Mit Martin Luther unterwegs Tagebuch Mittwoch, 13.07.2016

Heute habe ich mich persönlich in Attendorn bei meinem Reisebegleiter vorgestellt und mich schon mal mit dem Auto vertraut gemacht, mit dem ich in den nächsten Wochen und Monaten immer mal wieder unterwegs sein werde … offenbar bis Ende Oktober 2017 … da soll ein ganz besonderes Jubiläum sein! – Ich habe gehört, dass es Morgen losgehen wird in eine hoffentlich ereignisreiche Zeit – zunächst mal auf meinen eigenen Spuren … ich bin gespannt …

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Donnerstag, 14.07.2016

Die Wartburg in Eisenach … Schön, die Burg wiederzusehen! Hier habe ich ja 1521 inkognito als Junker Jörg gelebt und damals in nur 11 Wochen das Neue Testament ins Deutsche übersetzt. 1522 ist es dann auch veröffentlicht worden. Meine Übersetzung scheint ja bis heute interessant zu sein. Die Deutsche Bibelgesellschaft plant für 2017 sogar eine neue Ausgabe! Es war damals – vor fast 500 Jahren - eine schwere Zeit für mich – ich habe seinerzeit sogar in meinem Arbeitszimmer ein Tintenfass zerdeppert – der Tintenfleck hat den Zahn der Zeit aber leider nicht überlebt. Es gibt nur noch aktuelle Fotos von meiner Studierstube im Internet. Ich weiß gar nicht, ob eine Veröffentlichung urheberrechtlich überhaupt erlaubt wäre. Die Welt ist schon kompliziert geworden! Ich bin aber in diesem Jahr nicht auf der Burg selbst gewesen. Da werde ich nächsten Sommer zur Nationalen Sonderausstellung „Reformation“ nochmal hinfahren und dann auch selbst einen Blick in meine alte Studierstube wagen.

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Ich habe gegenüber im Hotel „Haus Hainstein“

gewohnt. Von dort hat man einen tollen Blick auf die Burg. Und am Abend habe ich auf der Terrasse ein Glas Grauburgunder getrunken vom Weingut der Ev. Kirche in Hessen und Nassau. Auf dem Foto sieht man mich mit der Wartburg im Hintergrund. Aber nun bin ich auf meinen eigenen Spuren angekommen … und da gibt es neben der Wartburg auch noch weitere Stationen.

Freitag, 15.07.2016 Wow, heute war ein spannender Tag für mich. Ich bin immer noch in Eisenach. Ich war heute im „Lutherhaus“ – hier habe ich als Schüler drei Jahre bei der Patrizierfamilie Cotta gewohnt. Ich habe damals die Lateinschule St. Georgen besucht. Das war eine gute Zeit für mich. Wenn ich mich bis heute an diese Zeit erinnere, dann nenne ich Eisenach immer noch „Meine liebe Stadt“ – das kann ich von späteren Aufenthalten nicht unbedingt so sagen. Ich wusste gar nicht, dass es hier heute ein Museum gibt, das nach mir benannt ist - wie auch. Aber die Ausstellung „Luther und die Bibel“ hat mich sehr beeindruckt.

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Dann war ich noch im „Bach-Haus“. Schon

bemerkenswert, dass ein so berühmter Komponist wie Johannes Sebastian Bach sich so sehr meiner Texte angenommen hat … aber einiges hat er auch „geklaut“ von mir … na Schwamm drüber …

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Und dann war ich am sog. „Burschenschaftsdenkmal“ – es soll an die Freiheitsbewegung der akademischen Jugend im 19. Jahrhundert erinnern. Gemeinsam haben wir aber offenbar nur die Wartburg, die auch für die jungen Menschen zu der Zeit eine Rolle gespielt hat.

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Und abends gab es noch eine Eventführung – solche Anglizismen kannte ich zu meiner Zeit noch nicht! Aber ich wurde in der Führung sogar erwähnt, wurde in einem Schaufenster gezeigt, aber habe keine Fotos davon gemacht. Samstag, 16.07.2016 Heute Vormittag sind wir nach Mühlhausen weitergefahren. Ich wollte da eigentlich gar nicht hin, denn Thomas Müntzer war zunächst ein Anhänger von mir, ich habe ihn sogar in eine Pfarrstelle empfohlen. Später waren wir dann im Bauernkrieg auf anderen Seiten und sehr zerstritten. In der Gedenkstätte für den Bauernkrieg ist das dann auch deutlich geworden.

1975 wurde der Stadt zu allem Überfluss vom Ministerrat der DDR auch noch der "Ehrenname" Mühlhausen Thomas-Müntzer-Stadt verliehen.

Wir waren dann aber noch in der Marienkirche, einer Thomas-MüntzerGedenkstätte.

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Immerhin haben die Macher der Ausstellung unser Verhältnis richtig erkannt:

Aber meine Hoffnung auf einen dann ruhigen Nachmittag hat sich nicht erfüllt. Wir sind nach Kloster Volkenroda gefahren; ich konnte damit gar nichts anfangen. Aber mir wurden die Hintergründe erzählt. Im Jahr 2000 gab es die „EXPO“, die Weltausstellung in Hannover. Da gab es eine tolle Kirche, den „Christus-Pavillon“. Und dann wurde die Kirche demontiert und eben in Volkenroda wieder aufgebaut, heute ergänzt er die renovierte Kirche des alten Klosters – eine Wahnsinngeschichte. Ich war total gespannt.

Und dann waren wir da

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und ich stand zunächst vor dem Christus-Pavillon und dann drin vor dem Altar.

