Malte Heygster

1 Unterricht mit Solmisation: INSTRUMENTALMETHODIK BLOCKFLÖTE1 OKTOBER 2015 Ingrid Gerding/Malte Heygster Diese Darstellung des solmisationsgestütz...
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Unterricht mit Solmisation: INSTRUMENTALMETHODIK BLOCKFLÖTE1

OKTOBER 2015

Ingrid Gerding/Malte Heygster Diese Darstellung des solmisationsgestützten Blockflötenunterrichts beschreibt manche grundlegenden Verfahren und Begriffe nicht im Einzelnen. Das Buch RELATIVE SOLMISATION – GRUNDLAGEN, MATERIALIEN, UNTERRICHTSVERFAHREN, Schott music 2012, ED 21037 gibt ausführliche Erklärungen, es wird hier jeweils auf die Seitenzahlen verwiesen.

DER KLANG KOMMT VON DER SINGSTIMME

In solmisationsgestütztem Anfangs-Instrumentalunterricht hören die Lernenden die Musik, die sie spielen werden zuerst von der Singstimme der Lehrerin2. Sie ist die erste Quelle des Klangs3. Wenn ein Lehrer singt, öffnet er sich für die Lernenden, er singt sie an. Mit seinem Singen zeigt er Zuwendung und er offenbart seine Wertschätzung der Melodie. Dazu braucht er keine schöne und keine ausgebildete Stimme zu haben. Die Erfahrung, dass vom Äußerungsorgan des Menschen wiedergegebene Musik eine personalen Charakter hat, mit der er auf sein Gegenüber zugeht, ist von Bedeutung für die Beziehung der Lernenden zu Musik, zu ihrem eigenen Singen und ihrem Instrumentalspiel. Sie werden beim Übertragen der Melodie auf ein Instrument mehr in der Musik suchen als eine Folge von Tönen und Rhythmen, nämlich eine Klangrede, die Empfindungen und Szenerien schildert. TRANSPORT IN DIE INNERE VORSTELLUNG – DIE VORSTELLUNG STEUERT DIE TECHNIK

Die hier beschriebene Instrumentalmethodik beginnt mit Singen, ihr erstes Ziel ist die Wahrnehmung der zu spielenden Melodie. Vorrangig wird dafür gesorgt, dass die Lernenden sie verinnerlichen und sich klanglich in Erinnerung rufen können. Die intensive Wahrnehmung des ganzen Liedes mit seinem Charakter und seinen Stimmungen steht vor der Arbeit mit der Technik. Wenn die Lernenden das Stück gut kennen, können sie sagen: „So soll es klingen“. Dann kann die Lehrerin fordern: „Wenn es so klingen soll, musst Du das so machen“. Dann steuert die Vorstellung die Technik. KERN - KLEINSCHRITTIGKEIT - LANGSAMES LERNTEMPO

Instrumentalunterricht setzt ein einfach zu lernendes Stück an den Anfang. Es ist der Kern (Nukleus), um den herum dann immer neue Lerninhalte gelegt werden4. Jeder dazu kommende Lerninhalt soll eine große Schnittmenge mit den bereits internalisierten haben. Solche Kleinschrittigkeit ist bestimmt von Achtsamkeit und Zuwendung der Lehrenden, die darauf bauen können, dass dieses Verhalten den Lernenden gefällt und sie es erwidern. Ein anderes Merkmal kleinschrittiger Methodik ist langes Verweilen bei einem Lerninhalt. Es ist nicht das Ziel, in kurzer Zeit eine große Anzahl von Stücken zu lehren. Vielmehr zielt die Methodik auf Intensität und Vielseitigkeit der musikalischen Erfahrungen an einer Melodie und auf tiefgreifende Internalisierung der Musik im Verbund mit der dazugehörenden Technik. Den Lernenden werden mit den vielen notwendigen Wiederholungen immer neue Wahrnehmungsziele in der Melodie angeboten, durch die sie sie von immer neuen Seiten kennen lernen5. Das bedeutet: Anfangs ein langsames Lerntempo, das sich in der Folge umso leichter beschleunigen lässt.

