Mein Auslandsjahr in Indien Das Beste Jahr Meines Lebens

Mein Auslandsjahr in Indien Das Beste Jahr Meines Lebens von Johannes Krause Als ich im Dezember 2014 erfuhr, dass ich nach Indien gehen werde, war...
Author: Ewald Kirchner
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Mein Auslandsjahr in Indien Das Beste Jahr Meines Lebens von Johannes Krause

Als ich im Dezember 2014 erfuhr, dass ich nach Indien gehen werde, war ich bereits aufgeregt. Aber es war ja noch so lange hin. Im Mai fand dann ein Orientierungs-Wochenende für Süd–Asiatische Länder in Heidelberg statt. Dort erfuhr ich einiges, um den Kulturschock zu mindern: zum Beispiel, dass man in Indien öffentlich nur lange Hosen trägt oder kein Toilettenpapier sondern nur Wasser benutzt wird…. Im Mai bekam ich dann Bescheid über meine Gastfamilie und meinen Distrikt; ich würde in den Süden kommen, in den Staat „Tamil Nadu“, Distrikt 3201. Als dann das Visum beantragt war und ich meinen Koffer packen musste, wurde ich immer nervöser. Eine Woche vor meinem Abflug traf bereits unsere Gastschülerin aus Hawaii ein. Ich verbrachte schöne letzte Tage in Deutschland, dann hieß es Abschied nehmen. Das Gefühl, das mich am Flughafen beschlich, ist unbeschreiblich; Traurigkeit und Aufregung zugleich.

Dann saß ich im Flieger, neben zwei anderen Austauschschülern, welche auch in den Distrikt 3201 flogen. Wir kamen morgen früh um 8:00 Uhr Ortszeit nach 12 Stunden Flug in Indien an und wurden begeistert von unseren jeweiligen Gastfamilien empfangen. Danach musste ich mich von den anderen Austauschschülern trennen, meine einzigen Freunde waren fort. Als ich im Haus meiner Gastfamilie ankam, wurde ich von zwei Hunden begrüßt. Während mir das Haus gezeigt wurde, bereitete die Köchin noch ein schnelles „Frühstück“ zu: Dosa! Das ist eine Art dünner, knuspriger Crêpe aus Reisteig. Es wird mit verschiedenen Soßen gegessen. Bereits nach dem ersten Bissen wurde mir klar, dass ich hier nicht verhungern würde. Danach ging ich erstmal schlafen. Am Abend lernte ich dann meine meinen Gastbrüder kennen. Als ich das erste Mal zur Toilette ging, wurde mir klar, wie sinnvoll das Vorbereitungswochenende in Heidelberg gewesen war. Hätte ich nicht gewusst, dass es kein Toilettenpapier gibt, wäre ich wohl völlig verzweifelt gewesen. In den nächsten Tagen unterhielt ich mich oft mit meiner Gastmutter während der Rest der Familie außer Haus war. Doch nach zwei Tagen fuhren wir bereits in eine 150 km entfernte (für indische Verhältnisse sehr nahe) Stadt, um den 1. Geburtstag des Neffen meiner Gastmutter zu feiern. Dort lernte ich viele Verwandte meiner Gastmutter kennen, unter anderen ihre 7 Onkels, ihre Cousins und Cousinen, und ihre beiden jüngeren Brüder. Dort gab es einige mir noch unbekannte Gerichte und ich lernte noch einmal die Gastfreundschaft der Inder kennen. Ich wurde sehr nett behandelt, die meisten konnten Englisch sprechen. Zwei Tage danach hatte ich dann meinen ersten Schultag. Auf meine Schule gingen noch 4 weitere Austauschschüler. Ein Mädchen und ein Junge aus den USA, ein Mädchen aus Frankreich und noch