Meine zwei Wochen auf der Williams Family Ranch

Meine zwei Wochen auf der Williams Family Ranch Samstag 16. Februar Was für ein Unterschied. Aus der eiskalten Großstadt Seattle, wo ich zwei Wochen l...
Author: Edmund Brandt
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Meine zwei Wochen auf der Williams Family Ranch Samstag 16. Februar Was für ein Unterschied. Aus der eiskalten Großstadt Seattle, wo ich zwei Wochen lang Freunde besucht hatte, brach ich auf ins über 20 Grad warme Phoenix. Unser Flieger aus Seattle hatte schon beim Start Verspätung und so verpasste ich in San Francisco, wo ich umsteigen musste, glatt meinen Anschlussflug nach Phoenix. Nach einem kleinen Anflug von Panik, weil mir so was noch nie passiert war, wurde ich dann auf den nächsten Flug, der zwei Stunden später starten sollte, umgebucht. Also rief ich auf der Ranch an, und hinterließ eine Nachricht auf dem Computertelefon, dass ich zwei Stunden später kommen würde. Auch der Shuttle musste umbestellt werden. Am frühen Nachmittag landete ich dann endlich in Phoenix und wurde von der Shuttle-Frau Becky abgeholt. Auf der eineinhalbstündigen Fahrt nach Wickenburg schimpfte sie abwechselnd über die hohen Benzinpreise, über andere Autofahrer, darüber dass ich noch nicht den erhöhten Fahrpreis bezahlen musste, weil ich früh genug gebucht hatte, und darüber wie schwer es ein Shuttlefahrer heutzutage hat. Nach einer Weile gewöhnte ich mir an, im 20 Sekundentakt zu nicken, „Really?“ „I see“ und „I know, horrible!“ zu sagen, und dabei die Landschaft zu genießen. Da wo ich herkomme, gibt’s keine Palmen, also ergötze ich mich an der kargen, aber sehr anderen Landschaft. Bald waren wir in Wickenburg, einer Kleinstadt mit Westernflair angekommen, und die Frau setzte mich am „Double-D Store“, einem Westernreitladen, ab. Ich hatte dort noch eine dreiviertelstunde Zeit, bis ich abgeholt werden sollte, gesetzt dem Fall, dass auf der Ranch jemand meine Anrufbeantworternachricht gehört hat. Ich nutzte die Zeit also, um mich im Laden umzugucken, und fand noch einen Cowboyhut. Pünktlich zur vereinbarten Zeit fuhr dann ein blauer Pick-up vor, und eine blonde, junge Frau, etwa in meinem Alter, stieg aus. Ich versuchte schnell zu überlegen, wer das sein konnte, und ob ich sie auf der Internetseite schon mal gesehen habe, als sie schon auf mich zukommt und mich auf Deutsch begrüßt. Sie stellt sich als Maren vor, und wir fahren los. Auf der Fahrt zum Supermarkt erzählt sie mir, dass sie für drei Monate auf der Ranch ist, und auch schon vorher einige Male für längere Zeit dort war. Im Supermarkt kriege ich dann mal wieder Amerikas großes Alkohol-Problem zu spüren. Maren kauft ein paar Smirnoffs, und wir BEIDE müssen an der Kasse deswegen unsere Ausweise vorzeigen. Anscheinend muss man neuerdings auch fürs „Alkohol angucken“ mindestens 21 Jahre alt sein (Was ich ja zum Glück grade bin!). Dann geht’s Richtung Ranch. Noch schnell ein Eis gekauft beim Drive-in, und schon geht’s auf die ungepflasterte Buckelpiste. Bevor wir in die heikle Zone kommen, in der es keinen Handy-

Empfang mehr gibt, hört Maren noch schnell das Ranchtelefon ab. Dann geht’s los. Unterwegs treffen wir auf eine Herde Kälber, die plötzlich völlig angstlos vor unserem Pick up auf der Straße stehen. Ich kam kaum dazu, die tolle Landschaft zu genießen, da wird mir schon speiübel von der Berg- und Talfahrt, Berg rauf, Berg runter, Linkskurve, Rechtskurve. Unterwegs müssen wie einmal anhalten, damit ich ein paar Minuten frische Luft schnappen kann, so durchgeschüttelt fühlte ich mich. Ich kaue Superpep-Magenbetäubungs-Kaugummis und hoffe, dass wir bald da sind. Als wir im halbdunkeln auf der Ranch ankommen, bin ich leicht grünlich im Gesicht und schwöre ich mir: Diese Piste fährst du nur noch einmal in diesem Urlaub: In zwei Wochen auf dem Weg zurück zum Flughafen. Maren fährt den Pick up vor die Tür des Bunkhauses, wir laden meinen Koffer aus, und sie zeigt mir mein Zimmer. Es ist ein gemütliches, uriges Zimmer mit einem kleinen Holzofen. Außer meinem Zimmer hat das Bunkhaus noch zwei Doppelzimmer, die aber nicht belegt sind, da ich in dieser Woche der einzige Gast bin. Außerdem hat es noch ein Wohnzimmer, das genauso gemütlich, aber willkürlich eingerichtet ist, und zwei Bäder. Da es Abendessen gab, gingen wir hinüber zum Ranchhaus, und trafen auf dem Weg dorthin Deane (14) und Doc (19), die Enkel der Rancher. Im Wohnzimmer des Ranchhauses wurde ich dann Carrol und Roy, den Ranchern, vorgestellt. Auch mich begrüßte Roy mit „Hi, I’m Grandpa.“ Deane’s Vater, Doby, war auch da. Vor dem Essen wurde sich an den Händen gehalten und laut gebetet, was ich anfangs etwas befremdlich fand, da ich es von Zuhause nicht gewohnt war. Das Abendessen war deftig, mit viel Fleisch, und super lecker. Nach dem Essen gingen Maren, Deane, Doc und ich nach draußen und machten ein Lagerfeuer. Deane und Doc erzählten ein paar Ranchstories und allerlei Dinge, die sie als Enkel auf der Ranch gemacht oder erlebt haben. Ständig fielen Namen von anderen Enkeln, Neffen, Verwandten und Bekannten, die ich mir nicht merken konnte. Ich ging an dem Abend früh ins Bett, und machte meinen kleinen Ofen an, der nachts extrem warm wird. Sonntag, 17. Februar Um halb 8 sollte es Frühstück geben, also stand ich um 7 Uhr auf und duschte. Die sieben Hunde holten mich vor meiner Tür ab und begleiteten mich kläffend zum Haupthaus. Das Frühstück war ganz anders als ich es aus Deutschland gewohnt bin. Es gab Pfannkuchen, Schinken, Rührei, Speck, Spiegeleier, und Bratensoße. Da ich kein Fleisch zum Frühstück runterkriegen würde, blieb ich bei Pfannkuchen und Spiegeleiern und sah zu, wie sich die Männer tellerweise Würstchen, Leber und gekochten Schinken reinschaufelten. Während des Essens verkündete Grandpa dann, was heute anstehen würde. Maren und Deane sollten mit mir einen Orientierungsritt machen, damit ich einen ersten Eindruck von den Pferden, der Landschaft und dem Westernreiten kriegen kann.

