Marcel Proust und die Musik

Marcel Proust und die Musik MARCEL PROUST SYMPOSION Wien 2009 Umschlagbild: Marcel Proust, Zeichnung: Vitrail de Laon – La musique Bibliotheca Prou...
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Marcel Proust und die Musik

MARCEL PROUST SYMPOSION Wien 2009

Umschlagbild: Marcel Proust, Zeichnung: Vitrail de Laon – La musique Bibliotheca Proustiana Reiner Speck Als Vorlage zu dieser mit den Initialen R. H. versehenen Zeichnung – sie war einem Brief an den befreundeten Komponisten Reynaldo Hahn beigelegt – diente Proust eine Abbildung aus dem Buch L’Art religieux du XIVième siècle von Emile Mâle. Das Motiv, von Proust auf transparentem, wohl zum Zweck einer stärkeren Kontrastierung schwarz umrandetem Papier durchgepaust, geht auf eine Glasmalerei in der Kathedrale von Laon zurück. Eine thematische Ähnlichkeit findet sich in einer illuminierten, um 1380 im Pariser Stil entstandenen Handschrift. Dort ist die Initiale E am Beginn von Psalm 80, Exultate deo, mit David dargestellt, der mit einem Hammer ein Glockenspiel zum Klingen bringt. Frohlocket dem Herrn hat aber auch die Bedeutung von Ausgelassensein, sich ganz dem Schwung des Geistes und der Rede überlassen oder sich leidenschaftlich Gemütsbewegungen hingeben. Prousts Korrespondenz mit seinem Freund war niemals ohne Hintersinn…

Marcel Proust und die Musik Symposion der marcel proust gesellschaft 5. bis 7. November 2009 Wien Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. Albert Gier





Marcel Proust und die Musik

Grußwort des Präsidenten der Marcel Proust Gesellschaft

Literatur und Musik sind bei Marcel Proust untrennbar miteinander verbunden. Wie Schopenhauer und die Romantiker schreibt er der Musik vor allen anderen Künsten die Fähigkeit zu, das Unsagbare, die Essenz einer Individualität, zu erfassen und auszudrücken; das musikalische Theater Richard Wagners, die imaginäre Musik Vinteuils sind in der Recherche von zentraler Bedeutung. Erfahrungen mit (meist zeitgenössischer) Musik haben in Prousts Werk vielfältige Spuren hinterlassen; andererseits haben vor allem seine Gedanken über Zeit und Erinnerung immer wieder Komponisten zu theoretischer Auseinandersetzung und produktiver Rezeption in musikalischen Werken herausgefordert. Die Forschung hat Prousts Verhältnis zur Musik die gebührende Aufmerksamkeit gewidmet, wobei man sich allerdings lange auf das Verhältnis zu Wagner und die Suche nach Vorbildern für die fiktiven Kompositionen Vinteuils konzentrierte. Im Dialog zwischen Literatur- und Musikwissenschaft sollen bei dieser Tagung bisher vernachlässigte Aspekte zur Sprache gebracht und Querverbindungen aufgezeigt werden. Albert Gier