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Der Unterricht für andere Blasinstrumente verläuft ähnlich wie der hier beschriebene Die Berufsbezeichnung für Lehrkräfte wird jeweils nur in einem Geschlecht angegeben 3 Primat des Klangs Seite 218 4 Diversitäts- und Nukleusverfahren Seite 16 5 Wahrnehmungsziele Seite 256 2

2 DAS ERSTE STÜCK

Es ist vorteilhaft, als Kern eine textierte Melodie auszuwählen. Außermusikalischer Inhalt vermittelt den Lernenden, dass Musik immer eine Szenerie darstellt, dass sie Stimmungen und Charaktere wiedergibt. Zu singen und ein Instrument zu spielen bedeutet viel mehr als Töne und Rhythmus zu produzieren. Es öffnet das Tor zu sehr viel weiter reichender emotionaler, sinnlicher und geistiger Wahrnehmung. Der Kern muss diese Perspektive gleich zu Beginn ahnen lassen. Auch ist an Text gebundener Rhythmus leicht zu erfassen. Die in einer Kernmelodie möglichst häufigen Wiederholungen einer Tonfolge werden mit Text plausibel. Der Kern soll leicht zu spielen sein. Für die Blockflöten gibt es verschiedene geeignete Anfangs-Tonfolgen. Als Muster wird hier die Tonfolge h-a-g in G-Dur gewählt. Diese Tonfolge wird in der Nomenklatur der Relativen Solmisation (RS) in jeder Dur-Tonart als mi re do gesungen. Die Buchstabennotation (Buno)6 schreibt nur die die Anfangskonsonanten m r d. Dieses textierte Lied kann als Kern verwendet werden:

Die nachfolgend beschriebene Instrumentalmethodik befasst sich nur mit Tonhöhenveränderungen. Die Methodik der Tonerzeugung wird hier nicht angesprochen. 7

METHODIK : VOM HÖREN ZUM SPIELEN 8 Der Kern wird in drei Etappen vermittelt , im Dreischritt bestehend aus:

1. Die klangliche Vorstellung vom Ablauf des Liedes wird aufgebaut 2. An die Vorstellung werden instrumentale Bewegungen ohne Instrument gekoppelt 3. Das Lied wird auf das Instrument übertragen 1. Für den ersten Schritt wird viel Zeit aufgewendet, was sich als nützlich erweisen wird, weil alle nachfolgenden technischen Aufgaben von der Vorstellung des Melodieverlaufs gesteuert werden9. Durch die Vorstellung wird das Ziel der technischen Anweisungen offenkundig („so soll es klingen“). Die technische Anweisung wird plausibel, weil das Lernen in eine erkennbare Richtung geht. Die Kinder werden das erste Spiel auf dem Instrument selbst überprüfen und bewerten können. Die Kinder sitzen ohne Pulte in einem Kreis. Das Lied wird oft vorgesungen, bei jeder Wiederholung bekommen die Lernenden ein neues Wahrnehmungsziel, die Form, den Rhythmus, den Tonverlauf… Der Lehrer lässt den jeweiligen Parameter durch Handlungsaktivitäten fokussieren, ohne ihn zu benennen. Das Lied erklingt immer ganz, die Lernenden richten ihre Aufmerksamkeit nur auf den jeweiligen Parameter; sie singen selbst noch nicht. Beispiele für dieses methodische Vorgehen:

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Buchstabennotation (Buno) Seite 202 ff Theoretische Beschreibungen Verläufen lassen einfache methodische Verläufe kompliziert erscheinen. Plausibel werden die Beschreibungen nur durch wirkliches Durchspielen der Verläufe. 8 Dreischritt im Instrumentalunterricht Seite 130 ff 9 Instrumentalpädagoginnen neigen dazu, diesen methodischen Teil mit dem Hinweis auf die Fülle ihrer technischen Aufgaben zu verkürzen oder zu unterlassen. Dadurch wird das Lernen der Technik erschwert, weil für die Lernenden das Ziel der Technik nicht erkennbar wird. 7

