Mobile Jugendarbeit und die Jugend von heute

Fachbereich 11 Sozialpädagogik Mobile Jugendarbeit und die „Jugend von heute“ Diplomarbeit von Şenay Yavuz 1.Gutachter: Prof. Dr. Gunnar Heinsohn 2....
Author: Ursula Maier
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Fachbereich 11 Sozialpädagogik

Mobile Jugendarbeit und die „Jugend von heute“ Diplomarbeit von Şenay Yavuz

1.Gutachter: Prof. Dr. Gunnar Heinsohn 2. Gutachterin: Dr. Hedwig Rosa Griesehop

Danksagung An dieser Stelle möchte ich all denen danken, die mich in der Zeit des Schreibens unterstützt und ertragen haben. Dies sind in erster Linie natürlich meine Familie und Freunde. Mein besonderer Dank gilt hier meinem Freund Jens, da er mich immer wieder mit einem Kaffee geweckt und dann zur Uni begleitet hat. Ohne diese Unterstützung würde ich wahrscheinlich noch immer an der Arbeit schreiben. Des weiteren danke ich Dr. Heetwig Rosa Griesehop, da sie mir mit sehr viel Geduld das wissenschaftliche Arbeiten näher gebracht hat. Ich danke meinen Kommilitonen besonders dafür, dass sie mir mein Studium versüßt haben, ihre konstruktive Kritik und den Kaffee. Zu guter letzt möchte ich besonders meiner Mutter danken, da sie aus unerfindlichen Gründen, nie die Hoffnung aufgegeben hat und meiner Schwester Yasmin (sie weiß schon warum).

INHALTSVERZEICHNIS EINLEITUNG.............................................................................................................. 3 KAPITEL 1. BEDÜRFNISSE UND PROBLEMLAGEN JUGENDLICHER IN DEUTSCHLAND ........................................................................................................ 7 1.1. Ein Einblick in die heutige Situation junger Menschen in der Bundesrepublik......... 8 1.2. Junge Menschen in unterschiedlichen Sozialräumen .................................................. 17 1.2.1. Jugendliche in ländlichen und städtischen Gebieten.................................................. 18 1.3. Die Phase der Adoleszenz und Lebensplanung von Jugendlichen ............................. 23 1.4. Jugendarbeitslosigkeit .................................................................................................... 27 1.4.1. JUMP- ein Programm gegen die Jugendarbeitslosigkeit ........................................... 33 KAPITEL 2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN UND KONZEPTE ZUR ARBEIT MIT JUGENDLICHEN ..................................................................................................... 36 2.1. Methoden der sozialen Arbeit ........................................................................................ 36 2.2. Soziale Arbeit mit Jugendlichen .................................................................................... 40 2.2.1. Cliquenorientierte Arbeit mit Jugendlichen ............................................................... 44 2.3. Interaktionen zwischen Jugendlichen und Professionellen......................................... 46 KAPITEL 3. SPEZIFISCHE METHODEN UND KONZEPTE DER ARBEIT MIT JUGENDLICHEN ..................................................................................................... 50 3.1. Mobile Jugendarbeit als Antwort .................................................................................. 50 3.2. Die Kombination der Methoden .................................................................................... 56 3.2.1. Gemeinwesenorientierung und die mobile Jugendarbeit ........................................... 57 3.2.2. Lebensweltorientierung und die mobile Jugendarbeit ............................................... 60 3.2.3. Der offene, niedrigschwellige Ansatz und die mobile Jugendarbeit.......................... 64 KAPITEL 4. REICHWEITE UND GRENZEN DER MOBILEN JUGENDARBEIT .... 68 4.1. Vor- und Nachteile der mobilen Jugendarbeit gegenüber anderen niedrigschwelligen Angeboten............................................................................................... 68 4.2. Welches Klientel kann wirklich erreicht werden? ....................................................... 70 4.3. Der Beitrag der mobilen Jugendarbeit zur Jugendhilfeplanung................................ 73 SCHLUSSBETRACHTUNG..................................................................................... 76

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-2ANHANG.................................................................................................................. 79 LITERATURVERZEICHNIS ..................................................................................... 82

Einleitung Die Intention meiner Diplomarbeit, also über das Thema mobile Jugendarbeit zu schreiben, hat diverse Gründe: .- Zum einen nahm ich mir als Teenager fest vor, niemals die Situationen, Gefühle, Umstände und den Druck zu vergessen, denen ein Jugendlicher täglich ausgesetzt ist. Ich empfand die „Erwachsenen“ oft so, als würden sie die Probleme der Jugendlichen nicht so richtig ernst nehmen, da die wirklichen Schwierigkeiten ja erst im späteren Leben auf einen zukommen werden. Des weiteren hat mich mein Praktikum, welches ich im Rahmen des Hauptstudiums absolviert habe, zu diesem Thema inspiriert. In dem Jugendprojekt e-werk. auf der Insel Rügen, wird unter anderem mobile, aufsuchende Jugendarbeit geleistet. Der offene, niedrigschwellige Ansatz des Projektes, schien und scheint mir noch immer, die richtige Antwort auf viele Probleme der jungen Menschen in unserer Gesellschaft zu sein. Auf der Grundlage dieser Überlegungen, werde ich in dem ersten Kapitel der Arbeit zunächst versuchen, eine allgemeine Einführung in das Thema zu geben. Im Kapitel 1.1. wende ich mich insbesondere einer Situationsbeschreibung der Jugendlichen in Deutschland zu. Mir ist natürlich klar, dass ich nur einen sehr kleinen und unter Umständen

sehr

undifferenzierten

Einblick

geben

kann.

Schon

allein

die

Unterscheidung von Jungen und Mädchen, Ost- und Westdeutschland, Ausländern und Deutschen, würde entweder eine eigene Arbeit füllen oder den Rahmen dieser Diplomarbeit sprengen. Also werde ich versuchen einen möglichst globalen Blick auf die bundesdeutschen Jugendliche zu werfen, auch wenn das in einigen Punkten unbefriedigend erscheint. Die regionalen Unterschiede innerhalb der Bundesrepublik finden unter 1.2. besondere Berücksichtigung. Im Unterkapitel 1.3. ist die „Pubertät“ ein zentraler Punkt meiner Betrachtung. Die Phase der Adoleszenz verdient besondere Aufmerksamkeit, da die Jugendlichen hier mit Umständen konfrontiert sind, die individuell mehr oder weniger problematisch werden können. Auch die Persönlichkeitsfindung oder die eigene Sexualität sind lebensweltliche Themen, welche die Jugendlichen unmittelbar betreffen. Ein sehr bedeutendes Thema für Jugendliche ist auch die Jugendarbeitslosigkeit, welche im Kapitel 1.4. ihren Raum findet. In einem weiteren Unterkapitel möchte ich das Programm JUMP welches vom Arbeitsamt initialisiert wird, sowie kurz das Konzept der „Ich-AG“ vorstellen.

-3-

-4-

Einleitung

Um den diversen „Problematiken“ als Professioneller1 zu begegnen, gibt es nun einige theoretische

Ansätze,

wie

beispielsweise

die

Lebensweltorientierung,

welche

hervorragend in das Konzept eines mobilen Jugendprojektes integrierbar sind. Der Blick auf und in die Lebenswelt der Klientel ermöglicht es, sehr bedürfnisorientiert zu agieren,

da

man

sich

mit

seinem

professionellen

Hintergrund

in

den

Handlungszusammenhang der Klientel versetzt. Dadurch verhindert man, dass ein Hilfekonzept

entwickelt

wird,

welches

den

Jugendlichen

unter

Umständen

„aufgezwungen“ erscheint. Ihre Perspektive muss in unterstützenden Prozessen die Grundlage sein. Dieser Ansatz in Kombination mit der mobilen Jugendarbeit ermöglicht ein größtmögliches Entgegenkommen. Auf sich ergebende Probleme und Fragen möchte ich nun versuchen, mit einigen Methoden und Ansätzen der allgemeinen sozialen Arbeit zu antworten. Als Beispiel ist die Entwicklung der eigenen sexuellen Identität für viele junge Menschen in der „Pubertät“ eine Herausforderung, die einige nur schwer allein bewältigen können. Wie nun ein Professioneller einem solchen Jugendlichen Hilfe anbieten kann, ohne zu sehr in die Privatsphäre einzudringen, ist auch für den Pädagogen eine Herausforderung. Eine Frage, welche eigentlich in sämtlichen Gebieten sozialer Arbeit präsent sein sollte ist, wie die Klientel ihren Sozialraum, bzw. ihre Lebenswelt wahrnimmt und was man an ihrer Situation verbessern könnte. Für derartige Situation gilt es nun für mich die passenden Theorien und Methoden zu finden. Der Lösungsorientierte Ansatz

muss seinen Focus auf das Problem und Ziel des

Klienten richten. Die Meinung des Pädagogen sollte hier zweitrangig sein. Hier ist die Kunst, sich nicht zu Interpretationen des Problems hinreißen zu lassen und Wege aufzuzeigen, ohne Veränderungsdruck auszuüben. Das Prinzip der Biographieforschung die Klientel, in diesem Fall also die Jugendlichen, als Experten für die eigene, spezielle Situation zu betrachten, sollte meines Erachtens nach auch in der Jugendarbeit seine Anwendung finden. Der Lösungsorientierte Ansatz geht Hand in Hand mit der Lebensweltorientierung und beide zusammen sind wiederum mit der aufsuchenden Methode zu verbinden. Junge Menschen durchlaufen mehrfach Phasen, die sie mit Problemen konfrontieren, welche temporär unlösbar erscheinen. Kurz vor oder nach dem Erreichen eines Schulabschlusses geraten Jugendliche häufig in Krisen. Dies ist besonders der Fall, wenn sie noch keine weitere Perspektive für die Zukunft haben, wie beispielsweise 1

Der einfacheren Handhabung wegen, werde ich lediglich die männliche Form angeben, die weibliche Form ist immer mitgedacht

1.1. Ein Einblick in die heutige Situation junger Menschen in der Bundesrepublik

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einen Ausbildungs- oder Studienplatz. Die Frage, wie es weiter gehen soll, was aus einem werden wird, gepaart mit dem möglichen Unverständnis der „Erwachsenen“, nicht irgendwas anfangen zu wollen, stellt sich als großes Problem dar. Der niedrigschwellige, offene und wiederum lebensweltorientierte Ansatz kann und sollte zu einer professionellen Haltung führen, die sich an den Bedürfnissen, den subjektiven Sinnkonstruktionen und Deutungsmustern der Jugendlichen orientiert. Diese Ansätze gehören für mich zu den Kernpunkten sozialer Arbeit, da sie sich in erster Linie auf die Klientel ausrichten, sich ihren Bedürfnissen anpassen. Hat ein Jugendlicher ein Problem, fällt es ihm in den meisten Fällen schwer genug, sich konkrete Hilfe zu suchen. Ist dieses Hilfsangebot aber niedrigschwellig konzipiert, wird die Hemmschwelle des Jugendlichen wesentlich einfacher zu überwinden sein. Ist dann auch noch die Lebenswelt dieses einen Jugendlichen zentraler Blickpunkt und Ziel des Angebotes, wird sich der junge Mensch bereitwilliger helfen lassen und seinen eigenen Beitrag in der positiv veränderten Situation erkennen. So ist die Wahrscheinlichkeit am größten, dass der Jugendliche diese positive Erfahrung weitergibt und sein persönlicher Erfolg bestehen bleibt, ohne beispielsweise in alte Fehler zu verfallen. Im zweiten Kapitel möchte ich weitere Methoden finden, die auf äquivalente Situationen und Problematiken anzuwenden sind und sie mit den bisher erarbeiteten Ansätzen vergleichen. Das dritte Kapitel zielt nun genauer auf das Thema mobile Jugendarbeit ab. Die aufsuchende Jugendarbeit ist natürlich kein neues Thema, jedoch meiner Meinung nach noch

immer

sehr

aktuell.

Wie

Eingangs

bereits

erwähnt

halte

ich

die

niedrigschwelligen, lebensweltorientierten und offenen Ansätze gerade im Fall der Jugendlichen für sehr effizient. Empowerment ist für mich mittlerweile eine Selbstverständlichkeit in der sozialen Arbeit. Ich denke, dass junge Menschen eher dazu bereit sind Hilfe von Professionellen anzunehmen, wenn sie zu einem großen Teil in diesen Hilfeprozess integriert werden. Dies ist so zu verstehen, dass nach ihrer Meinung gefragt wird und vor allem ihrer Perspektive das Handeln bestimmt. Sie werden einen Prozess, den sie selbst gestalten können, positiver aufnehmen, als eine aufgedrückte „Hilfeschablone“. Dazu gehört auch, dass die Pädagogen nicht nur in den Einrichtungen sitzen und die Jugendlichen lediglich einladen zu kommen. Begeben sie sich in den Sozialraum ihrer Klientel, macht das ein Entgegenkommen deutlicher, als jeder theoretische Ansatz.

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Einleitung

Die mobile Jugendarbeit kann hervorragend mit der Gemeinwesenarbeit kombiniert werden, was ich unter 3.2. deutlich machen möchte. Diese Verbindung macht in problematischen Wohnvierteln, aber auch in ländlichen Gebieten, in denen es eine hohe Abwanderungsrate der jungen Menschen in Richtung Stadt gibt, durchaus Sinn. Die Lebensweltorientierung halte ich in dem Konzept der mobilen Jugendarbeit für sehr wichtig. Man neigt allzu oft dazu sein eigenes Empfinden, die eigene Lebenseinstellung als Grundlage seiner Betrachtungen zu nehmen. Doch möglicherweise empfindet die Klientel ganz andere Dinge als problematisch. Die Aufgabe der Professionellen sollte sein, sich in die Lebenswelt der Klientel zu versetzen und die Probleme aus dieser Perspektive anzugehen. Des weiteren ermöglicht es die aufsuchende Jugendarbeit, verschiedene Sozialräume kennen zulernen und vielleicht eine Brücke zwischen den Jugendlichen dieser Sozialräume zu schlagen. Im Anschluss an diesen Teil, möchte ich nun im vierten Kapitel die Reichweiten und Grenzen mobiler Jugendarbeit aufzeigen. Professionelle, die in diesem Bereich arbeiten, müssen besonderen Anforderungen gerecht werden. Eine gewisse Vorbildfunktion, offenes Auftreten und ein Gespür für die Situation, in die man vielleicht bei einer ersten Kontaktaufnahme gerät, sind Grundvoraussetzung. Natürlich ist das in jedem Arbeitsbereich der Fall, jedoch in anderen Formen und Gewichtungen. Folgende Fragen interessieren mich nun besonders: Welche Vorteile weist die mobile Jugendarbeit nun wirklich im Gegensatz zu anderen niedrigschwelligen Angeboten der sozialen Arbeit auf? Welche Jugendliche sind durch diese Form besonders gut zu erreichen und was bringt sie der Gemeinde, dem Sozialraum? Kann sie einen wirksamen Beitrag zur Jugendhilfeplanung leisten? Meiner Meinung nach erreicht die mobile Jugendarbeit die problematischeren Gruppierungen von Jugendlichen. Die, welche den Gemeinden, oder den Ländern der größte „Dorn im Auge sind“. Allerdings auch die, welche nicht wirklich wissen, an wen sie sich mit ihren Problemen wenden können. Die multiplen Funktionen, die ein solches Projekt haben kann, werden hoffentlich dafür sorgen, dass die mobile Jugendprojekte auch weiterhin vom Bund und den Ländern unterstützt werden.

Kapitel 1. Bedürfnisse und Problemlagen Jugendlicher in Deutschland In diesem ersten Kapitel möchte ich einen Einblick in die Situation der Jugendlichen, in Deutschland geben und dabei auf einige spezielle Punkte näher eingehen. Die sozialräumliche Sichtweise mit dem speziellen Blick auf ländliche und städtische Gebiete wird in dem Abschnitt 1.2. betrachtet. Als weiteren Teilbereich des jugendlichen Alltags werde ich auf die Phase der Adoleszenz und die Lebensplanung näher eingehen. Der letzte Punkt dieses ersten Kapitels ist das große Problem der Jugendarbeitslosigkeit sowie mögliche Lösungsansätze. „Die Jugend von Heute“ ist seit Jahrzehnten der Ausdruck einer Generation für die Nächste. Im Grunde soll dieser Ausspruch deutlich machen, wie sich die derzeit Jugendlichen von der eigenen Jugend unterscheiden. Damals zählten noch andere Werte, die Kriminalität war nicht so schlimm, der Umgang miteinander war viel freundlicher und den Erwachsenen gegenüber begegnete man noch mit Respekt. Das dies aber immer wieder über die Folgegeneration gesagt wird, also auch über die heute Erwachsenen, gerät dabei Vielen aus der Erinnerung. Die Jugendlichen werden anhand ihres Alters definiert. „Das Jugendalter umfasst den zwischen Kindes- und „reifem“ Erwachsenenalter liegenden Zeitabschnitt, in dem die Fortpflanzungsfähigkeit erreicht wird und die wesentlichen gesellschaftlichen, ethischen und individuellen Orientierungen erworben werden sollen (Adoleszenz).“ (Fachlexikon der Sozialen Arbeit, 1997) Man sollte aber darauf achten, die Phase der Adoleszenz nicht mit der Pubertät zu verwechseln. Die Pubertät ist lediglich ein Teil der Jugendphase. Ein Jugendlicher hat erhebliche alterstypische Entwicklungsaufgaben zu bewältigen und diese gehen über den beschränkten Zeitraum der Pubertät hinaus. Die Sozialisationsinstanzen Familie, Kindergarten/Schule, Peergroup und Arbeit sind zentrale Punkte in der Entwicklung eines Menschen. Wird ein Jugendlicher in einer der Instanzen stark in seiner Persönlichkeitsentwicklung und freien Entfaltung gestört, wird das wahrscheinlich nachhaltige Folgen für sein gesamtes Leben haben. Eventuelle Defizite durch eine der Sozialisationsinstanzen, werden nur schwer auszugleichen sein. Die nach Hradil (1999) und Geißler (1996) wichtigen sozialen Indikatoren zur Differenzierung

Alter,

Geschlecht,

Berufsposition,

Wohnregion,

ethnische

Zugehörigkeit, Geburtsjahrgang, Konfession und Familienstand können ein hilfreiches -7-

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Kapitel 1. Bedürfnisse und Problemlagen Jugendlicher in Deutschland

Element sein, um eine Struktur in meine Betrachtung zu bringen. Einige von ihnen werde ich im Folgenden noch deutlicher Betrachten, andere werden wegen des zu großen Umfangs etwas vernachlässigt. Mit einer Situationsbeschreibung der Bundesdeutschen Jugendlichen im 21. Jahrhundert möchte ich nun versuchen, ein Bild der heutigen Jugend zu skizzieren. Von den vielfältigen Problemen und Themen dieser Gruppe werde ich die Wichtigsten beleuchten. Eines dieser Themen, welches seit einigen Jahren immer umfassender wird und ein großes Problem darstellt, ist die steigende Jugendarbeitslosigkeit. Während vor nicht allzu langer Zeit die meisten Jugendlichen im Anschluss an ihre schulische Ausbildung einen Ausbildungs- oder Studienplatz bekamen, ist dies heute nicht mehr der Regelfall. Gerade in ländlichen Gebieten besteht der einzige Weg, einen Ausbildungsplatz zu bekommen oft darin, die Gemeinde zu verlassen. Für diesen Schritt fehlen jedoch vielen Jugendlichen die sozialen Kompetenzen, oder die Unterstützung durch die Familie. Das Leben junger Menschen in ländlichen und städtischen Gebieten zu betrachten und ein Stück weit zu vergleichen, ist ebenfalls Bestandteil dieses Abschnittes. Die unterschiedlichen Sozialräume üben selbstverständlich einen starken Einfluss auf die soziale und allgemeine Entwicklung der jungen Menschen aus. Ein Jugendlicher der in einer städtischen Hochhaussiedlung lebt muss teilweise andere Kompetenzen entwickeln als einer der in einer kleinen, ländlichen Gemeinde groß geworden ist. Sie entwickeln unterschiedliche Fähigkeiten und sind mit anderen Problemen konfrontiert. Doch trotz dieser Unterschiede sind es Jugendliche, denen etwas gemeinsam ist, sie durchlaufen alle die selbe Lebensphase, welche für sie im Grunde auch die selben Herausforderungen bereit hält.

1.1. Ein Einblick in die heutige Situation junger Menschen in der Bundesrepublik Kindheit und Jugend sind in den letzten 200 Jahren zunehmend institutionalisiert worden, d.h. die Kindheits- und Jugendphase wurde mit besonderen Rechten aber auch mit besonderen Einschränkungen versehen. In vielen Lebensbereichen und besonders auch in der Politik bekam die Jugendphase einen besonderen Stellenwert. Es wurden extra Gesetzte geschaffen um die Kinder und Jugendlichen zu schützen. Aus diesem

1.1. Ein Einblick in die heutige Situation junger Menschen in der Bundesrepublik

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Grund wurde z.B. die Kinderarbeit verboten und das Jugendstrafrecht eingeführt. In den letzten dreißig Jahren orientiert sich der Kindheits- und Jugendverlauf weitestgehend an einem Standard. Er beginnt mit dem Kindergarten, worauf dann Schule und eine Ausbildung, ob nun handwerklich oder in Form eines Studiums, folgen. Dazwischen gehen die jungen Männer zur Bundeswehr oder absolvieren den Zivildienst, während die jungen Frauen heutzutage immer öfter ein Freiwilliges soziales, ökologisches oder ähnliches Jahr absolvieren.2 Kindheit und Jugend orientiert sich bei nahezu allen Menschen an den selben institutionellen Eckpunkten. Das Aufwachsen der Kinder und Jugendlichen wurde noch nie so stark, wie in dieser Zeit von der Außenwelt, also Personen, Orten, Medien und Erlebnissen geprägt. Im Grunde verändern sich einige Elemente der Jugendphase ständig, wie beispielsweise die Familie als erste und wohl auch wichtigste Sozialisationsinstanz. Sie sollte den Kindern und Jugendlichen ein Werte- und Normsystem mit auf den Weg geben, dass sie mit den zunehmend pluralisierten Lebensumständen kompetent umgehen lässt. Auf jeden Fall ist zu beobachten das ca. 90% der Jugendlichen angeben bei ihren Eltern Hilfe zu finden wenn sie große Probleme haben (vgl. ipos, 1999), was sich bei den meisten auch noch bis in das Erwachsenenalter fortsetzt, allerdings in den östlichen noch mehr als in den westlichen Bundesländern. „In den letzten Jahrzehnten hat sich das Bild der Familie deutlich gewandelt, gleichzeitig zeigt sich eine erstaunliche Stabilität in den demographischen Kennziffern. 1998 lebten knapp 83% der 15,4 Millionen (Mio.) minderjährigen Kinder mit einem Elternpaar zusammen (vgl. Statistisches Bundesamt 2000c). Bis zum 14. Lebensjahr wachsen 86% der west- und 87% der ostdeutschen Kinder überwiegend bei beiden Elternteilen auf, 9% im Westen und 10% im Osten werden hauptsächlich bei der Mutter groß, 1% dieser Altersgruppe lebt beim Vater, 2% bei einem Elternteil mit neuem Lebenspartner und 1% lebt bei Verwandten, Bekannten oder Pflegeeltern (vgl. ipos 1999).“ (Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S. 123) Bei 30% der Familien, in denen noch mindestens drei Generationen vorhanden sind, leben diese noch im selben Stadtteil. Beinahe jedes sechste Kind wird heutzutage unehelich geboren, womit sich im Laufe der Zeit ein deutlicher Unterschied zwischen biologischer und sozialer Elternschaft herauskristallisiert hat. Die auf Dauer zusammenlebende Kleinfamilie als „Normalbild“, 2

Diese Freiwilligendienste werden allerdings zum größten Teil von jungen Frauen mit gehobeneren Bildungsabschlüssen absolviert, so dass es in einigen Bundesländern schon zu einer Quotenregelung nach Schulabschluss kam

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Kapitel 1. Bedürfnisse und Problemlagen Jugendlicher in Deutschland

wie es in den 80er Jahren noch der Fall war, kann heute nicht mehr als solches angesehen werden. Es gibt viele unterschiedliche Möglichkeiten der Familienbildung und die genannte ehemalige „Normalität“ ist heute besonders in städtischen Regionen immer weniger anzutreffen. Auch fehlt einem Fünftel der Kinder und Jugendlichen in ihren Familien ein Geschwisterkind, wodurch sie in ihrer Familie immer weniger „Gleichaltrigengeselligkeit“ finden. Aus diesem Grund sind die Kontakte zur Peergroup außerhalb der Familie immer wichtiger, da Gleichaltrige ein wichtiges soziales Lernfeld bilden. Die Jugendpolitik fordert beispielsweise durch das KJHG § 1 eine öffentliche Verantwortung für das Aufwachsen der Kinder und Jugendlichen, da die Kinder- und Jugendhilfe zur Schaffung positiver Lebensbedingungen verpflichtet ist. Das bedeutet, „dass alle jungen Menschen und ihre Familien eine soziale Infrastruktur vorfinden sollen, die ihren Bedürfnissen und Interessen sowie ihrem spezifischen Unterstützungs- und Förderungsbedarf entspricht. Die Schaffung einer solchen Infrastruktur setzt voraus, dass Kinder und Jugendliche als wichtigster Faktor bei der Gestaltung der Gesellschaft der Zukunft angesehen werden und nicht als Problemgruppe in der gesellschaftlichen Gegenwart.“ (Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.45) Junge Menschen in der heutigen Zeit haben ein hohes Maß an persönlichen Freiheiten. Man kann frei über seine Religion entscheiden, seinen Neigungen entsprechend Partnerschaften, auch des gleichen Geschlechtes eingehen und sich überlegen, ob man das Abitur oder ein Studium der betrieblichen Ausbildung vorzieht. Eine Familie zu gründen, ist nicht mehr die zwingende Vorgabe für das erwachsene Leben. Diese und weitere persönliche Freiheiten hegen jedoch auch ein großes Krisenpotential in sich, welches laut Palentien im psychischen und psychosozialen Bereich für eine Zunahme der Belastungen gesorgt hat. Sein Leben selbständig in die Hand zu nehmen ist eine große Herausforderung, die es zu bewältigen gilt. Ein wichtiges Element der Jugendphase ist die Ablösung vom Elternhaus. Sie stellt ein unverzichtbares Element des erwachsen Werdens dar. Hierfür hat Palentien vier Ebenen herausgearbeitet. •

„Die psychologische Ebene ist dadurch bestimmt, dass die Lebensführung vorrangig an der Peergroup ausgerichtet wird und nicht, wie bisher, an den Eltern. Diese Phase findet meist zwischen dem 12. und 13. Lebensjahr statt.

1.1. Ein Einblick in die heutige Situation junger Menschen in der Bundesrepublik •

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In der kulturellen Ebene suchen die Jugendlichen nach ihrem eigenen Lebensstil, auch um sich von ihren Eltern zu unterscheiden.



