Moderne Experimente der Kernphysik Wintersemester 2011/12 Vorlesung 21 – 06.02.2012
Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
1
Superschwere Elemente (SHE) • • • • • •
Strutinsky- Methode zur Schalenkorrektur Definition: Was sind superschwere Elemente? Produktion und Nachweis superschwerer Elemente Spektroskopie (fast) superschwerer Kerne Massen superschwerer Kerne Chemie (und Atomphysik) superschwerer Elemente (kurz)
Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
2
Flüssigkeitstropfenmodell (LDM) b2 ε = 1− 2 a
b a
• Coulombabstossung bevorzugt Deformation • Oberflächenenergie bevorzugt sphärische Form
− BE (ε) > BE (ε = 0) dann Spaltung Spaltbarriere muß überwunden werden für Z104 • Deformierte (Unter)schalenabschlüsse • Sphärischen Schalenabschlüsse Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
4
Fusion – Spaltung oder Neutronenemission Sehr schematisch!!!
Kein Compoundkern gebildet Compoundkern spaltet sofort
Energie
Kein Compoundkern gebildet Spaltbarriere höher, Compoundkern “überlebt” Emission von Neutron(en)
Abstand zwischen den Protokernen Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
Fusionskerne überleben nur in einem engen Energiefenster 06.02.2012
5
Produktion / Identifikation von SHE n
70
Zn
208
Pb
277
112 277
273
269
265
bekannt
Kinematische Separation “in flight”
257
253
Fm
No
8.34 MeV 15.0 s
261
Rf
8.52 MeV 4.7 s
Sg
Hs
110
112
CN
11.45 MeV 280 μs
11.08 MeV 110 μ s
9.23 MeV 19.7 s
4.60 MeV (escape) 7.4 s
Identifizierung durch α-α Korrelationen hinunter zu bekannten Isotopen
Date: 09-Feb-1996 Time: 22:37 h
Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
6
Massenmessungen von SHE Zur Erinnerung:
M Kern ( Z , A) = Z ⋅ m p + N ⋅ mn − BN ( Z , A) / c 2
Kernmasse
M Atom ( Z , A) = M Kern ( Z , A) + Z ⋅ me − Be ( Z ) / c 2
Atomare Masse
ΔM Atom ( Z , A) ≡ M Atom ( Z , A) − A ⋅
1 M Atom (12 C) 12
1 M Atom (12 C) ≡ 1 u = 931.5 MeV / c 2 12
“Massendefekt” Atomare Masseneinheit
Massenmessungen werden häufig relativ zu einer wohlbekannten Referenzmasse durchgeführt. Gewählt wurde als Standard das neutrale 12C-Atom, da sich daraus leicht schwere Referenzmassen bilden lassen: • Kohlenwasserstoffe (Cn-Hm) • Fullerene (Cn) Die chem. Bindungsenergien sind dabei wesentlich besser bekannt als die Fehler der Massenmessungen. Sie tragen also nicht zum Fehler der Masse bei. Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
7
Massenmessungen von SHE Z=108, N=156 Z=106, N=154 Z=104, N=152
Z=102, N=150
Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
on v on en i s h is Em -Teilc α
06.02.2012
8
Massenmessungen von SHE Wie mißt man die Masse von superschweren Kernen? • Indirekte Methode über Energie des α-Teilchens
M ( Z , A) = M ( Z − 2, A − 4) + M ( 4 He) + Eα ( Z , A) / c 2 = M ( Z − 4, A − 8) + 2 ⋅ M ( 4 He) + Eα ( Z , A) / c 2 + Eα ( Z − 2, A − 4) / c 2 usw. bis Zerfallsprodukt mit bekannter Masse erreicht ist. Probleme: - Meßgenauigkeit limitiert durch α-Energie, Fehler summieren sich auf! - α-Zerfall bevölkert nicht notwendigerweise den Grundzustand des Tochterkerns • Direkte Massenmessung z.B. in einer Penningfalle Meßprinzip: Massenmessung auf eine Frequenzmessung zurückführen Frequenzen kann man sehr genau messen Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
9
Gasstopper und Buncher
Kerne von SHE werden nicht implantiert, sondern in einem Gasvolumen abgestoppt, extrahiert und zur Falle transportiert. Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
10
Experimente
Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
11
Das Gesamtkonzept für SHIPTRAP
Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
12
Massenmessungen in Penning-Falle Meßprinzip: Massenmessung auf eine Frequenzmessung zurückführen Umlauffrequenz einer Ladung in einem homogenen Magnetfeld (Zyklotronfrequenz):
ωZyklotron
Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
q = B m
06.02.2012
13
Massenmessung von No in SHIPTRAP Zyklotronbewegung wird in lineare Bewegung “umgewandelt”: Observable ist dann Flugzeit
Messung relativ zu 133Cs1+ (Cs-Strahl läßt sich leicht mit Ofen erzeugen)
ωZyklotron (133 Cs1+ ) ωZyklotron (
252- 254
2+
No )
= 0.948 − 0.956 M. Block et al., Nature 463, 785 (2010)
Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
14
Massenmessung von No in SHIPTRAP ΔM ( 252 No) = 82.850(31) MeV / c 2 ΔM (
253
No) = 84.356(13) MeV / c
]c2 [keV]
Massenevalutation
Massendefekt (“mass excess”):
T1/ 2 ( 253 No) = 1.62 min
2
ΔM ( 254 No) = 84.733(14) MeV / c 2
α-Zerfallsspektrum kompliziert T1/ 2 ( 252 No) = 2.44 s
Neutronenpaarungsenergie aus drei benachbarten Massen:
[
T1/ 2 ( 254 No) = 51 s
Δ n ( Z = 102, N = 151)
[
1 = − M ( 252 No) + M ( 254 No) − 2 M ( 253 No) 2 = 565(21) keV
]
Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
Leichtere No-Isotope zu kurzlebig für diese Methode (derzeit)
06.02.2012
15
Nilsson-Schema der Einteilchenorbitale Z=106 oder 108 abgeschlossene Schale???