Seit ihrer Gründung im November 1982 – zu Prousts 60. Todestag – hat sich die marcel proust gesellschaft auf Symposien, Matineen und Ausstellungen unter den verschiedensten Aspekten mit seinem Leben, seinem Werk und seiner Wirkungsgeschichte befaßt. Die Ergebnisse waren für die allgemeine Leserschaft so aufschlußreich wie wegweisend für die Literaturwissenschaft, innerhalb deren die Romanistik und die Komparatistik federführend waren. Zahlreiche Untersuchungen widmeten sich in À la recherche du temps perdu herausragend abgehandelten Themenkomplexen zu Kunst, Literatur, Philosophie, Medizin, Psychologie, Soziologie, Politik sowie anderen Teilen von Prousts Œuvre und seiner Korrespondenz. Im Rückblick fällt auf, daß die Musik – zweifellos ein ebenso dominierender Gegenstand, der, wie die Literatur durch Bergotte und die Malerei durch Elstir, in der Recherche durch den Komponisten Vinteuil vertreten ist – in den Bemühungen um Deutung und Zuordnung ein wenig zu kurz gekommen ist. Das soll sich nun mit einem Paukenschlag, mit dem sich ein Dutzend Proust-Forscher und Musikwissenschaftler zu diesem Thema Gehör verschaffen wollen, ändern. Welcher Ort wäre dafür geeigneter als Wien. Aus dem Kreis der Mitglieder der deutschsprachigen marcel proust gesellschaft schien zur Bewältigung der gestellten Aufgabe wohl kaum jemand berufener als der an der Bamberger Universität lehrende, durch viele literatur- und musikwissenschaftliche Publikationen bekannte Albert Gier. Er hat es verstanden, innerhalb kurzer Zeit Referenten um sich zu scharen, die eine hohe fachliche Kompetenz auszeichnet. Daß sie aus Österreich, aus der Schweiz, aus Deutschland und aus dem Mutterland der Proust-Forschung, Frankreich, stammen und nun in Wien als europäisches Quartett auftreten, ist ein besonderer Glücksfall und verspricht einen guten Resonanzboden sowie ein beachtliches Echo. Nicht allein das aber war ausschlaggebend für die Wahl des Austragungsortes: Vielmehr soll Österreich anläßlich des Symposions auch noch einmal daran erinnert werden, daß zahlreiche bedeutende Schriftsteller dieses Landes sich mit Proust befaßt, ihn so bewundernd wie kritisch gelesen und ihm schließlich häufig zitierte Epitaphe errichtet haben. Stefan Zweig verfaßte für die Neue Wiener Presse schon 1925 Prousts tragischen Lebenslauf; Robert Musil setzte sich mit ihm in seinen Tagebüchern auseinander; Hermann Bahr sprach von der Unwiederholbarkeit Prousts, und Heimito von Doderer schwärmte von seiner Genialität. Ingeborg Bachmann schrieb eine kleine Studie über Proust und die Liebe, und Friederike Mayröcker wagte eine Proust-Paraphrase. Auch in der jüngeren Autorengeneration des Landes gibt es



so offensichtliche wie kryptische Hinweise auf Lektüre und Verehrung. Die wohl emphatischste Exegese aber stammt von Jean Améry, der – nachdem er Wien 1938 den Rücken gekehrt hatte – im belgischen Exil zum französischen ProustLeser wurde und seine Empfindung und Erfahrung in dem berühmtgewordenen Diktum zusammenfaßte, ein Leben ohne Proust sei ein Leben des Mangels. Vielleicht war es die Erinnerung an diese oder ähnliche Zeugnisse österreichischer Autoren, die uns, d. h. der marcel proust gesellschaft, bei den offiziellen Verwesern kultureller Institutionen Tür und Tor öffnete. Dort erfuhren wir spontanes Entgegenkommen und bereitwillige Unterstützung. Als Präsident ist es mir eine Ehre, an dieser Stelle Professor Gernot Gruber von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und Professor Gerold Gruber von der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien für die Gastfreundschaft und Zusammenarbeit zu danken. Ein ebenso herzlicher Dank geht an den Botschafter der Republik Frankreich in Österreich, S. E. Monsieur Philippe Carré, und an den Kulturrat der französischen Botschaft und Directeur de l’Institut français de Vienne, Herrn Dr. Philippe Noble, der unserem Projekt als subtiler Kenner der Literatur und als leidenschaftlicher Proust-Leser seit meinem ersten Besuch im Palais Clam-Gallas die größte Sympathie entgegenbrachte. Nicht ungern wird man sich im Corps diplomatique daran erinnern, daß eine der berühmtesten Diplomatengestalten der Literatur – Monsieur Norpois – selbst gar Botschafter in Wien war und den jungen Erzähler in Auf der Suche nach der verlorenen Zeit ermutigt, den Beruf des Schriftstellers zu ergreifen. In diesem Herbst 2009 wird Wien – so hoffen alle, die in das Unternehmen Proust und die Musik involviert sind – ›proustifiziert‹. Dazu trägt wesentlich auch bei, daß der Direktor des Jüdischen Museums in Wien, Professor Dr. Karl AlbrechtWeinberger, spontan die zuvor in München und Köln gezeigte, international viel beachtete Ausstellung Marcel Proust im Spiegel seiner Korrespondenz nach Wien geholt hat. So haben Bewohner und Besucher dieser Stadt Gelegenheit, den größten französischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts auf vielfältigste und angenehmste Weise näher kennenzulernen und – sofern sie es nicht längst schon sind – zu seinem und zum Leser ihrer selbst zu werden. Reiner Speck



