Man traut mir alles zu. Seine Antworten kommen schnell,

Ex-Politiker Krause, „Volkshäuser“ in Rostock: Nach landläufigen Maßstäben ruiniert A F FÄ R E N „Man traut mir alles zu“ Der ehemalige CDU-Bundesver...
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Ex-Politiker Krause, „Volkshäuser“ in Rostock: Nach landläufigen Maßstäben ruiniert A F FÄ R E N

„Man traut mir alles zu“ Der ehemalige CDU-Bundesverkehrsminister ist seit seinem Rücktritt 1993 vor allem durch dubiose Finanztransaktionen aufgefallen. Demnächst wollen Staatsanwälte Günther Krause im Zusammenhang mit der Leuna/Elf-Affäre vernehmen.

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eine Antworten kommen schnell, manchmal zu schnell. Den Verdacht, er habe mit der Schmiergeldaffäre beim Verkauf der ehemaligen DDR-Firmen Leuna und Minol an den früheren französischen Staatskonzern Elf Aquitaine zu tun, weist Günther Krause „entschieden zurück“, bevor er überhaupt danach gefragt wird. Der ehemalige Bundesverkehrsminister (von 1991 bis 1993), im Kabinett Kohl wegen seiner Besserwisserei als „Besser-Ossi“ verschrien, weiß, warum er seit einigen Wochen wieder ein gefragter Mann ist. „Natürlich“ kennt er Dieter Holzer, den Mann, von dem Ermittler in Genf und Augsburg wissen wollen, wo rund 100 Millionen Mark an Provisionen geblieben sind, die im Zusammenhang mit dem Milliardendeal Leuna-Minol/Elf Aquitaine gezahlt

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wurden. Den Verdacht, der Lobbyist mit Wohnsitz in Monaco und Konten in Liechtenstein habe Geld als Schmiermittel in Parteikassen, vor allem die der CDU, geleitet, findet Krause „absurd“. Er sei sicher, dass Holzer von den 50 Millionen Mark Provision, die er für das Geschäft von Elf erhalten habe, „keinen Pfennig als Parteispende weitergeleitet“ hat. Ebenso fest ist er jedoch davon überzeugt, „dass zwischen Helmut Kohl und François Mitterrand eine sehr weit reichende Männerfreundschaft bestand“. Warum er, der als Verkehrsminister 1992 über den Verkauf der Minol-Autobahntankstellen an Elf zu entscheiden hatte, auf einer Liste von Personen steht, die der Genfer Staatsanwalt Bernard Bertossa vernehmen will, kann sich Krause „beim besten Willen nicht erklären“. Eine entsprechende d e r

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Vorladung habe er bislang nicht erhalten, er wisse nicht einmal, ob er als Zeuge oder Beschuldigter gehört werden solle. Je mehr er sich in Rage redet und die „Vorverurteilung“ geißelt, mit der er als „Helfershelfer bei Schmiergeldgeschäften der CDU denunziert“ werde, desto stärker wird der Eindruck, dass sich Krause insgeheim freut. Endlich wird sein Name wieder in einem Atemzug mit den Großen der Politik genannt, denen er sich seit 1990 ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen fühlt: Kohl, Schäuble, Mitterrand. Für einen, der mittlerweile in der 3. Kreisklasse spielt, ist eine Nominierung für die politische Champions League auch dann eine Ehre, wenn es nur um rüdes Foulspiel geht. Der ehemalige DDR-Unterhändler des Einheitsvertrages, der 1993 als Minister über eine vom Arbeitsamt subventionierte