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a. Die Lehrerin präsentiert das Lied, es wird vorgesungen Mit den nachfolgenden Handlungen (b bis g) praktizieren die Lernenden aktives Hören, weil sie mit dem Handeln Bezug auf die Musik nehmen10. b. Beim Singen des Lehrers führen die Kinder den Parameter Metrum in Viertel aus (Klatschen, Patschen, alle Klanggesten). Sie konzentrieren sich nur auf das Metrum, ohne mitzusingen. Wenn sie ohne Hilfe des Lehrers das Metrum darstellen, haben sie über das Metrum den Verlauf und das Formelement Umfang des Liedes erfasst. Damit haben sie basale musikalische Erfahrungen gemacht, die sie bei der Beschäftigung mit einzelnen Tönen oder Rhythmen nicht gemacht hätten. c. jeder gesungene Ton wird (auf den Handrücken) geklatscht, die Kinder fokussieren den Rhythmus. Wenn der Lehrer im Lied aufhört zu singen, werden die Kinder den Rhythmus bald weiterklatschen. Die Kinder haben damit Rhythmus und Form verinnerlicht. d. die Lehrerin singt das Lied, dazu führen die Kinder den Parameter Form aus (Dauer, Zweiteiligkeit…); sie bewegen die sich zunächst berührenden Hände bis zum Liedende auseinander; malen einen Kreis an die Tafel oder in die Luft, der mit dem Liedende geschlossen ist; gehen um ihren Stuhl herum und sitzen beim Liedende wieder; bewegen sich vom Stuhl aus frei im Raum und sitzen beim Liedende wieder auf ihrem eigenen Stuhl; machen sich bei zweiteiligen Melodien die zeitliche Mitte dieser Handlungen bewusst… e. die Kinder führen Taktgesten aus, durch die das Metrum strukturiert wird, sie fokussieren damit den Vierertakt11. Wenn sie die Gesten mit dem Ende des Liedes selbständig beenden können, handeln sie bewusst unter Bezug auf Takt und Form. f. der Lehrer singt das Lied, dazu schnipst er nur die vierte Zählzeit im Vierertakt: Jetzt spüren die Lernenden den Spannungsbogen, der in der Pause sein Ende findet. g. die Tonhöhe wir mit den Armen gezeigt; dies kann zu den Handgesten m feinert werden12.

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der RS ver-

Mit vielen Spielen können alle primären und sekundären Parameter der Melodie fokussiert werden, gefragt ist methodische Fantasie. So werden Melodien von vielen Seiten beleuchtet und tief in der Wahrnehmung und der Erinnerung verankert. Sich beim Hören der ganzen Melodie auf nur jeweils einen Parameter zu konzentrieren, bedeutet, diesen stark zu empfinden, dabei aber die anderen Parameter unbewusst mit aufzunehmen 13 14 (Huckepackverfahren , rotierende Aufmerksamkeit ). Das führt zu langsamem Lerntempo, möglichst bei schnellem Unterrichtstempo, Kinder lieben „vibrierende Stunden“. Wesentlich für den Unterrichtserfolg ist nicht die Vielzahl gelernter Lieder und Stücke sondern die Intensität der Wahrnehmung und Internalisierung.

2. Durch den ersten Schritt haben die Kinder das Lied verinnerlicht, vielleicht singen sie schon mit, wozu sie allerdings nicht aufgefordert werden. Der zweite Schritt ordnet nun ohne Instrument dem gesungenen Klang die Grifffolge für die Töne h-a-g zu, die der Instrumentalbewegung für diese Tonhöhenveränderung entspricht. An den Klang wird die Bewegung gekoppelt. Viele Lehrende lassen die Bewegung der Finger auf dem Handrücken der rechten Hand ausführen, für Griffe beider Hände an einem Stab oder Stift. Die Bewegung wird als 10

Hören als Aktivität, siehe Seite 197 Taktgesten Seite 228 12 Handgesten Seite 192 ff 13 Huckepackverfahren Seite 197 14 Dieser von Gerhard Mantel geprägte Begriff wird auf Seite 184 erläutert 11

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unkompliziert empfunden und lässt Verspannungen und Ängste nicht aufkommen, die bei der Handhabung des Instruments entstehen können. Sie dient so der Vorentlastung der tatsächlichen Spieltechnik. Die Technik wird geübt, indem die Bewegungen beim Singen ausgeführt werden. Beim Singen der Melodie wird die Griffbewegung ohne das Instrument ausgeführt. Sie koppelt die Instrumentalbewegung an den internalisierten Klang und dient der Vorentlastung für das Spiel am Instrument. Das Singen wird bald die Bewegung auslösen, umgekehrt wird die Bewegung zum Singen anregen. Diese Verknüpfung von 15 Klang und Bewegung begleitet Instrumentalisten ein Leben lang .