ein Junge aus Deutschland. Wir wurden von der Schulleiterin empfangen und bekamen alle wichtigen Infos. Es wurde auf Englisch unterrichtet, die Schule ging vom LKG (Lower Kindergarden) bis zur 12. Klasse. Wir gingen in die 11. Klasse und bekamen jeweils einen sogenannten „Buddy“ zur Seite, an den wir uns wenden konnten, sollten wir Fragen haben. Wir bekamen ebenfalls unsre Schuluniform. In der Klasse wurden wir direkt aufgenommen, in den Pausen wollte jeder mit uns sprechen. Der Unterricht verlief anders als bei uns. In manchen Fächern (z.B. Mathe) saßen ca. 50 Jugendliche in einer Klasse in Bänken, streng nach Mädchen und Jungen geteilt. Wenn der Lehrer eine Frage stellte, rief der, der am ersten fertig war, die Antwort. In Fächern wie Englisch wurde meistens diktiert. Nach dem Unterricht bis 3:30 Uhr hatten wir noch eine Stunde Sport, wo man entweder Kricket, Volleyball, Basketball oder Tennis spielen konnte. Als uns die jüngeren Schüler sahen, wollten alle mit uns sprechen, wir wurden praktisch umlagert. Um 4:30 Uhr fuhren wir dann mit dem Schulbus nach Hause. Auch dort wollte jeder mit mir sprechen. Es stellte sich heraus, dass wir im Unterricht nicht zwingend aufpassen mussten, auch wenn wir es anfangs versuchten. Ab Mitte September nahm ich jeden Tag ein Buch mit in die Schule. Mein Gastvater nahm mich einmal mit in seine Fabrik, wo er Wassertanks herstellte. Außerdem zeigte er mir die Schule, die er gegründet hatte. Mitte August hatte der Distrikt ein Orientierungswochenende für alle Austauschschüler geplant. Wir fuhren in eine Stadt auf einem Berg, wo es nur 15°C warm war, welches eine angenehme Abwechslung war. Dort lernten wir die Rotarier und Rotex, aber auch uns untereinander kennen. Insgesamt waren wir 12 Austauschschüler aus den USA, Frankreich, Deutschland, Tschechische Republik und der Slowakei, es sollten jedoch noch zwei aus den USA kommen, welche Probleme mit dem Visum hatten.

Während ich mich an das Leben in Indien gewöhnte, liefen in meiner Gastfamilie die Vorbereitungen für die Hochzeiten der Nichten meines Gastvaters auf Hochtouren. Fast jedes Wochenende fand irgendeine Zeremonie statt. So lernte ich auch die Familie meines Gastvaters schnell kennen. Ich hatte ein Riesenglück, alles so hautnah miterleben zu können. Meine Gastmutter erzählte mir, dass Hochzeiten sehr wichtig sind, sowohl für das Paar, als auch für die Gäste. Sie sagte, sie habe viele Sarees (Die traditionelle Kleidung für verheiratete Frauen, bestehend aus 6 m Stoff, welches um den Körper gewickelt wird) extra für Hochzeiten gekauft und nur einmal getragen. Dann kam der Tag der ersten Hochzeit. Sie wurde in einem Tempel gefeiert, der prächtig mit Blumen geschmückt war. Als ich den Tempel zum ersten Mal sah, kam ich mir vor wie in „tausendundeiner Nacht“. Es war ein besonderes Erlebnis dieses Fest mitansehen zu dürfen. Das Essen war mehr als reichlich, schließlich mussten um die 3.000 Gäste bewirtet werden, obwohl mir gesagt wurde, dass nur die engsten Verwandten und Freunde der Familien eingeladen wurden. Zu der Feier wurden auch die anderen Austauschschüler