MUSIK UND MENSCHENBILD: AUTONOMIE DES MENSCHEN IM NETZ VON INNERER UND ÄUSSERER FREIHEIT. Johann Götschl

„MUSIK UND MENSCHENBILD: AUTONOMIE DES MENSCHEN IM NETZ VON INNERER UND ÄUSSERER FREIHEIT“ Johann Götschl 6. Grazer Psychiatrisch-Psychosomatische Ta...
Author: Benjamin Straub
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„MUSIK UND MENSCHENBILD: AUTONOMIE DES MENSCHEN IM NETZ VON INNERER UND ÄUSSERER FREIHEIT“

Johann Götschl 6. Grazer Psychiatrisch-Psychosomatische Tagung Graz, 21. Jänner 2011

Positionen, die die Weltsicht durch Musik verändern:

These 1:

Das Erlernen der Sprache für die Erschließung des Weltund Selbstverständnisses werde durch die musikalische Rhythmik erleichtert

These 2:

Musik generiere die Erhöhung der Fantasieproduktion und damit einen Kern von kognitivem Gehalt

These 3:

Musik - da in erster kategorialer Mannigfaltigkeit „nonverbal“ - erhöhe die Ausgeglichenheit/Friedfertigkeit des Menschen

These 4:

Musik konstituiere eine Art „dynamisches Gleichgewicht“ zwischen „Rationalität“ – „Emotionalität“ – „Sozialisation“ – „Kommunikation“

These 5:

Musik helfe sicherzustellen, dass die qualitativen Grundlagen des Menschseins nicht durch quantitative Kategorien (Vermessungen des Menschen) gleichsam unbemerkt verschwinden

2

ad:

Zur Sonderstellung der Musik Ganzheitlichkeit und Transdisziplinarität: Psychische Zustände

Introspekton Reflexion

Musik als Prozess der Kybernetik 2. O.

Neurozustände

Verhalten

ComputerSimulation

3

ad:

Ganzheitlichkeit und Transdisziplinarität

Descartes Gegenwärtig

Ein Konvergenzzentrum kann gefunden werden Ein Konvergenzzentrum kann nicht gefunden werden Kognitiver Bereich

Emotionsbereich

Musterbildung (im neuronalen System/Gehirn)

Akkustischer Bereich

Visueller Bereich

Z.B. „Erwartung“ konstituiert eine Dynamik von Bereichen: z.B. ein Probleme zu generieren oder zu lösen

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Musik ad:

Ganzheitlichkeit, Interdisziplinarität und Interaktivität

Neuro System (Gehirn)

Mental System (Bewusstsein)

Vermutung: Es gibt nichts mehr hinter diesen Prozessen!!!!! Resümee:

Konvergenz zwischen den naturwissenschaft-lichen und geisteswissenschaftlichen Zugängen zum Menschen 5

Transdisziplinarität und Kreativität durch Musik

5 zentrale Quellen: 1.

Erleben mit Unbestimmtheit

2.

Erleben mit Zufallstruktur

3.

Zirkulare Kausalität durch Musik

4.

Rekursivität: Geschichtlich abhängig, aber nicht geschichtlich vorherbestimmt

5.

Vielfalt und Dichte der Kultur: Reduzierung der Unterscheidungen zwischen "Devianz" und "Normalität„ Zentral: Musikerleben ist signifikant unabhängig von Bildungs- bzw. Sozialisationsschichtungen 6

Transdisziplinäre Einheit von Rationalität und Emotionalität durch Musik

Ein "neues" Phänomen zeigt sich. Die integral-holistische Potentialität/ Funktionalität von Musik zur Kreation eines dynamischen Gleichgewichtes zwischen Rationalität und Emotionalität oder zwischen Kognition und Emotion: therapeutische Bedeutung emotionale Bedeutung

kognitive Bedeutung

Kulturelle Bedeutung Musik

Sozialisationsbedeutung

Sozioökonomische Bedeutung

Musik als ein Phänomen (Prozess) der erkennen lässt, dass die kognitiven und emotionalen Prozesse ganz „spezifisch“ nichtseparierbare“ Dimensionen darstellen) (→ Kreativität) 7

Aspekte: A1:

Klassische Rationalität / Dominanz des Quantitativen, geringe Freiheitsgrade für "Menschsein", Asymmetrie „Rationalität / Emotionalität„ (R E)

A2:

Direkte "strukturelle Koppelung" zwischen Musik und Neurosystem, indirekte über Sprachkategorien

A3:

Empfindungen vor Ideen, insb. musikalische Empfindungen Differenzierung und Fragmentierung später

A4:

Clash: Freiheitsgrade/klassische Rationalität versus Freiheitsgrade/nicht klassische Rationalität

A5:

Abschwächung von A4 durch nicht klassische Rationalität

8

Freiheitsgrade Kl. Rat.