Da ich für eine Frau recht groß bin, beschloss Roy, mich Blueberry reiten zu lassen. Deane ritt ihr Pferd Cocopuff. Der Orientierungsritt war toll, das Wetter strahlend, und Deane und Maren erzählten mir abwechselnd die historischen Geschichten zu den einzelnen Orten, an denen wir vorbeikamen. Wir sahen eine alte Mine, an der Gold abgebaut wurde, ein kleines zerfallenes Haus, das angeblich mal 2-stöckig war, und auch sonst war beim Orientierungsritt von allem etwas dabei - ein bisschen Berge und ein bisschen Fluss, bergauf und bergab. Zum Mittagessen waren wir dann zurück auf der Ranch, und nach dem leckeren Lunch verabschiedeten sich Deane, ihr Vater Doby und Doc wieder und brachen auf. Am Nachmittag erkundete ich die Ranch zu Fuß, und war beeindruckt von all dem Krempel, den die Hippies damals dort gelassen haben - Busse und eine Menge Schrott. Am Abend sahen Maren und ich uns ein Video im Bunkhaus an, und ich ging früh ins Bett. Montag, 18. Februar Als ich heute morgen zum Frühstück kam, wurde mir Chris, ein weiterer Enkel vorgestellt, der hier im Moment dauerhaft wohnt, aber das Wochenende bei seinen Eltern in der Stadt war. Er wohnt in einem Wohnwagen und hilft seinem Großvater bei der täglichen Rancharbeit. Beim Frühstück, das wieder superlecker war, verkündete Roy dann, dass wir heute nach ein paar Rindern suchen werden, sie mit nach Hause treiben wollen und dann ein paar neue Kälber brandmarken und kastrieren werden. Chris, Roy und Maren nahmen je ein Walkie-Talkie mit (die hier seltsamerweise „Radio“ genannt werden), um sich beim Reiten verständigen zu können, wenn sie weiter entfernt sind. Ich ritt wieder Blueberry, sie hat mir am Vortag sehr gut gefallen, weil sie schnell und willig voran geht, ohne dass man sie treiben müsste. Sie war durch den Orientierungsritt nicht zu erschöpft, um in die Berge zu gehen. Zunächst sah es so aus, als würden wir die Strecke, die wir beim Orientierungsritt genommen hatten, rückwärts reiten, aber dann ging es statt am Fluss entlang in die Berge. Die Wege waren steinig und voller Gestrüpp, und als Roy dann ein paar Kühe, über den Hang verstreut, sah, meinte er: „Chris, du bleibst hier, und wartest auf die Kühe, bis ich dir Bescheid gebe, Maren und Nike, ihr kommt mit mir mit den Hang rauf, die Kühe holen! Glaubst du, du schaffst das, Nike?“ Woher soll ich das wissen, wenn ich nicht weiß, was mich erwartet? Ich nicke also und sage tapfer „Ich vertraue Blueberry, die macht das schon!“. Als wir fast bei den Kühen angekommen waren, haben die keine Lust, getrieben zu werden, und hauen ab, indem sie den Berg immer höher klettern. Roy erklärt mir und Maren, wir sollten bleiben, wo wir sind, er würde hinterher klettern und sie wieder runter treiben. Durch das steinige und steile Gelände hat man keine Chance, den Tieren hinterher zu traben oder sogar zu galoppieren, wahrscheinlich würden sich die Pferde dabei die Beine brechen. Während Roy also den Berg hoch reitet, höre ich ihn ins Walkie-Talkie fluchen, auch wenn ich nicht genau verstehe, was er sagt, da Maren das Gerät hat, und der Empfang nicht der Beste ist. Nach ein paar Minuten kommt Roy dann, die Kühe vor sich hertreibend, wieder hinter der Bergkuppe hervor, und auf dem Weg nach Hause sammeln wir sogar noch ein paar Rinder ein, die das persönliche Pech hatten, zur falschen Zeit am falschen Busch zu stehen.