3. Nun kann im dritten Schritt zum Greifen am Instrument geführt werden: Das Lied wird a. in „Blockflötensprache“ auf die Silbe dü gesungen b. tonlos in Blockflötensprache in die Flöte gesprochen und dazu gegriffen auf der Blockflöte gespielt c. Dann werden möglichst viele weitere Lieder im m r d–Tonkreis mit dem Dreischritt erarbeitet. Damit ist zwar das Lerntempo in Bezug auf die Anzahl der Töne langsam. Der immer neue Anreiz kommt von den neuen Texten, Melodien und Griffanforderungen. Einige Beispiele: Eine lange Klapperschlange: 4/4 m r d r | m r d r | mm rr d d | m r d r | m r d r | mm rr d Eine lange Klapperschlange lauert in den Büschen; kleines Mäuschen, bleib im Häuschen, lass dich nicht erwischen.

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Max und Moritz 2/4 dd dr | mm mm | rd rm | dd dd | dd dr | mm m | rd Max und Moritz steh’n vorm Laden, woll’n für’n Groschen Knackwurst haben; Knackwurst aber gibt es nicht, Max und Moritz ärgern sich

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Weitere Lieder im Tonkreis lassen sich leicht erfinden. Eigene Lieder, auch gemeinsam mit den Kindern erfundene, intensivieren die Beziehung zum Unterrichtsinhalt. METHODIK: IMPROVISATION, SPIEL MIT DEM TONMATERIAL

Wenn die Kinder das Kern-Lied spielen können, werden neben weiteren Liedern in dem Tonkreis Melodien ohne Text erfunden. Der Lehrer kann dann auf nu nu o.ä singend Improvisationen vorgeben. Er kann nötigenfalls helfen, indem er die Griffe auf dem Handrücken oder der Flöte zeigt. Vorgesungene Melodien nachzuspielen, bedeutet, die Aufforderung zum Spiel direkt über das Ohr wahrzunehmen, der Klang selbst fordert unmittelbar zum Nachspielen auf16. Bei solchen Impros erfahren die Lernenden weitere Taktarten und Rhythmen (Punktierungen, Synkopen, Triolen…), ohne sie zu „verstehen“17. Die affektive Wahrnehmung erweitert die musikalische Erfahrung ohne kognitiven Umweg und das spätere kognitive Erfassen wird vorbereitet. Spüren ist die Voraussetzung für Verstehen. Schließlich erfinden die Lernenden eigene Melodien. Sie spielen dann elbständig mit Tonmaterial, sie improvisieren. Das selbstbestimmte Finden von Melodien schafft eine intensive 15

Die Bedeutung der Verknüpfung von Klang- und Bewegungsempfinden im Hirn (Kinästhetik) für die Musikpädagogik wird heute von den Neurowissenschaften bestätigt 16 Call&Response, Echospiele Seite 172 ff 17 Kinder wenden auch komplizierte grammatische Regeln korrekt an, ohne sie zu verstehen

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Beziehung zum Instrument und zur Musik, es festigt die Klangvorstellung und die Technik. Die Lehrerin und andere Kinder spielen gefundenen Melodien nach. Wir sind in einem Lernstadium, in dem relative und absolute Tonbezeichnungen, Handgesten, Buchstabennotation (Buno) und Kopfnotation (Kono) noch nicht vorkommen. METHODIK: RELATIVE BENENNUNG

Nun wird notwendig, die bekannten Klänge, Griffe, Abfolgen mit Namen zu versehen. Der Lehrer singt solmisierend in G-Dur eine Melodie im Tonkreis m r d. Wahrscheinlich werden die Kinder sie nachspielen können. So verinnerlichen sie beiläufig die relativen Namen. Klang, Spielbewegung und Nomenklatur verknüpfen sich. Bald werden die Lernenden auch auf einem Instrument vorgespielte Melodien im vertrauten Tonkreis nachspielen und die relative Benennung selbst finden. Auch wird ein Kind eine Melodie erfinden, die die anderen solmisieren und nachspielen. Die Handgeste wird als zusätzliches Charakteristikum des Klangs hinzugefügt. Alle m-r-d Melodien werden mit selbst gezeigten Handgesten18 gesungen (bei gezeigten Handgesten immer sehr langsames Tempo!). Von der Lehrerin oder von einem Kind gezeigte Handgesten werden gelesen. Die Handgesten repräsentieren den vertrauten Klang, sie sind Stellvertreter des Klangs. Die relativen Namen werden den bereits vertrauten Aktivitäten und Klängen zugeordnet, sie werden an den Klang gekoppelt. METHODIK: MEHRSTIMMIGKEIT

