Moore – Bedrohung, Schutz und Regeneration
Ariel Bergamini, Eidgenössische Forschungsanstalt WSL, Biodiversität & Naturschutzbiologie,
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Inhalt Moortypen und ihre Enstehung
Biologie der wichtigsten Torfbildner – der Torfmoose Verbreitung und Gefährdung von Mooren
Schutz von Mooren in der Schweiz und aktuelle Probleme beim Moorschutz Regeneration von Mooren: Natur- und Klimaschutz
Mootypen und ihre Entstehung Was sind überhaupt Moore? • Nasse Lebensräume • Meist arm an Nährstoffen
• Unvollständige Zersetzung von Pflanzenresten (Sauerstoffmangel im Boden!), deshalb oft torfbildend • Spezialisierte, charakteristische Pflanzen- und Tierarten
Verschiedene Moortypen können unterschieden werden: Flachmoore, Hochmoore, Übergangsmoore
Mootypen und ihre Entstehung Definition Flachmoore (BUWAL 1990: Inventar der Flachmoore von nationaler Bedeutung): Unter Flachmoor versteht man jenes Grünland, das wegen seines Überschusses an Grund- und/oder Hangwasser eine auf Feuchtigkeit angewiesene Pflanzendecke aufweist. Unter dem Einfluss der unterschiedlich starken Bodenfeuchtigkeit und der extensiven Bewirtschaftung bilden sich verschiedene Pflanzengemeinschaften.
Achtung: In der Bodenkunde muss ein Moor mind. eine Torfschicht von 30 cm Mächtigkeit und mehr aufweisen.
Mootypen und ihre Entstehung Pflanzengesellschaften der Flachmoore (BUWAL 1990):
Basische Kleinseggenrieder (Caricetalia davallianae) Saure Kleinseggenrieder (Caricion nigrae) Röhricht (Phrgamition) Grossseggenrieder (Magnocaricion) Nasswiesen und Hochstaudenrieder (Calthion und Filipendulion) Pfeifengraswiesen (Molinion) (potentiell) torfbildende Flachmoore Nicht-torfbildende Flachmoore
Nasswiesen und Hochstaudenrieder (Calthion und Filipendulion)
Calthion und Filipendulion
Hochstaudenrieder (Filipendulion)
Foto: U. Graf WSL
Molinion (Pfeiffengraswiese)
Phragmition (Röhricht)
Magnocaricion (Grossseggenried)
Caricion nigrae (Saure Kleinseggenrieder)
Foto Uwe Häntsch, http://www.panoramio.com/photo/76322453
Caricion davallianae (Basische Kleinseggenrieder)
Caricion davallianae (Basische Kleinseggenrieder)
Pinguicula alpina Epipactis palustris (im Hintergrund Primula farinosa)
Viele gefährdete und seltene Arten in Flachmooren
Swertia perennis
Mootypen und ihre Entstehung • Oft dominiert von Seggen (Carex spp.) und weiteren Cyperaceae sowie Juncaceae
Biomasse (g/m2)
• Oft gut entwickelte Moosschicht vorhanden (v.a. in den basischen und sauren Klenseggenriedern)
Bsp. Basisches Kleinseggenried: Biomasse nach funktionalen Gruppen (Cyp.= Cyperaceae; Poa. = Poaceae, Herb. = Kräuter; Leg. = Leguminosen; Bryo. = Moose (Bryophyten))
Mootypen und ihre Entstehung • Flachmoore auf regelmässige, extensive Bewirtschaftung angewiesen: Mahd oder Beweidung • Mahd: traditionelle Streuenutzung, Schnitt spät im Jahr • 1850 – ca. 1900: "Streuenot": Billige Getreideimporte aus Osteuropa (Eisenbahn!); deshalb kaum mehr Stroh in der Schweiz; führte zur Förderung von Flachmooren und Mahd verdrängte die frühere Beweidung • Streue aus Flachmooren hat im 20 Jh. an Bedeutung verloren • Wertvolle Streuflächen wurden zunehmend als wertlos angesehen (v.a. auch während der Kriegsjahre)
