Milch ein wertvolles Kulturgut

Milch – ein wertvolles Kulturgut Gunther Hirschfelder, Regensburg (copyright) AMA (Agrar Markt Austria) Milchsymposium 2017 Fraglos ist Milch ein wer...
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Milch – ein wertvolles Kulturgut Gunther Hirschfelder, Regensburg (copyright) AMA (Agrar Markt Austria) Milchsymposium 2017

Fraglos ist Milch ein wertvolles Kulturgut. Allerdings wird darüber heute erbittert gerungen, und oft steht Milch sogar in der Kritik, wird gelegentlich sogar als Gift bezeichnet. Dies könnte man belächeln; Fakt ist aber, dass eine tiefgreifende Verbraucherverunsicherung (consumer confusion) zu konstatieren ist. Im Postfaktischen Zeitalter verstärken fake news diese Konfusion zudem, insbesondere bei den Generationen der unter 35-Jährigen. Diese neuen Realitäten – kritisches Konsumverhalten einer- und ein Skandalisierungsdruck seitens der Medien andererseits – führen dazu, dass die Milch gewissermaßen ihre Unschuld verloren hat, dass sie zunehmend ein Imageproblem hat und Anstrengungen erforderlich sein werden, dass der Ruf der Milch auch künftig einwandfrei bleibt.

Die Aufgabe der heutigen Gesellschaft ist es, die Zukunft zu gestalten. An dieser Stelle soll zu diesem Zweck zunächst ein Blick auf die Vergangenheit der Milch geworfen werden, ehe es gilt, die Situation der Gegenwart zu beschreiben und zu analysieren.

Vor mehr als zweieinhalb Millionen Jahren hatten sich aus den frühen Primaten die ersten menschlichen Hominiden entwickelt. Die Steinzeit begann. Kulturelle und technische Entwicklungen liefen zunächst aber langsam ab: kaum signifikantes Wachstum, und beinahe wäre die Menschheit ausgestorben. Die Steinzeit endete im Vorderen Orient vor etwa 20.000 bis 12.000 Jahren mit einer allmählichen Ablösung der wildbeuterischen Lebensweise durch Tierhaltung und Ackerbau. Der Wandel zeichnete sich dann nicht zuletzt ab, weil die Menschen begonnen hatten, Milch zu trinken. Schaf, Ziege und dann vor allem das Hausrind als domestizierte Form des eurasischen Auerochsen waren Startschuss für die Neolithische Revolution, also Bevölkerungswachstum, Wirtschaftsaufschwung, Kulturentwicklung und bald auch Hochkulturen! Das Rind war dabei nicht primär zum Menschen gekommen, um Fleisch zu liefern, sondern Milch – Universallebensmittel, ganzjährig verfügbar, Fettund vor allem Eiweißlieferant. Diese Vorgänge spielten sich vor allem in Eurasien ab. Im Südural lebten vor etwa 7.000 Jahren die ersten Menschen, die auch im Erwach1

