MEHR SCHALL RAUCH ALS CHORARBEIT MIT NLP MASTERARBEIT NLP

MEHR SCHALL ALS RAUCH CHORARBEIT MIT NLP MASTERARBEIT NLP ANNETTE SPIEKERMANN MÜNCHEN, IM APRIL 2008 Sing mal wieder...! 1. Einleitung: Ziel u...
Author: Curt Beltz
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MEHR SCHALL ALS

RAUCH CHORARBEIT MIT NLP

MASTERARBEIT NLP

ANNETTE SPIEKERMANN MÜNCHEN, IM APRIL 2008

Sing mal wieder...!

1.

Einleitung: Ziel und Motivation für diese Arbeit Wenn die Luft aus der Lunge Richtung Kehlkopf fließt und das Stimmbandsystem alles gut verschließt, wenn die Stimmlippen mitwippen, bis sie richtig klingen bezeichnet man den Vorgang allgemein als Singen. Der Kehlkopf ist dabei der Tongenerator, die Stimmbänder sind gewissermaßen der Vibrator, über 60 Muskeln geben Gas, doch das Allerbeste: Singen macht Spass! Wise Guys „Klartext“ 2001

Meine langjährige Liebe und Begeisterung für die Musik ist meine Motivation für die Wahl dieses Themas meiner NLP-Masterarbeit. Als Sängerin in verschiedenen Chören habe ich über viele Jahre oft äußerst gelungene und manchmal auch weniger gelungene Chorarbeit am eigenen Leibe erfahren, wurde damit auch sensibilisiert für die Beobachtung anderer Sänger und Chöre. Seit einigen Monaten leite ich selbst einen A Capella-Chor und ein Ensemble, die mir – wieder einmal! – zeigen, dass es beim gemeinsamen Singen um so viel mehr geht als das korrekte stimmliche Erzeugen von Tönen... Singen – ob in der Chorprobe, allein zuhause oder im Konzert vor Publikum – ist Kommunikation und damit ein wertvolles Betätigungsfeld für NLP. Ansätze für ein gezieltes Arbeiten mit NLP im Chor gibt es viele; diese Arbeit greift zwei besondere Aspekte heraus: Rapport im Chor: die Erfassung und Optimierung der vielfältigen Kommunikationsebenen im Chor, zwischen den einzelnen Sängern, mit dem Chorleiter, mit dem Publikum – alle werden bereichert durch geschulte Wahrnehmung und damit gesteigertes, differenziertes Ausdrucksvermögen. Einige „Chor-spezifische“ Übungen nutzen konkret die Formate und Techniken des NLP, um Rapport zu vertiefen und Botschaften besser zu vermitteln. Die Atmung wird als ganz besonderes Kommunikations-Werkzeug enttarnt und gezielt zur Verbesserung der Verständigung eingesetzt – wie, das findet sich in Kapitel 2. Gehörbildung: fast schon ein „Muß“ für jeden Musiker hat die musikalische Gehörbildung auch den Ruf, nicht wirklich ‚lernbar’ zu sein – entweder, man hat das Glück und hört gut (= differenziert), oder man findet sich mit dem Gegenteil ab. Dass man mit klassischen, schulischen Lerntechniken nicht sehr weit kommt, bei dem Versuch, das Gehör zu bilden, ist einsichtig, da ganz andere Sinne angesprochen werden. Wie man eben doch alle Sinne nutzen kann, um den Gehör-Sinn zu schulen, und dies neben Spass auch noch messbaren Erfolg bringt, wird in Kapitel 3 vorgestellt.

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2.

Ein-Klang statt Vielklang – Rapport im Chor

Im Chor zu singen, einen Chor zu leiten, im Konzert als Chor das Publikum zu begeistern – all das ist Kommunikation und all das geht nicht ohne Rapport – ohne den Aufbau einer tragfähigen Kommunikationsbasis, auf der Inhalte transportiert, Intentionen vermittelt und letztlich Musik für alle Beteiligten erfahrbar wird. Im folgenden wird auf spezielle Aspekte der Rapport-Bildung und –Erhaltung im Rahmen der Chorarbeit eingegangen und an gegebenen Stellen auf Chancen sowie konkrete Maßnahmen eingegangen, die mit dem Fokus auf Rapport, Pacing und Leading das Musik-Erlebnis Chor bereichern. 2.1.

Rapport zwischen Chor und Chorleiter

Hier scheint mir eine Vorbemerkung angebracht: Sängerinnen und Sänger in Hobby- oder Freizeitchören sind keine Profis, investieren einen Teil ihrer Freizeit in die Chorarbeit, möchten sich in der Chorgemeinschaft wohlfühlen und gemeinsam etwas schaffen, auf das sie stolz sein können – z.B. ein Repertoire aufbauen oder ein Konzert gestalten. Dafür zahlen sie in der Regel einen Chorbeitrag und erwarten damit vom Chorleiter, diese ihre Ziele zu verwirklichen. Der Chorleiter sollte sich im Klaren sein, was er von seinem Chor erwarten kann, mit welchen Methoden er dies erreichen kann und will und die dafür nötige Infrastruktur schaffen. Dann sollte er es – in meinem Bild der Welt – als seine Aufgabe ansehen, die Erwartungshaltung der Sängerinnen und Sänger zu erfassen, sie gegebenenfalls diskutierend zu korrigieren und dann den gemeinsamen Weg aufzeigen, auf dem diese Erwartungen erfüllt werden können. Weder kann ein Chor seinem Chorleiter vorschreiben, wie gearbeitet werden muss, noch kann der Chorleiter die Sänger ohne Mitspracherecht einzig als „Ausführende“ in die Chorarbeit integrieren. Bereitschaft zum Rapport sollte auf beiden Seiten vorhanden sein, das aktive Leading obliegt stets dem Chorleiter. Einige konkrete Vorschläge zum Aufbau von Rapport: Einladung zum Imitieren: Der Chorleiter kann es in der Probenarbeit etablieren, dass die Sänger stets versuchen sollen, möglichst viel der nonverbalen Kommunikation des Leiters zu imitieren. Diese konkrete Einladung zum Pacing ermöglicht den raschen, effektiven Transport von Botschaften und erweitert den Einfluss des Dirigenten weit über das Dirigat hinaus. Durch Vorgabe einer passenden Körperhaltung, Mimik und Gestik werden Stimmungen, Klangeindrücke weit effektiver transportiert, als durch verbales Beschreiben oder musikalische Notationen (die von Laien meist sowieso nicht verstanden werden). Erweiterung dieses Konzeptes: Der Chor wird geteilt, die eine Hälfte singt eine Passage, die andere Hälfte reagiert mimisch und in Gesten und Körperhaltung auf das, was sie empfindet. Kommt vom „Publikum“ nur wenig Resonanz, bemühen sich die Sänger automatisch, ihre Intention klarer zu vermitteln (siehe auch Kapitel 2.4, Rapport zwischen Chor und Publikum). 3