Programm Donnerstag, 5. November 2009 Ort: Institut Français, Palais Clam-Gallas, Währinger Straße 32, 1090 Wien 19 Uhr

Eröffnung Grußworte durch Philippe Noble, Direktor des Institut Français, und Reiner Speck, Präsident der Marcel Proust Gesellschaft Festvortrag von Gernot Gruber (Wien): Hahn – Mozart – Proust mit musikalischen Beiträgen Anschließend Empfang

Freitag, 6. November 2009 Ort: Österreichische Akademie der Wissenschaften, Dr.-Ignaz-Seipel-Platz 2 , 1010 Wien, Vortragssaal 9 Uhr Begrüßung und Einführung 9.30 Uhr Cécile Leblanc (Paris): »Cet inexprimable sentiment du mystère des choses«, Proust et ses musiciens dans Les plaisirs et les jours 10.15 Uhr Angelika Hoffmann-Maxis (Leipzig): Modell(-)Musik: Proust, Beethoven und die Fügungen des Fragmentarischen 11 Uhr

Pause

11.30 Uhr Theo Hirsbrunner (Bern): Proust und der französische Wagnerismus 12.15 Uhr Arne Stolberg (Bern): Die Sinnlichkeit des Gedankens. Aspekte der Leitmotivik bei Wagner und Proust 13.00 Uhr

Pause

14.30 Uhr Franz Michael Maier (Berlin): »Les sons n’ont pas de lieu«. Vom Nutzen der musikalischen Elementartheorie für Marcel Prousts Ästhetik





15.15 Uhr Yvonne Heckmann (Paris): »Les deux côtés«. Harmonik und Melodik in der Poetik André Gides und Marcel Prousts 16 Uhr Albert Gier (Bamberg): Kitsch als Un-Musik. Marcel Proust und die mauvaise musique 18 Uhr Empfang durch den Botschafter der Republik Frankreich in Wien, S.E. Monsieur Philippe Carré Ort: Botschaft der Französischen Republik, Technikerstraße 2, 1040 Wien 20 Uhr Festbankett der Marcel Proust Gesellschaft Ort: Vestibül – Restaurant im Burgtheater, Dr. Karl Lueger Ring 2, 1010 Wien Kostenbeitrag und Anmeldung erforderlich

Samstag, 7. November 2009 Ort: Österreichische Akademie der Wissenschaften, Dr.-Ignaz-Seipel-Platz 2, 1010 Wien, Vortragssaal 9 Uhr Luc Fraisse (Strasbourg): Les ressources romanesques de la musique dans la Recherche du temps perdu. 9.45 Uhr Norbert Abels (Frankfurt): Schopenhauer, Proust und die Musik 10.30 Uhr Gerold Wolfgang Gruber (Wien): Proust – Nono – Berio 11.15 Uhr Pause 11.45 Uhr Richard Armbruster (Hamburg): Proust in der Musik der Gegenwart 12.30 Uhr Ursula Link-Heer (Wuppertal): Proust und der musikalische Genuß 20 Uhr Kammerkonzert Ferne/Nähe. Musik von Gerhard Stäbler und Texte von Marcel Proust, gelesen von Sylvia Tschörner und Albert Gier. (Dauer etwa 60 Minuten) Ort: Österreichische Akademie der Wissenschaften, Dr.-Ignaz-SeipelPlatz 2, 1010 Wien, Johannessaal