Der Lehrer, später auch ein Kind, spielt andauernd einen der drei Töne, während die Lernenden mit den Tönen improvisieren oder Lieder spielen. Sie erfahren Mehrstimmigkeit mit Konsonanzen, Dissonanzen und Einklängen. Viele m-r-d-Melodien lassen sich im Kanon spielen, z. B. Klapperschlange, Kleiner Floh…, jeweils nach 2 Vierteln einsetzen. Beides auch vokal durchführen. Wieder wird das Lerntempo in Bezug auf die Anzahl der gespielten Töne und die Spieltechnik noch nicht erweitert, der musikalische Lernzuwachs ist jedoch groß. Bekanntes wird in anderem Zusammenhang neu erfahren. Dadurch entsteht Interesse und Motivation. METHODIK: MELODIEBEGLEITUNG

Die Kinder spielen einen ostinato, selbstverständlich ohne Noten, zu dem die Lehrerin improvisiert, etwa:

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Handgesten Seite 192 ff

6 METHODIK: NEUER TONKREIS RUFTERZ

1. Die Lehrerin vermittelt mit dem Dreischritt ein textiertes Lied im Tonkreis s-m19 2. lässt die Griffkombination g-e ohne Instrument üben, ohne sie relativ oder absolut zu benennen 3. lässt das Lied mit dem Ausführen der Griffkombination auf dem Handrücken singen 4. lässt das Lied auf das Instrument übertragen Viele textierte Lieder im Tonkreis s-m werden gesungen und gespielt, mit den Tönen wird improvisiert. Wenn sich die klangliche und haptische Erfahrung gefestigt hat, werden die Melodien mit den relativen Namen s-m gesungen… Die relativen Namen für die Töne werden durch Vorsingen, Nachsingen und Nachspielen von Melodien verinnerlicht (siehe oben). Absolute Ton-(Griff-)Namen werden noch nicht benutzt. METHODIK: MELODIEN MIT ERWEITERTEM TONKREIS

Vieltönige Melodien, in denen sich der Tonkreis s-m markant wiederholt, werden solmisiert vorgesungen. Die Kinder bekommen den Auftrag, jeweils nur s-m (rot) mitzusingen, dann auf der Flöte mitzuspielen. Sie lernen dabei, kammermusikalisch hörend auf die Gesamtfolge der Melodie zu achten und sich in den Fluss der Melodie einzubringen20:

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METHODIK: VERSCHRIFTLICHUNG DURCH BUCHSTABENNOTATION (BUNO)

Die Lernenden haben den Klang m-r-d kennen gelernt und ihn benannt. Sie haben ihn gesungen, mit Handzeichen gezeigt, auf der Blockflöte gespielt. Die Handgesten und Tonnamen sind Stellvertreter des Klangs21. Jetzt kommen weitere Stellvertreter dazu, nämlich Schriftzeichen, in diesem Fall Buchstaben. Sie finden eine gut bekannte Melodie im Tonkreis m-r-d in Buchstabennotation an der Tafel: 4/4

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Sie kennen das Lied (Klapperschlange) und die Silben sind oft gesungen worden. Jetzt hilft ihnen der geschriebene Anfangskonsonant der Silben, den Sinn der Buchstaben zu erkennen. So entdecken sie aus eigenem Vermögen, autark folgernd, das Prinzip des Lesens von Tönen. 19

Lieder im Tonkreis s-m Seite 24 bis 29 Melodien mit erweitertem Tonkreis Seite 29 ff 21 Stellvertreter des Klangs Seite 228 20

