N e w s l e t t e r z u r S t u r z p r ä v e n t i o n

n e w sl e t t e r N e w sl e t t e r z u r S t u r z p r ä v e n t i o n im P f l e g e h e im Das bayern-projekt Sehr geehrte Mitarbeiterinnen und ...
Author: Julian Brahms
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n e w sl e t t e r

N e w sl e t t e r z u r S t u r z p r ä v e n t i o n im P f l e g e h e im Das bayern-projekt Sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wir freuen uns, dass Sie soeben den ersten Newsletter Sturzprävention in Ihren Händen halten. Dieser Newsletter erscheint begleitend zum Sturzpräventionsprojekt der AOK Bayern, an dem die Pflegeeinrichtung, in der Sie arbeiten, teilnimmt. Er richtet sich an alle, die an der täglichen Versorgung der Pflegeheimbewohner beteiligt sind. Unser Ziel ist es, Sie als Mitarbeiter so zeitnah wie möglich über Aktuelles auf dem Gebiet der Sturzprävention zu informieren. Wir wollen Ihnen Erfahrungen aus dem laufenden Projekt weitergeben, Sie über wichtige Termine wie z.B. Trainerschulungen informieren oder Sie über den aktuellen Stand der Wissenschaft unterrichten. In diesem Newsletter z.B. präsentieren wir Ihnen ganz neue Erkenntnisse, die eine Abhängigkeit zwischen dem Aufnahmezeitpunkt ins Heim und dem Hüftfrakturrisiko zeigen.

Herausgegeben wird der Newsletter Sturzprävention von Wissenschaftlern des Robert-Bosch-Krankenhauses Stuttgart und der Universitäten Ulm und Leipzig, die jeweils an der Evaluation des Projekts beteiligt sind, sowie von der AOK Bayern. Der Newsletter Sturzprävention soll bis zum Jahr 2010 etwa halbjährlich erscheinen und wird Ihnen kostenfrei zur Verfügung gestellt. Wir würden Sie bitten, den Newsletter Sturzprävention möglichst vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Ihrem Pflegeheim zugänglich zu machen. Weitere Exemplare können Ihnen auf Anfrage zugeschickt werden. Jetzt aber wünschen wir Ihnen zuerst einmal eine interessante Lektüre!

Mit freundlichen Grüßen Ihr Redaktionsteam

newsletter JULI 08



n e w sl e t t e r

Frakturen effektiv vorbeugen D r . K i l i a n R a p p, U n i v e r s i t ä t U l m

Die ersten Wochen sind entscheidend

Das Heim als unbekanntes Neuland

Was können wir tun?

In den ersten Tagen und Wochen nach ihrer Aufnahme in das Pflegeheim ist für Heimbewohner das Risiko am höchsten, eine Hüftfraktur1 zu erleiden. Mit jedem Tag aber, den die Pflegebedürftigen im Heim wohnen, nimmt dieses Risiko wieder ab. Diese erstaunliche und weltweit bisher noch nie beschriebene Tatsache ließ sich jetzt an Daten der AOK Baden-Württemberg beobachten (Abbildung 1). Besonders deutlich zeigt sich dieses Phänomen bei Frauen. Man muss sich einmal klar machen, dass sich etwa ein Viertel aller Hüftfrakturen in den ersten drei Monaten des Aufenthalts im Pflegeheim ereignen. Und noch eine bedeutende Erkenntnis ließ sich aus dem weltweit größten ausgewerteten Datensatz von Pflegeheimbewohnern gewinnen: auch die Pflegestufe, mit der jemand in das Heim aufgenommen wird, gibt einen wichtigen Hinweis auf die Gefahr einer Hüftfraktur; bei Pflegestufe 1 ist das Risiko am höchsten, bei Pflegestufe 3 dagegen am niedrigsten. Diese Beziehung gilt bei Frauen wie bei Männern gleichermaßen (Abbildung 2). Können diese wissenschaftlich neuen Erkenntnisse, die dem Fachpublikum in Kürze im renommierten Journal of Bone and Mineral Research vorgestellt werden, uns helfen, den Frakturen in Pflegeheimen wirksam vorzubeugen?