Klar ist die räumliche Ebene in der ein Um-/Auszug aus dem Elternhaus eine Distanz schafft, in der sich die anderen Ebenen leichter ausleben lassen. Dies zieht sich jedoch seit den 80ern und 90ern bis in das 3. Lebensjahrzehnt hin. Hier sind es durchschnittlich 90%, die das elterliche Heim hinter sich gelassen haben (Jugendwerk, 1992, S.384)3



Auf der materiellen Ebene wird schließlich die wirtschaftliche Unabhängigkeit angestrebt, die eine endgültige Autonomie gewährleistet. Auch diese Ebene wird oft erst Mitte bis Ende 20 erreicht, da beispielsweise durch ein Studium, die Ausbildungszeit bedeutend verlängert und hier auch nicht bezahlt wird. Das Bafög ist in den meisten Fällen noch immer mit den Eltern verknüpft.“

(Palentien, 2002, S.106) Mitte der 70er Jahre begann die Situation auf dem Arbeitsmarkt sich dahingehend zu verändern, dass nicht mehr genug Ausbildungsplätze für alle zur Verfügung standen. Dieser Umstand führte dazu, dass eine stärkere Selektion seitens der Arbeitgeber stattfand und guten bzw. höheren Schulabschlüssen eine größere Bedeutung zuviel. Heute ist es so, dass im gesamten Bundesdeutschen Raum „der Schulbesuch mit anschließendem

Besuch

vollzeitlich

allgemeinbildender

oder

berufsbildender

Ausbildungsstätten als charakteristisches Strukturmerkmal der Lebensphase Jugend bezeichnet werden“ kann. (Palentien, 2002, S.108) Also begannen sich die Schullaufbahnen seit den 70er Jahren auszudehnen. Laut Palentien haben sich die Studienanfängerquoten von 19% im Jahre 1985, auf 33% im Jahre 1996 erhöht, stagnieren aber seit Anfang der 90er auf einem ähnlichen Niveau. Hierbei ist es so, dass die Quoten in den neuen Bundesländern deutlich unter denen der alten Bundesländer liegen.

(vgl.

Bundesministerium

für

Bildung,

Wissenschaft,

Forschung

und

Technologie, 1998) 48% der Jugendlichen zwischen 12 und 25 Jahren gehen noch in eine allgemeinbildende Schule, 17% besuchen eine Berufsschule und 12% studieren. Lediglich 17% sind schon erwerbstätig. (vgl. 14. Shell Jugendstudie, 2002) Die zunehmende „Verschulung“ (Palentien, 2002, S.108) führt zu einer höheren intellektuellen Bildung, sie stellt einen Schutzraum dar und für die Zukunft stehen meist bessere Berufsaussichten zur 3

Wachsen Jugendliche bei beiden Elternteilen auf, verschiebt sich auch der Auszug aus dem elterlichen Haus. Lediglich 25% dieser Gruppe zieht vor Vollendung des 19. Lebensjahres aus. (vgl. ipos, 1999)

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Kapitel 1. Bedürfnisse und Problemlagen Jugendlicher in Deutschland

Verfügung. Andererseits jedoch unterliegen die Schüler länger einer Fremdbestimmung, ihre Lernprozesse sind abstrakter und sie müssen weniger Verantwortung übernehmen da sie sich ja im besagten Schutzraum befinden. Damit möchte ich nicht sagen, dass das Leben eines Schülers leichter wäre. Mir ist klar, dass die individuelle Belastung und der Druck, welcher von Seiten der Eltern, der Lehrer und einem selbst ausgeübt wird, nicht zu unterschätzen ist. Der Bildungsabschluss, den ein Jugendlicher erreicht ist maßgeblich mitentscheidend dafür wie sich seine beruflichen und damit biographischen Perspektiven gestalten. „Das Schulsystem, in seiner Differenzierung nach dem (...) Leistungsvermögen der Schülerinnen und Schüler gegliedert, erzeugt, ob es will oder nicht, eine soziale Differenzierung, die auch über Zukunftschancen, über berufliche Perspektiven, über einen

späteren

Status

und

gesellschaftliche

Positionen

ihrer

Mitglieder

mitentscheidet. Selbst wenn Bildungsabschlüsse in einer entstandardisierten Gesellschaft immer weniger erwartbare berufliche Sicherheiten gewährleisten, lässt sich daraus keineswegs der Umkehrschluss ziehen, dass Bildungsabschlüsse nicht mehr sozial differenzierend wirken. Im Gegenteil: Auch heute noch spricht vieles dafür, dass ohne entsprechende Bildungsabschlüsse die Teilhabechancen auf den entsprechenden Arbeitsmärkten weitaus geringer sind (vgl. Böttcher u. a. 2001). Noch immer entscheiden mithin Bildungsabschlüsse über die Möglichkeiten der Realisierung

von

Lebensstilen

Beschäftigungssystem

und

entsprechende

Lebenslagen, Positionen

zu

die

Möglichkeiten

erreichen.

Auch

im

wenn

Bildungsabschlüsse keine Garantie für beruflichen Erfolg darstellen, so sind sie hierfür dennoch eine wesentliche Grundlage. Oder anders formuliert: Sie sind eine notwendige, aber keineswegs eine hinreichende Voraussetzung.“ (Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.108) Dennoch zeigen viele Jugendliche eine mangelnde Bereitschaft zur Mobilität, sowohl in der regionalen Dimension, als auch in der Bereitschaft beispielsweise den Beruf zu wechseln. In der materiellen Ebene liegt letztendlich das Problem, welches ich später ausführlicher bearbeiten möchte, nämlich die Jugendarbeitslosigkeit. Ohne einen Arbeitsplatz, gestaltet

sich

die

finanzielle

Unabhängigkeit

sehr

schwierig.

Die

völlige

Unabhängigkeit der jungen Menschen liegt heute in weiterer Ferne, als es z.B. vor 20 30 Jahren der Fall war. Was die Freizeit der Jugendlichen angeht, „beträgt die frei gestaltbare Zeit von Kindern und Jugendlichen heute vier bis sechs Stunden an Werktagen, über acht Stunden an

1.1. Ein Einblick in die heutige Situation junger Menschen in der Bundesrepublik

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Samstagen und über zehn Stunden an Sonntagen.“ (Swoboda, 1987, S.10) Dabei haben Jungen mehr Freizeit als Mädchen, da diese noch immer eher als Jungen zur Hausarbeit herangezogen

werden.

Das

Taschengeld

ist

in

den

vergangenen

Jahren

selbstverständlich schon aufgrund der Inflationsrate und dem durchschnittlichen Einkommen gestiegen. Laut der 13. Shell Jugendstudie sind 42% der Jugendlichen Mitglied in einem Verein oder Jugendverband, wobei die Sportvereine hier 35% ausmachen. (vgl. 13. Shell Jugendstudie, 2000, S.275 f.) Viele Jugendliche gehen auch in Jugendfreizeitheime, wobei ich hieran interessant finde, wer denn nun wirklich in die Einrichtungen geht. „Insgesamt sind 25% der Jugendlichen im Westen und 24% im Osten zufrieden mit dem verfügbaren Angebot an Jugendzentren. Tendenziell sind Jugendzentren wichtiger für jüngere Jugendliche, von denen aber 29% im Westen und 20% im Osten dieses Angebot für `nicht so wichtig` halten. Insgesamt werden Jugendzentren von 39% der westdeutschen und 27% der ostdeutschen Jugendlichen für nicht so wichtig gehalten, wobei jeweils die männlichen Jugendlichen überwiegen. Weibliche Jugendliche sind hingegen unzufriedener mit Jugendzentren als männliche (ipos 1999, S.72). 61% der deutschen und 54% der ausländischen Jugendlichen gehen nie in ein Jugendzentrum.“ (Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.130) „Besuche im Jugendzentrum sind am ehesten noch die Sache italienischer oder türkischer männlicher Jugendlicher, etwas seltener auch eine Freizeitaktivität bei weniger privilegierten deutschen Jugendlichen (und wieder vorrangig bei den männlichen)“ (13. Shell Jugendstudie, 2000, S.207). Die Jugendlichen, die nicht in den oben genannten Prozentanteilen auftauchen, weil sie vielleicht mit den Gleichaltrigen in den Jugendclubs nichts zu tun haben wollen, sind vor allem die relevante Klientel für die mobile Jugendarbeit. In den Jugendzentren, aber auch in der Clique z.B. auf der Straße wird die Jugendkultur ausgelebt. Einerseits bietet sie den Jugendlichen die Möglichkeit einen Orientierungspunkt in ihrer persönlichen Entwicklung, andererseits sind die Auswahlmöglichkeiten der spezifischen Kultur sehr breit gefächert. Es ist aber durchaus eine gewisse Kombination möglich. So kann einem auf der Straße ein türkisches Mädchen mit Kopftuch begegnen, welches ihren gepiercten Bauchnabel offen zeigt. Der Einfluss anderer Kulturen wird z.B. in der Popkultur an einigen Merkmalen deutlich. „Die von Vielsprachigkeit und ethnischer Pluralität geprägten kulturellen Praxen der Jugendlichen sind in einen rasant sich entwickelnden grenzüberschreitenden Markt eingebunden, der die Massenmedien erobert hat. In den

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Kapitel 1. Bedürfnisse und Problemlagen Jugendlicher in Deutschland

populären Musikrichtungen lassen sich sowohl ethnisch markierte als auch deethnisierende Ausdrucksformen finden (vgl. Hewitt 1997; Dannenbeck u. a. 1999), wobei diese auch neue ethnische Zuschreibungen produzieren können. Es existieren aber nicht nur HipHop-Bands, die ostentativ `kanak sprak` (vgl. Zaimoglu 1995) verwenden, sondern auch Radiosender, Jugendzeitschriften oder Internet-Chats, welche die Jargons aufgreifen und weiterentwickeln. Bekannt sind auch literarische Werke über sprachlich-kulturelles Grenzgängertum, die in den sprachlichen Formen, die es selbst hervorbringt, verfasst sind. Das Lebenselixier dieser Phänomene ist die lebendige, alltäglich sichtbare sprachliche und kulturelle Vielfalt in der Gesellschaft. An diesen Praktiken haben nicht nur besondere ausgewählte junge Menschen teil, sondern sie sind charakteristisch für heutige Kindheit und Jugend in Deutschland.“ (Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.183)

Die Situation in den alten und neuen Bundesländern ist noch immer sehr verschieden. Im östlichen Teil Deutschlands beträgt das Durchschnittseinkommen ca. 800 Euro während die Lebenshaltungskosten oft bereits nah an dem Westniveau liegen. In Westdeutschland liegt das durchschnittliche Einkommen bei ca. 1300 Euro. Eine interessante Entwicklung ist meiner Meinung nach der demographische Wandel, also die große Zahl älterer Menschen, die den immer weniger werdenden Jugendlichen entgegensteht. Es wird sich zeigen, ob eine Verschiebung der Interessen der Bundesregierung zugunsten des größeren Bevölkerungsteils stattfindet und der Jugendpolitik, sowie der Jugendhilfe geringere Mittel zur Verfügung stehen. Zur Zeit ist jedenfalls festzustellen, das es in den westlichen Bundesländern zukünftig weniger Kinder bis 14 Jahren geben wird, aber die Gruppe der Jugendlichen noch zunehmen wird, bis 2006 werden 11% mehr Jugendliche in den alten Bundesländern leben, als noch 1998. Diese Entwicklung Westdeutschlands wird in den östlichen Bundesländern genau andersherum prognostiziert. Im Jahr 2010 erreicht die Gruppe der 14- 18jährigen was das aufkommen betrifft, ihren absoluten Tiefpunkt. Diese Entwicklung birgt sowohl Hoffnungsschimmer, als auch negative Optionen in sich. Positiv ist zu bewerten, dass sich das Verhältnis von Jugendlichen und Ausbildungsplätzen auf längere Sicht deutlich entspannen wird, da einfach weniger junge Menschen einen Ausbildungsplatz brauchen. In fünf Jahren werden junge Menschen für den Arbeitsmarkt wohl seltener sein. Es ist auch anzunehmen, dass es wieder zu einem erhöhten Bedarf kommen wird, so das die Ausbildungsstätten weniger

1.1. Ein Einblick in die heutige Situation junger Menschen in der Bundesrepublik

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stark selektieren. Andererseits wird es ebenso wahrscheinlich einen Fachkräftemangel geben und so wird es zu einer „dramatischen Veränderungen in der langfristigen Verteilung von Nutzen und Lasten öffentlicher Leistungen im Generationenverlauf“ kommen. (vgl. Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.13) Bis zum Jahr 2020 wird der Anteil der unter 20jährigen auf 17% sinken, während der Anteil der über 65jährigen auf 22% steigen wird. Die Kommission des Jugendberichtes sowie der Armuts- und Reichtumsbericht stimmen des weiteren darin über ein, dass „Konsumdruck, Ausgrenzung und Verschuldung als besondere Problemlagen von Kindern und Jugendlichen in der modernen Konsumwelt“ (Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S. 14) zu betrachten sind. Die Konsumspirale führt zu einem enormen Druck, dem die Jugendlichen tagtäglich ausgesetzt sind. Dinge, die eben noch „In“ waren sind es jetzt schon nicht mehr und neue Konsumgüter müssen erworben werden, um mithalten zu können. Die Werbung suggeriert eine Moderne Welt, die nur leider sehr wandelbar ist. Um Teil der Modernen Welt zu sein, ist ein erheblicher finanzieller Aufwand nötig. Kinder und Jugendliche, die sich die „Markenklamotten“ nicht leisten können, tragen oftmals ein Stigma mit sich, dass ihnen deutlich macht welchen Einfluss die materiellen Ressourcen auf das soziale Leben haben. Dennoch bin ich noch immer der Meinung, dass man diesen Faktor nicht überbewerten darf. Sicher gibt es diesen Druck auf die Jugendlichen und ich zweifle nicht daran, dass er als sehr belastend empfunden werden kann. Nichts desto trotz denke ich auch, dass ein junger Mensch mit dem entsprechenden Selbstvertauen und Selbstwertgefühl ebenso in einer finanziell schlechteren Situation kein Opfer von Ausgrenzung sein muss. Des weiteren löst ein Markenpullover keine Kontaktprobleme eines Jugendlichen, indem er dadurch in eine Jugendclique integriert wird. Der „Markendruck“ kann auf legalem Weg auch gar nicht von so vielen Kindern und Jugendlichen kompensiert, bzw. ausgelebt werden. „So erhielten Ende 1999 ca. 2,8 Millionen (Mio.) Bürgerinnen und Bürger HLU4 außerhalb von Einrichtungen. Unter ihnen befanden sich etwa 465 000 Kinder unter 7 Jahren und knapp 574 000 Kinder und Jugendliche zwischen 7 und 18 Jahren; damit haben sich die Werte gegenüber 1997 leicht verbessert.“ (Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.139) Doch trotz dieser Verbesserung bleibt einige Faktoren unbestreitbar. Überproportional viele der

4

Hilfen zum Lebensunterhalt, Anm.d.Ver.

-16-

Kapitel 1. Bedürfnisse und Problemlagen Jugendlicher in Deutschland

zumindest zeitweise in Armut5 lebenden Kinder und Jugendlichen stammen aus den neuen Bundesländern oder Migrantenfamilien. Eine weitere Gruppe, die besonders von Armut betroffen ist, sind Familien mit vielen Kindern und Einelternfamilien. Man könnte sagen das jedes weitere Kind die Gefahr, in Armut oder an der Grenze zu leben noch verstärkt, genauso wie eine Trennung vom Partner. So ist es nicht verwunderlich, dass die durchschnittliche Kinderzahl der Frauen seit Jahren zurückgeht. Im Gegensatz zu früher, als besonders ältere Menschen gefährdet waren in Armut zu leben, stellen heutzutage besonders Kinder die Risikogruppe dar. Ende der 90er Jahre wuchs etwa jedes siebte Kind zumindest zeitweise in Armut auf. „Sozioökonomisch benachteiligte Kinder und Jugendliche erfahren eine massive Einschränkung ihrer Handlungs- und Entscheidungsspielräume sowie ihrer Entwicklungsperspektiven im Vergleich zu wohlhabenden Kindern.“ (Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S. 145) Das prekäre an der Armut ist, dass sie quasi „vererbt“ werden kann. Wächst ein Jugendlicher in dieser Lage auf, ist die Wahrscheinlichkeit größer, das er die Schule früher beendet oder sogar abbricht, um die Familie finanziell unterstützen zu können. Auf diese Weise wird er zwar früher Geld verdienen, auf lange Sicht aber seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt verringern. Eine gering qualifizierende oder sogar gar keine Ausbildung schüren also auf lange Sicht das Risiko von Arbeitslosigkeit betroffen zu werden und somit an, bzw. unter die Einkommensarmutsgrenze zu geraten. Schulden zu machen ist in diesen Situationen ein beliebter scheinbarer Ausweg. Schon Jugendliche können heute sehr viel einfacher eine Kreditkarte oder einen Dispositionskredit erhalten. Da viele sich nicht wirklich über die Folgen im klaren sind, scheint diese Lösungsstrategie der Hoffnungsschimmer zu sein, auf den die jungen Menschen gewartet haben. Ohne die langfristigen Folgen zu bedenken, hat ein Jugendlicher sehr schnell eine sehr große Summe zusammen, die er einer Bank schuldet. 1996 waren 17% der Jugendlichen verschuldet, wobei die Schuldenlast 540 – 580 DM betrug und ab 18 Jahren erheblich anstieg. (vgl. Stallmann, 1999, S.10) Allgemein gesprochen waren Ende der 90er Jahre 9% der deutschen von Armut betroffen und die Spanne zwischen den verschiedenen Einkommen wird immer größer, während sich diese Situation zu Anfang der 90er Jahre noch bedeutend homogener darstellte. (vgl. Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.139ff.) 6 5

Mit Armut sind im Allgemeinen Haushaltseinkommens gemeint. 6 vgl. Tabelle I im Anhang

weniger

als

50%

des

durchschnittlich

gewichteten

1.2. Junge Menschen in unterschiedlichen Sozialräumen

-17-

1.2. Junge Menschen in unterschiedlichen Sozialräumen Zunächst möchte ich den Sozialraum näher definieren. Er ist sehr vom Individuum abhängig.

„Für

eine

allein

stehende

Rentnerin

ohne

verwandtschaftliche

Bezugspersonen, die relativ isoliert lebt und wegen ihrer Gehbeschwerden von einem Einkaufsdienst versorgt wird, ist der Sozialraum vielleicht das Haus, in dem sie wohnt; für manche libanesische oder türkische Familie, die über einen größeren Stadtbezirk verteilt wohnen, ist dieser Bezirk der Sozialraum; der Jugendliche, der im gleichen Haus wohnt wie die alte Frau, aber hochgradig mobil und eher auf die Events in der Innenstadt ausgerichtet ist, verfügt über einen eher weiten und flexiblen Sozialraum.“ (Hinte, 2002, S.540) „Regionale Unterschiede bestimmen die Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen in der Bundesrepublik. Sie werden vor allem dann zum Problem, wenn sie zu einer ‚Entmischung’ der Bevölkerung, zur sozialen Segregation führen, wie sie zur Zeit in verschiedenen Dimensionen zu beobachten ist. Eine Jugendpolitik, die zur Herstellung gleicher Lebensverhältnisse in allen Teilen Deutschlands verpflichtet ist, muss sich deshalb insbesondere auf die schwierigen Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen in einigen ländlichen Räumen und einigen städtischen Quartieren richten.“ (Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S. 51) Der Ort, an dem ein Mensch lebt entscheidet über die Chancen auf dem Arbeitsmarkt, die Lebenshaltungskosten wie z.B. Miete und über die Möglichkeit kulturelle Angebote wahrzunehmen, also die Freizeitgestaltung. Die Kinder und Jugendarbeit wird zunehmend unter sozialräumlichen Aspekten betrachtet, um sie für die Jugendhilfe greifbarer zu machen. Da dies häufig sozialgeographisch eingeengt wird (Stadtteil, Planungsraum, etc.), ist beispielsweise auch das Land als ein Sozialraum zu sehen. „Die Bildung des Subjektes, im sozialen Raum“ (Deinet, 2002, S.1) wird heute besonders durch die strukturellen Bedingungen in Groß- und Kleinstädten oder dem schon genannten ländlichen Raum bestimmt. Subjektive Eigenschaften, wie das Geschlecht oder der familiäre Hintergrund haben in diesen Gebieten unterschiedliche Auswirkungen. „Die Abgrenzung sozialer Räume auf sozialgeographisch abgegrenzte Gebiete scheint insbesondere dem Mobilitätsverhalten von Jugendlichen nicht gerecht zu werden.“ (Deinet, 2002, S.3) Dennoch werde ich diese geographische Grenze ziehen, da das

-18-

Kapitel 1. Bedürfnisse und Problemlagen Jugendlicher in Deutschland

Leben auf dem Land andere Grundvoraussetzungen in sich birgt, als das Leben in städtischen Gebieten. „Für junge Menschen entstehen durch zunehmende Probleme in einzelnen Stadtteilen und strukturschwachen ländlichen Regionen, in denen sie leben, gravierende Nachteile, die ihr ganzes Leben prägen können. Dabei sind sie in ihrer Entwicklung zu eigen- und sozialverantwortlichen Persönlichkeiten darauf angewiesen, ein Lebensumfeld zu haben, das ihre Entwicklung fördert und ihnen Chancen für ihre Zukunft eröffnet. Sie sind weniger mobil als erwerbstätige Erwachsene und so stärker an ihr näheres Umfeld, ihren Sozialraum gebunden. Die Erfahrungs-, Identifikations- und Kommunikationsmöglichkeiten, d. h. ihre Entwicklungschancen, werden in diesen Sozialräumen u. a. durch unzureichende Infrastrukturangebote, insbesondere in den Bereichen Arbeit und Bildung, beeinträchtigt. Es entsteht die Gefahr einer `kumulativen Abwärtsentwicklung` dieser Sozialräume und einer möglichen dauerhaften Marginalisierung ihrer Bewohnerinnen und Bewohner. Dabei können sich die Konflikte in den Stadtteilen zuspitzen, während strukturschwache ländliche Regionen veröden. Wissenschaftler weisen darauf hin, dass für Kinder und junge Menschen diese „Segregationsspirale“ bedeutet, dass sie einer „negativen“ Sozialisation unterliegen, d.h. ihr Heranwachsen wird durch Rahmenbedingungen wie

Arbeitslosigkeit,

fehlende

Freizeitangebote,

erhebliche

psychosoziale

Belastungen, Schuldefizite, unzureichende Wirtschaftsstrukturen geprägt, die für Kinder und junge Menschen in anderen Sozialräumen Ausnahmeerscheinungen sind.“ (Elfter Kinder -und Jugendbericht, 2001, S.5) Das Programm „Entwicklung und Chancen für junge Menschen“ stellt z.B. Zehn Millionen Euro bereit, sowohl für junge Menschen in sozialen Brennpunkten als auch für Jugendliche in ländlichen Gebieten. Diese Gelder speziell für junge Menschen in strukturschwachen Sozialräumen, sind ein wichtiger Beitrag zur Gemeinwesenarbeit und die Verbesserung der Situation benachteiligter Jugendlicher.

1.2.1. Jugendliche in ländlichen und städtischen Gebieten Modernisierung ist für die Jugendlichen auf dem Land ein Faktor, der zum bedeutenden Teil ihrer Entwicklung geworden ist. Wesentliche Folgen der Modernisierung sind Auflösung, im Sinne von persönlichen und kulturellen Bindungen, Ausdehnung von

1.2. Junge Menschen in unterschiedlichen Sozialräumen Zeiten,

vor

allem

für

die

Bildung,

sowie

-19soziale

und

räumliche

Segmentierung/Ausgrenzung. Jugendliche in ländlichen Gebieten haben besonders mit folgenden Problemen umzugehen: •

„Die Einbindung in private- z.B. familiäre- Strukturen und in das dörfliche Netzwerk ist stärker Ausgeprägt als in städtischen Gebieten. Somit unterliegen Jugendliche einer ausgeprägteren sozialen Kontrolle.



Weite Entfernungen, schlechte Verkehrsanbindungen und folglich mangelnde Mobilität schränken viele Jugendliche in ihren Bewegungsspielräumen ein und verweisen sie eher auf den sozialen Nahraum. Erschwerend kommt hinzu, dass in ländlichen Gebieten das Angebot an Jugendeinrichtungen häufig ungenügend ist. (...)



Cliquen und/oder Jugendtreffpunkte bieten einen wichtigen Freiraum und sind häufig das entscheidende Medium, sich- zeitweise- vom dörflichen Leben abzusetzen.



