Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen Explorative Vorstudie Catrin Seefranz und Philippe Saner Januar 2012

Inhaltsverzeichnis

1 Ausgangspunkte _ 3 2 Forschungskontext _ 7 3 Forschungsdesign _ 11 3.1 Struktur der Vorstudie _ 11 3.2 Methode der qualitativen Erhebung _ 12 3.3 Methode der quantitativen Erhebung _ 13 4 Forschungsergebnisse _ 15 4.1 Ergebnisse der quantitativen Erhebung _ 15 4.1.1

Ablauf der Umfrage und Grundpopulation _ 15

4.1.2 Alter und Geschlecht _ 18 4.1.3

Höchste absolvierte Ausbildung _ 22

4.1.4 Gestalterische/künstlerische/musikalische Vorbildung _ 26 4.1.5 Erstsprachen _ 28 4.1.6 Migrationsgeschichte _ 32 4.1.7

Sozioökonomischer Hintergrund _ 38 a) Höchste Bildungsabschlüsse der Bezugspersonen _ 38 b) Einkommen der Bezugspersonen _ 40 c) Berufspositionen der Bezugspersonen _ 42

4.1.8 Studienfinanzierung _ 46 4.1.9 Erwerbstätigkeit _ 49 4.1.10 Wichtigste Kennzahlen (tabellarische Darstellung) _ 53 4.2 Ergebnisse der qualitativen Erhebung _ 54 4.2.1

Ansichten zur Pluralität der Kunsthochschule _ 54

4.2.2 Theorien und Soziologien der Ungleichheit _ 58 a) Reiche Eltern für alle: sozioökonomische Hintergründe _ 58 b) Ein Exkurs zur Musik. Oder: Warum ökonomisches Kapital eben doch zählt _ 59 c) Bildungsherkünfte _ 60 d) Habituelle Theorien: soziales und kulturelles Kapital _ 61 4.2.3 Theorien des Ausschlusses _ 63 a) Fachspezifische Logiken _ 63 b) Exklusive Kunstkonzepte und normativer Kanon _ 64

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4.2.4 Gatekeeping und Social Cloning: Logiken und Praktiken der Selektion _ 68 a) Selektivität _ 68 b) Potenzial, Talent, Qualität: Begabungsideologien _ 70 c) Rituale des Übergangs: Aufnahmeverfahren _ 72 d) Sur dossier oder mit Vorkurs: Vorbildungen _ 74 4.2.5 Transformationen der Kunsthochschule _ 77 a) Schule oder Akademie _ 77 b) Jung – Gymnasium – Vorkurs: «Homogenisierung und Pasteurisierung» _ 78 c) De-Skilling und Re-Skilling: Entmaterialisierung und Akademisierung _ 80 d) «Eine Mechanik hinter den Kulissen»: ökonomische und institutionelle Imperative _ 82 4.2.6 Unsichtbare und sichtbare Migrant_innen _ 84 4.2.7 Internationale Wanderer _ 89 4.2.8 Genderpolitiken _ 90 a) Präferenzen _ 90 b) Gender als Normalisierungspolitik _ 92 c) Männliche Herrschaft in einem verweiblichten Feld _ 93 4.2.9 Einschätzungen und Erfahrungen zu Widening Participation _ 94 4.3 Ergebnisse der Bedingungsfeldanalyse _ 95 5 Forschungsperspektive _ 97 6 Resümee _ 100 7 Literatur _ 104 8 Anhang _ 109 8.1 Interview-Leitfaden _ 109 8.2 Fragebogen (Beispiel Befragung Erstsemestrige an der ZHdK Herbstsemester 2011) _ 111 8.3 Methodische Bemerkungen zum Einkommen _ 121

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Ausgangspunkte

Ausgangspunkte von Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen waren ein Verdacht und – daran anschliessend, einige erste elementare Fragestellungen. Der begründete Verdacht, der im Rahmen eines – in mehreren Etappen geplanten – Forschungsprojekts überprüft und untersucht, verifiziert, modifiziert oder relativiert, auf jeden Fall differenziert werden sollte, bestand darin, dass im institutionellen Feld der Kunsthochschule spezifische Ein- und Ausschlüsse produziert und perpetuiert werden und dadurch tendenziell ein «preserve of the privileged» (Malik Okon 2005: 6) hergestellt und erhalten wird. Dass sich also jene – für die assoziierten Felder der Kunst und der Bildung seit den grundlegenden Analysen Pierre Bourdieus herausgearbeitete und immer noch aktuelle1 – Tendenz zur Vervielfältigung und Verfestigung von ungleichen sozialen Verhältnissen in der Kunsthochschule auf eine spezifische Weise artikuliert, die gerade erst in den Fokus der Forschung rückt (vgl. Kapitel Forschungskontext). Vorliegende Untersuchungen, die systematisch und kontinuierlich bislang nur in Grossbritannien im Kontext des Programms Widening Participation stattfinden, beschreiben die Kunsthochschule jedenfalls als einen für nicht-traditionelle Studierende oder auch Studienbewerber_innen (gemeint sind «students from working class backgrounds, and particularly those from certain minority ethnic groups») undurchsichtigen und undurchlässigen Raum voll struktureller Barrieren, vielfältiger Diskriminierungen und versteckter Dequalifizierungen, in dem, wie eine nicht-traditionelle Studentin beschreibt: «every word starts with dis.» (vgl. Mc Manus 2006) Von der Annahme ausgehend, dass die Kunsthochschule ein Ort der Reproduktion gesellschaftlicher Asymmetrien ist (genauso wie ein möglicher Ort zu deren Transformation), standen erste grundlegende Fragen im Raum, die an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) und dann auch den anderen an der Erhebung beteiligten Hochschulen auf Interesse und Resonanz stiessen: Wer studiert an den Schweizer Kunsthochschulen? Wer fehlt? Bildet sich in der Vielfalt der Studierenden die gesellschaftliche Diversität der Schweizer Bevölkerung ab oder fehlen bestimmte Gruppen? Stellt die Kunsthochschule soziale Ungleichheit her oder macht das Talent alle gleich? Wie werden Ein- und Ausschlüsse reproduziert, individuell, institutionell und strukturell? Und wie sind diese mit dem Feld Kunst und seinen Theorien und Logiken verbunden? Was ist das implizite Wissen über Inklusion und Exklusion? Und wie die Haltung zu einer Forschung, die an der Transformation ungleicher Verhältnisse interessiert ist?

1 Die Aktualität von Pierre Bourdieus Reflexion über die Reproduktion von Machtverhältnissen im Feld der Kunst zeigt etwa die neue Studie Culture, Class, Distinction (2009), die die Relevanz von Bourdieus Thesen für das kulturelle Feld in Grossbritannien im Detail überprüft.

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Unterstützt von der Hochschulleitung der ZHdK konnte das Institute for Art Education, inspiriert auch vom Austausch mit einer Forschungsgruppe an der Akademie der bildenden Künste Wien,2 das Forschungsprojekt Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen initiieren, das in drei Stufen eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Politiken, Prozessen und Praktiken von Homogenisierung, Exklusion wie auch Pluralisierung, Diversifizierung oder Inklusion anregen möchte. Einem nationalen Forschungsprojekt, das im Verbund verschiedener Schweizer Kunsthochschulen die komplexen Konfigurationen von sozialer Ungleichheit im Feld der Kunsthochschule auf verschiedenen institutionellen und individuellen Ebenen untersucht (Making Differences 2#) und einer internationalen Recherche, die vergleichende Analyse und gemeinsame Entwicklung verbindet (Making Differences 3#), sollte eine erste explorative Vorstudie vorausgehen, deren Ergebnisse hier vorliegen. Zwischen Mai und Dezember 2011 versuchte diese Vorstudie einerseits das Interesse und Bedingungsfeld für eine Erforschung in Kooperation verschiedener Kunsthochschulen zu klären; andererseits sollte durch erste quantitative und qualitative Erhebungen eine empirische Basis für eine Auseinandersetzung mit diesem Thema und damit eine erste Grundlage für mögliche anschliessende Untersuchungen geschaffen werden. Die quantitative und qualitative Erhebung wurde an drei Kunsthochschulen realisiert, der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK), der Hochschule der Künste Bern (HKB) und der Haute École d’Art et de Design Genève (HEAD).3 Die von der ZHdK finanzierte explorative Studie und das dreistufige Projekt wurden von Carmen Mörsch und Catrin Seefranz entworfen und die Vorstudie von Catrin Seefranz und Philippe Saner unter Supervision von Carmen Mörsch durchgeführt. Eine Forschung zu Ungleichheit im Feld der Kunsthochschule muss sich aus unserer Sicht selbst innerhalb dieses Feldes positionieren, die Forscher_innen und ihre Perspektiven situieren. Was diese Vorstudie betrifft, nehmen ihre Verfasser_innen für eine, in verschiedener Hinsicht, unbequeme Position ein und praktizieren das Forschen im Widerspruch. Ganz grundlegend beginnt dieser Widerspruch damit, dass wir über Ausschlüsse forschen, mit denen wir als vielfach privilegierte Universitätsabsolvent_innen kaum jemals konfrontiert waren und in dem klassisch-soziologischen Forschungsdesign dieser Vorstudie den gleichsam beforschten Ausgeschlossenen auch keine Möglichkeit zur Artikulation und Partizipation und zur eigenen Forschung bieten. Für die explorative Vorstudie, die primär eine erste empirisch fundierte Basis für weitere Forschungen bieten soll, erscheint uns diese beschränkte Form der Wissensproduktion legitim; für die anschliessende Forschung sieht Making Differences ein ungleich komplexeres Setting vor, das mit Methoden des Participatory Action Research das Verhältnis von Forschenden und Beforschten differenziert definiert und Formen der Wissensproduktion vervielfacht. Eine Forschung, die die Ein- und vor allem Ausschlüsse von spezifischen sozialen Gruppierungen oder Segmenten untersucht, sieht sich vor allem mit einem weiteren wichtigen Widerspruch konfrontiert: durch die Untersuchung und ihren Formalisierungen oder Diskursivierungen soziale Markierungen zu wiederholen und zu verstärken, die wir theoretisch problematisieren. Also ein Othering zu vollziehen, das gleichzeitig, auch in unserer Studie, kritisiert wird. Hier riskiert Making Differences Kategorien zu reifizieren, noch mehr, durch die Verwendung von «unexamined social demographic categories» «a racialiced view of human subjects» und «distinctions

2 Basierend auf den Ergebnissen einer 2010 durchgeführten Untersuchung zur Bewerber_innen-Struktur am Institut für bildende Kunst, plant eine Gruppe von Forscher_innen ein weiterführendes Projekt, zu dem das IAE als Kooperationspartner eingeladen wurde. Mit der Gruppe sind wir laufend im Austausch und bedanken uns hier für die gute Kooperation bei dem Team, besonders bei Ruth Sonderegger und Jakob Krameritsch. Deren Vorhaben hat nicht zuletzt auch den Titel unseres Projekts inspiriert. 3 Dem Engagement von Kolleg_innen an den anderen beiden Kunsthochschulen ist es zu verdanken, dass trotz knapper Zeitplanung eine Durchführung der Erhebung an den drei Schulen möglich war. Für diese Initiative und die Unterstützung bei der Durchführung sei Michèle Graf, Barbara Bader und Lysianne Léchot-Hirt herzlich gedankt.

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between a margin and the core» zu reproduzieren (Dewdney, Diboas, Walsh 2010: 82). Das Unbehagen, das wir bei der Produktion von Kategorien mitunter hatten, findet übrigens eine Entsprechung in den meist unausgesprochenen Widerständen, die die Befragten mitunter gegenüber einer sozialen Kategorisierung (vor allem im Hinblick auf sozioökonomische und im weitesten Sinn ethnische Stratifizierung) artikulierten (vgl. Kapitel 4.2.2 Theorien und Soziologien der Ungleichheit). Die Verweigerung von Kategorisierung, wie feministische und postkoloniale Positionen klar gemacht haben, kann aber auch eine Verleugnung einer sozialen Realität bedeuten, die sich gerade minorisierte und diskriminierte Gruppen nicht leisten können. Die diesen Aporien gegenüber einzig angemessene intensive Reflexion über die «unexamined social demographic categories» hat Making Differences auf verschiedenen Ebenen begleitet, sie steckt jedenfalls in der Ausarbeitung der komplexen Fragebögen (vgl. Anhang) und sollte auch in der Argumentation dieses Berichts sichtbar werden. Eine ähnliche Widersprüchlichkeit zeichnet auch das für diese Studie theoretisch relevante Konzept der Intersektionalität aus. Dieses fokussiert die Interdependenzen von «Kategorien sozialer Ungleichheit» (vgl. Frerichs 2000) wie u.a. Geschlecht, Bildungshintergrund, ökonomisches Kapital oder Ethnizität,4 stellt aber durch die Verwendung dieser Kategorien in der Analyse immer auch die kritisierten Ausschlüsse und Markierungen mit her, wie vielfach herausgearbeitet wurde. Eine forschende Praxis, die Achsen der Ungleichheit (vgl. die gleichnamige Publikation 2008) und die Komplexitäten ihrer Verschränkung darstellen und diese auch verschieben möchte, kann aus unserer Sicht nicht hinter die Erkenntnis zurückgehen: «how socio-economic privilege works to thicken and complicate the barriers of age, disability, gender, race and sexuality. Thus, work to widen participation in Higher Education must address the totality of these barriers to offer real, structural change.» (Inclusive Practices 2011: 20) Gegenüber dem theoretisch vielfältig situierten5 Paradigma und der Politik der Diversität nimmt Making Differences eine nicht weniger ambivalente Position ein. Grundsätzlich begrüssen wir eine institutionelle Auseinandersetzung mit Pluralität, minorisierten Positionen und diskriminierenden Praktiken und eine Arbeit für eine gerechte Praxis in der Hochschule, die unter der Maxime von Diversity geleistet werden kann. Die in den Konzepten und Praktiken von Diversity aber virulente Tendenz zur Aneignung und Verwertung von Differenzen,6 die eine «hegemoniale Dividende» (Eggers 2010: 59) abwirft, betrachten wir, überzeugt von vielstimmiger feministischer oder antirassistischer Kritik, mit Skepsis und nehmen die in aktuellen Studien dargelegten Einwände gegen eine «diversity pride» in Bildungsinstitutionen7 ernst. Produktiver als eine Verweigerung ist unseres Erachtens in diesem Zusammenhang eine kritische Evaluierung von Diversity-Ansätzen – im Wissen, dass «Diversity nicht per se eine transformierende Kraft zugeschrieben werden kann.» (do Mar Castro Varela 2010: 249) 4 Zum vieldiskutierten Paradigma oder buzzword (Kathy Davis) vgl. den wissenschaftstheoretischen Überblick von Bührmann (2009), des Weiteren die aktuellen Publikationen zum Forschungsfeld Achsen der Ungleichheit (2008), Winkler, Degele (2009), Fokus Intersektionalität (2010) und McCall (2005). 5 «Intellectually, diversity politics sits at the confluence of several currents that include liberalism, communitarianism, poststructuralism, post-Marxism, feminism, post-colonialism and queer.» (Cooper 2004: 5) 6 Aus feministisch, anti-rassistisch und post-kolonial informierter Sicht wurde Diversity einer kritischen Analyse unterzogen, vgl. dazu do Mar Castro Varela, Dhawan (2011); Purtschert (2007), Perko, Szollek (2007). – Zu dem Feld der Diversity Studies vgl. das gleichnamige Buch (2007). 7 Eine umfassende Untersuchung zur Implementierung von Diversity in verschiedenen Institutionen der Higher Education zieht ein kritisches Resümee und zeigt die mitunter kontraproduktiven Effekte auf. Vgl. Ahmed, Hunter, Kilic, Swan, Turner 2006. – Die in institutionelle Rhetoriken eingeführte «diversity pride» (Ahmed 2006), riskiert, ohne kritische Reflexion und oft auch ohne strukturell verändernde Praxis, Vielfalt tendenziell als erreicht zu feiern, statt herzustellen. «Producing the right kind of optimistic and promotional self-description in mission statements, vision statements and self-assessment documents incorporates self-subversion and ritualistic recitation and reproduction. It implies a lack of ideological control over the task.» (Morley 2003: 70). Burke warnt, dass deshalb «such gestures, without serious and methodical attention to the ways inequalities might be reproduced, are acts of performativity and are damaging.» (Burke, McManus 2009: 18) – Dazu auch die kritischen Arbeiten von Ahmed (2006), Ahmed, Swan (2006).

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Making Differences plädiert in diesem Sinn für «a serious engagement with the complex ways that inequalities, exclusions and misrecognitions play out in subtle, insidious and often unwitting ways within taken-for-granted practices and judgments» (Burke, McManus 2009: 18). Ohne die seriöse und methodisch fundierte Auseinandersetzung mit den vielen (und vielfach versteckten) Formen, durch die Ungleichheit, Ausschluss und Verkennung hergestellt werden, riskiert «diversity pride» nämlich, wie Burke und auch Morley feststellen, ein performativer Akt zu bleiben, der das Bestehende fortschreibt (vgl. Morley 2003: 70). Mehr noch, als diese explorative Vorstudie das leisten kann, wäre demgegenüber eine aktive Auseinandersetzung mit den Machtverhältnissen anzustreben, in die Diversity Policies mindestens so sehr verwickelt sind, wie sie diese verändern wollen: «[E]rst wenn die Kritik an den Machtwirkungen von ‹Diversity› ernst genommen und auf die eigene Praxis bezogen wird, wenn also die Frage gestellt wird, wer von ‹Diversity› wie profitiert und wer durch den ‹Diversity›-Einbezug auf Identitätspositionen festgelegt oder gar in einer eher inferioren Position bestätigt wird, kann ‹Diversity› etwas anderes sein als die raffinierte Fortsetzung von Machtverhältnissen mit auf den ersten Blick ‹irgendwie achtbar› wirkenden Mitteln.» (Mecheril 2007: o. S.) Dieses Forschen in Widersprüchen, dem sich Making Differences verschrieben hat, versucht zusammenfassend Inklusion und Exklusion im Feld der Kunsthochschule zu untersuchen (und auch, in einem weiteren Schritt durch Vorschläge zu verändern), ohne «hegemonic discourses of ‹social exclusion›» (Burke 2006: 720) herzustellen, «themselves embedded in problematic assumptions about cultural deficit and working-class and minority ethnic failure.» (Archer, Leathwood 2003: 25) Forschung zur Ungleichheit, die diese nicht unreflektiert selber herstellen möchte, «requires a theorised understanding of classed, gendered and racialised identity formations.» (Burke 2006: 720) Ein theoretisiertes Verständnis, das wir als Team in unsere Auseinandersetzung mit der Fragestellung durch einen mehrfach geschärften Blick auch versuchen einzubringen: einerseits durch Catrin Seefranz’ kulturwissenschaftlich, feministisch, queer, anti-rassistisch und post- bzw. dekolonial informierte Perspektiven und ihre Expertise zum Kunstfeld und seinen Theorien, Politiken und Praktiken; und andererseits durch Philippe Saners sowohl in qualitativer als auch quantitativer Sozialforschung geschultes, soziologisches Fachwissen und einen kritischen bildungssoziologischen Fokus, vor allem durch die Beschäftigung mit den Effekten von Bologna auf das universitäre Feld gebildet. Überzeugt davon, dass «all research is in one way or another autobiographical or else the avoidance of autobiography» (Reay 1998: 2), möchten wir noch eine bildungsbiografische Information anfügen, die für unsere Sicht auf das Feld der Kunsthochschule von Bedeutung ist: Akademisch und praktisch sozialisiert wurde das Forschungsteam selber nicht in der Kunsthochschule, sondern in den angrenzenden Feldern der Universität und der Kunst, was bedeutet, dass unser praktisches und selbst erlebtes und verkörpertes Wissen von nebenan kommt und auf unsere Erforschung der Kunsthochschule wirkt. Von diesen Ausgangspunkten her haben wir in den vergangenen Monaten diese Vorstudie entwickelt, die erstens empirische Anhaltspunkte dazu liefert, an welchen Stellen das Feld der Schweizer Kunsthochschule Ein- und Ausschlüsse herstellt, zweitens Analysen der in dem Feld dazu selbst produzierten Theorien und Soziologien, die auch einiges über inklusive und exklusive Praxis verraten, sowie drittens, aufgrund einer Analyse der Bedingungen mögliche Perspektiven für eine umfassendere anschliessende Forschung zur Ungleichheit vorschlägt.