Die Kirche hat sowas wie einen „Kreuzgang“. Der Künstler Thomas Felger hat neun Räume mit biblischen und theologischen Themen geschaffen. Besonders beeindruckt hat mich der Raum „Jesus Christus – die Quelle des Lebens“. Aus diesem Wort habe ich zeitlebens gelebt. In diesem Raum gibt es in der Tat auch einen Brunnen – da habe ich sogar nasse Füße bekommen.

Sonntag, 17.07.2016 Wir waren im Gottesdienst in der Klosterkirche. Die hatten da Schützenfest und ein ganz komisches Ständchen wurde im Gottesdienst 8

gesungen. Aber die haben in der Kirche ein ganz besonderes Kreuz mit einem besonderen Kruzifix. Die Gedanken dazu, die für die Besucher der Kirche ausliegen, haben mich sehr beeindruckt.

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Nach dem Gottesdienst sind wir weitergefahren und ich war wieder mal ganz gespannt und aufgeregt – denn in Erfurt und Umgebung fing alles an und dort habe ich auch ganz entscheidende Jahre verlebt. Montag, 18.07.2016 bis Mittwoch, 20.07.2016

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Ich schreibe mal etwas abweichend vom

wirklichen Besuchsverlauf. Im Jahr 1505 war ich am 02. Juli auf dem Weg von meiner Heimatstadt Mansfeld zur Universität in Erfurt. Dabei bin ich in der Nähe von Stotternheim in ein schweres Gewitter geraten und hatte große Angst. Darum habe ich die Heilige Anna angerufen - „Heilige Anna, hilf! Lässt du mich leben, will ich ein Mönch werden.“ – Ich habe das Unwetter überlebt und habe mein Gelübde gehalten. Am 17. Juli 1505 bin ich in das Augustinerkloster in Erfurt eingetreten. In Stotternheim gibt es heute einen Gedenkstein an dieses Erlebnis und auch an den Baum, unter dem ich mein Gelübde abgelegt habe, gibt es eine Erinnerung.

Und es ist mir schon auch ein wenig peinlich, wenn an diesem Ort heute 11

gesagt wird, dass von hier – aus Thüringen – das Licht der Reformation ausgegangen ist.

Und dann stand ich am 17. Juli 1505

wirklich vor der Pforte des Augustinerklosters in Erfurt und habe Einlass erbeten. Hier habe ich gelebt, geglaubt und studiert. Ich durfte nach Rom pilgern und habe viele Glaubenserlebnisse gehabt.

Am 27. Februar des Jahres 1507 wurde ich zum Diakon geweiht, im selben Jahr, Anfang April, hat mich Johannes Bonemilch aus Laasphe – immerhin aus unserem Nachbar-Kirchenkreis, das war mir bisher auch nicht so bewusst - im Erfurter Dom zum Priester geweiht. Darum war 12

mein Besuch im Dom schon ein ganz besonderes Erlebnis für mich!

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Aber ich wurde auch etwas auf die Folter gespannt, denn vor unserem Besuch im Dom waren wir erst noch im Gasthaus „Zur hohen Lilie“, in dem ich mich seinerzeit als Junker Jörg fast um Kopf und Kragen diskutiert habe.

Es gab aber noch ein etwas peinliches Erlebnis auch da im Kloster. Ich bin ein wenig zu viel auf dem Schild rumgeklettert und runtergefallen. Dabei habe ich meine Bibel verloren, sie ist in einen Schacht gefallen, der mit einem Gitter abgedeckt war. Ausgerechnet ich, der Übersetzer der Bibel, verliere die Heilige Schrift.

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Aber in der Tourismusinformation haben wir dann einen fiktiven Zwillingsbruder von mir getroffen. Er wollte zwar nicht mit uns reisen, hat mir aber freundlicherweise seine Bibel überlassen und ich konnte mich wieder als „ganzer Luther“ fühlen. Mittwoch, 20. bis Sonntag, 24.07.2016 Wir sind dann nach Berlin weitergefahren, das ist heute die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland; gab es den Ort zu meiner Zeit überhaupt schon? Wir haben in einem Hotel gewohnt, das nach einem wichtigen Theologen des 20. Jahrhunderts benannt ist, der sich auch auf mich bezogen hat.

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Aber der Besuch in Berlin war auch nicht so ganz einfach für mich, denn ich musste mich meiner Vergangenheit stellen. Ich hatte erwartet, dass aufgrund der Reformation sich die meisten Juden dem Christentum zuwenden würden. Das ist aber nicht geschehen. In meinen alten Tagen habe ich darum Hetzschriften gegen die Juden verfasst. Und es gab dann in Deutschland eine politische Bewegung – den Nationalsozialismus – der sich auf meine Schriften bezogen hat und darum sogar Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland und Europa ermordet hat - millionenfach! Das wollte ich so nicht! Da habe ich viel Schuld auf mich geladen! Es hat sogar Vermischungen zwischen christlichen und nationalsozialistischen Symbolen in Kirchen gegeben – ich habe mich hier intensiv informiert in einer Kirche, die nach mir benannt worden ist – Martin-Luther-Gedächtniskirche – ob das ein Kompliment ist?

Immerhin ist die Kirche inzwischen ein Nagelkreuzzentrum – das versöhnt mich etwas!

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Oha – das war eine spannende Reise auf meinen eigenen Spuren. Ich habe gehört, dass es immer mal wieder auch neue Fahrten mit meinem diesjährigen Begleiter und damit auch neue Stationen geben wird – ich bin und bleibe gespannt! Euer Martin

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