eingeladen. Es stellte sich heraus, dass der Inbound-Chair und der Gastvater eines anderen Schülers die Cousins meines Gastvaters sind. Die zweite Hochzeit wurde in einer gemieteten Halle gefeiert. Hier kamen nur in etwa 2.000 bis 2.500 Leute. Dort traf ich auch indische Jugendliche in etwa in meinem Alter und wir freundeten uns schnell an. Nach ein paar Wochen fand dann die „Reception“ statt, das heißt, es kommen alle, die nicht zur Hochzeit kommen konnten, bzw. auch die Geschäftspartner des Brautpaares/der Eltern. Da der Bräutigam der Sohn eines reichen Unternehmers war, kamen zu der Feier über 10.000 Personen. Auch hier wurde eine große Halle gemietet und prächtig geschmückt. Nach den beiden Hochzeiten hatte ich mich bereits eingelebt und das Leben wurde etwas ruhiger, obwohl es sehr viele Festivals gab. Wichtige dabei sind der „Independence Day“ von Indien, „Onam“, welches zu Ehren eines gutmütigen Königs gefeiert wird, im August, „Ganesh Chaturthi“ und „Krishna Janmashtami“, die Geburtstage bedeutender Götter im Hinduismus, im September sowie „Diwali“, das Lichterfest im November. Die Feste wurden jeweils in der Schule gefeiert, Rotary organisierte allerdings ebenfalls Feiern. Besonders Diwali war ein tolles Fest, es ist wie Silvester in Deutschland, nur feiern die Inder nicht den Beginn eines neuen Jahres sondern den Sieg des Guten über das Böse. In der Schule war ich bei den jüngeren Schülern bereits als John „anna“ (Tamil für „großer Bruder“) bekannt. Ich fühlte mich beinahe wie ein Star. Ich lernte die Kultur und Bräuche Indiens immer besser kennen und gewöhnte mich an das scharfe Essen. Ich hatte im Gegensatz zu anderen Austauschschülern keine Magenprobleme und konnte alles in vollen Zügen genießen. Ich trank „Tender Coconut“-Wasser, also Wasser aus grünen, unreifen Kokosnüssen, welches besonders an heißen Tagen sehr erfrischend war, kaute aus Zuckerrohr den Zuckersaft heraus und probierte Gemüse, das wir in Deutschland gar nicht kennen. In (Süd)Indien malen die Frauen jeden Donnerstagabend (bzw. Freitagmorgen) ein Muster mit gefärbtem Sand bzw. Blumen und anderen Materialien vor ihr Grundstück. Diese Muster sind geometrisch oder stellen Blumen dar und sollen Glück bringen. An Festivals wie Diwali, Onam oder Hochzeiten sind die Rangolis besonders kunstvoll und komplexer. Mitte November startete dann die Süd-Indien Tour. Für 20 Tage würden wir mit den Austauschschülern des Distriktes 3030 aus dem Norden die Kulturen im Süden kennenlernen.

Mit dem Bus ging es nach Hyderabad, wo wir uns mit den Austauschschülern des Norddistriktes trafen. An unseren ersten beiden Tagen lernten wir uns gegenseitig kennen und besichtigten Hyderabad, der Hauptstadt Telanganas, die früher von den „Mughals“, also den Persiern regiert wurde. Dadurch war die Stadt sehr geprägt. Wir besichtigten eine Moschee, einen Palast, ein Fort und ein Museum, in dem eine riesige Sammlung von verschiedenen Gegenständen aus den verschiedensten Ländern der Welt ausgestellt wurde, um nur die Hauptattraktionen zu nennen. Natürlich hatten wir auch Zeit, Souvenirs zu kaufen. Die