Lob, Tadel, Feedback: Egal, ob Lob oder Tadel angesagt ist: Rapport muss dem voraus gehen. Mit den klassischen Feedback-Regeln liegt man richtig: erst einige positive Aspekte (die gibt es immer!) klar herausstellen, dann konstruktive Kritik üben. Auf wesentlich größere AnnahmeBereitschaft stößt man, wenn man den Klang, die Rhythmik, den Groove... korrigiert, nicht die Sänger, ihre Konzentration, ihre Einstellung etc. Mehr Singen, weniger Reden: Eine der kraftvollsten Methoden, im Chor Rapport (wieder) aufzubauen bzw. zu vertiefen, um dann ggf. ins Leading zu gehen, ist das Vorsingen des Chorleiters. Er „spricht damit die Sprache“ seiner Sänger, kann punktgenau vorführen, um was es ihm gerade geht, hat die Möglichkeit, durch eigenes Übertreiben eines Fehlers diesen klar aufzuzeigen – und dann wird über ihn gelacht, nicht über diejenigen, die den Fehler gemacht haben. Mindestens ebenso nachhaltig ist das Vorsingen eines gewünschten Effekts – nebst allen Aspekten der nonverbalen Kommunikation – und wird gern vom Chor aufgenommen. Hinweis: kleine „Patzer“ des Chorleiters können sehr Rapport-fördernd sein: er ist auch nur ein Mensch! 2.2.

Atmung

Der Atmung kommt in jedem Chor, bei jeder Form von Singen überhaupt, eine zentrale Rolle zu. Auf Atemtechnik, Stütze, Impulsatmung, Bauchatmung etc. soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden, eine Vielzahl von einschlägiger Literatur beleuchtet das Thema in gebotener Tiefe. Der Atmung kommt zum Aufbau von Rapport eine maßgebliche Rolle zu, einige ‚klassische’ Situationen sollen dies aufzeigen: Atemübungen zu Beginn einer Chorprobe: aus meiner Erfahrung heraus sollte jede Chorprobe mit einigen Übungen zu korrekter Atmung begonnen werden. Dies fördert nicht nur die Basis für einen „gut“ gesungenen Ton sondern fokussiert die Sängerinnen und Sänger zuerst auf sich selbst, anschließend auf die Gruppe. Ziel der Übungen soll es immer sein, im gleichen Rhythmus mit angemessener Geschwindigkeit zu atmen. Einheitliches Atmen im gesungenen Stück: zum Aufbau einer einheitlichen Phrasierung und damit zur korrekten Vermittlung textlicher Inhalte ist einheitliches Atmen im Chor essentiell. Chorleiter und Chor sprechen ab, an welchen Stellen geatmet werden darf bzw. soll. Das Einatmen kann auch gestalterisches Element in einem Stück werden (in Ausnahmen). Körperbewegung und Atmung: Bewegungen beim Singen (Klatschen, Schnippen, Schritte, Schunkeln) müssen sich neben dem Groove des Stückes wesentlich an der Atmung orientieren. Eine Phrase, die dazugehörige Atmung und die entsprechenden Bewegungen sind eine Einheit und müssen als solche aufeinander abgestimmt werden. Atmung des Chorleiters: ich empfehle, als Chorleiter beim Einüben der Stücke selbst nicht mitszusingen, da man sonst zu stark auf die eigen gesungene Stimme fokussiert ist. Unbedingt sollte der Chorleiter aber die Phrasen mit-denken und dadurch mit-atmen, was ein aktives Pacing des Chors darstellt.

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Konkrete Massnahmen, um mittels Atmung Rapport aufzubauen: „Atempause“ zu Beginn der Probe: • • • •

Chorleiter stellt sich vor den Chor Atmet sichtbar und hörbar mehrere Male ruhig ein und aus Baut dabei nacheinander mit den Chormitgliedern Augenkontakt auf Geduld: es kann etwas dauern bis alle fokussiert sind! Dabei möglichst nicht sprechen!

Ziel dieses Vorgehens ist, die Sänger zu fokussieren, sie zur Ruhe zu bringen, ohne sie zu disziplinieren. Ich vermittle mit diesem Beginn der Probe meinen Respekt vor den Sängern, die sich die Zeit nehmen, mit mir/uns zu proben – und die auch das Recht haben, sich untereinander auszutauschen. Trotzdem ist ein gemeinsamer Beginn der Probe unabdingbar und kann mit diesem Vorgehen auf einfache und höchst effektive Art und Weise ermöglicht werden. Zudem erfasse ich in diesen 1-2 Minuten sehr viel über die aktuelle Befindlichkeit der Sänger und kann den Probenstil entsprechend anpassen. Absprache von Atemzeichen eines Stückes: • • • • • •

Zuerst wird der Satz geübt, d.h. die korrekte Stimmführung Textanalyse: wo wäre es sinnvoll, zu atmen? Melodieverlauf: passt das „textliche“ Atmen zur Melodie? Sänger singen Phrase mit entsprechender Atmung vor, kommentieren, ob es für sie machbar ist. Chorleiter bestätigt/korrigiert ggf Chorleiter legt Atemzeichen für alle verbindlich fest, Sänger notieren sie in den Noten.

Obgleich der obige Ablauf trivial erscheinen mag, hat es sich diverse Male als „RapportKiller“ herausgestellt, wenn man Atemzeichen den Sängern einfach vorgibt. „Unpassendes“ Atmen reisst jeden Sänger aus dem ‚Flow’ und beeinträchtigt massiv das musikalische Empfinden. Ausserdem wird die Atmung – zu Recht! – als intimer Eigenanteil am Chorsingen empfunden; der Umgang damit bedarf entsprechender Sensibilität. Es obliegt dem souveränen Leading des Chorleiters, die Diskussion konstruktiv und straff zu führen, um die Probenarbeit nicht über Gebühr zu unterbrechen. Arbeitet man mit wenig erfahrenen Sängern, kann das obige Verfahren abgekürzt werden, in dem der Chorleiter die entsprechenden Schritte vorsingt, voratmet und damit verständlich vermittelt, ohne die Sänger zu überfordern. Solisten und Chor: Werden einer oder mehrere Sänger im Chor solistisch eingesetzt, birgt das stets ein gewisses Konfliktpotential aufgrund der Sonderstellung dieses Sängers. Um den Rapport zwischen Solist und Chor nachhaltig aufzubauen bzw. zu erhalten, bietet sich folgendes Vorgehen an: •

Der Chorleiter bestimmt den Solisten (evtl. vorher abstimmen, sollte nicht im Plenum diskutiert werden).

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• • • •

Die Passage wird erst ohne Solist mit dem Chor eingeübt, dabei singt der Solist in seiner üblichen Stimme mit. Alle achten besonders auf einheitliche Atmung. Der Solist singt sein Solo allein (ohne Chorbegleitung); alle anderen Sänger bekommen den Auftrag, ihn/sie durch paralleles Mitatmen zu unterstützen. Der Chorleiter stimmt Atmung von Solist und Chor aufeinander ab. Solist atmet bei seinen Pausen beim Chor mit, Chor ebenso beim Solisten.