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P. HIRTH /TRANSIT

Putzfrau stolperte, sitzt heute in einem Rostocker Plattenbau und plant Billig-Reihenhäuser. Für Krause kein simples Bauvorhaben, sondern eine politische Vision: „Die ‚Volkshaus‘Idee, in großem Maßstab umgesetzt, würde reihenweise CDU-Wähler schaffen.“ Doch nicht Pförtner und Referenten, sondern Zettel, die an eine Glastür im Flur geklebt sind, weisen den Weg zu ihm und den Firmen (A&I Bauconsult, Volkshaus Bauträger GmbH, CK-Vertriebs GmbH), die an seinem Projekt beteiligt sind. Offiziell hat Krause mit den Unternehmen, als deren Motor er gilt, nichts mehr zu tun. Sein Status ist der eines Beraters. Der Grund liegt auf der Hand: Nach landläufigen Maßstäben ist der Mann ruiniert. Der Bayerischen Landes- Verkaufsobjekt Minol-Tankstellen (1996): „Feinheiten des deutschen Ausschreibungsrechts“ bank schuldet er 13 133 562,57 Millionen Mark (Stand 31. Dezember 1999), nen Geschäften nachgeht, regt bei vielen Juristisch gegen den Bericht vorgegangen ist er bislang nicht. die WestLB hat am 17. November vergan- die Phantasie an. Seine von ihm selbst als „gut“ bezeichWer schützt ihn, wer hilft ihm, wer sind genen Jahres „Vollstreckungsmaßnahmen gegen Herrn Krause beantragt“, weil er die „Geschäftsfreunde“, die, wenn es ganz neten Kontakte zum Elf-Lobbyisten Holzer „Kredite über nominal insgesamt 2 440 000 eng wird, dem Ex-Minister finanziell unter findet der Ex-Minister „absolut unverMark“ nicht bedienen kann, und die Lan- die Arme greifen, um eine drohende Ver- dächtig“. Kaum hat er den Satz zu Ende desbank Schleswig-Holstein wartet seit haftung in letzter Minute zu verhindern? gesprochen, präsentiert er, nicht ohne eiJahren vergebens auf die Rückzahlung ei- So geschehen im September 1997, als das nen gewissen Stolz, eine eidesstattliche Berliner Finanzamt für Körperschaften I Versicherung Holzers vom 25. Januar dienes Kredites über 600 000 Mark. Doch das ist längst noch nicht alles. Bei Krause wegen Steuerschulden in Höhe von ses Jahres. Darin behauptet Holzer, an dider Staatsanwaltschaft in Rostock ist ein 113 657,14 Mark hinter Gitter bringen woll- verse namentlich genannte CDU-Politiker Verfahren wegen des Verdachts auf Steu- te, „um die Abgabe der eidesstattlichen (unter anderen Kohl, Schäuble, Kiep) und erhinterziehung und Untreue gegen Krau- Versicherung“, vulgo: Offenbarungseid, zu „den früheren Verkehrsminister, Herrn se anhängig. In Berlin läuft seit Herbst ver- seinen Vermögensverhältnissen „zu er- Günther Krause“ noch „nie eine Geldspende gemacht“ zu haben. gangenen Jahres ein Insolvenzverfahren zwingen“. Die Tatsache, dass Krause sich noch am Auch die Vollstreckung eines Haftbegegen die von ihm 1993 gegründete Firma Aufbau-Investitionen GmbH, und beim fehls im Februar 1998 wegen Mietschulden 6. Mai 1992 in einem Brief an die damaliAmtsgericht Bad Doberan liegen diverse für Büroräume in Höhe von 70 000 Mark ge Treuhandchefin Birgit Breuel deutlich Haftbefehle gegen ihn vor – vollstreckt konnte abgewendet werden, kurz nach- gegen einen Verkauf des Minol-Autobahnwurden sie bislang nicht. Dass er trotz al- dem er zum CDU-Direktkandidaten Tankstellennetzes an Elf Aquitaine ausgeledem in einem Jeep Cherokee durch die (Wahlkreis Rostock) für die Bundestags- sprochen hatte, dann aber nach einem Besuch bei Holzer, anlässlich des Formel-1Gegend fährt und scheinbar ungestört sei- wahl nominiert worden war. Gerüchte, dass ihm Rennens in Monaco am Ende des Monats, seine Partei geholfen seine Meinung änderte, kann der ehemahabe, verweist Krause lige Verkehrsminister „selbstverständlich ins Reich der Ver- erklären“. Zwar habe er zunächst eine mittelstänschwörungstheorien: „Neulich hat die ,Jun- dische Lösung für die Tankstellen favorige Welt‘ sogar unter- siert, sich aber dann doch dem Argument stellt, ich hätte die gebeugt, dass der Leuna-Minol-Verkauf 100 000 Mark erhalten, nur im Paket zu machen sei. Anders hätdie der Waffenhändler te man den industriellen Kern und damit Karlheinz Schreiber 2000 Arbeitsplätze in der Raffinerie nicht Wolfgang Schäuble erhalten können. Diese Ansicht habe er oder der damaligen bereits Mitte Mai vertreten, also vor seiSchatzmeisterin Brigit- nem Besuch bei dem Elf-Lobbyisten. te Baumeister überge- Schon damals sei der Anfang Juni 1992 geben hat. Offensichtlich fasste Kabinettsbeschluss zum Verkauf von traut man mir alles zu.“ Leuna inklusive der Autobahn-Tankstellen „bis auf den i-Punkt ausgehandelt“ gewesen. Verdächtig wirke so etwas nur * Bei Unterzeichnung des Einfür „Leute, die die administrativen Abheitsvertrages im August 1990. Unterhändler Schäuble, Krause*: Wunderkind der Wende ADN / BUNDESARCHIV