• Beweidung: v.a. Kühe, aber auch Schafe, Esel, schottische Hochlandrinder, Pferde Mühlethaler E. 1992. Nutzungsgeschichte der Flachmoore in der Schweiz. Handbuch Moorschutz, BAFU, Bern
NZZ, 17.10.2012
Mootypen und ihre Entstehung Hochmoore
• Wasserversorgung ausschliesslich durch Niederschlagswasser • Extrem arm an Nährstoffen • Sehr sauer • Von Torfmoosen (Gattung Sphagnum) dominiert (i.G. zu Flachmooren) • Keine Bewirtschaftung nötig, natürliche Lebensräume
Mootypen und ihre Entstehung Hochmoorentwicklung
Quelle: Ellenberg, H. 1996. Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen. 5. Auflage
Mootypen und ihre Entstehung Voraussetzungen Hochmoorentwicklung:
-Gemässigt humides Klima, also ausreichend Niederschläge und geringe Verdunstung -Pflanzliche Produktion muss den Abbau übertreffen
-Wasserundurchlässige Bodenschicht
Quelle: Ellenberg, H. 1996. Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen. 5. Auflage
Mootypen und ihre Entstehung Acrotelm • Nicht wassergesättigt • Mehr oder weniger gut durchlüftete, lebende Schicht • Aerober Abbau organischer Substanz • 5-40 cm dick Catotelm • Wassergesättigte Schicht • Arm an Sauerstoff • Nur sehr langsamer anaerober Abbau organischen Materials (Methan!).
Mootypen und ihre Entstehung
Faustregel für Zuwachs: 1 mm Torf pro Jahr
Rydin & Jeglum 2006: The biology of peatlands. Oxford University Press.
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Die wichtigsten Torfbildner – die Torfmoose Verbreitung und Gefährdung von Mooren
Schutz von Mooren in der Schweiz und aktuelle Probleme beim Moorschutz Regeneration von Mooren: Natur- und Klimaschutz
Sphagnum girgensohnii
Sphagnum magellanicum
Foto: H. Hofmann
Die wichtigsten Torfbildner – die Torfmoose Artenzahlen Sphagnum in 10 x 10 km Flächen (Datenquelle: http://www.nism.uzh.ch/)
31 Arten in der Schweiz
Die wichtigsten Torfbildner – die Torfmoose • Köpfchen aus dicht stehenden Seitenästen
• Charakteristische Astbüschel • Unendliches Wachstum • Blätter aus lebenden und toten Zellen aufgebaut • Stämmchen mit einer dicken Schicht toter Zellen
Blattquerschnitt
Stämmchenquerschnitt
Die wichtigsten Torfbildner – die Torfmoose Ökologische Funktionen der Torfmoose •
Wasserspeicherung (bis 25faches des Trockengewichts)
•
Versauerung der Umgebung (Kationenaustausch)
•
Nährstofffilter
•
Wichtigster Torfbildner (Kohlenstoffspeicher)
Ecosystem Engineers Rydin & Jeglum 2006
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Biologie der wichtigsten Torfbildner – der Torfmoose Verbreitung und Gefährdung von Mooren
Schutz von Mooren in der Schweiz und aktuelle Probleme beim Moorschutz Regeneration von Mooren: Natur- und Klimaschutz
Verbreitung und Gefährdung von Mooren
4 Millionen km2 bzw. 3% der Erdoberfläche
Rydin & Jeglum 2006
Verbreitung und Gefährdung von Mooren 2000
1800
Aus: Grünig A. 2007. Moor und Sümpfe im Wandel der Zeit. Hotspot 15: 4-5.