Durch dieses Vorgehen erfüllt man eine Vielzahl von Notwendigkeiten und verhindert Mißstimmungen: •

• • •

Die Chorsänger haben auch während der solobedingten Pausen eine Aufgabe und „müssen“ sich auf den Solisten kalibrieren. Sie richten damit ihre Aufmerksamkeit auf ihn. Der Solist erlebt das Mitatmen des Chores als Unterstützung, die Gemeinschaft trägt ihn. Dies verhindert, dass er sich als etwas „besseres“ empfindet. Der Solist muss sich in seinen Pausen bzw. vor seinem Solo intensiv auf den Chor kalibrieren; dies erleichtert Konzentration und seinen späteren Einsatz. Mit der Aufforderung, sich auf die Atmung des Chors zu kalibrieren, kann man besonders „externe“ Solisten, die selbst nicht zur Chorgemeinschaft gehören, in Rapport mit den Sängern bringen; tatsächlich habe ich diese Methode als sehr hilfreich erfahren, wenn das Problem auftrat, übertriebenes „Diven-Gehabe“ von Solisten zu kontrollieren. Es ist auf jeden Fall förderlicher und konstruktiver, als eine öffentliche Zurechtweisung.

Hinweis: es gehört zum „guten Ton“, ein Solo nicht zu dirigieren, um dem Solisten die nötige Freiheit zu gewähren. Allerdings werden Chorsänger bei zu langen Dirigatspausen auch rasch unsicher; dies kann man vermeiden, wenn Chor und Leiter während der Soli „mitatmen“ und damit in Kontakt – eben Rapport – bleiben. Atmen wahrnehmen: Sänger sind bereits „vor-sensibilisert“ auf ihre Atmung, ein bewusster, aktiver Umgang bleibt aber immer noch häufig aus – weil die Wahrnehmung minimal ausgeprägt ist. Die folgenden Übungen schulen die Wahrnehmung der Atmung im Chor: Körperliche Wahrnehmung: • •



die Sänger stellen sich in zwei Reihen, Rücken an Rücken und bekommen die Aufgabe, sich der Atmung ihres Partners anzupassen. Die Sänger singen, Rücken an Rücken stehend, ein gut bekanntes Lied aus dem Repertoire und kalibrieren sich (ohne Dirigat!) auf eine einheitliche Atmung; die Übung kann variiert werden, in dem nur einer der beiden Partner singt während der andere seine Atmung dem Singenden anpasst. Die Sänger stehen im Kreis mit geschlossenen Augen, die Schultern berühren sich; alle bekommen die Aufgabe, sich auf einen Atemrhythmus ein-zuatmen.

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Auditive Wahrnehmung: • •

2.3.

Die Sänger hören gemeinsam eine gute Aufnahme eines Stückes ihres Repertoires und atmen mit den Sängern der Aufnahme mit (ohne zu singen). Abwandlung: Sänger lauschen einem Solisten mit geschlossenen Augen und atmen in dessen Rhythmus mit. Rapport zwischen Chor und Publikum

Es besteht ein ganz klarer Unterschied zwischen dem Singen während einer Probe und dem Singen im Konzert – von Aufregung, Umgebung etc. mal ganz abgesehen! Das Singen vor Publikum benötigt einen weiteren Aspekt, der in der „normalen“ Probenarbeit nicht vorkommt: die Aussagen des Stückes müssen kommuniziert werden. Es reicht schlicht nicht, richtig, sauber und ansprechend zu singen – eine Botschaft muss „rüberkommen“. Den Unterschied erkennt man am deutlichsten in der Reaktion des Publikums: „richtig schönes Singen“ wird mit freundlichem (wohlwollenden) Applaus quittiert, die Vermittlung einer Botschaft mit „standing ovations“. Fazit: schon in der Probe kann daran gearbeitet werden, eine Botschaft zu transportieren. Die Sänger sollen zuerst erkennen, wie wichtig dieser Teil der Probenarbeit ist. Dann können sie sensibilisiert werden für die vielen Möglichkeiten, den gewünschten Effekt zu erzielen. Und dann können sie lernen, dies „neben“ dem Singen umzusetzen. Dabei bitte aufpassen, dass man nicht vor lauter Begeisterung übers Ziel hinausschießt und über der ganzen „Show“ das richtige Singen vergisst...! •





1. Schritt: Erkennen, was eine gute „Show“ ausmacht: am besten am guten Vorbild! Gemeinsames Anschauen einer DVD, der gemeinsame Konzertbesuch mit besonderem Fokus auf die Präsentation ist hier (fast) unersetzbar. Dabei ist es oft interessant, welche Aspekte von wem wahrgenommen werden – denn der Chor ist natürlich ähnlich inhomogen wie das zukünftige Publikum! 2. Schritt: Textarbeit! Die meisten Stücke moderner Chöre werden auf Englisch gesungen; damit muss für viele Sänger erst einmal der tiefere Sinn des Textes eindeutig geklärt werden. Dazu gehört die Analyse dazugehöriger Emotionen, die wiederum durch angemessene Mimik/Gestik sowie Dynamik und Rhythmik transportiert werden kann. Faustregel: der Hörer muss einen Eindruck bekommen, um was es bei dem Stück geht, ohne ein einziges Wort zu verstehen! 3. Schitt: Melodie und Phrasierung! Wie stützt die Melodie die Aussage des Textes, wo entstehen Lücken, die entsprechend gefüllt werden müssen? Hier muss an Dynamik und Ausdruck gearbeitet werden. Ein monumentales Sforzato passt nicht zu einem schmerzvollen Verlust, der Aufruf zum Kampf klingt mit zittrigem Vibrato schlicht lächerlich!

Damit ist die Botschaft geklärt, jetzt geht es an die Umsetzung. Dabei haben sich zwei Konzepte in Kombination als besonders sinnvoll erwiesen: Das Vorbild (nonverbale Kommunikation) des Chorleiters und konsequentes Üben! Vorbild des Chorleiters: er hat die obigen drei Schritte bereits vor dem ersten Proben des Stückes für sich absolviert und setzt von allem Anfang an klare nonverbale interpretatorische Zeichen, die mit weiteren Proben zunehmend detaillierter werden. 7

Übungen zum „Transportieren einer Botschaft“: • Nonverbal Stimmungen ausdrücken: der Chor wird geteilt, eine Hälfte singt ein Stück des Repertoires und versucht dabei, eine bestimmte Stimmung (muss nicht zum Stück passen) zu vermitteln; das „Publikum“ geht mit in dem Ausmass, wie es die Botschaft empfängt. • Variation: eine Chorhälfte versucht, Stimmungen ‚grooviger’ Stücke einzig durch Klatschen (Schnippen, Körperhaltung und –bewegung) ohne Singen auszudrücken. • Variation: beide Chorhälften stehen sich gegenüber, eine bemüht sich aktiv um starke nonverbale Kommunikation, die andere Hälfte nimmt auf, was sie empfindet. Hier bietet es sich wieder an, nicht die Botschaft des Stückes zu transportieren, sondern eine andere Emotion. • Variation (für Fortgeschrittene): eine Chorhälfte singt mit dem Rücken zum Publikum und bemüht sich, durch teilweise extreme Übertreibungen eine Botschaft zu vermitteln (vorher absprechen aber nicht dem Publikum mitteilen). Zur Förderung des Rapports untereinander kann diese wie auch die anderen oben beschriebenen Übungen mit geschlossenen Augen durchgeführt werden – sowohl bei den Sängern als auch beim Publikum. • Video-Analyse: Die Sänger analysieren ein entsprechendes Video mit besonders gelungenem Rapport zwischen Publikum und Band und imitieren dies beim Singen des nächsten Stückes. Hinweis: Für erste Übungen erleichtern folgende Aspekte die Anfänge: • • • • •

Blickkontakt zum Publikum aufbauen und halten Körperlich auf Publikum zugehen Starke Gestik benutzen Körperlich „nachspielen“, was man ausdrückt Etc.