Straßenhändler in Indien sind sehr gewitzt und ziehen einem gerne das Geld aus der Tasche, indem sie (nur bei Touristen versteht sich) einem die Ware zum doppelten Preis anbieten. Nachdem man sich daran gewöhnt hat, lernt man zu feilschen…. Es ist nicht immer einfach sich zu verständigen, denn nicht jeder in Indien spricht Englisch, am wenigsten die Straßenhändler. Auch wenn man die regionale Sprache lernt, kann man diese in den anderen Bundestaaten nicht gebrauchen, da die Leute dort eine andere Sprache sprechen. Dann ging es über Nacht mit dem Zug nach Chennai, der Hauptstadt Tamil Nadus. Bahnfahren in Indien ist abenteuerlich, vor allen Dingen, wenn man zum ersten Mal mit dem Zug fährt. Wir fuhren im Schlafwagen, also gab es Liegen an den Wänden, die man hochklappen konnte, in jedem Abteil acht Betten. Bettlaken, -kissen und eine Decke wurden ausgeteilt. Auch wenn es paradox klingen mag, dass man eine Decke bekommt, hatte man sie dringend nötig, denn die Klimaanlage lief die ganze Nacht durch und es wurde eiskalt. Es war nicht immer sauber in den Zügen, manchmal konnte man Ungeziefer herumkrabbeln sehen. Carachteristisch für indische Züge sind die vielen Händler, die an jeder Station zusteigen und z.B. Chips, Getränke (insbesondere indischen Tee mit Milch und Zucker, genannt „Chai“) oder indische Snacks zu verkaufen. Die Verkäufer fangen pünktlich um 5 Uhr morgens an durch den Zug zu laufen und ihre Waren anzupreisen. Man hat also kaum eine Chance seine Haltestelle zu verschlafen…. Kaum waren wir in Chennai und aßen unser Frühstück, fuhren wir auch schon in einen Krokodil Park in der Nähe von Chennai. Sie hatten dort über 2.000 Tiere von 14 verschiedenen Krokodilarten, 10 Schildkrötenarten und ein paar Schlangen und Eidechsen. Es war sehr interessant, so viele Krokodile auf einem Haufen zu sehen und etwas über sie zu lernen. Danach ging es weiter nach Mahabalipuram. Die kleine Stadt gehört wegen ihrer zahlreichen alten Tempeln zum UNESCO Weltkulturerbe. Sie liegt an der Küste, sehr berühmt ist der „Shore Temple“ (engl. Für Ufer Tempel). Es wird gesagt, dass es früher noch mehr Tempel gegeben hat, diese aber vom Meer überspült worden seien. In Mahabalipuram gibt es viele natürliche Felsen, in die die Tempel gehauen wurden. Sie sehen zum Teil sehr unterschiedlich aus, da sie zu verschiedenen Zeiten und nach verschiedenen Stilen gebaut wurden. An unserem 5. Tag waren wir in Banglore, der Hauptstadt Kannadas und nahmen an einer Safari in einem Safari Park teil. Wir sahen Löwen, Bären und auch Tiger. Am Abend regnete es in Strömen, doch wir besichtigten einen riesengroßen, erst 1997 gebauten Tempel, bzw. Komplex. Es war ein besonderes Erlebnis, nach vielen Stufen am Hauptschrein anzukommen und eine Wand aus Gold und Silber vorzufinden. Hunderte Hindus hatten sich versammelt um die Götter „Radhna“ und „Krishna“ mit Gesängen und Mantras anzubeten. Es war eine besondere, sogar fühlbar friedliche Atmosphäre. Am nächsten Tag ding es dann per Bus nach Mysore, der „Stadt der Paläste“. Diese Paläste waren sehr eindrucksvoll und wunderbar gestaltet und gut erhalten.