J. RÖTZSCH / OSTKREUZ

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Deutschland In diesem Zusammenhang sei es später tatsächlich zu einem Treffen mit Abgesandten von Bouygues im Verkehrsministerium gekommen. Angeblich war das Procedere für die A 20 sogar schon in Grundzügen unter Dach und Fach, aber dann, so Holfelder, „war der Krause weg vom Fenster und das Projekt beerdigt“. Der Besuch des Verkehrsministers beim Graubereichsmann Holzer im Mai 1992 war nicht die erste und nicht die letzte Gelegenheit, bei der sich die Wege der beiden Männer kreuzten. Kennen gelernt haben sie sich nach Krauses Erinnerung „im Laufe des Jahres 1991 in den Räumen der Parlamentarischen Gesellschaft“ in Bonn. Der Herr über einen 35-Milliarden-MarkEtat, seinerzeit der drittgrößte im Bundeshaushalt, war in jenen Tagen noch der Star des Kabinetts und in Sachen „Aufbau Ost“ ein gefragter Mann. Hinzu Bayerische Landesbank*: „Mach dir keine Sorgen, Günther“ kam: Seine Politsozialianders. Krause habe ihn von Monaco aus sation West verlief in Kreisen, die den poliangerufen und damit geprahlt, bei „einem tischen Neigungen Holzers entsprachen und im Graubereich sehr kräftigen Mann“ zu den Neuling als vielversprechend adelten. Der damalige Parlamentarische Staatssein, der „einiges bewegen könne“. Holfelder arbeitete seinerzeit für das In- sekretär im Verkehrsministerium Wolfgang genieurbüro Kracon und stand mit Gröbl (CSU) steht heute noch fest zu seiKrause in Kontakt, um eines der Lieb- nem Freund Holzer und der Überzeugung, lingsprojekte des Ministers, die Privat- dass Krause „einer der fähigsten Minister finanzierung der geplanten Ostseeauto- war, die dieses Land je hatte“. Ein Urteil, das offenbar auch Holzer bebahn A 20, anzuschieben. Ein möglicher Partner war der französische Baukonzern eindruckte. Bei der Eröffnung des Lufthansa Centers Peking im Oktober 1992 Bouygues.