Eine äußerst problematische Lage auf dem Arbeitsmarkt korrespondiert mit einem allgemeinen öffentlichen Desinteresse an der Ausbildungs- und Arbeitsplatzsituation für Jugendliche in ländlichen Regionen. Sie sind mit am stärksten vom Strukturwandel des Arbeitsmarktes betroffen. Gerade Jugendliche auf dem Land geraten somit in die Gefahr, zur ‚Randbelegschaft’ (Mitarbeit in Hof und Haushalt, Aushilfen, Saisonkräfte) zu werden.“

(Wigrim, 2000, S.164) Für die Jugendarbeit gerade im ländlichen Raum ist es deshalb wichtig, die Jugendlichen aktiv an der Gestaltung ihrer Lebenswelt mitwirken zu lassen. Im Zehnten Kinder- und Jugendbericht heißt es dazu: „... Daher müssen für ländliche Regionen Formen

der

Kinder-

und

Jugendarbeit

gefunden

werden,

die

mit

den

Modernisierungsprozessen Schritt halten können. ...“ (BMFSFJ 1998, S. 225) Hinzu kommt, dass „der öffentliche Raum (...) immer nur unter den negativen Vorzeichen eines unkontrollierten Bereichs gesehen“ wird, „in dem ‚Verschmutzung’ und ‚Verwahrlosung’ unter Kontrolle gebracht werden müssen.“ (Deinet, 2002, S.2) Dies ist nun sicher nicht nur in ländlichen Gebieten so, sondern ein allgemeines Problem. Die Gesellschaft würde den Jugendlichen aber gerade auf dem Land, wo das Angebot für sie und junge Erwachsene im Freizeitbereich sehr eingeschränkt ist, mit der

-20-

Kapitel 1. Bedürfnisse und Problemlagen Jugendlicher in Deutschland

Vertreibungen aus dem öffentlichen Raum, wichtige Möglichkeiten nehmen, sich in ihrer Peergroup zu entwickeln. Hier können sie sich ausleben und einen Spielraum in der sozialen Realität schaffen. Er ermöglicht es den Jugendlichen erwachsen zu werden und ihr Selbstverständnis zu erproben. Dies geschieht in deutlicher Abgrenzung zu ihrer Umwelt. Das „Ruhebedürfnis und Sicherheitsgefühl der Bewohner stehen dem öffentlichen Auftreten von Jugendlichen in einer Weise gegenüber, die man zum Teil als hysterisch bezeichnen könnte“ (Deinet, 2000, S.8) Die Jugendlichen lassen sich nun aber nicht so einfach von der Öffentlichkeit vertreiben, was zu vorprogrammierten Konflikten führt. Möchte ein Projekt parteiisch etwas für die Jugendlichen in dieser Situation tun, ist ein gezieltes Angebot, um sie von den öffentliche Plätzen zu holen, nicht immer der richtige Weg. Ihre Erfahrungsräume würden dadurch in jedem Fall eingeschränkt und die Frage die sich hier stellen muss ist, wem dieses Angebot im Endeffekt etwas bringen würde. „Sozialräumliche Jugendarbeit (sieht) den öffentlichen Raum nicht als die ‚gefährliche Strasse’ (..) (ohne tatsächlich vorhandene Angsträume zu übersehen), sondern als Aneignungsraum für Kinder und Jugendliche, (...) dessen Qualitäten (...) nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung haben“. (Deinet, 2002, S.3) Jugendeinrichtungen sind auf dem Land nicht überall vorhanden und die Jugendclubs die es gibt, sind häufig von Schließungen bedroht. Die Jugendclubleiterstellen sind oft ABM-Stellen, welche in einigen Gebieten eher selten mit ausgebildeten Pädagogen besetzt werden. In einigen Fällen haben diese Menschen eine vierwöchige Einweisung in das Feld der pädagogischen Arbeit erhalten, jedoch sieht man vor Ort immer wieder dass gewisse Grundlagen fehlen. Werden die Clubs geschlossen, suchen sich die Jugendlichen wieder eigene Treffpunkte, überwiegend im öffentlichen Raum. Dies würde erneut zu Konflikten mit der Öffentlichkeit führen, denn die „saufenden“ Jugendlichen möchten diese nicht gern mitten in ihrem Ort haben. Der öffentliche Raum gehört auch den Jugendlichen und die Jugendarbeit sollte darauf achten, dass öffentliche Räume für ihr Klientel revitalisiert werden. Dennoch könnten Jugendeinrichtungen z.B. offene Sportangebote, wie Skaten anbieten, an denen die Jugendlichen teilnehmen können, ohne in die festen Strukturen eines Sportvereins eingebunden zu sein. Ein solches Projekt wäre beispielsweise auf einem Schulhof realisierbar vorausgesetzt es stellt sich nicht wieder eine Instanz dagegen. Ein Schulhof wäre auch noch mehr als jeder Parkplatz ein öffentlicher Raum, der den Jugendlichen

1.2. Junge Menschen in unterschiedlichen Sozialräumen

-21-

zustehen sollte. Sie erwerben in ihren Cliquen soziale Kompetenzen, die sie letztlich auch zum Erwerb von Sprachkenntnissen und Bildungsabschlüssen befähigen. Im ländlichen Bereich ist es kaum möglich, „Sozialräume so zu identifizieren, dass die verschiedenen Lebensräume von Kindern und Jugendlichen, sowie deren Mobilität angemessen berücksichtigt werden können.“ (Deinet, 2002, S.3) Die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen in ländlichen Regionen sind wie folgt beschreibbar: Viele von ihnen pendeln im Tagesverlauf zwischen verschiedenen Orten, z.B. der kleinen Ortsgemeinde, in der sie wohnen und dem Mittelzentrum, an dem sich oft die großen Schulzentren befinden. (vgl. ebd.) Hier kommt wieder der sinnvolle Aspekt der mobilen Jugendarbeit, gerade in diesen Gebieten zum Ausdruck. Mobilität ist in ländlichen Gebieten spätestens ab der Adoleszenzphase, das zentrale Thema. Böhnisch (1989, S.173) macht darauf aufmerksam, das sich die ländliche Jugend von heute nicht mehr wirklich an alten Traditionen orientieren kann. Sie ist eher Regionalorientiert und weniger auf das Dorf angewiesen. Die regionale Umwelt ist für sie ein Sozialraum, den sie sich ganz neu erschließen können und müssen. Hier bieten sich deutlich mehr Gestaltungsmöglichkeiten, als es in ihrer kleinen Gemeinde der Fall ist. Eine moderne Identität, die auch auf dem Land existieren kann, ist für diese Jugendlichen eine Entwicklungsaufgabe, mit der sie sich konfrontiert sehen. Was die Zukunftsperspektiven angeht, wollen viele Jugendliche die auf einem Bauernhof aufwachsen, nicht mehr die Nachfolge ihrer Eltern antreten und Landwirt werden. Ausbildungs- und Arbeitsplätze sind auf dem Land, wohl noch mehr als in den städtischen Gebieten, ein großes Thema. Schulen sind häufig Kilometer entfernt. Die Kinder und Jugendlichen sind täglich einige Stunden mit diversen Verkehrsmitteln unterwegs, nur weil sie zu abgelegen wohnen. Laut May (1994, S.326) leben Provinzjugendliche in zwei Welten, in denen sie einerseits im industriell geprägten Strukturwandel der Jugendphase partizipieren und andererseits noch Umgang mit den besonders ländlichen regionalen Sozialwelten haben. Ein Beispiel für diese Sozialwelten ist die Jugendfeuerwehr oder auch Sportvereine. Sie sind eine wichtige soziale Instanz innerhalb einer Gemeinde. Im ländlichen Raum entstehen Konflikte zwischen Erwachsenen und Jugendlichen oft dadurch, dass sich die Jugendlichen nicht mehr so leicht in Vereinsstrukturen und ähnliches integrieren lassen. Die Streetworkerstellen der letzten Jahre sind meist als Reaktion auf solche akuten Konflikte und das erhöhte Sicherheitsbedürfnis der Bewohner entstanden.

-22-

Kapitel 1. Bedürfnisse und Problemlagen Jugendlicher in Deutschland

Wie bereits erwähnt ist für alle Menschen auf dem Land Mobilität ein sehr wichtiger Faktor. Die Jugendlichen haben schon ihr ganzes Leben lang gelernt, dass sie ohne ein Auto nicht weit kommen. Wenn sie Abends länger bei ihren Freunden oder auf einer Party waren, wurden sie von ihren Eltern abgeholt, zur Schule kommen sie nur mit dem Bus oder wieder mit den Eltern. Sind sie alt genug, um sich allein mobil fortzubewegen wird diese Gelegenheit sofort genutzt. Als erstes wird das Mofa gekauft, dann der Motorroller und die ultimative Mobilität ist mit dem Erwerb des Führerscheins und dem ersten eigenen Auto gewährleistet. Die Jugendlichen werden durch ihren verstärkten Aufenthalt außerhalb der Gemeinde zu Teil- Zeit- Dörflern. Die Eltern wiederum unterstützen besonders das Auto, denn es ist für sie angenehmer zu wissen, dass ihr Kind in einem eigenen Auto sitzt und nicht bei irgendjemandem per Anhalter mitfährt. Außerdem müssen sie so nicht immer selbst ihre Kinder abholen. Zu einer Durchschnittsfamilie auf dem Land gehören durchaus drei Autos, um die Mobilität für Jeden in der Familie zu gewährleisten. Nach Herrenknecht (2000) haben erst die Mobilitätsmöglichkeiten den regionalen Aneignungsraum erweitert und die Provinz kulturell modernisiert. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass der Siedlungsstandort Dorf gesichert wurde. Ohne die Möglichkeit zu Pendeln, wären seit Jahren viel mehr junge Leute in die Städte abgewandert und die Dörfer würden damit einer Überalterung ihrer Bewohner erlegen sein. Jedoch wird das Dorf immer mehr zum reinen Wohnort und Ausgangspunkt für überregionale Aktivitäten.

Junge Menschen, die in der Stadt groß werden, haben den ländlichen Jugendlichen einiges an Infrastruktur voraus. Dennoch können diese strukturellen Vorteile viele Missstände nicht aufwiegen. Speziell Jugendliche die in sozialen Brennpunkten leben haben mit den Gegebenheiten zu kämpfen und werden von ihnen allzu oft in ihrer Entwicklung behindert. Die sozialräumliche Sicht ist im städtischen Gebiet ein wenig schwierig. Zunächst erschwert die zunehmende Mobilität der Bevölkerung (z.B. Migranten, Studierende) einen Vergleich der Lebenslagen, dies aber für gewöhnlich mit Ausnahme der sozialen Brennpunkte und Nobelviertel. Das bedeutet, dass es in einigen Gebieten eine hohe Fluktuation in der Bevölkerung gibt. In sozialen Brennpunkten und Nobelvierteln gibt es hingegen wenig Zu- oder Wegzug. Des weiteren sind Stadtbezirke und Stadtteile oft nicht scharf voneinander getrennt, was eine Differenzierung ebenfalls erschwert.

1.3. Die Phase der Adoleszenz und Lebensplanung von Jugendlichen

-23-

Der Bund hat das Programm „Soziale Stadt“ ins Leben gerufen, welches die Situation in sozialen Brennpunkten nachhaltig verbessern soll. Dies geschieht vor allem durch Wohnraumerhaltung und –renovierung, den Ausbau der sozialen Dienste und der Infrastruktur, sowie die Förderung sozialer Netzwerke. All diese Maßnahmen sollen eine Verbesserung der Lebenslagen vor Ort bewirken. In diesem Zusammenhang ist auch das Programm der Kinder- und Jugendhilfe „Entwicklung und Chancen junger Menschen in sozialen Brennpunkten“ (E&C-Programm) zu sehen, welches die Projekte der Jugendförderung und Jugendarbeit unterstützt. Dies geschieht ohne neue finanzielle Unterstützung und vor allem im sozialen Nahraum der Kinder und Jugendlichen. (vgl. Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.148)

1.3. Die Phase der Adoleszenz und Lebensplanung von Jugendlichen Zunächst ist die Adoleszenz „ein zur Psychologie des Jugendalters gehöriger Begriff, der unterschiedliche Altersspannen betreffen kann: a)

Nach abgeschlossener Geschlechtsreife (Pubeszenz – Pubertät) eine Zeit zunehmender Stabilisierung der persönliche und sozialen Orientierungen, bis der Status des Erwachsenen erreicht ist: von der Volljährigkeit mit 18- 21 Jahren auch Heranwachsende oder junge Erwachsene genannt.

b)

Vor allem im englischen Sprachraum umfasst der Begriff das gesamte Jugendalter von etwa 12- 21 Jahren.“ (Fachlexikon der sozialen Arbeit, 1997) Die Ergebnisse einiger Befragungen in jüngerer Zeit bestätigen, „die Krisenhaftigkeit des Übergangs vom Kind zum Jugendlichen aber nicht mehr als Folge genetischer Programme, sondern der Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbst, mit den sozialen Erwartungen, bezogen auf Leistung und Geschlechtsrolle und den Konflikten, die sich aus den rasch wechselnden Formen unkonventioneller Selbstdarstellung ergeben.(...) Die Adoleszenzkrise ist kein Unfall der Entwicklung, sondern eine Krise der Interaktion zwischen den Generationen. Das Gleichgewicht zwischen Führen und Freilassen muss neu ausgependelt werden. Die Formen des Umgangs sind nicht mehr durch Alter und Macht bestimmbar, sondern in gegenseitiger Achtung vor den Überzeugungen des Partners.“ (ebd.)

-24Die

Kapitel 1. Bedürfnisse und Problemlagen Jugendlicher in Deutschland Phase

der

Adoleszenz

ist

für

alle

Jugendlichen

eine

gewaltige

Entwicklungsaufgabe. Trotz aller Veränderungen im Leben eines jungen Menschen, welche vielleicht auch im Gegensatz zu früheren Zeiten stehen, hat er noch immer alterstypische Entwicklungsaufgaben zu bewältigen. Dazu gehört die Entwicklung der eigenen Identität ebenso, wie die eines moralischen Bewusstseins, das Ausprobieren von

Partnerschaft

und

Sexualität

genauso,

wie

die

Entwicklung

von

Geschlechterrollenbildern, die Ablösung vom Elternhaus mit dem Ziel der Selbständigkeit und natürlich die berufliche Einmündung. (vgl. Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.247) Die Ablösung von den Eltern verläuft heute aber weniger rebellisch, sondern vielmehr mit ihnen als Partner in einem einvernehmlichen Prozess. Mädchen kommen im Laufe der Jahre immer früher in die Pubertät, was bei Jungen hingegen kaum zu beobachten ist. Die erste Regelblutung bekommen die Mädchen heute mit 12,5 Jahren, die Jungen haben den ersten Samenerguss jedoch durchschnittlich mit 13,5 Jahren. In den vergangenen Hundert Jahren hat sich diese Altersgrenze um drei bis vier Jahre nach unten verschoben, zumindest was die westlichen Industriestaaten betrifft. (vgl. Spallek, 2002) Allerdings ist dies bei den Mädchen noch deutlicher geschehen, als bei den Jungen. Die Ursachen hierfür sind nicht wirklich geklärt, einige behaupten, dass die reichhaltige Ernährung, oder auch die zunehmend erhellte Nacht Gründe dafür sein könnten. Trotz aller Spekulationen macht es doch eins deutlich, nämlich dass Mädchen den Abstand zu den Jungen in ihrer Entwicklung immer mehr vergrößern. So kommt es nicht selten vor, dass Mädchen einen viel älteren Freund haben und Partnerschaften werden immer früher eingegangen. Die Phasen, welche Jugendliche bis zur möglichen Ehe durchlaufen, haben sich laut Palentien jedoch kaum verändert. Die Phasen sehen wie folgt aus: •

„Der erste Schritt dieser Entwicklung ist der Einstieg in das jugendkulturelle Leben. Es findet bei der Mehrzahl der Jugendlichen im Zeitraum zwischen dem 14. und dem 16. Lebensjahr statt. Diskothekenbesuche, Besuche von Tanzstunden und andere öffentliche Veranstaltungen, bei denen beide Geschlechter zusammentreffen nehmen in diesem Alter anteilmäßig stark zu.



Der

zweite

Schritt

umschließt

die

intimen

gegengeschlechtlichen

Freundschaften, wobei eine längere Phase des verliebt seins ohne sexuelle Kontakte für die Altersspanne zwischen dem 15. und dem 17. Lebensjahr charakteristisch ist. Diese ersten gegengeschlechtlichen Freundschaften sind für beide Geschlechter eine Vorstufe vor dem ersten sexuellen Erlebnis.

1.3. Die Phase der Adoleszenz und Lebensplanung von Jugendlichen

-25-

(Jugendwerk, 1992, S.139) Der Zeitraum dieser Vorstufe dauert für die meisten Mädchen bis zu zwei Jahren, für die Jungen ist er erheblich kürzer. •

Den nächsten Schritt im Prozess des Hineinwachsens in eine enge Partnerbeziehung stellt die räumliche Trennung von den Eltern dar. Sie wird bis zum Ende des 23. Lebensjahres von der Mehrzahl der Jungen und bis zum Ende des 21. Lebensjahres von der Mehrzahl der Mädchen vollzogen. Diese Stufe mündet im Zusammenleben mit einem Partner oder einer Partnerin, eine Art ‚Ehe auf Probe’.



Der letzte Schritt ist die Eheschließung. Sie findet bei der Mehrheit der jungen Männer im Alter von etwa 28 Jahren und bei der Mehrheit der jungen Frauen im Alter von etwa 26 Jahren statt. Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen in Ost- und Westdeutschland sind hierbei beträchtlich: Die Alterswerte in Ostdeutschland liegen bis zu vier Jahren unter denen in Westdeutschland.“

(Palantien, 2002, S.110) Zu einer Partnerschaft gehört ab einem gewissen Grad und Alter auch der sexuelle Aspekt. Dabei sind die Jugendlichen, was das erste sexuelle Erlebnis betrifft, im Verlauf der Jahrzehnte immer jünger geworden. Die Medien tragen durchaus ihren Teil dazu bei, da heute sogar präpubertäre und noch jüngere Kinder im Fernsehen diverse Sexszenen sehen können, in Zeitschriften über unterschiedliche Sexualpraktiken aufgeklärt werden und sich manchmal auch heimlich die Erotikfilme der Eltern ansehen können. All dies führt dazu, dass die sexuellen Bedürfnisse, welche in dem Alter eigentlich noch ruhen, aktiviert werden und die Altersgrenze für die ersten sexuellen Kontakte sinkt. Des weiteren ist der noch in den 50er Jahren vorliegende Unterschied zwischen den sozialen Schichten heute nicht mehr existent. Damals waren die Jugendlichen der unteren sozialen Schichten ihren Altersgenossen aus den besser gestellten Schichten, bei den sexuellen Aktivitäten einige Jahre voraus. In einer Untersuchung, die Neubauer 1990 mit jugendlichen Jungen und Mädchen durchführte, befanden die meisten das 15. Lebensjahr als den richtigen Zeitpunkt für erste sexuelle Erfahrungen. Hiernach hatten 46% der Mädchen und 35% der Jungen bis zum 16.Lebensjahr das erste Mal Geschlechtsverkehr. (vgl. Palentien, 2002, S.112) Noch genauer zeigen die Ergebnisse einer Studie von 1994 das Alter des ersten Geschlechtsverkehrs: „Während 1966 (...) nur elf Prozent der 18-Jährigen angaben, Geschlechtsverkehr zu haben,“ sahen die zahlen 1994 wie folgt aus: „77% der 17-

-26-

Kapitel 1. Bedürfnisse und Problemlagen Jugendlicher in Deutschland

Jährigen, 55% der 16-Jährigen, 26% der 15-Jährigen und noch immerhin 9% der 14Jährigen hatten ihren ersten Geschlechtsverkehr schon hinter sich.“ (Spallek, 2002) Empirische Studien zeigen, dass sich Eltern seit den 70er Jahren bemühen, Sexualkontakte ihrer Kinder zu akzeptieren und zwar auch im Elternhaus. Das Verhalten wandelt sich von einer Verbots- zu einer Verhandlungsmoral hin. (vgl. Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.128) Die sexuellen Kontakte ihrer Kinder werden akzeptiert, wenn die Jugendlichen Verhütungsmittel benutzen, die körperliche sowie geistige Reife besitzen und mit ihrem Sexualpartner in einer festen Beziehung sind. Einerseits machen diese Bemühungen eine gesteigerte Toleranz gegenüber der Jugendphase deutlich, andererseits nimmt natürlich auch die soziale Kontrolle der Eltern zu. Viele sagen, dass es ihnen lieber ist, sie wissen, wo und mit wem ihr Kind diese Kontakte hat. Die soziale Umwelt nimmt heute einen anderen Einfluss auf die Entwicklung, als früher. Eltern sprechen kaum noch deutliche Verbote aus und „unberührt“ in die Ehe zu gehen, ist nur in den wenigsten Fällen ein erstrebenswertes Ziel, oder gar Vorraussetzung. Sexuelle Kontakte wurden über die Jahre immer weniger mit der Ehe in Verbindung gebracht, sowohl von den Jugendlichen, als auch von den Eltern. Sie gehören für die meisten Jugendlichen zwar immer noch in den Rahmen einer festen Beziehung, dennoch wird nicht mehr auf Anhieb eine homogene familiäre Verbindung vorrausgesetzt.

Laut der Shell Jugendstudie 2000 entscheiden sich immer weniger Jugendliche für Beruf oder Familie. In der Zukunftsplanung sind zwar vorehelich bzw. eheliche Gemeinschaften

immer

noch

für

die

absolute

Mehrheit

die

angestrebten

Partnerschaftsmodelle, jedoch ist der „Versorgungsfaktor“ speziell für die deutschen Jugendlichen nicht mehr von großer Bedeutung. „Vielmehr wird die Familie als Ressource, als emotionaler Rückhalt, als Ort von Verlässlichkeit, Treue, Häuslichkeit und Partnerschaft verstanden“ (13. Shell Jugendstudie, 2000, S.14) Seit Jahren wird auch die Frage nach eigenen Kindern von den Jugendlichen positiv beantwortet So geben zwei Drittel der Jugendlichen an, in der Zukunft Kinder haben zu wollen. Die neueste Shell Studie zeigt zudem, dass heute mehr Jugendliche als in jeder anderen Shell Studie, nämlich 70% ihre Kinder so erziehen wollen, wie sie selbst erzogen wurden. (vgl. 14. Shell Jugendstudie, 2002)7 7

vgl. Tabelle III im Anhang

1.4. Jugendarbeitslosigkeit

-27-

Die männlichen Jugendlichen streben zu einem Großteil noch immer die vollzeitliche Erwerbstätigkeit an, jedoch durchaus in Verbindung mit einer eigenen Familie. Bei den weiblichen Jugendlichen sieht es ähnlich aus. Sie wollen ebenfalls einen Beruf ausüben, jedoch auch Kinder bekommen. Diese Verbindung der Interessen, sowie die zu erwartenden Probleme bei dem Balanceakt zwischen Familie und Karriere führt dazu, dass die Geburt des ersten Kindes immer weiter nach hinten verschoben und daraus resultierend manchmal doch noch aus der Lebensplanung gestrichen wird. Einen ausschließlich

familienorientierten

Lebensentwurf

verfolgen

nur

noch

die

allerwenigsten jungen Frauen. Für nahezu sämtliche Jugendliche gilt, dass sie die Familienplanung generell hinter ihre abgeschlossene Ausbildung und meist auch noch den Berufseinstieg setzten. Die berufliche Verselbständigung gilt in vielen Fällen als Vorraussetzung für eine Familie, aber dennoch ist die voreheliche, sowie die eheliche Lebensgemeinschaft für die meisten das erklärte Ziel. 75% der jungen Frauen und 65% der jungen Männer meinen zudem, dass man eine Familie braucht, um glücklich zu sein. (vgl. 14. Shell Jugendstudie, 2002)

1.4. Jugendarbeitslosigkeit Wir leben in einer Arbeitsgesellschaft und „wenn die Arbeitsgesellschaft zum Problem wird, dann muss auch die Jugendphase als Phase der biographischen Vorbereitung auf diese Gesellschaft zum Problem werden“. (12. Shell- Jugendstudie) Doch so weit sollte es nicht kommen. Die Phase der Jugend hat jeder Erwachsene durchlaufen. Dennoch ist, wie beispielsweise auch die Kommission des Elften Kinder- und Jugendberichtes feststellt, „berufliche Integration (...) als Zentrum der Lebensplanung und Schlüssel der Lebensbewältigung und damit als Maßstab für das Gelingen der Biografie“ zu sehen. (Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.18) Dabei ist das Ziel, in jedem Fall Arbeit zu haben für Jungen wichtiger als für Mädchen. Die Shellstudie 2000 zeigt, dass bei Jungen zwischen 15 und 24 Jahren die Berufsorientierung ziemlich genau bei 80% bleibt. Bei Mädchen zwischen 15 und 17 Jahren liegt die Berufsorientierung sogar bei 85%, sinkt aber im Alter von 22-24 Jahren auf 78%. (vgl. Deutsche Shell, 2000) Dies ist natürlich nur eine geringe Abweichung, jedoch trotzdem bemerkenswert, wie ich finde. Die steigende Jugendarbeitslosigkeit ist ein Problem, dem man mit einer Kombination diverser Ansätze begegnen kann und sollte. Lohnarbeit ist noch immer ein zentraler

-28-

Kapitel 1. Bedürfnisse und Problemlagen Jugendlicher in Deutschland

Punkt des Lebens, der für die meisten auch die Erfüllung der Normalbiographie darstellt. Das Phänomen der Selbstverwirklichung im Beruf ist dabei relativ neu. Dies ist wohl auch ein Grund dafür warum viele Jugendliche nicht verstanden werden, wenn sie nicht jede Stelle annehmen wollen, sondern einen Job suchen in dem sie „aufgehen“ können. Selbstverständlich kann man seinem Klientel als Sozialarbeiter nicht sagen, dass es am Besten ist, notfalls ewig auf die perfekte Arbeitsstelle zu warten und solange von der Sozialhilfe zu leben. Aber über den Umweg einer Weiterbildung, oder dem Nachholen

eines

höheren

Schulabschlusses,

sind

die

hochgesteckten

Ziele

möglicherweise doch zu erreichen. Heutzutage sind deutlich mehr Menschen erwerbstätig, als noch in den sechziger Jahren. Dies liegt vor allem daran, das die Quote der arbeitenden Frauen gestiegen ist. Dennoch herrscht in Deutschland seit ca. 20 Jahren Massenarbeitslosigkeit. Insbesondere sind davon Menschen über 40- 50 Jahren betroffen, welche beispielsweise ihre feste Anstellung verloren haben. Doch auch die vielen jungen Menschen stehen nach ihrem Schulabschluss oft ohne eine Chance auf einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz da. Anfang des Jahres 2000 waren in Westdeutschland 9,3% der unter 25jährigen ohne Arbeit und in den neuen Bundesländern sogar 17,2%. (vgl. Sander 2000, S.3) Im Jahr 2002 waren im gesamten Bundesgebiet 500.000 der jungen Menschen unter 25 Jahren offiziell Arbeitslos gemeldet, das sind 11,6% mehr als im Vorjahr. (vgl. Gillich, 2003, S.12) Faktoren wie der Wohnort verstärken also die Chancen darauf arbeitslos zu werden, da es in strukturschwächeren Gebieten natürlich auch weniger Arbeitsplätze gibt. Der sarkastische Satz, „Um einen guten Arbeitsplatz zu bekommen muss man Mitte Zwanzig sein und über Dreißig Jahre Berufserfahrung verfügen“ scheint vielen vergeblich Arbeitssuchenden sehr nah an der Wahrheit zu liegen. Für junge Menschen stellt der Arbeitsplatz zudem auch noch einen wichtigen Faktor der eigenen Entwicklung dar. Er ist ein wichtiges Element beim Gelingen der eigenen Biographie und der Lebensbewältigung. Ein ausgeübter Beruf hat wichtige identitätsbildende, sowie emanzipatorische Funktionen.8

Durch öffentlich geförderte Ausbildungsplätze und schulische Ausbildungswege ist die Ausbildungsbilanz relativ ausgeglichen. Sie kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass viele junge Menschen an der sogenannten „zweiten Schwelle“, also dem Übergang 8

vgl. Tabelle IV im Anhang

1.4. Jugendarbeitslosigkeit

-29-

nach der Ausbildung auf den ersten Arbeitsmarkt, scheitern. Besonders diejenigen, die einen rein schulischen Ausbildungsweg gewählt haben müssen oft zusehen, wie ein Anderer, der vielleicht eine betriebliche Ausbildung absolviert hat, den begehrten Arbeitsplatz erhält. Die Arbeitslosigkeit direkt nach der Ausbildung betraf im Jahr 2001 noch ca. ein Viertel der Absolventen. Aber viel zu viele Jugendliche haben noch immer keine Ausbildung. Bei den Jugendlichen über 20 Jahren ist jeder Zehnte ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Eine Untersuchung aus dem Jahr 1998 kommt zu dem Ergebnis, dass 1,33 Millionen Jugendliche zwischen 20 und 29 Jahren, also 11,6% der Bundesdeutschen Jugendlichen keine Berufsausbildung abgeschlossen haben und somit nur Chancen auf dem Arbeitsmarkt für gering qualifizierte eine Erwerbstätigkeit finden könne. Dieser Markt ist aber im Begriff immer kleiner zu werden, denn der Trend geht wieder zu höheren Qualifikationen. (vgl. Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.167) Einige zahlen des Berufsbildungsberichtes 1999 machen die Situation etwas deutlicher: •

1998 gab es 11 785 Bewerberinnen und Bewerber mehr als gemeldete Ausbildungsstellen;



Von 130 000 neuen Ausbildungsverträgen im Jahre 1998 waren 40% in Sonderprogrammen über die Benachteiligtenförderung des Sozialgesetzbuches (SGB) III oder in Betrieben der westlichen Bundesländer abgeschlossen;



Insgesamt

ist

bei

den

Jugendlichen

der

Wunsch

rückläufig,

ein

Berufsvorbereitungsjahr/Berufsgrundschuljahr bzw. eine Berufsfachschule zu besuchen. 15300 junge Menschen begannen 1998 eine Ausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen. •

Die Anzahl der arbeitslosen Jugendlichen unter 25 Jahren ist in den östlichen Bundesländern doppelt so hoch wie in den westlichen Bundesländern

(vgl. BMBF 1999a). Im Ausbildungsjahr 2000/2001 ist seit 1995 das erste Mal wieder eine positive Bilanz gezogen worden. Die Bundesanstalt für Arbeit hat im Vergleich Ende September 2000 25 690 unbesetzte Ausbildungsplätze, jedoch nur 23 642 unvermittelte Bewerber gemeldet (vgl. BMBF 2001). Diese Zahlen bedeuten nicht dass sich die Situation völlig entspannt hätte. Erst bei einem Überschuss an Ausbildungsplätzen von 12,5% kann davon gesprochen werden, dass den Jugendlichen auch eine angemessene Auswahlmöglichkeit

zur

Verfügung

steht,

die

wiederum

die

Zahl

der

Ausbildungsabbrecher senken würde. Des weiteren ergibt sich dieser rein rechnerische