Als wir in Ooty waren, wurden viele der Austauschschüler krank und mussten nach Hause fahren, ich war auch einer von ihnen. Auch nach einem spontanem „Massenbesuch“ beim Krankenhaus ging es mir nicht besser. Da wir in der Nähe von Coimbatore waren, war es kein großer Aufwand, mich und ein paar andere Austauschschüler nach Hause zu bringen. Meine Gastmutter fuhr mit mir zum Hausarzt und ich bekam zwei Spritzen. Mir ging es sofort besser und ich erholte mich schnell. Nach einer Woche durfte ich alleine mit einem Nachtbus den anderen Austauschschülern hinterher fahren und die Tour fortsetzen. Andere waren nicht so glücklich und mussten die Tour komplett abbrechen. Also fuhr ich nach Kerala, dem Nachbarstaat und konnte so an der geplanten Hausbootfahrt teilnehmen. Kerala ist sehr berühmt für die „Backwaters“, ein riesiges Fluss und Seesystem im Inland, mit mehr als 900 km Länge. Es war wunderschön durch die Lagunen zu fahren und die Unmengen von Palmen vorbeiziehen zu sehen. Wir übernachteten auf dem Hausboot und am nächsten Morgen fuhren wir nach Cochin, der zweitgrößten Stadt in Kerala. Wir besichtigten eine jüdische Synagoge und eine christliche Kirche. Dabei wurde wieder deutlich, wie viele verschiedene Religionen und Kulturen es in Indien gibt. Danach hatten wir noch 4 Stunden Zeit in der LuLu-Mall shoppen zu gehen. Dort gibt es einfach alles: Nutella, Donuts, Milka und viele andere Sachen, die man sonst nirgendwo findet. Es gibt sogar eine Eisfläche zum Schlittschuh laufen. Da es der erste Advent war, kauften wir jeder eine Nikolausmütze und sangen Weihnachtslieder. Per Nachtzug ging es dann nach Goa, einem der Partystrände Indiens überhaupt. Wir genossen die Sonne, und unsere letzten Tage gemeinsam. Dann kam der Tag des Abschieds. Wir fuhren nach Mumbai, besichtigten das „Gateway of India“ und fuhren zum Flughafen. Wir dachten wir sähen uns bestimmt auf der Nordtour im März wieder, trotzdem dauerte der Abschied eine knappe dreiviertel Stunde…. Auf dieser Tour hatten wir bereits Freundschaften fürs Leben geschlossen. Wir flogen zurück nach Coimbatore und wurden von unseren Gastfamilien empfangen. Jetzt begann für mich die härteste Zeit meines Austausches: die (Vor-)Weihnachtszeit. In Indien gibt es nicht viele Christen, Weihnachten wird dort nicht gefeiert. In dieser Zeit vermisste ich Deutschland am meisten: die Weihnachtsmärkte, die Dekorationen…. Mit meiner Gastmutter buk ich Plätzchen, welche auch gut gelungen. Am 2. Weihnachtsfeiertag skypte ich das erste Mal mit meiner Familie. Es war schön sie nach knapp 5 Monaten zu sehen. In der Woche nach Weihnachten bekam ich schulfrei, um mit meiner Familie(bzw. Gasfamilie) die Familie meiner Gastmutter zu besuchen. In dieser Zeit wuchs ich noch enger mit meinen Onkels zusammen, sie nahmen mich mit zu ihrer Arbeit (einer arbeitet in seiner eigenen Schule) und zeigten mir das Familienunternehmen und die Farm meines Großvaters. Es war eine wunderschöne Zeit. Im Januar wechselte ich die Familien. Diese hatte keine zusätzlichen Kinder, also war ich oft alleine zu hause. Auch mein zweiter Gastvater war sehr nett. Er zeigte mir seine Fabrik, wo er Garn 24/7 herstellt. Mitte Januar war „Pongal“. Das ist ein Fest mit dem die Ernte des Zuckerrohres gefeiert wird. Pongal ist der Name eines Gerichts, welches vornehmlich aus Zucker besteht. Das Fest wird hauptsächlich in Südindien gefeiert. Es war sehr interessant zu sehen, wie erst das Essen gesegnet, dann gegessen und dann gefeiert wurde. Traditionell ist man an Pongal sehr viel Zuckerrohr.