Oblate
Prolate
Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
Deformation β=0.25 06.02.2012
16
Nilsson-Schema der Einteilchenorbitale
Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
17
Systematik der Lebensdauern (gg-Kerne)
254No
(Z=102) und 252Fm (Z=100) mit N=152 scheinen stabiler zu sein als ihre Nachbarn Trend setzt sich nicht fort für schwerere Elemente
Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
18
Schalenstruktur superschwerer Kerne Sphärischer Schalenabschluß bei N=184 und Z=114??? Deformierter (Unter)schalenabschluß bei Z=108?
???
Deformierter (Unter)schalenabschluß bei N=162? Deformierter (Unter)schalenabschluß bei N=152
Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
19
Nuklidkarte …
Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
20
Zusammenfassung: Wirkungsquerschnitte
ld co
• Die theoretische Vorhersage von Wirkungsquerschnitten in der Größe von pb (entspricht im Exp. 1 Kern / pro Woche bis Monat) ist sehr schwierig! • Spaltung mehrere Größenordnungen stärker! • Sehr genaues Verständnis des Fusionsprozessen notwendig! Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
21
Wirkungsquerschnitt - Zählrate 1 second 1 minute
Mittlere Meßzeit um 1 Event zu beobachten
1 hour 1 day
→ derzeitige Empfindlichkeit: Grenze ≈ 1 pbarn
10 days
→ integrierte Strahldosis: 1.5 x 1018 Projektile Bedeutet bei 1012 / s Strahlintensität etwa 17 Tage
Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
22
... durchaus fragwürdige Vorhersagen
R. Smolanczuk Schön, wenn es wahr wäre!!! ABER: Modell ist sehr vereinfachend!!! Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
23
Das Berkeley Experiment zu Z=118
Berkeley Gasfilled Separator
Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
24
Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
25
Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
26
EPJ A 14, 147 (2002)
Ergo: Fälschungen werden im Allgemeinen gefunden und lohnen daher nicht!!!! Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
27
Einordnung ins Periodensystem – Chemie der SHE Situation vor hundert Jahren
Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
28
Chemie mit einzelnen Atomen Reaktionen zielen auf die Einstellung von chemischen Gleichgewichten hin
Man kann bei so wenigen Atomen nicht mehr von chemischen Gleichgewichten sprechen
Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
29
Gaschromatographie
Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
30
Prinzip des Experimentes
Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
31
Chemie am Element Z=108
Hs bildet Tetraoxid und verhält sich wie sein Homolog Os, gehört also zur 8. Gruppe Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
32
Detektorsystem von PIN Dioden
Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
33
Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
34
Chemie von Copernicium (Z=112) Man würde erwarten, dass sich Cn wie Hg verhält Hg lagert sich gerne auf Au-Oberflächen ab, daher wurde der Experimentaufbau modifiziert, indem die Oberflächen der Si-Dioden mit Au beschichtet wurden: Ergebnis: KEIN Ereignis (Z=112-Zerfall) wurde gemessen!?! Nun wurde zusätzlich am Ende der Röhre eine Ionisationskammer angeflanscht Ergebnis: mehrere Ereignisse von Z=112-Kernen!!! Folgerung: Z=112 wird produziert, lagert sich aber nirgends an, verhält sich also eher wie ein Edelgas!!!! Modifikationen der Elektronenhülle (und damit der Chemie) durch die hohe Kernladungszahl Bereits für die Chemie schwerer Elemente sind relativistische Effekte von Bedeutung. Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
35
Extreme „Atomphysik“ in superschweren Atomen In Atomen von Elementen Z > 173 würde die Bindungsenergie der am tiefsten gebundenen 1s1/2-Elektronen einen Wert von -2x511 keV erreichen … Atom kann Positronen emittieren
1 α≈ 137 vBohr = Zαc
Das nicht-relativistische Bohr-Modell hat offenbar spätestens für Z>137 ein Problem!
Die Lösungen der Dirac-Gleichung genauso!
EDirac = m0 c 2 1 − Z 2 α 2
... höhere Z’s möglich für realistischere ausgedehnte Kerne
W. Pieper, W. Greiner Z. Phys. A 218 (1969) 327 J. Reinhardt et al, Z. Phys. A 303 (1981) 173
Zwei U-Kerne nahe beieinander “sehen” für Elektronen wie Z=184 aus .... Bisher wurde der Effekt aber noch nicht in U-U-Kollisionen beobachtet!
Moderne Experimente der Kernphysik | Prof. Thorsten Kröll | Vorlesung 21
06.02.2012
36