senenalter gut Milch vertragen konnten. Eine zufällige Genmutation sorgte dafür, dass die Träger des veränderten Gens Milch und ihre Produkte problemlos verdauen konnten. Unsere Vorfahren wurden sesshaft und begannen, Rinder und Ziegen zu melken. Ein Selektionsvorteil vor allem im nördlichen Europa, wo der frostige Winter keine ausreichende pflanzliche Ernährung zuließ. Auch heute noch vertragen die Menschen vor allem in jenen Regionen Milch, in denen damals die Viehzucht begann, in Skandinavien etwa sind es rund 80 Prozent. In Teilen Asiens und in Afrika hingegen ist es nur ein Prozent der Bevölkerung. Die Kultur der Milchvielhaltung war erfolgreich, und sie breitete sich aus. Als sich die vorderasiatischen Gesellschaften über die Milch stabilisiert und entwickelt hatten, war die Grundlage für den Ackerbau Geschaffen. Warum überhaupt Ackerbau und Sesshaftwerdung? Auf diese Weise kann man mehr Menschen ernähren, in die Fläche gehen, Herrschaftsstrukturen entwickeln. Aber da muss man dafür auch, wie es im Alten Testament heißt, sein Brot im Schweiße seines Angesichts verdienen. Da lebt es sich in Viehhaltergesellschafen durchaus angenehmer! Wenn man einen Blick auf die frühen Hochkulturen seit dem dritten vorchristlichen Jahrtausend wirft, dann sticht eine klar heraus: Das alte Ägypten. 3.000 Jahre lang die wirtschaftlich, politisch und militärisch beherrschende Kraft der damals bekannten Welt. Warum? Mit einem Augenzwinkern könnte man sagen: Wegen der Milch. Wie kann man das beweisen? Die Kuh war das am intensivsten verehrte Tier, die größten Göttinnen – Hathor, Nu und Isis – wurden als Kuh dargestellt. Und sogar den Himmel stellte man sich als Kuh vor – die Himmelskuh als kosmische Urmutter. Die Kuh war nicht nur die große Mutter der Lebenden, sondern auch der Toten. Der Tote hoffte, aus ihrem Leib neu geboren zu werden und versprach sich ihren Schutz. Auch im ägyptischen Jenseits waren die Kühe dem Toten freundlich gesonnen. Sie spendeten ihm Nahrung, genauso wie im irdischen Leben. Auch halfen sie dem Toten beim Aufstieg in den Himmel. Wirft man nun einen Blick ins europäische Mittelalter, so zeigt sich eine Region, in der wenige Menschen lebten, es aber Land im Überfluss gab. Dennoch herrschte dauerhafter Mangel; immer satt wurde nur der Adel. Hier zeigt sich der Wert der Milch: zwar aßen die Ritter eher Fleisch, aber die teuersten Desserts waren aus Milch, zum Beispiel die canditio latte. Bis zum Beginn des Industriezeitalters entfaltet der österreichische Raum seine unglaubliche Milchkultur in ihrer ganzen Breite. Aus einer kargen Agrarlandschaft wurde 2

ein Land, in dem sprichwörtlich Milch und Honig flossen. Hier spielten Kuh und Milch eine zentrale Rolle. Die Milch wurde als stets positiv besetztes Kulturgut fest im kulturellen Gedächtnis verankert. Gerade der Alpenraum profitierte. Hier wurde qualitativ hochwertige Milch produziert, die man dann verdichten und veredeln konnte. Butter packen wir ja heute noch wie Goldbarren ein. Butter konzentriert das Lebenselixier schlechthin, das Fett. Und Käse hat den Vorteil, dass er haltbar und transportierbar ist. Das ist ein gewichtiger Faktor: der Kolonialhandel etwa konnte sich vor allem deshalb entwickeln, weil Käse der ideale Proviant war, und es war auch der Käse, der die Energie der Milch in die wachsenden Städte bringen konnte. Für die Masse der bäuerlichen Bevölkerung war Milch Grundnahrungsmittel; Vieh wurde verkauft, und auf den Tisch kamen Milchprodukte! Deren symbolische Bedeutung zeigt die Tatsache, dass man in der Reformationszeit auch Milch- und Butterbriefe kaufen konnte. Was das ist? Wir sind ja in der Zeit, als man die Sünden quantifizierte. Je weniger Sünden, desto größer die Wahrscheinlichkeit, in den Himmel zu kommen. Und von Sünden konnte man sich durch Ablassbriefe freikaufen. Und wenn man solche Butterbriefe kaufte, konnte man in der Fastenzeit Butter essen, ohne später in die Hölle zu müssen. Und genau solche Faktoren trugen dazu bei, dass Milch und Butter als so wertvoll galten! Das lag zum einen an den stofflichen Eigenschaften – der hohen Energiedichte. Im 18. Jahrhundert brachte es Johann Friedrich Zedler in seinem Universal-Lexicon auf den PunktZitat: „Der beste, dicke und fetteste Theil der Milch wird Rahm oder die Sahne genennet.“ Schließlich hatte und hat die Milch noch eine weitere Bedeutungsebene: Milch ist stets auch Muttermilch – für Säuglinge, Kälber oder Lämmer. In diesem Zusammenhang ist sie Symbol für Nahrung schlechthin, zudem für Fruchtbarkeit. Die sagenhaften Gründer Roms, Romulus und Remus, überlebten, weil sie von einer Wölfin gesäugt wurden – natürlich mit Wolfsmilch –, und in der Zeit der Hexenverfolgung um 1700 wurden immer wieder Frauen als Hexen angeklagt, weil sie angeblich die Milch der Nachbarkuh oder sogar der Nachbarsfrau verdorben hatten. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass die Milch als eines der ganz wichtigen Mittel in der Volksmedizin galt. Das Mittelalter und die Frühneuzeit waren die Zeit, in der die Milch ihre symbolische Aufladung erfuhr, in der ihr positiver Wert in unser kulturelles Gedächtnis graviert wurde. Milch war damals ein rares Gut, Kühe gaben kaum 1.000 Liter im Jahr, Schaf