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Forschungskontext

Das spezifische Feld der Kunsthochschule ist bislang noch kaum in den Fokus soziologischer Forschung geraten, gerade im Hinblick auf soziale Ungleichheit. Eine Ausnahme bilden die mittlerweile über einen Zeitraum von 15 Jahren an Kunsthochschulen in Grossbritannien durchgeführten Untersuchungen unter dem Titel Widening Participation, über die ein aktueller Sammelband ein erstes Resümee zieht (vgl. den Band Inclusive Practices, Inclusive Pedagogies 2011, der verschiedene Studien versammelt; ausserdem vgl. Burke, McManus 2009, Hudson 2009; Taylor, Littleton 2008; McManus 2006; Malik-Okon 2005). Die Ende der 1990er-Jahre von New Labour ausgerufene Devise erweiterter Teilhabe, also der Inklusion von unterrepräsentierten Gruppen im tertiären Bildungssektor (vgl. Improving Learning by Widening Participation in Higher Education 2009; Action on Access 2009), fand besondere Resonanz in den Kunsthochschulen: «Art and Design Institution have proactively embraced Widening Participation policy.» (Inclusive Practices 2011: 20) «Achieving social justice in Art and Design Higher Education» (ebd.) wurde zum dezidierten Ziel einer Vielzahl von Initiativen und Programmen, die an verschiedenen britischen Kunsthochschulen durchgeführt wurden, unterstützt von verschiedenen Organisationen, wie dem National Arts Learning Network (NALN) oder dem Council for Higher Education in Art & Design (CHEAD). Begleitet wurden diese von kontinuierlicher wissenschaftlicher Erforschung von Inklusion und Exklusion an verschiedenen neuralgischen Stellen des institutionellen Feldes. Die Forschung «has embraced the totality of post-compulsory education, from access into Higher Education, progress through Higher Education – undergraduate and post-graduate study – to employment in the creative/cultural industries.» (Ebd.: 36) Die Effekte der Anstrengungen in Richtung Widening Participation sind, wie die methodisch vielfältige Begleitforschung darstellt, bemerkenswert, besonders, was die Inklusion von sozial unterprivilegierten Segmenten betrifft. Die Vernachlässigung von rassialisierter Diskriminierung bei der Konzeption der Programme («widening participation was, for New Labour, above all a matter of class equity, taking a colour-blind approach to social disadvantage», Inclusive Practices 2011: 29) hatte hingegen weitreichende Konsequenzen: Besonders Schwarze sind in der britischen Higher Education nach wie vor deutlich unterrepräsentiert, als Studierende und auch als Lehrende. Eine kontinuierliche kritische Selbstreflexion über die eigenen Theorien und Methoden gehört auch zu den wichtigen Aspekten eines Widening Participation Research der für das gesamte Feld der Higher Education geleistet wurde. Gerade auch Überlegungen zur Bedeutung von fundierter empirischer Forschung (vgl. Gorard, Smith 2006), aber genauso partizipativer Methoden (vgl. Norton 2009) gehören zu den für unser Vorhaben besonders relevanten Aspekten dieser Reflexionen. Vergleichbare – Theorie und Praxis, Empirie und Kritik programmatisch verbindende und langfristig angelegte – Programme wurden sonst, soweit wir wissen, noch Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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nicht realisiert. Nicht nur aus diesem Grund sind die Arbeiten im Umfeld von Widening Participation eine wichtige Referenz für Making Differences. Wichtig zu bemerken ist, dass in der aktuellen hochschulpolitischen Situation in England, die auch an den Kunsthochschulen zu massiven Kürzungen von öffentlichen Budgets führte, die jedenfalls partiell erreichte Demokratisierung und Diversifizierung gefährdet ist. Was die geleistete Forschung für unsere Studie nicht weniger relevant macht. Im europäischen Kunsthochschulumfeld wurden bislang nur punktuelle Untersuchungen durchgeführt, in den allermeisten Fällen mit Fokus auf Gender- und Gleichstellungsfragen, zumeist initiiert und durchgeführt von den Gleichstellungsbüros und -beauftragten. An exemplarischen empirischen Untersuchungen zu erwähnen wären hier beispielsweise die Publikationen des Büros für Gleichstellung an der Universität der Künste (UDK) Berlin, etwa die Serie Musen, Mythen, Mentoring (1992– 2011), zusammengefasst im Band Musen, Mythen, Mentoring XII (2011) oder ‹Im Studium wird die kreative Souveränität der Studierenden nicht berücksichtigt!›. Studie zum Arbeitsklima an der Universität der Künste Berlin (2004); weiter zu nennen wären Männer und Frauen auf der Kunstlaufbahn (2009), ein Forschungsbericht zur Situation von Abgängerinnen und Abgängern der Kunsthochschule Luzern 1990–2005, der im Vergleich mit der Studie Zur sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen in Österreich (2008) zu lesen wäre, sowie die Berichte des Büros für Gleichstellung der Zürcher Kunsthochschule, Bericht über die Befragung der Studierenden der ZHdK zu Genderund Diversity-Themen (2010) und evaluation gleichstellung an der zhdk (2009). An der Akademie der bildenden Künste Wien wurde 2009 von Barbara Rothmüller eine BewerberInnen-Befragung am Institut für bildende Kunst, die 2010 unter diesem Titel publiziert wurde, durchgeführt. Die Ergebnisse, die das Kunststudium primär als «elitäre Veranstaltung» für privilegierte urbane Schichten erscheinen lassen (Krameritsch 2010) haben Kolleg_innen in Wien zu weiterer vertiefender Erforschung veranlasst, die sich auch Making Differences für die Schweiz vorgenommen hat. Weniger unmittelbar mit Fragen nach Ungleichheit verbunden, bilden Darstellungen zum institutionellen Feld der Kunsthochschule eine wichtige Basis für unsere Recherche wie in neueren Publikationen wie Art School (2010) oder Rethinking the contemporary art school (2009), die Auskunft geben über aktuelle Politiken. In diesem Zusammenhang wäre auch die Publikation der European League of Institutes of the Arts zu nennen, die sich unter dem Titel Art Futures (2010) mit den Transformationen der Kunsthochschule befasst, die auch für unsere Studie eine wichtige Rolle spielen. Ungleich kritischer setzen sich mit diesen institutionellen Veränderungen andere für unsere Studie bedeutende Arbeiten auseinander, die die Funktion der Kunsthochschule in den Ökonomien eines kognitiven Kapitalismus beschreiben (vgl. Holert 2010; Bippus 2007; Bippus, Sick 2005; Bismarck, Koch 2005; Bauer 2001). In diesen Kontext gehören auch die aktuellen Debatten über die Akademisierung der Kunsthochschule, vor allem die Einführung des PhD und damit verbunden, die Etablierung künstlerischer Forschung (vgl. Steyerl 2011; Holert 2009; Kunst des Forschens 2009; Künstlerische Forschung 2009; A Portrait of the Artist as a Researcher 2007; Sheik 2006; Thinking Through Art 2006). Gegenüber den nur sehr partikularen und nur punktuell empirisch fundierten Soziologien zum Feld der Kunsthochschule, ist jenes der Kunst bzw. der Künste Gegenstand umfassender und langfristiger soziologischer Forschung, die sich zumeist, in mehr oder weniger grosser Distanz, auf die grundlegenden Theorien von Pierre Bourdieu bezieht (insbesondere Bourdieu 2001; Bourdieu 1987), deren Aktualität soeben eine gross angelegte Studie in England belegt (Culture, Class, Distinction 2009 – zu Bourdieus Aktualität im Kunstfeld aus anderer Perspektive vgl. Schuhmacher 2011; Bismarck, Kaufmann, Wuggenig 2008; Becker 2008; Grenfell, Hardy 2007; Kastner 2009). Von Bourdieu inspirierte empirische Untersuchungen des aktuellen Kunstfelds sind für Making Differences eine wichtige Lektüre gewesen, etwa die Recherchen von Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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Glauser (2009) oder Wuggenig (2002) zum globalen, aber auch ganz aktuell, zum Schweizer Feld. Ulf Wuggenigs Untersuchung mit Christian Tarnai Entgrenzung des künstlerischen Feldes durch Globalisierung? Kontroverse Haltungen im Kunstfeld von Zürich war zum Zeitpunkt der Vorstudie noch nicht veröffentlicht, erste Ergebnisse dieser Studie8 wie die Bedeutung inkorporierten kulturellen Kapitals und des – über die Herkunftsfamilie hinausgehenden – sozialen Netzwerks, treffen sich mit Erkenntnissen unserer Erhebung (vgl. den Auszug der Studie, Wuggenig 2011). Für das schweizerische Bildungssystem weisen eine Vielzahl von Studien auf institutionelle Ungleichheitsfaktoren hin, von denen insbesondere Kinder aus Migrant_innenfamilien sowie sozioökonomisch benachteiligte Schichten betroffen sind (Becker 2010; Beck, Jäpel, Becker 2010; Geschlechtsspezifische Bildungsungleichheiten von Hadjar 2011). So verfügen etwa die Kinder von Akademiker_innen über eine «5,6-mal bessere Chance zu studieren als altersgleiche Kinder und Jugendliche von Eltern mit vergleichsweise niedrigem Bildungsniveau» (Becker 2010: 23). Daran haben auch die Bildungsexpansion seit den 1970er-Jahren – die im Vergleich zu den Nachbarländern als «moderat» beschrieben wird (vgl. Beck, Jäpel, Becker 2010: 314) – sowie die zahlreichen Reformen der Sekundarstufe II (Gymnasialreform, Einführung der Berufsmaturität etc.) sowie auf Tertiärstufe (Einführung der Fachhochschulen) in den 1990er-Jahren nur bedingt etwas geändert (vgl. Buchmann et al. 2007). Besonders bedeutsam bleibt auch der Umstand, dass selbst bei der Betrachtung nach «[…] auch in der Schweiz als legitim angesehen[en] […] meritokratischen Prinzipien, wonach Erwerb von Bildungsanrechten und Bildungszertifikaten nach Talent, Anstrengung und daraus resultierendem Bildungserfolg der Individuen erfolgen soll […] weiterhin statistisch signifikante Herkunftseffekte» bestehen bleiben (Becker 2010: 23). Die im politischen Diskurs postulierte Meritokratie kann folglich weder für Kinder aus Migrant_innenfamilien noch für solche aus sozioökonomisch weniger privilegierten Schichten als gegeben gelten; umgekehrt wird sie jedoch seit der Bildungsexpansion zunehmend zur Legitimation von sozialer Ungleichheit verwendet (Hadjar 2008; Solga 2008). Obwohl immer wieder auf die (neue) Aufstiegsmobilität durch das duale Berufsbildungssystem sowie die Fachhochschulen verwiesen wird (vgl. Hänsli, Dürsteler 2007; SKBF 2010: 221), scheinen gerade die schweizerischen Kunsthochschulen nach wie vor durch eine ausserordentliche soziale Schliessung gekennzeichnet zu sein (vgl. Bundesamt für Statistik 2010b: 25). Ausserdem sind auch bei der Wahl von weiterführenden Hochschulinstitutionen – also Universität oder Fachhochschule – deutliche Unterschiede in Bezug auf Geschlecht und soziale Herkunft zu beobachten (vgl. Denzler 2011). Die Schweiz gehört spätestens seit den 1950er-Jahren zu den grossen Einwanderungsländern Westeuropas. Der Anteil von Kindern und Jugendlichen mit einer ausländischen Nationalität im Schweizer Bildungssystem liegt in einem ähnlichen hohen Bereich wie in den «historischen Einwanderungsländern» Neuseeland, Australien und Kanada (vgl. Unicef 2002: 17). Den von den Autoren Beck, Jäpel und Becker konstatierten zwei «Einwanderungswellen» des 20. Jahrhunderts wäre allerdings für das frühe 21. Jahrhundert eine dritte hinzuzufügen – wollte man diesen Terminus der bedrohlichen «Welle» aufrechterhalten (vgl. Beck, Jäpel, Becker 2010: 318f.). Diese ist im Wesentlichen durch die Migration von Menschen mit sehr hohen Bildungsabschlüssen sowie qualifizierte Fachpersonen aus den Nachbarländern (v.a. Deutschland und Frankreich) sowie weiteren OECD-Ländern gekennzeichnet. Ausserdem verharren die Autor_innen in einer einseitigen Defizit-Perspektive auf Migration, die bereits mehrfach als überholt beschrieben wurde (vgl. Stamm 2009; Diefenbach 2008). Ein Grossteil der Bildungsungleichheiten für Migrant_innen wird – neben Kenntnissen und Informationen über das Bildungsangebot selbst – vor allem durch die 8 Vielen Dank an dieser Stelle an Ulf Wuggenig für die spontane Bereitschaft, erste Ergebnisse der Studie mit uns zu teilen.

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Übertritte und Selektionsverfahren etwa von der Primarstufe zur Sekundarstufe erklärt. Je früher dabei die Entscheidung getroffen werden muss, desto häufiger sind Kinder aus Familien mit geringem Bildungskapital benachteiligt: Wie etwa die Studie von Bauer und Riphahn (2006) zeigt, würde eine spätere Entscheidung über die möglichen einzuschlagenden Bildungswege die soziale Ungleichheit über alle sozialen Herkunftsgruppen hinweg reduzieren (Bauer, Riphahn 2006: 96). Ähnliche Befunde werden auch für das deutsche Bildungssystem konstatiert (vgl. Hillmert, Jacob 2010). Daher erstaunt es nicht, dass gerade die Schweiz und Deutschland als diejenigen Länder mit den segmentiertesten Bildungssystemen gelten, in denen eine frühe Selektion die Chancen von Kindern auf soziale Mobilität am stärksten beeinflusst (Unicef 2002). Zudem sind gerade segmentierte Bildungssysteme und damit einhergehende Selektionspraktiken besonders anfällig für institutionelle Diskriminierung (vgl. Gomolla 2008): Kinder mit einer Migrationsgeschichte werden häufiger in eine Sonderschule oder auf Schullaufbahnen mit eher niedrigen Anforderungen verwiesen, was sie auch später bei der Berufsausbildung systematisch benachteiligt (vgl. Kronig 2003). Eine aktuelle Studie spricht in diesem Zusammenhang von einer «Ethnisierung geringer Bildung», sobald alleine «[…] die ethnische Zugehörigkeit als hauptsächliches Merkmal für die Erklärung von geringeren Leistungen im Schulsystem im Mittelpunkt» steht (Ramírez-Rodríguez, Dohmen 2008: 290). Für das Projekt Making Differences weiter sehr relevant sind Forschungsarbeiten, die sich kritisch mit den Konzepten, aber auch Praktiken von Diversity im Allgemeinen und in den Feldern Kunst und Bildung im Besonderen auseinandersetzen. Neben den im Kapitel 1 Ausgangspunkte erwähnten Arbeiten sei hier auf den aktuellen Report von Autor_innen des Magazins Third Text, die zu einer kritischen Bearbeitung und Bewertung von The Creative Case for Diversity in the Arts (2010) eingeladen wurden und sich, so der Titel Beyond Cultural Diversity positionieren, hingewiesen; oder die auch gerade publizierten abschliessenden Analysen zu dem mehrjährigen engagierten Forschungsprojekt Tate Encounters (vgl. [E]dition 6: Tate Encounters: The View from 2011, 2011), dessen Einwände gegen eine auf Repräsentation fokussierte Inklusionspolitik ein anschliessendes Forschungsprojekt abwägen sollte. Eine wichtige Inspiration waren ausserdem die Untersuchungen zu den Effekten von Diversity-Politiken im System der Higher Education (Ahmed, Hunter, Kilic 2006; Reay, David, Ball 2005). Durch die anderen Arbeiten von Sarah Ahmed hat sich unser Blick auf institutionelle Diversifizierung noch weiter geschärft (Ahmed 2005, 2006).

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Forschungsdesign

3.1 Struktur der Vorstudie Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen hat sich für ein kompaktes Forschungsdesign entschieden, um in dem vorgegebenen überschaubaren Zeitraum von wenigen Monaten den Zielsetzungen des Projekts gerecht zu werden, einerseits das Interesse und Bedingungsfeld für eine weitere Erforschung zu klären; andererseits durch erste quantitative und qualitative Erhebungen eine empirische Basis für eine Auseinandersetzung mit der Fragestellung und damit eine erste Grundlage für mögliche anschliessende Untersuchungen herzustellen. Demgemäss konzentrierte sich die Vorstudie auf eine kontinuierliche Betrachtung und gleichzeitig Herstellung des Bedingungsfeldes der Forschung, eine quantitative Erhebung unter Studierenden des ersten Semesters aller BA-Studiengänge an den drei beteiligten Hochschulen sowie eine qualitative Erhebung unter Leiter_innen dieser BA-Studiengänge. Der Fokus der Vorstudie bzw. der Erhebungen richtete sich auf die Ausbildung, im Wissen, dass Ungleichheiten auch auf ganz anderen institutionellen Ebenen zu untersuchen wären (was wir für das anschliessende Projekt auch vorschlagen), und dabei auf eine bestimmte Eingangsphase der Ausbildung, nämlich die Bachelor-Studiengänge. Eine in der ersten Projektskizze noch optional angeführte zusätzliche Erhebung im Rahmen von Vorkursen wurde nicht realisiert, da die Heterogenität der verschiedenen hochschulinternen und -externen Angebote ein sehr komplexes Befragungsdesign verlangt hätte, das neben den umfangreichen zwei Erhebungen nicht umzusetzen war. Dass die verschiedenen Vorbildungen, wie auch die Befragung zeigt, für die Kunsthochschulen von eminenter Bedeutung sind, als «Zubringerinstitutionen»9 und Selektionsinstanzen, ist sehr deutlich geworden, und auch hier sollte eine weitere Erforschung ansetzen. Die quantitative Erhebung unter Studierenden der ersten Semester konzentriert sich auf ein Sample ganz am Beginn der hochschulinternen Selektionskette, der, wie die Befragung auch klar hervorbringt, eine Reihe von anderen Selektionsphasen und -instanzen (Vorbildungen, Schulen, Berufsberatungen etc.) vorangehen, die anschliessend untersucht werden müssten. Genauso wie auch andere Phasen des «student lifecycle», in denen sich möglicherweise ganz andere Ungleichheiten finden lassen.10

+ So werden etwa an der ZHdK (Bildungs-)Institutionen bezeichnet, die potenzielle Kandidat_innen für die Kunsthochschule hervorbringen und eben zuliefern (vgl. ZHdK-News Nr. 12, Juni 2011). 10 Das Qualitätsmanagement und das Hochschulmarketing der ZHdK befassen sich intensiv mit dem von ihnen auch so genannten «student lifecycle». Für die laufenden Informationen über diese Perspektive vielen Dank an Patrick Bianco. – Dass Ungleichheit im Studienverlauf eher zu- als abnimmt, dafür sprechen Studien im Kontext von Widening Participation. So sind etwa Frauen oder die sogenannten «BME (Black and Minority Ethnic) Students» in Master-Lehrgängen deutlicher unterrepräsentiert als in den Bachelor-Studien. Vgl. die Darstellungen im Kapitel Beyond B.A. in dem Band Inclusive Practices (2011: 240–290).

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

11

Um eine erste empirische Datenbasis zu schaffen und mit Statistiken der Schweizer Gesamtbevölkerung in ein Verhältnis zu setzen, ist dieses Sample aus unserer Sicht relevant. Die Leiter_innen der BA-Studiengänge wurden als involvierte Expert_innen adressiert, die zu ihren impliziten Theorien befragt wurden.11 Intention der Befragung ist es, das implizite und informell vorhandene institutionelle Wissen über Ungleichheit und deren Ursachen zu ermitteln. Und dazu erste Hinweise auf ein- und ausschliessende Praktiken an der Hochschule zu erhalten. Die Befragungen wurden im Frühsommer und Herbst 2011 von Catrin Seefranz und Philippe Saner an drei Kunsthochschulen, der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK), der Hochschule der Künste Bern (HKB) und der Haute École d’Art et de Design Genève (HEAD)12 durchgeführt.

3.2 Methode der qualitativen Erhebung Bei der qualitativen Erhebung liegt der Fokus der Auswertung auf dem vorhandenen institutionellen Wissen über Ungleichheit im Zugang zu Kunsthochschulen. Im Frühsommer 2011 erarbeiteten wir die theoretischen Vorannahmen solcher Ausschlüsse, welche sodann in einen umfangreichen Leitfaden mit Frageblöcken zu den einzelnen Exklusionsmomenten mündeten. Der Leitfaden folgte ursprünglich einem dreistufigen Aufbau und war in die folgenden fünf Blöcke unterteilt:13 Zusammensetzung der Studierenden, Aufnahmeverfahren, Studienverlauf, Studienabbrüche sowie Strategien im Umgang mit Ungleichheit. Optional enthielt der Leitfaden auch Fragen zur Situation der Absolvent_innen nach Studienabschluss sowie zum persönlichen (beruflichen) Werdegang der Befragten, die jedoch auch aufgrund des knappen zeitlichen Rahmens (für die Interviews waren jeweils eine Stunde vereinbart) nicht immer gestellt werden konnten. Am Beispiel des ersten Blocks «Zusammensetzung der Studierenden» soll der dreistufige Aufbau kurz dargestellt werden. Zu Beginn wollten wir das vorhandene institutionelle Wissen über Ungleichheit an Kunsthochschulen abfragen. Die Einstiegsfrage lautete in der Regel in etwa wie folgt: «Was wissen sie über die Zusammensetzung der Studierendenschaft in ihrem Studiengang xy?» Die Frage wurde bewusst offen gehalten, und je nach Antwort mit Rückgriff auf vorhandene Statistiken ergänzt. Darauf folgte eine ebenfalls eher allgemeine Frage über die Einstellungen der befragten Person: «Wie sähe die ideale Studierendengruppe aus?» Zuletzt wollten wir durch Fragen der Positionierung die Befragten mit den Disproportionalitäten in ihrem Studiengang konfrontieren: «Gemäss Jahresbericht der ZHdK weist der Studiengang BA xy im Vergleich einen sehr tiefen Ausländer_innenanteil auf – woran liegt das ihrer Meinung nach?» In der konkreten Interviewsituation erwies sich dieser lineare Aufbau 11 Das Konzept der impliziten Theorie, in Verwendung seit der Ausweitung des Theoriebegriffs (vgl. Kunze 2004: 61) in den 1970er-Jahren, ist in bildungs-und sozialwissenschaftlichen Arbeiten von Relevanz. Alternative Begriffe dafür sind «naive Theorie», «Alltagstheorie» oder «implizites Wissen». (Vgl. das Kapitel Subjektive Theorien in Rohlfs 2011: 27–30). Weiters relevant dazu sind Arbeiten zur subjektiven Theorie von Kunze 2004, die Studie zu subjektiven didaktischen Theorien von Lehrer_innen von Koch-Priewe (1986) oder Das Forschungsprogramm Subjektive Theorien von Groeben et. al (1988). – Heinz Mandel und Günter Huber definieren implizite Theorien als «umfassende Aggregate von prinzipiell aktualisierbaren Kognitionen, in denen sich ihre subjektive Sichtweise des Erlebens und Handelns niederschlägt und die untereinander in einem Argumentationszusammenhang stehen» (Mandel und Huber 1983: 98). Diese Theorien sind «handlungsrelevant» (Koch-Priewe 1986:7) und übertragbar: «Subjektive Theorien sind unter einem bestimmten Blickwinkel des Praktikers entwickelt worden und das Ergebnis einer impliziten Fragestellung: sie standen in Korrelation zu wahrgenommenen Ereignissen: subjektive Theorien können auch von anderen übernommen werden, ohne dass der Wahrheitsgehalt neu geprüft wird.» (ebd.) 12 Bei der Organisation der Befragung in den Kunsthochschulen Bern und Genf wurden wir von Michèle Graf, Barbara Bader und Lysianne Léchot-Hirt unterstützt. 13 Vgl. den vollständigen Leitfaden im Anhang.

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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jedoch nicht immer als optimal und es wurden Fragen vorgezogen oder andere bisweilen weggelassen. Umso mehr interessierten uns jedoch die Erklärungen der Professor_innen für die teilweise doch sehr spezifischen Zusammensetzungen in den jeweiligen Studiengängen. Um der Frage nach Ein- und Ausschlüssen möglichst nahe am Geschehen nachzugehen, haben wir mit neunzehn verantwortlichen Professor_innen der BachelorStudiengänge der drei partizipierenden Kunsthochschulen semi-strukturierte Interviews durchgeführt. Einige der Interviews wurden einzeln, die Mehrheit jedoch zu zweit durchgeführt. Nach jedem Interview wurde zudem ein Memo über den subjektiven Eindruck des Gesprächs sowie über erste, für interessant befundene Aussagen erstellt. Anschliessend wurden die Interviews durch externe Hilfskräfte transkribiert. Diese transkribierten Interviews wurden durch die Verfasser_innen mit Hilfe der Datenanalysesoftware atlas.ti offen kodiert und gemäss der strukturierenden, qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2003: 105f.) ausgewertet. Dabei werden aus den Transkripten bestimmte Passagen nach formalen, vorgängig definierten Kriterien ausgewählt und mit Codes versehen. Diese wurden sodann auf ihre Gültigkeit im Sinne der Intercodierreliabilität geprüft und abermals überarbeitet. Die mit Kodes versehenen Passagen wurden anschliessend vertieft weiterbearbeitet und bieten so die Struktur der Auswertung der qualitativen Interviews (vgl. Kap. 4.2). Einzelne Textpassagen haben wir zudem im Sinne des close reading ausgewählt und tiefgreifender sowie auf ihre Mehrdeutigkeit hin interpretiert.