-30-

Kapitel 1. Bedürfnisse und Problemlagen Jugendlicher in Deutschland

Überhang auf die alten Bundesländer, während in Ostdeutschland auf 8 468 unvermittelte Bewerber lediglich 784 offene betriebliche Ausbildungsstellen kommen. Der Ausgleich konnte hier nur durch außerbetrieblich Ausbildungsplätze aus dem Bund- Länder- Programm 2000 sowie dem Sofortprogramm der Bundesregierung geschaffen werden, was ja nicht dem erstrebten Ziel entspricht. (vgl. Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.166f.) Allerdings ist die Arbeitslosenquote in den neuen Bundesländern auch deutlich höher, als im Westen. Die Ausbildungsplatzbilanz sieht Ende April 2003 so aus, dass bis zum Ausbildungsbeginn im September noch 147.000 Ausbildungsplätze fehlen. Nordrhein-Westfalen hat zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit eine Reihe von Initiativen und Foerderprogrammen entwickelt, welche durchaus beispielhaften Charakter haben. Das Programm "Jugend in Arbeit" konnte die Zahl der langzeitarbeitslosen Jugendlichen von 1998 bis 2001 um über 60% senken. Im Jahr 2001 waren landesweit rund 88.000 Jugendliche ohne Arbeit. In einer Pressemitteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales heißt es: "aus unserem Programm ,Jugend in Arbeit' wissen wir, dass man bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit dann am erfolgreichsten ist, wenn man die Jugendlichen persönlich anspricht, ihnen bei der Auswahl und beim Finden einer passenden Stelle behilflich ist und sie zumindest während der Anfangsphase im Betrieb bei der Stange hält. Ein solches Vorgehen kann aber nicht durch staatliche Programme für alle Jugendlichen organisiert werden. Es ist deshalb wichtig, dass die Idee, Jugendlichen ganz direkt beim Weg in das Berufsleben zu helfen, überall vor Ort engagierte Unterstützer findet: Betriebe, Gewerkschaften, Schulen, Arbeitsämter, Stadtspitzen - jeder kann etwas beitragen, um zu arbeitslosen Jugendlichen Kontakt aufzunehmen, nach einer freien Stelle zu suchen und um auch den weniger qualifizierten Jugendlichen eine echte Chance zu geben. Auch Bürgerinnen und Bürger können sich hierbei einbringen. Natürlich (...) stehe das Land nach wie vor in der Verantwortung, die notwendigen Gelder und Programme aufzulegen und tue dies auch. Zurzeit werden rund 200 Millionen DM Landesmittel für Maßnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit ausgegeben. Viele Maßnahmen seien aber darauf ausgerichtet, dass Jugendliche von allein den Weg finden, um sich helfen zu lassen.“(Ministerium für Arbeit und Soziales, Qualifikation und Technologie, 2001) Doch was können nun Professionelle der sozialen Arbeit tun? Im Grunde soll die Jugendsozialarbeit ja eine Brücke zur Arbeitswelt schaffen. Hierzu gibt es in Duisburg

1.4. Jugendarbeitslosigkeit

-31-

ein gutes Beispiel. Dort wurde eine Vereinbarung getroffen, welche vor sieht, dass die „Möglichkeiten der Arbeitsvermittlung gezielt durch soziale Begleit- und Hilfsangebote der Kommune und der Wohlfahrtsverbände ergänzt werden. Für alle arbeitslosen Jugendlichen

in

der

Region

wird

künftig

ein

so

genannter

persönlicher

Entwicklungsplan und eine individuelle Beratungsarbeit entwickelt.“ (paten.nrw.de) Alle Jugendlichen, die eine Arbeit suchen persönlich zu betreuen ist natürlich eine große Aufgabe, jedoch scheint diese Vereinbarung, sehr nah an der individuellen Lebenswelt der Klientel orientiert zu sein. Für die Jugendsozialarbeit bieten sich, bezogen auf das Problem der Jugendarbeitslosigkeit, diverse Arbeitsansätze an. Die Ziele können darin bestehen, den jungen Menschen eine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen oder einfach nur auf ein Leben ohne feste Arbeit vorzubereiten, was selbstverständlich die weniger erstrebenswerte Alternative darstellt. Einige Jugendliche suchen sich aber diese alternativen „Schlupflöcher“. Für junge Frauen bietet, z.B. nach vergeblichen Versuchen einen Platz auf dem ersten Arbeitsmarkt zu erhalten, die Familienplanung eine allgemein akzeptierte Alternative. Junge Männer halten dagegen auch noch nach diversen gescheiterten oder erfolglosen Maßnahmen an dem Ziel der Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt fest. Dennoch wird die Arbeitslosigkeit das bestimmende Moment in der Zukunft von viel zu vielen Jugendliche sein. „In Bezug auf die Zielgruppe junger Menschen, die nur über geringe Chancen am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt verfügt, sind sinnstiftende und existenzsichernde Unterstützungsleistungen

zur

Lebensbewältigung

auch

außerhalb

des

Erwerbssystems zu entwickeln. Dies bedeutet allerdings nicht, ihre Integration in dieses System aufzugeben, sondern im Rahmen von Übergangsarbeitsmärkten, sozialen Betrieben etc. Gelegenheitsstrukturen zu schaffen, in denen die Betroffenen ihre Beschäftigungsfähigkeit ausbauen bzw. erhalten sowie in sozial abgesicherter Form verwertbare Erfahrungen machen können – mit dem Ziel Übergänge in den ersten Arbeitsmarkt auch für diese Gruppe junger Menschen potenziell offen zu halten.“ (Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.171) Eine sehr reizvolle Möglichkeit der Arbeitslosigkeit zu entgehen besteht darin, neue Dienstleistungsfelder zu erschließen und die Selbständigkeit anzustreben. Die sogenannten „Ich-AG’s“ können hier eine Grundlage sein9. Im Endeffekt ist wohl die 9

Die „Ich-AG“ wird vom Arbeitsamt mit dem Existenzgründerzuschuss nach § 421 I SGB III gefördert. Diese Form der Unterstützung wurde ab dem 1. Januar 2003 in das SGB aufgenommen. Jeder Mensch, der seine Arbeitslosigkeit durch die Aufnahme einer Selbständigen Tätigkeit beenden will, kann den

-32-

Kapitel 1. Bedürfnisse und Problemlagen Jugendlicher in Deutschland

beste Möglichkeit eine Kombination von diversen Maßnahmen und Ansätzen, da niemand wirklich die zukünftige Arbeitsmarktlage voraussehen kann. Was

kann

die

Jugendarbeit

nun

aber

wirklich

bewirken?

„Da

die

Jugendarbeitslosigkeit ein strukturelles Problem der derzeitigen Arbeitsgesellschaft ist, kann die Lösung nicht von der Kinder- und Jugendhilfe allein erwartet werden. Die Kinder- und Jugendhilfe sollte sich stärker in die Entwicklung einer regionalen Arbeitsmarktpolitik

einbringen

und

die

Konzeption

und

Ausgestaltung

entsprechender Angebote mitbestimmen, statt mehr oder weniger unkritisch die von der Arbeitsverwaltung vorgegebenen Maßnahmen zu übernehmen. Für Regionen, in denen junge Menschen keine Ausbildungsplätze finden bzw. in denen der Übergang in das Beschäftigungssystem auf Dauer versperrt ist, sollten Mobilitätshilfen geschaffen werden, mit deren Hilfe Ausbildung und Arbeit in anderen Regionen gefunden werden können. (...) Die strukturellen Veränderungen in der Arbeitswelt erfordern dauerhafte, von zyklischen Entwicklungen im Wirtschafts- und Sozialsystem

unabhängige

sozialpädagogische

Angebote

zur

Orientierung,

Begleitung und Unterstützung junger Menschen in dieser für die Verteilung von Lebenschancen entscheidenden Phase. Die Kinder- und Jugendhilfe sollte auch als Clearingstelle im Interesse der jungen Menschen fungieren und lebensweltorientierte Beratungsangebote

für

den

Übergang

in

den

Beruf

bereitstellen,

d.h.

niedrigschwellig und aufsuchend, ganzheitlich und einzelfallbezogen Hilfestellung bei der Berufsorientierung geben sowie die Zugänge zu den für die Eingliederung in Ausbildung bzw. Beruf und die soziale Integration relevanten Institutionen eröffnen.“ (Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.46 f. ) Der Beitrag der Politik ist nun aber auch nicht zu vernachlässigen. So sollten z.B. die Beschlüsse des Europäischen Beschäftigungsgipfels vom November 1997 umgesetzt werden. „Danach besteht die Verpflichtung, dass jeder junge Mensch unabhängig von seinen Lebensbedingungen ein Recht auf einen grundlegenden schulischen Abschluss, auf die Gewährung einer „zweiten Chance“ sowie auf eine darüber hinausgehende Förderung seiner Fähigkeiten und Bestrebungen, auf eine berufsqualifizierende Existenzgründerzuschuss erhalten. Des weiteren schließt die Förderung auch die gesetzliche Rentenversicherung mit ein und es wird ein Zugang zu den gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung gewährleistet. Der Existenzgründerzuschuss wird zunächst für ein Jahr und maximal für eine bis zu dreijährige „Startphase“ gewährt, solange die Förderungsbedingungen erfüllt werden. Eine der Bedingungen besagt, dass das voraussichtliche Einkommen im Jahr nicht die 25.000 Euro Grenze überschreitet. Der Zuschuss beträgt im ersten Jahr 600 Euro, im zweiten 360 Euro und im dritten 240 Euro monatlich und ist Steuerfrei. Zusammenfassend kann also jeder eine „Ich-AG“ gründen, der Arbeitslos gemeldet ist, oder in einer ABM-, beziehungsweise SAM- Stelle angestellt ist. (vgl. Infoblatt zur Ich-Ag, 2003)

1.4. Jugendarbeitslosigkeit

-33-

Ausbildung und auf eine anschließende erste Beschäftigung bzw. die Teilnahme an einer entsprechenden qualifizierenden Beschäftigungsmaßnahme hat. (vgl. Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.54) Ein Schritt in diese Richtung ist das Sofortprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Um aber noch einmal deutlich zu machen, worin eigentlich die öffentliche Verantwortung in Bezug auf die Jugendlichen besteht, möchte ich an dieser Stelle einige politische und gesellschaftliche, sowie die gesetzlich festgelegten Forderungen und Rechte deutlich machen: •

„Das Gebot zur angemessenen Teilhabe am gesellschaftlichen Wohlstand,



das Recht auf freie Berufswahl (Art. 12 Grundgesetz),



das Recht auf Erziehung und Bildung sowie auf Entwicklung zu einer eigenständigen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit (§ 1 Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG)),



Chancengleichheit und Bildung als Bürgerrecht,



der individuelle wie auch kollektive Anspruch auf Arbeit für alle,



die Beschäftigungspolitischen Leitlinien der Europäischen Union sowie der daraus abgeleitete Beschäftigungspolitische Aktionsplan der Bundesrepublik Deutschland.“

(Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.169)

1.4.1. JUMP- ein Programm gegen die Jugendarbeitslosigkeit Jeder zweite Jugendliche ohne Arbeit, hat entweder keinen Schulabschluss, oder die Ausbildung abgebrochen. An diesem Punkt soll unter anderem das Sofortprogramm zur Bekämpfung

der

Jugendarbeitslosigkeit

ansetzen,

welches

die

derzeitige

Bundesregierung unmittelbar nach ihrem Amtsantritt Ende 1998 beschlossen hat. Sie musste auch dringend etwas unternehmen, denn in ihren Wahlversprechen war der Abbau von Arbeitslosigkeit und Jugendarbeitslosigkeit als ein vorrangiges Ziel proklamiert worden. (vgl. Fialka, 1999, S.214) Beteiligt sind die Europäische Gemeinschaft, der Europäische Sozialfond sowie die Bundesanstalt für Arbeit und bisher wurden drei Milliarden Euro dafür bereitgestellt. Das Programm ist für alle jungen Menschen bestimmt, die unter 25 Jahre alt sind und keinen Schulabschluss oder

-34-

Kapitel 1. Bedürfnisse und Problemlagen Jugendlicher in Deutschland

Ausbildungsplatz haben. Auch wer in seinem erlernten Beruf keine Stelle bekommt, kann hier Hilfe finden. Ein halbes Jahr nach dem Anlaufen des Programms wurden die Ziele bereits größtenteils erreicht. „So wurden bis Ende April über 540.000 Jugendliche gezielt angesprochen, über 300.000 Jugendlichen wurde ein konkretes Angebot unterbreitet. Eine Maßnahme angetreten hatten bereits über 117.000 Jugendliche, nur 43.000 Jugendliche hatten diese Angebote abgelehnt. Der Frauenanteil wurde mit 42% angegeben, der Ausländeranteil mit 12,1%, benachteiligte Jugendliche waren mit 16,7% vertreten und Behinderte mit 2,9%. Die Mittel waren zu diesem Zeitpunkt bereits zu 80% gebunden. (...) Die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen unter 25 Jahren soll aber bereits im April um 13% unter dem Vorjahresniveau gelegen haben“ (Fialka, 1999, S.215) Diese Zahlen verschweigen jedoch, dass zunächst lediglich die bereits beim Arbeitsamt gemeldeten Jugendlichen integriert wurden. Die Jugendlichen, welche als schwer zu vermitteln gelten, wurden vorerst nicht Berücksichtigt, um eine schnelle Erfolgsbilanz liefern zu können. Es wurden auch nur bestehende Maßnahmen zahlenmäßig aufgestockt und noch keine neuen Wege gesucht. Durch Ausbildungs-, Qualifizierungsund Beschäftigungsangebote hat JUMP seit seiner Existenz über 377.000 Jugendlichen eine

neue

Option

eröffnet,

welche

durch

das

Regelinstrumentarium

des

Arbeitsförderungsrechtes bisher nicht erreicht wurde. Ursprünglich war das Programm für nur 100.000 Jugendliche geplant und auf ein Jahr befristet. Zumindest der Eintritt in eine Qualifizierungsmaßnahme sollte den Jugendlichen ermöglicht werden. Ab dem Jahr 2004 werden erfolgreiche Elemente des Programms offiziell unter dem Namen „Job AQTIV-Gesetz“ in das Arbeitsförderungsrecht aufgenommen. JUMP ist flexibel geplant, was bedeutet, dass sich die Angebote an der Bedarfslage vor Ort orientieren sollen. Auch eine Zusammenarbeit mit Trägern der Jugendsozialarbeit ist geplant, damit besonders benachteiligte Jugendliche ebenfalls ihre Chance bekommen. Des weiteren gibt es ein Projektförderung und zusätzliche Mittel in Höhe von zwei Millionen DM10 sowie 600 Millionen DM für die Förderung von ABMMaßnahmen. Mittlerweile werden ABM-Stellen jedoch kaum noch finanziert und statt dessen SAM-Stellen11 gefördert. Hier müssen die einzelnen Träger jedoch einen höheren finanziellen Eigenanteil erbringen. Dies hat in Mecklenburg- Vorpommern

10 11

Die Angaben in DM beziehen sich auf die Zahlen aus dem Jahr 1999, als es den Euro noch nicht gab. SAM: Struktur Anpassungsmaßnahme

1.4. Jugendarbeitslosigkeit

-35-

beispielsweise dazu geführt, dass ein erheblicher Teil, der zur Verfügung stehenden SAM-Stellen nicht besetzt wurde. Die Erfolge des Programms können aber nicht darüber hinweg täuschen, dass die Probleme des Arbeitsmarktes dadurch nicht beseitigt werden können, sondern eine weitere Verstaatlichung der Berufsausbildung herbeigeführt wird. Die Wirtschaft darf sich auch angesichts besser erscheinender Arbeitslosenzahlen nicht aus der Verantwortung stehlen. Des weiteren wird das Problem der Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt im Grunde nur aufgeschoben. „Jeder dritte JUMP- geförderte Jugendliche mündet nach Abschluss der JUMPMaßnahme in eine Arbeitslosigkeitsphase ein, ein Fünftel findet unmittelbar nach der JUMP- Förderung den Zugang zu einer regulären Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt, 10% beginnen nach der Maßnahme eine reguläre betriebliche Ausbildung und knapp 6% wenden sich einer schulischen Berufsausbildung zu. Ein weiteres Fünftel der Absolventen beginnt unmittelbar nach der JUMP- Förderung eine weitere Maßnahme, während 8% dem Ausbildungs- oder Arbeitsmarkt zunächst nicht zur Verfügung stehen. (...) Benachteiligungsmerkmale wie unzureichende Schulleistungen, der familiale Hintergrund oder regionale Strukturdefizite scheinen durch die Maßnahmen selbst längerfristig nur bedingt kompensiert werden zu können“ (Dietrich 2001). Auch sechs Monate nach Abschluss der Förderung durch das Sofortprogramm sind noch ein Viertel der geförderten Jugendlichen arbeitslos (vgl. ebd.). Es ist kritisch anzumerken, dass den Jugendlichen im Grunde zwar „Jobs“ angeboten, aber nicht wirklich berufliche Perspektiven eröffnet wurden. Dennoch macht das Programm etwas sehr wichtiges deutlich. Die Jugendlichen sollen nun endlich nicht mehr mit dem Problem der berufliche Integration allein gelassen werden. Wenn es auch nicht die Endgültige Lösung sein kann, so ist es dennoch in der Lage, Hoffnung zu geben.

Kapitel 2. Theoretische Grundlagen und Konzepte zur Arbeit mit Jugendlichen Dieses Kapitel soll die theoretischen Grundlagen für Konzepte und Methoden legen, auf die ich im dritten Kapiteln aufbauen werde. Zunächst möchte ich also einige allgemeine Methoden der sozialen Arbeit vorstellen und auf sie eingehen, soweit es der Rahmen dieser Arbeit zulässt. Natürlich werde ich auch an dieser Stelle nicht das gesamte Spektrum der Methoden darlegen können, sondern lediglich auf einen verhältnismäßig kleinen Teil eingehen. Der Bereich der Methoden und Konzepte erstreckt sich über ein sehr großes Feld, in dem es immer wieder Überschneidungen und fließende Übergänge gibt. Im Anschluss an die Methoden sozialer Arbeit wird eine Fokussierung auf die Arbeit mit Jugendlichen folgen. In diesem Abschnitt möchte ich auch den Unterschied zwischen Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit verdeutlichen, sowie auf Ansätze wie Cliquenorientierung oder Partizipation eingehen. Die Interaktion zwischen Jugendlichen und Pädagogen wird in einem weiteren Unterkapitel behandelt, da ich diesen Punkt für eine genauere Betrachtung als relevant erachte.

2.1. Methoden der sozialen Arbeit Die Soziale Arbeit unterliegt seit geraumer Zeit Modernisierungsprozessen, die unter Anderem einer konzeptionellen Neuorientierung entstammen. „Begriffe wie Selbsthilfe,

Bürgernähe,

Dezentralisierung,

Netzwerkarbeit,

Verbundsysteme,

Ganzheitlichkeit, Dienstleistungsorientierung, Sozialplanung oder auch die Konzepte wie Lebensweltorientierung, Sozialraumorientierung sind Beispiele für die längst praktisch gewordene Selbstkritik (...) in der Sozialarbeit und Sozialpädagogik.“ (Chassé, K.A.; von Wensierski, H.-J., 1999, S.9) Ich denke Selbstkritik bedeutet in diesem Fall, dass die Sozialarbeiter zu lange Zeit nicht wirklich die Bedürfnislage der Klientel in das Zentrum ihrer Arbeit gerückt haben. Laut Böhnisch (2002, S.201) existieren zwei grundlegende Probleme, welche die „neuen, sozialen Risiken“ generieren. Zum einen sind das die Brüche in diversen Lebensbereichen, welche auf die Identität und Biographie des Individuums bedrohlich wirken. Zum anderen - 36 -

2.1. Methoden der sozialen Arbeit

-37-

benennt er die Individualisierung in der Gesellschaft als sozial sehr riskant. Dies sind Punkte, an denen die soziale Arbeit anknüpfen kann. An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass sich soziale Probleme mit verschiedenen Ansätzen betrachten lassen und sich daraufhin auch anders darstellen. Laut Staub-Bernasconi (2002, S.249f.) gibt es mindestens drei Möglichkeiten der Definition. •

„Soziale Probleme sind im Rahmen des individuumszentrierten Paradigmas12 Selbstverwirklichungsprobleme, die als psychische Selbstbehinderungs-, (...) und -vermarktungsprobleme, kurz als (Markt) Versagen von Individuen definiert werden. Sie sind rein individuelle Angelegenheiten, deren Bearbeitung unter Umständen durch Störungen der sozialen Außenwelt behindert wird.



Soziale Probleme sind im Zusammenhang mit dem soziorientierten Paradigma Probleme des Versagens von Sozialisation als Lehren und Erlernen sozialer Normen- bzw. Pflichterfüllung gegenüber der Gemeinschaft (...). Dies zieht Etikettierungs- und Stigmatisierungsprozesse, bis hin zum Anschluss aus sozialen (Teil)Systemen nach sich.



Soziale Probleme im systemischen Paradigma sind sowohl Probleme von Individuen als auch Probleme im Zusammenhang mit einer Sozialstruktur und Kultur. Im Fall der Individuen beziehen sie sich auf soziale und kulturelle Barrieren in Abhängigkeit von ihrer gesellschaftlichen Position, die es ihnen erschweren oder verunmöglichen, ihre Bedürfnisse dank eigener Anstrengungen zu befriedigen.“

(ebd.)

Zunächst werde ich kurz einige wissenschaftstheoretische Methoden vorstellen. Auch an dieser Stelle lässt der Rahmen der vorliegenden Arbeit nur eine Auswahl an Methoden und Ansätzen zu. Einige Paradigmen der sozialen Arbeit sind beispielsweise: 1. Das Alltagsparadigma (Thiersch, 1995b, S.46) Mit dieser Methode ist weitestgehend die Lebensweltorientierung gemeint, auf welche ich in einem späteren Abschnitt genauer eingehen werde. In jedem Fall strukturiert sich lebensweltorientierte Arbeit so, dass ihre Dienstleistungen in einer Form erbracht werden, welche die Alltagsprobleme und Ressourcen der Adressaten sehen. Nur in diesem Bereich können Hilfen realisiert werden. Laut Thiersch (2001, S.1893) bezieht sich die Lebenswelt-/Alltagsorientierung auf individuelle, auf 12

Erklärung zu diesem und den folgenden Paradigmen siehe weiter unten im Text.

-38-

Kapitel 2. Theoretische Grundlagen und Konzepte zur Arbeit mit Jugendlichen

subjektbezogene

und

auf

gesellschaftliche

Bedingungen,

was

sie

sehr

Adressatenorientiert macht. 2. Das individuums- oder subjektbezogene Paradigma (Staub-Bernasconi, 2002, S.246) An das Alltagsparadigma lässt sich gut das subjektbezogene Paradigma anschließen, denn hier geht es um das Individuum. Die Gesellschaft, bzw. die soziale Umgebung bleibt weitestgehend unanalysiert. 3. Das soziorientierte Paradigma (Staub-Bernasconi, 2002, S.246) Hier wird der Blick primär auf das Gesellschaftsbild, also die kulturelle Ganzheit gerichtet.

Im

Grunde

ist

dieses

Paradigma

das

Gegenstück

zu

dem

subjektbezogenen. Dem Individuum fällt in diesem Ansatz keine spezielle Bedeutung zu und es bleibt relativ unberücksichtigt. Dieses Paradigma ist beispielsweise bei den sozialpädagogischen Ansätzen zu Abweichendem Verhalten und sozialer Kontrolle zu finden. 4. Das Systematische Paradigma (Staub-Bernasconi, 1995, S.105) Dieser Ansatz ist davon gekennzeichnet, dass er sich von dem UrsacheWirkungsdenken differenziert. Es wird von einem zirkulären Modell ausgegangen, in dem das Handeln einer Person nur im Kontext seiner Umwelt bzw. seiner Beziehungen verstanden werden kann. Ein Beispiel aus der sozialen Arbeit ist ein Pädagoge der die Realität, welche er wahrnimmt durch sein Verhalten und Handeln mitgestaltet. 5. Das Ökosoziale Paradigma (Wendt, 1986, S.50) „Soziale Arbeit wird (...) von Wendt als ökologische Aufgabe betrachtet, die sowohl ökonomische, politische und kulturelle Seiten einschließt als auch darauf beharrt, Menschen in ihrem zeitlichen und räumlichen Horizont, ihrer Milieuverortung wahrzunehmen. Soziale Arbeit wird als Produktionsprozess verstanden, der Unterstützung, Rehabilitation usw. herstellt.“ (Thiersch, 2001, S.1889) Für Wendt ist Case Management13 ein Beispiel für die Verbindung von ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten in der sozialen Arbeit.

13

Ein Case Manager stellt in Zusammenarbeit mit dem Klienten die Bedarfslage fest und organisiert die notwendigen Hilfen. Hierbei ist anzumerken, dass der Case Manager nicht aktiv an diesen Hilfen beteiligt ist, z.B. als Einkaufshilfe, sondern eine überwachende Funktion parteiisch für den Klienten wahrnimmt. Er baut Netzwerke auf und koordiniert diese auch. Sind die Hilfen nicht mehr nötig, beendet der Case Manager den Hilfeprozess.

2.1. Methoden der sozialen Arbeit

-39-

6. Das subjekttheoretische Paradigma (Winkler, 1988, S.124) Laut Winkler müssen die Subjekte „durch Pädagogik als soziale Subjekte synthetisiert werden - weil moderne Gesellschaften ihre sozialisatorische Kraft verlieren.“ (Winkler 1995b, S.176) Des weiteren ist in diesem Ansatz die Frage verborgen, in wie fern sozialpädagogische Einrichtungen die Subjektivität einschränken oder verletzten. Das Subjekt an sich soll einen Raum zum Leben haben, in dem es sich sicher fühlen kann. 7. Das Paradigma der Lebensbewältigung (Böhnisch, 2002, S.199) „Es geht weniger darum, die Individuen in (...) ‚Zonen’ zu verorten, als vielmehr die Prozesse aufzuklären, die ihren Übergang von der einen in die andere bewirken, etwa das Hinüberwechseln von der Zone der Integration in die Verwundbarkeit oder den Absturz aus dieser Zone in die gesellschaftliche Nichtexistenz“ (Castel, 2000, S.14) Im Zentrum dieser Betrachtungsweise liegt also die Frage, wie Menschen auf gewisse Lebenslagen reagieren und wie man ihnen helfen kann, nicht in den Abgrund

zu

stürzen.

Hier

geht

es

um

Biographien,

Identitäten

und

Handlungskompetenzen.

Die modernen Methoden der sozialen Arbeit sind allesamt durch Dezentralisierung, Sozialraumorientierung, Zielgruppen- und Adressatenorientierung gekennzeichnet. Das Klientel rückt in das Zentrum der Betrachtungsweise und man vermeidet es ausschließlich so zu handeln, wie es der Professionelle sieht. Diese Beschreibung ist für mich in dem Konzept der Lebensweltorientierung zusammen zu fassen. Im Kapitel 3.2.2. werde ich in Rahmen der Kombination mit mobiler Jugendarbeit noch genauer auf die Lebensweltorientierung eingehen. Jedoch sei an dieser Stelle ein kurzer Überblick zu diesem Konzept gegeben. Die Orientierung auf die Lebenswelt beinhaltet, dass der Professionelle sich in die Lage seiner Klientel versetzt und aus dieser Perspektive handelt. Sämtliche andere Blickweisen würden an den wirklichen Problemlagen, wie sie von den Betroffenen empfunden werden vorbeigehen. Eine dauerhafte Lösung der Probleme kann zu Anfang auch bedeuten, dass die für den Sozialarbeiter offensichtlichen nicht an dem Beginn des Hilfeprozesses stehen. Des weiteren empfindet die Klientel womöglich keinen konkreten Leidensdruck in ihrer momentanen Lebenssituation. Die Lebenslagen der Menschen sind von so vielen Faktoren abhängig, dass sich ein Professioneller davor hüten sollte zu verallgemeinern. Bei jedem Fall, bei jedem neuen Klienten muss die

-40-

Kapitel 2. Theoretische Grundlagen und Konzepte zur Arbeit mit Jugendlichen

Lage neu beleuchtet werden, auch wenn sie auf den ersten Blick sehr ähnlich wirkt. Zusammenfassend kann man also sagen, dass sich die Lebensweltorientierung konkret auf die Lebenswelt und den Alltag der Klientel ausrichtet und ausschließlich dies zur Grundlage allen Handelns macht.