Freiheitsgrade nicht kl. Rat.

Freiheitsgrade musikal. Rat.?

Determinismus

Indeterminismus (Unbestimmtheit)

?

I

Kein Zufall

Stochastik/Zufall

?

ST/Z

Fremdorganis.

SO

?

SO

Lin. Prozesse

nicht lin. Prozesse

?

n. lin. P

Eindeutigkeit

Mehrdeutigkeit

?

MD

Nicht-klassische Rationalität

Resumé: Konvergenz zwischen

Musik 9

Defragmentierungen der Welt durch Musik Charakteristikum I: Empirisch-evolutionäre Netzwerke – wie auch das mental-neuronale Netzwerk – haben weder (i) deterministisch-kausale, noch (ii) vollständig chaotische Strukturen; sondern: statistisch-kausale Strukturen, die Ausnahmen erlauben: Default-Regeln Descartes Gegenwart

Ein Konvergenzzentrum kann identifiziert werden Ein Konvergenzzentrum kann nicht identifiziert werden

Emotionaler Bereich

Akustischer Bereich

Kognitiver Bereich

Visueller Bereich

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Charakteristikum II: (i) die neuronale Aktivität wird von Zufallsgenerierung (randomizers) unterbrochen; (ii) diese Zufallsgenerierungen sind nicht "gleichwahrscheinlich", dies erklärt z.T. die nicht-kalkulierbare, nicht-lineare, höchst probabilistische Eigenschaft von musikalischer Kreativität: dass auch ohne externe "agents" musikalische Kreativität stattfinden kann (z.B. Mozart)

Vorläufiges Resümee: Wegen I und II und der Dominanz des Qualitativen von Musik liegt hierin das Potential für die Defragmentierung der Welt durch Musik = Basis für die Erzeugung eines dynamischen Gleichgewichts zwischen Rationalität und Emotionalität, Sozialisation und Kommunikation

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Musik als "Neue Anthropologie"? M kommt im klassischen Kanon von Anthropologie wenig vor.

Grundlegende Änderung:

Gem: Ch. Ontologische Neutralität

M M M M M M

im Diagnoseprozess im Therapieprozess im Sozialisationsprozess im Kommunikationsprozess im Kognitionsprozess (Lernen) im Sinngebungsprozess

Entscheidend: Ontologische Neutralität (Defragmentierung) erzeugt Ontologisches (Fragmentierung)

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M als attraktorisches Phänomen: M – Empfinden – Musikinhalt – begriffliche Repräsentation

(i) Nicht Separierbarkeit (ii) Zirkuläre Kausalität (iii) Dynamik der Semantik (iv) Evolutive Konstruktivität

Zwischenresümee

M vergrößert den Fantasieraum, erzeugt Modellwelten (implizit): "Es könnte auch alles Modellweltanders sein / werden" konstruktionen 13

Evolutionäre Konstruktion von innerer und äußerer Freiheit durch/in Musik?

In M repräsentieren wir uns in Richtung einer offenen evolutionären Dynamik, hin zu größeren Freiheitsgraden In M konstituieren sich Anstiege in der Dynamik und Komplexität von innerer und äußerer Freiheit:

Vermutung:

innere Freiheit

äußere Freiheit

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Begründungen für die Sonderstellung von Musik in der kognitiven Evolution: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Definition von Musik in binärer Logik nicht möglich Rationalisierung (= Informationsreduktion = inhaltliches Äquivalent von Musik nicht möglich äußere Freiheit repräsentiert ein Netzwerk von realen u. virtuellen Relationen bzw. Repräsentationen M ist keine Abstraktion von (kollektiver) Sprache / Wortinhalten (Sprach keine Historizität (M erzählt keine Geschichte) keine Repräsentation von Szenen / Situationen keine explizite Intersubjektivität keine explizite Normativität

Entscheidende Voraussetzung für Gewinn von Freiheitsgraden Resumè: Musik repräsentiert [Universales im Personalen] für personale Nähe (= Sozialisation) =Voraussetzung für Humanitätsgewinn

Voraussetzung 15

Resümee: Musik, Menschenbild und Transdisziplinarität:

(I) Musik ist weder (i) reduktionistisch noch (ii) soziobiologisch modellierbar, sondern eingebettet in monistisches (statt dualistisches) Systemdenken

(II) Aber: Musik ist ein immanenter/intrinsischer Bestandteil der kognitiven Evolution (Belege: Musikalität bei Kindern unter einem Jahr/Musikalität bei Erwachsenen ohne Musiktraining; archäologische Forschungsergebnisse/Instrumente) (III) Musik schafft dominant „mögliche“ Welten (Modalräume). Sie erhöht die Findung bzw. Identifikation von „Relevanzen“: Musik wirkt der dominant rational/quantitativen Rationalisierung der Welt qualitativ entgegen.

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