3.3 Methode der quantitativen Erhebung Die Student_innen-Befragung im Rahmen der explorativen Phase soll die bereits beim Aufnahmeverfahren erhobenen soziodemografischen Daten präzisieren und ausweiten. Durch eine univariate Analyse erhoffen wir uns ein genaueres Bild über die effektive Zusammensetzung von Kunsthochschulstudent_innen. In einem nächsten Schritt kontrastieren wir diese Ergebnisse zur Diversität der Student_innen mit allgemein zugänglichen schweizerischen Statistiken (insbesondere dem Bildungsbericht 2010, dem Bericht zur sozialen Lage der Student_innen 2009 sowie der allgemeinen Bevölkerungsstatistik des Bundesamtes für Statistik). Dies dient dazu, unsere Leit-Fragen nach Ausschlüssen von bestimmten Gruppen bzw. der überdurchschnittlichen Repräsentation anderer Gruppen in schweizerischen Kunsthochschulen zu stellen, die dann im weiteren Projektverlauf reflektiert und in die Ausarbeitung weiter gehender und vertiefender Fragestellungen eingearbeitet werden sollen. Der Fragebogen wurde im Sommer 2011 durch die Verfasser_innen des Berichts aufgrund einer umfangreichen Literaturstudie sowie Recherchen über zur Verfügung stehende statistische Daten von Student_innen an Hochschulen in der Schweiz allgemein sowie an Kunsthochschulen im Speziellen erstellt. Dabei identifizierten wir verschiedene Bereiche von möglichen Ausschlüssen, welche sodann in die Ausarbeitung des Fragebogens einflossen und in den folgenden Kapiteln dieses Berichts diskutiert werden sollen. Der resultierende Fragebogen enthielt 19 Fragegruppen mit insgesamt 69 Fragen, welche vor allem soziodemografische Variable (Alter, Geschlecht, Sprache, Bildungshintergrund etc.) erfassen sollten, daneben Fragen zu Hochschule und Studiengang, zur künstlerischen Vorbildung, zur Berufstätigkeit, zur Finanzierung des Studiums sowie zu allfälligen Betreuungspflichten der Student_innen in ihrem (familiären) Umfeld. Als sehr wichtig erachteten wir Fragen zu einer allfälligen Migrationsgeschichte der Student_innen, sei es aus eigener Erfahrung oder als Kinder (Second_as, Terz_as etc.) von früher in die Schweiz eingewanderten Migrantinnen und Migranten. Verschiedene Studien zur sozialen Schliessung von Bewerbungsverfahren an KunsthochMaking Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

13

schulen (etwa an der Akademie der bildenden Künste in Wien oder das breit angelegte Forschungs- und Interventionsprogramm Widening Participation in Grossbritannien) haben gezeigt, dass gerade Bewerber_innen mit einer Migrationsgeschichte signifikant häufiger abgelehnt werden bzw. gar nicht erst zum Aufnahmeverfahren antreten. Auch gibt es (kunsthochschulinterne, nicht veröffentlichte) Hinweise dafür, dass Student_innen mit einer familiären Herkunft aus dem post-jugoslawischen Raum ihr aufgenommenes Studium häufiger abbrechen als andere Gruppen. Ein weiterer, sehr wichtiger Fragenblock betrachtet die soziale Herkunft der Student_innen, in dem soziodemografische Fragen über die Eltern und/oder andere wichtige Bezugspersonen gestellt werden. Verschiedene Bildungsstatistiken (vgl. SKBF 2010) zeigen auf, dass nach wie vor der Hochschulabschluss der Eltern einer der genauesten Prädiktoren für die Bildungslaufbahn von Student_innen ist. Gerade im Feld der Kunsthochschulen spielt der sozialisationsbedingte Charakter kultureller Bedürfnisse und Präferenzen eine sehr bedeutende Rolle: Wie sich in der Auswertung der qualitativen Interviews mit den Bachelor-Studiengangleitungen gezeigt hat, ist ein frühes elterliches Engagement (speziell in der klassischen Musik, aber unausgesprochener auch in anderen Disziplinen) und das entsprechende kunst- und kulturaffine Umfeld massgeblich für die Chance auf eine Aufnahme in eine künstlerische Hochschule (vgl. das Kapitel 4.2). Für die Datenauswertung werden hauptsächlich univariate (Verteilungen, Mittelwerte, Streuungen) Instrumente der sozialwissenschaftlichen Statistik eingesetzt. Regressionsanalysen sowie multivariate Verfahren machen aus zwei Gründen wenig Sinn: Einerseits werden durch die Fallzahl und die Rücklaufquote von rund 40% zu wenige Datensätze zur Verfügung stehen, um statistisch signifikante Aussagen zu machen. Andererseits befragten wir ausschliesslich bereits aufgenommene Student_innen im ersten Semester. Folglich fehlte die entsprechende Vergleichsgruppe, die dasselbe Aufnahmeverfahren nicht erfolgreich durchlaufen hat. Die Aussagekraft über Zusammenhänge einzelner Variablen wäre dadurch sehr beschränkt.

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

14

4

Forschungsergebnisse

4.1 Ergebnisse der quantitativen Erhebung 4.1.1 Ablauf der Umfrage und Grundpopulation Eine erste Version des Fragebogens wurde im September 2011 an die Forschungspartner_innen der HKB und HEAD, an Mitarbeitende des Institute for Art Education der ZHdK sowie an Student_innen der Soziologie an der Universität Bern verschickt und durch diese getestet. Die eingegangenen Antworten und Kritiken haben wir in die endgültige Ausarbeitung des Fragebogens einfliessen lassen. Eine besondere Schwierigkeit in der Ausarbeitung war dabei die Mehrsprachigkeit des Fragebogens: Dieser wurde in seiner Endversion ins Französische und Englische übersetzt, um damit der Mehrsprachigkeit und Internationalität der Kunsthochschulen gerecht zu werden. Die Grundpopulation setzt sich aus insgesamt 723 Studienanfänger_innen zusammen, die mittels Online-Fragebogen befragt wurden. Aufgrund der geringen Fallzahl erübrigte sich eine Stichprobenziehung. Einladung und Link zum Online-Fragebogen wurden am 26. September 2011 über die Studierenden-Administration der jeweiligen Kunsthochschule verschickt. Dadurch wollten wir den Teilnehmenden die volle Anonymität ihrer Antworten gewährleisten. Aus demselben Grund hatten wir uns auch bewusst gegen irgendwelche Gratifikationen oder sonstige Anreize zur Partizipation ausgesprochen. Die Erstsemesterstudent_innen verteilen sich auf die einzelnen Kunsthochschulen wie folgt: Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) Hochschule der Künste Bern (HKB)

+,./0

Haute École d’Art et de Design Genève (HEAD)

.12

Total

,3+

Innerhalb von drei Wochen gingen 230 Fragebögen ein, was ziemlich genau einem Drittel (Rücklauf 31,81%) entspricht. Davon waren 191 vollständig ausgefüllt, d.h. 80% der in dieser Zeit eingegangenen Antworten. Am 17. Oktober 2011 erfolgte dann ein zweiter Aufruf an alle Student_innen mit der Bitte, den Fragebogen bis zum 31. Oktober 2011 auszufüllen. Bis zu diesem zweiten Zeitpunkt antworteten 283 Student_innen (davon 54 unvollständig, entspricht 19%), was die folgenden Rücklaufquoten ergibt:

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

15

Rücklauf nach Hochschule Ausgegebene Fragebögen

ZHdK HKB HEAD

379 160 184

Eingegangene Fragebögen

723

ZHdK HKB HEAD

283

134 60 89

Rücklauf in Prozent

ZHdK

HKB

HEAD

TOTAL

!",!# %

37,5 %

$%,!& %

39,14 % Quelle: Befragung Erstsemestrige

Hier fällt insbesondere auf, dass die Initiatorin des Projekts Making Differences, die ZHdK, bezüglich des Rücklaufs am schlechtesten abschneidet. Zwar stammen mit 134 (oder 47%) Fragebögen absolut gesehen die meisten aus der ZHdK, jedoch ist sie auch mit Abstand die grösste Hochschule, was folglich eine geringere Rücklaufquote ergibt. Ursprünglich gingen wir davon aus, dass die Bekanntheit des Projekts hier am grössten gewesen sein dürfte (zumindest die Professor_innen dürften am weitesten darüber informiert gewesen sein), da nicht zuletzt auch eine kurze persönliche Vorstellung des Projekts unsererseits anlässlich der Begrüssung der Erstsemestrigen stattfand. Die Mehrsprachigkeit des Fragebogens scheint auf jeden Fall keinen (negativen) Einfluss auf die Rücklaufquote gehabt zu haben, da sich gerade die HKB, in welcher der Fragebogen auch dreisprachig verschickt wurde, durch eine ähnlich hohe Rücklaufquote auszeichnet. Der deutlich höhere Rücklauf an der HEAD zeigt zudem, dass sich das angehängte Begleitschreiben der jeweiligen Forschungsbeauftragten gelohnt hat, worin diese auf die Wichtigkeit der Umfrage für die Hochschule hingewiesen haben. Dass wir bei der ZHdK auf diese zusätzliche Information verzichtet haben, muss im Nachhinein selbstkritisch als Fehler eingestanden werden. Betrachtet man die Verteilungen bei den einzelnen Studiengängen der Kunsthochschulen, ergibt sich ein sehr heterogenes Bild: An der ZHdK ist die Streuung der niedrigeren Rücklaufquote sehr viel geringer (27 Prozentpunkte) als an der HKB (58 Prozentpunkte). Der höhere Rücklauf im Bachelor-Studiengang (BA) Design, für den sich gleichzeitig auch absolut am meisten Student_innen (114) eingeschrieben haben, gleicht dabei die unterdurchschnittlichen Werte der anderen Studiengänge im Bereich Gestaltung (Kunst und Medien sowie Vermittlung von Kunst und Design) sowie im Bereich Darstellende Künste (Theater und Film) etwas aus. Der BA Musik liegt dabei ziemlich genau im Durchschnitt über alle Studiengänge an der ZHdK, während der kleine Studiengang BA Musik und Bewegung überproportionale Werte ausweist.

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

16

Total Studienanfänger_innen

Eingegangene Fragebögen

379

132

100 %

Rücklauf nach Studiengängen ZHdK 16 | 52 | 35 | 72 | 81 | 9| 114 |

3 11 11 23 28 4 52

'% % (' %

BA Film BA Vermittlung von Kunst und Design BA Theater BA Kunst und Medien BA Musik BA Musik und Bewegung BA Design

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00 | Studienanfänger_innen | 00 Eingegangene Fragebögen

Quelle: Befragung Erstsemestrige

An der HKB positionieren sich jeweils zwei Studiengänge an den entgegengesetzten Polen bezüglich des Rücklaufs: Sehr hohe Werte ergeben die Studiengänge Konservierung/Restaurierung sowie Musik und Bewegung, die mit je knapp zwei Drittel deutlich hervorstechen. Am anderen Ende der Skala finden sich der BA Theater sowie Literarisches Schreiben, bei denen leider nur eine bzw. zwei Personen den Fragebogen ausfüllten. Auch die übrigen Studiengänge des Bereichs Gestaltung (Fine Arts, Vermittlung sowie visuelle Kommunikation) sowie der anteilsmässig grösste Studiengang Musik bleiben unterdurchschnittlich repräsentiert.

Total Studienanfänger_innen

Eingegangene Fragebögen

160

60

100 %

Rücklauf nach Studiengängen HKB 12 | 1 14 | 2 18 | 4 49 | 16 15 | 6 17 | 8 23 | 15 12 | 8

BA Theater BA Literarisches Schreiben BA Fine Arts BA Musik BA Vermittlung von Kunst und Design BA Visuelle Kommunikation BA Conservation BA Musik und Bewegung

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00 | Studienanfänger_innen | 00 Eingegangene Fragebögen

Quelle: Befragung Erstsemestrige

An der HEAD Genève liegen die Rückläufe der beiden Fachbereiche nur unweit voneinander. Für den Bereich Arts Visuels (inkl. Cinéma) liegt er bei 41%, bei Design hingegen durchschnittlich bei 48%. Für eine genauere Aufschlüsselung der Fachbereiche in einzelne Studiengänge und Vertiefungen fehlten leider die Zahlen.

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

17

50

40

4.1.2 Alter und Geschlecht Die Verteilung des Alters der Student_innen erweist sich über alle drei Hochschulen als ähnlich: Sowohl die Gesamtzahl der Student_innen wie auch die einzelnen Hochschulen weisen eine stark rechtsschiefe Verteilung auf, d.h. der Median (21) und damit mehr als 50% der Daten liegen deutlich links vom Mittelwert (22,09). Eine solche Verteilung ist nicht unüblich für das Alter von Student_innen, da durch die Zulassungsvoraussetzungen in Form von Maturität oder Berufsmaturität (oder einem äquivalenten Sekundarschule-II-Abschluss) bereits ein gewisses Mindestalter vorgegeben wird. Im Falle des schweizerischen Bildungssystems liegt dieses bei 18 Jahren. Dieses wird im vorliegenden Datensatz nur von vier Personen unterschritten, was am spezifischen Ausbildungssystem der Musik liegt, in welchem ein Studium bereits mit 17 Jahren oder jünger (sogenannte Jungstudierende14) und damit noch während der Zeit des Gymnasiums, der Berufslehre oder der Berufsmaturitätsschule begonnen werden kann. Das Minimum bildet mit 14 Jahren ein Musikstudent der HKB, der ein spezielles Ausbildungsprogramm im Rahmen der «Talentschule» des Gymnasiums Hofwil besuchen dürfte.15 Aufgrund des sich intensivierenden Wettbewerbs zwischen Kunsthochschulen ist europa- oder gar weltweit (insbesondere im Feld der Musik) davon auszugehen, dass auch andere Schulen entsprechende spezielle Förderprogramme errichten werden, um dieses Potenzial «nicht brach liegen zu lassen».16

30

Histogramm des Alters der Erstsemestrigen aller Hochschulen 20

n = 273 Quelle: Befragung Erstsemestrige

10

14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 Jahre

14 Vgl. www.zhdk.ch/?musik_jungstudierende (Letzter Zugriff: 12.01.2012) 15 Vgl. www.hofwil.ch/wege-zur-matur/talentfoerderung (Letzter Zugriff: 12.01.2012) 16 Vgl. Leitbild Talentförderung des Gymnasiums Hofwil unter: www.gymhofwil.ch/_upload/ download.php?file=i_20110805-175018-115.pdf (Letzter Zugriff: 12.01.2012)

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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Auf der anderen Seite interessiert natürlich auch der Zugang zu Kunsthochschulen für ältere Personen: Der Anteil älterer Student_innen ist in der vorliegenden Verteilung relativ gering. Lediglich 9 Personen (oder 3,3%) sind bei Studienbeginn 30 Jahre oder älter. Berücksichtigt man zudem Standardabweichung und Mittelwert, so wird deutlich, dass über 95% aller befragten Student_innen innerhalb des Intervalls von 15 bis 29 Jahren liegen. Es scheint sich also die in den Interviews mit den Bachelor-Studiengangleitungen gemachte Feststellung einer tendenziellen Verjüngung (und dadurch auch Homogenisierung) zu bestätigen: Der Peak wird dabei mit 20 oder 21 Jahren erreicht, d.h. ein Jahr nach Abschluss der Matur, Berufsmatur oder Fachmittelschule (je nach Herkunftskanton). Wie sich bei der Bildungsherkunft zeigen wird (vgl. Kap. 4.1.3 Höchste absolvierte Ausbildung), bestritten knapp 75% der befragten Student_innen diese drei Bildungswege. Diese Ergebnisse decken sich auch mit dem Bildungsbericht 2010, wonach das Eintrittsalter (Median) im Bereich Musik und Kunst innerhalb von zehn Jahren von 24 auf 22 Jahre sank (SKBF 2010: 212). Verglichen mit dem Alter beim Eintritt in Fachhochschulen allgemein (23,2 Jahre) liegt dieses unter dem Durchschnitt und nähert sich eher demjenigen der universitären Hochschulen an (20,9 Jahre) (Bundesamt für Statistik 2010a: 18). Der Eintritt in eine Kunsthochschule scheint also auch in einem fortgeschrittenen Alter möglich, bleibt jedoch aufgrund unserer Auswertung die Ausnahme. Untermauert wird dies etwa durch die Aussage eines Professors, der explizit betont, dass bei gleicher Qualifikation jüngere Student_innen bevorzugt werden, da ältere Bewerber_innen schwieriger in die Gruppe zu integrieren seien und keine Grundausbildung anstrebten. Ihre Weiterbildung könnten sie sich auch auf einem anderen Weg holen.

Verteilung der Geschlechter nach Hochschule

ZHdK HEAD HKB

W

M

k. A.

78 62 45

52 19 14

1 2 0

273 Weiblich

Männlich keine Angabe

HKB

HEAD

ZHdK

&#,! % | (!,& %

&$,& % | ((,* %

"*," % | !*,& % Quelle: Befragung Erstsemestrige

Bezüglich der Geschlechterverteilung lässt sich generell festhalten, dass die Student_innen im Fragebogen ihre eigene geschlechtliche Identität angeben konnten, ohne dass von uns irgendwelche Kategorien vorgegeben wurden. Drei Personen machten keine Angaben zu ihrem Geschlecht. Die übrigen Antworten waren jeweils deutlich den beiden Kategorien Mann/männlich und Frau/weiblich zuordenbar. Die Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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Geschlechterverteilung an Fachhochschulen ist bei den Fachbereichen Design sowie Musik/Theater/Kunst mit jeweils rund 40–45% Männern gegenüber 55–60% Frauen am ehesten gleich verteilt (SKBF 2010: 223; Bundesamt für Statistik 2010a: 14). Auch die bisweilen festgestellte Tendenz einer Verweiblichung der Kunsthochschulen lässt sich gemäss Bundesamt für Statistik nicht erkennen: Der Anteil der Männer im Design bleibt in den letzten zehn Jahren konstant bei rund 40%, in den Studiengängen im Bereich Musik/Theater/Kunst bei rund 45%.

Verweiblichung schweizerischer Kunsthochschulen? 100

80

Anteil der Frauen im Fachbereich Design in % Anteil der Frauen im Fachbereich Musik, Theater & andere Künste in % Quelle: Bundesamt für Statistik

60

40

20

0

Trotzdem zeigen sich bei unserer Befragung je nach Hochschule und Studiengang (bzw. Vertiefung) deutliche Unterschiede in der Partizipation: An der HKB sowie der HEAD waren jeweils knapp drei Viertel der Antwortenden Frauen, wogegen das Verhältnis an der ZHdK näher im Bereich des erwarteten Durchschnitts liegt (knapp 40% Männer). Es stellt sich daher die Frage, ob an der HKB und der HEAD insgesamt weniger Männer studieren, oder ob diese signifikant weniger häufig an unserer Umfrage partizipiert haben. Ein Indiz für Letzteres stellt der Umstand dar, dass etwa an der HKB die Studiengänge Musik und Bewegung sowie Restaurierung/Konservierung (beide mit sehr hohem Frauenanteil) die höchsten Rücklaufquoten aufweisen, während Antworten von ausgeglicheneren Studiengängen wie Fine Arts, Literarisches Schreiben und Theater seltener kamen. Betrachten wir nun beispielhaft die einzelnen Vertiefungen der beiden Studiengänge Bachelor in Musik (ZHdK und HKB), so fällt auf, dass ausser bei der Vertiefung Klassik, wo jeweils knapp ein Viertel der Antworten von Männern stammen, ausschliesslich Männer für den Studiengang Musik geantwortet haben (die Ausnahme bildet eine Studentin der Vertiefung Musik und Medienkunst). Legt man am Beispiel des Studiengangs Musik an der ZHdK den durchschnittlichen Frauenanteil von 45% zugrunde (vgl. ZHdK 2011: 96), so ergibt dies unterschiedliche Rücklaufquoten von 29% für männliche Musikstudenten und 39% für die weiblichen (insgesamt 34%, Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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vgl. Grafik Rücklauf nach Studiengängen). Musikstudentinnen scheinen sich demgemäss vor allem für die Vertiefung Klassik zu entscheiden, während sie im Jazz und den anderen Vertiefungen massiv unterrepräsentiert sind, was sich auch mit den Aussagen aus den qualitativen Interviews deckt.

Verteilung der Geschlechter nach Vertiefungen in der Musik (ZHdK und HKB) 5

10

15

ZHdK Klassik ZHdK Jazz/Pop ZHdK Schulmusik ZHdK Kirchenmusik ZHdK Dirigieren ZHdK Komposition und Theorie ZHdK Tonmeister HKB Klassik HKB Jazz HKB Musik und Medienkunst

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

Männer (n = 19) Frauen (n = 24) Quelle: Befragung Erstsemestrige

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4.1.3 Höchste absolvierte Ausbildung Bei der höchsten absolvierten Ausbildung kristallisieren sich drei Typen von Bildungsverläufen heraus, die zusammen fast drei Viertel (72%) der Antworten ausmachen: Erwartungsgemäss am häufigsten kommt die Nennung Gymnasium/Maturität (49%) vor, gefolgt von Berufsmatur (16%) und Diplommittelschule/Fachmittelschule (9%). Auch die Kategorie Andere Ausbildung wurde häufig gewählt, insbesondere von französischen Student_innen mit Baccalauréat (sowie einigen wenigen deutschen Abiturient_innen), was der schweizerischen Matura entspricht. Der Anteil des Gymnasiums als höchster Abschluss dürfte also noch über dem angegebenen Niveau von 72% liegen. Abschlüsse höherer Bildungsstufen wie Lehrberufe, höhere Berufsbildung und Fachhochschule/Universität sind mit insgesamt 6% eher selten. Auch der Anteil derjenigen, die direkt aus der obligatorischen Schule oder nach Berufslehre an die Kunsthochschulen wechseln, ist mit 7% ziemlich gering, was unter anderem an den Zulassungsvoraussetzungen (Maturität oder Berufsmaturität) liegt. Dies erklärt auch die deutlichen höheren Maturitäts- sowie Berufsmaturitätsquoten, die in der gleichaltrigen Schweizer Bevölkerung im Eintrittsjahr 2009/10 bei 19,4% resp. 12% lagen (vgl. Bundesamt für Statistik 2010b: 7).

Nennungen

100 %

270

Höchster Bildungsabschluss der Erstsemestrigen aller drei Hochschulen 8 12 45 133 3 26 4 11 28

Obligatorische Schule Berufsausbildung Berufslehre mit Matur Gymnasium /Maturität Lehrberufe Fachmittelschule/Diplommittelschule Höhere Berufsausbildung Fachhochschule oder Universität Andere Ausbildung

(,*# % $,$$ % '#,#6 % $*,(5 % ','' % *,#2 % ',$% % $,)& % '),!& %

Quelle: Befragung Erstsemestrige

Der Anteil künstlerischer und musikalischer Richtungen der drei am häufigsten genannten Bildungsabschlüsse liegt zwischen 47% (Diplom- und Fachmittelschule) und 66% (Berufsmatur gestalterischer Richtung). Beim Gymnasium liegen die entsprechenden Anteile bei 39% für bildnerisches Gestalten sowie 23% für den Schwerpunkt Musik. Vergleicht man den höchsten Bildungsabschluss in den drei grossen Fachbereichen,17 so ergibt sich eine interessante Homogenität bei der Musik auf der einen, sowie eine nicht minder erstaunliche Heterogenität bei Design und Kunst auf der anderen Seite: Die antwortenden Musikstudent_innen absolvierten zu 83% das Gymnasium, gegenüber nur 38% bei Design und Kunst (wobei der Anteil durch das französische Baccalauréat und das deutsche Abitur etwas höher liegen dürfte). Je zwei Nennungen in der Musik betreffen Diplom- und Fachmittelschule sowie obligatorische Schule 17 In dieser Untersuchung verwenden wir eine andere Einteilung in Fachbereiche als diejenige des Bundesamts für Statistik, da wir die Daten (unter anderem) auf spezifische Unterschiede zwischen Musik und den künstlerischen und gestaltenden Disziplinen hin untersuchen wollten. Die Einteilung des Bundesamts in Design einerseits sowie Musik, Theater und andere Künste andererseits hätte einen solchen Vergleich nicht erlaubt.

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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(2 Jungstudierende), der Rest verteilt sich auf einzelne Nennungen. Bei den Studiengängen im Bereich Gestaltung und Kunst hingegen machen Berufsmaturität (21%) und Diplom- und Fachmittelschule (11%) knapp ein Drittel der Nennungen aus. Auch finden sich dort die meisten Umsteiger_innen aus höheren Bildungsinstitutionen. Der relativ niedrige Anteil von Gymnasiast_innen erstaunt, zumal in den Interviews mit den Verantwortlichen dieser Studiengänge häufig der Umstand bedauert wurde, dass eine immer grösser werdende Mehrheit der Student_innen direkt aus Gymnasium und Vorkurs in die Kunsthochschule eintreten, denen das Etikett «Ju-Gy-Vo» (Jung – Gymnasium – Vorkurs) angehängt wird (vgl. Kap. 4.2.5.b).