Die Referenten Norbert Abels ist (nach Studium der Germanistik, Philosophie und Musikwissenschaft) Chefdramaturg an der Oper Frankfurt, Professor an der Folkwang-Hochschule Essen und Lehrbeauftragter u.a. an der Universität Frankfurt. Zahlreiche Publikationen u.a. zur Wiener Moderne (Schnitzler, Hofmannsthal), zur Exilliteratur, zur Operngeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Richard Armbruster, Musikwissenschaftler, promovierte 1999 an der Universität Bamberg mit einer Untersuchung zum Opernzitat bei Mozart und arbeitet als Redakteur beim NDR Hamburg, wo er für die Konzertreihe Das neue Werk verantwortlich ist. Luc Fraisse ist Professor für französische Literatur des 20. Jahrhunderts an der Universität Strasbourg; Proust steht seit Le Processus de la création chez Marcel Proust und l’œuvre cathédrale – Proust et l’architecture médiévale (1988/1990) im Zentrum seiner Forschung; er ist u.a. Herausgeber eines Proust-Themenhefts der Zeitschrift l’Esprit créateur (2006) und von La Prisonnière und Albertine disparue in der Reihe Le Livre de Poche classique (2008/2009). Albert Gier ist Professor für Romanistik an der Universität Bamberg, wo er 1994 das Dokumentationszentrum für Librettoforschung gründete. Zahlreiche Publikationen u.a. zur französischen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts zu den Beziehungen zwischen Literatur und Musik und zum Opernlibretto (Das Libretto. Theorie und Geschichte einer musikoliterarischen Gattung, 1998). Gernot Gruber, Musikwissenschaftler, 1976-1995 Professor an der Musikhochschule München, seit 1995 an der Universität Wien (emeritiert 2008); seit 1993 Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, seit 2006 Obmann der Kommission für Musikforschung. Forschungsschwerpunkte: Musikgeschichte Österreichs, Wolfgang Amadeus Mozart, die Wiener Klassik, Hermeneutik, Geschichte des Komponierens und Analyse, Beziehung Literatur und Musik. Gerold W. Gruber ist seit 1983 Mitglied des Instituts für Musikanalytik (heute: Institut für Analyse, Theorie und Geschichte der Musik) an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Österreichische Musik des 20. und 21. Jahrhunderts, Methoden der musikalischen Analyse sowie Musik von vertriebenen, verfemten und ermordeten Komponisten. Er initiierte die Kritische Gesamtausgabe der Schriften Arnold Schönbergs. Yvonne Heckmann studierte Romanistik und Philosophie in Heidelberg, Paris und Berlin; während eines Praktikums in Illiers-Combray war sie u.a. Fremdenführerin im Haus der Tante Léonie. Seit 2006 Promotion am dt.-frz. Graduiertenkolleg DFG/DFH der TU Dresden und der EPHE Paris, Thema: La poétique musicale d’André Gide et de Marcel Proust. Theo Hirsbrunner lehrte Musiktheorie und neuere Musikgeschichte am Konservatorium in Bern und am IRCAM in Paris. Zahlreiche Buch- und Aufsatzveröffentlichungen zur tschechischen, deutschen und vor allem zur französischen Musik vom späten 19. Jahrhundert (der Wagnerismus und seine literarische Rezeption) bis zur Gegenwart.

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Angelika Hoffmann-Maxis ist Professorin für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und Literaturtheorie an der Universität Leipzig. Zahlreiche Publikationen über Proust (Beschreibung als Verfahren, 1980; Marcel Proust, Erträge der Forschung, 1983; Marcel Proust – Orte und Räume, 2004); über Beethoven u.a. Testament und Totenmaske. Der literarische Mythos des Ludwig van Beethoven (2000). Cécile Leblanc ist Privatdozentin für französische Literaturwissenschaft an der Universität Paris III-Sorbonne-Nouvelle; Forschungsschwerpunkt: Literatur und Musik des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Veröffentlichungen zu Wagner und zum Wagnerismus (Wagnérisme et création en France, 1883-1889, 2005); De Charpentier à Wagner: transfigurations musicales dans les cris de Paris chez Proust, in: Revue d’Histoire Littéraire de la France (Heft 4/2007). Ursula Link-Heer ist Professorin für Romanistik und Komparatistik (Literaturwissenschaft) an der Bergischen Universität Wuppertal, zuvor an der Universität Bayreuth. Publikationen: Literatursoziologisches Propädeutikum, mit Jürgen Link (1980); Prousts A la recherche du temps perdu und die Form der Autobiographie (1988); Benjamin liest Proust (1997). Weitere Arbeits- und Publikationsschwerpunkte zur Renaissance und zum Manier(ismus)-Begriff, zu Rousseau und zum Rousseauismus, zu medizinischen Diskursen und der Literatur im 19. Jahrhundert. Franz Michael Maier ist Privatdozent am Musikwissenschaftlichen Seminar der FU Berlin, Forschungsschwerpunkte: Theorie der musikalischen Elemente, Geschichte der Melodie, Verhältnis von Musik und Literatur im 20. Jahrhundert. Er veröffentlichte u.a. Becketts Melodien: Die Musik und die Idee des Zusammenhangs bei Schopenhauer, Proust und Beckett (2006). Arne Stolberg studierte Musikwissenschaft sowie Theater-, Film- und Medienwissenschaft in Frankfurt/M. Assistent (2001-2004), seit 2005 Oberassistent am Institut für Musikwissenschaft der Universität Bern, Habilitationsprojekt zur Idee des Tragischen in der Instrumentalmusik. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Fragen der Musikästhetik, des Musiktheaters und der Instrumentalmusik vom 18. bis 20. Jahrhundert (Schwerpunkte: Herder, Wagner, Korngold).