kümmerte er sich auffällig um den Politiker und dessen Ehefrau. Krauses Ex-Frau Heidrun, die nach der Scheidung 1998 den Namen ihrer Großmutter, Hagedorn, annahm: „Herr Holzer wollte mir, als wir durch die Shopping-Zone bummelten, sogar Schmuck schenken. Ich war vollkommen verblüfft, habe aber dankend abgelehnt.“ Krause muss sich der Wertschätzung Holzers auch weiterhin sicher gewesen sein. So sicher, dass er ihn nach seinem Rücktritt als Minister im Mai 1993 um einen 10-Millionen-Mark-Kredit bat, mit dem er seinen Start ins Geschäftsleben finanzieren wollte. Holzer lehnte ab. Dennoch gelang dem Politik-Absteiger der Sprung ins Unternehmerlager ohne große Schwierigkeiten. Er gründete zwei Firmen: die Aufbau-Invest AG in der Schweiz und die Aufbau-Investitionen GmbH in Deutschland. Das Zürcher Unternehmen, so verkündete er großspurig, diene zum „Aufbereiten von Investitionsgeldern“ und vermittle „maßgeschneiderte Konzepte“ sowohl für Fonds als auch für private Geldanleger. Die GmbH betreibe allgemeine Projektentwicklung für Handelszentren und Gewerbegebiete und kümmere sich, nicht zuletzt, um die Umsetzung der „Volkshaus“-Idee. Der Super-Ossi als Super-Unternehmer, so schien es nicht nur der staunenden Öffentlichkeit. Offenbar waren auch die Verantwortlichen der Bayerischen Landesbank beeindruckt. Denn die lieferten den Kredit, den der mehr als wohlhabende Geschäftsmann Holzer dem geschassten Minister Krause nicht gewähren wollte. Elf Millionen Mark liehen die BayernBanker dem Nordlicht und Business-Neuling im Juli 1993, nur zwei Monate nach seinem Rücktritt. Der Zinssatz war für damalige Verhältnisse ausgesprochen günstig: 7,5 Prozent. Ebenfalls merkwürdig: Auf handfeste Sicherheiten für das üppige Darlehen legten die Kreditgeber offenbar keinen allzu großem Wert. Auf den weitläufigen Wohnhauskomplex samt Grundstück der Familie Krause in Börgerende war bereits eine Hypothek zu Gunsten der WestLB eingetragen. Die hatte den Umbau des Anwesens mit 2,44 Millionen Mark finanziert. Deshalb begnügten sich die Verantwortlichen, allem Anschein nach, mit einem Flurstück, das dem Ex-Minister zur Hälfte gehörte; der Rest war Eigentum seiner damaligen Ehefrau Heidrun, die „gesamtschuldnerisch“ M. AUGUST

W. M. WEBER

läufe in Ministerien und Regierungen nicht kennen“. Immerhin, Krause gibt zu, am Rande von Holzers Grand-Prix-Party auch mit hohen Repräsentanten von Elf Aquitaine gesprochen zu haben – allerdings nur, „um denen die Feinheiten des deutschen Ausschreibungsrechts zu erläutern“. Einer seiner damaligen Berater, Gerhard Holfelder, erinnert sich ein wenig

Kurzzeit-Bankier Krause (2. v. l.), Partner*: „Über Geld redet man nicht“

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* Oben: Zentrale in München; unten: mit Peter Rothe, BCN-Vorstand Dietmar Küster, Alexander Rothe während einer Pressekonferenz der Bank Companie Nord in Kiel im August 1994.