Höchster Bildungsabschluss nach Fachbereichen Obligatorische Schule

Berufsattest

Berufslehre

Berufslehre mit Berufsmatur

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Lehrer_innenseminar

Fachmittelschule/Diplommittelschule

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Gymnasium

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Höhere Berufsbildung

Pädagogische Hochschule

Fachhochschule

Universität

Andere Ausbildung (Schweiz)

Andere Ausbildung (Ausland)

Keine Schulausbildung abgeschlossen

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Musik Gestaltung & Kunst Theater

'(,% % ),) % ),) % ),# % ),) % Quelle: Befragung Erstsemestrige

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

23

Vergleicht man den höchsten Bildungsabschluss von angehenden Kunsthochschulstudent_innen mit denjenigen ihrer Kommiliton_innen anderer Bereiche von schweizerischen Fachhochschulen, so zeigen sich interessante Differenzen: Der Hauptunterschied ist sicherlich im Verhältnis gymnasiale Matur zu Berufsmatur zu finden. Während die von uns befragten Erstsemestrigen zu 49% eine gymnasiale Matur und lediglich zu 16% eine Berufsmatur aufweisen, präsentiert sich das Bild für andere Fachhochschulstudent_innen sehr viel ausgeglichener: Der Anteil der Berufsmatur ist hier mit 38% mehr als doppelt so hoch, während der Anteil gymnasialer Matur mit knapp 31% deutlich niedriger ist. Die Verteilung der Bildungsherkünfte von Kunsthochschulstudent_innen gleicht damit eher derjenigen von Student_innen von Universitäten als solchen von Fachhochschulen. Ein weiterer markanter Unterschied findet sich bei Absolvent_innen von Fachmittelschulen: Der Anteil liegt in unserer Befragung mit knapp 10% ein Mehrfaches über dem Durchschnittswert von schweizerischen Fachhochschulen. Ein umgekehrtes Bild präsentiert sich hingegen für die Berufsausbildung: Hier ist der Anteil unter den befragten Erstsemestrigen auf tiefem Niveau, aber dennoch ist er rund dreimal höher als unter den Fachhochschulstudent_innen. Der Grund dafür mag im Umstand liegen, dass Kunsthochschulen auch Leute sur dossier aufnehmen, die zwar nicht über die erforderlichen Zulassungsvoraussetzungen verfügen, jedoch eine «ausserordentliche künstlerische Begabung» aufweisen (vgl. Kap. 4.2.4.d Sur dossier oder mit Vorkurs: Vorbildungen).

Vergleich Höchster Bildungsabschluss Kunsthochschulen – Fachhochschulen allgemein ')) % Berufsausbildung*

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Berufslehre mit Matur

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Gymnasium/Maturität Fachmittelschule/Diplommittelschule Andere Ausbildung CH** Andere Ausbildung Ausland

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Total Quelle: Befragung Erstsemestrige und Bundesamt für Statistik

Befragung Erstsemestrige (in %) Vergleich FH 2009 (in %)

* Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis (3,3 %) oder eidgenössisches Berufsattest (1,1 %) ** Obligatorische Schule (2,6 %), Lehrer_innenseminar (0,7 %), Pädagogische Hochschule (0,4 %), Fachhochschule (0,7 %), Universität (3,3 %), Höhere Berufsausbildung (1,5 %) sowie andere Ausbildung (1,5 %)

An anderen Bereichen der Fachhochschulen scheint man hingegen häufiger auf den formalen Bedingungen zu beharren. In beiden Datensätzen finden sich zudem relativ hohe Anteile anderer Ausbildungen (20 resp. 25%), die sich leider aufgrund der nicht weiter explizierten Daten des Bundesamtes für Statistik nicht vergleichen lassen. Die relativ hohen Anteile von äquivalenten Maturitätszeugnissen (insbesondere das französische Baccalauréat sowie das deutsche Abitur) unter den ausländischen Ausbildungen sowie weiterer allgemeinbildender Abschlüsse der Sekundarstufe II oder der Tertiärstufe in unserem Datensatz verdeutlichen jedoch die oben gemachte Aussage, Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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dass Kunsthochschulstudent_innen von der Struktur ihrer Bildungsabschlüsse her eher den Universitäten als den Fachhochschulen zuzurechnen sind. Gestützt wird dieses Bild nicht zuletzt durch einen Vergleich mit der schweizerischen Erwerbsbevölkerung (im Alter von 25–64 Jahren): Die Berufsbildung auf Sekundarstufe II sowie Tertiärstufe macht im Jahr 2010 mit 53% über die Hälfte aller Abschlüsse aus, gegenüber nur 32% bei allgemeinbildenden Abschlüssen. Die entsprechenden Anteile liegen bei der Befragung der Erstsemestrigen bei rund 65% allgemeinbildender Abschlüsse gegenüber rund 23% bei berufsbildenden Abschlüssen. Addieren wir zusätzlich die ausländischen Maturitätszeugnisse, so ändert sich das Verhältnis in 73% zu 23%. Diese Zahlen machen deutlich, dass sich die befragten Kunsthochschulstudent_innen nicht nur von ihren gleichaltrigen Kommiliton_innen an Fachhochschulen, sondern auch von der schweizerischen Erwerbsbevölkerung bezüglich ihres Bildungsstandes deutlich unterscheiden. Die Kunsthochschulen unterlaufen dadurch auch die Logik des schweizerischen Bildungssystems, wonach allgemeinbildende Abschlüsse der Sekundarstufe II an die universitären Hochschulen, berufsbildende Abschlüsse hingegen an die Fachhochschulen führen sollen.

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

25

4.1.4 Gestalterische/künstlerische/musikalische Vorbildung Der Anteil der aufgenommenen Student_innen, die in irgendeiner Form eine Vorbildung ausserhalb des obligatorischen Kunst- oder Musikunterrichts erhalten haben, ist mit 65% aller Student_innen erwartungsgemäss relativ hoch. Unter den übrigen 35% finden sich zudem einige, welche eine gymnasiale Matur mit Schwerpunkt bildnerisches Gestalten bzw. eine Berufsmatur gestalterischer Richtung gemacht haben, was teilweise auch in den Nennungen unter sonstigen Vorbildungen zusätzlich erwähnt wird. Aufgeschlüsselt nach den einzelnen Hochschulen fällt auf, dass wiederum die HEAD mit 61,7% den geringsten Anteil aufweist, gegenüber ZHdK und HKB, die beide über 70% liegen. Dies dürfte wiederum vom Umstand herrühren, dass an der HEAD ausschliesslich Studiengänge im Bereich Gestaltung und Kunst angeboten werden, während die Student_innen der Musik überdurchschnittlich häufig eine zusätzliche musikalische Vorbildung zum Schulunterricht besucht haben. Die Häufigkeit der Nennungen von Vorbildungen im Bereich der Musik (85) übersteigt deutlich die Zahl der Musikstudent_innen, die an unserer Umfrage teilgenommen haben (55).

Ausserschulische Vorbildung nach Fachbereich

Musik Gestaltung und Kunst Darstellende Künste

V

k. V.

44 122 11

10 57 7

251

Antworten in Prozent Vorbildung keine Vorbildung

Musik %'," % | '%," %

Gestaltung und Kunst Darstellende Künste #%,( % | !',% %

#',' % | !%,* % Quelle: Befragung Erstsemestrige

Interessant ist der Umstand, dass der Anteil an Student_innen in den Studiengängen Film und Theater, die keine ausserschulische Vorbildung gemacht haben, mehr als doppelt so hoch ist wie in den Studiengängen der Musik. Auch Student_innen von Gestaltung und Kunst haben weniger häufig zusätzliche Kurse oder Unterricht besucht als die angehenden Musiker_innen. Dies deckt sich auch mit den absoluten Häufigkeiten der genannten Vorbildungen (vgl. Grafik Häufigkeit der verschiedenen Vorbildungen), sobald man diese den einzelnen Fachbereichen zuweist (was selbstverständlich nicht ausschliesst, dass auch Student_innen anderer Studiengänge die entsprechenden Kurse bzw. Unterrichtsstunden absolviert haben). Die Angebotssituation bei den einzelnen Vorbildungen ist unübersichtlich: Neben staatlichen Schulen und Konservatorien gibt es auch zahlreiche private (institutionelle) Anbieter_innen, die Preise variieren zwischen unentgeltlichem Unterricht (etwa im Kanton Genf) und mehreren tausend Franken Semestergebühren. Berücksichtigt man zudem auch den privat arrangierten Zusatzunterricht (insbesondere für Instrumental- und Gesangsunterricht) lässt sich das Feld der Anbieter_innen nicht mehr überblicken. Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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Nennungen

259

Häufigkeit der verschiedenen Vorbildungen Propädeutikum/Vorkurs 98 Portfolio-Kurs 19 Theater-Vorkurs 3 Vorstudium (Musik) 14 Vorkurs (Musik) 11 Theorie-Vorkurs (Musik) 14 46 privater Gesang- und/oder Instrumentalunterricht privater Mal- und/oder Zeichenunterricht 12 13 privater Tanz-, Theater- und/oder Filmunterricht Sonstiges 29

100 %

!&,%! % &,!! % ','" % ",$) % $,($ % ",$) % '&,&# % $,#! % ",)' % '','* % **,*$ % Quelle: Befragung Erstsemestrige

Klar scheint hingegen, dass die grosse Mehrheit der aufgenommenen Student_innen zusätzlichen Unterricht (in welcher Form auch immer) absolviert hat, bevor sie das Kunsthochschulstudium aufgenommen hat. Dementsprechend ist auch davon auszugehen, dass ein entsprechender Umfang ökonomischen Kapitals – für die Kurskosten selbst wie auch den Lebensunterhalt während dieser Zeit allgemein – vorhanden sein musste. Nur eine kleine Minderheit der befragten Student_innen hat die Aufnahme ohne diese zusätzlichen finanziellen Investitionen geschafft.

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

27

4.1.5 Erstsprachen18 Bei den Erstsprachen der Erstsemestrigen wird Deutsch mit 173 (47%) Nennungen am häufigsten angegeben, gefolgt von Französisch mit 95 (26%) und Englisch mit 50 (13%) Nennungen. Diese drei Sprachen machen bereits 86% aller genannten Sprachen aus, was sich ziemlich genau mit deren addierten Anteilen in der Gesamtbevölkerung deckt (85%). Die dritte Landessprache Italienisch wird hingegen nur von 11 Personen (3%) genannt und ist somit deutlich unterrepräsentiert (6,5% in der Gesamtbevölkerung). Häufiger als Italienisch wird dagegen von 15 Personen (4%) Spanisch angegeben, rund viermal mehr als bei der Volkszählung im Jahr 2000. Die übrigen Nicht-Landessprachen machen rund 7% aus, was sich genau mit den Angaben der Sprachenerhebung deckt.

Vergleich Erstsprachen Erstsemestrige mit Gesamtbevölkerung Befragung Erstsemestrige 2011 Verteilung gemäss Volkszählung 2000 Deutsch

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Französisch

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Englisch

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Andere slawische Sprachen**

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Arabisch

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Thai Kurdisch Mazedonisch

* Koreanisch (0,54 %), Japanisch (0,27 %), Tagalog (0,27 %), Taiwanesisch (0,27 %), Vietnamesisch (0,27 %) ** Polnisch (0,54 %), Slowakisch (0,27 %), Tschechisch (0,27 %) *** Berberisch (0,27 %), Dänisch (0,27 %), Lettisch (0,27 %), Rumänisch (0,27 %), Schwedisch (0,27 %)

Total

Quelle: Befragung Erstsemestrige und Bundesamt für Statistik 18 Alle Vergleiche in diesem Kapitel erfolgen mit den Angaben der Volkszählung 2000 (vgl. Bundesamt für Statistik 2005).

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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Vergleicht man nun Landessprachen mit den Nicht-Landessprachen, so ergeben sich doch deutliche Unterschiede im Vergleich zur Gesamtbevölkerung: Die befragten Erstsemestrigen geben zu insgesamt 76% eine Landessprache an und zu 24% eine Nicht-Landessprache als Erstsprache. In der Volkszählung 2000 hingegen lautet das entsprechende Verhältnis 91% Landessprachen zu 9% Nicht-Landessprachen. Auf den ersten Blick präsentiert sich folglich für die Kunsthochschulstudent_innen eine deutlich grössere sprachliche Vielfalt, als sie in der Gesamtbevölkerung zu finden ist. Nimmt man nun die Häufigkeit genannter Nicht-Landessprachen als ein Kriterium für die Internationalität einer Kunsthochschule, dann wäre die HEAD mit 33,3% deutlich vor der HKB mit 22,5% und der ZHdK mit 19,4%. Auch in absoluten Zahlen fällt auf, dass die Student_innen der HEAD deutlich häufiger Englisch, Spanisch und Italienisch und andere Sprachen sprechen als ihre Kommiliton_innen der HKB und ZHdK. Umgekehrt geben diese relativ häufig Französisch an (deutlich mehr als Deutsch an der HEAD), wobei zu bedenken ist, dass die HKB als zweisprachige Schule den relativ höchsten Anteil einer zweiten Landessprache hat (57,5% Deutsch und 16,3% Französisch). Auffällig an allen drei Schulen ist das markante Fehlen der Sprachen der grössten Gruppen von Migrant_innen. Neben dem Italienischen, welches sowohl eine Landessprache als auch die Sprache der grössten Diaspora in der Schweiz darstellt, sind auch Serbokroatisch, Albanisch, Portugiesisch, Türkisch und Tamil deutlich unterrepräsentiert oder fehlen gänzlich. Dass diese Sprachgruppen, die addiert doch immerhin fast 10% der ständigen Wohnbevölkerung der Schweiz ausmachen, fast völlig ausbleiben (was nicht bedeutet, dass es nicht dennoch einzelne Studierende aus diesen Sprachgruppen an den Kunsthochschulen gibt, die Tendenz ist jedoch deutlich), zeigt auf, dass die oben postulierte Internationalität der Kunsthochschulen eben eine sehr spezifische bleibt: Es ist jene der internationalen Wanderer (vgl. Kap. 4.2.7 Internationale Wanderer), deren ursprüngliche Herkunftsländer andere sind als diejenigen der Second_as und Terz_as, die in der Schweiz geboren und aufgewachsen sind: «Der Ausländeranteil an der ständigen Wohnbevölkerung berücksichtigt alle ausländischen Bürger in der Schweiz. Während in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem Italiener und Spanier als Arbeitsmigranten ihren Weg in die Schweiz fanden, waren es in der zweiten Hälfte Portugiesen sowie türkische Staatsbürger und die Bevölkerungsgruppen des ehemaligen Jugoslawien.» (Beck, Jäpel, Becker 2010: 318f.) Betrachten wir nun die daran anschliessenden Arbeitsmigrant_innen des frühen 21. Jahrhunderts, so wird deutlich, dass diese hauptsächlich aus den Nachbarländern Deutschland und Frankreich sowie aus weiteren OECD-Ländern stammen, über sehr hohe Bildungsabschlüsse verfügen und damit vergleichsweise hohe Einkommen erzielen (vgl. Kap. 4.1.6 Migrationsgeschichte). Die in unseren Daten zu beobachtende Sprachenverteilung bietet möglicherweise ein erstes Abbild dieser neuen Internationalität – und damit auch der sozialen Exklusivität von Kunsthochschulen –, die viel weniger in einer Defizitperspektive wahrgenommen wird. Die angesprochene deutliche Überrepräsentation des Englischen (und weniger auch des Spanischen) lässt sich denn auch nicht ausschliesslich auf die Staatsangehörigkeiten der Student_innen zurückführen: Betrachtet man nur diejenigen Herkunftsländer, in denen Englisch als offizielle Amtssprache gilt, so erklärt dies nur rund einen Viertel der Nennungen (vgl. Kap. 4.1.6 Migrationsgeschichte). Die Beherrschung des Englischen muss in diesem Sinne als Investition in kulturelles Kapital (Englisch als Zweitsprache, Sprachaufenthalte, Austauschsemester oder das Absolvieren von International Schools) verstanden werden, da es die Möglichkeiten für weitere Bildung und später Erwerbsarbeit massiv ausweitet. Solche Privilegien sind in der Wohnbevölkerung nicht gleich verteilt und bestätigen damit jene Annahme, dass ökonomisch privilegierte Schichten deutlich übervertreten sind an schweizerischen Kunsthochschulen. Bestätigt wird diese Annahme durch die Verteilung der Sprachen bei den Bezugspersonen, die sich ziemlich ähnlich zu derjenigen der Erstsemestrigen präsenMaking Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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tiert. Das Verhältnis Landessprache zu Nicht-Landessprache nähert sich dabei mit 79,6% zu 20,4% ein wenig dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung an (91% zu 9%). Der Anteil Nicht-Landessprachen ist wiederum an der HEAD am grössten, sowohl für die 1. wie für die 2. Bezugsperson (22,7% resp. 28,6%), gefolgt von der HKB (17,9% resp. 19,4%) und der ZHdK (14,6% resp. 11,7%). Die drei Landessprachen Deutsch, Französisch und Italienisch wurden etwas häufiger genannt, während nun Englisch und Spanisch weniger deutlich überrepräsentiert sind.

Vergleich Erstsprachen Bezugspersonen mit Gesamtbevölkerung Befragung Erstsemestrige 2011 Verteilung gemäss Volkszählung 2000 Deutsch

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Französisch

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Arabisch Thai Kurdisch Mazedonisch

* Koreanisch (0,55 %), Japanisch (0,37 %), Taiwanesisch (0,37 %), Tagalog (0,18 %), Vietnamesisch (0,18 %) ** Polnisch (0,55 %), Slowakisch (0,37 %), Tschechisch (0,37 %), Ukrainisch (0,37 %) *** Rumänisch (0,37 %), Ungarisch (0,37 %), Berberisch (0,18 %), Dänisch (0,18 %), Norwegisch (0,18 %), Schwedisch (0,18 %), Zulu (0,18 %)

Total

Quelle: Befragung Erstsemestrige und Bundesamt für Statistik

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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Auch bei den traditionellen Migrant_innensprachen der Schweiz (Serbisch/Kroatisch/ Bosnisch, Portugiesisch, Türkisch und Albanisch) gibt es auf tiefem Niveau mehr Nennungen. Ansonsten präsentiert sich die Sprachensituation bei den Bezugspersonen ziemlich ähnlich zu derjenigen der Student_innen, was darauf hindeutet, dass einerseits die Bezugspersonen diejenigen Personen zu sein scheinen, bei denen die Erstsprachen auch erlernt wurden (in den allermeisten Fällen wahrscheinlich die Eltern), während andererseits Englisch tatsächlich als Investition in das Bildungskapital der Student_innen betrachtet werden kann. Zu beobachten ist auch eine leichte Verschiebung in der Präferenz für die erste nicht-offizielle Sprache der jeweiligen Hochschule: Ist dies in der Generation der heutigen Student_innen markant häufiger das Englische, so ist es in der Generation der Bezugspersonen eher das Französische (Bern und Zürich) bzw. Deutsche (Genf). Auch dies deutet darauf hin, dass im Feld der Kunsthochschulen die Nicht-Landessprache Englisch die traditionellen und historisch bedingten Fremdsprachen des jeweiligen Sprachraumes abgelöst hat.

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

31

4.1.6 Migrationsgeschichte Fragen zu einer allfälligen Migrationsgeschichte von Kunsthochschulstudent_innen nahmen in unserer Befragung einen zentralen Stellenwert ein, da sich zunehmende Diskrepanzen zwischen einem institutionellen Imperativ zu Internationalität oder Internationalisierung und der auffälligen Absenz von Migrant_innen in zweiter oder dritter Generation offenbart haben (vgl. Kap. 4.2.6 Unsichtbare und sichtbare Migrant_innen). Eine alleinige Fokussierung auf die Staatsangehörigkeit der Erstsemestrigen reicht daher nicht aus und wurde durch Fragen nach der Erstsprache (vgl. Kap. 4.1.5 Erstsprachen), dem Geburtsort, Whiteness, einer allfälligen eigenen Migrationserfahrung sowie einer solchen im nächsten familiären Umfeld ergänzt. Befassen wir uns in einem ersten Schritt mit den Staatsangehörigkeiten der Student_innen: 265 Erstsemestrige geben ihre Nationalität an, wovon 55 auch eine zweite Staatsbürger_innenschaft besitzen. Im Folgenden werden wir die Angaben zur ersten und einer allfälligen zweiten Staatsbürger_innenschaft kumuliert betrachten, wobei sich ein ähnliches Bild wie bei den Erstsprachen ergibt. Insgesamt werden dabei 319 Nationalitäten angegeben, wobei zu 67% die Schweiz (214) und zu 33% eine andere Nationalität (105) genannt wird.19 Über ein Drittel der nicht-schweizerischen Nationalitäten betreffen Frankreich, gut 15% besitzen einen deutschen Pass. Staatsangehörige der fünf Nachbarländer der Schweiz machen knapp 60% der genannten nicht-schweizerischen Nationalitäten aus, was die vermutete Internationalität einigermassen relativiert. (Siehe Grafik «Nationalitäten Erstsemestrige verglichen mit den 10 häufigsten Nationalitäten in der Schweiz» auf der folgenden Seite.)

19 Student_innen schweizerischer Nationalität scheinen gemäss diesen Zahlen eher unterrepräsentiert zu sein. Betrachten wir jedoch lediglich die 1. Staatsbürger_innenschaft, so muss diese Annahme deutlich eingeschränkt werden: Der Anteil beträgt hier rund 80,8% und ist somit leicht höher als in der Wohnbevölkerung (78,01%).

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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Nationalitäten Erstsemestrige verglichen mit den 10 häufigsten Nationalitäten in der Schweiz Anteil an der Gesamtbevölkerung

Befragung Erstsemestrige

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Italien

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Deutschland

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Portugal

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Serbien

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Frankreich

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Türkei

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Spanien

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Kosovo

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Mazedonien

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Schweiz

Nationalitäten Erstsemestrige verglichen mit weiteren Nationalitäten in der Schweiz (kontinental gruppiert)

Weitere europäische Länder

Anteil an der Gesamtbevölkerung

Befragung Erstsemestrige

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Grossbritannien (1,25 %), Belgien (0,94 %), Österreich (0,94 %), Kroatien (0,31 %), Lettland (0,31 %), Liechtenstein (0,31 %), Monaco (0,31 %), Polen (0,31 %), Rumänien (0,31 %), Schweden (0,31 %), Slowakei (0,31 %), Slowenien (0,31 %), Tschechien (0,31 %), Ukraine (0,31 %) Asiatische Länder

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China (0,31 %), Philippinen (0,31 %), Südkorea (0,31 %), Taiwan (0,31 %)

Amerikanische Länder

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Argentinien (1,57 %), USA (1,57 %), Kanada (0,31 %), Peru (0,31 %)

Afrikanische Länder

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Algerien (0,31 %), Marokko (0,31 %), Südafrika (0,31 %), Tunesien (0,31 %)

Ozeanische Länder

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Australien (0,31 %) Quelle: Befragung Erstsemestrige und Bundesamt für Migration

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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Am stärksten übervertreten nach Frankreich und Deutschland (gemessen an der Gesamtbevölkerung) sind Staatsangehörige weiterer europäischer sowie amerikanischer Länder (mit 10% statt knapp 5% wie in der Gesamtbevölkerung). Dies verdeutlicht, dass sich die Staatsangehörigkeiten von Kunststudent_innen nur bedingt mit denen der sonstigen Bevölkerung decken. Insbesondere Staatsangehörige aus den südeuropäischen Ländern Italien, Portugal, Spanien sind massiv unterrepräsentiert, Student_innen aus den post-jugoslawischen Nachfolgestaaten Serbien, Kosovo und Mazedonien fehlen völlig. In der ständigen Wohnbevölkerung der Schweiz haben Menschen aus diesen sechs Ländern einen Anteil von knapp über 11%, an den drei untersuchten Kunsthochschulen hingegen lediglich 3,5%, also rund dreimal weniger. Aufgeschlüsselt nach den drei Schulen weist wiederum die HEAD den grössten Anteil auf, wo knapp die Hälfte der Befragten nicht-schweizerischer Nationalität ist (46,1%). Die ZHdK (14,9%) und die HKB (13,3%) unterscheiden sich noch erheblicher davon als bei den Erstsprachen. Der Geburtsort der befragten Erstsemestrigen ist zu knapp 74% in der Schweiz und zu 26% im Ausland. Die Herkunftsländer decken sich dabei grösstenteils mit den angegebenen Nationalitäten. Die prozentuale Differenz zwischen dem Geburtsort in der Schweiz und der schweizerischen Staatsangehörigkeit verweist darauf, dass sowohl im Ausland geborene Schweizer_innen wie Nicht-Schweizer_innen, aber auch in der Schweiz geborene Student_innen mit einer anderen Nationalität eine Migrationserfahrung geltend machen. Dieses Verhältnis bezüglich des Geburtsorts entspricht dabei ziemlich genau dem schweizerischen Durchschnitt: Gemäss Bundesamt für Statistik sind 26,3% der Wohnbevölkerung nicht in der Schweiz geboren worden, wobei dies für lediglich für 11% mit einer schweizerischen, jedoch für 79% mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit zutrifft.20

Index Migrationserfahrung Student_innen CH 1. und 2. Nationalität der Student_innen? Geburtsort?