Insgesamt haben wir jetzt 22 Rinder. Roy sagt Chris und Maren ständig, was sie zu tun haben, und ich reite Maren hinterher und versuche, die Kühe nicht zu erschrecken oder versehentlich in die falsche Richtung zu treiben. Maren erklärt mir ein paar Mal, dass ich nicht zu dicht neben den Kühen reiten soll, weil ich sie sonst ausbremse oder zur anderen Seite treibe. Ich versuche also immer weit hinter den Tieren zu bleiben, was nicht immer einfach ist, da Blueberry gerne nach Hause möchte. Ein paar Mal starteten ein paar Rinder einen Ausbruchsversuch, den entweder Chris, Maren oder Roy schnell im Griff hatten. Als wir mit den Rindern am Korral ankamen, zählte ich sechs blutige Kratzer an den Armen, vom Dornengestrüpp. Nach dem Mittagessen geht’s dann ans Brandmarken, ich stehe mit dem angewiderten Gesicht eines durchschnittlichen „City Slickers“ dicht hinter den Männern, als sie die Eisen ins Feuer halten um sie zu erhitzen. Als sie dann das Eisen ins Fell des Kalbs bohren riecht es nach verbrannter Haut, das Kalb muht erbärmlich und dann ist es schon vorbei. Als dann noch die Hälfte der Ohren rausgeschnitten, und das Kalb kastriert wird, bin ich bin hin und hergerissen. Eine Seite von mir ist geschockt, weil so etwas ohne Betäubung bestialisch wirkt. Die andere Seite weiß, das Ranchleben kein Urlaub auf dem Ponyhof ist, und das es nun mal so gemacht wird. Fünf Minuten unglaublichen Schmerzes müssen die Kälber ertragen, dafür leben sie danach im Paradies- in einer echten Herde und immer bei Mama, freilaufend über Hunderte von Hektar in den Bergen. Maren, Chris und ich satteln dann noch mal die Pferde, und bringen die Kühe ein Stück von der Ranch weg, zurück hinter den Zaun der irgendwo auf der anderen Seite des Flusses verläuft. Später am Nachmittag zeigt Chris uns noch im Korral, wie er Kälber mit dem Lasso einfängt. Nach dem Füttern der Pferde gehen wir dann schnell ins Ranchhaus, auf Channel 3 sollte nämlich eine dreiminütige Sendung über die Ranch gezeigt werden, die vor ein paar Wochen hier aufgenommen worden war. Den ganzen Tag über hatte erst Carol, und später alle fünf anwesenden Menschen auf der Ranch abwechselnd versucht, den Videorekorder in Gang zu kriegen, damit die Sendung aufgenommen werden konnte. Um 6 Uhr war es dann so-

weit, es wurden Sammy, ein Neffe, und Chris beim Lassowerfen gezeigt, ein Interview mit Roy und Carol, und sogar Maren kam einige Male zu Wort. Eine super Werbung für die Ranch. Am Abend sahen wir noch einen Film im Bunkhaus, „Grandma’s Boy“, dann ging’s ins Bett. Dienstag, 19. Februar Heute beim Frühstück kündigte Roy an, dass wir einen langen Ritt machen werden, mit Packpferden, um einen Zaun zu reparieren. Nach einem guten Frühstück gehe ich mit Chris den Hang zum Korral runter, um ihm beim Pferdefüttern zuzusehen. Wir sind den Hang noch nichtmal halb runter, da sagt Chris schon: „Hey, da ist ein neues Fohlen! Komisch, das war noch gar nicht fällig!“ Aufgeregt folge ich ihm zur Koppel, die neben dem Korral liegt, und in die die Pferde nachts eingesperrt werden.

Ein kleines, staksiges Fohlen, aber schon trocken und auf den Beinen, steht neben einer braunen Stute. Es ist nicht mal scheu, Chris kann es sofort anfassen. Dann gehen wir zum Korral rüber, um die anderen Pferde zu versorgen. Als wir den Korral fast erreicht haben, hören wir ein Pferd galoppieren, drehen uns um und sehen, wie Daisy, eine Paint-Stute, geradewegs auf den Zaun zu rennt, als ob sie ihn nicht sehen würde. Sie setzt zum Sprung an, und ihre Vorderhufe schaffen es über den Zaun, aber sie bleibt mit einem lauten Wiehern mit den Hinterhufen stecken. In Panik strampelt sie herum, und reißt sich den Stacheldrahtzaun immer tiefer ins Fleisch. Mit wenigen Schritten sind wir am Zaun, und Chris versucht, sie zu beruhigen. Sie hört auf zu strampeln, aber der Zaun ist so um ihre Hinterbeine verheddert, das Chris sie nicht ohne Zange befreien kann. Also renne ich den Hang hoch zum Ranchhaus, und brauche fast ein Sauerstoffzelt, als ich Roy vor dem Haus treffe, und mit Atempausen keuche „Paint-Stute…..verletzt…. im Zaun!“ Roy schnappt sich eine Zange und eilt Chris zur Hilfe. Während sie die Stute, die einige Schnittwunden an den Beinen hat, aus dem Zaun schneiden, versucht Maren, das neue Fohlen mit der Mutter von der Herde zu trennen und erstmal in den Korral zu bringen. Das seltsame: Als sie die Mutterstute von der Koppel führt, bleibt das Fohlen beim Rest der Herde stehen. Als wir versuchen, das Fohlen von der Herde zu trennen und Richtung Gat-