Viele der oben genannten Aspekte sind bei einer realen Aufführung nicht möglich: die Bühnenbeleuchtung verhindert den Blickkontakt, einzelne Sänger können nicht aufs Publikum „losmarschieren“, der Körper muss relativ ruhig und aufrecht gehalten werden, um sauberes Singen zu ermöglichen. Daher sollte bei fortschreitender Probenarbeit die nonverbalen Signale zunehmend dezent gesetzt werden und die Einheitlichkeit im Chor gefördert werden. Abgesprochene Schrittkombinationen sowie rhythmisches Klatschen/Schnippen etc. erleichtern diesen Prozess.

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3.

Gehörbildung

3.1.

Einleitung

Was versteht man unter Gehörbildung? Ein musikalisches Gehör erfasst Töne und Klänge wesentlich differenzierter als ein ungeschultes. Einzelne Klanqualitäten können unterschieden, Tonhöhen und –tiefen können eingeordnet werden. Ein Orchesterstück wird nicht als „ein gewaltiger Klang“ empfunden sondern als Zusammenklang vieler unterschiedlicher Komponenten erfahren. Wozu ist Gehörbildung wesentlich – speziell im Chor? Jeder, der aktiv musiziert, muss beurteilen können, ob die von ihm erzeugten Töne „passen“, d.h. richtig sind oder korrigiert werden müssen. Im Zusammenklang mit anderen ist dies oft unmittelbar zu beurteilen; bei vielen Instrumenten und vor allem bei der eigenen Stimme ist es unersetzbar, den gewünschten Ton im Voraus innerlich zu hören, um ihn dann sauber und korrekt zu singen oder zu spielen. Ein Geiger muss vorher wissen, wie der Ton klingen soll, bevor er die Finger auf den Saiten platziert und den Bogen mit dem entsprechenden Druck ansetzt. Ein Sänger muss wissen, wo er „hin singt“, um mit Atmung, Stimmritzen, Kehlkopf und Mundraum die Bedingungen zu schaffen, dass er diesen Ton auch erzeugen kann. Ein geschultes Gehör ermöglicht ausserdem das „Singen vom Blatt“, also die direkte Umsetzung einer notierten Melodie in eine gesungene Melodie, ohne dass sie vorher diverse Male vorgespielt werden müsste. Das erhöht ganz wesentlich die Souveränität des Sängers, erleichtert es ihm, seine Stimme in einem mehrstimmigen Satz zu halten und vereinfacht und beschleunigt die Probenarbeit ganz grundlegend. Ein geschultes Gehör gleicht damit einem inneren Standard, der es im Idealfall ermöglicht, die eigene Stimme korrekt und einfühlsam in den Gesamtklang zu integrieren. Wie kann man das Gehör bilden? Klassische Antwort auf diese Frage ist „jahrelange Erfahrung“. Setzt man sich intensiv über längere Zeit mit Musik auseinander, erlernt ein Instrument oder singt, so bleibt eine gewisse Gehörbildung nicht aus. Schon das bewusste Hören von Tonaufnahmen – mit entsprechenden Erklärungen zum Gehörten – schult auf Dauer das Gehör. Daneben gibt es einige Ansätze, gezielt das Gehör zu bilden, die in der Regel auf einer extremen Erhöhung der Trainingsfrequenz basieren: man schult sein Gehör nicht mehr „nebenbei“ sondern ganz gezielt mit Übungen, die einzig dem Zweck dienen, Töne zunehmend differenzierter wahrzunehmen. Entsprechende Computerprogramme sind für fast jede musikalische Zielgruppe erhältlich. Warum dann noch eine neue Gehörbildungstechnik? Bis heute gibt es meines Wissens keine wirklich dauerhaft wirksame Technik zur effizienten Gehörbildung. Stupides Training ohne vorangegangene Analyse, welche Prozesse bei der Gehörbildung tatsächlich ablaufen, kann keine nachhaltige Lösung bieten. Allerdings sollte man auch nicht erwarten, einen „Trick“ zu finden, mit dem man über Nacht perfekt 9

hört – gezieltes Training ist also unersetzlich. Der Ansatz des NLP, alle vorhandenen Sinneswahrnehmungen sowie das Unterbewusste zu nutzen, um einen Lerneffekt nachhaltig und rasch zu erzielen, ist äußerst vielversprechend, wurde aber meines Erachtens nach noch nie in diesem Kontext angewandt. Erste Erfahrungen mit der im folgenden vorgestellten ‚4plus1’-Technik bestätigen die Annahme, dass auch auf dem Gebiet der Gehörbildung sehr effektiv mit NLP gearbeitet werden kann.

3.2.

„Was denkst Du, wenn Du hörst?“ – Erfassung vorhandener Gehörbildungs-Strategien

Ziel war es, zu Beginn bei möglichst vielen Sängerinnen und Sängern zu erfassen, was in ihnen vorging, wenn sie vor eine klassische Aufgabe aus dem Bereich der Gehörbildung gestellt wurden. Dazu wurde ein Fragebogen erstellt, der die Vorgänge interner Verarbeitungsprozesse erfasst, ohne dass die Probanden detailliert mit dem StrategieModell des NLP vertraut waren. Der folgende Fragebogen wurde anhand des NLP-Strategie-Modells entwickelt, an 7 Testpersonen (mit und ohne NLP-Kenntnissen) ausprobiert, verbessert und schliesslich an 126 Sängerinnen und Sänger verschickt. Zu den Probanden: alle haben in den letzten 12-24 Monaten aktiv gesungen bzw. tun das immer noch. Die meisten sind in diversen modernen Chören aktiv, einige haben zusätzliche Gesangsstunden und/oder spielen andere Instrumente. Das Spektrum der musikalischen Vorbildung reicht von „gar keine Grundkenntnisse“ bis hin zur SemiProfessionalität. Die persönliche Einschätzung der eigenen musikalischen Kenntnisse wurde zudem am Ende des Fragebogens erfasst. 31 Fragebögen gingen in die Auswertung ein.