2.2. Soziale Arbeit mit Jugendlichen „Junge Erwachsene werden tagtäglich mit dem ‚Ernst des Lebens’, konkreter Verantwortung für Lebensführung und Reproduktion belastet, ohne dass sie aber die ökonomischen

und

statusbezogenen

Voraussetzungen

von

Erwachsenen

zur

Problemlösung hätten.“ (Münchmeier, 2001, S.828f.) Dieses Zitat macht meiner Meinung nach deutlich, warum das Feld der Jugendarbeit einen so großen Teil der sozialen Arbeit einnimmt. Zu Anfang dieses Abschnittes möchte ich nun zunächst einmal kurz den Unterschied zwischen Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit deutlich machen. Jugendarbeit wird „auch als außerschulische Jugendbildung der Jugendpflege bezeichnet. (...) Jugendarbeit wird von öffentlichen und (überwiegend) freien Trägern, vor allem Jugendverbänden, für junge Menschen bis zu 27 Jahren (...) geleistet. Rechtsgrundlage einer so verstandenen Jugendarbeit sind die §§ 11 und 12 KJHG-

SGB

VIII,

zum

Teil

ergänzt

durch

Landesausführungs-

und

Jugendbildungsgesetze. Inhaltlich umfasst die Jugendarbeit sehr unterschiedliche Arbeitsfelder, (...): außerschulische Jugendbildung mit allgemeiner, politischer, sozialer, gesundheitlicher, kultureller, naturkundlicher und technischer Bildung; Jugendarbeit in Sport, Spiel, und Geselligkeit; arbeitswelt-, schul-, und familienbezogene

Jugendarbeit;

internationale

Jugendarbeit;

Kinder-

und

Jugenderholung sowie Jugendberatung.“ (Fachlexikon der Sozialen Arbeit, 1997) Sie ist sehr geeignet, um Erstkontakte zu Jugendlichen in schweren Lebenslagen herzustellen, passende Hilfsangebote zu bieten und im Rahmen eines offenen Angebotes eine erste niedrigschwellige Anlaufstelle z.B. für arbeitslose Jugendliche zu sein. Sie soll der Klientel „Gelegenheitsstrukturen und alternative Erfahrungswelten (...) eröffnen, die ihnen andernfalls nicht zur Verfügung stünden“, (Thole, 2000, S.188) also einerseits Hilfe im Alltag geben und andererseits Informationen über weiterführende Hilfsangebote geben. Jugendarbeit ist in der Lage Gegenpole zu den teilweise täglichen

2.2. Soziale Arbeit mit Jugendlichen

-41-

Stigmatisierungsprozessen zu schaffen, indem sie den Jugendlichen beispielsweise alternative Freizeitgestaltungsmöglichkeiten bietet, welche jenseits des Konsumdrucks liegen. „Die Jugendsozialarbeit, deren Angebot sich dezidiert an sozial benachteiligte Kinder

und

Jugendliche

wendet,

umfasst

die

Förderung

der

Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen, Hilfen zur Lebensbewältigung, zur Berufsfindung

und

Berufsausbildung

sowie

Unterstützung

in

Phasen

der

Arbeitslosigkeit. Angesiedelt an der Schnittstelle zwischen Familie, Schule, Jugendarbeit und Wirtschaft sowie in Kooperation mit diesen für junge Menschen wesentlichen Lebensbereichen hat dieses Handlungsfeld der Kinder- und Jugendhilfe die Aufgabe, über offene Beratungsangebote, mobile und aufsuchende Arbeit einen Beitrag zur langfristigen Sicherung der sozioökonomischen Existenz von Kindern und Jugendlichen zu leisten. So übernimmt Jugendsozialarbeit eine erste Beratungsfunktion z. B. bei Verschuldung oder Wohnungssuche und eröffnet Zugänge zu sozialstaatlichen Hilfeleistungen.“ (Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.151) Ein weiterer Aufgabenbereich der Jugendsozialarbeit ist in der Bildung und hier besonders in der Jugendberufshilfe14 zu finden. Angebote zur Verbesserung der Allgemeinbildung und der Leistung in der Berufsschule gehören ebenso dazu, wie Sprachunterricht für Migranten, das Nachholen von Schulabschlüssen und Maßnahmen für Schulverweigerer. Die im KJHG vermerkte Förderung der schulischen und beruflichen Ausbildung bleibt in den meisten Fällen auf sozial benachteiligte Jugendliche beschränkt. Dies führ dazu, dass sie in die Situation gerät erst anzusetzen, wenn schon ein erhebliches Problem aufgetreten ist und unter Umständen auch zu stigmatisieren. (vgl. Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.163f.) Die Jugendarbeit erstellt Handlungsräume und Jugendsozialarbeit unterstützt bei der beruflichen Integration, stellt also Ressourcen zur Verfügung. Ein Zusammenspiel der beiden Felder bietet die Möglichkeit den betroffenen Jugendlichen sehr viel wirksamer und effektiver Unterstützung anzubieten, indem z.B. an dem Selbstwertgefühl gearbeitet wird.

Nach meiner Auffassung würden „individuellere, ausdifferenziertere Programme zu einer strukturellen Verbesserung der Jugendsozialarbeit beitragen“. (Elfter Kinder- und 14

vgl. Tabelle II im Anhang

-42-

Kapitel 2. Theoretische Grundlagen und Konzepte zur Arbeit mit Jugendlichen

Jugendbericht, 2001, S.18) Damit möchte ich sagen, dass beispielsweise ein Jugendprogramm, welches sich ganz auf die Bedürfnisse seiner speziellen Klientel ausrichtet und nicht nur einem theoretischen Plan folgt, mehr Erfolg haben wird, als ein allgemeinerer Blickwinkel es bewirken könnte. Ein wichtiges Moment in der Arbeit mit Jugendlichen ist meiner Meinung nach die Partizipation. Auf diese Weise kann man erreichen, dass sich die Jugendlichen ernst genommen

fühlen

und

die

Pädagogen

positiver

wahrnehmen.

77%

der

Jugendamtsbezirke geben an, „dass sie Kinder und Jugendliche an der Jugendhilfeplanung beteiligen. Unterschiede ergeben sich nach dem Alter und der Art des Einbezuges junger Menschen: Jugendliche werden häufiger an der Jugendhilfeplanung beteiligt als Kinder und die häufigste Form Kinder und Jugendliche an der Jugendhilfeplanung zu beteiligen, sind Befragungen mit Hilfe von Fragebögen. Andere Formen, wie Interviews, Projekte oder indirekte Formen werden weniger häufig genannt. Das bedeutet aber auch, dass mehr als jedes fünfte Jugendamt keinerlei Beteiligung von Kindern und Jugendlichen kennt. (Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.255) Partizipation ist ein wichtiges Moment in der Jugendsozialarbeit und der Jugendpolitik, denn im Gegensatz zu der doch noch oft gängigen Meinung der „Nullbockgeneration“ sind die Jugendlichen sehr wohl daran interessiert, sich für die ihnen wichtigen Belange auch aktiv einzusetzen. So sind die 14- 24jährgen die aktivste Gruppe, wenn es um das Mitmachen in Vereinen und hier vor allem Sportvereine, oder auch andere ehrenamtliche Arbeiten geht. Beklagen nun einige dass sich die Jugend doch nicht engagiert, weist das nur darauf hin, das ein Wandel in den Beteiligungsprozessen stattfinden muss. Im jeden Fall müsste die Beteiligung von Jugendlichen in ihrem Sozialraum und ihren sozialen Netzwerken beginnen. Die politisch Verantwortlichen sollten die Jugendlichen auf allen Ebenen in Diskussions- und Entscheidungsprozesse einbeziehen. „Es ist deshalb von entscheidender Bedeutung, dass jungen Menschen Partizipationsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, die ihren Bedürfnissen, ihren Kenntnissen und Fähigkeiten und ihrem Beteiligungswillen gerecht werden. Beteiligung muss dabei als ein kontinuierlicher, unumkehrbarer Prozess angelegt sein (...) die jungen Menschen als Subjekt der Beteiligung und als `Expertinnen und Experten in eigener Sache` in den Mittelpunkt stellen. Die Bundesregierung hat im November 2001 die `Bundesinitiative

Beteiligungsbewegung`

gestartet.

Deren

Ziel

ist

es,

der

2.2. Soziale Arbeit mit Jugendlichen

-43-

Partizipation von Kindern und Jugendlichen neue Impulse zu geben. Unter dem Slogan `Ich mache Politik` verfolgt die Initiative mit einem umfassenden Maßnahmenkanon vor allem zwei Zielrichtungen: •

Zum einen wendet sich die Kampagne an Kinder und Jugendliche selbst. Im Verbund mit zahlreichen Partnern – Ländern, Kommunen, Jugendverbänden und Organisationen der Jugendarbeit, Schulen und Bildungseinrichtungen – sollen sie an den Orten angesprochen werden, an denen sie sich bewegen: in Familien, Jugendfreizeiteinrichtungen,

Schulen

und

Hochschulen,

Betrieben

und

Ausbildungsstätten. Sie sollen motiviert werden, sich in den sie betreffenden Fragen der Gesellschaftsgestaltung aktiv einzubringen. •

Zum anderen gehört zu dieser Motivierung auch, mit Kindern und Jugendlichen über den Sinn hergebrachter politischer und administrativer Verfahren ins Gespräch

zu

kommen

und

ihnen

die

wesentlichen

aktuellen

Gestaltungsaufgaben der Politik zu erläutern, ihre – in Hinsicht auf Verfahren, Inhalte und Ergebnisse – möglichen kritischen Fragen und Anmerkungen ernsthaft zur Kenntnis zu nehmen und auch bereit zu sein, bisher weitgehend „partizipationsfreie“ Bereiche für Kinder und Jugendliche zugänglich zu machen.“ (Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.19) Dies ist wie ich meine ein sehr sinnvoller Ansatz, da auf die Jugendliche zugegangen wird und ihre Perspektive ernsthaft in den Blickpunkt rückt.

Die Arbeit mit Jugendlichen und besonders mit denen, die Randgruppen angehören, sollte Ressourcenorientiert sein. Junge Menschen in schwierigen Situationen haben oft das Gefühl, dass sie im Grunde keine besonders bemerkenswerten Fähigkeiten haben. In vielen Fällen wurde ihnen das bestimmt auch so lange von Erwachsenen gesagt, bis sie es sogar selbst glauben. Auch Teenager in der Pubertät und hier speziell die Mädchen, zweifeln häufig an ihren eigenen Fähigkeiten. An dieser Stelle kann die Ressourcenorientierung Potentiale deutlich machen und sie fördern. Die potentiell problemverstärkende Defizitorientierung würde das angekratzte Selbstbild der Jugendlichen nur noch mehr schwächen. Jugendarbeit setzt sich zu einem großen Teil aus beziehungsorientierten Ansätzen zusammen. Der Hauptanteil der Jugendarbeit besteht in „Einfach Da – Sein, Kommunizieren, Sich- einlassen, Vermitteln, informell Austauschen und Beraten, Zeitfüreinander- Haben u.a.“ (Böhnisch/ Münchmeier, 1987, S.232) Eine Gruppe zu leiten,

-44-

Kapitel 2. Theoretische Grundlagen und Konzepte zur Arbeit mit Jugendlichen

in der ein pädagogisches Angebot gemacht wird, ist nicht mehr das primäre Ziel einer Einrichtung. Unverbindliche und sozial- kommunikative Prozesse stehen im Vordergrund der Offenen Jugendarbeit, ob nun in einem Jugendfreizeitheim oder dem Sozialraum der Jugendlichen. (vgl. Krafeld, 1992, S.67ff.) Beziehungsarbeit bedeutet für den Professionellen, dass er „auch als ‚Person’ in die Arbeit eingehen muss. Er kann nicht nur aus seiner Berufsrolle heraus mit den Jugendlichen umgehen, sondern wird von ihnen auch als Person angefragt. Jugendliche interessieren sich für sie oder ihn nicht nur in Bezug auf seine oder ihre professionelle Kompetenz, sondern auch in der Neugier, wie er oder sie lebt.“ (Böhnisch/ Münchmeier, 1990, S.108f.) Im Rahmen der Beziehungsarbeit erfolgen die Beratungs- und Förderangebote in dem alltäglichen Umgang. Sie werden in die täglichen sozialen Prozesse integriert, scheinen also ganz normale Kommunikation zu sein. Dies führt dazu, dass die Hemmschwelle Hilfe zu suchen, erheblich gesenkt wird. Natürlich kann es bei dieser Arbeit für den Professionellen, aber auch für die Klientel schwierig werden sich abzugrenzen und weiterhin eine gewisse Distanz zu wahren, aber dennoch ist es der richtige Weg.

2.2.1. Cliquenorientierte Arbeit mit Jugendlichen Jugendliche sind heutzutage sehr oft in Cliquen anzutreffen, welche sich wiederum im öffentlichen

Raum

aufhalten.

Dieser

Umstand

macht

die

Cliquenorientierte

Jugendarbeit zu einem Teil des von Böhnisch und Münchmeier (1987) beschriebenen Sozialraumorientierten Konzeptes Nun ist es in vielen Fällen so, dass sich die Jugendlichen unterschiedlicher Sozialräume kaum begegnen, selbst wenn diese nah beieinander liegen. Sie leben in ihrer kleinen Welt und so entgehen ihnen viele Eindrücke. Man kann davon ausgehen, dass sie ein deutlich besseres Verständnis für Andere und sich selbst hätten, sowie deutlich mehr Toleranz gegenüber Fremdartigem entwickeln würden, wenn sie den Blick über ihren „Tellerrand“ wagen. Es gibt eine große Anzahl von jungen Menschen, die ihren Stadtteil, ihr Dorf oder ihre Insel kaum oder sogar noch nie verlassen haben. Bestehen diese Schranken aber doch und haben beispielsweise die Jugendlichen aus einem Dorf keine Ahnung von dem Leben in ihrem Nachbardorf, kann ein Jugendprojekt, welches sich sowieso in unterschiedlichen

2.2. Soziale Arbeit mit Jugendlichen

-45-

Sozialräumen bewegt Kommunikation forcieren und möglicherweise eine dauerhafte Beziehung herbeiführen. Mobile Jugendarbeit ist in der Lage Prozesse der Integration in Gang zu bringen und so Distanzen und Differenzen zu überwinden. Es würden Brücken zwischen den unterschiedlichen Sozialräumen geschlagen werden. Nun ist der Faktor der Cliquenorientierten Arbeit im Laufe der Zeit immer wichtiger geworden, da es einfach mehr Cliquen gibt. Während am Anfang der 60er Jahre lediglich 16% der Jugendlichen angaben zu einer Clique zu gehören, waren es 1983 schon 59%. (vgl. Allerbeck/ Hoag 1985, S.38) Die Daten der 13. Shell Studie machen deutlich, dass sich dieser Trend noch mehr ausgeweitet hat. Ca. 88% der Mädchen und ca. 87% der Jungs gaben an einen „wirklichen Freund/ Freundin“ zu haben. (vgl. 13.Shell Jugendstudie, 2000, S.209) Mittlerweile sehen sich 70% der deutschen Jugendlichen als Mitglied einer Clique. (vgl. 14.Shell Jugendstudie, 2002) Die Attraktivität der Cliquenzugehörigkeit sinkt erst mit zunehmendem Alter. Die Clique an sich besteht nach Hurrelmann (1985, S.72) „aus mehreren Mitgliedern (...), die gemeinsame Aktivitäten unternehmen, wobei zwischen den Mitgliedern jedoch meist keine ganz engen Beziehungen bestehen“ (ebd.) Die Zugehörigkeit ist nicht an feste Regeln gebunden. Die Struktur innerhalb der Cliquen ist leicht hierarchische organisiert, jedoch wird dies nur latent deutlich.

Krafeld (1992) beschrieb die Cliquenorientierte Jugendarbeit, vor dem Hintergrund der Auflösung sozialer Milieus und dem Funktionsverlust der Familie, als zentralen Sozialisationsbereich.

Pädagogische

Leitlinien,

welche

hier

gelten

sind

die

Cliquenakzeptanz als Prinzip zu sehen und nicht nur als einen methodischen Trick der Jugendarbeit. Auch sollte die Jugendarbeit an den Orten stattfinden, an denen sich die Jugendlichen aufhalten, um den Zugang möglichst niedrigschwellig zu gestalten. Die Selbstorganisationsprozesse und das Abgrenzungsbedürfnis von Cliquen muss akzeptiert werden. Der cliquenorientierte Ansatz hat zur Grundlage, dass sich Jugendliche und junge Erwachsene in und durch ihre Peergroup definieren. Die Perspektive auf Erwachsene und den Rest der Welt ist der einer Clique. Ihre Clique wird zur neuen Sozialisationsinstanz, da andere Instanzen bei ihnen versagt haben oder sie gar nicht erreichen können. Bei diesem Ansatz darf man Einzelne nicht von ihrer Gruppe isolieren, denn ihr Handeln ist das einer Einheit von mehreren.

-46-

Kapitel 2. Theoretische Grundlagen und Konzepte zur Arbeit mit Jugendlichen

Die Jugendlichen sollten von den Mitarbeitern eines Jugendprojektes sowohl Kritik, als auch positive Verstärkung erfahren. Die Pädagogen sollten den Cliquen immer eindeutig und konsequent begegnen, damit diese sich nicht scheuen ihre Bedürfnisse zu äußern. Zusammen mit den Pädagogen werden Regeln vereinbart und sie achten selbst darauf, dass diese eingehalten werden. Durch die Eigenverantwortung ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass dies auch wirklich geschieht. In der Gruppe und mit den Pädagogen eines Projektes wird ihnen die Möglichkeit geboten, gewaltreduzierte Formen der Konfliktaustragung zu erlernen. Während einer kontinuierlichen Arbeit mit der Klientel wird Vertrauen und Verantwortung geübt, indem Grundbedingungen ausgehandelt werden, an die sich beide Parteien zu halten haben. Die Jugendlichen sollten Räume haben die sie selbst gestalten können. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass sie sich um den Erhalt der Räume bemühen werden und so ist auch eine cliquenorientierte Arbeit in Jugendzentren möglich. Bei der aufsuchenden Arbeit ist es häufig der Fall, dass viele Jugendliche keine intensive pädagogische Betreuung brauchen. Hier ist es manchmal eher von Nöten, ihnen Hilfestellung bei der Suche und Gestaltung eigener Räume zu geben. Jedoch gibt es natürlich auch Jugendgruppen bei denen die pädagogische Arbeit im Vordergrund steht.

2.3. Interaktionen zwischen Jugendlichen und Professionellen Jugendliche haben in der Regel ein Netzwerk aus formellen und informellen Unterstützern. Mit informell sind hiermit die Unterstützer wie Eltern, Verwandte, Freunde und mit formell die sozialen Institutionen, also Pädagogen, Psychologen, Ärzte oder Seelsorger gemeint. Ist dieses Netzwerk intakt, kann in belastenden Situationen eine deutliche Entlastung und effektive Hilfe für den Jugendlichen geleistet werden. Die kleinste Variante sollte zumindest in der guten Vernetzung von Schule und Elternhaus bestehen, jedoch ohne zu kontrollieren. Zu starke Kontrolle, wird den Jugendlichen nur dazu veranlassen, die Kommunikation der beiden Instanzen zu blockieren. Laut einer Studie der Universität Bielefeld über die Bedeutsamkeit von professionellen- und Laienhelfern aus dem Jahr 1993, haben die Laien einen hohen Stellenwert bei den durchschnittlich 16jährigen. (vgl. Hurrelmann/ Palentien, 1993) Ganz besonders wichtig sind die Mütter in der Umfrage bewertet worden. 61% der

2.3. Interaktionen zwischen Jugendlichen und Professionellen

-47-

Jugendlichen gaben an, mit der Beratung durch ihre Mütter zufrieden zu sein. Eine Auswertung des WHO- Surveys hat sogar ergeben, „dass die wichtigsten Ressourcen für die Bewältigung von Belastungen des psychosozialen Wohlbefindens gute emotionale Beziehungen zu den Eltern, eine gute Schulbildung und ein gutes Schulklima sind (vgl. Klocke 2000b).“ (Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.224) Ist die Familie nicht intakt können massive Probleme auftreten. „Kinder aus Konfliktfamilien rauchen mehr, trinken mehr Alkohol, nehmen Drogen, zeigen häufiger

delinquentes

Verhalten,

fühlen

sich

häufiger

depressiv,

essen

unregelmäßiger, haben mehr Probleme mit ihren Peers, schätzen sich schlechter in der Schule ein, sind im Hinblick auf Schulangelegenheiten unmotivierter und streben einen weniger hohen Schulabschluss an als Kinder aus Partnerfamilien“ (Eickhoff/ Zinnecker, 2000, S.40) Obwohl die Familie als emotionaler Rückhalt hohe Priorität genießt, verliert sie als Herkunftsmilieu und Ursprung der Wertebildung an Bedeutung. So ändern sich mit dem älter werden auch die Ansprechpartner und Freunde treten an die Stelle der Eltern. Informelle Helfer genießen das größere Vertrauen. Die Niedrigschwelligkeit ist wohl auch hier wieder der wichtige Faktor. Eltern und Freunde sind in den meisten Fällen einfach besser, leichter und unkomplizierter zu erreichen, als jede professionelle Instanz. Eine kleine Ausnahme stellen die 15- 16jährigen dar. Hier ist der Ablösungsprozess vom Elternhaus am intensivsten und auch mit ihren Freunden sind die konstanten Beziehungen weniger stabil. Nun stellt sich die Frage, ob professionelle Helfer für diese Altersgruppe eine Helferalternative sein können und auch so akzeptiert werden. Hier zeigt die Studie, dass sich etwa 10% der Jugendlichen mit ihren Problemen an eine Beratungsstelle wenden und 12% an Ärzte. Wobei auch erwähnt werden muss, dass 22% der Jugendlichen, die eine Psychosoziale Beratungsstelle aufsuchen könnten oder sollten, nicht so einfach dahin kommen. Um zu der Beratungsstelle ihres Einzugsgebietes zu kommen, müssten sie über eine Stunde mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, was sich in ländlichen Gebieten natürlich besonders schwierig gestaltet. Um auf die Frage zurück zu kommen, ob die 15-16jährigen vermehrt professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, kann man das positiv bestätigen. 30% dieser Altersgruppe suchen entsprechende Beratungsstellen auf. Jugendarbeiter sollten unter Anderem als „Scharnier“ fungieren. Das heißt sie regen zur Mediation zwischen der Jugend- und der Erwachsenenwelt an. Diese unterschiedlichen Welten zur Kommunikation zu bewegen, ist gerade in der aufsuchenden Arbeit eine

-48-

Kapitel 2. Theoretische Grundlagen und Konzepte zur Arbeit mit Jugendlichen

wesentliche und wichtige Aufgabe. Die Jugendlichen haben hier keine feste Institution im Rücken, auf die sich verlassen können. Als besonders schwierig in der Interaktion zwischen den Professionellen und den Jugendlichen erachte ich die Privatsphäre. Jeder weiß ja von sich selbst dass man es nicht so einfach hin nimmt, wenn ein im Grunde fremder Mensch zu sehr in die eigene Privatsphäre eindringt. Der Brockhaus beschreibt Privatsphäre als einen Teil des Persönlichkeitsrechtes.

Hier

heißt

es:

„Man

unterscheidet

drei

geschützte

Persönlichkeitssphären: Die Individualitätssphäre (das ist der Bereich des öffentlichen und beruflichen Wirkens), die Privatsphäre (das ist der Bereich der privaten Lebensgestaltung) und die Intimsphäre (z.B. Tagebücher, vertrauliche Briefe.“ (Brockhaus, 1998) In der offenen Jugendarbeit ist der Beziehungsansatz sehr gängig und besonders in der mobilen Jugendarbeit passend, da die räumlichen und methodischen Möglichkeiten sehr eingeschränkt sind. Eine reine „Angebotspädagogik“ ist hier nicht realisierbar. Jugendliche sollen im Kontakt mit den Pädagogen herausfinden, dass es möglich ist offene und verlässliche Beziehungen aufzubauen. Im optimalen Fall machen sie alternative Erfahrungen mit Erwachsenen, die für sie in anderen Lebens- und Alltagsbereichen nicht möglich wären. Für professionelle Pädagogen ist dieses Konzept besonders schwierig, denn hier sind nicht nur die fachlichen Kompetenzen gefragt, sondern ihre Persönlichkeit im ganzen. Besonders die sozialen und emotionalen Fähigkeiten sind hier wichtig. Die ständige Frage, wie viel Nähe man zulassen kann und wie viel Distanz nötig ist, müssen sie sowohl in der Rolle mit Vorbildfunktion, als auch in der direkten Auseinandersetzung mit der Klientel, für sich beantworten. Mit dem Beziehungsansatz möchte ich deutlich machen, dass Privatsphäre auf beiden Seiten besteht und keine der beiden Seiten darauf verzichten möchte. Sozialabeiter sollten eine Parteilichkeit für ihre Klientel haben und vertreten. „Voraussetzung hierfür sind: •

Toleranz und Akzeptanz der Lebenswelten



Schaffung von gegenseitigem Vertrauen im Rahmen von Beziehungsarbeit,



Transparenz und Offenheit der Arbeit im Sinne einer Nachvollziehbarkeit für die Zielgruppe,



(Zu-)Sicherung von Individualität und Anonymität im Hilfeangebot,



Sicherung der Kontinuität und Zuverlässigkeit des Angebotes sowie

2.3. Interaktionen zwischen Jugendlichen und Professionellen •

-49-

Flexibilität und Mobilität des Angebotes, z.B. als Reaktion auf sich verändernde Bedarfslagen.“

(Klose/Steffan, 1998, S.297) Dies mag alles Selbstverständlich klingen. In jedem Fall ist es aber sinnvoll auf die Grundlagen noch einmal aufmerksam zu machen, da sie doch nicht immer so klar sind, wie sie sollten.

Kapitel 3. Spezifische Methoden und Konzepte der Arbeit mit Jugendlichen Das gesamte Sozialbudget der Bundesrepublik betrug beispielsweise im Jahr 1998 222,4 Milliarden Euro, davon sind 7,1% auf die Kinder- und Jugendhilfe entfallen. Welche Arbeit unter anderem mit diesen Geldern gemacht wurde und noch wird, möchte ich nun in diesem Kapitel zeigen. An dieser Stelle werde ich nun auch endlich genauer auf die mobile Jugendarbeit eingehen und in diesem Rahmen ebenfalls andere Ansätze der Jugendarbeit näher beleuchten. In dem ersten Abschnitt wird das Konzept der mobilen Jugendarbeit genau vorgestellt. Ansätze und Konzepte, welche sich meiner Auffassung nach besonders gut mit der mobilen Jugendarbeit kombinieren lassen, werde ich in eigenen Unterkapiteln betrachten. Hierbei wird im Besonderen die Kombination mit der mobilen Jugendarbeit zu Grunde gelegt. Die drei Eckpunkte der modernen Kinder- und Jugendhilfe Lebenswelt-, Dienstleistungsorientierung und Professionalität werden in diesem Rahmen ebenfalls bedacht. In diesem Abschnitt möchte ich auch versuchen deutlich zu machen, wie die mobile Jugendarbeit dabei helfen kann, Brücken zwischen den Sozialräumen zu schlagen und so eine Kommunikation unter ihnen zu fördern.