ter zu schieben, dreht eine der anderen braunen Stuten, ich glaube es war Cocopuff, völlig durch und verteidigt das Fohlen. Ich frage Maren verwirrt, ob sie sich sicher ist, dass sie die echte Mutterstute am Strick hat, aber sie beteuert, dass sie sich sicher ist, und dass die Stute, die sich so aufregt, gar nicht tragend war. Nach einigen Versuchen gelingt es ihr dann, die echte Mutter mit dem Fohlen in den Korral zu bringen, während die „falsche“ Mutter auf der Koppel tobt, als hätte man ihr IHR Fohlen weggenommen. Im Korral versorgen Roy und Chris dann Daisy, die verletzte Paint Stute. Die Schnittwunden sind nicht zu tief, also cremen sie die Wunden mit einer Salbe ein, und lassen sie dann im Korral laufen. Roy gibt eine Planänderung bekannt, wegen des völlig kaputtem Zauns, aus dem Daisy raus geschnitten werden musste, reiten wir jetzt nicht in die Berge, sondern er und Chris werden den Tag damit verbringen den Zaun zu reparieren, und Maren und ich sollten später alleine ausreiten. Roy und Maren gingen erstmal wieder nach oben zum Ranchhaus, und ich sah Chris beim Pferdefüttern zu. Rosie, die Mutterstute, hatte vorher noch kein Fohlen gehabt, und lies ihr kleines Stutfohlen jetzt nicht säugen. Immer wenn sich das staksige Ding näherte, trat sie nach ihr oder drehte sich weg. Ich fragte Chris, was man machen soll, wenn sie sie gar nicht trinken lassen würde. „Dann muss man sie festhalten, aber wahrscheinlich gewöhnt sie sich noch dran!“. Und so ist es dann auch, eine Stunde später trinkt das Fohlen an einer Zitze, während aus der anderen Zitze die Milch gleichzeitig nur so rausspritzt- das Euter war wohl schon so voll, das es der Stute wehgetan hatte. Ein paar Minuten später sattelten Maren und ich dann die Pferde. Ich ritt diesmal Shiney, eine kleine, braune Quarter-Stute, die mir hoch trächtig erschien, aber offiziell nicht trächtig sein konnte, da sie mit keinem Hengst zusammengelassen worden war. Wir ritten zu einer großen Höhle, die gar nicht weit von der Ranch entfernt ist, stiegen dort ab, banden die Pferde an einen „Baum“ und erkundeten die Höhle zu Fuß. Anscheinend war auch hier früher abgebaut worden. Weiter ging’s zur alten Miene, deren Namen ich vergessen habe, und Maren zeigte mir einen Mienenschacht, der so tief war, dass es, wenn man einen großen Stein rein warf, 8 Sekunden dauerte, bis man ihn aufkommen hörte. Shiney war aber nicht sehr lauffreudig, und so dauerte die kurze Strecke recht lange. Den Nachmittag verbrachte ich gemütlich mit lesen und fotografieren. Mittwoch, 20. Februar Roy hatte sich eine starke Erkältung zugezogen, und darum ging es auch heute nicht auf den langen Tagesritt. Maren und Chris sollten mir Robert’s Camp zeigen, eine alte verfallene Hütte in den Bergen, in der noch heute manchmal Cowboys übernachteten, die es nicht mehr am gleichen Tag nach Hause schaffen. Also sattelten wir die Pferde, ich ritt wieder Blueberry, und Maren sollte Daisy, die leicht verletzte Paintstute reiten, damit sich ihre Beine nicht versteifen. Zu dritt ritten wir also los, aber schon nach einigen hundert Metern merkte Maren, dass die Stute leicht lahmte und daher nicht recht vorwärts gehen wollte. Daher beschloss Maren, lieber mit ihr

umzukehren, bevor wir auf den Bergpfad abbiegen, der ziemlich steinig und anstrengend für die Pferde geworden wäre. Chris und ich ritten also alleine weiter zu Robert’s Camp. Einmal, als es besonders steil wurde, wurde Blueberry übermütig und entschloss sich, den Hang lieber hinaufzugaloppieren. Darauf war ich nicht vorbereitet, und da ich unterwegs viele Fotos machte, waren meine Satteltaschen grade offen. Ein paar ordentliche Galoppsprünge reichten aus, und meine Kamera, mein Nasenspray, meine Müsliriegel, alles flog vom Pferd und landete hart auf dem Boden. Zum Glück hatte vor allem die Kamera den Sturz überlebt, und schließlich kamen wir bei Robert’s Camp an. Es ist eine urige Hütte aus Blech, dazu ein Garten mit grünem Grass, was hier im Vergleich zum Rest der Landschaft irgendwie fehl am Platze wirkte. Zur Hütte gehören auch ein paar Paddocks, in die die Cowboys dann anscheinend die Rinder und die Pferde über Nacht einsperren können. Die Hütte selbst ist urig und nicht sehr idyllisch. Es gibt einen kleinen, rostigen Blechofen, um nachts Feuer zu machen, und ein „Bett“ in Form eines von der Wand ausklappbaren Lattenrosts aus Metallfedern. Nach einer kleinen Pause ritten wir dann zurück zur Ranch. Den Nachmittag verbrachte ich wie üblich lesend in der Sonne bei mindestens 20 Grad im Schatten, was für mich als Flensburgerin schon Hochsommer-Temperaturen sind. Oft leisteten die Hunde mir dabei Gesellschaft, vor allem Peanut, der einzige Welpe, hüpfte gerne auf lesenden Menschen herum. Um 5 Uhr wurden immer die Pferde gefüttert, und ich sah Maren und Chris meistens dabei zu, und fuhr dann in der Schaufel vom Traktor wieder mit hoch zur Ranch. Donnerstag, 21. Februar Grandpa Roy fühlte sich immer noch nicht besser, und so sollten wir drei „Jungspunde“ mal wieder alleine losziehen. Maren erklärte mir beim fertig machen der Pferde, dass wir heute zum zweithöchsten Punkt des Ranchgrundstücks reiten werden, und als ich mir die umliegenden Berge so ansah, wusste ich, dass es hoch werden würde. Leider war ich immer noch nicht in der Lage, mein Pferd selbst völlig reitfertig zu machen, weil ich den Westernsattel (gefühlte 100 kg, aber wahrscheinlich eher 25) zwar selbst tragen, aber nicht aufs Pferd stemmen konnte. Mit all den Sattelgurten (drei Stück, alle aus hartem, dickem Leder) und Lederschutz-Steigbügeln hatte ich Angst, dem Pferd dies alles um die Ohren zu hauen, gesetzt dem Fall ich würde ihn überhaupt hochkriegen. Ich versuchte es jeden Tag und ärgerte mich immer wieder, aber diese Holz-Leder-Sättel waren nun mal nicht zu vergleichen mit dem Kunststoff-Dressursattel, den ich in Deutschland benutze, der auch noch Alu-Steigbügel hat und soviel wiegt wie eine satte Fliege. Chris oder Maren halfen mir also immer dabei, den Sattel aufs Pferd zu hieven.