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Fragebogen – Gehörbildungs-Strategie

Schritt 4:

Ein Lösungsansatz wird konstruiert:

Dieser Fragebogen möchte erfassen, welche Einzelschritte zur Bewältigung einer gegebenen Aufgabe in Dir – Deinem Kopf, Deinen Gefühlen, Deiner Erinnerung – ablaufen. Bitte nimm Dir ein paar Minuten Zeit, um Deine persönliche Strategie zu analysieren.

in Form eines Bildes, z.B. das entsprechende Notenbild, oder...

Dabei gibt es kein ‚richtig’ oder ‚falsch’ - es kommt auch nicht darauf an, ob Du die gestellte Aufgabe bewältigst. Die einzelnen Fragen helfen Dir dabei, Schritt für Schritt Deine Strategie zu ermitteln. Bitte setze ein ‚x’ vor die Antwort, die Deinem spontanen Vorgehen entspricht. In manchen Fällen sind Beispiele angegeben, die Du gern durch Deine eigenen ergänzen darfst ([...], oder...). Das EXIT am Ende jedes Schrittes bedeutet, dass Du nach diesem Schritt aktiv wirst – also entweder singen oder davonlaufen oder... ☺ Wenn Du EXIT wählst, brauchst Du die folgenden Schritte nicht mehr zu prüfen.

keine Konstruktion

in Form eines Klanges, z.B. Töne werden innerlich vom c aus „hoch“ gesungen, oder... in Form eines Gefühls, ich weiß, wie sich eine Terz richtig anfühlt, oder...

EXIT

Schritt 5:

Die innere Stimme schaltet sich (wieder) ein: überprüft die Strategie, beurteilt positiv: positives Gefühl und EXIT überprüft die Strategie, beurteilt negativ: negatives Gefühl, zurück zu Schritt ...

Aufgabe: Du bekommen den Grundton c vorgespielt und sollst nun eine grosse Terz nach oben, also zum e singen – ohne die Töne dazwischen. Schritt 1:

EXIT

Die Aufgabe löst bei mir zuerst ein Gefühl aus: So eine Aufgabe kenne ich, ist wohl irgendwie machbar – Gefühl positiv Prima, das macht mir Spass – Gefühl sehr positiv

Schritt 2:

keine innere Stimme

Schleife: Falls Du wieder zurück zu Schritt .... gesprungen sind: wie geht es danach weiter?

Hm – keine Ahnung, wie das gehen soll?? – Gefühl kritisch, eher negativ

Noch ein Durchlauf, diesmal mit besserer Bewertung, dann EXIT

Oh nein, ich weiß ja, wie schwer mir so was fällt! – Gefühl sehr negativ

ich bleibe in der Schleife, werde dann nur „gezwungenermaßen“ aktiv, nicht aus eigenem Antrieb

Kein Gefühl

ich singe irgendetwas, um es hinter mich zu bekommen – aber aus eigenem Antrieb!

EXIT

Anders, nämlich...

Meine innere Stimme meldet sich: Freudig, unterstützend, aufmunternd - positiv kritisch, unsicher – eher negativ genervt – hinterfragt den Sinn der Aufgabe - negativ Keine innere Stimme EXIT

Das war´s schon! Wenn Du willst, gehe noch einmal Deine Schritte durch und überprüfe, ob Du alles berücksichtigt haben, was in Dir stattfand. Du kannst das gern auch mit einer alternativen Aufgabe, also z.B. eine Quint nach oben zu singen, prüfen. Zum Schluss bitte eine kurze Bemerkung über Deinen musikalischen Hintergrund: Ich kann Noten sicher lesen Ich spiele ein/mehrere Instrument(e) aktiv und/oder singe aktiv (Chor und/oder Solo) Ich singe aktiv, kann Noten aber kaum oder nur sehr mühsam lesen

Schritt 3:

Zur Unterstützung wird eine Erinnerung aktiviert:

Ich geniesse Musik ausschließlich passiv.

In Form eines Bildes: eine ähnliche Situation von früher, die Klaviertastatur im Bereich c – e, oder ... ein Klang, z.B. von einem Lied, das mit einer Terz anfängt, oder ... ein Gefühl, wie es früher mal in solch einer Situation war, oder... Keine Erinnerung

Vielen herzlichen Dank für Deine Unterstützung!!! Annette Spiekermann

EXIT

Mail: [email protected]

Auswertung und Fazit: Die Auswertung soll nur als Trendanalyse fungieren; eine detailliertere Statistik ist aufgrund der geringen Probandenzahl wenig sinnvoll. •

• • • •



Umgang mit dem Fragebogen: fast alle Testpersonen kamen mit der Fragestellung gut zurecht; diverse Feedbacks zeigten, dass viele erstaunt waren, wie viele Einzelschritte in ihnen abliefen, bevor sie die gestellte Aufgabe bewältigten. Die schrittweisen Fragen wurden hierzu als hilfreich beurteilt, der gesamte Bogen als „gut machbar“. Über 75% aller Testpersonen gab ein positives Grundgefühl zur gestellten Aufgabe an. 40% arbeiteten mit einer rein auditiven inneren Strategie, ergänzt durch bewertende Gefühle. Ca. ein Viertel der Probanden arbeitete mit einer inneren Strategie ohne jegliche auditive Aspekte (!!!). Drei der 31 Probanden gaben eine Strategie an, die alle primären Repräsentationssysteme beinhielt. Diese drei Probanden gaben zudem gute musikalische Grundkenntnisse an und spielten ein oder mehrere Instrumente. Nur zwei Testpersonen brachen die Beantwortung ab mit dem Hinweis, sie seien sich keiner inneren Vorgänge bewusst.

Fazit: • • • • • •

3.3.

Eine positive innere Grundeinstellung ist essentiell für den Lernprozess. Das „innere Hören“ muss bewusst erfahrbar werden Einige musikalische Grundkenntnisse sind essentiell Neben dem auditiven Kanal stützen Bilder und Gefühle den Prozess Ideal: Schaffung eines inneren Bezugspunktes, der zur Überprüfung herangezogen werden kann. Damit: „nur“ die Installation einer neuen Strategie reicht nicht aus, um das Gehör nachhaltig und effektiv zu bilden. Daher wird eine ‚4plus1’ Technik entworfen, die die Erkenntnisse aus dem Fragebogen umsetzt.