Nicht-CH

NEIN

JA

105 68

220 91 114

45 172 124

214 196

Relative Zahlen in Prozent

32,92%

67,O8%

1. und 2. Nationalität der Student_innen?

Nicht-CH CH

25,76%

74,24% Geburtsort?

Nicht-CH CH

16,98%

83,02%

65,4%

34,6%

Eigene Migrationserfahrung?

JA

NEIN

JA

NEIN

52,1%

47,9%

Migrationserfahrung in der direkten und nächsten Verwandtschaft?

JA

NEIN

Quelle: Befragung Erstsemestrige

Auf die Frage «Haben Sie ihre Zulassungsberechtigung (Matura, Berufsmatur etc.) für das Studium an der ZHdK/HKB/HEAD in der Schweiz erhalten?» antworteten knapp 83% mit Ja, d.h., dass bei diesen Personen eine allfällige Migration zu einem früheren 20 Vgl. Bundesamt für Statistik (2011): Bevölkerung nach Geburtsort. Online unter: www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/01/07/blank/key/05.html (Letzter Zugriff: 12.01.2012)

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

34

Zeitpunkt stattgefunden hat. 32 Erstsemestrige sind für das Studium in die Schweiz migriert, während 13 Befragte andere Gründe für ihre Migration angeben (Familie und Arbeit) oder aber als sogenannte Grenzgänger_innen in Frankreich leben und an der HEAD Genève studieren. Ziehen wir zusätzlich die Frage nach der Migrationserfahrung in der direkten Verwandtschaft – also der Generation der Eltern und/oder Grosseltern – mit in Betracht, so können 52% der Befragten als Second_as und/oder Terz_as gelten. Zusammen mit denjenigen Student_innen, die selbst in die Schweiz migriert sind, deren Eltern oder Grosseltern jedoch keine Migrationserfahrung gemacht haben, können knapp über die Hälfte der Befragten nach der Definition des Bundesamtes für Statistik als Personen mit einer Migrationsgeschichte betrachtet werden. Bei der ständigen Wohnbevölkerung der Schweiz über 15 Jahren betrifft dies lediglich rund einen Drittel.21 Bei der Frage nach Whiteness ergeben sich ebenfalls erklärungsbedürftige Resultate: Insgesamt beantworten 65,4% der Student_innen die Frage, ob sie sich als weiss definieren, mit Ja, während 34,6% dies verneinen. Aufgeschlüsselt nach Hochschulen fallen insbesondere der überdurchschnittlich hohe Ja-Anteil an der HEAD (71,3%) und der gegenläufig tiefe Ja-Anteil an der HKB (54,5%) auf. Aufgrund der anderen Fragen zu Nationalität, Geburtsort und Migrationserfahrung hatten wir eher ein umgekehrtes Ergebnis erwartet. Insbesondere die hohen Nein-Anteile an den beiden Deutschschweizer Kunsthochschulen verdeutlichen, dass eine Thematisierung und Beschäftigung mit (eigenen) rassistischen Ausgrenzungen und Ausschlüssen sowie der (eigenen) Whiteness 22 unter den Kunsthochschulstudent_innen noch nicht oder nur unzureichend stattgefunden hat. Bei der Selbst-Identifikation als weiss sind die Anteile möglicherweise deshalb so niedrig, weil viele Student_innen Mühe damit hatten/haben, sich als weiss zu deklarieren, obwohl sie als Weisse von dieser Privilegierung profitieren. Das Unbehagen, sich selbst als weiss zu deklarieren, offenbart eine Abwehr der Frage nach der eigenen Verbindung und Verantwortung im Zusammenhang mit Rassismus, der stets nur die anderen betrifft (vgl. Sow 2008). Eine zusätzliche Erklärung wäre, dass die Auseinandersetzung mit Race im deutschen Sprachraum – im Gegensatz etwa zum angelsächsischen – aufgrund der NS-Geschichte tendenziell tabuisiert ist und der Begriff ungern Verwendung findet (vgl. Hoffmeyer-Zlotnik/ Warner 2009). Die gerade beschriebene Fragwürdigkeit dieses Indikators, der auch bei den Pre-Tests des Fragebogens umstritten war, weist aus unserer Sicht aber gerade darauf hin, wie wichtig ein Weiterfragen und -forschen genau an diesen Stellen ist und rassialisierte Diskriminierung auf jeden Fall eine relevante Fragestellung für eine weitere Erforschung von Ungleichheit darstellt. Für die Staatsangehörigkeiten der beiden Bezugspersonen (addiert 424 Nennungen) präsentiert sich die Ausgangslage sehr ähnlich wie bei den befragten Erstsemestrigen: Das Verhältnis schweizerischer zu nicht-schweizerischen Staatsangehörigkeiten liegt bei rund 70,3% zu 29,7% und damit nahe bei den Zahlen für die Erstsemestrigen. Auch die markanten Differenzen zwischen der HEAD und den beiden deutschschweizerischen Kunsthochschulen bleiben bestehen: Bei der 1. Bezugsperson der Genfer Student_innen wird lediglich zu 55,3% die Schweiz als Nationalität angegeben, bei der 2. Bezugsperson gar nur zu 48,1%. An der ZHdK (81,5% resp. 87,8%) sowie der HKB (88% resp. 83,7%) liegen die entsprechenden Zahlen wiederum sehr viel näher beieinander und bewegen sich zudem im Bereich der entsprechenden Antworten der Erstsemestrigen.

21 Vgl. Bundesamt für Statistik (2011): Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Online unter: www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/01/07/blank/key/04.html (Letzter Zugriff: 12.01.2012). 22 Wir beziehen uns auf Begriff und Theorie der Critical Whiteness Studies, eine in den USA entstandene und seit wenigen Jahren auch im deutschsprachigen Raum präsente Forschungsrichtung, die eine Fokusverschiebung in der Forschung zu Rassismus und Diskriminierung versucht. Nicht die durch die Konstruktionen von Race, Ethnie oder Kultur Markierten und Marginalisierten stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern die Konstruktion der unmarkierten Normalität von WeissSein. Vgl. Eggers (2005).

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

35

Nationalitäten Bezugspersonen verglichen mit den 10 häufigsten Nationalitäten in der Schweiz Anteil an der Gesamtbevölkerung

Befragung Erstsemestrige

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Italien

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Deutschland

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Portugal

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Serbien

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Frankreich

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Türkei

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Spanien

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Kosovo

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Mazedonien

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Schweiz

Nationalitäten Bezugspersonen verglichen mit weiteren Nationalitäten in der Schweiz (kontinental gruppiert)

Weitere europäische Länder

Anteil an der Gesamtbevölkerung

Befragung Erstsemestrige

!,!# %

",* %

Österreich (1,65 %), Grossbritannien (1,42 %), Russland (0,47 %), Tschechien (0,47 %), Albanien (0,24 %), Belgien (0,24 %), Dänemark (0,24 %), Kroatien (0,24 %), Monaco (0,24 %), Polen (10,24 %), Rumänien (0,24 %), Schweden (0,24 %) Asiatische Länder

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Japan (0,47 %), Südkorea (0,47 %), Taiwan (0,47 %), Philippinen (0,24 %)

Amerikanische Länder

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Argentinien (0,71 %), USA (0,47 %), Mexico (0,24 %), Peru (0,24 %)

Afrikanische Länder

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Algerien (0,47 %), Marokko (0,24 %), Südafrika (0,24 %)

Ozeanische Länder

),)$ %

0,47 %

Australien (0,47 %) Quelle: Befragung Erstsemestrige und Bundesamt für Migration

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

36

Auch bezüglich der Unter- bzw. Überrepräsentation der einzelnen Herkunftsländer ändert sich nur Marginales: Die Nennung Frankreich bleibt ein Vielfaches über dem entsprechenden Anteil in der Gesamtbevölkerung, während Deutschland sowie andere europäische sowie amerikanische Länder nur moderat häufiger genannt werden. Umgekehrt bleiben die traditionellen Herkunftsländer von Migrant_innen in der Schweiz aus dem süd- und südosteuropäischen Raum von den untersuchten Kunsthochschulen fast völlig ausgeschlossen. Alleine die Staatsangehörigen aus den beiden Nachbarländern Frankreich und Deutschland machen 54% aller nicht-schweizerischen Nationalitäten aus, gegenüber knapp 21% in der ausländischen Wohnbevölkerung der Schweiz. Beim Geburtsort zeichnet sich eine deutliche Verschiebung gegenüber den Antworten der Erstsemestrigen ab: Der Anteil derjenigen, die nicht in der Schweiz geboren wurden, steigt von 25,8% bei den Erstsemestrigen auf 37,9% bei den Bezugspersonen, wobei die Unterschiede zwischen HEAD (63%) auf der einen und ZHdK (22,9%) und HKB (32,6%) auf der anderen Seite konstant gross bleiben. Dieser hohe Anteil korrespondiert mit der oben erwähnten Häufigkeit von Migrationserfahrungen in der direkten Verwandtschaft der befragten Student_innen (52,1%), wobei dort auch die Generation der Grosseltern mitberücksichtigt wurde.

Index Migrationserfahrung Bezugspersonen

1. und 2. Nationalität der Bezugspersonen? Geburtsort?

CH

Nicht-CH

JA

NEIN

298 270

126 165

293

120

Relative Zahlen in Prozent

29,72%

70,28%

37,93%

62,07%

Nationalität der Bezugsperson?

Geburtsort der Bezugsperson?

Nicht-CH CH

Nicht-CH CH

29,06%

70,94%

NEIN

JA Quelle: Befragung Erstsemestrige

Bei der Frage nach Whiteness der Bezugspersonen ergaben sich leicht höhere Ja-Anteile (70,9% gegenüber 65,4% in der Selbsteinschätzung), während die Verteilungen über die einzelnen Kunsthochschulen hinweg konstant blieben. Dabei ist jedoch zu betonen, dass die Antworten zu den Bezugspersonen nicht von diesen selbst, sondern von den befragten Student_innen gemacht wurden. Offenbar scheint dabei die Beschreibung als weiss für andere Personen leichter zu fallen als für sich selbst, obwohl die Bezugspersonen bei anderen Indikatoren wie Staatsangehörigkeit oder Geburtsort eine höhere Internationalität aufzuweisen scheinen als die befragten Student_innen selbst. Auch dies zeigt die oben beschriebenen, inhärenten Abwehrreflexe bei der Thematisierung des eigenen Weiss-Seins und der damit einhergehenden, oft nicht bewusst reflektierten Privilegien, Ressourcen und Machtpositionen.

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

37

4.1.7 Sozioökonomischer Hintergrund Wie verschiedene Untersuchungen gezeigt haben, stammen Student_innen von Kunsthochschulen – auch im Vergleich zu ihren Kommiliton_innen an anderen Hochschulen – überdurchschnittlich oft aus sozioökonomisch privilegierten Herkünften. Im Gegensatz zu den Fachhochschulen allgemein scheinen also Kunsthochschulen gerade nicht zur sozialen Mobilität der Student_innen ohne Immatrikulationshintergrund, also das üblicherweise verlangte symbolische und kulturelle Kapital, beizutragen (vgl. SKBF 2010: 221). Um ein genaueres Bild über die sozialen Herkünfte von Kunststudent_innen zu erhalten, haben wir deshalb in unserer Untersuchung Fragen zum höchsten Bildungsabschluss, zum Einkommen sowie zur Berufsposition der Bezugspersonen der Erstsemestrigen gestellt, welche wir im Folgenden mit den verfügbaren, statistischen Daten der Gesamtbevölkerung vergleichen werden. a) Höchste Bildungsabschlüsse der Bezugspersonen Vergleicht man die höchsten Bildungsabschlüsse der Bezugspersonen mit denjenigen der Gesamtbevölkerung, so treten doch rasch ziemlich deutliche Unterschiede zu Tage: So liegt etwa der Anteil derjenigen, die keine oder lediglich die obligatorische Schulzeit abgeschlossen haben, mit 6% wesentlich niedriger als in der Bevölkerung (14,2%). Des Weiteren zeigen sich deutlich niedrigere Anteile für die berufsbildende Sekundarstufe II, was sich völlig konträr zum schweizerischen Durchschnitt verhält: Mit knapp über 42% macht die berufsbildende Sekundarstufe II den grössten Anteil in der Bevölkerung aus, gefolgt von der Hochschulbildung mit 24%. Unter den Bezugspersonen unserer Erstsemestrigen kehrt sich diese Rangfolge genau um: Nur 28,4% haben eine Berufslehre (und allfällig eine Berufsmatur) gemacht, während 31,6% über einen Hochschulabschluss verfügen.

Höchste Bildungsabschlüsse der Bezugspersonen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung Bildung Bezugspersonen

Bildung Gesamtbevölkerung

Obligatorische Schule

#,'! %

'$,( %

Sekundarstufe II (Berufsbildung)

(%,"( %

$(,$ %

Sekundarstufe II (Allgemeinbildung)

'(,*# %

%,' %

Tertiärstufe (höhere Berufsbildung)

'(,)( %

'',) %

Tertiärstufe (Hochschulen)

!',%( %

($,! %

Andere Ausbildung (im Ausland)

%,$% %

),) %

Bildung Bezugspersonen Bildung Gesamtbevölkerung

Quelle: Befragung Erstsemestrige und Bundesamt für Statistik

Auch die Anteile bei der allgemeinbildenden Sekundarstufe II (Gymnasium, Lehrer_innenseminar sowie Fach- oder Diplommittelschule) sowie der tertiären Berufsbildung liegen etwas höher als im schweizerischen Durchschnitt. Zuletzt ist auf den nicht zu vernachlässigenden Anteil anderer Ausbildungen hinzuweisen: Dabei dürfte es sich zum grössten Teil um ausländische Bildungsabschlüsse auf Sekundarstufe oder Tertiärstufe handeln. Wie die Auswertung der Bildungsabschlüsse der Erstsemestrigen selbst ergeben hat (vgl. Kap. 4.1.3 Höchste absolvierte Ausbildung), dürften darunter häufig das Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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Baccalauréat und andere Bildungsabschlüsse aus Frankreich vorzufinden sein. Die Tendenz hin zu Tertiär- statt Sekundarstufe I und II Abschlüssen sowie allgemein- statt berufsbildenden Diplomen (sowohl auf der Tertiär- wie auf der Sekundarstufe), die sich in unseren Daten abbildet, ist auch in der Gesamtbevölkerung feststellbar: Sobald man nicht mehr die gesamte Bevölkerung über 25 Jahren betrachtet, sondern nur die jüngeren Gruppen (z.B. nur die 25- bis 34-Jährigen), dann liegt die entsprechende Verteilung deutlich näher bei den Antworten für die Bezugspersonen als bei den älteren Gruppen. Während in der Verteilung der Bildungsabschlüsse für die erste sowie die zweite Bezugsperson keine grösseren Differenzen auszumachen sind (die Unterschiede bewegen sich von 0–2 Prozentpunkten), gibt es doch beachtliche Unterschiede zwischen den einzelnen Kunsthochschulen: Während Bildungsabschlüsse auf der Tertiärstufe insgesamt betrachtet knapp über 35% ausmachen, sind die diesbezüglichen Anteile für die erste Bezugsperson an der HKB mit nur 30% deutlich niedriger, an der HEAD mit über 52% hingegen massiv überproportional. An der ZHdK liegen die addierten Tertiärabschlüsse der ersten Bezugsperson mit 41,7% ebenfalls deutlich über dem Gesamtdurchschnitt. Bei der zweiten Bezugsperson wiederum fallen die Unterschiede zwischen den beiden Bezugspersonen geringer aus, jedoch nicht im Verhältnis zur Wohnbevölkerung: Der Anteil an der ZHdK (42,9%) liegt am nächsten zum Gesamtdurchschnitt, gefolgt von der HKB (43%) und der HEAD (48%). Addiert man die beiden Bezugspersonen und vergleicht zwischen den Bildungsabschlüssen auf Sekundarstufe II und Tertiärstufe, so ergibt sich folgendes Bild für die einzelnen Kunsthochschulen: Die Bezugspersonen der HKB-Student_innen haben zu 51,8% Abschlüsse der Sekundarstufe II und zu 37% solche der Tertiärstufe, womit sie sich ziemlich nahe am schweizerischen Durchschnitt bewegen (50,5% resp. 35,3%). Ähnlich gestaltet sich das Verhältnis der Bezugspersonen der ZHdK-Student_innen, wobei diese etwas häufiger Tertiärabschlüsse aufweisen (50,5% resp. 42,5%). Der Unterschied liegt in der leicht höheren Anzahl von ausländischen Abschlüssen an der HKB, bei denen es sich jedoch ebenfalls um Tertiärabschlüsse handeln könnte. Erklärungsbedürftig ist dagegen das Verhältnis an der HEAD: Die Bezugspersonen der Genfer Student_innen besitzen nämlich lediglich zu 19,6% Abschlüsse der Sekundarstufe II gegenüber weit überproportionalen 50,6% der Tertiärstufe. Umgekehrt ist dort jedoch auch der Anteil derjenigen, die keine oder nur die obligatorische Schule abgeschlossen haben, mit 11,4% am höchsten (gegenüber 3,5% in Zürich und 4,1% in Bern). Ausserdem wurden zu 17,6% andere schweizerische und ausländische Abschlüsse genannt, die sich leider aufgrund mangelnder Zahlen nicht zuordnen lassen, was jedoch wiederum als ein Hinweis für die bereits beschriebene Internationalität der HEAD zu betrachten ist. Auch wenn man die Bildungsabschlüsse nach den drei Fachbereichen Musik, Kunst und Gestaltung sowie Darstellende Künste betrachtet, ergeben sich doch recht beachtliche Differenzen: Die Bezugspersonen von Musikstudent_innen weisen deutlich höhere Bildungsabschlüsse auf als die Gesamtbevölkerung über 25 Jahren. Dabei präsentiert sich die Situation genau invers zur derjenigen der Bevölkerung: Tertiärabschlüsse sind mit einem Anteil von 51,4% (52,8% für die erste resp. 49,8% für die zweite Bezugsperson) signifikant häufiger anzutreffen als solche der Sekundarstufe II zu bloss 35,3% (30,3% resp. 41,9%). In den Studiengängen des Bereichs Kunst und Gestaltung nähern sich die Proportionen etwas dem schweizerischen Durchschnitt an: Tertiärabschlüsse machen hier 39,6% aller Abschlüsse aus gegenüber 42,6% der Sekundarstufe II. Ausserdem sind praktisch keine Unterschiede zwischen den Bezugspersonen festzustellen; diese bewegen sich lediglich im Bereich eines halben Prozentpunktes. Interessanterweise sind jedoch auch hier die allgemeinbildenden Abschlüsse (z.B. Maturität und Hochschulabschlüsse) merklich übervertreten gegenüber berufsbildenden Diplomen (z.B. Berufslehre und tertiäre Berufsbildung), wenn auch auf geringerem Niveau als bei den Studiengängen der Musik. Bei den darstellenden Künsten wiederum ergeben sich ausserordentlich hohe Anteile von 59,9 resp. 70% Tertiärabschlüssen und sehr niedrige 33,2 resp. 30% für die Sekundarstufe II. Diese Zahlen sind allerdings mit einer gewissen Vorsicht zu Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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betrachten, da lediglich 25 Antworten für die Studiengänge Film und Theater vorliegen, d.h. eine Antwort mehr oder weniger macht sofort eine Änderung um vier Prozentpunkte aus. Während also die Anteile von Tertiärabschlüssen in der Musik, bei den darstellenden Künsten sowie an der HEAD, an welcher praktisch ausschliesslich Student_innen des Bereichs Kunst und Gestaltung studieren, überdurchschnittlich hoch sind, weisen umgekehrt die Studiengänge im Bereich Kunst und Gestaltung an der ZHdK sowie an der HKB geringere Akademiker_innenanteile auf und sind überdies durch ein grösseres Spektrum an Bildungsabschlüssen gekennzeichnet, wie wir dies bereits für die Erstsemestrigen selbst feststellen konnten (vgl. Kap. 4.1.3 Höchste absolvierte Ausbildung). Zusammenfassend kann also konstatiert werden, dass die Bezugspersonen von erstsemestrigen Kunsthochschulstudent_innen überdurchschnittlich hohe Bildungsabschlüsse aufweisen, und eher allgemein- statt berufsbildende Schullaufbahnen eingeschlagen haben. Trotzdem liegt der Anteil an Akademiker_innen unter den Bezugspersonen doch nicht ganz so hoch, wie der Bildungsbericht 2010 erwarten liess (vgl. SKBF 2010: 221). Während sich die Berner ziemlich nahe beim schweizerischen Durchschnitt befinden, weisen die Zürcher Bezugspersonen leicht überproportional häufig sehr hohe Bildungsabschlüsse auf. An der HEAD Genève dagegen ist die Spannweite sehr gross: Hier finden sich sowohl am meisten niedrige, keine oder nicht zuordenbare (Sekundarstufe I) als auch am meisten hohe Bildungsabschlüsse (Tertiärstufe). Zudem findet sich unter den Bezugspersonen von Musikstudent_innen ein deutlich höherer Anteil an Akademiker_innen als unter den Bezugspersonen der Student_innen im Bereich Kunst und Gestaltung. 23

b) Einkommen der Bezugspersonen Wie auch beim Alter (vgl. Kap. 4.1.2 Alter und Geschlecht) weisen sowohl die Gesamtzahl der Bezugspersonen wie auch die erste und zweite Bezugsperson separat bei den monatlichen Einkommen eine stark rechtsschiefe Verteilung auf, d.h. der Median (4.500 CHF insgesamt resp. 4.000 CHF für die erste Bezugsperson und 5.000 CHF für die zweite) und damit mehr als 50% der Daten liegen deutlich links vom Mittelwert (6.084 CHF insgesamt resp. 6.295 CHF für die erste Bezugsperson und 5.782 CHF für die zweite). Dies liegt daran, dass es ein klares, begrenztes Mindesteinkommen gibt, nämlich 0 CHF, während umgekehrt die Spannweite nach oben theoretisch unbegrenzt bleibt.

Geschätztes monatliches Einkommen Bezugspersonen im Vergleich zur Erwerbsbevölkerung

6.349 CHF 5.890 CHF

Monatlicher Bruttolohn Median Schweiz 2010

5.979 CHF

1. Bezugsperson 2. Bezugsperson Durchschnitt Bezugspersonen

6.801 CHF

ZHdK

HKB

HEAD

TOTAL

6.010 CHF 5.560 CHF 5.830 CHF

4.010 CHF 5.310 CHF 4.596 CHF

8.241 CHF 6.519 CHF 7.558 CHF

6.295 CHF 5.782 CHF 6.084 CHF

Quelle: Befragung Erstsemestrige, Bundesamt für Statistik und Amt für Statistik des Kantons Genf 23 Vergleiche die methodischen Bemerkungen zum Einkommen im Anhang.