Bevor wir Maßnahmen ergreifen, sollten wir einen Blick auf mögliche und denkbare Ursachen werfen. Warum nun ist das Risiko gerade in den ersten Wochen nach Aufnahme so hoch? Hier könnten Probleme der Eingewöhnung und Orientierung in einer völlig neuen Umgebung nach oftmals langen Jahren in der vertrauten Atmosphäre des vorherigen Zuhauses eine Rolle spielen. Räumliche Verhältnisse sind noch unbekannt, notwendige Laufwege (z.B. zur Toilette) sind nicht vertraut, Licht- oder Klingelknöpfe werden nicht gefunden. Es ist bekannt, dass viele Stürze im Heim bei Transfers, wie z. B. dem Aufstehen vom Bett geschehen. Dass diese Stürze sich unmittelbar nach der Aufnahme ins Heim häufen, ließe sich leicht erklären: Betten stehen in ungekannter Position, die Betthöhe ist neu und ungewohnt, verinnerlichte Hilfsgriffe fehlen. Und dies nach Jahrzehnten, in denen man wahrscheinlich in immer gleicher Weise und auf immer derselben Seite aus seinem Bett aufgestanden ist. Mit Umzug in das Pflegeheim wird dieses vertraute Land gegen ein herausforderndes Neuland eingetauscht, oftmals noch zu einem Zeitpunkt der Schwächung und Verunsicherung nach Krankenhausaufenthalt. Gehört ein neuer Bewohner / eine neue Bewohnerin dann dank einer niedrigen Pflegestufe auch noch zu den eher Mobilen, so sind sie grundsätzlich einer höheren Sturzgefahr ausgesetzt als Personen, welche durch höhere Pflegebedürftigkeit mehr an das Bett gebunden sind.

In vielerlei Hinsicht sind die ersten Wochen Pflegebedürftiger im Heim bedeutend und verlangen dem Pflegepersonal erhöhte Aufmerksamkeit und Fürsorge ab. Nach den eben beschriebenen Umständen aber sollte die Sturzprävention hier ihren festen Platz einnehmen, um das besonders hohe Risiko der ersten Zeit nach Möglichkeit aufzufangen. Wie aber kann das geschehen? Wir empfehlen hier folgende Maßnahmen: • Dem Thema Sturzprävention unmittelbar nach Aufnahme ins Pflegeheim einen zentralen Stellenwert einräumen; d.h. Durchführung einer ersten Fallkonferenz innerhalb der ersten 48 Stunden nach Eintreffen der neuen Bewohnerin / des neuen Bewohners. Die eingeleiteten Maßnahmen sollten dann in einer zweiten Fallkonferenz nach einer Woche überprüft werden. • Besonders gefährdeten Gruppen (mit Pflegestufe 1 und Stürzen in der Vergangenheit) das Tragen eines Hüftprotektors empfehlen und sie sofort mit Protektoren aus einem heimeigenen Pool anleiten, um die kritische Phase bis zur Anschaffung eigener Hüftprotektoren zu überbrücken. • Die Bettstellung und Betthöhe so gut wie möglich den alten Gewohnheiten der Bewohnerin / des Bewohners anpassen. Vielleicht lässt sich ja die vertraute Ein- und Ausstiegsseite auch im Pflegeheim ermöglichen? Hier gilt es auch zu bedenken, dass SchlaganfallPatienten oft eine Seite klar bevorzugen.

Der Begriff ‚Hüftfraktur‘ ist eine Sammelbezeichnung für hüftnahe Knochenbrüche des Oberschenkels. Ein Beispiel hierfür ist z.B. die Schenkelhalsfraktur. 1



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• Das Aufstehen vom Bett in den ersten Tagen zusammen mit der neuen Bewohnerin üben. Hierbei lässt sich auch gut die optimale Betthöhe ermitteln, die sodann im Pflegebericht vermerkt werden sollte. • Zu Beginn des Aufenthaltes im neuen Umfeld ruhig öfter mal Begleitung, etwa zur Toilette, anbieten, die Nutzung von Licht- und Klingelknöpfen einüben und mögliche Gefahrenquellen erkennen. Manche der empfohlenen Maßnahmen führen Sie ohnehin durch. Hier ist es uns wichtig, dass das Thema Sturzprävention zeitlich an den unmittelbaren Beginn des Heimaufenthalts gerückt wird und andere Inhalte ggf. dann erst etwas später berücksichtigt werden. Es werden auch in Zukunft nicht alle sturzbedingten Frakturen im Pflegeheim verhindert werden können. Wir sind aber zuversichtlich, dass mit zunehmendem Wissen und dank Ihres Engagements sich die Rate an sturzbedingten Frakturen weiter senken lässt.