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J. H. DARCHINGER

Glück gebracht. Dem Unternehmer Krause wurde zum Verhängnis, was schon dem Politiker das Genick gebrochen hatte. Für ehemalige Weggefährten wie den ersten frei gewählten Ministerpräsidenten der DDR Lothar de Maizière hat sein Schicksal „tragische Züge“: Krause verfüge „einerseits über eine beinahe kybernetische Intelligenz“, die ihn in der Arbeit „an guten Tagen fast unschlagbar“ mache. Dem stehe jedoch „eine in vielen Bereichen unfertige Persönlichkeit gegenüber, die an schlechten Tagen alles wieder zunichte“ mache. Klaus Reichenbach, Ex-Volkskammer- und -Bundestagsabgeordneter der CDU aus Sachsen, attestiert Krause mangelnde Menschenkenntnis: „Wenn dem Günther einer um den Bart geht, glaubt der sofort, das sei ein toller Kerl. Er kann einfach nicht zwischen echten Freunden und falschen Ratgebern unterscheiden.“ Schlechte Tage und falsche Ratgeber gab es seit dem Sommer 1993 mehr als genug. Statt im Osten zu investieren, verzockte Krause einen Großteil der Landesbank-Millionen bei dubiosen Finanztransaktionen in der Schweiz. Sein Teilhaber in der Zürcher AufbauInvest AG Kurt Windlin hatte das Geld der Finanz- und Commerz-Treuhand AG (FCT) im eidgenössischen Uitikon anvertraut. Deren Direktor Manfred Ruthenberg galt in Bankerkreisen als gerissener Anlage-Hai. Krause und Windlin hofften auf Renditen von „100 Prozent per annum bei monatlicher Auszahlung“, so steht es in einem Vertrag, den die Aufbau-Invest mit einem FCT-Partner abschloss. Angeblich bestand, trotz solcher Märchenzinsen, zunächst kein Grund, misstrauisch zu werden. Im März 1994 kamen 9 292 503,75 Mark zurück. Sie landeten auf einem Krause-Termingeldkonto bei der Bank Companie Nord (BCN) in Kiel. Grund: Krause und Windlin wollten die Hälfte der Anteile des Geldhauses erwerben. Ende Juli waren die Verträge unterschrieben. Gemeinsam mit den schleswig-holsteinischen Getreidehändlern Peter und Alexander Rothe, die den Rest der Anteile erworben hatten, feierte Krause den Deal im Restaurant „Kieler Schloss“ mit Champagner. Fragen, woher die Millionen für die Anteile kamen, wollte er nicht beantworten: „Über Geld redet man nicht.“ Warum Krause seine Finanziers von der Bayerischen Landesbank nicht nennen wollte, erscheint heute angesichts der Merkwürdigkeiten bei der Absicherung des Darlehens klar. Rätselhaft bleibt die Rolle des damaligen stellvertretenden Schatzmeisters der CDU in Schleswig-Holstein Otto Bernhardt. Der hatte Krause FRONTAL / ZDF

mit haftete. Auf Grund welcher Angaben die Bankiers zu der Überzeugung gelangten, auf das Flurstück 19, Flur 1 der Gemarkung Börgerende eine Grundschuld von drei Millionen Mark eintragen zu können, bleibt bis heute deren Geheimnis. Das Amtsgericht Bad Doberan bezifferte den Verkehrswert der Immobilie mit 230 000 Mark. Die zuständige Sachbearbeiterin bei der Bayerischen Landesbank mag zur Aufklärung der Widersprüche nicht beitragen, „das Bankgeheimnis, Sie verstehen schon“, betont aber, es hätten ausreichende Sicherheiten vorgelegen. Krause selbst verweist nebulös auf ein 20-Millionen-Bauprojekt auf der Insel Rügen, das mit zur Absicherung des Darlehens gedient habe. Auf Nachfragen gesteht er jedoch ein, das Ganze sei bereits andernorts verpfändet gewesen, wie sich später leider herausgestellt habe. Angesichts dieses Durcheinanders klingt die Version, die Krauses Ex-Frau Heidrun Freunden anvertraute, äußerst glaubwürdig: Als sie mit ihrem Ehe- Ehepaar Krause (1992) mann zur Unterzeichnung des Kredits Gesamtschuldnerische Mithaftung

Elf-Aquitaine-Lobbyist Holzer: „Im Graubereich sehr kräftig“

in München war, habe Bayernbank-Vorstand Klaus Rauscher mit dem Bundesminister a. D. schon im Eingangsbereich gescherzt: „Mach dir keine Sorgen, Günther. Du kriegst das Geld – wegen deiner schönen blauen Augen.“ Krause und Rauscher kannten sich schon länger. Der Bankier war 1990, als Chef der Staatskanzlei des bayerischen „Amigo“-Ministerpräsidenten Max Streibl, für die Vertretung der westdeutschen Länder beim Einigungsvertrag nominiert. War es die persönliche Bekanntschaft mit dem Aufsteiger Ost, die den 1992 ins Bankfach gewechselten Rauscher leichtsinnig gemacht hat, oder waren politische 54