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und Ziege waren für ärmere Schichten wichtige Ergänzungen. Milch wurde als etwas Besonderes wahrgenommen, ein Geschenk Gottes. Diese Wahrnehmung der Milch änderte sich im 19. Jahrhundert fundamental. Die Durchsetzung von Wissenschaft und Industrialisierung der Landwirtschaft kann man mit dem Jahr 1818 beginnen lassen, als im rheinischen Bonn die erste universitäre Landwirtschaftshochschule gegründet wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt basierte die Zucht auf Erfahrungswissen oder Zufall. Seit den 1860er Jahren gründen sich auch über Österreich und Deutschland hinaus Zuchtverbände zur Verbesserung von Leistung und Ertrag der Milchkühe. Kuh und Milch – das waren immer Elemente eines engen Mensch-TierVerhältnisses; was Gott und die Natur geschenkt hatten, haben wir dankbar und ehrfürchtig angenommen. Seit dem Industriezeitalter aber hat der Mensch in die Natur eingegriffen. Die Kuh wurde technischer und vielerorts zum Symbol für technischen Fortschritt und Machbarkeit, die Milch zum technischen Mittel für Leistungssteigerung. Das ist das Credo der 1960er und der 1970er Jahre – Milch wurde synthetisch. Österreich stellt in gewisser Weise eine Ausnahme dar, der Weidegang ist länger geblieben, und die Holsteiner haben sich bis heute nicht völlig durchgesetzt. Die friedliche Koexistenz zwischen technischer Kuh und fortschrittsbegeisterten Kunden dauerte bis in die 1980er Jahre hinein, als Hormone für die Kälbermast Thema wurden. Schon vorher hatte sich Skepsis breit gemacht, aber die blieb in ihrer grünen Ecke. Globalisierung, Digitalisierung und technische Landwirtschaft haben seitdem Angst vor dem Fortschritt gemacht und Sehnsucht nach einer heilen Welt, die es nie gegeben hat. Dass Kühe so viel gute Milch geben war jetzt kein Grund zur Freude mehr. Sondern: Empörung und Aggression. Die landläufige Meinung: Bauern sind Tierquäler, alles wird vergiftet. Und dazu kommt dann noch die permanente Skandalisierung durch die Presse.