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Monate nach Aufnahme ins Heim Abbildung 1: Hüftfrakturrate in Abhängigkeit vom nach Heimaufnahme Abbildung 1: Hüftfrakturrate inZeitraum Abhängigkeit vom Zeitraum

Hüftfrakturen / 1000 Personenjahre Hüftfrakturen / 1000 Personenjahre

• Den Weg zur Toilette und zur Tür möglichst direkt gestalten und von Hindernissen freihalten.

Hüftfrakturen / 1000 Personenjahre Hüftfrakturen / 1000 Personenjahre

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Abbildung 02: Hüftfrakturrate in Abhängigkeit von der Pflegestufe bei Heimaufnahme

Abbildung 2: Hüftfrakturrate in Abhängigkeit von 3der Pflegestufe bei He 0 1 2 Pflegestufe

Abbildung 2: Hüftfrakturrate in Abhängigkeit von der Pflegestufe bei He newsletter JULI 08



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Erfahrungsbericht Sturzprävention C l a ud i a Sc h o d r o w s k i , S p o r t p ä d a d g o g i n MA .

Im Herbst 2006 tastete ich mich an dieses Projekt heran und belegte die dafür vorgesehenen Seminare „Sturzprophylaxe in vollstationären Pflegeeinrichtungen“. Da man mir so schnell kein x für ein u vormacht, testete ich vorab das erlernte Wissen in einer ambulanten Einrichtung. Ich wollte wissen, ob das Training in diesem Bereich und vor allem bei genannter Altersstruktur durchführbar ist. Schnell fand sich eine kleine Gruppe von 6 älteren Damen (Alter zwischen 70 und 85 Jahren), die bereitwillig etwas für sich tun wollten. Ich gestaltete die Stunden im Balancetraining vielseitig, setzte Tücher, Seile, Luftballone und Sandsäckchen ein, im Krafttrainingsbereich übte ich mit den Fußgewichtsmanschetten und Kurzhanteln. Alles war von der ersten Stunde an sofort umsetzbar. Die Teilnehmerinnen waren sehr motiviert und lernfähig, sie übten fleißig und mit viel Spaß an der Freude. Ein halbes Jahr verging und jeder Einzelne konnte deutlich sichtbare Erfolge verzeichnen. Die Gruppengröße war auf 10 bis 12 Personen angewachsen, die weitere Nachfrage war groß. Durch das Programm waren die Teilnehmer sogar fit und stabil genug, um im Raum Fußball und im Freien Federball spielen zu können. Das Projekt und ich hatten großen Erfolg. War nun aber ein Transfer des Trainingsprogramms zur vollstationären Pflegeeinrichtung möglich? Gelang eine derart positive Umsetzung auch in den Heimen?



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Im Frühjahr 2007 startete ich mit dem Training in 2 Pflegeheimen. Ich fand unterschiedliche Rahmenbedingungen und eine andere Altersstruktur vor. Neu war außerdem der Umgang mit Demenzkranken. Ich war hier auf die Mithilfe des Pflegepersonals angewiesen, die den Bring- und Holdienst der Senioren zur Trainingsstunde übernehmen sollten. Die Teilnehmer der Trainingsgruppen im Pflegeheim hatten grundsätzlich eine geringe körperliche Leistungsfähigkeit, waren praktisch alle bereits einmal oder mehrfach gestürzt und waren zum Teil dement. Es dauerte eine ganze Weile bis die Übungen einstudiert waren und dann auch umgesetzt werden konnten. Hier war viel Geduld meinerseits erforderlich. Dank der Unterstützung durch 2 Co-Trainerinnen aus dem Pflegepersonal war das Training innerhalb des ersten halben Jahres voll durchführbar und die Teilnehmer trainierten gerne mit den Gewichten. Sie freuten sich immer auf die nächste Stunde und übten mit viel Fleiß zweimal wöchentlich. Als Folge waren deutliche Verbesserungen hinsichtlich der allgemeinen Motorik und Sensorik zu erkennen. Auch der geistige und körperliche Allgemeinzustand verbesserte sich. Selbst die Rollstuhlfahrer erfreuten sich einer besseren Lebensqualität. Das Ergebnis war für mich äußerst zufrieden stellend und ich konnte guten Gewissens die Fortsetzung des Trainings den Co-Trainerinnen überlassen.