3.1. Mobile Jugendarbeit als Antwort Die mobile Jugendarbeit wird oft zu einer Art Auffangsystem innerhalb der Kinderund Jugendhilfe, da sie mit den gescheiterten Angeboten konfrontiert wird. „Neben den Einrichtungen und Angeboten der Jugend(verbands-) arbeit stellt die mobile Arbeit, die Straßensozialarbeit einen lebensweltbezogenen Ansatz in der Jugend- und Sozialarbeit dar. Die Ergebnisse der Europäischen Streetwork Explorationsstudie EU-STREET-EX (vgl. Klose/Steffan 1997) zeigen die deutschen und europäischen Ansätze auf. In der Drogenarbeit und in der Cliquenarbeit mit Jugendlichen entstanden Ende der 60er Jahre/Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts die ersten Projekte. Anlässe waren die Nichterreichbarkeit bestimmter Zielgruppen durch Einrichtungen, die Ausbreitung von Aids und das Auffälligwerden von Gruppen gewaltbereiter

Jugendlicher.

Während - 50 -

in

der

Drogen-

und

weiblichen

3.1. Mobile Jugendarbeit als Antwort

-51-

Prostitutionsszene sowohl mit Erwachsenen als auch mit Jugendlichen gearbeitet wird, wird in der Fanarbeit, der Anti-Gewalt-Arbeit und im Strichermilieu vorwiegend mit Jugendlichen gearbeitet. In den letzten Jahren hat sich dabei vor allem in der mobilen Jugendarbeit die Tendenz zur stärkeren Ausrichtung auf weibliche Jugendliche durchgesetzt (ebd., S.16). (...) Unabhängig von allen konzeptionellen und Zielgruppendifferenzen ist die zentrale Zieldimension der mobilen Arbeit das Prinzip der Akzeptanz der Zielgruppen und ihrer Lebenswelten. Lebenspraktische Hilfe, Kontaktvermittlung und das Anregen institutioneller Innovationen sind beispielhafte Tätigkeitsschwerpunkte. Dabei gilt immer die Freiwilligkeit des Kontaktes, die Parteilichkeit für die Zielgruppe, die nichtdefizitorientierte Arbeitsweise und die Gewährleistung von Anonymität.“ (Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.136) Laut dem Fachlexikon Soziale Arbeit hat sich in der Jugendhilfe „die Arbeitsform Streetwork

durch

Ausdifferenzierung

konzeptionelle zur

Mobilen

Erweiterung

Jugendarbeit15

hin

und

praxisbezogene

entwickelt.

(...)

Die

konzeptionellen und arbeitspraktischen Grenzen zu Streetwork sind fließend: spezifische Schwerpunkte liegen bei Mobiler Jugendarbeit im allgemeinen jedoch auf einer stärker stadtteilorientierten/ sozialräumlichen Ausrichtung, auf der Verbindung zwischen lebensweltzentriertem Aufsuchen und einrichtungsgebundener Club-/ Freizeitarbeit sowie auf vielerorts nachhaltigen Bemühungen um die Integration von ehrenamtlichen Peers bzw. von Schlüsselpersonen aus dem jeweiligen Gemeinwesen. Mit dem Beschluss der Bundesarbeitsgemeinschaft und Landesjugendämter und überörtlicher Erziehungsbehörden zu Mobiler Jugendarbeit (1986) als fachlicher Grundlage und dem KJHG als rechtliche Grundlage (§13 Jugendsozialarbeit) steht dieses Handlungskonzept im Gegensatz zu Streetwork in anderen Arbeitsfeldern auf einer relativ abgesicherten Basis.“ (Fachlexikon Soziale Arbeit, 1997) Dies ist nun einerseits ein Auszug aus dem Kinder- und Jugendbericht und andererseits die Definition, wie sie im genannten Lexikon zu finden ist. Die Frage, die sich für mich hinter beidem verbirgt ist, in wie fern nun also diese auf Jugendliche ausgerichtete Form von Streetwork einen konstruktiven Beitrag zur Jugendarbeit leisten kann?

15

In meiner Arbeit schreibe ich mobile immer klein und Jugendarbeit groß. An dieser Stelle verwende ich allerdings ein Zitat aus dem Fachlexikon Soziale Arbeit in dem Mobile Jugendarbeit, als eigener Begriff groß geschrieben wird.

-52-

Kapitel 3. Spezifische Methoden und Konzepte der Arbeit mit Jugendlichen

Die Formen der mobilen Jugendarbeit folgen „den neueren Ergebnissen der (sozialökologischen) Jugendforschung, die die sozialisatorische Funktion der Cliquen und peer groups, die Bedeutung des sozialräumlichen Verhaltens von Jugendlichen (Territorialität) und die Ausbildung kollektiver Identitäten (Stilbildung) als einen unauflöslichen Zusammenhang sieht.“ (Wensierski, 1999, S.43) Die Mitarbeiter eines mobilen Projektes geben bei Bedarf eine niedrigschwellige Erstberatung in krisen- und konflikthaften Situationen der Jugendlichen. Der mobile, aufsuchende Ansatz ist auch in der heutigen Zeit eine moderne Methode der Jugendarbeit. Er ist besonders dafür geeignet auf die Bedürfnisse der Jugendlichen, welche sonst nur schwer erreichbar sind zu reagieren und er findet mittlerweile in allen Altersgruppen Verwendung. Die „Jugend von heute“ muss sich den immer weiter und schneller verändernden Umständen anpassen, was häufig zu krisenhaften Situationen führt. In sozialen Brennpunkten haben mobile Angebote in den letzten Jahren gezeigt, dass sie sehr effektiv sind. Dies war insbesondere der Fall, wenn sie die traditionelle Selbstverständlichkeit der Jugendarbeit aufgaben und sich mit lokalen, bzw. ganz persönlichen Bedürfnissen befassten. Dennoch ist sie keine Feuerwehr, die erst gerufen werden sollte wenn die Situation ausweglos erscheint. Viel mehr sollte die Kontaktaufnahme,

-aufbau

und

–stabilisierung

mit

sogenannten

schwierigen

Jugendlichen, welche von den Einrichtungen nicht mehr zu greifen sind, als Ausgangspunkt für ein individuen-, gruppen- und gemeinwesenbezogenes Engagement betrachtet werden. Folgende Handlungsmaximen sollten der mobilen Jugendarbeit zugrunde liegen: •

„Dezentralität (Präsenz an den verschiedenen Treffpunkten),



Alltagsorientierung (ganzheitlicher Ansatz mit Lebensweltbezug),



Methodenintegration (Beratungs- und Hilfeangebote sowohl für ganze Cliquen/ Szenen als auch im Einzelfall),



Partizipation (Beteiligung der Zielgruppen an der Entwicklung und Umsetzung von Angeboten und Aktivitäten etc.),



Prävention (frühzeitiges Erkennen von Hilfe- und Angebotsnotwendigkeiten).“

(Klose, Steffan, 1998, S.297) Der Standard der mobilen Jugendarbeit sieht so aus, dass in Teams gearbeitet wird, die geschlechtsparitätisch besetzt sind. Die Gründe für die Teamarbeit liegen in der „Sicherheit, Kommunikation und Planung, Reflexion und Rückmeldung, Verbesserung der fachlichen und persönlichen Qualitäten der Mitarbeiter und der Nutzung der

3.1. Mobile Jugendarbeit als Antwort

-53-

beruflichen Fähigkeiten im Team.“ (Konzeptbeschreibung des „Rotrunner“, S.10) Angebote, die bei den Einzelnen Jugendgruppen durchgeführt werden, müssen sich an den Bedürfnissen der Klientel vor Ort orientieren. Ressourcenorientierung sollte hierbei nie aus dem Blick geraten, da die Situation sonst für beide Seiten häufig zu trostlos erscheint. Der mobile Ansatz ermöglicht es, die Jugendlichen und jungen Erwachsene zu erreichen, die sich bisher weitestgehend von Institutionen ferngehalten haben. Außerdem werden die Jugendlichen nicht mehr nur eingeladen und gebeten zu kommen. „Das pädagogische Angebot geht dorthin, wo sich die Zielgruppe in ihren Gesellungsformen aufhält.“ (Konzeptbeschreibung des Projektes „Rotrunner“, S.4) Das optimalste währe wahrscheinlich eine Kooperation von mobiler Jugendarbeit und den Einrichtungen, bzw. Institutionen, so wie sie beispielsweise bei den Berliner „Häusern der Offenen Tür“ praktiziert wird. Sie sind einerseits eine feste Institution im Stadtteil, die auch Anlaufstelle ist, gehen andererseits aber auch in die Lebenswelt der Jugendlichen hinaus. Auf diese Weise ist die Wahrscheinlichkeit am größten, möglichst alle Jugendlichen zu erreichen. Dieses Konzept basiert auf dem „Out-Reach-Work“, welches aus dem angloamerikanischen Raum stammt. Danach ist die pädagogische Arbeit so angelegt, dass sie sich auf die Einrichtung konzentriert. Das Hinausgehen in den Sozialraum der Klientel ergänzt den pädagogischen Ansatz um die „alltagsnahe Begleitung, Stützung oder auch bloße Kontaktisierung von einzelnen Jugendlichen oder von ganzen Peer-Groups.“ (Klose, Steffan, 1998, S.295) Ein weiteres wichtiges Merkmal des mobilen, aufsuchenden Ansatzes ist dass Konzeption und Zielgruppe veränderbar sind und im Laufe der Zeit an eventuell veränderte Bedingungen angepasst werden können. Die Planung sollte sich danach richten, wie die Jugendlichen Zeit und Orte nutzen. Bereits vorhandene Strukturen werden qualitativ gestärkt. „Der Verzicht auf die ‚Kommstruktur’ beraubt den Jugendarbeiter“ allerdings „nicht nur seines professionell-institutionellen Settings, die aufsuchende Arbeit macht ihn auch zum ‚Gast’ in den jugendlichen Lebenswelten. Materielle und räumliche Ressourcen konkreter Projekte müssen im Einzelfall stets erst geschaffen werden. Gleichzeitig steht die Arbeit damit stärker im Fokus der Öffentlichkeit: Der Verlust des ‚pädagogischen Schonraums’ macht den Sozialpädagogen zum Mittler zwischen den Welten, besser: zwischen den Generationen. (...) Mobile Jugendarbeit wird auch zum Anwalt und Aktivist für die Sozialökologie der Lebenswelten Jugendlicher.“ (Wensierski, 1999, S.43f.)

-54-

Kapitel 3. Spezifische Methoden und Konzepte der Arbeit mit Jugendlichen

Ein allgemeines pädagogisches Ziel müsste Partizipation und Beteiligung sein. Die Partizipation bezieht sich dabei auf die Einsätze an sich, also die Festlegung von genauen Orten und Zeiten, Unternehmungen, sowie weiterführenden Maßnahmen. Verlässlichkeit muss hier absolute Priorität haben, d.h. die Jugendlichen müssen sich sicher sein können dass das mobile Angebot zu den angegebenen Zeiten auch wirklich vor Ort ist. Mit Beteiligung ist gemeint, dass sich die Zielgruppe beim Projekt nicht nur außen vor fühlen sollte, sondern eigene Ideen und Vorschläge mit einbringen kann.

Streetwork, also die Straßensozialarbeit, ist wie bereits erwähnt ein Teil der mobilen Jugendarbeit. In den meisten Fällen wird Streetwork wohl mit dem Klientel der drogenabhängigen und obdachlosen Jugendlichen in Verbindung gebracht. Diese Form der Mobilen Jugendarbeit ist jedoch in der Lage, noch ganz andere Gruppen zu erreichen. Zunächst ist meiner Meinung nach schon das Entgegenkommen eine Methode an sich. Natürlich ist es keine, die ganz allein für sich Bestand hat, jedoch in Verbindung mit Anderen ein wirksames Instrument darstellt. Dadurch dass sich der Professionelle in den sozialen Nahraum der Klientel hinein bewegt macht er ein Angagement deutlich, dass viele der Jugendlichen bis her so noch nicht von Erwachsenen erlebt haben. Selbstverständlich muss diese Annnäherung sehr vorsichtig erfolgen, damit die Jugendlichen das Auftreten der Pädagogen nicht als Eingriff in ihre Welt begreifen. „Streetworkerinnen und Streetworker können durch ihre aufsuchende Arbeitsweise Zugang zu Lebenswelten bekommen, die für Erwachsene sonst in dieser Form nicht zugänglich sind. Streetwork scheint eine geeignete Methode zu sein, auf professionellem Wege in Kontakt mit Jugendliche zu kommen und Verhaltensweisen zu untersuchen.“ (Dölker, 2003, S.115)16 Am Anfang der Kennenslernprozesse steht in der Regel die teilnehmende Beobachtung. Auf diesem Weg wird es ermöglicht sich anzunähern und eine Vertrauensbasis zu schaffen, auf der dann im weiteren Verlauf sozialpädagogische Arbeit realisierbar ist. „Die teilnehmende Beobachtung bietet den methodischen Vorteil (...), dass die Untersuchung direkt im Lebensumfeld der Gruppe stattfindet. Hier besteht die Möglichkeit die erhaltenen Informationen aus Gesprächen in den Lebenskontext der Gruppe zu bringen.“ (Dölker, 2003, S.117) Die vier grundlegenden Methoden, der mobilen Jugendarbeit sind nach Keppeler (1997, S.25): Streetwork, Gruppenarbeit, Einzelfallhilfe und Gemeinwesenarbeit. 16

Vgl. auch Müller-Wiegand, 1998

3.1. Mobile Jugendarbeit als Antwort

-55-

Weiter sagt er, „Mobile Jugendarbeit versteht sich als ein aufsuchendes Jugendberatungskonzept im Kontext stadteilbezogener oder gemeinwesenbezogener Arbeit. Bei genauerem Hinsehen ist jedoch festzustellen, dass das klassische Konzept je nach örtliche Bedingungen unterschiedliche Formen und Konstellationen annimmt. So unterscheidet sich mobile Jugendarbeit in ländlichen Regionen oder in kleinen und mittleren Städten von Ansätzen in großstädtischen Stadtteilen oder in sozialen

Brennpunkten.

Ansätze

mit

starkem

Gemeinwesenanteil

zeigen

Unterschiede zu zielgruppenbezogenen Ansätzen etwa in innerstädtischen Szenen.“ (ebd.) Ein wichtiger Faktor in der mobilen Jugendarbeit sind auch Räume. Hier geht es einerseits natürlich um Büroräume, die unter Anderem eine Anlaufstelle sein können. Auf der anderen Seite gilt es häufig Räume für die einzelnen Jugendgruppen zu finden. Jugendliche benötigen Räume die sie nach Möglichkeit auch selbst gestalten sollten, um einen räumlichen Ruhepunkt zu haben. In diesem Raum finden „Gleichaltrigengruppen ein Anregungsmilieu und Gelegenheitsräume zur Ausbildung jugendspezifischer sozialer Normen, Gesellungsformen und kultureller Ausdrucksformen, aber auch Hilfen zur Lebensbewältigung und für die Entwicklungsaufgaben der individualisierten und potenziell problembelasteten Lebensphase Jugend.“ (Wensierski, 1999, S.40) Zusammenfassend möchte ich nun noch einmal die generellen Handlungsebenen und Tätigkeitsschwerpunkte (Steffan, 1989; Gusy u.a. 1994; Klose/Steffan, 1996) der mobilen Jugendarbeit deutlich machen: •

„Aufbau und Pflege eines Kontaktnetzes in der Lebenswelt der Zielgruppe,



Aufbau und Pflege eines institutionellen Netzes (z.B. zu Behörden, stationären Hintergrundeinrichtungen etc.),



Allgemein psychosozial- pädagogische Arbeit (Einzelfallhilfe, z.B. in Form von Krisen-/

Sozialberatung

Gruppenarbeit,

o0der

längerfristiger

Gemeinwesenarbeit,

Animation,

stützender

Begleitung,

erlebnispädagogische

Aktivitäten etc.), •

Zielgruppen-/arbeitsfeldspezifische lebensweltnahe Intervention (z.B. Training von Deeskalationsstrategien mit gewaltbereiten Jugendlichen, Entwicklung von Partizipationsmöglichkeiten jugendlicher Fußballfans am Vereinsgeschehen; Aufklärung über Wirkungsweisen und Prüfmöglichkeiten von ‚Designerdrogen’; Safer-Use-Schulung etc.),

-56-

Kapitel 3. Spezifische Methoden und Konzepte der Arbeit mit Jugendlichen



Anwaltliche Interessenvertretung (z.B. gegenüber Behörden) und Lobbyarbeit (z.B. Medien),



Institutionelle Innovation, d.h. nutzerangemessene, bedarfsgerechte (Um-) Gestaltung des institutionellen Angebots (z.B. Einrichtungen niedrigschwelliger Beratungsangebote

oder

Wasch-

und

Übernachtungsmöglichkeiten

für

TrebegängerInnen).“ (Klose/Steffan, 1998, S.296f.)

3.2. Die Kombination der Methoden Kinder- und Jugendarbeit umfasst „alle außerschulischen und nicht ausschließlich berufsbildenden, vornehmlich pädagogisch gerahmten und organisierten, öffentlichen, nicht kommerziellen bildungs-, erlebnis- und erfahrungsbezogenen Sozialisationsfelder von freien und öffentlichen Trägern, Initiativen und Arbeitsgemeinschaften.“ (Thole, 2000, S.23) Bei einem solch umfangreichen Spektrum ist es eigentlich naheliegend, dass die unterschiedlichen Methoden am wirkungsvollsten sind, wenn sie kombiniert werden. Einerseits sollte Jugendarbeit die Selbstorganisation der Jugendlichen respektieren und unterstützen. Auf der anderen Seite reicht es oft nicht aus lediglich die Selbstorganisation in Gang zu bringen und die Jugendlichen ansonsten sich selbst zu überlassen. Es sollten ebenso Angebote gemacht werden, die von der Klientel allein nicht zu realisieren währen. Vorhandene Defizite in den Jugendkulturen sollten ausgeglichen werden, da dann innerhalb der jugendkulturellen Netzwerke die Jugendarbeit eine ergänzende Funktion erfüllen kann. (vgl. Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.135) Auch dieses Ziel ist wie ich meine, am Besten mit einer Verbindung mehrerer Methoden zu erreichen. In der Praxis ist es natürlich generell der Fall, dass die Professionellen sich mehrerer Methoden bedienen, um optimal auf ihre Klientel eingehen zu können. Eine isolierte Methode streng anzuwenden würde wahrscheinlich auch gar nicht funktionieren und viele Probleme aufwerfen. Jede Methode hat sowohl Vor-, als auch Nachteile und die schlechten Eigenschaften kann man am besten mit einer Kombination verschiedener Konzepte kompensieren.

3.2. Die Kombination der Methoden

-57-

In diesem Kapitel stelle ich die Kombination unterschiedlicher Ansätze mit der mobilen Jugendarbeit vor. Diese Form der Jugendarbeit bedient sich diverser Methoden, die teilweise schon ein Prinzip der mobilen Jugendarbeit geworden sind, da sie sich so selbstverständlich in das Konzept einfügen. Eine Verbindung mit offener und niedrigschwelliger Arbeit bleibt ebenso wenig aus, wie die Lebensweltorientierung und auch das Gemeinwesen findet nahezu immer seinen Platz in einem mobilen Jugendprojekt. Durch die Verschmelzung mit dem mobilen Ansatz ist auch die Verbindung miteinander gegeben und so, wie ich finde die optimalste Form. Aus jedem Konzept die relevanten Essenzen zu kombinieren ist geradezu naheliegend. Selbstverständlich muss ein Professioneller hier sehr darauf achten, sich in dem möglicherweise Durcheinander der Methoden nicht zu verlieren und eine Struktur für sich finden.

3.2.1. Gemeinwesenorientierung und die mobile Jugendarbeit Die Gemeinwesenarbeit mit der mobilen Jugendarbeit zu verbinden ist wie ich finde, ein erstes sehr gutes Beispiel für eine Kombination zweier Methoden, die beim ersten hinsehen völlig unterschiedliche Ziele haben. Meiner Ansicht nach kann mobile Jugendarbeit aber einen großen Beitrag zur Gemeinwesenarbeit, sowohl in ländlichen als auch in städtischen Gebieten leisten. Das mobile Konzept, welches die Projekte in den sozialen Raum der Klientel führt ist prädestiniert für diese Aufgabe. Mobile Jugendarbeit an sich ist Sozialraumbezogen und unter anderem dazu gedacht Ausgrenzungsprozesse zu verhindern und im Rahmen des Empowerment17 Ressourcen des Gemeinwesens zu aktivieren. So steht auch im Elften Kinder- und Jugendbericht (2001, S.133) „Beispiele für die sozialräumliche Ausdifferenzierung und ihre gestaltenden Funktionen in Bezug auf den sozialen Nahraum junger Menschen sind u. a. Angebote der mobilen bzw. aufsuchenden

Jugendarbeit,

der

Jugendsozialarbeit,

cliquenorientierte

und

geschlechtsspezifische Ansätze sowie Angebote für spezifische Zielgruppen.“ (ebd.) Der soziale Nahraum ist genau der Ort an dem gemeinwesenorientierte Arbeit gemacht wird und in den sich ein mobiles Jugendprojekt hinein bewegt.

17

Empowerment – Hilfe zur Selbsthilfe

-58-

Kapitel 3. Spezifische Methoden und Konzepte der Arbeit mit Jugendlichen

Um einen kleinen Einblick in das Thema zu geben, ziehe ich das Fachlexikon der sozialen Arbeit heran. „Gemeinwesenarbeit (GWA) kam nach dem Exil deutscher Sozialarbeit in den 60er Jahren aus den USA und Holland als dritte Methode der Sozialarbeit nach Deutschland. Im Unterschied zu der sozialen Einzel(fall)hilfe und Gruppenarbeit weitet sie den professionellen Zielgruppen-Bezug aus auf Bevölkerungsbereiche

wie

Stadtteile/Gemeinden

(Stadtteilarbeit).

Doch

die

Übertragung amerikanischer Erfahrungen auf bundesrepublikanische Verhältnisse erwies sich als problematisch. Ende der 69er Jahre formulieren Gemeinwesenarbeiter zum ersten Mal für den Raum der Bundesrepublik drei konzeptionelle Positionen, die lange Zeit die Fachdiskussion bestimmten: 1. GWA als Koordination traditioneller Methoden und Kooperation traditioneller Träger und Sozialarbeit. 2. GWA als sozialpolitische Befriedigung auf der Basis vorhandener Interessen und Bedürfnisse. 3. GWA als aggressive Intervention mit dem Ziel der Erweiterung und Veränderung vorhandener Interessen und Bedürfnisse. Heute wird GWA durchgängig als ein Arbeitsprinzip sozialer Arbeit (Sozialarbeit/ Sozialpädagogik) überhaupt verstanden. Sie begreift die sozio- ökonomischen und politischen Bedingungen im Lebensbereich bzw. Stadtteil als Ursachen sozialer Benachteiligung und Schäden.“ (Fachlexikon der sozialen Arbeit, 1997) Die Urbanisierungswelle und das Phänomen der „Schlafstädte“ (Keppeler, 1997) führten also zu einer Reihe von GWA- Projekten. Diese hatten meist zum Ziel, gemeinsam mit der Bevölkerung die häufig noch fehlende Infrastruktur zu schaffen, bzw. einzuklagen. Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Einkaufszentren oder auch nur verkehrstechnische Anbindungen wurden bei der schnellen Planung der Gebiete einfach nicht berücksichtigt. Die Lebensqualität in den betroffenen Gebieten lies entsprechend der Defizite viele Wünsche offen. Die Krise der Gemeinwesenarbeit war laut Hinte (2002, S.538f.) durch diverse Faktoren begründet. •

„GWA-Projekte konnten sich nur in wenigen Kommunen dauerhaft halten. (...)



GWA war von ihren Ursprüngen her aber auch in ihren Erscheinungsformen, tendenziell institutionsfeindlich. (...)



Das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) erwies sich einseitig als Fallfinanzierungs-Gesetz,

das

der

Familie

und

insbesondere

den

3.2. Die Kombination der Methoden

-59-

Erziehungsberechtigten einen hohen Stellenwert zuwies, zwar in einigen Formulierungen dem sozialen Umfeld Bedeutung zumaß, doch in den Finanzierungs-Passagen auf den problematischen Einzelfall fixiert war.(...) •

Es gab weder eine konsistente Theorieentwicklung noch systematische Zusammenschlüsse

von

PraktikerInnen

oder

periodisch

erscheinende

Publikationsorgane, die sich systematisch mit GWA beschäftigten. (...)“ (ebd.)

Trotz ihrer großen Krise hat die Gemeinwesenarbeit jedoch überlebt und wird teilweise sogar als Grundorientierung der mobilen Jugendarbeit benannt. Das Gemeinwesen wird auf geographisch gut abgrenzbare Räume bezogen, die durch landschaftlichstädtebauliche oder verkehrsbedingte Grenzen deutlich werden. Andererseits ist auch die sozial-kommunikative Dimension der lokalen Räume ein Faktor der das Gemeinwesen bestimmt. Die Menschen fühlen sich schon allein bedingt durch den sozial-räumlichen Faktor, als Teil einer Gemeinschaft. Die Nachbarschaft als überschaubare

Kommunikationseinheit

bietet

den

Bewohnern

mit

temporär

ausgeprägter lokaler Bindung ein vertrautes und heimisches Gefühl. (vgl. Kepeller, 1997, S.164) Des weiteren ist mobile Jugendarbeit „ein Arbeitsansatz, der aus verschiedenen Gründen als gemeinwesenorientiert bezeichnet werden kann: •

Die Initiative einer Mobilen Jugendarbeit geht oft von betroffenen Bewohnern, Lehrern, Pfarrern, Nachbarn aus.



Die Träger Mobiler Jugendarbeit sind häufig lokal organisiert, bilden sich aus Einrichtungen und aktiven Einzelpersonen aus den Stadtteilen, aus dem Gemeinwesen.



Die Zielgruppe, an die sich Mobile Jugendarbeit wendet, sind in der Regel Jugendliche aus dem Gemeinwesen. Die Bürger fühlen sich sozusagen für ‚ihre’ Jugend verantwortlich.



Konzeptionell sucht Mobile Jugendarbeit immer wieder nach Wegen, wie das Gemeinwesen mit den ‚schwierigen’ Jugendlichen konfrontiert oder auch ‚versöhnt’ werden kann.“ (Keppeler, 1997, S.168)

Das Ziel der Gemeinwesenarbeit liegt nicht darin, die Menschen eines Stadtteils zu ändern, sondern die Lebensbedingungen und Verhältnisse in dem Sozialraum zu verbessern.