Der Befund 2017: Milch ist allgegenwärtig, aber sie ist Vielen auch suspekt. Was sollten die Milchproduzenten also tun? Natürlich aufklären und richtigstellen. Aber vor allem den Ist-Zustand beobachten. Welchen Befund haben wir? Weiterhin ist Milch wertvolles Kulturgut! Für die meisten hat Milch ein positives Image. Entsprechend hoch ist der Umsatz – noch: Ein Viertel der Nahrung nehmen wir in Form von Milchprodukten zu uns, jedoch anders! Früher ist man mit Milch aufgewachsen und hat zeitlebens handelsübliche Vollmilch getrunken. Heute ist die Nachfrage nach Stan4

dardprodukten elastisch. Warum? In der Postmoderne haben Lebensstilgesellschaften die alten Schicht- und Klassengesellschaften abgelöst. Lebensstile prägen unsere Identität. Und wir drücken diese Lebensstile als Ernährungsstile aus. Die Kommunikation über die Ernährung, das ist dann die Visitenkarte. Auf der steht vermerkt: „Gourmet“, „Vegetarier“ oder „Paläo-Diät“. Daher unterliegt das Essen heute der Mode. Das zeigt sich etwa beim Produkt Skyr, einem der erfolgreichsten Milchprodukte der letzten Jahre. Das ist kein Zufall. Hier haben wir es mit klassischem Storytelling zu tun, denn in der Werbung wird eine Erfolgsgeschichte erzählt, die im hohen Norden spielt. Seitdem sich nämlich viele Konsumenten von Migration und Terror bedroht fühlen, schätzen sie sichere und reine Orte. Kein Beispiel taugt dafür besser als

Island!

Zudem

hat

der

fulminante

Auftritt

Islands

bei

der

Fußball-

Europameisterschaft im Sommer 2016 diesen Trend deutlich verstärkt. Das Produkt Skyr ist an sich unspektakulär, nahe bei joghurt greek style. Nur die Geschichte macht es hier. Milch ist in diesem Kontext ein durch die Geschichte zusätzlich aufgeladenes Kulturgut.

Viele neue Trends, die sich heute feststellen lassen, sind primär ja Resultat der vorherrschenden Konfusion. Die führt zu einem permanenten Verlangen nach Neuem, aber gleichzeitig auch Sehnsucht nach Altem und Bewährtem: Das spiegelt sich im Veganismus besonders stark! In Österreich ernähren sich knapp 100.000 (1,23% der Bevölkerung) Menschen vegan, in Deutschland sind es 1,3 Millionen (1.6 %). Nicht viel, aber die Zahlen steigen seit einigen Jahren kontinuierlich und die Veganer gehören oft zu den Future Shapers, Multiplikatoren und Treibern neuer Ernährungskonzepte. Zudem begegnen noch andere Trends: out of home und health; beide werden die Nachfragestruktur stark verändern. Auf to-go ist der Milchmarkt bereits eingestellt, aber was kommt bei health noch? Diese ganzen neuen Entwicklungen verlangen nach Ersatzprodukten: Soja-, Mandelmilch oder Hafermilch sind schon im Trend und lassen sich außerdem gut in weitere Health-Trends wie smoothie einbauen. Daher generieren Dinge wie die Golden Milk im Netz auch immer einen Hype. Dabei handelt es sich meist um Ersatzmilch aus Mandel oder Soja, in die Kurkumapulver eingerührt wird. Eine Nähe zur indischen Küche ist schnell konstruiert, was zusätzlich wertig wirkt. Diese Ersatzprodukte sind schließlich auch erfolgreich, weil sie sich in einen weiteren Trend einfügen: 5