Die ‚4plus1’ Technik

Übersicht: Schritt 1: Schritt 2: Schritt 3: Schritt 4: Schritt 5:

Bewusstsein schaffen für den inneren Ton: Kinesiologie Wissen: die Töne c bis g, auf dem Klavier, in der Notation Ankern: auditiv-kinästhetisch (Chor), auditiv-kinästhetisch-visuellkinästhetisch (Coaching) Strategie installieren und üben Trance zur Gehörbildung

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Zeitrahmen: Die Schritte 1 bis 3 sollten in der angegebenen Reihenfolge wiederholt in mindestens drei bis vier aufeinander folgenden Proben eingeübt und gefestigt werden. Erst dann schließt Schritt 4 an. Schritt 5, die Gehörbildungs-Trance, kann beliebig in den Prozess integriert werden (nach entsprechender Anpassung, siehe dort), erwies sich allerdings als besonders wirksam nach Durchführung der Schritte 1 bis 4. Schritt 1: Bewusstsein schaffen für den inneren Ton: Kinesiologie Eingangs gilt es zu prüfen, ob bei allen Sängern ein Bewusstsein für das Vorhandensein innerer Töne existiert. Einfache Fragen nach Erinnerungen (Dein Lieblingslied, der Feriensong beim letzten Urlaub, ein Kinderlied) reichen oft schon aus, um sich des eigenen auditiven Gedächtnisses bewusst zu werden – und daß Töne aus der Erinnerung innerlich gehört werden können. Es kommt allerdings immer wieder vor, dass jemand meint, innerlich nichts hören zu können, bzw. unsicher ist, ob „wirklich“ etwas zu hören ist. Diese Unsicherheit kann mit Kinesiologie beseitigt werden. Je nach Situation und Kontext können verschiedene Körperhaltungen gewählt werden: • • •

Aufrecht stehend, ein Arm auf Schulterhöhe zur Seite ausgestreckt, Test auf Gegenkraft beim Herabdrücken Aufrecht stehend, eine Hand wie beim Einsingen aufs Zwerchfell gelegt, Augen geschlossen, Test auf Körperneigung nach vorn/nach hinten. Aufrecht sitzend, Daumen und Zeigefinger der Schreibhand zum Ring geformt, Test auf Gegenkraft beim Auseinanderziehen.

Nach entsprechenden Eingangsfragen, um die Reaktion zu überprüfen, stellt man eine oder mehrere der folgenden Fragen/Aussagen: • • • • • • • • • •

Wenn Du Dich an ein Lied erinnerst, kannst Du es innerlich hören. Ein bekannter Werbeslogan – Du hörst die Begleitmelodie innerlich. Du kannst für eine wichtige Entscheidung Deine innere Stimme hören. Deine innere Stimme spricht zu Dir. Deine innere Stimme kann auch singen. Bei meiner Aufforderung lässt Du Deine innere Stimme singen – jetzt! Stell Dir ein kleines Mädchen/Deine Tochter vor, wie sie vor Dir steht und „Alle meine Entchen“ singt – Du kannst Sie sogar hören. Denke an das letzte Konzert, in dem Du warst. In Dir drin ist nichts zu hören. Du kannst Dir nicht vorstellen, wie eine Feuerwehrsirene klingt. Etc.

Wichtig ist hierbei, die Fragen mit „alltäglichen“ Fragen zu mischen, und wie bei den letzten beiden auch das „Nein“ als „richtige“ Antwort zuzulassen. Ich habe diese Technik mit einigen Sängern und auch mit Menschen ausprobiert, die sich selbst als total unmusikalisch bezeichnen. Wenn auch bei weitem nicht alle Antworten eindeutig waren, so lösten sie doch immer bei allen Probanden deutliche Zweifel aus, ob ihre Selbsteinschätzung, Töne nicht innerliche hören zu können, richtig war. Damit ist die nötige Grundbereitschaft für die folgenden Schritte geschaffen. 13

Bemerkung: Ich bin auch zweimal auf Personen gestoßen, die sich schlicht weigerten, Töne innerlich zu hören, eben weil sie so unmusikalisch seien – und das sei auch schon immer so gewesen. Diese beiden hatten nur mir und meiner Arbeit zuliebe „mitgemacht“ aber explizit keinerlei Interesse an Gehörbildung. Schritt 2: Wissen schaffen Folgende Grundkenntnisse sollten explizit vermittelt werden: • • •

Die Töne c bis g, ihre Benennung, ihre Notation, ihr Klang (nacheinander, aufwärts, abwärts, einzeln, zum Bezugston c) Die Klaviatur, Lage der Töne c bis g, Anordnung der Finger 1 bis 5 der rechten Hand auf der Klaviatur. Die Grundintervalle innerhalb der Töne c bis g, bezogen auf Grundton c: Sekunde, Terz, Quart, Quint, deren Klang (nur exemplarisch an dieser Stelle).

Diese Inhalte sollten auf allen Repräsentationssystemen vermittelt werden, visuell (Klaviatur zeigen, skizzieren), auditiv (Töne anspielen), kinästhetisch (Klaviatur selbst skizzieren, Töne auf Klavier finden, Finger 1 bis 5 auf richtige Tasten, Läufe aufwärts, abwärts spielen). Idealerweise ist für die folgenden Schritte eine Skizze der Klaviatur mit Beschriftung für alle sichtbar. Auf das korrekte Vermitteln dieser Inhalte darf nicht verzichtet werden. Schritt 3: Ankern: auditiv-kinästhetisch (Chor), auditiv-kinästhetisch-visuell-kinästhetisch (Coaching) Zur Schaffung eines zusätzlichen „inneren Standards“ wird ein auditiv kinästhetischer Anker aufgebaut. Hierzu wird jeder Ton c bis g auf der entsprechenden Fingerspitze des Fingers 1 bis 5 der rechten Hand geankert, unter besonderer Berücksichtigung des Bezugstones c: • • • • •

c: Daumenspitze auf Handinnenfläche d: Zeigefinger auf Daumenspitze e: Mittelfinger auf Daumenspitze f: Ringfinger auf Daumenspitze g: kleiner Finger auf Daumenspitze

Die „Ankerplätze“ werden im Vorfeld gezeigt und genau erklärt; alle ankern auf die gleiche Stelle, jeder bei sich selbst. Auch das weitere Vorgehen wird genau erklärt, bevor man mit dem eigentlichen Anker-Installieren beginnt. Anker installieren: • • • • • • • • • •

Chorleiter spielt Ton c am Klavier Chorleiter benennt Ton c Chorleiter fordert Sänger auf, den Anker für c auszulösen, zu halten Ton ausklingen lassen Chorleiter fordert auf, Ton innerlich zu hören Stille Chorleiter fordert auf, Ton gemeinsam zu singen Anker lösen. Stille (Separator) 14

Die Sequenz wird mit dem gleichen Ton 2-3 mal wiederholt, beim letzten Mal wird als Test der Ton zu Beginn nicht gespielt, alles andere wie oben beschrieben. Beachte: der Grundton c muss besonders intensiv geankert werden. Anschließend die gleiche Prozedur für die Töne d bis g, dabei wird immer zuerst der Grundton angespielt und benannt, erst dann der neue Zielton. Die Sänger werden abschließend aufgefordert, möglichst oft in der kommenden Woche die Anker auszuprobieren, idealerweise mit Klavier zur Überprüfung (es geht auch sehr gut ohne Klavier!). Durch die Anker werden die entsprechenden kinästhetischen Reize mit dem dazu gehörigen auditiven Eindruck und mit dem Bild der Klaviatur bzw. der Hand auf der Klaviatur nachhaltig verknüpft. Wie bereits eingangs erwähnt sollten diese drei ersten Schritte wiederholt eingeübt und gefestigt werden, bevor man die neue Strategie installiert. Ab dem dritten Durchgang kann man die neuen Anker intensiver überprüfen bzw. einsetzen, z.B. • •