-60-

Kapitel 3. Spezifische Methoden und Konzepte der Arbeit mit Jugendlichen

3.2.2. Lebensweltorientierung und die mobile Jugendarbeit Lebensweltorientierung ist ein Konzept, welches in vielen Bereichen der sozialen Arbeit einsetzbar ist. Ein gutes Beispiel ist meiner Meinung nach die sozialpädagogische Familienhilfe, wo es sehr darauf ankommt aus der Perspektive der Klientel zu handeln. Aber auch in der Jugendarbeit ist dieses Konzept sehr wichtig und vermittelt den Jugendlichen das Gefühl, dass ihre Belange wirklich ernst genommen werden. „Mit Lebenswelt wird in der Sozialen Arbeit18 heute überwiegend die alltägliche Wirklichkeitserfahrung eines verlässlichen, soziale Sicherheit und Erwartbarkeit bietenden

primären

Handlungszusammenhangs

(Familie,

Nachbarschaft,

Gemeinwesen, bestimmte Gruppen, soziokulturelle Milieus usw.) bezeichnet. In der Lebenswelt wird in einer stillschweigenden, gemeinsamen Unterstellung bzw. Auslegung der Geltung sozialer Regeln, Strukturen und Abläufe die Grundlage sozialen Handelns gelegt. In einer Zeit zunehmenden Zerfalls der Lebenswelt, d.h. insbesondere auch der Auflösung primärer sozialer Hilfeerwartungen und – beziehungen, stellt sich – so die Schlussfolgerung in diesem Modell – für die Soziale Arbeit die Aufgabe, noch funktionierende soziale Zusammenhänge der Lebenswelt durch Aktivierung vorhandene Ressourcen zu entwickeln, zu stützen oder durch geeignete Hilfsangebote zu ergänzen. Lebensweltorientierte Ansätze der Sozialen Arbeit unterscheiden sich in diesem Sinne von kontrollierenden – intervenierenden Konzepten. (Fachlexikon Soziale Arbeit, 1997) Oder wie es in dem Elften Kinder- und Jugendbericht heißt, “Lebensweltorientierung bedeutet konsequente Hinwendung zu und Orientierung an den Lebenslagen und Lebensverhältnissen sowie den Deutungsmustern und Sichtweisen der Adressatinnen und Adressaten. Sie sind Ausgangs- und Angelpunkt der Angebote und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe. Damit werden, entgegen einem expertenhaftdistanzierten Handeln, verstärkt die Ressourcen der Beteiligten einbezogen und ihre Eigenverantwortung und ihre Teilhabemöglichkeiten gestärkt. (Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.63) Im Grunde genommen kommt es bei diesem Konzept zuallererst auf Respekt an. Ein Professioneller muss sein Gegenüber und seine Lebenssituation erst respektieren und dann ist es möglich zu sehen, wie man an bestimmten Stellen Veränderungen herbeiführen kann. 18

Auch bei dem Ausdruck „soziale Arbeit“ schreibe ich das Adjektiv klein. Hier handelt es wiederum um ein Zitat, in dem Soziale Arbeit als eigener Begriff groß geschrieben wird.

3.2. Die Kombination der Methoden

-61-

Des weiteren ist zu beachten, dass es eine objektive und eine subjektive Lebenswelt gibt. Die Objektive wird auch als gegenständlich bezeichnet, da sie beschreibbar ist. Sie besteht aus Dingen, die sinnlich wahrnehmbar sind und dem Subjekt zugeordnet werden können. Diese Elemente lassen verallgemeinernde Aussagen über die jeweilige Person zu. Diese beschreibbaren Dinge sind beispielsweise Schulbildung und die entsprechenden Zeugnisse, Hobbys, familiäre Zusammenhänge, die kulturelle Prägung und so weiter. Die subjektive Lebenswelt ist sinnlich nicht wahrnehmbar und wird auch als die persönliche bezeichnet. Sie besteht aus biographisch geprägten Orientierungen, Sichtweisen, Konfliktbearbeitungsmustern etc. und ist für die jeweiligen Personen selbstverständlich. (vgl. Dölker, 2003, S.121ff.) Die genannten Beschreibungen von der Lebensweltorientierung machen, meiner Meinung nach noch einmal sehr deutlich, wie gut das Konzept der Lebenswelt mit dem der mobilen Jugendarbeit zu kombinieren ist. Die mobile Jugendarbeit ist ein solch geeignetes Hilfsangebot, wie es in der Erklärung gefordert wird. Handlungsmaximen in der lebensweltorientierten Arbeit sind ähnlich wie bei der mobilen Jugendarbeit. Prävention, Alltagsnähe Integration, Partizipation und Dezentralisierung werden von Thiersch (2002) als grundlegende Prinzipien angegeben.

Wenn man sich nun mit den Lebenswelten der Klientel auseinandersetzen möchte ist es ein guter Weg, zunächst ein Lebensweltanalyse zu erstellen. Als besonders sinnvoll kann sich diese Methode erweisen, wenn man im Rahmen der mobilen Jugendarbeit mit einer neuen Jugendclique arbeiten möchte. „Für eine Lebensweltanalyse haben verschiedene Autoren sehr praktische methodische Vorschläge gemacht, wobei es sich meist um ‚abgespeckte’ Methoden der qualitativen Sozialforschung handelt. •

Methoden der Lebensweltanalyse sind:



Die Stadtteilerkundung mit Schlüsselpersonen



Nadelmethode zur Sichtbarmmachung informeller Treffs und anderer jugendkultureller Orte im Stadtteil (auf einer Karte des Stadtteils, Anm. d. Verf.)



Jugendkulturen- Kataster zum Überblick über die Szenen, Cliquen und Jugendkulturen in einem Sozialraum



Leitfaden- Interview mit Schlüsselpersonen



Cliquenporträt

-62-

Kapitel 3. Spezifische Methoden und Konzepte der Arbeit mit Jugendlichen •

Strukturierte Stadtteilbegehung



Subjektive Landkarten



Formen der Beobachtung“

(Deinet, 2000, S.12)

Die Jugendlichen sollten möglichst aktiv an der Lebensweltanalyse beteiligt werden, so das sie selbst zum Angebot der mobilen aufsuchenden Jugendarbeit wird. Analysiert man die Lebenswelt der Jugendlichen, indem man sie beteiligt und nicht nur von außen auf sie sieht, kann man die rein sozialgeographische Perspektive der Jugendhilfe um eine subjektorientierte Sichtweise erweitern. Ein Projekt der Jugendarbeit, dass die informellen Treffs der Jugendlichen, ihre Cliquenreviere, Konfliktzonen und öffentlichen Freiräume kennt, ist in der Lage umfassende Präventionsstrategien zu entwickeln. Ist dies geschehen, kann man aus der Analyse Rückschlüsse auf Angebote ziehen, die hier wirklich gefragt, benötigt und passend sind. Natürlich birgt auch dieses Konzept Gefahren in sich. „Der Konsequente Ausgang von den Bedürfnissen und Interessen der AdressatInnen in ihrer Lebenswelt verbindet sich mit einem besonderen Engagement für die Vielschichtigkeit und Komplexität pädagogischer Situationen, so dass Fragen der Transparenz des Handelns, der methodischen Ausrichtung, der Evaluation als Erfolgskontrolle und der Organisationsgestaltung genauso wie Fragen des wirtschaftlichen Überlebens mitunter Gefahr laufen, an den Rand gedrängt oder abgespalten zu werden.“ (vgl. Grunwald, 2001a) Lebensweltorientierung beinhaltet auch die Dienstleistungsorientierung, welche die Klientel genauso in den Mittelpunkt ihres Schaffens stellt. Die Beteiligung der Jugendlichen, ein Abwenden der eingreifenden Kinder- und Jugendhilfe und der veränderte Betrachtungswinkel auf die Klientel, nämlich vom Objekt zum Subjekt sind weitere zentrale Punkte dieser Orientierung. Mit Blick auf die Lebenswelt der Jugendlichen kann soziale Arbeit entweder unterstützend in sie integriert werden, wie es bei der Familienhilfe der Fall ist, sie kann die Lebenswelten durch Tagesgruppen ergänzen oder sie durch eine alternative ersetzten, was bei der Heimerziehung der Fall währe. Die Mobile Jugendarbeit kann in gewisser Weise auf jeden Fall die zwei erstgenannten Funktionen erfüllen, was noch einmal ihre Flexibilität deutlich macht.

3.2. Die Kombination der Methoden

-63-

Laut Thiersch lassen sich fünf Zugänge zur Lebenswelt der Klientel unterscheiden: 1. Der Phänomologische Zugang Hier wird der Mensch nicht als ein abstraktes Individuum betrachtet, sondern im Zusammenhang mit seiner Wirklichkeit. Defizitäres Verhalten ist in diesem Kontext auch immer ein Ergebnis der Verhältnisse und muss zunächst respektiert werden. 2. Gliederung in soziale Felder Lebenswelt ist in verschiedene Felder unterteilt, wie z.B. in die Familie, die Arbeit, Öffentlichkeit und so weiter. Dieser Zugang ist ebenso sensibel für Probleme bei der Anpassung in den unterschiedlichen Feldern und vermittelt auch zwischen ihnen. Diese Felder sind ebenfalls als Ressource zu betrachten, die bei der Bewältigung von Aufgaben in der Lebenswelt hilfreich sein können. 3. Normativ- kritische Aspekte Hier wird die Lebenswelt rekonstruiert. Die Ressourcen und Deutungen bieten einerseits eine Identität und soziale Sicherheit, andererseits wirken sie aber auch einengend und ausgrenzend. Das normativ- kritische Konzept sieht die Menschen im Widerspruch von Hoffnung und Trauer. 4. Schnittstellen von Strukturen und Handlungsmustern Die Wirklichkeit steht immer unter dem Einfluss von gesellschaftlichen Strukturen. Die Lebenswelt ist hierbei die Schnittstelle zwischen dem Subjektiven und Objektiven. Sie ist einerseits der Hintergrund aber auch der aktive Vordergrund. 5. Herausforderungen durch neue Soziale Ungleichheiten Die sozialen Ungleichheiten in Ressourcen und Handlungskompetenzen sind bestimmend für die Gegenwart der Lebenswelt. Bei diesem Zugang ist die Lebenswelt für neue Chancen aber auch für Belastungen bei Lebensentwürfen etc. offen und sensibel. (vgl. Thiersch, Grunwald, Köngeter, 2002, S.169ff.) Fragt man die heutige Jugendgeneration nach den gesellschaftlichen Herausforderungen so antworten sie Arbeitsmarkt, Bildung, Familie und Kinder. (vgl. 14.Shell Jugendstudie, 2002) Diese Punkte die den jungen Menschen von heute offensichtlich wichtig erscheinen, sollten in jedem Fall ein Bestandteil der Lebensweltorientierten Jugendarbeit sein, denn das sind die Faktoren, mit denen sich die Jugendlichen konfrontiert sehen. Zusammenfassen kann man sagen, „Lebensweltorientierung

-64-

Kapitel 3. Spezifische Methoden und Konzepte der Arbeit mit Jugendlichen

verbindet die Analyse von gegenwärtig spezifischen Lebensverhältnissen mit pädagogischen Konsequenzen.“ (Thiersch, Grunwald, Köngeter, 2002, S.161)

3.2.3. Der offene, niedrigschwellige Ansatz und die mobile Jugendarbeit Der offene Ansatz ist sehr für die Jugendarbeit geeignet, vor allem wenn er niedrigschwellig angelegt ist. „Die offene Jugendarbeit zählt mit ihren Kinder- und Jugendfreizeitstätten, der mobilen Jugendarbeit/Straßensozialarbeit und betreuten Spielplätzen zu den Leistungen der Jugendhilfe und ist im KJHG als eigenes originäres Arbeitsfeld mit spezifischen Prinzipien ausgewiesen.“ (Hafeneger, 1999, S.247) Sie entstand erst nach 1945 und richtet sich seit dem besonders an die Jugendlichen, welche von den Jugendverbänden nicht erreicht werden. „Die offene Jugendarbeit war lange Zeit neben der Jugendverbandsarbeit das zweite methodische und institutionelle Standbein der Jugendarbeit in Deutschland. Der institutionelle Ort der offenen Jugendarbeit ist das Jugendzentrum, für das es eine Palette von synonymen Begriffen gibt: Häuser der offenen Tür, Jugendhäuser, Jugendclubs, Jugendheime, Jugendfreizeitzentren, Jugendfreizeitstätten. Der Begriff der ‚offenen Arbeit’ ist dabei der Abgrenzung gegenüber den Jugendverbänden geschuldet, deren Arbeit stärker institutionell und konzeptionell verregelt ist (feste Mitgliedschaften, verbindliche Gruppenstrukturen usw.) das Prinzip der Offenheit bezieht sich dabei auf vier Ebenen: •

Sie ist offen in der Zielgruppe; d.h. offene Jugendarbeit richtet sich potentiell an alle Jugendlichen.



Sie ist offen in der Zeitstruktur ihrer Angebote; d.h. ihre Angebote haben auf der Basis einer niedrigschwelligigen Kommstruktur (‚offene Tür’) einen eher offenen, spontanen, unverbindlichen und sporadischen Charakter.



Sie ist offen in den methodischen Konzepten, wobei das Gerüst ihrer methodischen Ausstattung die sog. Offenen Angebote sind: Angebote, die vor allem

sozialräumliche

Infrastruktur

und

Gelegenheitsräume

als

unverbindliche Treffpunkte für Jugendliche zur Verfügung stellen: z.B. Jugendcafes, Disco, Tischtennis-, Kicker, Billard usw. Davon ausgehend

3.2. Die Kombination der Methoden

-65-

gehören dann aber auch Gruppenangebote, Kurse, Projekte und pädagogische Angebote zum möglichen methodischen Setting der offenen Jugendarbeit. •

Sie ist offen in den thematischen Inhalten; d.h. das offene Jugendarbeit durch keine spezifische thematische oder programmatische Vorgabe in ihren Inhalten beschränkt ist. Sie kann sowohl Angebote der Freizeit- und Erlebnispädagogik, Jugendkulturarbeit, der Medienpädagogik wie auch der politischen Bildung oder der Gesundheits- und Sexualpädagogik umfassen. Zu ihren Schwerpunkten zählen heute alle Formen moderner, vor allem Mediengestützter Freizeitaktivitäten (Filme, Video, Computer, Disco, Musik usw.)“

(Wensierski, H.-J., 1999, S.39f.)

Für Professionelle stellt die offene Jugendarbeit eine besondere Herausforderung dar. Dieses Arbeitsfeld ist, wie der Name schon sagt, sehr offen was seine Möglichkeiten betrifft. Der planbare pädagogische Teil ist verwoben mit den situativen, kreativen Herausforderungen, welche sich alltäglich ergeben. Strukturell ist das Arbeitsfeld eher schwer einzuordnen und es enthält einen beträchtlichen „unsichtbarer“ Anteil, nämlich Beziehungsarbeit und Kulturarbeit. Die Beziehungskomponente wird von den Jugendlichen auch durchaus gesucht. Sie sind in einer Phase der Grenzüberschreitung und nehmen in gewisser Weise Abschied von der Kinderzeit um in das Erwachsenenleben überzugehen. In dieser Phase können Pädagogen mit offenen Ansätzen einen Halt und Orientierung bieten ohne Einzuengen, bzw. Vorschriften zu machen. Andererseits bieten die Professionellen auch die Option in Konflikte zu treten und sich zu messen. Sich einer fairen Auseinandersetzung zu stellen sowie diesen Konflikt auszutragen ist schon ein deutlicher Schritt in das erwachsene Leben und zwar in dem Sinn, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen, was für mich Erwachsen sein bedeutet. Laut Böhnisch (1998) gibt es eine jugendtypische Bedürftigkeit in der Identitätsfindung auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Dieses Bedürfnis kann sowohl die offene, als auch die mobile Jugendarbeit als Teilgebiet erfüllen. Die Stärken der offenen Jugendarbeit hat Krafeld (1992) in fünf Punkten zusammengefasst: 1. „Offene Jugendarbeit macht offene, kaum verregelte Raumangebote. Offene Jugendarbeit bietet primär Räume an. In einer weitgehend verregelten Umwelt finden Kinder und Jugendliche wenigstens hier die Möglichkeit, sich

-66-

Kapitel 3. Spezifische Methoden und Konzepte der Arbeit mit Jugendlichen relativ frei und selbstgestaltet einen Ort als ihren sozialen Raum aneignen zu können.

2. Offene Jugendarbeit fördert jugendkulturelle Selbstentfaltung. In der offenen Jugendarbeit stehen durchgängig Kinder und Jugendliche mit ihren jugendkulturellen Ausdrucksformen, mit ihren wechselhaften Interessen und Handlungsmustern im Vordergrund, während andere pädagogische Handlungsfelder durchweg von einem Wechselverhältnis zwischen Adressaten und je spezifischen Ziel und Aktivitätskomplexen geprägt sind. 3. Offene Jugendarbeit bietet sich als integraler Bestandteil jugendlichen Alltags an. Offene Jugendarbeit ist als soziales Raumangebot darauf angelegt, integraler Bestandteil des Alltags ihrer Nutzer zu sein, also nicht das Besondere, das herausgehobene Ereignis, nicht Veranstaltungs-, sondern Lebensbereich. Sie schafft vielfach eine Art zweites ‚Zu- Hause’ und damit ‚Stützpunkte’, ‚Jugendstationen’ im Wohnumfeld. 4. Offene Jugendarbeit macht ein ganzheitliches personales Angebot. Offene Jugendarbeit ist nicht mit einem aktivitäten- oder funktionsspezifischen personalen Angebot, sondern in der Regel mit einem ganzheitlichen personalen Angebot gekoppelt, das im wesentlichen besteht aus: einfach Da-Sein, Kommunizieren, Einlassen, Vermitteln, informell Beraten, Zeit füreinander haben u.a.. 5. Offene Jugendarbeit hat primär Bedeutung für sozial Benachteiligte. Offene Jugendarbeit hat gerade denjenigen viel zu bieten, die aufgrund ihrer Lebenslagen in besonderer Weise in ihren Entfaltungsprozessen gehemmt und blockiert sind, die bisher wenig ausdifferenzierte Organisierungs-, Interessenund Handlungsmuster erproben und entfalten konnten und die über eine altersbedingte besonders geringe soziokulturelle Selbständigkeit verfügen.“ (Krafeld, 1992, S.76f.) Allerdings hat die offene Jugendarbeit auch mit dem „pädagogischen Schonraum“ zu kämpfen. Durch das große Maß an Freiheit von den gesellschaftlichen Zwängen, treten auch häufig Überforderungen auf. Durch das Aufeinanderprallen völlig gegensätzlicher Jugendgruppen, kann es in dem Rahmen des Jugendclubs zu Auseinandersetzungen kommen. Ein vergleichsweise spartanisch ausgestatteter Club kann auch nicht mit den Angeboten der kommerziellen Freizeit- und Kulturindustrie mithalten. (vgl. Wensierski, 1999, S.40f.)

3.2. Die Kombination der Methoden

-67-

An diesem Punkt finde ich die Kombination mit der mobilen Jugendarbeit sehr passend. Die Jugendlichen müssen zunächst nicht mit anderen Jugendgruppen zusammentreffen. Eine Clique wird mit ihren speziellen Bedürfnissen in das Zentrum der pädagogischen Arbeit gestellt. Im Laufe der Arbeit mit dieser einen Clique kann nun, selbstverständlich ohne jeglichen Zwang, versucht werden einen Kontakt zu Jugendgruppen im näheren Umfeld des Sozialraumes zu forcieren.

Die fünf Hilfsfunktionen der Offenen Jugendarbeit hat Hubweber (1990) wie folgt beschrieben: •

„Die prophylaktische Funktion: Grundlegende und spezifische Förderung von Lebenskompetenz, Ermöglichen von günstigen Vorraussetzungen für die friedliche Bewältigung von Konflikten;



die soziale Hilfsfunktion (Lebenshilfe): Aufzeigen von Lösungsmöglichkeiten bei Lebensproblemen im Bereich von Familie, Schule, Beruf, Freundschaft, Freizeit, Religion u.a. durch Gespräche, Einzelfallhilfe, Beratung oder soziale Gruppenarbeit;



die Bildungsfunktion: Vermittlung von Fähigkeiten und Fertigkeiten, Hilfe und Unterstützung bei der Entwicklung eigener kultureller, politischer, gesellschaftlicher und religiöser Werte und Vorstellungen;



die Freizeitfunktion: Förderung sportlicher,

sozialer,

emotionaler,

beruflicher

u.a.

kognitiver,

Fähigkeiten,

kreativer,

soweit

sie

handwerklicher, Vorraussetzungen

eigeninitiierten und gemeinsamen Freizeitverhaltens sind; •

die Identifikationsfunktion; Ermöglichen

von

Kontakten,

Geselligkeit,

Gemeinschaftserlebnissen;

Jugendkultur u.ä., wobei eine Konfrontation mit Werten und Idealen, stattfindet, die zu entsprechendem Handeln motiviert.“ (Hubweber, 1990, S.9f.) In all diesen Punkten ist die offene Jugendarbeit mit der mobilen Jugendarbeit zu verknüpfen. All die genannten Faktoren machen meiner Meinung nach deutlich, dass die offene Jugendarbeit im Grunde ein unverzichtbarer Teil der mobilen Jugendarbeit ist.

Kapitel 4. Reichweite und Grenzen der mobilen Jugendarbeit In diesem letzten Kapitel möchte ich nun versuchen, die Fragen aus der Einleitung zu beantworten und somit auch eine Zusammenfassung des Themas zu geben. Nachdem ich im Kapitel drei eine Vorstellung der mobilen Jugendarbeit vermittelt habe, kommt es hier nun darauf an wirklich zu zeigen wie weit dieses Konzept wirklich reichen kann, aber auch wo die Grenzen liegen, an die es stößt. In diesem Rahmen möchte ich in 4.1. zunächst die Vorteile der mobilen Jugendarbeit deutlich machen, die sie gegenüber anderen niedrigschwelligen Projekten hervorhebt. Einer dieser Vorteile ist in jedem Fall die Klientel, welche erreicht werden kann. Welche Jugendlichen nun wirklich erreicht werden, zeigt das Kapitel 4.2.. Abschließend werde ich noch auf eine Andere Ebene gehen und den Beitrag deutlich machen, den die mobile Jugendarbeit zur Jugendhilfeplanung leisten kann. Alles in allem wird dieses Kapitel eine art Evaluation der mobilen Jugendarbeit sein.

4.1. Vor- und Nachteile der mobilen Jugendarbeit gegenüber anderen niedrigschwelligen Angeboten Die mobile Jugendarbeit hat in ihrer Reichweite Möglichkeiten die ein Angebot, welches sich nicht direkt in den Sozialraum der Klientel begibt, nicht erreichen kann. Die Niedrigschwelligkeit an sich ist wie ich meine, schon einmal der richtige Ansatz. Diese Eigenschaft haben ja nun auch die Projekte, denen ich die mobile Jugendarbeit in diesem Abschnitt gegenüber stellen möchte. Wenn sich die Angebote also in diesem wichtigen Punkt entsprechen, welche Vorteile hat die mobile Jugendarbeit dann, die so weit in das Gewicht fallen, ein solches Angebot zu bevorzugen? Zunächst möchte ich auf die Grenzen und Probleme der mobilen Jugendarbeit eingehen. Sind die Pädagogen über die Phase der Kontaktaufnahme hinaus und haben somit den Einblick in die Lebenswelt der Klientel, müssen sie häufig Prioritäten setzen. Angesichts von Kriminalität, Wohnungslosigkeit usw. sind oft nicht die geplanten Ziele, mit denen man an eine Jugendgruppe herangetreten ist zu realisieren. Auch die

- 68 -

4.1. Vor- und Nachteile niedrigschwelligen Angeboten

der

mobilen

Jugendarbeit

gegenüber

anderen -69-

Parteilichkeit für die Jugendlichen hat in Punkto Kriminalität oder Gewaltbereitschaft ihre Grenzen. Ein weiteres Problem sind die Öffentlichkeit sowie die Geldgeber. Beide erwarten sehr schnelle „Erfolge“ bei den Jugendlichen, nachdem ein solches Angebot initialisiert worden ist. Der Grund hierfür ist das noch sehr gängige Bild der mobilen Jugendarbeit als „Pädagogische Feuerwehr“. In diesem Punkt hat beispielsweise ein Jugendclub klare Vorteile. Er hat nicht sofort Ergebnisse und Lösungen zu liefern. Die Arbeit einer offenen Jugendfreizeiteinrichtung ist auf längere Zeit ausgelegt und hat somit auch mehr Zeit etwas in dem Sozialraum zu bewirken. Aber auch die Zielgruppe hat oft sehr hohe Erwartungen an ein mobiles Projekt, die nur selten in dem gewünschten Umfang zu erfüllen sind. Die finanziellen Mittel reichen meistens nicht aus, um die Wünsche der Klientel zu erfüllen. Aber auch die politischen Instanzen können, aus guten oder schlechten Gründen, eine Umsetzung der jugendlichen Wünsche verhindern. Diese häufig zu hohen Erwartungen führen zu enttäuschten Hoffnungen, sowohl auf Seite der Jugendlichen, als auch auf Seite der Öffentlichkeit. Hier hat beispielsweise ein institutionell ausgelegtes Angebot den Vorteil, dass die Jugendlichen mit recht konkreten Vorstellungen über die Möglichkeiten eines solchen Angebotes dort hin gehen. Sie suchen diese Einrichtung auch nur auf, wenn sie mit den Ressourcen und Möglichkeiten etwas anfangen können. Diese Zielgruppe muss also nicht erst für das Angebot begeistert werden. Natürlich sollte aber auch ein Jugendclub mehr Perspektiven bieten, als nur „abzuhängen“. Der Druck der nicht zu erfüllenden Hoffnungen führt nun seinerseits häufig zum „Burnout“ der Mitarbeiter eines mobilen Projektes. Viele bleiben nicht lange genug in den speziellen Angeboten, dass die eigentlich notwendige personelle Kontinuität zu gewährleisten währe.

Nun habe ich einige Grenzen der mobilen Jugendarbeit aufgezeigt. Meiner Meinung nach wiegen jedoch die positiven Aspekte, die negativen auf. An dieser Stelle werde ich also die Vorteile der mobilen Jugendarbeit gegenüber anderer Angebote beleuchten. Die Angebote der offenen Jugendarbeit finden in den meisten Fällen im Rahmen einer Einrichtung bzw. Institution statt. Diese Angebote sind im Grunde ein „Treffpunkt für Alle“, was unweigerlich dazu führt, dass sie für viele Jugendliche nicht mehr attraktiv sind. Viele Jugendliche wollen nun einmal nicht auf „Alle“ treffen, wenn sie in eine solche Einrichtung gehen. Die Freizeit möchte man mit seiner speziellen Peergroup

-70-

Kapitel 4. Reichweite und Grenzen der mobilen Jugendarbeit

verbringen. Treffen Peers mit völlig unterschiedlichen Interessen auf so kleinem Raum, wie in einem Jugendfreizeitzentrum aufeinander, führt das häufig zu Konflikten. Natürlich kann man argumentieren, dass ein solches Zusammentreffen auch zu Toleranz und mehr Verständnis untereinander führen kann. Es ist jedoch so, dass die Jugendlichen in den Freizeiteinrichtungen der offenen Jugendarbeit mehr oder weniger einer Peergroup angehören. Ein weiterer Vorteil der mobilen Jugendarbeit begründet sich aus einer zwangsweise zu folgernden Tatsache. Die Kürzungen der sozialen Infrastruktur forcieren im Grunde mobile Angebote. Immer mehr Jugendfreizeiteinrichtungen sind von Schließungen, sowie Kürzungen der personellen und finanziellen Ressourcen bedroht. Diese Tatsache führt dazu dass die mobilen Angebote, die ja eine viel größere Reichweite haben, den festen Einrichtungen überlegen sind. Natürlich besteht die Gefahr einer Überforderung, da eine mobiles Angebot nicht diverse Jugendclubs ersetzen kann. Die optimalste Lösung besteht meiner Meinung nach, wie an anderer Stelle bereits deutlich gemacht, in einer Verbindung von institutionellen Angeboten und der mobilen Jugendarbeit.