Am Wochenende danach wurden wir eingeladen zu den „Rotary Youth Leadership Awards“ kurz: RYLA. Dort trafen wir viele indische Jugendliche und lernten zusammen auf verständliche Art und Weise, wie man ein Leiter, bzw. „Anführer“ wird. Anfang Februar unternahm ich eine private Reise nach Pune, in Nordindien um meinen „Bruder“, der 2011/12 mit Rotary in Deutschland war zu besuchen und seine Familie kennenzulernen. Auf diese Reise wurden mir erstmals die großen Unterschiede zwischen Nord- und Südindien bewusst. Der Norden ist mehr nach dem Westen orientiert, obwohl die eigene Tradition und Kultur immer noch eine große Rolle spielen. Außerdem ist das Essen dort ganz anders. Während man im Süden mehr Reis ist, ist man im Norden viel mehr Getreide. Auch war ein Großteil des Nordens von den Persiern erobert, während der Süden größtenteils unbesetzt blieb. Auch die traditionelle Kleidung ist verschieden. Im Süden tragen Frauen eher Sarees, im Norden eher lange Blusen mit einem leichten Schal. Es war sehr schön, die Familie und Stadt meines „Bruders“ kennenzulernen. Ende Februar startete dann die Nordindien-Tour. Nach einer 26-stündigen Zugfahrt nach Ahmedabad trafen wir alle unsere Freunde wieder. Wir besichtigten Gandhis Haus und andere Sehenswürdigkeiten. In den nächsten Städten sahen wir uns meistens prächtige Paläste und Tempel an. In Jaipur lernten wir die Kultur Rajasthans in einer Art privaten Dorfes kennen und aßen in einem traditionellen Restaurant das landesübliche Essen auf dem Boden. In Jaisalmer fuhren wir in die Wüste und ritten auf Kamelen. Es war sehr holprig, aber der wunderschöne Sonnenuntergang entschädigte alles. Sobald die Sonne weg war, wurde es kühler und wir begaben uns ins Lager und bezogen unsere Zelte. Am Lagerfeuer tanzten wir mit Indern und ich traf tatsächlich deutsche Touristen. Nach dem Tanzen gingen wir noch einmal in die Wüste und bestaunten die Sterne, welche man in den großen Städten in Indien nicht sieht. In Amritsar besichtigten wir den Goldenen Tempel, den Haupttempel der Sikh. Es herrschte eine besondere Atmosphäre, vom Dach des Tempels hat man eine wunderschöne Aussicht. Ich kaufte mir einen Turban und auch einen für meinen Bruder als Souvenir. In Manali, einer kleinen Stadt im Himalaya, hatten wir einen „Schneetag“. Nach einem Winter mit Temperaturen von 25°C war es eine willkommene Abwechslung. In Rishikesh schliefen wir wieder in Zelten und raften auf dem heiligen Fluss Ganga. In Delhi besichtigten wir den „Lotus Tempel“ welcher wie eine Lotus Blüte aussieht. Außerdem besuchen wir das „India Gate“, ein Denkmal an die gefallenen britisch-indischen Soldaten des Ersten Weltkriegs. In Agra erwartete uns ein Highlight: das Taj Mahal. Es ist einfach umwerfend, wie massig und filigran es zugleich ist. Unser Guide drückte es so aus: „Der Herrscher wollte, das seine Frau in den Himmel kommt. Also baute er ihr einen Himmel.“ Das rote Fort in Agra ist riesig und wunderschön, wenn auch nicht so berühmt. Varanasi liegt auch am Ganges, das Wasser ist aber bereits bedeutend schmutziger als in Rishikesh. Hier steht auch ein Shiva Tempel, es ist also ein sehr göttlicher Ort. Viele Hindus kommen hierher zum Sterben. Am Abend wohnten wir dem „Agni Pooja“ bei, einer Art Anbetung, die Shiva, dem Fluss Ganga, Surya (Sonne), Agni (Feuer) und dem ganzen Universum gewidmet ist. Unsere letzte Station war Nagpur, wo die meisten der Austauschschüler des Distriktes 3030 herkamen. Die Distriktleitung organisierte eine kleine Abschiedsparty.