der vermehrte Griff zu non-food: laktose-, gluten- oder zuckerfrei; Ausdruck projezierter Angst. Diese ganzen Trends sind meistens nur von kurzer Dauer. Deshalb sehen wir auch, dass der Verbraucher sich wieder Produkten zuwendet, die Vertrautheit und Stabilität vermitteln – Tradition ist gefragt, und dafür ist die Milch bestens aufgestellt. Und so funktionieren diese Produkte. Die Werbestory muss also nicht immer neu sein, sondern sie kann auch auf vermeintlich „Altbewährtes“ verweisen. Beim Old AmsterdamKäse haben Sie das Adjektiv „alt“ mit der Silhouette der alten Stadt, bei der Almette den hölzerner Milchkübel oder die Milchkanne als grafisches Element auf der Butterpackung. Das suggeriert traditionelle Herstellungsverfahren; die vermeintliche Tradition, die in Wirklichkeit ahistorisch ist, legitimiert das Produkt. Mittlerweile ist die Kuh durch Züchtung mit ihrer der Steinzeitschwester nur noch entfernt verwandt. Sie wäre in der Natur nicht überlebensfähig, es geht ihr im Stall gut, sie wird viel älter als draußen, sie ist Partner des Menschen. Das sollte man auch kommunizieren. Tierwohl ist heute ethisch geboten, vor allem aber verlangt der Konsument das; Tendenz: steigend. Außer bei Wirtschaftskrise. Die Agrar Markt Austria hat die neuen Verbraucherwünsche längst erkannt, und dem aktuellen Marktbericht ist zu entnehmen, dass Österreich seit Beginn des Jahres auf den Einsatz von Soja auf Übersee verzichtet, um den Regenwald zu schützen. Wir brauchen natürlich auch andere Botschaften. „Die Milch macht’s“ verfängt nicht mehr. Dann schon eher „Milch. Paläo-Superfood. Seit 15.000 Jahren.“ Natürlich mit Augenzwinkern, aber das ist die Sprache der Millenials. Dann: Kindernahrung. Milch war immer wichtig für Kinder. Und laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung ist sie das auch heute noch. Kinderernährung ist ohne Milch nicht denkbar. Der nächste Faktor. Die österreichische Milch ist sicher! Seit dem Melamin-Skandal haben die Chinesen kein Vertrauen mehr in ihre Milch! Es gab starke Nachfrage nach europäischem Milchpulver, Hamsterkäufe, und Studenten, die massenhaft Pulver nach Hause nach China schickten. Aber bei uns steht allein das Wort Milch für ein gesundes Lebensmittel, das sehen wir an diesen Beispielen: Corny Milch, Haribo Milchbären, Trolli Milch Kuh. Hier wird der positive Nimbus der Milch bewusst eingesetzt, um Produkte aufzuwerten! Es ist eben wichtig, das Potenzial von Milchprodukten zu erkennen. Das Produkt Milch ist schon optimal; nur die Kommunikation noch nicht ganz. 6

Das zeigt das Beispiel Frozen Yogurt; das ist ja quasi ein Softeis auf der Basis von Joghurt, nicht von Sahne. Bei diesem Konzept wird der Frozen Yogurt mit unterschiedlichen Toppings komplementiert. Hier zeigt sich, wie urbane Millenials Produkte wahrnehmen. Frozen Yogurt ist gesünder als herkömmliche Eiscreme, aber die hochkalorischen Toppings eben nicht. Dafür haben wir aber hippe Locations als Point of sale, und das funktioniert. Das Beispiel zeigt: es handelt sich um ein Milchprodukt, das frei von Skandalisierung ist, das nicht hinterfragt wird, weil die Produktsprache und das Produktversprechen stimmen. Auf Twitter, Facebook, Instagram und YouTube ist die AMA bereits schon aktiv. Hier werden professionelle ästhetische Bilder und Videos gepostet und Verbraucher aufgeklärt. Beispielsweise ein informierender Imagefilm zum AMA-Gütesiegel von 2015, bei dem sich unterschiedlichste Akteure und ihre Aufgaben in einer einwandfreien Produktionskette vorstellen, oder die ambitioniert geführte und gepflegte TwitterSeite der AMA mit ca. 2.300 Tweets und fast genau so vielen Followern. Genau das wollen die jüngeren Verbraucher: Eine Stärkung der Produkte und der Erzeuger. Der Markt ist derzeit in Bewegung, und immer wieder drängen neue Produkte auf den Markt, etwa Nakazawa-Milch für Erwachsene mit einem hohen MelatoninGehalt; denn Milch von Kühen, die bei Sonnenaufgang gemolken werden, enthält mehr vom in der Nach produzierten Hormon Melatonin, das Stress abbauen und beim Einschlafen helfen soll. Zeitgemäß ist auch das bewährte Yakult: eine kleine Dosis als Milch-Shot, medizinisch, Health-Food, angereichert mit Lactobacillus casei Shirota, benannt nach seinem japanischen Entdecker. Das soll sich positiv auf die Darmflora auswirken – obwohl zusätzliche lebende grampositiven Bakterien keine nennenswerte Wirkung auf den Körper haben. Aber Placebo wirkt eben. Ein anders Beispiel: Milch als Future-food. Der A2-Milch-Trend aus Neuseeland hat sich bis jetzt zwar kaum durchgesetzt, aber wir sehen, dass der konventionelle Milchmarkt immer stärker torpediert wird. A2- Milch beinhaltet ja das Milcheiweiß A2Beta-Kasein, und dadurch haben wir eine bessere Verträglichkeit bei sonst laktoseintoleranten Konsumenten. So nennt sich A2 auch „Urmilch“, weil die alten Zuchtformen ausschließlich A2 Milch gaben, aber Behauptung der Vermarkter sind nicht wissenschaftlich belegt.