Ich ritt heute Sugarbaby, Chris’ Pferd. Der Pfad den wir dann reiten, um auf den Berg zu kommen, ist dann der härteste, den ich bisher geritten bin. Alle fünf Meter halte ich die Luft an und versuche, dem Pferd genug zu vertrauen um nicht auf der Stelle umzudrehen und zurück zureiten. Ab und zu liegt auf dem Pfad vor uns ein Stein, der so hoch ist wie die Brust meines Pferdes und mindestens einen Meter breit, aber Sugarbaby klettert drauf und springt wieder runter wie eine Katze. Einmal, als der Abgrund auf der linken Seite des Trails besonders tief war, habe ich sie durch meine eigene Unsicherheit fast aus dem Gleichgewicht gebracht, als ich bemerkte, dass mein Sattel schief lag, und mich plötzlich mit dem ganzen Gewicht auf die eine Seite warf, um den Sattel zurückzuschieben. Sugarbaby war gerade in einem Klettermanöver, und stolperte, mir blieb das Herz stehen, aber sie fing sich schnell wieder, und nichts passierte. Der Ritt war die absolut beste Gelegenheit, tolle Fotos zu machen, weil wir so hoch oben waren. Auf der Hälfte der Strecke hielten wir an, ließen die Pferde verschnaufen, lockerten die Sattelgurte und nutzen die Zeit, um auf riesigen Steinbrocken zu „posen“ und Fotos zu machen. Maren und ich klettern enthusiastisch auf Felsen herum und tauschen fleißig Kameras, während Chris die Augen verdreht und wohl denkt „Touristen!“.

Nach einer weiteren halben Stunde sind wir dann oben - am höchsten Punkt. Die Aussicht ist unbeschreiblich, und Chris zeigt uns einen Berg ganz in der Ferne, der sogar noch zum Bundesstaat Kalifornien gehört. Wieder gibt es ein langes Fotoshooting, diesmal verdonnern wir Chris zum fotografieren, und außer dass er die Beine der Pferde abschneidet, schlägt er sich ganz gut.

In der warmen Mittagssonne hat es sicher über 20 Grad, aber der eisige Wind der auf der Bergspitze wehte, geht durch alle Klamottenschichten und wir brechen wieder auf. Wir reiten einen anderen Weg nach unten, und kommen nach einiger Zeit auf die Straße, auf der Maren und ich vor ein paar Tagen noch mit dem Auto gefahren waren. Der Nachmittag verlief entspannt und ich sah Chris zu, wie er seine Stute Sugarbaby im Roundpen trainierte. Mit einem Videoabend klang der Tag aus. Freitag, 22. Februar Als ich heute morgen aufwachte, regnete es. Auch während des Frühstücks nieselte es vor sich hin, trotzdem wollten Maren und ich ausreiten. Wir sattelten die Pferde im Regen, und stellten uns dann, weil der Regen heftiger wurde, noch mit ihnen im Stall unter, um abzuwarten. Wir warteten und warteten, aber der Regen wurde eher stärker. Also gaben wir auf, sattelten die Pferde wieder ab und gingen zum Ranchhaus hoch. Wir beschlossen, stattdessen einen gemütlichen Videotag zu machen, da man bei dem Wetter eh nichts anderes hätte tun können. Also sahen wir drei romantische Schnulzen im Bunkhaus, und backten am Nachmittag sogar noch einen echt deutschen Kuchen. Am Abend wurde es dann lebhafter auf der Ranch, Doc, der Enkel vom vorigen Wochenende, und Rob Roy, ein anderer Enkel mitsamt seiner knapp zweijährigen Tochter trudelten ein. Ein Bekannter, Walter, und sein Sohn Dalton kamen ebenfalls. Abends sahen Maren und ich noch einen Film an, dann war meine erste Woche schon rum. Samstag, 23. Februar Heute war das Haus voll. Rob Roy und seine Tochter, sowie Walter und sein Sohn hatten mit im Bunkhaus übernachtet. Maren hatte sich jetzt auch eine Erkältung eingefangen und wollte lieber nicht ausreiten. Nach dem Frühstück sattelten Chris und ich gerade die Pferde, als ein weiteres Auto ankam, diesmal mit Neffe Sammy und seiner Frau Tamara, und der Enkelin Deane. Deane beeilte sich, und konnte somit noch mit auf den Ausritt. Der wurde dann ziemlich lang für mich, Chris und Deane, die ja Cousine und Cousin sind, hatten sich seit zwei Wochen nicht gesehen und sich einiges zu erzählen. Ich trottete also mit Blueberry hinterher und versuchte drei Stunden lang, irgendwelche Insiderwitze auf Arizona-Slang-Englisch zu verstehen, und gab schließlich auf und konzentrierte mich auf die Landschaft. Wir ritten zum „Goat Pen“, einer alten Koppel auf der Carol und Roy vor einigen Jahren mal Ziegen gehalten hatten, die aber eines Nachts alle von Pumas (mountain lions) gefressen worden waren. Auf dem Rückweg trafen wir auf ein geparktes Auto, das irgendwie nach Stadtauto aussah und eigentlich nicht in diese raue Landschaft passte. Unterwegs trafen wir einen Mann auf einem der berühmten „4-wheeler“, das sind Mini-Autos, die zum fahren in den Bergen geeignet sind, und aussehen wie fahrbare Rasenmäher mit dicken Reifen. Er wollte jagen, und hatte bisher noch kein Schwein gefangen. Deane und Chris gaben ihm Tipps, wo er welche finden könnte. Erst jetzt fiel mir auf, dass sowohl Chris als auch Grandpa Roy jedes Mal, wenn wir ausritten, eine Pistole dabei hatten. Die war wohl für die Pumas gedacht.

Tamara gab an diesem Wochenende bekannt, dass sie schwanger ist, und alle gratulierten ihr. Abends war dann ein Pokerturnier im Bunkhaus angesagt. Wir alle wollten mitspielen, und ich hatte die Männer vorgewarnt, sich warm anzuziehen. Wir starteten mit zwei Tischen zu je fünf Spielern, von denen die je zwei Besten eines Tisches dann gegeneinander spielen sollten. Am ersten Tisch gewannen gleich zwei Frauen, Maren und Tamara. Rob Roy, Walter und Chris hatten keine Chance gegen sie. Tamara ist übrigens Deutsche, und hat Sammy, den Neffen vor ein paar Jahren geheiratet. Wir drei deutschen Mädels bekamen für die Dauer des Pokerspiels ein „Deutsch-Verbot“ aufgedrückt, damit wir uns nicht verbünden können und zusammen gegen die Männer spielen können. Das Verbot nützte ihnen nichts, und Maren und Tamara gewannen die Runde. Am zweiten Tisch gewannen wieder zwei Mädels, Deane und ich, gegen Doc, Sammy und noch jemanden, den ich wohl vergessen habe. Das Finale war also Girls-only, und nachdem Maren und Tamara raus waren, gab es einen verbitterten Kampf zwischen Deane und mir, der ewig dauerte. Als ich spät abends dann knapp gewann, waren die meisten anderen schon ins Bett gegangen.