Verbreitung und Gefährdung von Mooren
* Bereits im 19. Jahrhundert ca. 3300 Moore verschwunden (Früh & Schröter 1904) Schätzung: Zu Beginn des 18. Jahrhunderts gab es ca. 250'000 ha Moore (nach heutiger Definition) * ACHTUNG: Andere Moordefinition damals Lachat et al. 2010. Wandel der Biodiversität in der Schweiz seit 1900. Haupt, Bristol
Verbreitung und Gefährdung von Mooren Torfabbau in der Schweiz zwischen 1910 und 1955 (in 1000 t)*
Bsp. Kt AG: 1943 wurden fast 56'000 Tonnen Torf abgebaut
*nach Battaglia (2010) Geschichte der Torfnutzung im Gebiet von Einsiedeln und Rothenthurm während des 20. Jahrhunderts. Auswirkung auf den regionalen Kohlenstoffhaushalt. Masterarbeit Departement Umweltnaturwissenschaften ETH Zürich
Verbreitung und Gefährdung von Mooren
Foto aus: Lachat et al. 2010
Verbreitung und Gefährdung von Mooren 1931
2000 Bünzen Kt. Aargau
Verbreitung und Gefährdung von Mooren
Verbreitung und Gefährdung von Mooren
Verbreitung und Gefährdung von Mooren • In der Schweiz werden ca. 190'000 ha Land drainiert (fast 5% der Landesfläche und gut 18% der landwirtschaftlichen Nutzfläche)
• Viele Drainagesysteme sind alt (über 60% älter als 50 Jahre), aber noch in funktionkierendem Zustand • • •
1960-1980: 50'000 ha neu drianiert 1980-2000: 21'000 ha Seit 2000: 2'800 ha (Stand 2008)
• 1885-1953: fast 9000 Entwässerungsprojekte bewilligt durch das Eidg. Meliorationsamt (3800 davon zwischen 1941-1944) • Wert der Systeme: CHF 4.9 Milliarden (Wiederbeschaffungswert) • Por Jahr müssten ca. CHF 50 Mio. investiert werden (zur zeit ca. 5 Mio) um Drainagesystem zu erhalten • Kosten dürften ab ca. 2020 noch steigen, weil dann viele Anlagen saniert werden müssen Bégui J & Smola S 2009. Stand der Drainagen in der Schweiz. BLW, Bern. Eidg. Meliorationsamt 1954. Die Bodenverbesserung der Schweiz. Bern.
Verbreitung und Gefährdung von Mooren
Siegfriedkarte 1898
Heute
Verbreitung und Gefährdung von Mooren
Gimmi et al. 2011. Reconstructing the collapse of wetland networks in the Swiss lowlands 1850–2000. Landscape Ecol (2011) 26:1071–1083
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Biologie der wichtigsten Torfbildner – der Torfmoose Verbreitung und Gefährdung von Mooren
Schutz von Mooren in der Schweiz und aktuelle Probleme beim Moorschutz Regeneration von Mooren: Natur- und Klimaschutz
Schutz von Mooren in der Schweiz
1987: Annahme der Rothenturm Initiative (Art 78 Abs. 5 BV)
Schutz von Mooren in der Schweiz 1991: Hochmoorverordnung
1994: Flachmoorverordnung 1996: Moorlandschaftsverordnung
...
...
...
...
Schutz von Mooren in der Schweiz Auszug aus dem Hochmoorinventar:
Alle Inventarblätter: http://www.bafu.admin.ch/schutzgebiete-inventare
Schutz von Mooren in der Schweiz Hochmoorverordnung
Auenverordnung
Schutz von Mooren in der Schweiz Beispiel Oberlandautobahn zw. Uster und Hinwil
• 1993: Perimeter der Moorlandschaft festgelegt bei der Inventarisierung • 1995: Änderung des Perimeters durch Bundesrat (auf Antrag Kt. ZH) mit dem einizigen Grund den Strassenbau zu ermöglichen • 1996: Verordnung über den Schutz der Moorlandschaften tritt in Kraft mit dem geänderten Perimeter • Beschwerden von Birdlife und zwei Anwohnerinnen
Verkleinerung Moorlandschaft wegen Autobahn
• 2010: Beschwerden vom Zürcher Verwaltungsgericht abgewiesen • Bundesgerichtsbeschluss Juni 2012: Oberlandautobahn kann nicht gebaut werden, obwohl 1995 vom Kantonsrat so beschlossen • Gesetz lässt im Moorschutz keine Intressenabwägung zu!
Schutz von Mooren in der Schweiz
Klaus & Pauli 2011, Hotspot
Schutz der Fläche. Aber wie entwickelt sich die Qualität der Moore?
Schutz von Mooren in der Schweiz Erfolgskontrolle Moorschutz
Graf U, Küchler M, Ecker K, Feldmeyer-Christe E, Könitzer C & Känzig U., Grosvernier P. 2007. Lagebericht. In: Klaus 2007. Zustand und Entwicklung der Moore in der Schweiz. Ergebnisse der Erfolgskontrolle Moorschutz. Bundesamt für Umwelt, Bern.
