Meilensteine der Kinder- und Jugendarbeit in Hamburg

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JUGENDPOLITIK

Meilensteine der Kinder- und Jugendarbeit in Hamburg von Wolfgang Hammer Ein paar Worte vorweg Seit 1984 bin ich in Hamburg für die Gestaltung der Rahmenbedingungen auf fachbehördlicher Ebene für die Kinder- und Jugendarbeit zuständig. Als ich 1981 nach Hamburg kam, lagen mehrere Jahre ehrenamtlicher Erfahrung in der Kinder- und Jugendarbeit, sowie sieben Jahre hauptamtlicher Berufstätigkeit beim Landesjugendamt Rheinland hinter mir. Mein Gestaltungsinteresse an der Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendarbeit speiste sich also aus zwei Quellen: Zum einen war ich auf Grund meiner eigenen Erfahrung ab dem 16ten Lebensjahr zutiefst davon überzeugt, dass Offene Kinder- und Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit für Kinder und Jugendliche ein Erlebnis- und Lernfeld darstellen, das nachhaltigen Einfluss auf den Wert von Kindheit und Jugend, aber auch für die zukünftige Lebensplanung haben kann. Mir war klar, dass dieser Wert nicht von allein entsteht, sondern dass er abhängig ist von Rahmenbedingungen und Strukturen, vor allem aber von den Menschen, die als haupt-, ehrenund nebenamtliche MitarbeiterInnen den Alltag von Kinderund Jugendarbeit gestalten. Zum anderen hatte ich durch meine Arbeit als Referent für den Bereich Kinder- und Jugendarbeit im Landesjugendamt Rheinland Erfahrung darin gesammelt, wie man mit fachlicher Unterstützung durch Gestaltung von Förderrichtlinien und den Austausch mit der Fachpraxis Rahmenbedingungen verändern kann und damit eine wichtige Nahtstelle zwischen Fachpraxis und Politik übernehmen kann. Foto: L. Wagner

An diesen Grundüberzeugungen hat sich bis heute nichts geändert. Mein Rückblick auf den Zeitraum 1984 bis heute versucht deshalb aus subjektiver Sicht wesentliche Meilensteine, in wenigen Ausnahmen auch Stolpersteine, zu identifizieren und abschließend einen aktuellen Blick auf die Ist-Situation zu werfen.

Meilenstein: sozialpolitische Orientierung Wenn man wie ich, Anfang der 80er Jahre nach Hamburg kam, musste man feststellen, dass die Offene Kinder- und Jugendarbeit Hamburgs geprägt war durch einen hohen Grad an Standardvorgaben für überwiegend große Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, die sich überwiegend in städtischer Trägerschaft befanden. Diese Ausrichtung brachte zum einen eine relativ hohe Planungssicherheit, zum anderen fehlte ihr aber die Flexibilität, um bedarfsgerecht in den Stadtteilen auf Entwicklungen in der Stadtgesellschaft mit Auswirkung

Die Stärkung der bezirklichen Autonomie ist alternativlos. auf die Jugendszene reagieren zu können. Mit der sozialpolitischen Orientierung der Offenen Kinder- und Jugendarbeit wurde der Blick weg von generell standardisierten Programmvorgaben und Musterraumprogrammen auf eine bedarfsgerechte Entwicklung der Offenen Kinder- und Jugendarbeit gelenkt, die sich aus den Lebenslagen der Menschen, und insbesondere aus den Folgen der Veränderung dieser Lebenslagen für die Kinder und Jugendlichen ableitete. Zugleich wurde das Privileg der Vorrangigkeit öffentlich getragener Einrichtungen aufgelöst und der Weg bereitet für die Schaffung neuer Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit mit unterschiedlicher Ausrichtung auf Alterszielgruppen und Lebenslagen überwiegend in Freier Trägerschaft. Diese Neuorientierung war keineswegs unumstritten. Viele PraktikerInnen kritisierten damals die mit der Neuausrichtung verbundene Abkehr von verlässlichen und standardisierten Planungsvorgaben für die ganze Stadt und befürchteten eine höhere Unsicherheit im Hinblick auf Ausgestaltung und finanzielle Absicherung der Arbeit. Diese sozialpolitische Orientierung ist in den späteren Jahren in nahezu allen Großstädten Deutschlands übernommen worden, da sich der hohe Grad an Standardisierung und Vorgaben für inhaltliche Arbeit und Programmstrukturen als hinderlich für eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung der Offenen Kinder- und Jugendarbeit heraus gestellt hat.