Ränkespiele für die großzügige Kreditvergabe ausschlaggebend? Im Nebel der Leuna/Elf-Affäre gewinnt diese Frage zunehmend an Gewicht. Ein mit der Materie befasster Jurist verweist darauf, „dass es manchmal schon ausreicht, wenn die richtigen Leute grünes Licht signalisieren, gerade bei der Bayerischen Landesbank“. Seine Antwort auf die Frage, ob man dabei auch an Holzer und den Strauß-Sohn Max denken müsse, gegen den in Sachen Leuna ermittelt wird, ist ebenso ausweichend wie vielsagend: „Das haben aber jetzt Sie gesagt.“ Sicher ist: Die 11-Millionen-Mark-Spritze aus dem Süden hat dem Nordlicht kein d e r

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Krause (M.), Sangesbrüder*: „Du musst ein Schwein sein auf dieser Welt“

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und die Rothe-Brüder zusammengeführt. Trotz solventer Partner war Krauses Karriere im Kreditgewerbe schnell beendet. Der Grund: Gier frisst Hirn. Offenbar waren ihm gut fünf Prozent Zinsen auf dem BCN-Festgeldkonto zu wenig. Ein Ruthenberg-Compagnon hatte im Mai 1994 mit Traumrenditen für ein kurzfristiges Investmentprogramm gelockt. In der Hoffnung, die Zeit bis zum Zahltag bei der BCN Gewinn bringend überbrücken zu können, überwies Krause fünf Millionen US-Dollar auf ein Konto bei der Bank Leu in Zürich. Von dort ging das Geld auf ein Konto bei der Deutschen Bank in Lugano, das einem österreichischen Gebrauchtwagenhändler namens Franz Baliko gehörte. Der behielt einen Teil für sich, der Rest verschwand auf Nimmerwiedersehen. Vollständig aufgeklärt wurden die Geldflüsse nie. „Das lässt Raum für Phantasie im Spendenzusammenhang“, wie ein Ermittler anmerkt. „Möglicherweise ist Krau-

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Krause, Ex-Lebensgefährtin Schmitz (1997): „Das war schon scharf“

se für ein Spiel benutzt worden, das er selbst nicht durchschaute.“ Fest steht: Der Kauf der BCN musste im September 1994 rückgängig gemacht werden, weil das Geld weg war. Kurz darauf stellte Krause die Ratenzahlungen für den Bayernbank-Kredit ein. Von alldem erfuhr seine Ehefrau, die „gesamtschuldnerisch“ mit haftete, erst, als im Mai 1995 Meldungen über Zwangsvollstreckungsmaßnahmen auf Antrag der Bayerischen Landesbank die Runde machten. Krause selbst schien darüber wenig beunruhigt. Dem SPIEGEL (22/1995) versicherte er damals: „Bald schlürfe ich wieder Sekt mit den Bayernbankern.“ Er behielt Recht. Im Oktober desselben Jahres kam es zu einer „einvernehmlichen Regelung“ mit der Landesbank. Sein damaliger Anwalt berichtete über eine „Vorhabenfinanzierung“, die „sich aus sich 56

selbst trägt“ und „keine weiteren Sicherheiten bindet“. Die Motive für so viel Entgegenkommen sind angesichts der Finanztransaktionen und des von Krause als Sicherheit angeführten Grundstücks ebenso mysteriös wie ein Vorgang im August 1995, über den seine Ex-Frau Heidrun berichtet. Damals – die Ehe des Paares war bereits zerrüttet – kontrollierte die „wegen der Geheimniskrämerei“ ihres Mannes misstrauisch gewordene Ehefrau dessen Taschen und fand, so sagt sie, 100 000 Mark in bar mit Banderole SKA (Schweizerische Kreditanstalt) und Datumsstempel vom 15. August 1995. Daraufhin habe sie ihren Mann zur Rede gestellt. Der habe auf Geschäfte mit der Aufbau-Invest AG verwiesen. * In der ZDF-Sendung „Wetten, dass …?“ am 9. Dezember 1995 in Rostock. d e r