Das Training in einem weiteren von mir betreuten Pflegeheim entwickelte sich rascher, da dort die bessere Auffassungsgabe der Teilnehmer die Übungen vorantrieb. Jedoch stellte sich mir hier das Problem mangelnder Unterstützung von Seiten des Pflegepersonals und der Co-Trainer. So musste ich leider das Training mit der schnell anwachsenden Gruppe sehr häufig alleine durchführen. Aber auch hier konnte ich nach einem halben Jahr eine sehr positive Bilanz ziehen. Praktisch alle Teilnehmer erfuhren eine Verbesserung in verschiedenen Funktionsbereichen und ihre Lebensqualität stieg.

Mein Fazit: Das Kraft- und Balancetraining ist auch im vollstationären Bereich durchführbar und äußerst wirksam. Es führt zu einer deutlichen Verbesserung aller körperlichen und geistigen Aktivitäten und insgesamt gesehen zu einer besseren Lebensqualität. Es funktioniert aber nur im Team, d.h. wenn Einrichtung, Pflegepersonal und Trainer gut zusammenarbeiten. So gelingt meiner Ansicht nach eine 100%-ige Umsetzung des Programms nur dann, wenn alle für die Bewohner Verantwortlichen an einem Strang ziehen. Eines aber ist sicher: Die Senioren sind sehr dankbar für dieses Projekt. Sie betreiben gerne diese Art von Sport, auch noch im hohen Alter.

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Hüftprotektoren Ulrich Rissmann, Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart

Der Einsatz von Hüftprotektoren ist in den meisten Pflegeeinrichtungen fast schon zur Routine geworden. In vielen Fällen wird dabei Ihnen in der Pflege die Aufgabe zukommen, Heimbewohnern zum Einsatz von Hüftprotektoren zu raten.

Schützen Hüftprotektoren vor Frakturen? Untersuchungen bei Pflegeheimbewohnern in Norwegen fanden heraus, dass Stürze, die durch Hüftprotektoren geschützt waren, ein um etwa 60% niedrigeres Hüftfrakturrisiko hatten als Stürze, die nicht durch Hüftprotektoren geschützt waren. Das heißt, dass Hüftprotektoren sehr wohl in der Lage sind, sturzbedingte Hüftfrakturen zu vermindern. Oftmals stellt allerdings die Akzeptanz von Hüftprotektoren durch die Bewohner ein Problem dar. Nach unserer Beobachtung hängt die Akzeptanzrate jedoch ganz wesentlich davon ab, in welcher Weise die Beratung zum Tragen eines Hüftprotektors durchgeführt wurde. Dies deckt sich mit Erkenntnissen aus Norwegen. Dort war bei adäquater Beratung immerhin die Hälfte der beratenen Bewohner bereit, Hüftprotektoren über mindestens ein Jahr regelmäßig zu tragen. Hüftprotektoren im Schrank sind wertlos. Ein wichtiger Qualitätsindikator ist deshalb der Prozentsatz der Stürze, der bei Ihnen im Heim tatsächlich durch einen Hüftprotektor geschützt wird. Nach unserer Ansicht sollten dies 3050% aller Stürze sein.

Welche Zielgruppe soll erreicht und zu welchem Zeitpunkt soll der Hüftprotektor eingesetzt werden? Wie in diesem Newsletter an anderer Stelle ausführlich dargelegt, haben Bewohner in den ersten Monaten nach dem Heimeinzug ein deutlich erhöhtes Frakturrisiko. Besonders betroffen sind davon die noch mobileren Bewohner mit Pflegestufe I. Deshalb sollte diesen Bewohnern ohne Verzögerung das Tragen eines Hüftprotektors geraten werden. Eine weitere Hochrisikogruppe stellen Personen dar, die im letzten halben Jahr bereits ein- oder mehrfach gestürzt sind.

Wie begegne ich Widerständen gegen das Tragen von Hüftprotektoren? Hüftprotektoren sind für viele Bewohner neu und ungewohnt und werden deshalb gerne abgelehnt. Dann kann es sinnvoll sein, Bewohner und Angehörige dahin zu beraten, den Hüftprotektor zumindest während der besonders gefährlichen „Eingewöhnungszeit“ zu tragen. Eine Übereinkunft zwischen Ihnen und dem Bewohner, den Hüftprotektor vorübergehend zu tragen und dies nach einigen Wochen erneut zu überdenken, kann die Entscheidung des Bewohners für einen Hüftprotektor erleichtern. Personen nach Schlaganfall können möglicherweise damit überzeugt werden, dass die gelähmte „kranke“ Seite eines besonderen Schutzes bedarf. Da diese Personen fast ausschließlich auf die gelähmte Seite stürzen, ist es verantwortbar, nur diese Seite zu schützen und die Hartschale auf der gegenüberliegenden Seite zu entfernen. Dies ist für viele Bewohner nachvollziehbar und dürfte deren Akzeptanz für das neue Hilfsmittel erhöhen.