Durch Abfrage eines bestimmten Tones bei gegebenem Grundton c Durch Abfrage eines bestimmten Intervalles bei gegebenem Grundton c

Dabei sollte stets darauf geachtet werden, dass zum Auslösen des Ankers das innere Hören dazu kommt. Coaching: Hat man die Gelegenheit, dieses Ankern mit nur einem Klienten durchzuführen, bieten sich – vor allem bei sehr kinästhetisch orientierten Menschen – zusätzlich Bodenanker an, die man z.B. mit 5 Blättern (Töne c bis g) auf dem Boden auslegen lässt, sodass der Klient zusätzlich zum Finger-Anker auch in die jeweiligen Töne „hinein gehen“ kann. Die Bodenanker erwiesen sich zu einem späteren Zeitpunkt als besonders nützlich, als das innere Hören von Intervallen geübt wurde. Die unterschiedlich grossen Schritte zum Erreichen des jeweiligen Intervalls machten den Tonabstand sehr intuitiv erfahrbar. So lassen sich sogar einfache Melodiefolgen (z.B. Alle meine Entchen) auf den Bodenankern „ablaufen“.

Schritt 4: Strategie mit Anker installieren Folgende Strategie zur Gehörbildung soll installiert und eingeübt werden: Aex

• • • • • • •

→ AiD/K+

→ Ve → k

→Ae/k → AiD/K+

Aex: AiD/K+: Ve: K: Ae/k: AiD/K+: Exit:

externer Reiz, z.B. Grundton c vorgespielt positives Gefühl: Aufgabe ist gut zu bewältigen Bild der Klaviatur aus der Erinnerung: wo ist der gesuchte Ton Anker zum entsprechenden Ton auslösen auditive Erinnerung oder Konstruktion: Zielton innerlich hören Innere Stimme überprüft, gutes Gefühl bestätigt Ton wird gesungen/genannt

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→ Exit

Diese Strategie wird zuvor detailliert erklärt und ggf. begründet. Jeder soll wissen und verstehen, warum diese Strategie erfolgversprechend ist. Dann wird diese Strategie zuerst ein paar Mal gemeinsam eingeübt, dabei beachtet der Coach/Chorleiter, auditive Signale/Redewendungen/Geräusche zu verwenden, die nachher auch in der Trance Eingang finden. In diesem Stadium üben die Sänger aber noch sehr bewusst, dabei ist besonders auf saubere Einhaltung des Ablaufs zu achten. Nach und nach gibt der Chorleiter dann weniger Anweisungen, die Sänger arbeiten zunehmend selbständig. Schritt 5: Trance zur Gehörbildung Eine Bemerkung vorab: es gibt nicht DIE Trance zur Gehörbildung. Ebenso wenig gibt es DEN idealen Zeitpunkt für eine Gehörbildungs-Trance. Explizite Vorübungen der Schritte 1 bis 3 bzw. 4 sind ebenso wichtig wie die momentane Stimmung, Aufmerksamkeit und Konzentrationsvermögen, räumliche Bedingungen und schlicht das Timing. Eine solche Trance sollte unbedingt gut geplant und flexibel entworfen werden, um auch momentane Bedürfnisse befriedigen zu können; erzwingen lässt sie sich nicht. Deshalb wird an dieser Stelle darauf verzichtet, ein komplettes ‚wording’ für eine Trance auszuformulieren; es werden vielmehr Ansätze geboten, mit Hilfe derer man eine Trance aufbauen kann, die die oben beschriebenen vier Schritte ergänzt, vertieft, erweitert und zumindest teilweise im Unterbewusstsein verankert. Eine zusätzliche Entspannung der Sänger im Laufe oder nach einer anstrengenden Probe ist dabei ein durchaus erwünschter Nebeneffekt. Beachte: Diese Trance sollte auf keinen Fall mit Begleitmusik durchgeführt werden! Je ruhiger die gesamte Umgebung, umso besser! Intro: z.B. 4-3-2-1-Technik mit besonderer Betonung auditiver Eindrücke ...hast Du nun die Gelegenheit, Dich ganz entspannt und locker hinzusetzen, die Beine langgestreckt, der Rücken bequem an der Lehne, und ebenso wie Du ruhig wirst, sinkt auch der Geräuschpegel hier im Raum...vielleicht wird Dir bei einem langen genüsslichen Ausatmen das Geräusch der Luft bewusst, wie sie gleichmäßig durch Mund und Nase strömt...und Du einfach mal die Bilder und Klänge der letzten Stunden Revue passieren lässt, und, wenn Du magst, sie mit Deinem Atem aus dir heraus und davon strömen lässt... bis Du ganz still und mit einem ruhigen Wohgefühl ganz bei dir selbst ankommst... Suggestionsteil: Hier bietet es sich an, den aktuellen „Übungs-Stand“ des Chores bezüglich der ‚4plus1’ Technik aufzugreifen und zu vertiefen. Schritte 1 bis 3: Schwerpunkt auf inneres Hören und Fingerspitzen-Anker: ...hast Du erfahren, welch eine vielseitige innere Welt der Töne in Dir existiert, mit all Deinen Erinnerungen an Lieder, Klänge und Geräusche... durftest erfahren, dass jeder Ton, den Du singst, pfeifst, spielst, summst... schon in dir existiert, lebt, atmet... dass die Musik in Dir ist und Du sie durch Dein Singen auch für andere zum Leben 16