Schutz von Mooren in der Schweiz Kalkreiche Flachmoore der Nordalpen
Bergamini et al. 2009. Loss of habitat specialists despite conservation management in fen remnants 1995–2006. PPEES 11:65-79
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Biologie der wichtigsten Torfbildner – der Torfmoose Verbreitung und Gefährdung von Mooren
Schutz von Mooren in der Schweiz und aktuelle Probleme beim Moorschutz Regeneration von Mooren: Natur- und Klimaschutz
Regeneration von Mooren
Inbesondere ein Thema bei Hochmooren, aber auch Flachmoore werden regeneriert
90% der Hochmoore in der Schweiz nicht in einem natürlichen Zustand
Vor allem Wasserhaushalt beeinträchtigt
Hochmoorverordnung (zusätzlich zu Artikel 4)
Regeneration von Mooren
Regeneration von Mooren Ziele von Regenerationen: •
Erhaltung und Förderung der Biotop-typischen Flora und Fauna
•
Wachstum der Torfmoose
•
Torfbildung wieder in Gang bringen
Dazu Wasserhaushalt optimieren:
Grundwasserspiegel auf Niveau des Acrotelms bringen Wasserspiegel mit möglichst wenig Schwankungen
Regeneration von Mooren •
Wichtigste Massnahme bei Hochmooren: Entwässerungsgräben schliessen
•
Viel technisches Wissen, wie Regenerationen durchgeführt werden, sollen ist vorhanden
•
Werden meist von spezialisierten Ökobüros und Ingenieurbüros durchgeführt
Regeneration von Mooren
Regeneration von Mooren
Klaus (red.) 2007
Regeneration von Mooren Ausschluss der Beweidung:
Klaus (red.) 2007
Regeneration von Mooren Motivation für Renaturierungen früher: Naturschutz Heute: zusätzlich Klimaschutz
Moore speichern zw. 329 und 528 Milliarden t Kohlenstoff (~1/3 des gesammten in Böden gespeicherten Kohlenstoffs und ~1/2 des gesamten atmosphärischen CO2-Kohlenstoffs)
Wachsende Moore speichern pro Jahr ca. 2-5 t CO2/ha
Trockengelegte Moore (oder auch Torfböden in Landwirtschaftsgebieten) emittieren pro Jahr teilweise ein Vielfaches dieser Menge
Regeneration von Mooren
Starck 2008. Peatlands and climate change. International Peat Society. p. 223.
Regeneration von Mooren Emissionen aus genutzten Torfböden: Polen:
≈ 4% der totalen CO2 Emmissionen (ca. 14.5 Mio t CO2 )
Schweden:
≈ 10 % der totalen CO2 Emmissionen
Niederlande: ≈ 1.3 % der totalen CO2 Emmissionen
Finnland:
≈ 30 % der totalen CO2 Emmissionen (hier zusammen mit Emmissionen aus Torfkraftwerken)
Starck 2008. Peatlands and climate change. International Peat Society. p. 223.
Regeneration von Mooren Potential für die Schweiz um Klimaziele zu erreichen? (Treibhausgas-Emissionen bis 2020 im Vergleich zu 1990 um 20 Prozent verringert )
8% unter Emmissionen 1990*
* Wurde gemäss BAFU erreicht, allerdings nur dank dem Kauf von Emissionszertifikaten im Ausland
Regeneration von Mooren 1500 ha geschützte Hochmoore Unbekannte Fläche an landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich genutzten Torfböden, daher Emmissionen aus diesen Böden nicht bekannt Diese sollten aber für C02 Bilanzen berücksichtigt werden
Projekt WEHIS (Bürgi et al.) an der WSL: Rekonstruktion der Feuchtgebiete seit 1700 (http://www.wsl.ch/fe/landschaftsdynamik/projekte/wehis/index_DE) Gegenüber einer landwirschftlichen Nutzung von Torfböden verbessern wachsende Hochmoore die CO2-Bilanz pro Hekatre und Jahr um ca. 20 t Emissionen CO2 der Schweiz pro Jahr: 38'000'000 t CO2 Um die Bilanz um 1‰ zu verbessern müssten ca. 2'000 ha genutzte Torfböden renaturiert werden http://www.bafu.admin.ch/klima/09570/09572
Fragen?