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Krauses Teilhaber Kurt Windlin ist von einer solchen Transaktion nichts bekannt: „Wir haben nie Geschäfte in bar abgewickelt, schon gar nicht zu diesem Zeitpunkt. Damals war jede Mark, die reinkam, schon zweimal ausgegeben, bevor sie da war.“ Krause selbst erklärt, die 100 000 Mark seien „eine Fata Morgana“. Wie dem auch sei, in jenen Tagen im August wurde Dieter Holzer als Lobbyist des Ex-Ministers aktiv. Krauses Frau erhielt einen Anruf, der sie „mehr als erstaunte“. Holzer, mit dem sie bis dahin per Sie verkehrte, habe sie geduzt und beschworen, „die Ehe mit Günther zu retten“. Lag Holzer das Schicksal eines Freundes am Herzen, oder wollte er Kollateralschäden im Rosenkrieg von Börgerende vermeiden? Eine auf Rache sinnende Ehefrau konnte auf Grund ihrer Mithaftung bei den Geschäften Krauses durchaus zum Problem werden. Das volle Ausmaß der Finanzkatastrophe begriff Heidrun Krause jedoch erst, als sie gemeinsam mit einer Anwältin in München vorstellig wurde. Am 19. Dezember 1995, ihrem 20. Hochzeitstag, erfuhr sie, dass ihr Mann, der ohne Vermögen in die Ehe gegangen war, alles, was sie besaß, durchgebracht hatte. Nach ihrer Rückkehr aus München fand sie in Börgerende 20 Baccara-Rosen auf dem Wohnzimmertisch. Günther Krause war außer Haus. Zehn Tage zuvor war er bei „Wetten, dass ...?“ in Rostock aufgetreten und hatte mit anderen Politikern aus der Hansestadt „Du musst ein Schwein sein auf dieser Welt“ gesungen. Ende Dezember suchte Krause gemeinsam mit seiner damaligen Lebensgefährtin Susann Schmitz Entspannung in den Bergen – als Gast von Dieter Holzer, in dessen Haus in Vorarlberg. Während dieses Besuches habe Krause, so Schmitz, mit Holzer