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Publikationen der Marcel Proust Gesellschaft im Insel Verlag Marcel Proust. Werk und Wirkung. Hrsg. von Reiner Speck. 1982 Marcel Proust. Lesen und Schreiben. Hrsg. von Edgar Mass und Volker Roloff. 1983 Marcel Proust. Werk und Lektüre. Zur Literarästhetik von Marcel Proust. Von Volker Roloff. 1984 Marcel Proust. Motiv und Verfahren. Hrsg. von Edgar Mass. 1986 Marcel Proust. Bezüge und Strukturen. Studien zu Les plaisirs et les jours. Hrsg. von Luzius Keller unter Mitarbeit von André Oeschger. 1987 Sprache und Sprachen bei Marcel Proust. Hrsg. von Karlheinz Hölz. 1991 Marcel Proust. Schreiben ohne Ende. Prousts ›Recherche‹ im Spiegel ihrer textkritischen Aufarbeitung. Hrsg. von Rainer Warning. 1994 Marcel Proust und die Philosophie. Hrsg. von Ursula Link-Heer und Volker Roloff. 1997 Marcel Proust und die Kritik. Hrsg. von Dieter Ingenschay und Helmut Pfeiffer. 2000 Marcel Proust und die Belle Époque. Hrsg. von Thomas Hunkeler und Luzius Keller. 2002 Marcel Proust. Orte und Räume. Hrsg. von Angelika Corbineau-Hoffmann. 2003 Marcel Proust und die Künste. Hrsg. von Wolfram Nitsch und Rainer Zaiser. 2004 Marcel Proust – Die Legende der Zeiten im Kunstwerk der Erinnerung. Hrsg. von Patrizia Oster und Karlheinz Stierle. 2007 Marcel Proust und die Korrespondenz. Hrsg. von Achim Hölter und Karin Westerwelle. In Vorbereitung

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Hors série Marcel Proust. Zwischen Belle Époque und Moderne. Hrsg. von Reiner Speck und Michael Maar. Suhrkamp (Frankfurt am Main) 1999 Marcel Proust. Sur la lecture. Tage des Lesens. Faksimile der Handschrift mit Transkription, Kommentar und Essays von Reiner Speck und Jürgen Ritte. Suhrkamp (Frankfurt am Main) 2004 Cher ami. Marcel Proust im Spiegel seiner Korrespondenz. Hrsg. von Jürgen Ritte und Reiner Speck. Snoeck (Köln) 2009

Sur la lecture – Monographien zu Proust I: Proust für Anfänger. Von Rudolf Steiert. 1995 II: Zum Gedenken an die gemordeten Kathedralen. Von Reiner Speck. 1996 III: Benjamin liest Proust. Von Ursula Link-Heer. 1997 IV: Lektüren des Todes. Von Thomas Klinkert. 1998 V: Proust im Spiegel des Surrealismus. Von Hans Holzkamp. 1999 VI: Ansichtskarten. Von Michael Magner. 2001

Proustiana. Mitteilungsblatt der Marcel Proust Gesellschaft im Insel Verlag I: 1983 II/III: 1985 IV/V: 1987 VI/VII: 1988 VIII/IX: 1991 X/XI: 1992 XII/XIII: 1993 XIV/XV: 1994 XVI/XVII: 1995 XVIII/XIX: 1997 XX: 1998 XXI: 2001 XXII: 2003 XXIII: 2005 XXIV: 2006 XXV: 2007

VII: Luftspiegelungen. Allegorie der Namen. Von Renate Schauer. 2006 VIII: Die schöne Jüdin. Von Ursula Voß. 2007 IX: Proust und Tausendundeine Nacht. Von Volker Roloff. 2009