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Meilensteine der Kinder- und Jugendarbeit in Hamburg

In Hamburg ist infolge dieser Senats- und Bürgerschaftsentscheidung ein breites Netz von Einrichtungen der Kinderund Jugendarbeit entstanden. Der Einfluss Freier Träger auf den öffentlichen Diskurs und die Auseinandersetzung um die fachliche Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendarbeit ist größer geworden, und das Angebot für die Kinder und Jugendlichen dieser Stadt hat sich vor allem in den sozial belasteten Stadtteilen schrittweise ausgeweitet und qualifiziert. Die grundsätzlichen fachpolitischen Überlegungen, die diesen Senats- und Bürgerschaftsentscheidungen zugrunde lagen, sind auch für alle Folgesenate und Bürgerschaften bis heute handlungsleitend gewesen. Die spezifische Ausrichtung am regionalen Bedarf, die inzwischen entwickelten Vorgaben in Globalrichtlinien für die Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendarbeit und die ausgewiesenen Fachstandards bezogen auf Planungsräume folgen alle der gleichen Leitidee: die Bedarfsentwicklung von Raumstrukturen und Programmen unter möglichst weitgehender Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen zu planen und die vorhandenen Ressourcen flexibel einzusetzen.

Foto: B. Mews

teipolitisch aufgestellt waren, desto erfolgreicher haben sie ihren Gestaltungsauftrag wahrgenommen.

Meilenstein: Entdeckung der Mädchen als eigene Zielgruppe

Foto: M. Essberger

Meilenstein: Stärkung der bezirklichen Autonomie Anders als zu Anfang der 1980er Jahre, als alle Jugendhilfebereiche Hamburgs noch zentral von der Fachbehörde gesteuert wurden, hat sich insbesondere im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit die Stärkung der bezirklichen Gestaltungsautonomie auch durch verschiedene Novellierungen des Bezirksverwaltungsgesetzes als ein prägender Faktor herausgestellt. Diese Entwicklung wird nicht immer und von allen als überwiegend positiv wahrgenommen, ist aber meines Erachtens alternativlos und bietet auch mehr Chancen als eine zentrale Steuerung in einer Stadt, in der sieben Bezirke ihre kommunalpolitischen Spielräume nutzen können, um Akzente im Angebotsspektrum der Kinder- und Jugendarbeit setzen zu können. Die bezirklichen Jugendhilfeausschüsse haben dadurch an Gewicht gewonnen. Je näher sie in ihren Entscheidungen den fachlichen Erfordernissen der Praxis waren, je enger sie mit den Fachleuten der Einrichtungen kooperiert haben und je weniger sie par-

Die fachliche Auseinandersetzung um geschlechtsspezifische Anforderungsprofile in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit hat in Hamburg Ende der 1980er und in den 1990er Jahren auch nach zahlreichen öffentlichen kontroversen Auseinandersetzungen dazu geführt, dass mädchenspezifische Profile im Angebotssystem der Offenen Kinder- und Jugendarbeit entstanden sind, sowohl durch die Schaffung zusätzlicher Einrichtungen als reine Mädcheneinrichtungen, als auch durch die Entwicklung mädchenspezifischer Angebotskonzepte, die in gemischtgeschlechtlichen Einrichtungen eigene Programm- und Raumressourcen für Mädchen gesichert haben. In dieser Zeit sind wesentliche Impulse für die fachliche Qualifizierung der Mädchenarbeit von Hamburg ausgegangen, die Auswirkung auf die Entwicklung der Angebotsstruktur der Mädchenarbeit in Deutschland gehabt haben. Das Thema „Geschlechterrollendifferenzierung“ hat sich in der Folge auch auf die Notwendigkeit eigenständiger Konzepte von Jungenarbeit ausgerichtet. Dieser Prozess ist fachlich noch nicht abgeschlossen.

Stolperstein: Kopfgeldpauschale Ein Vorhaben des Senates, mit einer sogenannten Kopfgeldpauschale das gesamte Finanzierungssystem der Offenen Kinder- und Jugendarbeit umzustellen und die Finanzierung von der Anzahl der Kinder und Jugendlichen abhängig zu machen, ist der einzige Steuerungsversuch eines Hamburger Senats im Bereich Kinder- und Jugendarbeit gewesen, dem

Der Prozess der Geschlechterrollendifferenzierung ist fachlich noch nicht abgeschlossen.