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Aufgeschlüsselt nach Hochschulen zeigt sich, dass sowohl die Durchschnittswerte insgesamt wie auch diejenigen der einzelnen Bezugspersonen an der ZHdK leicht (5.830 CHF) und an der HKB deutlich (4.596 CHF) unter dem Durchschnitt aller Bezugspersonen liegen, während umgekehrt die Werte an der HEAD (7.558 CHF) ebenso markant höher sind. Vergleicht man nun diese Durchschnittswerte mit den monatlichen Bruttolöhnen (Medianwerte) gemäss Bundesamt für Statistik, so fällt sofort auf, dass die entsprechenden Zahlen für die jeweiligen Kantone24 weniger deutlich vom gesamt-schweizerischen Median abfallen als in unserer Befragung von den jeweiligen Durchschnittswerten. Die durchschnittlichen monatlichen Bruttolöhne liegen in Zürich und Bern über den Einkommen, welches die Bezugspersonen der befragten Student_innen erzielen, während sie in Genf unter diesem Durchschnitt sind. Demzufolge sind denn auch die angegebenen Einkommen in Zürich leicht und in Bern deutlich niedriger als die jeweiligen Median-Löhne in diesen Kantonen. An der HEAD hingegen sind die Einkommen um einiges höher als die Bruttolöhne im Kanton Genf. Der Mittelwert (6.084 CHF) der Einkommen aller Bezugspersonen liegt nur knapp über dem Median-Lohn (5.979 CHF) der schweizerischen Erwerbsbevölkerung. Beziehen wir nun den Median der Einkommen in unserer Befragung in die Betrachtung mit ein, so können wir feststellen, dass dieser für die ZHdK (5.000 CHF) sowie für die HKB (4.000 CHF) nur wenig vom Durchschnitt abfällt. Für die HEAD besteht eine grosse Diskrepanz zwischen Durchschnitt (7.558 CHF) und Median (4.000 CHF). Dies basiert auf dem Umstand, dass an der HEAD – ähnlich wie bei den Bildungsabschlüssen – sowohl sehr hohe wie sehr tiefe Einkommen angegeben werden, wodurch der Durchschnitt in die Höhe getrieben wird, nicht jedoch der Median. Dadurch kann auch erklärt werden, weshalb das Median-Einkommen über alle Bezugspersonen (4.500 CHF) doch relativ markant vom Durchschnittseinkommen abfällt (6.084 CHF). Vergleichen wir die Durchschnittswerte der monatlichen Einkommen nach den Fachbereichen, so erscheinen vor allem die Differenzen zwischen den Studiengängen der Musik und denjenigen von Gestaltung und Kunst auf: Die Bezugspersonen von Musikstudent_innen erzielen durchschnittliche Einkommen zwischen 4.500 und 5.000 CHF, die wesentlich tiefer als der Gesamtdurchschnitt sind. Bezugspersonen von Student_innen aus dem Bereich Kunst und Gestaltung scheinen demgegenüber mit durchschnittlichen Einkommen zwischen 6.000 und 6.500 CHF deutlich besser zu verdienen, auch gegenüber dem Durchschnitt aller Bezugspersonen sowie den monatlichen Bruttolöhnen. Die Medianwerte (4.500–5.000 CHF) für diesen Bereich fallen dabei deutlicher von den Mittelwerten ab als in dem Bereich der Musik (4.000 CHF). Dies kommt wiederum daher, dass fast alle Genfer Erstsemestrigen in diesem Fachbereich studieren und sich deshalb eine wesentlich grössere Spannweite als im Fachbereich Musik ergibt. Für den Bereich der darstellenden Künste sind die Angaben ebenfalls vorsichtig zu interpretieren: Durch nur wenige Nennungen (n=27) sowie ein sehr hohes Einkommen (100.000 CHF) wird der Durchschnitt für die erste Bezugsperson (11.560 CHF) sowie insgesamt in die Höhe getrieben (8.856 CHF). Die Medianwerte zwischen 4.000 und 4.500 CHF unterscheiden sich daher ebenfalls signifikant davon, deuten aber auch darauf hin, dass die Einkommen dieser Studiengänge eher im Bereich der Musik und damit etwas unter den durchschnittlichen Schweizer Bruttolöhnen liegen dürften. Insgesamt scheint sich jedoch die These zu bestätigen, dass es sich bei den Bezugspersonen von Kunsthochschulstudent_innen zwar um finanziell relativ gut situierte Menschen handeln dürfte, die jedoch mehrheitlich nicht zu den Spitzenverdiener_innen zählen. Etwas ausserhalb der Erwartungen waren auch die Einkommen der Bezugspersonen von ZHdK-Student_innen, da vorab mit wesentlich höheren 24 Es gilt anzumerken, dass die Bruttolöhne für Bern nicht nur den Kanton Bern alleine, sondern die sogenannte statistische Grossregion Espace Mittelland widerspiegeln (inklusive der Kantone Freiburg, Solothurn, Neuenburg und Jura). Leider waren im Gegensatz zu Zürich und Genf keine separaten Daten für den Kanton Bern verfügbar.

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Zahlen gerechnet wurde. Aufgrund der unterschiedlichen Lebenshaltungskosten konnten zumindest für Bern und Genf solche Ergebnisse angenommen werden, auch wenn sie für die HKB relativ niedrig erscheinen. Auch im Bereich der Musik fiel das Einkommensniveau eher gering aus, trotz der hohen Anzahl an Akademiker_innen unter den Bezugspersonen, was darauf hindeutet, dass gerade im Falle von Bezugspersonen von Kunsthochschulstudent_innen doch beträchtliche Statusinkonsistenzen zu beobachten sind, d.h., dass hohe Bildungsabschlüsse nicht zwingend zu hohen Einkommen (und Berufspositionen und damit Berufsprestige) führen müssen. Hohe Anteile an Akademiker_innen bedeuten – nicht zuletzt in Zeiten steigender Hochschulabschlüsse – nicht (mehr) unbedingt auch hohe Einkommen. Wir betrachten dies als Zeichen dafür, dass es sich trotz aller methodischen Schwierigkeiten (vgl. Anhang) lohnt, bezüglich der sozioökonomischen Herkünfte von Student_innen auch das Einkommen mitzuberücksichtigen, und nicht ausschliesslich die Bildungsabschlüsse zu betrachten, wie dies etwa das Bundesamt für Statistik tut (vgl. Bundesamt für Statistik 2010a; SKBF 2010). Zudem erklären sich die für schweizerische Verhältnisse relativ bescheiden anmutenden Einkommen auch durch den beträchtlichen Anteil von Personen, die keiner Erwerbsarbeit nachgehen, sowie durch die geringeren Einkommen von im Ausland ansässigen Bezugspersonen. Darüber hinaus lässt sich diese unerwartete Inkongruenz von Einkommen und Position auch damit erklären, dass über das reale Einkommen der Bezugspersonen kein Wissen besteht oder, dass zwar darüber Bescheid gewusst wird, die Zahlen aber aus Bedürfnis nach Understatement bewusst um einiges nach unten korrigiert werden. c) Berufspositionen der Bezugspersonen Die Berufsposition und das damit verbundene Berufsprestige sind weitere Indikatoren für sozioökonomische Unterschiede zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen. In unserer Befragung haben wir dies durch die Berufsklassifikation gemäss der International Standard Classification of Occupation (kurz: ISCO) der Internationalen Organisation für Arbeit (ILO) operationalisiert. Die befragten Erstsemestrigen mussten die Berufe ihrer Bezugspersonen in eine der neun ISCO-Berufshauptgruppen25 einteilen, oder konnten – falls ihnen diese Zuteilung nicht bekannt war – auch einfach den Beruf unter Sonstiges angeben, worauf die Zuordnung bei der Auswertung durch die Verfasser_innen erfolgte. Des Weiteren hatten sie auch die Möglichkeit, die Optionen Zurzeit arbeitslos, Rentner_in (Alter/Invalidität), Sozialhilfe, Keine oder Sonstiges zu vermerken. Ein Vergleich mit der schweizerischen Erwerbsbevölkerung wird jedoch nur anhand der neun ISCO-Berufshauptgruppen möglich sein, da die übrigen Kategorien nicht als Berufe bzw. Erwerbstätige erfasst werden. Trotzdem sollen auch diese zusätzlichen Optionen in unserer Auswertung einen Platz finden. Der Vergleich der Berufspositionen der Bezugspersonen unserer befragten Erstsemestrigen mit denjenigen der Erwerbsbevölkerung fördert abermals grundlegende Unterschiede zu Tage: Machen die beiden höchsten Berufsgruppen (Führungskräfte und akademische Berufe) in unserer Befragung knapp über 50% der Nennungen aus, so sind es in der schweizerischen Erwerbsbevölkerung nur knapp über 30%. Insbesondere die Gruppe der Führungskräfte ist mit 23,96% mehr als dreimal so häufig vertreten wie in der erwerbstätigen Bevölkerung (7,51%). Auch die akademischen Berufe (26,62%) sowie Bürokräfte und verwandte Berufe (11,53%) sind etwas überproportional repräsentiert (22,88% resp. 9,54%). Demgegenüber sind vor allem Dienstleistungs- und Verkaufsberufe sowie Techniker_innen und Handwerker_innen deutlich unterrepräsentiert (jeweils 4–5 Prozentpunkte weniger als in der Erwerbsbevölkerung). Auch die Berufshauptgruppen Anlagen- und Maschinenbediener_innen und Montierer/innen (-3,9), Hilfsarbeitskräfte (-2,6) sowie Fachkräfte in Land- und Forstwirtschaft 25 Vgl. die Einteilung in die Berufshauptgruppen und entsprechende Unterkategorien unter: www2.warwick.ac.uk/fac/soc/ier/links/isco88/german/gruppe (letzter Zugriff: 12.01.2012)

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(-1,96) wurden weniger häufig genannt. Damit wird klar erkennbar, dass Berufe mit hohen Qualifikationsanforderungen deutlich übervertreten sind, während solche mit eher niedrigen Qualifikationsanforderungen signifikant weniger oft angegeben wurden. Diese Angaben decken sich sodann auch mit den Daten über die höchsten Bildungsabschlüsse der Bezugspersonen (vgl. Kap. 4.1.7.a Höchste Bildungsabschlüsse der Bezugspersonen). Bezüglich der einzelnen Bezugspersonen sind – mit Ausnahme der Handwerksberufe – keine nennenswerten Diskrepanzen auszumachen.

Berufspositionen der Bezugspersonen im Vergleich zur Erwerbsbevölkerung Bezugspersonen Jahresdurchschnittswerte addiert der Gesamtbevölkerung (2010)

Berufshauptgruppen gemäss ISCO-08 81 | 322.000

Führungskräfte

90 | 980.000

Akademische Berufe

(#,#( % ((,%% %

48 | 785.000

Techniker_innen und gleichrangige Berufe

'$,( % '%,!$ %

39 | 409.000

Bürokräfte und verwandte Berufe

36 | 672.000

Dienstleistungsberufe und Verkäufer_innen

4 | 135.000

Fachkräfte in Landund Forstwirtschaft

27 | 586.000

Handwerks- und verwandte Berufe

(!,*# %

'',"! %

&,"' %

*,"$ %

'),#" % '",& % ','% %

!,'$ %

&,*% % '!,#% %

1 | 180.000 Anlagen- und Maschinenbediener_innen, Montierer_innen

),(* %

$,'* %

6 | 187.000

Hilfsarbeitskräfte

',&& %

$,!& %

6 | 25.000

Keine Angabe / Weiss nicht

',&& %

),"* %

338 | 4.281.000

**,*" % ')),) %

Total Bezugspersonen Gesamtbevölkerung

Ohne die Nennungen «Zurzeit arbeitslos»/ «Rentner_in (Alter, Invalidität)»/«Sozialhilfe»/«Keine Berufsposition» Quelle: Befragung Erstsemestrige und Bundesamt für Statistik

Insgesamt wurden für die beiden Bezugspersonen 417 Angaben bezüglich der Berufsposition gemacht, wovon sich 338 (81%) einer der neun ISCO-Berufshauptgruppen (oder der Angabe Keine Antwort /Weiss nicht) zuordnen liessen. Lediglich 79 Nennungen (oder 19%) liessen sich einer der oben erwähnten, zusätzlichen Kategorien zuordnen. Dies heisst, dass die überwiegende Mehrheit der Bezugspersonen der befragten Student_innen einer bezahlten Erwerbsarbeit nachgeht, während (zurzeit) nicht erwerbstätige Menschen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung untervertreten scheinen. Der Anteil der zum Zeitpunkt der Befragung Erwerbslosen war mit 1,19% (5 Personen) klar unter dem Schweizer Durchschnitt von 3,1% für das Jahr 2011.26 27 Personen (oder 6,43%) bezogen eine Alters- oder Invaliditätsrente, was ebenfalls deutlich weniger sind verglichen mit der Gesamtbevölkerung. Auch die Zahl der Sozialhilfeempfänger_innen unter den Bezugspersonen ist mit 2,1% (9 Personen) wesentlich tiefer als vergleichbare schweizerische Durchschnittswerte. 24 Bezugspersonen (oder 5,75%) befanden sich 26 Vgl. www.news.admin.ch/message/index.html?lang=en&msg-id=42894 (letzter Zugriff: 12.01.2012)

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zudem Zeitpunkt der Befragung in keiner beruflichen Stellung. Darunter fallen einerseits verstorbene Personen sowie andererseits Menschen, die Haushaltsarbeit leisten, welche nicht als Erwerbstätigkeit erfasst wird und demgemäss nicht im ISCO-Index erfasst wird. Ausserdem finden sich hier auch Personen, die einer Weiterbildung nachgehen (insbesondere auch Student_innen) oder zum damaligen Zeitpunkt auf Stellensuche waren. Unter Sonstiges (14 Nennungen oder 3,35%) werden wiederum Hausarbeit (5) sowie Selbstständigkeit (10) genannt, ohne diese allerdings bezüglich eines Bereichs oder Qualifikation genauer zu spezifizieren, weshalb an dieser Stelle keine Zuordnung zu einer der neun ISCO-Berufshauptgruppen stattfinden kann. Betrachten wir nun die Berufspositionen nach den einzelnen Kunsthochschulen, so finden wir überall erhöhte Werte für die höchste Gruppe der Führungskräfte, angeführt von der HEAD (+26,39 gegenüber dem Durchschnitt der Erwerbsbevölkerung) und gefolgt von HKB (+18,99) sowie ZHdK (+8,49). Verglichen mit dem Durchschnitt über alle Bezugspersonen (22,88%) weniger ausgeprägt ist dagegen die Überrepräsentation der akademischen Berufe in Zürich (31,4%) und Genf (27,1%), während wir für Bern (16,4%) unterdurchschnittliche Werte konstatieren können. Insgesamt werden jedoch die beiden Berufsgruppen mit den höchsten Qualifikationsanforderungen gemäss ISCO an allen drei Standorten (HEAD: 61%, ZHdK: 47,4%, HKB: 42,9%) signifikant häufiger angegeben als in der schweizerischen Erwerbsbevölkerung (30,39%). Erwartungsgemäss sind deshalb die anderen Berufsgruppen mehrheitlich unterrepräsentiert, wenn auch in ganz unterschiedlichem Ausmass: so etwa am deutlichsten Verkaufs- und Dienstleistungsberufe in Genf (-12,8) und Bern (-8,2), während dies für Zürich nicht gilt (+1,6). Umgekehrt sind an der ZHdK technische Berufe (-5,54) sowie Handwerksberufe (-7,28) deutlicher untervertreten als an der HKB und der HEAD. Bürokräfte und kaufmännische Angestellte wiederum finden sich in Bern (4,36) und Zürich (3,26) leicht häufiger bzw. in Genf (-1,84) etwas seltener. Addieren wir die vier Berufsgruppen mit niedrigeren Qualifikationsanforderungen (Fachkräfte in Land- und Forstwirtschaft, Handwerks- und verwandte Berufe, Anlagen- und Maschinenbediener_innen und Montierer/innen sowie Hilfsarbeitskräfte), so erhalten wir dieselben Ergebnisse wie bei denjenigen mit den höchsten Anforderungen: Die Bezugspersonen der HEAD-Student_innen (8,6%) sowie der ZHdK-Student_innen (8,8%) unterscheiden sich am deutlichsten vom schweizerischen Durchschnitt (25,38%), während dies für die Bezugspersonen der HKB-Student_innen (18,9%) weniger ausgeprägt gegeben ist. Ähnlich markant unterscheiden sich die Berufspositionen, wenn man sie nach den drei Fachbereichen Musik, Gestaltung und Kunst sowie Darstellende Künste analysiert. Bei den Bezugspersonen der Musik-Student_innen machen Berufe mit den höchsten Qualifikationsanforderungen gemäss ISCO 52,7%, solche mit mittleren Anforderungen (Technische Berufe, Bürokräfte sowie Dienstleistungs- und Verkaufsberufe) 31,9% und diejenigen mit niedrigeren Anforderungen 13,7% aus. Ziemlich ähnlich verteilen sich die jeweiligen Anteile für Student_innen des Bereichs Gestaltung und Kunst (49%/38%/10,3%), während der Bereich der darstellenden Künste aufgrund tiefer Fallzahlen (n=20) stark verzerrte Angaben liefert (80%/15%/5%). Ähnlich wie bei den höchsten Bildungsabschlüssen der Bezugspersonen (vgl. Kap. 4.1.7.a Höchste Bildungsabschlüsse der Bezugspersonen) weisen also die Studiengänge im Bereich Kunst und Gestaltung an der ZHdK sowie an der HKB Verteilungen auf, die am ehesten derjenigen der Erwerbsbevölkerung entsprechen. Diese werden jedoch durch die höheren Anteile höchster Berufskategorien in der Musik, den darstellenden Künsten sowie der HEAD-Student_innen nach oben hin verzerrt. Bezüglich der übrigen Nennungen ergeben sich einige Auffälligkeiten am Rande: Die fünf Personen, die zum Zeitpunkt der Befragung arbeitslos waren, werden alle von HEAD-Student_innen (und damit im Bereich Kunst und Gestaltung) genannt. Auch die Quote der Sozialhilfeempfänger_innen ist mit 3,1% an der HEAD am höchsten. Umgekehrt dagegen ist die Zahl der Rentner_innen an der ZHdK (7,6%) am höchsten, gefolgt von der HKB (6,5%) und HEAD (4,6%). Die Nennungen Keine Berufsposition Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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(11) sowie Sonstige (12) werden absolut ebenfalls am häufigsten für die ZHdK gemacht. Letzteres gilt auch für den Fachbereich Gestaltung und Kunst, was darauf hindeuten könnte, dass sich dort gehäuft Bezugspersonen finden, die selbständig künstlerisch oder gestalterisch tätig sind. Für die Musik wird am häufigsten die Nennung Keine Berufsposition gemacht, was ein Indiz dafür sein könnte, dass die Bezugspersonen von Musik-Student_innen häufiger (als andere) auf eine Berufstätigkeit zugunsten des Studiums ihrer Schützlinge verzichten (vgl. Kap. 4.2.2 Theorien und Soziologien der Ungleichheit). Diese beiden letzten Feststellungen können jedoch aufgrund zu tiefer Fallzahlen nicht als gesichert gelten und deuten lediglich Tendenzen an, die als Ausgangspunkte für vertiefte Untersuchungen genommen werden können. Zusammenfassend kann also konstatiert werden, dass die Bezugspersonen von erstsemestrigen Kunsthochschulstudent_innen überdurchschnittlich hohe Berufspositionen einnehmen, während Berufe mit mittleren und tieferen Qualifikationsanforderungen deutlich seltener genannt werden. Während sich die Berner Bezugspersonen am nächsten beim schweizerischen Durchschnitt befinden, weisen die Zürcher Bezugspersonen doch markante Verzerrungen sowohl von überproportional häufig Berufen mit hohen und unterdurchschnittlich solchen mit niedrigeren Qualifikationsanforderungen gemäss ISCO auf. An der HEAD Genève zeigt sich eine ähnliche Spannbreite wie bei den Bildungsabschlüssen, jedoch von anderer Qualität: Die beiden Berufskategorien mit den höchsten Qualifikationsanforderungen sind hier doppelt so häufig vertreten wie im schweizerischen Durchschnitt. Gleichzeitig finden sich an der HEAD aber auch die meisten Erwerbslosen sowie Sozialhilfeempfänger_innen. Die Verteilung der Berufspositionen unter den Bezugspersonen der Student_innen im Bereich Kunst und Gestaltung entspricht etwas mehr dem Durchschnitt der Erwerbsbevölkerung als diejenige der Bezugspersonen von Musikstudent_innen.

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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4.1.8 Studienfinanzierung Neben dem Einkommen von Personen, die den befragten Kunsthochschulstudent_innen nahestehen, wollten wir auch die Erstsemestrigen selbst zu ihrer Studienfinanzierung – oder ihren Vorstellungen davon – befragen. Interessanterweise geben hier 70% der Student_innen an, dass sie ihr Studium durch eigene Erwerbsarbeit (mit-)finanzieren wollen. Dieser Anteil liegt nun deutlich näher bei den 79% als Durchschnitt unter Schweizer Student_innen, als dies die Antworten bezüglich der Erwerbsarbeit erwarten liessen (vgl. Kap. 4.1.9 Erwerbstätigkeit). 21,5% der Befragten planen, ihr Studium durch eine feste Teilzeitstelle zu finanzieren, während knapp 49% geringfügige Beschäftigungen sowie Ferienaushilfen als Erwerbsarbeit angeben. Demgegenüber werden 79.31% der Befragten von ihren Eltern, Partner_innen oder anderen Familienangehörigen unterstützt, während dies für 90% aller Schweizer Student_innen zutrifft. Erwartungsgemäss höher ist der Anteil an Stipendien und Darlehen: 27.15% der Befragten erhalten ein Stipendium oder Darlehen, deutlich mehr als der Durchschnitt, welcher bei lediglich 16% liegt (vgl. Bundesamt für Statistik 2010a: 77f.). Erstaunlich hoch bleibt der Anteil übriger Nennungen (17%), wovon 6% eine staatliche Unterstützung jenseits von Stipendien in Anspruch und 4% von Ersparnissen oder Erbschaften leben. Augenfällig sind die 7% der Befragten, die angeben, sie wüssten noch nicht, wie sie ihr Studium finanzieren werden. Aufgrund der verfügbaren Datenlage bleibt jedoch offen, ob es sich dabei um finanziell gut situierte Student_innen handelt, die zusätzlich noch eine Erwerbsarbeit für die kleinen Extras im Sinn haben, oder aber tatsächlich um Fälle von Prekarität, die über keine Unterstützung seitens der Familie oder anderer Bezugspersonen verfügen, und deren Anträge für Stipendien abgelehnt wurden.

Studienfinanzierung Erstsemestrige nach Hochschule ZHdK HEAD HKB

232

111 72 49

!","# !#,#$ #%,!& !$,"' !#,"! !(,"! '&,%) !%,(& (#,&* &*,*) *),%% *!,&# &#,($ &",(* *$,'* &!,*(

Eigener Verdienst Vollzeit-Berufstätigkeit, TeilzeitBerufstätigkeit, geringfügige Beschäftigung/Nebenjobs Familie Eltern / andere Personen

Stipendien und Darlehen

Übriges Staatliche Unterstützung (Sozialhilfe, etc.), weiss nicht, Sonstiges

% % % % % % % % % % % % % % % %

ZHdK

HEAD

HKB

Total

Quelle: Befragung Erstsemestrige

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

46

Studienfinanzierung Erstsemestrige nach Fachbereich Musik Kunst & Gestaltung Darstellende Künste

220

48 158 14

!",#$ %",%% %&,'! %(,!& &",'( %%,&# &',%) %$,*) "",$) "%,&# *',%( "%,)' )(,#) )&,)* "&,'! )%,"*

Eigener Verdienst Vollzeit-Berufstätigkeit, TeilzeitBerufstätigkeit, geringfügige Beschäftigung/Nebenjobs Familie Eltern / andere Personen

Stipendien und Darlehen

Übriges Staatliche Unterstützung (Sozialhilfe, etc.) weiss nicht, Sonstiges

Musik

Darstellende Künste

Kunst und Gestaltung

Total

% % % % % % % % % % % % % % % %

Bemerkung: Ohne die Studiengänge Restaurierung/Konservierung sowie Literarisches Schreiben Quelle: Befragung Erstsemestrige

Wie aufgrund der Antworten zur Erwerbstätigkeit zu erwarten war, finanzieren die Student_innen der HEAD nur zu knapp 60% ihr Studium durch eigene Erwerbstätigkeit, während ihre Deutschschweizer Kommiliton_innen dies zu über 75% tun (oder planen). Umgekehrt ist der Anteil der Unterstützung durch die Eltern oder andere Personen mit knapp 82% unter den Genfer Student_innen am höchsten, gefolgt von den Zürcher_innen und den Berner_innen, wiederum mit Anteilen knapp über oder unter 75%. Massive Unterschiede zwischen der ZHdK und der HKB ergeben sich hingegen bei den Stipendien und Darlehen: Während über ein Drittel (35,12%) der Zürcher Student_innen ein Stipendium oder Darlehen erhalten, sind es in Bern nur 12,24%. In Genf liegt der Anteil mit 25% daher deutlich näher beim Durchschnitt aller Student_innen als in Zürich oder Bern. Zuletzt zeigt sich ein bereits bekanntes Muster bei den übrigen Antworten: Die HEAD-Student_innen weisen mit 18% deutlich häufiger die Nennungen Staatliche Unterstützung sowie Weiss nicht auf, als die Erstsemestrigen der ZHdK (9,9%) und der HKB (12,24%). Eingedenk der Analysen bezüglich sozioökonomischer Herkünfte sowie zur Erwerbsarbeit lässt sich daraus die Schlussfolgerung ziehen, dass an der HEAD sowohl der Anteil höchst privilegierter Student_innen wie auch derjenigen, die elementare Schwierigkeiten bei der Finanzierung ihres Studiums aufweisen, am grössten sein dürfte. Letzteres kann möglicherweise auch durch den hohen Anteil von internationalen Student_innen erklärt werden, für die die hohen Lebenshaltungskosten in Genf trotz möglicherweise privilegierter Stellung in ihren Herkunftsländern eine erhebliche Belastung darstellen. Beim Vergleich der Student_innen der beiden grossen Fachbereiche Musik sowie Gestaltung und Kunst (leider haben wiederum nur 14 Student_innen der darstellenden Künste die Frage beantwortet) zeigen sich signifikante Unterschiede: Bei der Erwerbstätigkeit sind die Nennungen der Kunst- und Designstudent_innen (72,77%) wie erwartet höher als diejenigen der angehenden Musiker_innen (62,49%), während Letztere Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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hingegen etwas häufiger Unterstützung durch die Eltern oder andere Personen erhalten (82,5% gegenüber 77,84%). Ein unerwartetes Bild präsentiert sich dagegen bei den Stipendien: Lediglich 22,91% der Musikstudent_innen erhalten ein Stipendium oder Darlehen, wohingegen 27,84% der Student_innen des Bereichs Gestaltung und Kunst und 35,7% der darstellenden Künste eine solche Unterstützung erhalten. Bei den übrigen Antworten fällt vor allem der hohe Anteil an Antworten Weiss nicht (8,22%) im Bereich Gestaltung und Kunst auf, was wiederum durch die Genfer Student_innen beeinflusst wird. Die Student_innen der darstellenden Künste ihrerseits zeigen ebenfalls hohe Prozentanteile für die übrigen Nennungen auf (z.B. Sonstiges, d.h. Ersparnisse und Erbschaften, zu 14,28%) was aber durch den geringen Rücklauf relativiert werden muss.