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Sie lesen eine Nachschrift22, indem sie ein ihnen vertrautes Lied in der Schrift wiedererkennen. Klänge, die den Lernenden auch als Griff und Name vertraut sind, werden von den Lernenden in ihrer Erscheinungsform als Buchstaben angenommen, weil die Notation für etwas Konkretes steht, das sie klanglich und haptisch verinnerlicht haben. Die Kinder sind der Schrift nicht als etwas Abstraktes begegnet, sie repräsentiert Erlebtes, die Buchstaben sind Stellvertreter des Klangs. Wichtig ist, dass Buno früh eingeführt wird, nämlich dann, wenn nur wenige Silben und Griffe bekannt sind, damit es kaum Verwechslungsmöglichkeiten gibt. Später wird von der Melodie an der Tafel ein Ton ausgewischt und durch einen anderen ersetzt. Die Kinder entnehmen dann der Schrift eine im Voraus nicht gehörte Tonfolge. Zwar haben sie beim Improvisieren und Call&Response schön überraschende Tonfolgen gesungen und gespielt. Jetzt aber entnehmen sie die Aufforderung zur Tonhöhenveränderung der Schrift. Es können jetzt m-r-d-Melodien von der Tafel, aus dem Heft… gelesen werden, etwa: 3/4

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Noch immer werden die absoluten Tonbezeichnungen, also die Namen für die Griffe und die Kopfnotation (Kono) nicht ins Spiel gebracht. Manche Lehrerinnen unterrichten nach den Tönen h-a-g‘ zuerst die Rufterz in F-Dur mit den Tönen c-a. METHODIK: NEUER TONKREIS LEIERMELODIK

Der Lehrer singt ein textiertes Lied im Tonkreis Leiermelodik s-l-s-m 1. baut ausführlich die Vorstellung auf 2. verknüpft das gesungene Lied mit den Griffen für g-a-g-e ohne Instrument 3. lässt es auf dem Instrument spielen. Die absoluten Ton- bzw. Griffnamen werden noch nicht genannt. Auch mit diesen Tönen wird nun improvisiert. Wenn sich die klangliche und haptische Erfahrung gefestigt hat, werden solmisiert gesungene Melodien nachgespielt… Viele Lieder und Melodien im Tonkreis s-l-s-m singen und spielen23. Die Lernenden kennen noch keine Bezeichnungen für Griffe (absolute Tonnamen). Sie praktizieren Griffkombinationen, die mit verinnerlichten Tonfolgen übereinstimmen. Die Steuerung der Spieltechnik erfolgt nur durch Klangvorstellung.

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Nachschrift Seite 216 Melodien und Lieder im Tonkreis Leiermelodik Seite 50 ff

8 METHODIK: BEKANNTER TONKREIS MIT ANDEREN GRIFFEN

Die Lehrerin 1. singt ein bekanntes textiertes Lied im Tonkreis der Rufterz vor und festigt es in der Vorstellung der Lernenden 2. verknüpft das gesungene Lied ohne Instrument mit den Griffen für c-a und 3. lässt es auf dem Instrument spielen. Dabei werden die absoluten Ton- bzw. Griffnamen noch nicht erwähnt. Mit den Tönen wird nun improvisiert. Wenn sich die klangliche und haptische Erfahrung gefestigt hat, werden die Melodien mit relativen Namen vorgesungen und nachgespielt. Viele Lieder und Melodien werden im Tonkreis s-m mit den neuen Griffen gespielt und gesungen. Auch die Melodie l d’l s m wird wieder genutzt, um den s-m-Klang in anderer Tonhöhe und mit neuen Griffen zu internalisieren:

Die Kinder sind jetzt in der Lage, ihre s-m-Melodien und -Lieder in F-Dur und C-Dur zu spielen. Sie greifen einen Tonkreis in verschiedenen Tonhöhen (Tonarten), sie transponieren. Das fordert unterscheidende Benennungen, Tonartenbezeichnungen. Die Fachbegriffe F-Dur und C-Dur werden den beiden Griffkombinationen zugefügt. Die neuen Namen sind mit konkreten Erfahrungen unterlegt und werden daher angenommen. Der Lehrer kann jetzt ansagen: Spiel eine s-m-Melodie in F-Dur, dann in C-Dur. Namen, Fachbegriffe werden leicht gelernt, wenn das, was sie bezeichnen, bekannt ist und durch Klang und Griff erfahren wurde. In diesem Lernstadium werden noch größere Zusammenhänge (Tonartenbezeichnungen) benannt, noch nicht einzelne Töne und Griffe. Die Lernenden erfahren den Tonartenbegriff und können etwas damit anfangen, weil er gemachten Erfahrungen einen Namen gibt. Damit sind sie dem Verstehen des Begriffes F-Dur näher als jemand, der auswendig gelernt hat, dass F-Dur das Vorzeichen b hat. METHODIK: ABSOLUTE NAMEN FÜR TÖNE UND GRIFFE