Was bleibt als Fazit? Milch bleibt ein extrem wertvolles Kulturgut mit langer Tradition. Zivilisationsgeschichte ist ohne Milch nicht denkbar. Mich ist bereits vorhanden, man 7

muss gar nichts mehr erfinden. Aber wir müssen sehen, welche Zuschreibungen, Semantiken und kulturellen Wertigkeiten der Vergangenheit sich in die Zukunft überführen lassen. Alle Akteure der Lebensmittelwissenschaften, -wirtschaft und -politik müssen die Kommunikation der digitalisierter Welt verstehen und aktiv Mitgestalten!

Kontakt: Prof. Dr. Gunther Hirschfelder Universität Regensburg Institut für Information und Medien, Sprache und Kultur Vergleichende Kulturwissenschaft 93053 Regensburg [email protected]

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Consumer Confusion: Vertrauensmangel wird als Qualitätsmangel wahrgenommen!

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„Neolithische Revolution“ Menschen werden sesshaft und betreiben Ackerbau und Viehzucht: Vor ca. 10.000 Jahren entsteht das Hausrind als domestizierte Form des eurasischen Auerochsen.

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Der „Fruchtbare Halbmond“ Hier entstehen frühe Hochkulturen am Nil und im Zweistromland vor ca. 5000 Jahren. Sämtliche heutigen Hausrinder stammen von ca. 80 „Mutterkühen“ aus dieser Region ab.

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Rinderhaltung im Alten Ägypten

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Nördliches Esssystem: fleisch- und milchhaltig

Südliches Esssystem: vorwiegend vegetarisch.

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Wölfin säugt Romulus und Remus

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Das Industriezeitalter Allmählich werden alle satt.

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Golden Milk

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Anspruch auf Tradition Verweise auf Altbewährtes beim Packaging: - Adjektiv Old mit Stadt-/Hafensilhouette bei holländischem Käse - Angedeuteter hölzerner Milchkübel als Verpackung für Frischkäse - Milchkanne als grafisches Element auf Butterpackung  Suggeriert traditionelles Herstellungsverfahren   Tradition legitimiert!

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Phänotyp moderner (Haus)rind-Rassen

Phänotyp Auerochse, Holzschnitt 1556

Milch. Super-Food seit der Steinzeit

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Frozen Yogurt Spots in Wien

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Milch als Functional-Food Beispiel 1: Milch mit erhöhtem Anteil an Melatonin für stressgeplagte japanische Großstädter.

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Milch als Functional-Food Beispiel 2: Milchshot angereichert mit Lactobacillus casei.

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Milch als Functional-Food Beispiel 3: A2-Milch oder „Urmilch“ soll besser verträglich sein für Menschen mit Laktoseintoleranz.

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