Woher nehmen wenn nicht stehlen? Hat sich ein neu aufgenommener Bewohner für das Tragen eines Hüftprotektors entschieden, ist es wichtig, diesen so schnell wie möglich mit einem Hüftprotektor auszustatten. Das gelingt freilich nur, wenn Ihre Einrichtung einige Hüftprotektoren vorrätig hat, die sie dem neu aufgenommenen Bewohner vorübergehend zur Verfügung stellen kann. Während der ersten Wochen kann dann der Erwerb eigener Hüftprotektoren in die Wege geleitet werden.

Die technische Entwicklung geht weiter In den vergangenen Jahren wurde die Entwicklung neuer Hüftprotektoren stets vorangetrieben. Bei getesteten Hüftprotektoren scheinen weiche und harte (mit Schalen) Protektoren in ihrer Schutzwirkung ebenbürtig zu sein. Beispiele für neuere Hüftprotektoren sind Gürtelprotektoren, die ein schnelleres Eingreifen ermöglichen, oder sogenannte „offene“ Modelle, die bei Personen mit Harninkontinenz von Vorteil sind. Für eine gute Beratung ist es deshalb wichtig, den für den jeweiligen Bewohner am ehesten passenden Protektor auswählen zu können. Sinnvoll ist es, dass in jeder Einrichtung eine oder mehrere Pflegefachkräfte hier „am Ball“ bleiben und sich z.B. auf Fortbildungen oder Messen über neue Entwicklungen in diesem Bereich informieren. Nutzen Sie also Ihre Beratungskompetenz! Sie tragen dazu bei, Ihre Bewohner vor Hüftfrakturen zu schützen.

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B e s t imm t e M e di k a m e n t e e r h ö h e n di e Sturzgefahr D r . K i l i a n R a p p, U n i v e r s i t ä t U l m Wissenschaftliche Ergebnisse Alle Studien, die den Einfluss bestimmter Medikamentengruppen auf das Sturzrisiko in jüngerer Zeit untersucht hatten, wurden kürzlich in einer Übersichtsarbeit miteinander verglichen1. Die eingeschlossenen Studien fanden, dass Schlafmittel (Benzodiazepine wie z.B. Adumbran2 oder Noctamid2), Antidepressiva (z.B. Saroten2 oder Zoloft2) und Neuroleptika (z.B. Eunerpan2, Haldol2 oder Risperdal2) das Sturzrisiko deutlich erhöhen. Blutdrucksenkende Medikamente können ebenfalls problematisch sein, nämlich dann, wenn z.B. nach dem Aufstehen der Blutdruck übermäßig abfällt.

Weshalb führen diese Medikamente zu einer erhöhten Sturzgefahr? Schlafmittel, Antidepressiva und Neuroleptika haben mehr oder weniger sedierende Effekte und haben damit Auswirkungen auf die richtige Einschätzung der gegebenen Situation, die Reaktionsfähigkeit, das Gangvermögen und die Körperbalance. Über Effekte auf die Kreislaufregulation wie z.B. einen Blutdruckabfall beim Aufstehen können Antidepressiva, Neuroleptika und Herz-Kreislauf Medikamente zusätzlich zur Sturzneigung beitragen.

Verhältnis von Nutzen und Risiko Grundsätzlich müssen bei der Gabe eines Medikaments immer Nutzen und potentielles Risiko gegeneinander abgewogen werden. Das Verhältnis von Nutzen und Risiko kann sich allerdings innerhalb kurzer Zeit ändern und sollte deshalb immer wieder hinterfragt werden. Bei Pflegeheimbewohnern ist der Hausarzt in besonderem Maße auf die Rückmeldung der Pflegenden angewiesen. Wenn Sie der Meinung sind, dass Medikamente, die z.B. aufgrund von Unruhezuständen einmal angesetzt wurden, reduziert oder abgesetzt werden können, dann scheuen Sie sich nicht, den Hausarzt des Bewohners darauf anzusprechen. Bei Bewohnern, die beim Aufstehen über starken Schwindel und „schwarz werden vor den Augen“ klagen, empfehlen wir, den Blutdruck einmal im Liegen und direkt nach dem Aufstehen zu messen und den Hausarzt darüber in Kenntnis zu setzen. Mit Ihrem Engagement tragen Sie zu einer Verminderung der Stürze und deren Folgen bei.