Das Transponieren hat eine neue Benennungsebene erforderlich gemacht, die Tonartenbezeichnung. Zwei gleiche, oder doch ähnliche Vorgänge mussten unterschieden werden. Jetzt wird es auch nötig und plausibel, einzelne Griffe namentlich zu unterscheiden: „In F-Dur spiele ich s-m mit den Tönen (Griffen) c-a, in C-Dur mit g-e“. METHODIK: ZUSAMMENFÜHRUNG VERSCHIEDENER TONKREISE

Die Lernenden haben dieses Tonmaterial zur Verfügung, sie kennen die Griffe, aber noch nicht die Liniennotation:

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Gleiche Tonfolgen können tonal unterschiedliche Bedeutung haben, entsprechend werden sie unterschiedlich solmisiert. Die Tonverbindung g-e ist bisher als s-m gesungen und gespielt worden. Jetzt erarbeitet die Lehrerin solmisierend etwa die folgende Melodie: 4/4

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l, | d

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Z |d

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l, | d

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Z

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Mit dem zweiten der drei Schritte des Dreischritts bereitet sie die Griffe für diese Melodie in G-Dur/E-Moll vor:

Die Kinder kennen jeden dieser Griffe, wenn auch noch nicht in dieser Kombination. Sie werden den neuen Klangcharakter schon beim ersten Schritt spüren. Auch können sie nun die Namen der Griffe singen: g e gg e | g a h Z … Dazu passt das Lied der Yangtse-Schiffer: 4/4 l,

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l, | l,

d

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METHODIK: VERSCHRIFTLICHUNG MIT ABSOLUTER NOTATION

Viele Klangkombinationen mit relativer Bezeichnung und den dazu gehörenden Griffen und absoluten Namen sind den Kindern nun vertraut. Teilweise benutzten sie gleiche relative Silben für unterschiedliche Griffe. Jetzt ist es nötig, ihnen auch eine schriftliche Unterscheidung zu geben, die Linien- oder Kopfnotation (Kono). Jeder Kopf im Liniensystem repräsentiert einen Ton. Der geschriebene Ton wird Note genannt. Sie lesen m-r-d in G-Dur nach dieser Vorlage, die auch die bekannten Griffnamen (absoluten Tonnamen) vorgibt:

m-d-r

in G-Dur:

10 r-d-m

in G-Dur:

d-r-m

in G-Dur:

Verinnerlicht haben die Lernenden den Griff, die relative Benennung für Tonfolgen und die absolute Benennung für einzelne Töne. Zu diesen vertrauten Phänomenen prägen sie sich jetzt das Bild in Kopfnotation ein. In diesem Notenbild wird die Tonrichtung erkannt, Sprung und Schritt werden unterschieden. Vielleicht wird erkannt, dass eine Note auf einer Linie oder in einem Zwischenraum stehen kann... Lesebeispiele können jetzt das Lesen in G-Dur trainieren:

Solche Beispiele werden jetzt auch solmisiert und mit absoluten Tonnamen gesungen.

Die Methodik führt behutsam vom Konkreten zum Abstrakteren, sie leitet

vom 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

GEHÖRTEN, SOLMISIERT GESUNGENEN KLANG

zur SPIELBEWEGUNG (GRIFF) OHNE INSTRUMENT zum INSTRUMENT zur RELATIVEN BENENNUNG zur RELATIVEN SCHRIFT zur ABSOLUTEN BENENNUNG zur ABSOLUTEN SCHRIFT.

Jeder dieser Schritte wird nur wirksam, wenn der vorige Wurzeln geschlagen hat. Weitergehend werden neue Melodien und Lieder mit den gleichen Verfahren erarbeitet. Dabei wird sich das Lerntempo automatisch beschleunigen, weil die Lernenden (und die Lehrenden) eine Routine des Ableitens bekommen. Klang, Griff und Note werden zunehmend als Einheit erkannt. Dadurch wird sich auch das Erkennen des Klangs und der Griffe direkt aus den Noten einstellen, was die Lehrenden aber nicht forcieren.

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