Sonntag, 24. Februar Beim Frühstück waren wir eine Menge Leute, und alle wurden von Grandpa Roy zu irgendwelchen Aufgaben eingeteilt. Tamara und Sammy wollten sich erstmal in Ruhe das neue Fohlen angucken. Deane und ich ritten dann alleine los, und ritten den Fluss bergauf. Grandpa Roy hatte versucht, ihr zu erklären, wo wir lang reiten sollten, doch Wegbeschreibungen hier sind schwer umzusetzen, da sie mangels Fixpunkten alle in etwa so klingen: „Am komischen Kaktus gleich links, dann wenn der große Stein kommt, scharf rechts, wenn ihr den Fluss viermal überquert habt, und er dann einen scharfen Knick nach rechts macht, dann biegt ihr links auf den neuen Pfad ab!“. Deane wusste also nicht wirklich, wo wir lang reiten sollten, und für mich sah die Landschaft aus wie immer. Ein paar mal versuchten wir, einen Pfad in die Berge hoch zureiten, aber jedes Mal wurde es nach ein paar Metern so steil, dass die Pferde nicht weitergingen, und wir glaubten, falsch zu sein und umkehrten. Am Ende ritten wir einfach den Fluss einige Zeit hoch, und dann den gleichen Weg wieder zurück und sagten Roy nichts davon, als wir zurückkamen :-). Zurück am Korral sattelten wir die Pferde ab, und sahen dann, wie die Männer, also Walter, Sammy, Doc und Chris, mit Gewehren und Pistolen herumhantierten, und gesellten uns dazu. Als man mich fragte, ob ich auch mal schießen will, konnte ich natürlich nicht nein sagen. Außer einem Luftgewehr auf Dorffestspielen war es das erste Mal, dass ich richtig geschossen habe, und ich traf sogar ein paar Mal eine alte Dose, die wir extra dazu aufgestellt hatten. Ich nahm sie als Erinnerung mit nach Hause.

Nach dem Mittagessen wollten wir eigentlich gleich weiter schießen, aber Maren kam grade mit zwei neuen Gästen aus der Stadt zurück, und die wollten wir nicht gleich durch Schüsse verschrecken. Die neuen Gäste sind beides Deutsche, die aber nicht zusammen angereist waren. Claudia war schon letztes Jahr ein paar Tage auf der Ranch gewesen, und da ihr Mann ein paar Tage beruflich in Phoenix verbringen musste, verbrachte sie die Zeit, wie letztes Jahr, auf der Ranch. Martin ist 64, ein Unternehmer aus Köln, der den Südwesten der USA auf eigene Faust unsicher machte, und der vom Reiten anfangs wenig Ahnung hatte. Nachdem sie sich im Bunkhaus in ihren beiden Zimmern eingerichtet hatten, gingen wir alle runter zum Korral, um ihre Sättel und Chaps anzupassen. Da die Pferde um diese Uhrzeit aber alle nicht am Stall waren, sondern irgendwo in den Bergen oder am Fluss, sattelte Chris Bob, den Hengst, und machte sich auf die Suche nach Pferden, die man zum Sattelanpassen nehmen konnte. Claudia ritt zuhause auch Western, also dauerte es nicht lange, und ihre Chaps und Steigbügel waren angepasst. Martin aber trug gerade am Anfang zur allgemeinen Erheiterung bei, er wollte wissen, wie man aufsteigt, wie man beim Pferd die Gänge bediente, und wie man es zum Anhalten brachte. Dies alles bekam er heute aber nur theoretisch gesagt, das Pferd bewegte sich noch keinen Schritt dabei. Später am Nachmittag liefen wir dann mit Claudia und Martin auf den Hang gegenüber des Korrals, wo ein kleiner Schießstand aufgebaut war, und schossen alle noch mal.

Montag, 25. Februar Nach dem Frühstück, dass vor allem Martin sich gut hat schmecken lassen, brachen wir Gäste mit Grandpa Roy und Maren zum Orientierungsritt auf. Ich kannte ja nun schon die Strecke, und die Geschichten, die sich aber jedes Mal ein bisschen zu ändern schienen, wenn sie jemand anderes erzählte. Es war trotzdem sehr lustig, vor allem, weil Greenhorn Martin auf dem Pferd eine lustige Figur machte. Er ritt Tadpole, eine ruhige kleine Stute, die er schon nach der Grundeinführung in die Reitkunst sicher lenken konnte. Trotzdem ließ er es sich nicht nehmen, viel zu jammern, und von „Ach, was tu ich mir hier an!“ über „Man man man, das ICH so was mal mache, das glaubt mir zuhause keiner!“ bis hin zu „Das arme Pferd, muss meine 100 kg tragen! Das bricht gleich zusammen.“ war alles dabei. Martin klopfte überhaupt gerne ein paar Sprüche, und besonders ich kriegte öfters mal verbal eines von ihm übergezogen. Sprüche wie „Du bist 21? Siehst aber nicht so aus! Eher wie 18.“ „Was machst du eigentlich hier?“ und „Du bist so dünn, wenn du duschst musst du von einem Wasserstrahl zum nächsten springen damit du nass wirst!“ und „Was für ein Wind. Halt dich am Pferd fest, sonst fliegst du noch weg.“ waren eher noch unter den harmlosen. Auf dem Weg zurück Richtung Ranch erfüllte ich mir dann noch einen seltsamen Traum: Ich wollte ein Foto von mir, wie ich einen Kaktus umarme. Es dauerte eine Weile, bis ich den perfekten Kaktus gefunden hatte, und als ich dann meine Arme um den stacheli-