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

48

4.1.9 Erwerbstätigkeit Wichtig erschienen uns für die Untersuchung neben den Fragen zur Studienfinanzierung auch solche zur Erwerbstätigkeit der Student_innen, da diese ebenfalls Indikatoren für sozioökonomische Privilegiertheit sein können. Diverse Untersuchungen über die Erwerbstätigkeit liefern regelmässig Anteile von 70–80% (je nach Hochschultyp und Studienstufe), wobei jedoch in der Erwerbsquote allein noch keine Aussagen über den Umfang enthalten sind: Handelt es sich dabei um geringfügige Beschäftigungen von einigen Stunden pro Woche, um das elterliche Taschengeld etwas aufzubessern, oder aber um eine feste und regelmässige Teilzeitarbeit, die für das wirtschaftliche Überleben unabdingbar ist? Nimmt man die Erwerbsquoten von schweizerischen Hochschulen zum Vergleich, so erscheinen die in unserer Befragung resultierenden Erwerbsquoten als relativ tief: Während an Universitäten 75% und an Fachhochschulen 74% der Student_innen erwerbstätig sind, so reduziert sich diese Zahl in unserer Befragung auf 52,38%. Betrachten wir nur Bachelor-Student_innen an schweizerischen Hochschulen, so sind die Unterschiede mit 71% resp. 72% nur unwesentlich geringer (vgl. Bundesamt für Statistik 2010a: 85).

Erwerbstätigkeit Erstsemestrige im Vergleich zu Student_innen von Universitäten und Fachhochschulen Erwerbsquote Erstsemestrige Kunsthochschulen nach Hochschule 2011 ZHdK (n = 111) HKB (n = 49) HEAD (n = 71) Total (n = 231)

#',(# "",') !#,#( "(,!%

% % % %

Erwerbsquote Erstsemestrige Kunsthochschulen nach Fachbereichen 2011 Musik (n = 48) Darstellende Künste (n = 14) Gestaltung und Kunst (n = 157)

$&,*( % "&,'$ % "$,'$ % (Ohne die Studiengänge Restaurierung/Konservierung sowie Literarisches Schreiben)

Erwerbsquote Student_innen von Universitäten und Fachhochschulen 2009 Total Hochschulen Total Universitäten Total Fachhochschulen Hochschulen (nur Bachelor) Universitäten (nur Bachelor) Fachhochschulen (nur Bachelor)

&",)) &",)) &$,)) &',)) &',)) &(,))

% % % % % %

Quelle: Befragung Erstsemestrige und Bundesamt für Statistik

Diese vergleichsweise tiefe Zahl kommt unter anderem durch den sehr niedrigen Anteil von erwerbstätigen Student_innen an der HEAD zustande: Lediglich 36,62% der Student_innen sind dort erwerbstätig, während es an der ZHdK 61,26% und an der HKB 55,1% sind. Möglicherweise spielt der Umstand, dass die befragten Erstsemestrigen erst am Anfang ihres Studiums stehen, einen massgeblichen Faktor. Beziehen wir die Frage nach der Studienfinanzierung in die Betrachtung mit ein (vgl. Kap. 4.1.8 Studienfinanzierung), so steigt der Anteil der Erwerbsarbeit nur leicht auf knapp 58% an. Dies lässt zwei mögliche Interpretationen offen: Entweder unterschätzen die beMaking Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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fragten Student_innen die hohen Kosten eines Studiums zum Zeitpunkt der Befragung und werden in der Folge durch die wirtschaftlichen Realitäten aufgeschreckt werden;27 oder aber die Befragten verfügen über derart komfortable ökonomische Verhältnisse, dass eine Erwerbstätigkeit gar nicht notwendig ist, was sich aber aus den Einkommen der Bezugspersonen nicht zwangsläufig folgern lässt (vgl. Kap. 4.1.7.b Einkommen der Bezugspersonen). Bei der Betrachtung nach Fachbereichen zeigt sich, dass die Erwerbsquote von Musikstudent_innen (47,92%) etwas tiefer ist als der Durchschnitt, während sie bei Gestaltung und Kunst (54,14%) leicht höher liegt. Student_innen der darstellenden Künste (57,14%) arbeiten zwar häufiger als ihre Kommiliton_innen, wobei aber aufgrund der geringen Fallzahl (n=14) Vorsicht angebracht ist. Wenden wir uns nun der Eingangsfrage zu und betrachten den Umfang der Erwerbsarbeit der befragten Erstsemestrigen, gemessen an der Arbeitszeit einer durchschnittlichen 40-Stunden-Woche (vgl. Bundesamt für Statistik 2010a: 85ff.). Dabei zeigt sich, dass die Mehrheit der erwerbstätigen Student_innen relativ tiefe Pensen bis zu 20% aufweist (33,33%). Gut ein Zehntel (11,26%) arbeitet von 20–30%, während nur knapp 8% der Befragten über 30% arbeiten. An Universitäten und Fachhochschulen liegt dieser Anteil bei jeweils 19%, während 40% resp. 44% der Student_innen zu tiefen Pensen bis zu 20% arbeiten. Student_innen der HKB geben am häufigsten (42,86%) tiefe Pensen an, ZHdK-Student_innen hingegen am häufigsten (9%) hohe Pensen. Da Genfer Student_innen allgemein weniger häufig erwerbstätig sind, sind auch ihre Anteile in den entsprechenden Kategorien jeweils unterdurchschnittlich – mit der Ausnahme hoher Pensen (8,45% statt 7,79%).

Umfang der Erwerbstätigkeit Erstsemestrige im Vergleich zu Student_innen von Universitäten und Fachhochschulen Hochschule ZHdK

(n = 111)

Fachbereich #%,*! % !!,%! % #$,$# % &,## % ',"' % Erwerbsquote !$,$" % #&,*( % &,#) % $,'& % Erwerbsquote &,$% % ##,!( % &,$% % &,$% % Erwerbsquote #%,#% % #&,#& % ##,!) % (,*) % ',$* % Erwerbsquote

(Zahlen ohne die Studiengänge Restaurierung / Konservierung sowie Literarisches Schreiben)

Musik

!!,"! % #$,%& % #',$! %

(n = 48)

61,3 %

HKB

(n = 49)

55,1 %

HEAD

(n = 71)

36,6 %

TOTAL

(n = 231)

52,4 %

47,9 %

Erwerbsquote

Darstellende Künste

!&,%( % !&,%( %

(n = 14)

57,1 %

Erwerbsquote

Gestaltung und Kunst

##,$) #",## #*,*& ",%% ',)$

(n = 157)

Bis 10 % 31 %—50%

11 %—20% Mehr als 50 %

% % % % % Erwerbsquote

54,1 %

21%—30%

Quelle: Befragung Erstsemestrige

27 Gemäss Bildungsbericht 2010 entsteht für ein durchschnittliches Studium (5 Jahre Studium bis zum Master) ein Finanzierungsbedarf von rund 120.000 CHF (vgl. SKBF 2010: 188).

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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Umfang der Erwerbstätigkeit Student_innen UH und FH 2009 Universitäten Geistes- und Sozialwissenschaften (BA)

81 %

Erwerbsquote Recht (BA)

74 %

Erwerbsquote Wirtschaftswissenschaften (BA)

66 %

Erwerbsquote Technische Wissenschaften (BA)

58 %

Erwerbsquote

!" % ## % !" % !" % $% !' % #& % !' % !) % )% !" % !$ % !! % !' % &% #) % !& % &% )% &%

Interdisziplinäre und andere (BA)

83 %

Erwerbsquote Medizin und Pharmazie (BA)

65 %

Erwerbsquote Exakte und Naturwissenschaften (BA)

63 %

Erwerbsquote

Durchschnitt Universitäten (BA)

71 %

Erwerbsquote

#& % #) % !' % !* % )% #% % !% % $% )% '% #! % #( % %% !( % *% !% % #! % !# % !* % &%

Bis 10 % 11 %—20 % 21%—30 % 31 %—50 % Mehr als 50 %

Fachhochschulen Soziale Arbeit

84 %

Erwerbsquote Angewandte Linguistik

81 %

Erwerbsquote Musik, Theater und andere Künste

76 %

Erwerbsquote Design

75 %

Erwerbsquote Architektur, Bau- und Planungswesen

73 %

Erwerbsquote Chemie und Life Sciences

70 %

Erwerbsquote Technik und IT

64 %

Erwerbsquote

&% !& % !! % #' % #" % !) % *# % !& % !' % '% #' % ## % !# % !# % &% #' % #% % !! % $% *% ## % *! % %% &% )% #& % #% % %% '% #% #' % #! % %% &% '%

Angewandte Psychologie

83 %

Erwerbsquote Sport

80 %

Erwerbsquote Lehrkräfteausbildung

76 %

Erwerbsquote Gesundheit

74 %

Erwerbsquote Wirtschaft und Dienstleistungen

71 %

Erwerbsquote Land- und Forstwirtschaft

70 %

Erwerbsquote

Durchschnitt Fachhochschulen

74 %

Erwerbsquote

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

!' % !$ % !) % #) % !! % #% % #& % !' % !! % (% #) % #( % !( % !* % $% !& % #' % !* % !! % !( % #! % #! % !# % !! % &% ## % ## % !! % %% &% ## % ## % !! % !! %

%$Zahlen für Universitäten betreffen nur BachelorStudent_innen; Zahlen für Fachhochschulen betreffen alle Student_innen

Quelle: Bundesamt für Statistik 51

Was die Fachbereiche betrifft, so stellen wir für die Musik (37,5%) sowie bei den darstellenden Künsten (57,14%) überdurchschnittlich häufig tiefe Pensen sowie keine Pensen über 30% fest. Bei den Student_innen der Studiengänge im Bereich Kunst und Gestaltung findet sich dagegen eine heterogenere Verteilung der Arbeitszeiten: Knapp über 30% arbeiten zu tiefen Pensen bis 20%, 13,38% von 21–30%, 9,55% von 31–50% und eine Person arbeitet mit einem Pensum von 60%. Diese Verteilung scheint deshalb eher derjenigen von allen Kunsthochschulstudent_innen gemäss Bundesamt für Statistik zu entsprechen.28 Diese doch beträchtlichen Unterschiede in den einzelnen Fachbereichen deuten unseres Erachtens darauf hin, dass die Möglichkeiten zur Erwerbsarbeit in Teilzeit nicht in allen Studiengängen gleich stark verankert sind und speziell die Studiengänge in der Musik nur geringfügige Nebenerwerbsmöglichkeiten zulassen. Eine nötige Schlussfolgerung aus diesen Zahlen wäre demnach das Etablieren von berufsbegleitenden Studiengängen an Kunsthochschulen, so wie sie auch in anderen Fachbereichen der Fachhochschulen existieren und damit auch jenen Interessierten die Möglichkeit für ein Studium eröffnen, die weder auf finanzielle Unterstützung der Eltern noch auf ein Stipendium zählen können.

28 Vgl. die entsprechenden Anteile der Fachbereiche Musik, Theater und andere Künste sowie Design in Grafik Umfang der Erwerbstätigkeit Erstsemestrige im Vergleich zu Student_innen von Universitäten und Fachhochschulen.

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

52

4.1.10 Wichtigste Kennzahlen Indikator/Variable

ZHdK

HKB

HEAD

Frauenanteil

4-,4% (n=,-,)

,/,+% (n=3+)

,2,,% (n=/-)

Anteil Gymnasium an der höchsten absolvierten Ausbildung

4,,2% (n=,.+)

/.% (n=3+)

4.,3% (n=/.)

Anteil Berufsmatur an der höchsten absolvierten Ausbildung

3/,2% (n=,.+)

.+,/% (n=3+)

.4,-% (n=/.)

Vorbildung vor Aufnahme des Studiums an der Kunsthochschule

,2,3% (n=,./)

,.,-% (n=30)

/.,,% (n=/,)

Häufigkeit genannter Nicht-Landessprachen am Total aller Erstsprachen

.-,2% (n=,01)

33,4% (n=/1)

++,+% (n=,.1)

Nationalität CH (1. und 2. Staatsbürger_innenschaft)

14,.% (n=,-2)

1/,,% (n=41)

4+,-% (n=/+)

Migrationserfahrung in der direkten und nächsten Verwandtschaft? (Eltern und/oder Grosseltern)

2+,1% (n=,./)

24,4% (n=33)

4+,1% (n=/1)

Whiteness: Selbstdefinition als weiss (Ja-Anteil in %)

//,2% (n=,./)

42,4% (n=33)

,.,+% (n=/1)

Arbeiten sie neben dem Studium? (Ja-Anteil in %)

/.,+% (n=,,,)

44,.% (n=2+)

+/,/% (n=0,)

Monatliches Durchschnittseinkommen (in CHF)

/.0.0 CHF (n=,,+)

2.0.0 CHF (n=31)

1.32. CHF (n=04)

Anteil Tertiärausbildung (Universität, Fachhochschule, pädagogische Hochschule und tertiäre Berufsausbildung)

23,0.% (n=,,+)

+0% (n=31)

43,/% (n=04)

Höchste Berufsposition (Führungskräfte und Akademiker_innen)

24,.% (n=+3)

24,-% (n=-0)

/4,4% (n=43)

Nationalität CH (1. und 2. Staatsbürger_innenschaft)

1.,4% (n=,,+)

11% (n=31)

44,+% (n=04)

Häufigkeit genannter Nicht-Landessprachen am Total aller Erstsprachen

.2,/% (n=,22)

.,,-% (n=40)

33,,% (n=+0)

Monatliches Durchschnittseinkommen (in CHF)

4.4/0 CHF (n=0+)

4.+.0 CHF (n=2,)

/.4.- CHF (n=31)

Anteil Tertiärausbildung (Universität, Fachhochschule, pädagogische Hochschule und tertiäre Berufsausbildung)

2+,3% (n=/,)

24,4% (n=22)

21,.% (n=32)

Höchste Berufsposition (Führungskräfte und Akademiker_innen)

40,,% (n=4,)

20,2% (n=2.)

4+,,% (n=-+)

Nationalität CH (1. und 2. Staatsbürger_innenschaft)

1,,1% (n=/.)

1+,,% (n=2-)

21,.% (n=32)

Häufigkeit genannter Nicht-Landessprachen am Total aller Erstsprachen

..,,% (n=+2)

.-,2% (n=4.)

31,/% (n=01)

STUDENT_INNEN

1. BEZUGSPERSON

2. BEZUGSPERSON

Hinweise zur Tabelle: Bei der Frage nach Erstsprachen waren jeweils mehrere Antworten möglich, bei der Frage nach der Nationalität werden die Antworten zu der 1. und 2. Staatsbürger_innenschaft kumuliert betrachtet. (Vgl. den vollständigen Fragebogen im Anhang.)

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

53

4.2 Ergebnisse der qualitativen Erhebung 4.2.1 Ansichten zur Pluralität der Kunsthochschule Pluralität, Internationalität oder Diversität, die in verschiedene Richtungen des Sozialen zu denkende Offenheit und Durchlässigkeit der Institution also, sind zu wichtigen Elementen in der Selbstdefinition der europäischen, auch der Schweizer Kunsthochschulen geworden. Es gibt ein «institutional desire for diversity» (Ahmed 2006: 7), das im offiziellen Diskurs der Hochschulen, in Leitbildern, Policies oder Informationsbroschüren vielfach, nicht zuletzt visuell, zum Ausdruck kommt. Dieser, im Trend internationaler Hochschulpolitik und ihrer «new quality regimes» liegende «diversity pride» (Ahmed 2006: 8), steht eine vielfältige und widersprüchliche Wahrnehmung seitens der institutionellen Akteur_innen (in diesem Fall Leiter_innen der Bachelor-Studiengänge) entgegen. Die reale «Vielfalt» der Studierenden wird divergierend beschrieben – meistens mit bedauerndem Hinweis auf das Fehlen von validen Daten. Der in den Interviews implizit geforderte «soziologische Blick» auf das eigene Feld wird von den Dozierenden mit Selbstverständlichkeit eingenommen. Oft wird mit soziologischem Vokabular argumentiert, wobei sich ein gewisser Widerstand gegen diese Perspektive dann artikuliert, wenn es um die Bezeichnung oder Beschreibung von sozial unterprivilegierten oder als migrantisch definierten Studierenden aus der Schweiz geht. In diesen Fällen wird vermehrt auf das unbestimmte Wort «Hintergrund» rekuriert. Neben dem «Migrationshintergrund» ist dann auch von «ausländischen», «kulturellen» oder «sozialen» Hintergründen oder dem «Arbeiterhintergrund» die Rede, aber auch von «Ausländern», «bildungsfernen Milieus» oder «Unterschichtsyndrom». In der Befragung hat sich unsere Anfangshypothese bestätigt, dass es zur Frage der Ungleichheit an den Kunsthochschulen ein vielfältiges, implizites Wissen, dass es gewissermassen interne Theorien und Soziologien zu den Leitfragen von Making Differences gibt. Die Gespräche, für die keine Vorbereitung erforderlich war, zeigen ein Mass an Bereitschaft und Fähigkeit zur Theoretisierung der sozialen Realität und Praxis der Kunsthochschule, das über die in der Regel bescheidene Selbsteinschätzung weit hinausreicht: «Also wir haben so ein Alltagsgefühl dafür.»29 Zur Zusammensetzung der Studierenden befragt, fällt auf, dass die meisten Antwortenden dazu ihren Ausgangspunkt bei der Verteilung von Frauen und Männern in den Studiengängen nehmen und andere soziale Kategorien oft erst auf Nachfrage in den Blick genommen werden (was nicht zuletzt auf die geleistete Gleichstellungsarbeit in Sachen Gender verweist). Wird die Unter- oder Missrepräsentation weiterer sozialer Gruppen oder Segmente thematisiert, dann im Hinblick auf sozio-ökonomische und nationale bzw. ethnische Herkunft (meistens diskursiv verschränkt, wie zu zeigen sein wird), im Hinblick auf Sexualität, Regionalität, Alter oder Behinderung nur vereinzelt, auf Religion oder Race30 explizit gar nicht. Zu der durch die Befragung von den Studiengangsleiter_innen gleichsam geforderten soziologischen Kategorisierung der Studierenden gibt es sehr divergierende Haltungen, die sich am deutlichsten bei den Versuchen einer sozioökonomischen Stratifizierung zeigen. Das Wissen um die «sozialen Hintergründe», ob privilegiert oder deprivilegiert, wird sehr unterschiedlich beschrieben und auch sehr unterschiedlich eingesetzt:

29 Zitate ohne Quellenangabe sind in diesem Bericht Originalpassagen aus den transkribierten Interviews, die anonymisiert wurden – auch durch die Weglassung von identifizierbaren Details. – In Einzelfällen werden relevante Passagen in mehreren argumentativen Zusammenhängen zitiert. 30 Wir haben uns für diese Vorstudie zur Nicht-Übersetzung des Begriffs Race entschieden, weil dieser auf die kulturelle Konstruiertheit und eine lange Geschichte von Kämpfen der Umarbeitung und Wiederaneignung verweist, die im deutschen Begriff gänzlich von rassistisch-biologistischen Bedeutungen überlagert wird.

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«Und jetzt das Schwierigste ist vermutlich der soziale Hintergrund, wo die herkommen, ob aus Familien, die sich einfach Kinder mit einem brotlosen Studium leisten können, wollen und [oder] Arbeiterhintergrund. Das ist ganz schwierig, weil wir eigentlich wenig übers Elternhaus wissen. Das ist ziemlich interessant. Wir gehen ja eigentlich von der Voraussetzung aus, dass die Leute erwachsen sind. Was nicht immer ganz stimmt, auch psychologisch nicht, aber wir tun so. Entsprechend ist unsere Erkundung über das soziale Milieu bewusst eher bescheiden, dass wir sagen, wir nehmen die Menschen so wie sie jetzt sind. Aber klar ist auch, dass natürlich in vielen sehr psychologischen Gesprächen, auch in sehr engagierten künstlerischen Auseinandersetzungen immer wieder dieser soziale Hintergrund reinspielt. Aber das bleibt dann dort, wo es quasi in den künstlerisch relevanten Aspekten sich zeigt, Teil des Arztgeheimnisses. D.h., wir wollen das nicht ausplaudern, sondern das müsste dann auch irgendwo zwischen den beiden Leuten bleiben. Insofern gestehe ich da ein, dass ich eigentlich einen sehr schlechten bis gar keinen Eindruck habe davon, wie das sozial zusammengesetzt ist.» Während für einen Teil der Befragten Informationen zu sozioökonomischen Faktoren akzidentiell sind und als «Teil des Arztgeheimnisses» auch nicht kommuniziert werden sollen, sind diese für andere ein relevantes Wissen um die soziale Realität der Studierenden, das auch für die eigene Praxis als Studiengangsleitung relevant ist. Wie das nächste Kapitel ausführlicher zeigt, ist das ökonomische Kapital der Studierenden in manchen Studiengängen ein wichtiges Thema – sei es, weil die Studierenden mehrheitlich eine privilegierte soziale Herkunft hätten: «Man kann sagen, dass die meisten Studentinnen, die hier herkommen, natürlich eine absolute soziale Top-Herkunft haben. […]. Also Ausnahmen gibt es sicher, aber in der Regel haben alle zu Hause eine super Unterstützung, finanziell wie auch ideell. Ich sehe das jeweils an den Diplomfeiern, wenn diese Eltern kommen und uns dafür danken, wie wir hier auf ihre Töchter achten und wie wir sie ausgebildet haben.» Oder sei es, weil dieses Kapital einer zumindest signifikanten Zahl von Studierenden fehlt, wofür sich einige (wenige) Studiengangsleiter_innen auch über die Vermittlung von Stipendien hinaus verantwortlich fühlen, die sozialen Schwierigkeiten zu lösen oder, wie formuliert wird, «calibrer les problèmes et puis aussi trouver une solution»: «Wir haben viele, die aus einem Elternhaus kommen, das finanziell nicht sehr gut situiert ist, wo die Eltern auf Hartz IV leben, usw. Das wissen wir, weil die hier natürlich extrem kämpfen müssen ums Überleben. Da habe ich das Gefühl, fehlt uns nichts. Da haben wir wirklich von ‹die Eltern finanzieren das Studium› bis hin zu ‹mitternachts noch arbeiten, um dann überhaupt noch ein Existenzminimum zu haben und auf Stipendien angewiesen zu sein›.» Zu bemerken ist, dass in diesen spontanen und subjektiven Soziologien31 zur Zusammensetzung der Studierenden der aktuell bildungspolitisch forcierte Diskurs von Diversität zwar kein direktes Echo findet,32 deren Logik aber in der vielfach wiederkehrenden Beschreibung der Vielfalt als Potenzial auftaucht. Die Befragung zeigt eine mehrheitlich geteilte Sympathie für eine plurale Kunsthochschule, die sich von einer vielfach vage vorgestellten «Durchmischung» eine Bereicherung erwartet, nach dem Motto «je heterogener, desto spannender». Das vorgestellte Ideal ist dabei in vielen Fällen Heterogenität an sich: «Also mal, geschlechterspezifisch denk ich einfach gut durchmischt, ein bisschen mehr von der oder von der ist eigentlich egal, aber ich finde es gut, wenn es gut durchmischt ist. Jetzt sozial hab ich mir noch keine so grossen Gedanken gemacht. Ich denke mir, es ist nicht so. Ich habe nicht so Ausschläge gemerkt […] ich glaube die Durchmischung ist auch sehr gut. Man kann schon sagen, es

31 In Analogie zum Terminus der subjektiven Theorie gebildet. 32 Der Begriff Diversity taucht in den Interviews nicht auf, was darauf hinweist, dass der Diskurs dazu nicht angekommen oder jedenfalls nicht angenommen ist.