Als wir nach Hause kamen, fand gerade Holi statt und Rotary organisierte eine Feier für uns. Holi wird in ganz Indien gefeiert. Auch dieses Fest wird als Sieg des Guten über das Böse gefeiert. Es markiert außerdem den Sieg des Frühlings über den Winter. Dabei bewirft man sich mit Farbpulver. Wir hatten eine großartige Farbenschlacht, entsprechend sah danach auch unsere Kleidung aus. Nach Holi kam meine letzte Schulwoche. Die Schulleiterin stellt uns bereits Ende März vom Unterricht frei, obwohl die Ferien erst Ende April begannen. Ich nutzte die Zeit um ein wenig Tamil zu lernen. In diesen letzten Monaten in Indien lernte ich, wie man mit dem Bus fährt und ich lernte einen größeren Teil von Coimbatore kennen. Anfang Mai kam dann der Himalaya-Treck. Vorher wechselte ich jedoch außerplanmäßig meine Gastfamilie, da meine zweite in die USA flog, um ihren Sohn zu besuchen. Ich kam in eine Familie, die ihre Tochter nach Frankreich schicken wollten. Ich fühlte mich direkt aufgenommen und ich sprach oft mit meiner dritten Gastmutter. Das Essen war sehr lecker und ich bekam viel davon…. Nach ein paar Tagen brach ich dann auf in den Norden. Wir flogen nach Delhi, wo wir ein paar unserer Freunde aus dem Norddistrikt wiedertrafen. Wir waren jedoch nur zwölf Austauschschüler. Mit dem Bus ging es weiter nach Manali zum „Base-Camp“. Wir wurden eingewiesen, bekamen Rucksäcke, Regenjacken und Ponchos. Am nächsten Tag nahmen wir unsere letzte Dusche und nach dem Frühstück wanderten wir los. Insgesamt waren wir sieben Tage unterwegs, für jeden Tag war für den Nachmittag eine andere Aktion geplant, wie zum Beispiel abseilen oder Seilbahn fahren. Je nachdem wie hoch wir waren, herrschte eine andere Baumart vor: erst Kastanie, dann Walnuss und schließlich Ahorn bevor wir die Baumgrenze überschritten. An unserem fünften Tag kamen wir zur Schneegrenze(ca. 4000m), am selben Tag begannen wir jedoch wieder mit dem Abstieg. Als wir wieder im Base-Camp waren, freute sich jeder wieder auf eine warme Dusche. Dann hieß es endgültig Abschied nehmen. Wir würden uns nicht noch einmal wieder sehen, es sei denn man besuche sich im Heimatland. Als ich nach Hause kam erwartete mich meine neue Gastfamilie. Meine Gastschwester stellte mich den anderen zukünftigen Austauschschülern vor, ein Junge würde in den Distrikt 1900 kommen. Nach gerade mal vier Wochen mit meiner dritten Gastfamilie wurde mir mitgeteilt, dass ich wieder die Gastfamilie wechseln würde. Bis zum Tag des Umzugs wusste ich nicht, zu welcher Familie ich kommen würde. Es stellt sich heraus, dass ich zu einem zukünftigen Austauschschüler kommen sollte, den ich bereits am Anfang meines Austauschjahres auf einer der Hochzeiten kennengelernt hatte, und der nach Potsdam gehen sollte. Ich fühlte mich auch hier direkt aufgenommen, ich hatte außer meinem Gastbruder noch eine jüngere Gastschwester und einen Gasthund. Auch mein vierter Gastvater führte eine Schule und ein Familienunternehmen. Auf der Schule wurde(für Indien) sehr untypisch unterrichtet, nämlich mehr spielerisch im Kindergarten, ab der Grundschule weniger, der Spaßfaktor blieb aber weiterhin erhalten. Ich erfuhr, dass im Austauschjahr 2016/17 Austauschschüler hier zur Schule gehen würden und beneidete sie bereits. Denn anstatt nur in der Schule herumzusitzen würden sie direkt von Anfang an Tamil lernen, etwas das mir verwehrt blieb. Außerdem würden sie auch ein paar Arbeiten mitschreiben und die Chance haben, etwas typisch Indisches zu erlernen z.B. Tanz oder ein Instrument. Mit meinen Gastgeschwistern verstand ich mich prima und ich übte deutsch mit meinem Gastbruder. Meine Familie nahm mich mit nach Chennai, um das Visum für meinen Bruder zu beantragen. Es war ein schönes Wochenende, ich lernte außerdem die Familie meiner Mutter kennen.

