bevorzugen. Das System kann sich aus zwei oder drei Teichen zusammensetzen. Die ersten beiden Abschnitte sollten allerdings jeweils im selben Teich untergebracht und nur durch ein Maschennetz voneinander •

A.

B. Abb. 17: Mögliche Anlage des Kaskaden-Systems: A-Zwei-Teich-System; B- Drei-Teich-System

58/116

SUSTAINAQUA HANDBUCH Fallstudie in Polen getrennt werden, um den Transfer von Zooplankton zu ermöglichen. Die nachfolgenden Abschnitte des Systems müssen nicht in einer Reihe aufeinander folgen. Die Verwendung von Leitungsrohren zwischen den Abteilungen B-C und C-D ist möglich. Jeder Abschnitt des Systems nutzt verschiedene Ressourcen und spielt in der Kaskade eine eigene Rolle: Abschnitt A – 'Zooplankton': Dieser Abschnitt wird direkt mit Frischwasser und Gülle versorgt. Die hydraulische Erneuerungszeit sollte bei zwei Wochen angesetzt werden, um die Entstehung von Zooplankton zu ermöglichen. Zooplankton und Bakterioplankton ernähren sich direkt von der organischen Substanz der Gülle. Wie bereits in Kapitel 7.2 erklärt, hemmt eine unkontrollierte Ausbreitung von Zooplankton die Entwicklung von Phytoplankton und führt so zu einer minimalen oder negativen Nettoprimärproduktion. Die Sauerstoffkonzentration im Teich (v.a. durch die Frischwasserzuvor gewährleistet) muss mindestens zweimal so hoch sein wie der organische Kohlenstoff (v.a. aus der Gülle), um aerobe Bedingungen im Teich erhalten zu können. Diese Voraussetzung ist der primäre begrenzende Faktor für die Nutzung von Gülle in Fischteichen. Abschnitt A sollte generell nicht mit Fischen besetzt werden. Lediglich der Besatz mit kleinen (20-30 kg/ha) bodenorientierten Fischarten ist in Betracht zu ziehen. Der Fischbesatz darf jedoch keine Resuspension des Bodensediments verursachen. Deshalb sind junge Störe (