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kein Erfolg beschieden war. Der Widerstand der Fachbasis war nachher so stark, dass auch in der Bürgerschaft und im Senat diese Pläne nicht weiter verfolgt wurden. Die Idee allerdings, die hinter dem Kopfgeld stand, nämlich die Verteilung der Ressourcen möglichst gerecht zu gestalten und sie sowohl von der Zahl der Kinder und Jugendlichen, als auch von der sozialen Belastung der Zielgruppe in den verschiedenen Stadtteilen abhängig zu machen, ist nicht erfolgslos gewesen. Sie spiegelt sich wieder in den Schlüsseln zur Verteilung der Rahmenzuweisung und ist immer wieder Anlass, über die Indikatoren und die Schlüsselmodelle neu nachzudenken mit dem Ziel, mehr Verteilungsgerechtigkeit zu erreichen.

Meilenstein: Einführung neuer Steuerungsmodelle in der Kinder- und Jugendarbeit Hamburg war die erste Stadt in Deutschland, die die weitestgehend umstrittenen Steuerungsmodelle in der Kinder- und Jugendarbeit eingeführt hat. Anders als in anderen Städten gab es auf Verwaltungs- und Politikseite keinen unkritischen Hurrapatriotismus, der meist dazu geführt hat, sich abhängig von Unternehmensberatungen zu machen. In Hamburg gab es einen zwar konfliktreichen, im Ergebnis aber im wesentlichen

Die Kopfgeldpauschale war ein Stolperstein und trotzdem ein Schritt hin zu mehr Verteilungsgerechtigkeit. konsensualen Aushandlungsprozess über drei Jahre, der breit dokumentiert ist und außerhalb Hamburgs später viele NachahmerInnen gefunden hat. Vor der Einführung neuer Steuerungsmodelle gab es keinen Überblick über die Angebotsstruktur, über die BesucherInnen und über Nutzungspräferenzen, die eine Planung der Angebotsstruktur ermöglicht hätten. Danach gab es einen in den Folgejahren immer weiter entwickelten Berichtsbogen zur Offenen Kinder- und Jugendarbeit und eine konsensual abgeFoto: M. Essberger

Foto: M. Essberger

stimmte Globalrichtlinie, die im wesentlichen auf die Planungsverantwortung der Bezirke in den Sozialräumen setzte und in Kooperation von Fachbehörde, Bezirken und Freien Trägern weiter entwickelt wurde. Erstmals hatte die Hamburgische Bürgerschaft ein hohes Maß an Transparenz über die Angebotsstruktur, deren Nutzung, die Verteilung der Ressourcen auf die einzelnen Bezirke und die Veränderungen in Trägerschaft und programmatischer Ausrichtung der Einrichtungen. Sie ermöglicht bis heute als Grundlage eine sowohl landesweite als auch kleinräumige Bewertung der Angebotsstruktur und ihrer Leistungsfähigkeit.

Meilenstein: Ausbau der überregionalen Angebote der Kinder- und Jugendarbeit Durch die stärkere Ausrichtung auf eine Jugendhilfeplanung in den Sozialräumen durch die zuständigen Bezirksämter wurde in den 1990er Jahren und im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends auch sichtbar, an welcher Stelle eine Stadt wie Hamburg gut beraten ist, mit überregionalen Angeboten effektiv und bezirksübergreifend auf bestimmte Lebenslagen zu reagieren, die in der Regelstruktur der Offenen Kinderund Jugendarbeit in den Bezirken nicht abgedeckt werden konnten. In diesem Zeitraum ist in Hamburg ein beeindruckendes überregionales Angebot der Kinder- und Jugendberatung entstanden, das seine Schwerpunkte, insbesondere in den Bereichen „Suchtprävention“ und „sexuelle Gewalt“ szenespezifische Angebote gefunden hat und im wesentlichen die Struktur des Landesförderplans prägt, der gerade aktuell im Sommer 2010 mit Zustimmung des Landesjugendhilfeausschusses fortgeschrieben wurde. Hamburg kann es sich dabei zugute schreiben, diese Entwicklung, die auch mit erheblichen zusätzlichen Aufwendungen erfolgt ist, möglich gemacht zu haben, ohne diese Mittel aus den Regeleinrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit umzuschichten. Hamburg verfügt damit sowohl über eine gute, grundständige Ausstattung der Kinder- und Jugendarbeit als auch über ein gut ausgestattetes überregionales, spezialisiertes Beratungs- und Unterstützungsangebot.