gen Riesen schlang, schüttelte Roy nur mitleidig den Kopf und dachte wohl „Diese deutschen Städter, wollen einen Kaktus umarmen!“. Er führte uns noch zu einem Aussichtspunkt, von dem man die Ranch und den Hassayampa River besonders gut sehen konnte. Zurück im Korral ordnete Martin seine Knochen und war ehrlich erstaunt, es überlebt zu haben. Er hatte eine lustige Angewohnheit, die die Amerikaner auf der Ranch zum verzweifeln brachte. Statt Englisch zu sprechen, sprach er einfach Deutsch. Da konnte es schon mal passieren, dass er beim Frühstück deutlich auf Deutsch sagt „Chris, gib mir doch mal bitte die Butter!“, woraufhin Chris nur seinen Namen versteht und ihn verständnislos ansieht. Zu Marens und meiner Erheiterung zog er diese Angewohnheit konsequent durch. Er schien die Rancher zu verstehen, antwortete aber meist auf Deutsch. Manchmal beließen wir es dabei, manchmal taten uns Carol, Roy und Chris leid, und Maren und ich übersetzten dann. Dienstag, 26. Februar Heute ging es wieder hoch zum zweithöchsten Punkt des Ranchgeländes. Ich ritt Cocopuff, Deane’s Pferd, und obwohl ich die Strecke ja bereits geritten war, machte es trotzdem wieder Spaß. Diesmal ritt auch Grandpa Roy wieder mit, genauso wie Maren, Martin und Claudia. Chris hatte keine Lust. Martin wurde diesmal Blueberry zugeteilt, und Roy ritt Twister. Nach fünf Minuten jedoch fing Blueberry bereits an, zu zicken, wollte den Trail nicht hinaufgehen und schien von Martins Hilfengebung recht unbeeindruckt. Daraufhin tauschten Roy und Martin die Pferde und Sättel, und Martin und Twister trotteten brav hinter Blueberry mit Grandpa hinterher. Auf halber Strecke hielten wir wieder an, um eine Fotopause zu machen, und kaum waren wir hoch genug, dass wir Handyempfang kriegen konnten, wurde Claudia von ihrem Mann angerufen. Ich ärgerte mich, dass ich nicht selbst dran gedachte hatte, mein Handy mitzubringen, denn ich hatte mich seit über einer Woche nicht mehr bei meinen Eltern gemeldet. Diesmal war es wärmer und angenehmer, auch auf der Bergspitze. Unterwegs sahen wir in der Ferne ein paar Leute, die an den Trampelpfaden arbeiteten, und Roy ritt zu ihnen rüber, und hielt ein Schwätzchen. Solche Gelegenheiten wurden immer zum Fotos machen genutzt, was mit Marens und Claudias kleinen Digitalkameras kein Problem war, nur Martin tanzte mal wieder aus der Reihe. Seine Kamera war eine mit „echtem Film“, Spiegelreflex mit etwa 20 cm Objektiv zum ausfahren und wog geschätzte 12 Kilo. Das hieß: Einhändig nicht zu bedienen, also jedes Mal anhalten. Nach dem heutigen Ritt hatte Martin erstmal genug und bemühte sich, anderweitige Beschäftigung auf der Ranch zu finden. Er half Chris beim entladen des Heuanhängers. „Reitgeil“ nannte er Claudia und mich, die am liebsten fünf mal täglich geritten wären. Da Claudia nur ein paar Tage auf der Ranch war, fragte Maren am Nachmittag im Ranchhaus nach, ob wir noch mal ausreiten könnten. Also zogen wir drei Mädels noch mal alleine los. Mittwoch, 27. Februar Fast kam es mir wie ein kleines Deja-vu vor, als Roy beim Frühstück vorschlug, Chris sollte mit uns zu Robert’s Camp reiten. Ich ritt „Do Good“, die eigentlich schon zu den schnelleren Pferden

gehört, aber gegen Chris’ Moritz keine Chance hatte. Claudia, Martin und ich hatten also unsere liebe Mühe, mitzuhalten. Bei Robert’s Camp machten wir fast eine Stunde Pause, und Martin ließ sich mit Chris’ Pistole fotografieren. Diesmal nahmen wir einen anderen Weg zurück, der am Fluss entlang führte. Noch mal trafen wir ein Auto mit Jägern, mit denen Chris ein kurzes Schwätzchen hielt, und am Fluss angekommen sahen wir frische Pumaspuren im Sand Die Landschaft wurde immer rauer, das Gestrüpp dorniger, und die Äste, an denen wir vorbeischrammten, dicker. Ein paar Mal weigerte ich mich anfänglich, Chris hinterher zu reiten, wenn es mal wieder so aussah, als ob man zwischen zwei Büschen gar nicht durchkam. Mit „Augen zu und durch“ und ein paar blutigen Kratzern schafften wir es aber doch. Martin war erstaunlich tapfer heute, bis wir an eine Stelle kamen, bei der es einen guten Meter fast senkrecht bergab ging. Chris ritt voran, und sein Pferd rutschte vorsichtig den Hang runter. Claudias Pferd hingegen entschied sich, hinunter zuspringen. Danach kam ich, und obwohl mein Pferd einigermaßen sicher herunterrutschte, bekam Martin das Grauen davor, dass sein Pferd Tadpole springen würde. Er kletterte lieber zu Fuß den Hang runter, und ich führte das Pferd an der Hand herunter. Und siehe da: Sie sprang. Glück gehabt. Wir hatten bereits über eine Stunde Verspätung, eigentlich hätten wir um halb 1 zurück an der Ranch seien sollen, da heute einige „4-wheeler“ zum Mittagessen kamen, und gegrillt wurde. Leider hatte Chris genau heute kein Walkie-Talkie dabei, und so waren wir leicht reumütig, als wir zur Ranch zurückkamen. Sobald wir nah bei der Ranch waren, galoppierte Chris los, um Roy oben am Grill Bescheid zu sagen, dass uns nichts passiert war, und wir nur die Zeit vertrödelt hatten. Wir anderen ritten langsam im Schritt zum Korral. Dazu kam, dass Roy Chris eine Armbanduhr mitgegeben hatte, die mysteriöserweise unterwegs ihr Deckglas und die Zeiger verloren hatte. Zum Glück stellte sich raus, dass es eine billige Uhr war. Nachdem die Pferde versorgt waren, gingen wir hoch zum Grill. Es war das erste Mal, das wir grillten, es war ja auch nicht unbedingt Grillsaison (falls es so was hier überhaupt gibt!). Die meisten Lunch- Gäste waren schon fertig mit dem Essen und auf dem Weg nach Hause. Die Burger waren dann sehr lecker. Am Nachmittag schrieben Claudia, Martin und ich dann eine lange Nachricht ins Ranch-Gästebuch, wir dachten uns lustige Anekdoten aus und bauten sogar ein kleines Deutsch-Wörterbuch mit ein. Beim Abendessen gab’s dann noch ein Abschiedsfoto für Claudia. Abends sahen wir dann noch alle zusammen einen Cowboyfilm im Bunkhaus an. Donnerstag, 28. Februar Heute war schon Claudias Abreisetag. Gegen Mittag sollte sie los, also sind wir vorher noch mal ausgeritten. Heute ging’s wieder zum Goat Pen, da die Strecke, die wir eigentlich nehmen woll-