Hartikainen S, Lönnroos E, Louhivuori K. Medication as a risk factor for falls: critical systematic review. J Gerontol A Biol Sci Med Sci. 2007 Oct;62(10):1172-81. 1

Genannte Medikamentennamen sind nur Beispiele für die aufgeführten Medikamentenklassen und bedeuten nicht, dass genau für diese Medikamente Studien zur Sturzgefahr vorliegen. 2



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AO k - B a y e r n N e w s R e g i n a M e r k - B ä u m l , AOK B a y e r n

Schulungen der Co-Trainer Wie bei den Schulungen der MentorInnen und der KursleiterInnen angekündigt, werden wir in diesem Jahr die Co-TrainerInnen-Schulungen bereits vor der Sommerpause in der Zeit vom 25.06.2008 bis 31.07.2008 durchführen. Damit kann auch die häufige Vertretungsnotwendigkeit in den Sommerferien besser sichergestellt werden. Sie haben inzwischen alle von Ihren AOKKoordinatorInnen Termin und Schulungsort für Ihre MitarbeiterInnen mitgeteilt bekommen. Bitte machen Sie von dieser Schulungsmöglichkeit Gebrauch. Dadurch wird der Erfolg und die Nachhaltigkeit des Projekts Sturzprävention in Ihrer Einrichtung gesichert.

Aktuelle Ergebnisse der Sturzdokumentation 2007 Bayernweit kam es im Jahr 2007 aufgrund der eingesetzten Interventionsmaßnahmen zu einem Rückgang der Stürze, der Arztkontakte und der Krankenhauskontakte in den am Projekt beteiligten Pflegeeinrichtungen (siehe Abbildung).

Voraussetzung für eine aussagefähige Auswertung ist allerdings eine exakte Erfassung und Meldung aller Stürze über den gesamten Zeitraum. Bitte prüfen Sie deshalb, ob dies in Ihrer Einrichtung der Fall ist und sensibilisieren Sie ggf. Ihre MitarbeiterInnen nochmals zu einer gewissenhaften Sturzdokumentation.

Bayerischer Präventionspreis Das Projekt „Sturzprävention in vollstationären Pflegeeinrichtungen“ der AOK Bayern belegte den 2. Platz beim Bayerischen Gesundheitsförderungsund Präventionspreis 2007. In seiner Laudatio hob Prof. Gostomzyk besonders hervor, dass es diesem Projekt gelungen sei, den Mikrokosmos Pflegeeinrichtung mit dem Makrokosmos Krankenkasse zu verbinden und eine effiziente Zusammenarbeit zum Wohle der Betroffenen aufzubauen.

Steigerung der Teilnahmezahl am Projekt „Sturzprävention in vollstationären Pflegeeinrichtungen“ der AOK Bayern Bereits im ersten Jahr (2007) war die Resonanz mit einer Beteiligung von 256 vollstationären Einrichtungen sehr groß. Erfreulicherweise konnte im zweiten Jahr diese Zahl nochmals gesteigert werden. So kamen für das Projektjahr 2008 weitere 280 Pflegeeinrichtungen hinzu. Auch im Jahr 2009 sollen weitere 250 Pflegeeinrichtungen auf freiwilliger Basis in das Projekt aufgenommen werden. Insgesamt wurden in den Projektjahren 2007 und 2008 • über 500 Pflegeeinrichtungen beteiligt • über 600 MentorInnen geschult • ca. 550 KursleiterInnen qualifiziert • ca. 700 Co-TrainerInnen geschult Wir freuen uns auf eine weitere Zusammenarbeit!

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im p r e ssum

Redaktion

PD Dr. med. Clemens Becker, Robert- Bosch-Krankenha us Stuttgart

Dr. me d. Kilian Rapp, Instit ut für Epidemiologie, Universität Ulm

Prof. Dr. med. Hans- Helmut König, P rofess ur für Gesundheitsökonomie, Universität Leipzig

Kontakt Ulrich Rissmann, Robert- Bosch-Krankenha us Stuttgart E-mail: ulrich.rissmann@uni- ulm.de (Projekt-) Telefon: 0172 8011024 www.aok-gesundheitspartner.de www.aktivinjedemalter.de www.fit-in-jedem-alter.de 

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Newsletter Sturzprävention - Titelbild fotolia - roemergrafik.de - 5.000 - 07/2008

Regina M erk-Bäuml, AOK Bayern