erwecken kannst... Da ist es manchmal gut, dass diese Töne regelrecht begreifbar sind, sauber angeordnet wie zum Beispiel die Tasten auf dem Klavier... die Schritt für Schritt den Weg weisen zum nächst höheren Ton, vom Grundton c aus weiter voran, über das d, das e... vielleicht siehst Du ein Klavier vor Dir, mit den weißen und schwarzen Tasten, vielleicht spürst Du schon Deine Finger auf den Tasten, den Daumen zuerst, auf dem c... und so erfasst Du, dass der Klang auch Bild ist, auch Gefühl, und das Bild wird zum Klang und wird Gefühl und alles klingt, alles leuchtet, fühlt sich einfach gut an, einfach richtig... Dies kann sehr wirksam durch das Vorspielen der entsprechenden Töne bei deren Nennung unterstützt werden. Schritte 1 bis 4, unter besonderer Berücksichtigung der neuen Strategie: ...und so, wie wir uns nun schon einige Male auf den Weg in unsere inneren Klangwelten gemacht haben... und Du Klänge, Töne immer genauer, differenzierter, feiner zu unterscheiden vermagst, weil sie eben nicht nur Töne sind sondern auch Bild, eine Notation, Tasten auf dem Klavier und Stimmen im Lied, und dazu Gefühle die Dir die Harmonie, den Zusammenklang spürbar machen... kannst Du Dich zuversichtlich mit einem positiven Gefühl auf den Weg machen, vielleicht begleitet von Deiner inneren Stimme, die Dir ein Bild in Erinnerung ruft... und mit dem Bild der Tastatur siehst du nun auch die Töne klar angeordnet vor Dir liegen, bereit von Deinen Fingern angeschlagen zu werden, zu erklingen... und mit dem Anschlagen erklingt innerlich der gewünschte Ton, klar, strahlend und zur Freude von Dir, Deiner inneren Stimme...und sie hört und sie weiß und bestätigt mit gutem Gefühl: das ist genau der Ton...und jetzt, wo du ihn siehst, hörst und spürst, weißt auch Du es...und kannst ihn singen, summen, pfeifen, nennen, trällern, aus Dir heraus oder immer weiter in Dich hinein, hin zu den anderen vielen Tönen, die da sind und nur darauf warten, ebenso entdeckt zu werden, gesehen zu werden, gefühlt, gehört – und dann endlich zu erklingen!... Extro: Das Extro sollte besonders zwei Aspekte betonen: das nachhaltige positive, zuversichtliche Gefühl sowie das aktive „Mitnehmen“ der inneren Töne, um auch im Bewusstsein darüber zu verfügen. ...und alle Klänge und Töne, ihre Bilder, die Gefühle, all das erlebst Du intensiv als einen Teil von Dir, siehst, es gehört zu Dir, spürst, wie es klingt und tönt...das schöne, beglückende daran ist, dass Du sie mit Dir nehmen kannst, während Du Dich langsam auf den Weg zurück in diesen Raum machst, es klingt um Dich herum in schönem Gleichklang zum Geräusch Deines Atems...und so, wie Du in den Fingerspitzen die Klaviertasten erspüren kannst, so werden jetzt auch Deine Füsse wieder den Teppich unter Dir spüren, die weiche Rückenlehne und die angenehme Ruhe im Raum...und so kannst Du langsam, in Deinem eigenen Rhythmus, zurück in diesen Raum kommen, voller Vorfreude auf die vielen Lieder, die wir noch gemeinsam singen werden, und nun auch noch besser ausgerüstet mit all den Tönen, 17

die Deine Töne sind und die wir alle gemeinsam zum Klingen bringen wollen...da möchte man gleich voller Energie tief in den Bauch atmen, einmal kurz alle Muskeln anspannen, sich genüsslich dehnen und strecken und dann einfach lossingen...

3.4.

Fazit und Ausblick

Das Gehör kann tatsächlich gezielt ausgebildet werden. Dazu sollte man sich der eigenen Fähigkeit, Töne innerlich zu hören, und deren Bedeutung für die Musik, bewusst sein. Einige Grundkenntnisse in musikalischer Harmonielehre reichen dann aus, die Grundtöne c bis g mit ihrer Benennung, Notation und Anordnung korrekt einzuordnen. Darauf folgt ein systematisches Ankern der auditiven Eindrücke mit passendem kinästhetischen Reiz zum Aufbau eines zusätzlichen inneren Standards. Soweit vernetzt, kann eine effektive Strategie, gewonnen aus einer entsprechenden Umfrage unter Sängern und modifiziert bzw. verbessert anhand der NLP-Kriterien für eine erfolgreiche Strategie, eingeübt und verankert werden. Begleitendes Üben unterstützt die einzelnen Schritte. Parallel zu diesem Prozess oder im Anschluss daran vertieft eine ‚maßgeschneiderte’ Trance das Gelernte, auch im Bereich des Unterbewussten, verknüpft das innere Hören gezielt nach Bedarf mit visuellen und kinästhetischen Reizen und rundet damit die Gehörbildung ab. Erste Erfahrungen mit der ‚4plus1’-Technik zeigen, dass die Sänger sehr gut erfassen, wie wichtig Gehörbildung ist und wie klar und nachvollziehbar dieser oft als „schwammig“ empfundene Bereich ausgebildet werden kann. Die Notwendigkeit, ein vergleichbares Grundwissen über Harmonielehre bei allen zu schaffen, ist einsichtig aber manchmal mühsam umzusetzen, da wenigen der Sinn nach „reiner Theorie“ steht. Schritt 2 muss also entsprechend attraktiv gestaltet werden. Das gemeinsame Ankern der Töne c bis g auf die Fingerspitzen der rechten Hand hat sich als sehr kraftvoll und fast schon intuitiv herausgestellt; vor allem Sänger ohne musikalische Ausbildung schauen mittlerweile rasch auf ihre Finger, wenn sie eine Aufgabe zur Gehörbildung erfassen und bewältigen wollen. Diese Anker waren auch sehr hilfreich beim Erarbeiten eines neuen Stückes; bei besonders schwierigen Intervallen konnten die Sänger ihre Anker zur Hilfe nehmen, ebenso wie beim neuen Einsatz nach einer längeren Pause. Der zusätzliche Einsatz von Bodenankern beim 1:1 Coaching unterstützt den Lerneffekt enorm, nicht zuletzt durch den Spass beim „Töne hüpfen“. Schwierige Melodieverläufe können so viel rascher verinnerlicht werden. Der Coach sollte allerdings genau darauf achten, dass das Bewegen auf den Bodenankern das innere Hören nicht verdrängt oder gar ersetzt. Die Erweiterung der ‚4pus1’-Technik liegt auf der Hand: wenn die Grundtöne der Quint c bis g nachhaltig installiert sind, kann man daran gehen, die verbleibenden Töne a bis c zur Oktave zu ergänzen, mit den dazu gehörigen Intervallen. Dann folgen die Halbtöne. Kritische Stimmen werden anmerken, dass ja nur ein Bruchteil aller Musikstücke in c-Dur geschrieben sind und damit die beschriebene Technik nur für diese Stücke verwendet werden könne. Allerdings geht es bei der Gehörbildung keineswegs darum, Töne absolut zu hören, sondern stets im Bezug zum Grundton, also der Tonart des Stückes. Die relative Lage der Töne untereinander, aufbauend auf den Grundton, ist dann immer gleich, 18

ebenso die Intervalle, sodass der Grundton (annähernd) beliebig ausgetauscht werden kann – und mit ihm die Tonart. Richtig ist natürlich, dass zu einem souveränen Umgang mit Tönen in allen Tonarten auch ein erweitertes Grundverständnis der Harmonielehre gehört; dies ist wiederum unmöglich, wenn die Basis des inneren Hörens, die Töne c bis g, nicht nachhaltig verankert wurden. Und genau das war der Zweck der vorliegenden Arbeit.

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DANK ALLEN, DIE – MIT ODER OHNE GESANG – DIE IDEE ZUR ENTSTEHUNG DIESER ARBEIT GEFÖRDERT HABEN (UND GEDULDIG ALS VERSUCHSOBJEKTE AUSHARRTEN...)! UND GANZ BESONDERS: HEINZ ANJA, RIKE UND CLAUS MEINEN MÄDELS VON BETONT DEN SCARLET RIBBONS

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