ten, zu lang gewesen wäre. Wir mussten auf jeden Fall um 12 Uhr zurück auf der Ranch sein, damit wir noch Mittagessen konnten, bevor Claudia los musste. Maren ritt heute nicht mit, also ritten wir zu viert. Am Goat Pen erzählte Chris auch wieder die Geschichte mit den Ziegen. Als ich meinem Pferd, Blueberry, meinen Cowboyhut aufziehe und Fotos mache, stöhnt Chris: „Oh Mann, das machen ALLE Gäste! Warum nur?“ Er erklärt mir, dass man an meinem Hut sofort einen echten „City Slicker“ erkennen würde, und dass kein echter Cowboy einen solchen Hut tragen würde. Ich spiele beleidigt. Chris wendet sich dann zu Martin und lobt ihn für seinen Hut, denn er sei der beste Hut, den er bisher von einem Gast gesehen habe. Merken fürs nächste Mal: Strohhut = Oh no! Filzhut = Yes please. Nach dem Mittagessen muss Claudia dann wirklich los. Am Nachmittag trainiert Chris mit dem Fohlen seiner Stute, General Lee, im Roundpen. Er ist erst zwei und soll sich ans Lasso gewöhnen, und keine Angst vor Reitern haben. Ich stehe am Rand, gebe kluge und weniger kluge Kommentare und filme und mache Fotos. Später zeigt mir Chris dann noch, wie man auf dem „Blechbullen“ reitet, der unten am Korral aus einer Tonne und Autofedern aufgebaut war. Alleine draufsitzen klappt schon ganz gut, als wir zu zweit aufsteigen, fliegen wir in hohem Bogen runter. Abends schauen Maren, Martin und ich dann - oh wunder einen Film im Bunkhaus. Freitag, 29. Februar Mein letzter Tag auf der Ranch --- traurig krebse ich herum, und wünschte, es würde nie Samstag werden. Nach dem Frühstück entscheidet sich Martin, mit Grandpa in die Stadt zu fahren, um Heu zu holen. Das hat für ihn den Bonus, das er heute nicht reiten „muss“. Maren soll heute wieder in die Stadt fahren, um neue Gäste zu holen, also kann sie nicht mit ausreiten. Chris und ich reiten eine Weile die Schotterstraße hoch, und wieder herunter. Er ritt ohne Sattel, also gingen wir nicht in die Berge. Am Nachmittag ging ich zum Fluss runter, dass erste mal zu Fuß, und filmte und schoss ein paar Fotos. Endlich sah ich auch das kleine rote Haus, das direkt vor der Terrasse meines Zimmers steht, mal von innen. Es ist eine kleine Lederwerkstatt, in der Roy die Trensen, Chaps und Steigbügelschoner herstellt. Chris zeigt mir alle Werkzeuge und macht mir ein Lederarmband mit meinem Namen darauf.

Am späten Nachmittag kam Maren mit den neuen Gästen zurück. Thomas und Susanne, auch Deutsche, die sogar auf der Ranch heiraten wollen. Als wir zum Pferdefüttern zum Korral fahren, darf ich den Traktor fahren. Mein Spielzeug wird mir wieder weggenommen, als ich ihn versehentlich fast in den Zaun des Korrals fahre (zu viele verschiedene Pedalen und Tasten!). Als wir beim Pferdefüttern sind, kommt auch Doc wieder aus der Stadt an. Widerwillig packte ich meinen Koffer. Nach dem letzten Abendessen machen wir ein Abschieds-Lagerfeuer, und Doc erzählt Gruselgeschichten über die Ranch und von früher. Zum Abschluss sehen Maren, Doc, Chris und ich uns noch „Eurotrip“ in Chris’ Trailer. Dann ist auch mein letzter Tag auf der Ranch vorbei. Samstag, 1. März Heute musste ich früh aufstehen. Um 6 Uhr klingelte der Wecker, ich packte schnell die restlichen Sachen in den Koffer, und ging zum Frühstück rüber. Sammy und Tamara kamen gegen 7 Uhr aus der Stadt an, die müssen wirklich früh losgefahren sein. Grandpa überreichte mir noch die obligatorische Cowboy-Bibel, und das „Ranch Certificate“, und dann ging es auch schon ans verabschieden. Maren sollte mich nach Wickenburg zum Shuttle bringen. Traurig versuchte ich auf dem Weg zurück über die Buckelpiste, die Landschaft ein letztes Mal zu genießen. Im Geiste überlegte ich schon, wann ich wieder Zeit haben würde, zurückzukommen. Bei McDonalds wurde ich vom Shuttle abgeholt, und spätestens am Flughafen in Phoenix wurde mir bewusst, das mein Urlaub zu Ende war, und die hektische, „echte“ Welt mich wieder eingenommen hatte. 24 Stunden, ein Horrorflug durch den Emma-Sturm und fünf Stunden standby in Frankfurt wegen des ausgefallen Anschlussflugs nach Hamburg später landete ich bei 5 Grad zuhause in Hamburg, und wollte nur eines: Zurück...

auf die Williams Family Ranch. Nike

www.williamsfamilyranch.midnightspecial.de