Impressum marcel proust gesellschaft, Köln 2009 Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Suhrkamp Verlags Die Veranstalter danken

Briefe an Reynaldo Hahn Für die zweite Nummer der Reihe »Sur la lecture« hat mich Reiner Speck gebeten, drei Briefe Prousts an Reynaldo Hahn aus seiner Sammlung vorzustellen. Die Briefe wurden faksimiliert, transkribiert, übersetzt und kommentiert. Der letzte der drei Briefe war unpubliziert. In meiner damaligen Übersetzung beginnt er folgendermaßen: »Barnabuls, Wer ist in ›Kunstkreisen‹ ein gewisser Herr Ducasse (nicht Dukas)? Ich habe einen Artikel von ihm gelesen (Valneycharlismus: Außerordentlich dumm), in dem er sagt, daß für ihn Pascal und Bach dasselbe seien, daß Pascal den Choral (?) und Bach die Pensées hätte schreiben können (…).« In meinem Kommentar gebe ich Erklärungen zu Ducasse, Dukas, Valneycharlismus, bin mir aber nicht ganz sicher, ob die beiden Zeichen nach Choral wirklich, wie im Katalog des Aktionshauses vorgeschlagen, die Zahl 45 bedeuten. Zuvor jedoch bemerke ich: »Für die Datierung des Briefes müßte, was mir leider noch nicht gelungen ist, der Artikel von Ducasse identifiziert werden. Trauerpapier mit breitem Rand (›de grand deuil‹) hat Proust von Dezember 1903 bis Juni 1907 verwendet.« Tatsächlich geben Lexika und Bibliographien wohl Angaben zu Kompositionen, Büchern und einzelnen Essays von Ducasse, nicht aber zu seinen kleineren Arbeiten. Viele Jahre später versuchte ich in Erfahrung zu bringen, auf welchen Wegen Proust Kenntnis von einem Brief Wagners an Mathilde Wesendonck vom 9. Mai 1859 erlangt hat. In diesem Brief berichtet Wagner, wie ein in Milch getauchter Zwieback ihm während der Arbeit am dritten Akt von Tristan und Isolde die Erinnerung an früher bereits komponierte Passagen wiedergeschenkt hat. Ein Teil des Briefwechsels zwischen Wagner und Mathilde – allerdings ohne den fraglichen Brief – hat Proust höchstwahrscheinlich im November 1904 in La Revue de Paris gelesen. Der ganze Briefwechsel ist 1905 in Berlin erschienen; die Ausgabe wurde im gleichen Jahr ins Französische übersetzt. An einem tristen Regentag saß ich also in einem tristen Kabäuschen in einer tristen Pariser Forschungsstätte, hantierte mit Spulen von Mikrofilmen und suchte in den Zeitschriften der Jahre 1905 bis 1908 nach Erwähnungen oder Übersetzungen des folgenschweren Briefes: nichts, nichts und wieder nichts. Doch plötzlich fällt mein Auge auf »LE CHORAL 45« … Zitternd spule ich weiter und lese: »ROGER DUCASSE«. Alle Tristesse war von mir gewichen, und Wagner konnte nun ruhig bis zum nächsten Zufall warten. Bei dem von Proust so sehr getadelten Artikel handelt es sich um eine »chronique musicale« in der zweiten Nummer von Le Mouvement, einer Monatsschrift, deren erste Nummer vom 25. März 1906 datiert. Unter den Redaktoren befand sich ein Cousin Prousts, Marcel Cruppi, unter den Mitarbeitern finden sich mehrere Literaten aus Prousts

Bekanntenkreis (Anna de Noailles, Fernand Gregh …); für die »chronique musicale« hat auch Maurice Ravel geschrieben. Wie viele andere verschwand die Zeitschrift nach kurzer Zeit wieder und geriet in völlige Vergessenheit. Immerhin erlaubt uns ihr kurzes Leben, eine kommentatorische Lücke zu füllen und einen Brief Prousts zu datieren, nämlich auf Ende April 1906. Luzius Keller Aus: ›Endlosigkeit bei Proust‹, in ›Marcel Proust im Spiegel seiner Korrespondenz‹, Köln, 2009.

Brief an Reynaldo Hahn, Anfang 1907, Biblioteca Proustiana Reiner Speck