4.2. Welches Klientel kann wirklich erreicht werden? Wie an anderer Stelle bereits erwähnt, suchen nicht alle Jugendlichen die einen Bedarf an Sozialpädagogischer Jugendarbeit haben, die entsprechenden Institutionen auf. Mobile Jugendarbeit tritt parteiisch für die Jugendlichen ein und hat als ein Grundprinzip die Akzeptanz von individuellen und ganz unterschiedlichen Lebensstilen. Auf dieser Basis ist die Mobile Jugendarbeit ein Anlaufpunkt für alle, die mit Hilfe der Professionellen ihre Probleme lösen wollen und zwar außerhalb der Einrichtungen wie z.B. Jugendclubs. Die fast traditionelle Zielgruppe der mobilen Jugendarbeit sind die auffälligen Jugendlichen im Stadtteil. Im Kapitel 1.2.1. habe ich aber auch deutlich gemacht, dass Jugendliche in ländlichen Gebieten gerade durch ihre mangelnde Mobilität einen großen Bedarf an mobilen Jugendprojekte haben. Starker Alkoholkonsum ist besonders in Strukturschwachen Gebieten häufig die Grundlage der Freizeitbeschäftigung und dies vorrangig am Wochenende. Nun haben die Mitarbeiter der mobilen Jugendprojekte nicht die Aufgabe Verbote auszusprechen. Auf diese Weise werden sie nicht als typische Erwachsene erlebt, die den Jugendliche lediglich den Spaß verderben wollen.

4.2. Welches Klientel kann wirklich erreicht werden?

-71-

Die Pädagogen können Alternativen zu den „Saufgelagen“ bieten und den Jugendlichen auf diese Weise auch ohne explizite Verbote zu einer neuen Perspektive verhelfen. Die jeweilige Zielgruppe eines Angebotes mobiler Jugendarbeit kann aus zwei Sichtweisen angegangen werden. Die eine ist raumbezogen, bezieht sich also vor allem auf

die

Jugendlichen

im

Stadtteil

und

so

weiter.

Die

andere

Sicht

ist

zielgruppenbezogen und richtet sich damit beispielsweise an gewaltbereite oder obdachlose Jugendliche. (vgl. Klose, Steffan, 1998, S.296) Laut dem Positionspapier der LAG Mobile Jugendarbeit Baden-Württemberg e.V. richtet sich die Mobile Jugendarbeit an benachteiligte Jugendliche, wie z.B. Drogenkonsumenten, Arbeitslose, Obdachlose, Überschuldete und Misshandelte. Angesprochen werden aber auch Jugendliche deren soziales Verhalten für eine Gruppe nicht tragbar ist. Hierfür sind eine erhöhte Gewaltbereitschaft, extreme Rechtsorientierung oder auch delinquentes Verhalten gute Beispiele. Cliquen, welche im öffentlichen Raum in Erscheinung treten sind ebenfalls Adressaten der mobilen Jugendarbeit. Durch die zunehmende Privatisierung der öffentlichen Räume wie Bahnhöfe, Parks und so weiter, finden die Jugendlichen immer weniger Plätze an denen sie sich treffen können, da sie von Privatem Grund in den meisten Fällen vertrieben werden. Aber auch die Jugendzentren der verschiedenen Sozialräume haben selbstverständlich eine wichtige Funktion, nämlich die „jugendpädagogische Grundsicherung der Stadtteile und Quartiere“. (Wensierski, H.-J., 1999, S.41) Allerdings erreichen sie lediglich einen relativ kleinen Teil der Jugendlichen. Zumeist besuchen bestimmte Cliquen, nämlich ausländische und benachteiligte Jugendliche die Jugendzentren und für diese Gruppen sind die Jugendclubs auch unverzichtbar. Jedoch nicht alle jungen Menschen des Sozialraumes haben ein Interesse daran auf diese bestimmten Jugendgruppen zu treffen. Aus den verschiedensten Gründen, wie z.B. stark dominierende, unter Umständen gewaltbereite Gruppen, was gerade in sozialschwachen Gegenden häufiger vorkommt, geht der Grossteil der Jugendlichen nicht in die Jugendfreizeitzentren. Diese Jugendlichen sind eine Gruppe, welche beispielsweise für die mobile Jugendarbeit

prädestiniert

ist.

Es

sind

nicht

unbedingt

diejenigen

welche

schwerwiegende soziale Probleme haben, wie exsesiven Drogenkonsum, hohe Schulden, oder ein gewaltbereites Elternhaus. Auch wenn diese Dinge hier ebenfalls vorkommen können, sind meist andere Probleme vorhanden. Im Grunde wahrscheinlich

-72-

Kapitel 4. Reichweite und Grenzen der mobilen Jugendarbeit

Probleme die jeder Jugendliche in irgendeiner Form durchläuft, aber dennoch für sie gravierende Probleme, bei denen sie eventuell Unerstützung gebrauchen können. Nun wird wohl kein mobiles Jugendprojekt einfach so für die relativ unauffälligen Jugendlichen finanziert. Aber diese Klientel tritt vornehmlich im öffentlichen Raum auf, wo sie oft besonders den Anwohnern ein Dorn im Auge sind. Es ist eine Gruppe, die gerade in strukturschwachen Gebieten nichts mit ihrer Zeit anzufangen weiß und sich die Langeweile häufig mit Alkohol vertreibt. Diesen Jugendlichen könnten mit Hilfe der mobilen Jugendarbeit Optionen eröffnet werden und eventuell sogar Räume geschaffen werden, in denen sie ihren sozialen Ruhepunkt finden. Aber natürlich sind mit der mobilen Jugendarbeit auch andere Jugendliche zu erreichen. Problematischere Jugendgruppen treten ebenfalls im öffentlichen Raum auf. Mit Streetwork sind Jugendliche zu erreichen die Obdachlos sind, Drogen konsumieren, sich prostituieren usw. Eine klassische Gruppen ist z.B. an den Bahnhöfen der großen Städte zu finden. Viele dieser Jugendlichen gehen in keine feste Einrichtung und schon gar nicht in ein Jugendzentrum. Mobile Einrichtungen die sich in diesen speziellen Sozialraum begeben, werden mit großer Wahrscheinlichkeit eher angenommen als eine Institution.

Anfang der 80er Jahre trat die Rechtsradikale Szene mehr und mehr in den Schein der Öffentlichkeit. Durch die Wiedervereinigung im Herbst 1990 erhielt diese Szene einen Aufschwung und es kam zu den Anschlägen von Rostock, Solingen, Mölln und Hoyerswerda. Die traditionelle Jugendarbeit stand dem Phänomen machtlos gegenüber, da sie die rechtsorientierten Jugendlichen nicht erreichen konnte. An verschiedenen Orten Deutschlands wurde versucht, mit den Mitteln der mobilen Jugendarbeit auf die Jugendlichen einzuwirken. Zum Teil griffen bestehende Einrichtungen das Phänomen auf, es wurden aber auch spezielle Projekte gegründet. Auch wenn die Rechtsradikalen natürlich nicht „bekehrt“ werden konnten, erreichten diese Projekte zumindest häufig ein Nachdenken bei den entsprechenden Jugendlichen. Für viele war es schon neu, dass Professionelle gemeinsam mit ihnen sinnvolle Freizeitbeschäftigungen gesucht haben. Hiermit möchte ich deutlich machen dass ein mobiles Projekt, welches auf diese Jugendlichen zugeht, eine größere Chance hat etwas zu bewegen, da andere Methoden der Erfahrung nach kaum bis gar nicht greifen. Ein weiterer Teil der mobilen Arbeit ist die Fußballfanarbeit. Hier wird vor allem mit Gesprächen versucht, möglicherweise aggressive Fußballfans zu beschwichtigen und

4.3. Der Beitrag der mobilen Jugendarbeit zur Jugendhilfeplanung

-73-

schon im Vorfeld deeskalierend auf sie einzuwirken. Diese Arbeit kann nur von einem aufsuchenden Angebot geleistet werden, denn die Hooligans werden bestimmt keine Institution aufsuchen, in der mit ihnen über Akzeptanz und so weiter gesprochen wird. Des weiteren werden Mitarbeiter eines Fanangebots nicht predigend auf ihre Klientel einwirken, sondern versuchen aus der jeweiligen Perspektive zu handeln und den Fans mit Toleranz zu begegnen.

4.3. Der Beitrag der mobilen Jugendarbeit zur Jugendhilfeplanung „Die Kinder und Jugendhilfe hat sich zu einem bedeutsamen Teil und weit verzweigten Arbeitsbereich der Sozialen Arbeit ausdifferenziert, in dem sich zunehmend eigene Fragestellungen und Problemkomplexe abzeichnen.“ (Bock, 2002, S.311) Damit möchte ich deutlich machen, dass die Jugendhilfeplanung nicht nur eine Instanz ist, die in keinem eigentlichen Kontakt zur Klientel steht. Sie ist ein direkter Teil, der eben mit Hilfe anderer Teile die Verbindung zu den Jugendlichen hält. Zunächst möchte ich einmal die Jugendhilfeplanung, von ihrem abstrakten Charakter befreien und sie näher definieren. „Jugendhilfeplanung (ist die) Teilfachplanung der Sozialplanung im Rahmen kommunaler

Entwicklungsplanung

in

Ausführung

des

im

Kinder-

und

Jugendhilfegesetz (KJHG – SGB VIII) und in den Ausführungsgesetzten (AG) zum KJHG verankerten Auftrags, für dessen Erfüllung die öffentlichen Träger die Verantwortung tragen. Jugendhilfeplanung ist ein ständiger Prozess, der auf Binnenkorrekturen

an

Normen,

fachlichen

Standards

und

Abläufen

(Ablauforganisation) sowie nach außen auf politische Willensbildung und Entscheidungsvorbereitung gerichtet ist. Jugendhilfeplanung dient der kommunalen Jugendpolitik und Jugendbehörden als Steuerungsinstrument bei der Wahrnehmung ihrer Gesamtverantwortung für die Jugendhilfe.“ (Fachlexikon der Sozialen Arbeit, 1997) Des weiteren verbindet „die Jugendhilfeplanung nach § 80 KJHG (...) unter dem Dach der kommunalen Gesamtverantwortung die Arbeit der öffentlichen und freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe, und sie bezieht die Kinder und Jugendlichen selber in die Planung mit ein. Auch ein solches Verfahren kann als Vorbild für andere Politikbereiche angesehen werden. Die Jugendhilfeplanung hat sich allerdings auch heute noch nicht in allen Bereichen durchgesetzt und weist in

-74-

Kapitel 4. Reichweite und Grenzen der mobilen Jugendarbeit

Fragen der Koordination und Beteiligung durchaus noch Schwachstellen auf.“ (Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.51) Ich glaube, dass die mobile Jugendarbeit an diesen Schwachstellen ansetzten könnte. Wie ich wohl bereits deutlich gemacht habe sollte die Unterschiedlichkeit der Lebensverhältnisse, sowie deren Veränderung der Ausgangspunkt einer jeden Beschreibung und Betrachtung der Jugendhilfeplanung sein. Sie sollte möglichst alle Aspekte, welche die Lebenslagen der Kinder, Jugendlichen und Familien in ihren Sozialräumen betrifft bedenken. Jugendhilfe sollte auch immer den präventiven Gedanken im Blick haben. Um dies zu gewährleisten ist es wichtig einen Einblick in möglichst viele unterschiedliche Lebenswelten zu bekommen und über die strukturellen Planungen bzw. Entwicklungen informiert zu sein. Mittlerweile ist es so, dass sich die Kinder- und Jugendhilfe nicht mehr nur an die auffälligen Problemkinder wendet, sondern an Alle. „Sie fördert sie durch ihre direkte personen- und einzelfallbezogene Arbeit bei der Erfüllung ihrer Entwicklungsaufgaben und bei der Bewältigung ihrer Lebensprobleme.“ (Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.42) Geht man nun also davon aus, dass möglichst viele junge Menschen erreicht werden sollen, ist die aufsuchende, mobile Jugendarbeit genau das richtige Instrument. Ein Vorgehen mit Fragebögen ist in den allerwenigsten Fällen dazu geeignet, entsprechende Informationen von und über die Jugendlichen zu bekommen. Die Jugendhilfeplanung kann mit Hilfe mobiler Jugendarbeit generelle Entwicklungen, wie z.B. den demographischen Wandel, in ihrem Gebiet überprüfen und so eventuell Differenzen in der Entwicklung aufzuzeigen. Diese Unterschiede währen entscheidend für eine Analyse der Bedarfslage und die Entsprechende Planung der Hilfsmaßnahmen. Des weiteren sollte in der Jugendhilfeplanung bedacht werden, dass die Beteiligung der Jugendlichen eine echte Ressource darstellt. Im Laufe der Zeit haben sich in der Jugendhilfeplanung vier pragmatische Vorgehensweisen herauskristallisiert. Ansprechen möchte ich die zweite und vierte, da mobile Jugendarbeit hier den größten Beitrag leisten kann. •

„Sozialraumorientierter Zugang zum Planungsfeld:

Das zentrale methodische Element sozialraumorientierten Planungsvorgehens bildet die ‚sozialräumliche Analyse’. Auf der Grundlage von Sozialraumanalysen soll Jugendhilfe insbesondere Hinweise erhalten für struktur- und gemeinwesenbezogene Interventions- und Hilfeprogramme. Sozialraumanalysen sollen helfen, über kleinräumige strukturierte Informationen zu Lebenslagen von Kindern und

4.3. Der Beitrag der mobilen Jugendarbeit zur Jugendhilfeplanung

-75-

Jugendlichen, zu ihren spezifischen Sozialisationsbedürfnissen, zu Handlungs- und Selbsthilfepotentialen im sozialen Nahraum ein höheres Maß an Adressatennähe und ‚Zielgenauigkeit’

der

Jugendhilfeangebote

zu

erreichen.

Ferner

zeigen

Sozialraumanalysen die Problembelastung bestimmter Stadtteile und die bisher in dieser Region eingesetzten Ressourcen der Jugendhilfe. Dies ermöglicht Vergleiche bestimmter Regionen und bietet Grundlagen für fachliche und politische Entscheidungen im Hinblick auf Prioritätensetzung bei der weiteren Ausgestaltung der Jugendhilfe. •

Zielgruppenorientiertes Planungsvorgehen:

Hier konzentriert man sich auf bestimmte Zielgruppen und deren Probleme und Bedürfnisse. Wenn von ‚Zielgruppe’ die Rede ist, so meint man damit die Ausrichtung von Jugendhilfeangeboten auf eine Adressatengruppe, die sich aufgrund eines oder mehrer Merkmale in ihrer besonderen Lebenssituation von anderen Bevölkerungsgruppen unterscheidet. Solche Merkmale können das Geschlecht, die Nationalität, die soziale Schichtzugehörigkeit, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Altersgruppe, bestimmte soziale Auffälligkeiten (z.B. Drogenkonsum) u.a.m. sein.“ (Merchel, 1999, S.109f.) Die Sozialraumanalyse oder Lebensweltanalyse habe ich bereits im Kapitel 3.2.2. angesprochen. Auch habe ich erwähnt, dass sie selbst eine Methode der Jugendarbeit sein kann, wenn man die Jugendliche aktiv daran beteiligt. Nimmt die Jugendhilfeplanung nun den sozialraumorientierten Zugang, kann ein mobiles Jugendprojekt beispielsweise gemeinsam mit den betroffenen Jugendlichen eine Lebensweltanalyse machen. Sie würde einerseits ein Angebot sein, bei dem intensiv auf die Belange der Jugendlichen eingegangen wird und andererseits wichtige Informationen für die Jugendhilfeplanung liefern. Auch der Zugang der Zielgruppenorientierung findet in diesem Vorgehen seinen Platz. Denn wenn man mit der Adressatengruppe Analysen des Sozialraumes macht, erfährt man ebenfalls viel über die speziellen Bedürfnisse der Klientel. Die bereits vielfach genannte Partizipation ist bei beiden Wegen sowohl der Schlüssel als auch das Ziel.

Schlussbetrachtung Die Weltbevölkerung setzt sich zu ca. 30% aus Jugendlichen zusammen. Ein so großer Teil der Menschheit, sollte auch entsprechende Rechte haben. So fordert beispielsweise die Agenda 21 die Einbeziehung der Jugendlichen in alle sie betreffenden Entscheidungsfragen. Im Abschnitt 25.5. wird verlangt, dass bis zum Jahre 2000 jedes Land durch Erhöhung der jährlichen Teilnahme- und Zugangsquoten sicherstellen soll, dass mehr als 50% der Jugendlichen - in einem ausgewogenen Verhältnis von Mädchen und Jungen - geeignete höhere Schulen besuchen oder an gleichwertigen Erziehungsoder Ausbildungsprogrammen teilnehmen bzw. Zugang dazu haben. Und zur Jugendarbeitslosigkeit wird unter 25.6. gesagt, dass jedes Land Schritte unternehmen soll, um das gegenwärtige Niveau der Jugendarbeitslosigkeit zu senken, insbesondere dort, wo diese im Vergleich zur Gesamtarbeitslosenquote unverhältnismäßig hoch ist. (vgl. Agenda 21, Abschnitt 25.4. - 25.6.) Dies sind nun Forderungen, welche für eine globale Anwendung gedacht sind und dazu gehört auch die Bundesrepublik. Ob diese grundlegenden Forderungen bei uns erfüllt sind, ist vielleicht aus meinem Text zu entnehmen. Das junge Menschen in alle Entscheidungen, die sie betreffen integriert werden, wage ich zu bezweifeln. Möglicherweise ist die Umsetzung dieses Punktes aber auch ein wenig kompliziert, denn dass die Jugendlichen über entsprechende Gremien verfügen ist wohl nur in den wenigsten Fällen gegeben. Wichtig finde ich den Punkt 25.5., da gerade junge Menschen die Möglichkeit haben sollten eine gute Ausbildung zu erhalten. Eine höhere Bildung ist oft die Grundvoraussetzung für den Beruf, den man vielleicht unbedingt ausüben möchte. Die Optionen unter denen man wählen kann erhöhen sich beträchtlich. Dennoch ist es auch in der heutigen Zeit nicht gegeben dass allen jungen Menschen beispielsweise die Möglichkeit offen steht, eine höhere Schule zu besuchen, geschweige denn zu studieren. Viele Jugendliche müssen früh ihr eigenes Geld verdienen, um die Familie nicht mehr finanziell zu belasten und so ist ihnen eine akademische Ausbildung verwehrt. Die Einführung

von

Studiengebühren

und

Strafgebühren

für

sogenannte

„Langzeitstudenten“ halten in immer mehr Bundesländern Einzug. Sie sind ein weiterer Punkt, der es besonders Studenten mit schwächeren Deutschkenntnissen und jenen, die neben dem Studium mehr arbeiten müssen einen Abschluss unmöglich machen. Die individuellen Gründe für das längere Studium werden dabei nicht beachtet. - 76 -

-77Der Punkt 25.6. ist natürlich für diese Arbeit besonders wichtig. Im Kapitel 1.4. habe ich erörtert, wie es in Deutschland mit der Jugendarbeitslosigkeit aussieht. Die Bundesregierung hat nun zumindest das JUMP- Programm initialisiert, welches gut an den entsprechenden Defiziten der arbeitslosen Jugendlichen ansetzt. Dennoch muss noch einiges getan werden, um die Situation zu entspannen. Der Beitrag der mobilen Jugendarbeit zur Verbesserung der Situation von Jugendlichen ist im Laufe dieser Arbeit, wie ich hoffe deutlich geworden. Thole (2000) hat dies meiner Meinung nach auch sehr gut formuliert indem er sagt, dass die Projekte der mobilen Arbeit nachdrücklich die Innovationsbereitschaft der Kinder- und Jugendhilfe und die Suche nach neuen, alters-, adressaten-, milieu- und geschlechtsangemesseneren Arbeitsformen dokumentieren (vgl. ebd., S. 131). Mobile Jugendarbeit wandelt sich seit geraumer Zeit von einem Angebot, welches ausschließlich für „schwierige Jugendliche“ gedacht war zu einem, dass alle Jugendgruppen erreichen will. Der Präventionsgedanke spielt bei diesem Wandel eine sehr bedeutende Rolle und zieht sich bis in die politischen Ebenen hinauf. Der Grund liegt wohl in der gestiegenen Gewaltbereitschaft von Kindern und Jugendlichen. Aber präventives Handeln ist in jedem Fall zu begrüßen, da sich die mobile Jugendarbeit so auch von ihrem Image der „pädagogischen Feuerwehr“ befreien kann. Zur Zeit wird auch an der Festlegung von Qualitätsstandards, also konzeptionellen Rahmenbedingungen und fachlichen Grundsätzen gearbeitet. Dies geschieht vor allem aus Gründen der Vernetzung einzelner Projekte etc., die Deutschland- aber auch Europaweit anvisiert wird. Ein weiterer Grund für die Qualitätsstandards ist aber auch ein weiterer Versuch sich von dem Bild der „Pädagogik-Feuerwehr“ zu distanzieren und als eigenes qualifiziertes Angebot wahrgenommen zu werden. „Grundlage für Professionalität im Arbeitsfeld Streetwork/ Mobile Jugendarbeit ist das im Grundgesetz garantierte Recht auf ein menschenwürdiges Dasein und das dort verankerte Sozialstaatsprinzip. Das Menschenbild orientiert sich am ethischen Grundsatz der Chancengleichheit aller Menschen. Basierend auf der Erkenntnis, dass die gesellschaftliche Realität diesem Anspruch nicht gerecht wird, ist Streetwork/ Mobile Jugendarbeit im Sinne einer parteilichen Interessenvertretung für Benachteiligte und von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgegrenzter Menschen tätig.“ (Gillich, 2003, S.208) Ich hoffe dass im Laufe dieser Arbeit deutlich geworden ist, wie sinnvoll und vielseitig die mobile Jugendarbeit ist. Meiner Meinung nach entspricht dieses Konzept, auch

-78-

Schlussbetrachtung

wenn es kein wirklich neues ist, den aktuellen Ansätzen der sozialen Arbeit. Auf diese Weise ist es auch noch bis weit in die Zukunft anwendbar. Mit der mobilen Jugendarbeit wird den Bedürfnissen der Klientel in einem sehr hohen Maß entsprochen, denn die Lebenswelt der Jugendlichen sollte prinzipiell das Zentrum des Handelns sein.

Anhang Tabelle I Betroffenheit

von

Armut

nach

Bevölkerungsgruppen

(gemessen

gesamtdeutschen Durchschnittseinkommen; 1997; in Prozent)

Bevölkerung mit Niedrigeinkommen (50%-Schwelle) in % Insgesamt

8,8

Geschlecht Männer Frauen

8,5 9,1

Nationalität Deutsche Ausländer Zuwanderer

7,0 20,0 25,2

Bildung 15,4

Hauptschulbesuch Hauptschule mit Lehre Realschule Abitur Ohne Abschluss/in Ausbildung

7,0 6,3 4,9 15,9

Alter 10 bis 15 Jahre 16 bis 30 Jahre 31 bis 45 Jahre

13,6 10,9 8,1

Haushaltsgröße 1 Person 2 Personen 3 Personen 4 Personen 5 und mehr Personen

7,5 5,0 8,3 9,2 20,5

(Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S.142)

- 79 -

am

-80-

Anhang

Tabelle II Übersicht über wesentliche Arbeitsbereiche der Jugendberufshilfe (auf der Basis einer Systematisierung der BAG JAW1998)

Vermittlung von Allgemeinbildung - Sprachkurse - Schulabschlusskurse Berufsorientierung/-vorbereitung - tip-Lehrgänge (testen, informieren, probieren) - Grundausbildungslehrgänge - Förderlehrgänge - Lehrgänge zur Verbesserung beruflicher Bildungs- und Eingliederungschancen (BBE) - Pflegevorschulen/Hauswirtschaftliche Grundlehrgänge - diverse Länderprogramme – auch aus dem Bereich der Jugendhilfe - berufsvorbereitende Programmteile des Sofortprogramms der Bundesregierung Berufsausbildung - Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen ( BaE ) - Reha – Ausbildung - Vollzeitschulische Ausbildung - Ausbildungsbegleitende Hilfen (abH) - Übergangshilfen nach BaE - Programme der Länder - berufsqualifizierende Anteile des Sofortprogramms Berufliche Weiterbildung und (qualifizierende) Beschäftigung - Nachqualifizierung - Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) - Arbeiten und Lernen - Beschäftigung nach dem BSHG - Sonstige Beschäftigungsprojekte ( z. B. SAM ) - Programme der Länder (häufig mit ESF-Mitteln kofinanziert) - beschäftigungswirksame Anteile des Sofortprogramms Weitere Angebote - (sozialpädagogische) Beratungsstellen - aufsuchende Ansätze - schulbezogene Jugendsozialarbeit - Projekte für Schulverweigerer - Modellprojekte (z. B. des Kinder- und Jugendplans der Bundesregierung, aber auch der Länder, - der Bundesanstalt für Arbeit, EU etc.) - Internationaler berufsbezogener Austausch

(Elfter Kinder- und Jugendbericht, 2001, S. 176)

-81Tabelle III Wie viele Kinder möchtest du einmal haben? Angaben in Prozent

Deutsche Jugendliche männlich weiblich N=1987 N=2005 Keine Kinder Ein Kind Zwei Kinder Drei und mehr

Italienische Jugendliche männlich weiblich N=198 N=163

Türkische Hauptstichprobe Jugendliche männlich weiblich männlich weiblich N=244 N=221 N=2295 N=2251

16

10

18

12

9

6

15

9

26

22

19

15

16

11

25

21

49

56

45

49

48

53

49

56

8

12

18

24

27

29

11

14

(13.Shell Jugendstudie, 2000, S.56)

Tabelle IV Kriterien für die Arbeitsplatzwahl nach der Rangfolge ihrer Wichtigkeit

Rang 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

Wichtiges Kriterium Die Arbeit soll interessant sein und Spaß machen Die Arbeit soll mir Sicherheit bieten vor Arbeitslosigkeit Die Arbeit soll abwechslungsreich sein und vielfältige Aufgaben beinhalten Ich will bei der Arbeit viel Geld verdienen Ich will bei der Arbeit von freundlichen Kollegen umgeben sein Die Arbeit soll mir Aufstiegsmöglichkeiten bieten Ich will bei der Arbeit meine Fähigkeiten gut zur Geltung bringen können Ich will bei der Arbeit stolz darauf sein können, was ich leiste Ich will mich bei der Arbeit persönlich weiterentwickeln können Ich will durch die Arbeit in meinem Privatleben nicht beeinträchtigt werden Die Arbeit soll mir ermöglichen, kreativ zu sein Die Arbeit soll von anderen anerkannt werden Die Arbeit soll nützlich sein Ich will einen verständnisvollen Chef haben Ich will bei der Arbeit selbst bestimmen können, was ich tue Ich will ohne Kontrolle arbeiten können Die Arbeit soll nicht zu anstrengend sein

(13.Shell Jugendstudie, 2000, S.192)

(in %): 53 49 47 43 41 40 31 27 25 25 23 19 18 17 15 12 10

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Literaturverzeichnis

Ich versichere an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig angefertigt und mich fremder Hilfe nicht bedient habe. Alle Stellen die wörtlich oder sinngemäß aus veröffentlichten und nicht veröffentlichten Schriften entnommen sind, habe ich als solche kenntlich gemacht.