Nach einer viel zu kurzen Zeit musste ich dann anfangen meinen Koffer zu packen. Kurz bevor ich nach Deutschland flog, kam mein erster Gastbruder aus Berlin zurück. Um ihn zu begrüßen kam die ganze Familie meiner ersten Gastmutter nach Coimbatore und ich konnte mich auch von ihnen verabschieden. Am Abend vor meinem Abflug gingen meine erste und vierte Gastfamilie mit mir in mein Lieblingsrestaurant. Am nächsten Tag war ich noch nicht bereit nach Deutschland zu fliegen, doch ich hatte keine andere Wahl. Ich realisierte, dass dieser Abschied härter war als der von meiner Familie in Deutschland. Damals wusste ich, ich würde sie nach elf Monaten wiedersehen. Jetzt wusste ich nicht, wann ich meine vier indischen Familien wiedersehen würde. Nach dem letzten Foto ging ich in den Flughafen, mit hoffnungslosem Übergepäck. Erst als ich im Flieger saß, wurde mir klar, dass mein Austauschjahr jetzt vorüber war. Ich flog über Chennai und hatte dort sechs Stunden Aufenthalt. Als ich im Flugzeug nach Frankfurt war und ich den Boden unter mir wegfallen sah, kamen mir sogar die Tränen. Ich landete in Frankfurt und wurde von meiner deutschen Familie empfangen. Es war schön sie alle wieder zu sehen, doch dachte ich immer noch an Indien. Meine Geschwister hatten eine Überraschungsparty geplant und hatten alle meine Freunde eingeladen. Während dieser Feier vergaß ich mein Fernweh, obwohl alle wissen wollten, wie es mir in Indien ergangen war. In den nächsten Wochen, während der Ferien, versuchte ich mich wieder einzuleben, was mir aber nur schwerlich gelang. Es war wie ein zweiter Kulturschock. Was ich zuvor an Indien bemängelt hatte, wie die Unpünktlichkeit, hatte ich zu schätzen gelernt und fand es schwer, wieder pünktlich zu sein. Auch das Essen fehlte mir sehr. Die Schule rückte immer näher und ich hatte nichts getan, um den verpassten Schulstoff nachzuholen. Ich war absolut lustlos, bis zur zweiten Schulwoche. Dann brachte ich es bereits so weit, morgens etwas zu lächeln und mich am Unterricht zu beteiligen. Ich habe immer noch Kontakt mit meinen Freunden in Indien und vermisse sie, aber ich habe auch ein Leben hier zu leben. Bis zu dieser Erkenntnis war es für mich ein weiter Weg. Mein Austausch war auf jeden Fall das beste Jahr meines Lebens, die Erinnerungen daran werden mich, ebenso wie die neuen Freunde wohl mein ganzes Leben lang begleiten. Ich bin durch meinen Austausch selbstbewusster und verantwortungsvoller geworden, außerdem habe ich meine Leidenschaft fürs Reisen entdeckt. Mein Fernweh geht nicht so schnell weg wie mein anfängliches Heimweh, es wird vermutlich sehr lange bleiben. Indien ist eines der für einen Austausch am geeignetsten Länder, weil es unendlich verschiedene Facetten hat. Man lernt alles neu kennen und muss sich an alles neu gewöhnen; von Klima über Essen und Sprache bis hin zur Kultur. Ich empfehle jedem, der überlegt einen Austausch zu machen, nach Indien zu gehen. Es ist nicht ganz einfach, sich an die Kultur (bzw. das Essen) zu gewöhnen, es lohnt sich aber auf jeden Fall. Vor allem für Jungen ist es empfehlenswert, da sie eher frei herumlaufen dürfen als Mädchen, aber auch für Mädchen hält es vieles bereit.