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R. JAHNKE / ARGUS

A. VARNHORN

über seine finanziellen Probleme geredet stadt wegen Betruges, Untreue und Geld- umgerechnet zwei Millionen Mark, doch die sind bereits bei der Österreichischen und den Elf-Lobbyisten um Geld gebeten. wäsche angeklagt. Der habe abgelehnt, sei aber zuversichtlich Noch vor wenigen Tagen erklärte Krau- Kreditanstalt verpfändet. Auch wenn Krauses Ausreden langsam gewesen, dass sich alles regelt. se gegenüber dem SPIEGEL, das Verfahren Schon im Sommer 1996, zum Grand Prix stehe kurz vor dem Abschluss, und er sei knapp werden, seine Chuzpe scheint unin Monaco, trafen sich die ungleichen Part- sicher, dass schon bald nach dem Urteil gebrochen. Sein Sohn Christian, 25, hat – ner erneut. Susann Schmitz war wieder da- „mindestens acht der verschwundenen von welchem Geld? – eine alte Villa in Ostbei, und auch die Krause-Söhne waren mit Millionen zurückgeführt werden können“. seenähe gekauft, der Ex-Minister wohnt von der Partie. Noch heute erinnert sich Die Bayerische Landesbank wollte zum offenbar wieder in dem Anwesen in der die junge Frau gern an die Reise: „Das war Stand des Verfahrens keine Stellungnah- Seestraße in Börgerende. Das Haus steht wegen Krauses Schulden bei der WestLB schon scharf, wir wurden mit einem Pri- me abgeben. unter Zwangsverwalvatflugzeug vom Flugtung. Im Sommer dieplatz Rostock-Lage abses Jahres soll es vergeholt und wieder steigert werden. zurückgebracht.“ Gut einen Monat Warum Holzer den vor Krauses Wiederüberschuldeten Untereinzug hatte der Rosnehmer noch immer tocker Rechtsanwalt hofierte, als sei er MiVolker Thom die nister, ist eine der Fra„zwangsweise Räugen, die die Staatsanmung der Wohnung“ wälte in Genf und beantragt. Heidrun Augsburg interessieHagedorn, die als Eiren. Krause erklärt den gentümerin im GrundLuxus-Trip ganz lapibuch steht, musste ausdar: „Dieter Holzer ist ziehen, weil sonst anhalt gastfreundlich – geblich „die angedachdurch und durch ein te Vermietung und Ehrenmann.“ Verwertung des ObMöglicherweise hat jekts erheblich“ erder Ehrenmann oder schwert und verzögert einer seiner Helferswerde. helfer auch im HinterEinen neuen Mieter grund die Fäden gezohatte Zwangsverwalter gen, als die Bank mit Thom auch zur Hand: Krause im März 1997 Verkehrsminister Krause (1991)*: Mittlerweile in der 3. Kreisklasse die Metz Anlagentecheine „Schuldenregenik GmbH aus Bremen. Krause lungsvereinbarung“ traf. Denn bestreitet, dass er das Haus bedie war von einer Kulanz, die wohnt – er „verwalte es für die ohne Protektion kaum vorstellMetz-Gruppe, die hin und wiebar ist. der meinen Rat sucht“. 2500 Krause trat „alle ForderunMark Kaltmiete zahlt das Untergen“ gegenüber Baliko, bei dem nehmen für die 6-Zimmer-Villa. die Millionen zuletzt geortet „Die Räumlichkeiten“, so Thom worden waren, an die Bayeriin einem Schreiben an das Amtssche Landesbank ab. Im Gegengericht Bad Doberan, Abteilung zug gewährten ihm die Banker Zwangsversteigerung, „werden Schonung bis zum „31. Dezemvon dem Geschäftsführer, Herrn ber 2007“ unter der Bedingung, Luthardt, zu Wohnzwecken ge„Gewinne“ der Aufbau-Investinutzt.“ Das war entweder eine tionen GmbH, „so weit diese inLüge, oder Thom war schlecht nerhalb der nächsten zehn Jahinformiert. Schließlich weiß ganz re ... anfallen“, seien nach MünBörgerende, wer wieder in der chen zu überweisen. Ein GeSeestraße wohnt. Auch seine Exschäftsführergehalt von „jährlich Freundin hat Krause bereits in 180 000 Mark“ wurde dem Fi- Krause-Anwesen in Börgerende seine neue alte Bleibe eingelananzhasardeur ebenfalls zuge- Zwangsversteigerung im Sommer 2000? den – „auf ein Glas Wein am standen. Von solchen Konditionen können in Not geratene Häuslebauer Aus gutem Grund: Baliko wurde bereits Abend“. Doch Susann Schmitz will nicht: nur träumen. am 23. Juni 1999 zu fünfeinhalb Jahren Ge- „Günther ist ein herzensguter Mensch“, Krause ließ die Welt im Mai 1997 über fängnis verurteilt. Der Richterspruch ist sagt sie, „aber die Protznummer war schon die Medien wissen, dass er die verschwun- schon seit längerem rechtskräftig. Zu holen immer sein Problem.“ Nicht nur seines: Krauses Ex-Frau, der er denen Millionen in absehbarer Zeit zurück- ist für Krause und Co. wenig. Balikos Imbekomme. Hintergrund der Freude: Teil mobilienbesitz wurde, so dessen Anwalt Unterhaltszahlungen verweigert, hat ebenso der Schuldenregelungsvereinbarung war Günther Bernhart, „weit unter Wert ver- wie ihre Familie dank seiner Eskapaden alle eine Strafanzeige der Bayern-Banker gegen steigert“. Auf einem von der Justiz be- Besitztümer verloren. Am 18. November Franz Baliko, die zu dessen Verhaftung schlagnahmten Konto liegen zwar noch 1997 leistete Heidrun Hagedorn den Offenbarungseid. Seitdem muss sie mit 1119 Mark führte. Im März 1999 wurde der vor dem Landesgericht im österreichischen Eisen- * Bei der Freigabe eines renovierten Teilstücks der A 10. im Monat auskommen. Gunther Latsch 60

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