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Meilensteine der Kinder- und Jugendarbeit in Hamburg

Sozialräumliche Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (Entsäulung) Als zum Ende des Jahrtausends die zum Teil lagerkampfartige öffentliche Auseinandersetzung zwischen Offener Kinder- und Jugendarbeit und Hilfen zur Erziehung in Hamburg geführt wurde, sah es zum Teil nach einem Ressourcenkampf aus, in dem es um Sieger und Besiegte hätte gehen können. Die Qualität dieser Diskurse hatte sich jedoch verändert und das übergreifende Ziel der Entsäulung der verschiedenen Leistungsbereiche der Jugendhilfe in den Fokus genommen. Unter dem Stichwort „Weiterentwicklung der Jugendhilfe und sozialräumliche Ausgestaltung der Angebotssysteme“ wurden in Hamburg wie in keiner anderen Stadt an den verschiedensten Stellen die Leistungsbereiche von Kinder- und Jugendarbeit, Familienförderung und Hilfen zur Erziehung zusammen geführt. Die sogenannten Schnittstellenprojekte und Modellprojekte als Nachfolger der Kinder- und Familienhilfezentren waren Vorläufer einer Integration der unterschiedlichen Jugendhilfeleistungen, meist unter dem Dach eines Träger- oder Trägerverbundes und führten in vielen Stadtteilen nicht nur zu eiFoto: FORUM

ner Verbesserung der Zusammenarbeit, sondern auch zu einem Ausbau der niedrigschwelligen Angebote für Familien in belasteten Stadtteilen. Mit der flächendeckenden Umsetzung der sozialräumlichen Angebotsentwicklung auf der Basis einer Öffnung der Finanzierungskorridore zwischen dem Budgetbereich und den Einzelfall finanzierten Hilfen, wie es ihn in keiner anderen deutschen Stadt gab, war es möglich, das gesamte Jugendhilfesystem Hamburgs in seinen Leistungsbereichen stärker zu verknüpfen und in allen belasteten Stadtteilen neben den traditionellen Angeboten der Offenen Kinder- und Jugendarbeit neue Angebotsformen entstehen zu lassen, in denen auch die Qualitäts- und Angebotsmerkmale der Offenen Jugendar-

Die neuen Steuerungsmodelle gewährleisten ein hohes Maß an Transparenz und ermöglichen eine effektive Bewertung der Angebote.

In Spezialbereichen wie „Suchtprävention“ oder „sexuelle Gewalt“ sind überregionale, spezialisierte Angebote unerlässlich. beit, wie Freiwilligkeit des Zugangs und informelles Lernen genutzt werden konnten, um das gesamte Jugendhilfesystem in Hamburg zu verbessern. In den inzwischen weiteren über 60 Projekten der sozialräumlichen Angebotsentwicklung verbinden sich in Hamburg inzwischen die Elemente der Familienförderung mit denen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und der Hilfen zur Erziehung zu einem besonders erfolgreichen Strukturmodell.

Meilenstein und Stolperstein: Kooperation Jugendarbeit und Schule Die Kooperation zwischen Jugendarbeit und Schule hat nicht nur aufgrund der Entwicklung des Schulsystems hin zu mehr Ganztagsangeboten in ganz Deutschland an Bedeutung gewonnen, sondern auch für beide Bereiche die Notwendigkeit der Zusammenarbeit auf Grund der Einschränkung des Zugangs zu Bildungschancen und der zunehmenden Bedeutung des informellen außerschulischen Lernens eine neue Dimension erreicht. Von den ersten Vorläufermodellprojekten des „PRO REGIO“-Programms bis zur heutigen Zusammenarbeit von Schulen und Einrichtungen der Jugendarbeit liegt ein langer Entwicklungszeitraum, der vor allem geprägt war durch das Bestreben der Jugendarbeit, auch in verlässlichen Kooperationen ihre Eigenständigkeit zu bewahren und den Wert ihres Angebots für Kinder und Jugendliche als außerschulisches Lernfeld auf der Basis von Freiwilligkeit mit dem Ziel einer Ermutigungskultur zu bewahren. Dieser Anspruch wird nicht nur fachpolitisch vertreten, sondern war zugleich auch Gegenstand von Kooperationsvereinbarungen auf Landesebene gewesen, bzw. muss in zukünftigen Kooperationsvereinbarungen gesichert werden. Mit der Weiterentwicklung der Stadtteilschulen wird die Zusammenarbeit von Kinderund Jugendarbeit und Schulen an diese Erfahrungen anknüpfen und entsprechende Kooperationserfahrungen zur Grundlage einer regelhaften Kooperationsstruktur machen müssen. Nur wenn das gelingt, wird die Kooperation von Schulen und Jugendarbeit zu einem Meilenstein, insbesondere des Ausgleichs sozialer Benachteiligung.

Abschlussbemerkung Aus meiner Kenntnis der Entwicklung in anderen Städten und Bundesländern weiß ich, dass alle wesentlichen Meilensteine der Hamburger Kinder- und Jugendarbeit für sich in Anspruch nehmen können, den Stand der aktuellen Fachdiskussion widerzuspiegeln und damit auch politische Berücksichtigung gefunden zu haben. Stolpersteine stellen sich immer im Alltag dar, wenn die Zusammenarbeit zwischen Institutionen oder das Zusammenspiel zwischen bezirklichen Einrichtungen und Ju-

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gendhilfeausschuss im Einzelfall gestört ist, wenn die Diskurse zur Weiterentwicklung vernachlässigt werden, wenn man sich auf Erreichtem ausruht. Das trifft sowohl auf die gestaltenden Ebenen in Bezirken und Fachbehörde zu als auch auf die Dachorganisationen Freier Träger wie auf jede einzelne Einrichtung. Deshalb wird es auch für die Offene Kinder- und Jugendarbeit in Hamburg keinen Stillstand geben. Wichtig ist, dass die seit den 1980er Jahren bis in das Jahr 2010 erfolgten Festlegungen und Weiterentwicklungen von Rahmenbedingungen (Meilensteine) aufeinander aufbauen, keine gravierenden Systemwechsel und Brüche ausgelöst haben und durch einen breit angelegten Fachdialog zwischen Praxis, Bezirken, Fachbehörde und Freien Trägern unter ständiger Begleitung relevanter Fachwissenschaft fortentwickelt wurden. Das brauchen wir auch für die Zukunft.

Dr. Wolfgang Hammer leitet die Abteilung Kinder- und Jugendhilfe im Amt für Familie, Jugend und Sozialordnung der Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz.

Jugendhäuser ohne Jugend!? von Marion Panitzsch-Wiebe

Die Anzahl der älteren BesucherInnen in der Jugendarbeit ist kontinuierlich zurück gegangen. Regelmäßig wird von ExpertInnen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit die Schwierigkeit thematisiert, insbesondere ältere Jugendliche mit spezifischen Angeboten des Arbeitsfeldes zu erreichen. Während zur Stammbesucherschaft eher Kinder, Kids und jüngere Jugendliche zählen, ist die Zahl der älteren BesucherInnen kontinuierlich zurück gegangen. Bevor im Folgenden dieses Phänomen näher beleuchtet wird, sei jedoch darauf hingewiesen, dass es sich bei der Offenen Kinder- und Jugendarbeit um ein sehr heterogenes, komplexes Handlungsfeld handelt, welches sich durch eine Vielzahl unterschiedlicher Angebotsformen, Zielgruppen, differenzierter Konzepte und speziellen Arbeitsansätzen auszeichnet. Vor dem Hintergrund sich stetig ändernder Bedarfe junger Menschen, ihren unterschiedlich artikulierten Interessen und Bedürfnissen unterliegt die Offene Kinder- und Jugendarbeit beständigen Wandlungsprozessen. Von daher ist die eingangs formulierte Problematik sicherlich nicht generalisierbar,

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und allgemein verbindliche Aussagen zur Weiterentwicklung der Jugendarbeit sind schwer möglich. Eine Jugendarbeit, die jedoch darauf abzielt, die Präsenz von älteren Jugendlichen in ihren Einrichtungen zu erhöhen, kommt nicht umhin, sich mit den klassischen analytischen Fragen des aktuellen gesellschaftlichen und institutionellen Kontextes und den Bedarfen junger Menschen auseinanderzusetzen, ehe entsprechende Handlungskonzepte entwickelt werden.

Jugend im Kontext gegenwärtiger gesellschaftlicher Entwicklungen

Foto: J. Gerbing

Die Entgrenzung der Ökonomie (Elsen, 2007, 15ff) hat dazu geführt, dass jeglicher Lebensbereich des Menschen bis hin zu individuellen Subjektivierungsprozessen der Rationalität von Effizienz und Effektivität Folge zu leisten hat. So wird auch das knapper werdende „Gut“ Jugend von der Erwachsenengesellschaft vornehmlich unter dem Focus der Verwertbarkeit wahrgenommen. Erwartet werden die bruchlose Einfädelung in den Produktionsbereich bzw. die zügige Vorbereitung für den Arbeitsmarkt. Ansonsten wachsen Jugendliche heute in einer Gesell-

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