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gibt wahrscheinlich weniger Arbeiterkinder, aber gibt es das überhaupt noch? Aber so Sozialdurchmischung glaub’ ich, die ist so weit o.k. Und auch von den Interessen her, also es gibt Leute , die eher auf Style stehen, dann gibt es Leute die wirklich politisch oder kulturell engagiert sind, und das find ich auch so, also bisschen mehr Leute die gesellschaftlich denken, als die nur in Mode, Label denken.» Vorherrschend in der Imagination dieser idealen Mischung ist die vage Idee des «ausgewogenen Verhältnisses», wobei – wie die quantitative Erhebung im Detail zeigt – die proportionale Einschätzung mitunter sehr von der Realität abweicht: «Ja, also einerseits würde ich ein etwas ausgewogenes Verhältnis zwischen Mann und Frau gut finden; möglichst breit auch vom Bildungshintergrund her, so dass nicht nur Leute aus dem Gymnasium kommen. Dort ist auch die Berufsmatura etwas, das noch ein bisschen quer liegt. […] Also das ist immer sehr wohltuend, weil sie immer wie noch einmal einen neuen Aspekt ins Studium bringen. Und was auch spannend wäre, auch im Bezug auf die gestalterischen Disziplinen, ist, wenn sie eben aus Bereichen kämen, in denen zum Beispiel das Material noch eine Rolle spielt. Wo nicht nur konzeptuell, oder das Zeichnen, der Umgang mit solchen feinstofflicheren, materiellen Zugängen, sondern wo wirklich vielleicht auch noch so phänomengeprägt – Denn diese bringen einfach immer spannende Felder, auch was die Wahrnehmung anbelangt, was die Auseinandersetzung mit den Schnittstellen Kunst-Design, Kunst-Handwerk, Design-Handwerk – […] Also es gibt von beiden Seiten Dekonstruktion.» Pluralität wird, wie die zitierte Aussage zeigt, als Mehrwert wahrgenommen, von der die Hochschule profitiert, die das Feld um interessante Positionen erweitert, wie auch vielfach formuliert wird: «Also, das bunteste Beispiel ist jetzt gerade eine Biobäuerin, die kommt, oder? Und sie hat natürlich einen musikalischen Hintergrund, sie hat dann einen ganz anderen Zugang und arbeitet schon in dieser Umgebung mit Kindern etc. Und das sind eigentlich dann ganz spannende Personen, die dann auch dieses Matura-Feld ein bisschen anreichern, denn das Matura-Feld kann ja auch furchtbar langweilig sein, eigentlich.» Mit diesem Kommentar wird beispielhaft verdeutlicht, dass es eine Tendenz dazu gibt, Diversität zu delegieren oder zu projizieren: auf minoritäre Positionen, die die mehrheitliche Norm (im zitierten Fall «das Matura-Feld») «ein bisschen anreichern». (Dazu mehr im Kapitel 4.2.6 Unsichtbare und sichtbare Migrant_innen). Wie aktuelle Forschungen zeigen, soll Diversität verkörpert werden: «In policy terms, diversity has come overwhelmingly to mean the inclusion of people who look different» (Puwar 2003: 1) und so werden primär migrantische oder internationale (zu dieser Differenzierung im Kapitel 4.2.6 und 4.2.7 mehr) als ausgeschlossene oder einzuschliessende Subjekte imaginiert: «Von Nationalität, wenn man schaut, aus welchen Ländern die Eltern kommen, finde ich, haben wir irgendwie immer wieder Studierende mit dem Hintergrund aus dem schwarzafrikanischen Bereich, zumindest ab und zu. Das ist für mich sehr schön. Wir haben jetzt mal, aber das ist auch nicht Standard, auch jemanden mit einem asiatischen Hintergrund, also auch der Kontinent. Ich habe hier jetzt zum Beispiel noch niemanden aus einem südamerikanischen Kontext gesehen. […] Also jetzt aus Ungarn, ist immerhin schon einmal ein Schritt in den Osten hinein. Aber auch da weniger die – Irgendwie russische Eltern war jetzt ein Hintergrund, da finde ich so – auch keine Sinti und Roma. Also es gibt viele, die auch fehlen. Aber da es immer nur Einzelne sind, ist die Frage: Fehlt eine Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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Gruppe? Oder fehlen Persönlichkeiten, also Individuen? Das kann ich aus meiner Perspektive überhaupt nicht werten oder beurteilen und qualifizieren.» Dass Migrant_innen als Gruppe fehlen, also nicht individuell, sondern systematisch «fehlen», ist (wie im Kapitel 4.2.6 näher ausgeführt) ein von vielen Befragten geteilter Befund, die sich deren Inklusion auch mehrfach explizit wünschen, eben um der interessanteren Vielfalt willen. Den «bunten» Migrant_innen als «racialised or ethnicised subjects» (Puwar 2003: 1) kann dabei – meist unbewusst – die Funktion zukommen, die gewünschte Vielfalt der Kunsthochschule darzustellen, die – so eine mehrfach geäusserte Einschätzung der Befragten – der sich sozial homogenisierenden Institution tatsächlich gerade abhandenkommt (siehe dazu den Punkt Transformationen der Kunsthochschule). Argument für die Vielfalt ist mehrheitlich nicht Gerechtigkeit, sondern Bereicherung, Ziel ist weniger Proportionalität (also etwa eine Repräsentanz des Querschnitts der Schweizer Bevölkerung in der Hochschule, die in der Befragung nur eine Befürworter_in findet: «wenn man denkt, wir sind in der Schweiz und in der Schweiz sind irgendwie 20% Ausländer, dann müssten auch hier 20%, finde ich irgendwie auch»), sondern Attraktivität, die Motivation weniger politisch, sondern strategisch: «Wir haben jetzt für uns nicht eine Quote oder so was, dass wir sagen: ‹Wir wollen einen Drittel oder zwanzig Prozent mit einem Migrationshintergrund!› Das ist gar nicht der Fall. Was für uns entscheidend ist, wenn wir dann so gerade in der Endrunde diskutieren, ist: Wer von diesen Menschen interessiert uns? Und nicht nur – Also natürlich immer in der Balance: Was haben die für eine Chance in den Markt, in den sie hineinwollen, auch hineinzukommen nach der Ausbildung? Aber für uns – da weniger die Glatten interessant sind, sondern auch diejenigen, die eine Besonderheit mitbringen, also die auch persönlich eine besondere – Ich mache es überhaupt noch nicht fest an Biografie oder Hautfarbe, sondern es sind die, wo wir sagen, das sind Menschen, auf die wir neugierig sind.» Als hochselektive Institution mit differenzierten Aufnahmeverfahren kann/muss die Kunsthochschule die Diversifizierung bis zu einem gewissen Grad steuern. Die Quotenregelung als ein Instrument dieser Steuerung wird von keinem Befragten befürwortet. Eine positive Diskriminierung – bei gleicher Qualifikation – ist aber in Einzelfällen ein Thema: «Und diese Heterogenität, auf diese Differenz achten wir eigentlich schon bei der Aufnahme. Ich würde sagen, ich weiss nicht, ob wir hier ‹positive discrimination› praktizieren; ich denke nicht. Aber wir haben immer Freude, wenn eine Person, die vielleicht in die Schweiz mit 10 mit den Eltern gekommen ist, sich hier bewirbt und diese Hürde schafft.» Wenn auch viele und vor allem verschiedene das Wunschbild einer lebendigen und auch erfolgreichen Hochschule komplettieren würden, dann nicht alle: Programmatiken wie «Jeder ist eine Künstler_in» oder «Kunsthochschule für alle» werden nicht einmal mehr nostalgisch zitiert: «Also wir möchten nicht alles für alle machen. Das ist ein Blödsinn! Oder wir möchten auch nicht demografisch irgendwie abgestützt – und sagen, wir müssen». Von der Bildungsexpansion der Massenuniversität grenzen sich die Repräsentant_innen der Kunsthochschule mehrheitlich ab. Ob diese Pluralität bereits erreicht, schon verloren oder erst zu gewinnen sei: Die Einschätzung dazu hängt von der (bildungs-)politischen Positionierung ab, gerade auch zu der Transformation der Kunsthochschule post-Bologna, die gleichzeitig als Öffnung oder Schliessung interpretiert wird (vgl. das Kapitel 4.2.5 Transformationen der Kunsthochschule). Zusammenfassend lässt sich feststellen: Der wie beschrieben oft auch instrumentelle «turn to diversity» spiegelt sich durchaus in der Befragung wieder, die aber insgesamt ein vielschichtigeres Verständnis zeigt und die in dem Konzept von DiverMaking Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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sität (im besten Fall) aufgehobene Forderung nach sozialer Gerechtigkeit noch nicht aufgegeben hat, wenn damit auch primär Chancengerechtigkeit gemeint ist.33 Wie zu zeigen ist, wird die Zuständigkeit dafür allerdings vielfach an übergeordnete oder vorgängige Instanzen, «die Welt da draussen», den Staat, die Gleichstellungsbeauftragten, die exkludierten Gruppen oder (vor allem) die primären und sekundären Schulen delegiert. 4.2.1 Theorien und Soziologien der Ungleichheit a) Reiche Eltern für alle: sozioökonomische Hintergründe Das institutionelle Wissen über die unterschiedliche sozioökonomische Herkunft der Student_innen schwankt zwischen bewusstem Wegschauen oder verharmlosenden Relativierungen und einer ziemlich realistischen Einschätzung der sozialen Lage. Insbesondere bei den Interviews in Zürich und Genf wurden öfter die extrem hohen Lebenskosten, insbesondere für ausländische Student_innen, die bei ihrer Ankunft (noch) über kein soziales Netzwerk verfügen, hingewiesen. Das Elternhaus als wichtigste «Finanzquelle» (vgl. Kap. 4.1.8) spielt für viele Student_innen eine zentrale Rolle. Wie mehrere Professor_innen berichten, scheint die Spannweite dementsprechend gross: «Wir haben viele, die aus einem Elternhaus kommen, das finanziell nicht sehr gut situiert ist, wo die Eltern auf Hartz IV leben, usw. Das wissen wir, weil die hier natürlich extrem kämpfen müssen ums Überleben. Da habe ich das Gefühl, fehlt uns nichts. Da haben wir wirklich von ‹die Eltern finanzieren das Studium› bis hin zu ‹mitternachts noch arbeiten, um dann überhaupt noch ein Existenzminimum zu haben und auf Stipendien angewiesen zu sein›.» In nicht wenigen Fällen wurde betont, dass die Stipendiensituation miserabel sei und dass die Hochschule bis auf einen Studiengebührenerlass oder der Duldung einer verspäteten Bezahlung keine Möglichkeiten habe, auf die Situation einzuwirken. Wie prekär die Situation für die Student_innen im Einzelnen werden kann, soll durch das folgende Beispiel aus Genf illustriert werden: «[P]our vous donner un exemple, on avait une fille albanaise, mais qui a été même, c’était terrible, parce que elle avait une bonne qualité de photographie, elle est venue ici. Elle avait pas d’appartement, les deux premières semaines elle dormait dans la rue et dans la cage d’escaliers, sous les escaliers. Après elle a dormi a l’armée du salut, elle en pouvait plus […].» Erwerbsarbeit ist heute für einen Grossteil der Student_innen eine soziale Realität, was auch von einigen sehr realistisch eingeschätzt wird («Minimalbudget für Zürich ist 2.000 Franken»). Aufgrund dessen wird Student_innen in schwierigen finanziellen Verhältnissen häufig eine Verlängerung des Bachelor-Studiums vorgeschlagen, sofern

33 Kritische Analysen des Bildungssystems haben «Chancengleichheit als Illusion» (Pierre Bourdieu und Jean-Claude Passeron) entlarvt (vgl. Bourdieu, Passerson 1973). Wie von Bourdieu herausgearbeitet wurde, verschleiert die Fiktion von den gleichen Chancen, wie das Bildungssystem zu einer Re-Privilegierung von bereits Privilegierten tendiert, und damit soziale Ungleichheit legitimiert: «Das Prinzip rechtfertigt die Sieger (sie haben ihre Chance genutzt) und es versöhnt die Verlierer (sie hatten die gleiche Chance). […] Mit der Forderung nach Chancengleichheit wird ein sozialstrukturelles Problem in ein scheinbar individuell lösbares Bildungsproblem verwandelt.» (Heid zit. in Heise 2010: 33) Das mit der Chancengleichheit assoziierte meritokratische Prinzip dient als «normative Selbstdefinition moderner Gesellschaften für die Begründung und Legitimation sozialer Ungleichheit» (Solga 2005: 23). «Die Forderung nach Chancengleichheit beinhaltet wohl eine Kritik an bestehenden Ungleichheiten und ihre Durchsetzung garantiert eine nicht zu unterschätzende formale Gleichheit, nach der niemand von vornherein ausgeschlossen werden darf. Gleichzeitig hat Chancengleichheit als Wettbewerbsformel Ungleichheit als Voraussetzung und Ergebnis.» (Lamprecht 1991: 152)

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dies gemäss Studienreglement möglich ist. Einige Studiengänge beharren aber explizit auf einem Vollzeitstudium, welches die Möglichkeiten für den Nebenerwerb dementsprechend erschwert. Als Folge davon lässt sich an den Unterrichtsabsenzen abmessen, für wie viele Leute dies ein Problem darstellt. Nach Auskunft einer Professor_in ist es eine ständige Gratwanderung zwischen Abwesenheiten tolerieren («Augen zudrücken») und dem Beharren auf den zu erbringenden Leistungen. Die ungleichen sozialen Herkünfte der Student_innen werden durch verschiedene Ausweichstrategien verharmlost oder gar explizit begrüsst. Einige betonen, dass sie nur wenig über die soziale Situation der Student_innen wüssten (als bewusste Entscheidung, sich aus persönlichen Angelegenheiten der Student_innen rauszuhalten), was angesichts der Tatsache, dass Studiengangsleitungen befragt wurden, die in intensiverem Kontakt mit den Studierenden sind als reine Dozierende und aufgrund der vergleichsweise kleinen Gruppen in den Studiengängen und Vertiefungen nicht wirklich plausibel erscheint. Dies steht auch im Widerspruch zu Äusserungen wie, man wisse, dass einige Student_innen eine eigene 3-Zimmer Wohnung (in Zürich oder Genf) besässen, was man selbst nicht habe, und immer «ausgeruht und wohlgenährt» von der elterlichen Villa am See zum Unterricht und den Prüfungen erschienen. Eine Professor_in verweist mit Hinblick auf die Arbeitsbedingungen in der Kunst darauf, dass der Notwendigkeitszwang bzw. Pragmatismus der Unterschicht (vgl. Bourdieu 1987: 600ff.) eher förderlich denn schädlich sei und überdies kein Ausschlusskriterium darstelle: «Und uns gefällt eigentlich diese Pragmatik, dass Leute sich dessen auch bewusst sind. Weil das ist für die Zukunft … ich meine, man redet heute viel über professional skills. Das Einfachste ist immer noch: ‹von Kunst lässt es sich nicht leben›. [Ergo] werde ich immer eine Patchwork-Finanzierung haben müssen. Und wer das schon mitbringt, tant mieux.» Die soziale Exklusivität der Kunsthochschulen wird von den Befragten mehrheitlich weniger durch ökonomisches als vielmehr durch kulturelles und soziales Kapital erzeugt beschrieben. Bildungsferne Schichten, welche häufig mit Arbeitsmigrant_innen aus dem südosteuropäischen Raum («Balkan») gleichgesetzt werden, würden bildende Kunst oder Musik äusserst selten als attraktive Arbeitsfelder betrachten. Dies lasse sie schon früh Bildungswege einschlagen, welche nicht an eine Kunsthochschule führten. b) Ein Exkurs zur Musik. Oder: warum das ökonomische Kapital eben doch zählt In der Musik präsentiert sich die Situation zumindest für gewisse Vertiefungen und Instrumentengattungen spezifischer. Insbesondere Streichinstrumente und das Klavier sind sehr teuer: «Also eine Geige, mit der man dann trainieren kann, kostet ab 20.000. Das muss man sagen! Also der Rest ist Schrott, oder? Also darauf kann man nicht auf professionellem Niveau spielen.» Neben den Instrumentenpreisen ist es jedoch vor allem der private Gesangs- oder Instrumentalunterricht, der lange vor dem Eintritt in die Kunsthochschule sehr hohe finanzielle Investitionen bedingt. Dass dies längst nicht von allen sozialen Schichten gleich verkraftet werden kann, stellt für die Befragten eine selbstverständliche, zwar problematische, aber unvermeidliche Voraussetzung dar: «Es ist undenkbar, dass jemand aus einem unteren Lohnniveau ein Kind in der Geige bis zur Starkarriere ausbilden kann. Das ist undenkbar! Oder, die Kantonsschule finanziert jetzt im Kanton […] 22 Minuten Einzelstunden pro Woche. 22 Minuten! Also wenn jetzt jemand auf einem Niveau Geige spielen möchte, dass er hier reinkommt – Das ist lachhaft!» Jährliche Investitionen im fünfstelligen Bereich sowie häufig ein traditionelles «EinErnährer-Familienmodell» (wobei die Frau für das Üben zu Hause und den Transport Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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in die Übungsstunden zuständig ist) scheinen für den Bereich der Klassik sowie für Musik und Bewegung von den Leitungspersonen nicht problematisierte sozioökonomische Charakteristika. Im Bereich Jazz/Pop sowie bei Blasinstrumenten findet sich zwar durchaus ein ähnliches Familienmodell. Jedoch ist die soziale Herkunft hier weniger selektiv: Student_innen im Bereich Blech- und Holzinstrumente kommen häufiger aus einem ländlichen Kontext und haben häufiger eine Lehre mit Berufsmatur gemacht. Im Jazz findet der Zugang eher durch die Unter- und Mittelschicht statt, sehr viel weniger aus der Oberschicht (der Begriff wird hier vor allem bezogen auf kulturelles Kapital: Zur Oberschicht zählen Kinder von Akademiker_innen und Leute aus dem Kulturbereich). Dies wird in einem Gespräch mit dem Status der Gattung Jazz begründet, welche nicht in der «normalgängigen Kultur» etabliert sei. Auch die Frage nach der Frühförderung von sogenannten «Jungstudierenden» wird angesprochen. Solche frühen Förderungen können bereits bestehende Ungleichheiten im Zugang zu Musikhochschulen durch unterschiedlichen Umfang an ökonomischen und kulturellen Kapital noch verstärken, da für die Aufnahme und das Absolvieren von «Talentklassen» zusätzliche Investitionen nötig werden, die wiederum nur durch eine sozial privilegierte Klientel geleistet werden können. c) Bildungsherkünfte Wie die quantitative Erhebung gezeigt hat, wählt die Mehrheit der Kunsthochschulstudent_innen nach wie vor den klassischen Gang über das Gymnasium, wobei dort vor allem das gestalterische und musikalische Profil dominieren. Für den Bereich der bildenden sowie der darstellenden Künste werden die Verhältnisse auf jeweils 50%– 65% Gymnasium (inklusive Fachmittelschule), 30%–40% Berufsmatur und 5% andere Zugangswege (inklusive sur dossier Aufnahmen) geschätzt. Für einzelne, stärker handwerklich orientierte Studiengänge (etwa Restaurierung/Konservierung) dagegen werden genau inverse Proportionen angenommen. In den Studiengängen der Musik besuchte der überwiegende Teil der Student_innen ein musisches Gymnasium: «Also ich sehe hier die musikalische Welt der Mittelschulen, die uns eigentlich ein vielseitiges Nachwuchskader bringt, oder?» Im Zusammenhang mit der Bologna-Reform wird öfter darauf hingewiesen, dass sich dieses (Ungleich-)Verhältnis noch mehr in Richtung Gymnasium verlagere. Dabei wird zum Teil despektierlich über Absolvent_innen von Gymnasien gesprochen: Diese seien teilweise «furchtbar langweilig» und sehr naiv, was ihre Vorstellungen der späteren Berufswelt anbelangt. Da sie oft keinen Schritt aus der Schule hinaus gemacht hätten, treten sie «ohne Lebenserfahrung» an die Kunsthochschulen heran (vgl. auch das Kap. 4.2.5.b «Homogenisierung und Pasteurisierung»). Bedauert wird dagegen das «Fehlen von Schreinern und Hochbauzeichnern» (das Maskulinum wird hier bewusst verwendet), von «eckigen und kantigen Leuten», welche diejenige Praxiserfahrung mitbrächten, die den Gymnasiast_innen so häufig fehle, sowie der Umstand, dass Quereinsteiger_innen seltener geworden seien. Dieser «Präferenz für Praktiker» steht eine nicht minder ablehnende Haltung einiger Professor_innen hinsichtlich Personen mit einer Berufslehre oder aus ländlichen Kontexten (was nicht selten synonym verwendet wird) gegenüber. Dies seien «bodenständige Leute», zwar nicht dumm, aber halt doch keine «Kunst-Macher», weshalb ihnen ihre «klaren Berufsvorstellungen» zum Vorwurf gemacht werden: «Also, du kannst niemandem ein Berufsding versprechen. Das ist nicht so. Und bei der Kunst ist es sowieso klar: Es gibt kein Versprechen auf eine – Das ist keine Ausbildung! Das sind Bildungsveranstaltungen im klassischen Sinne […].» Kritisiert wird die schlechter werdende schulische Grundausbildung im Bereich der visuellen und gestalterischen Kunst wie auch für die Musik, und zwar auf allen Ebenen. Erfolgt bei schlechtem Kunstunterricht auf der Stufe der Volksschule keine Förderung Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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im Elternhaus, dann verlieren die Kinder rasch das Interesse an Kunst oder Gestaltung: «[…] dann ist das nur Mist!» Durch vorzeitige Selektionsprozesse auf der Stufe der Sekundarschulen entstünden in den als nicht zentral erachteten Fächern wie Musik oder bildnerisches Gestalten «Getto-Betriebe», die nur von «Vollprofis» gemanagt werden könnten. Gerade sogenannte «bildungsferne» Schichten (etwa die bereits angesprochenen «Gastarbeiter_innen aus dem Balkan») würden oft deshalb keine schulischen Karrieren einschlagen. Diese seien nach wie vor dem «gehobenen Mittelstand» vorbehalten. Nicht zuletzt wird auch immer wieder auf das Gymnasium verwiesen, welches bereits im Vorlauf zur Kunsthochschule eine soziale Selektion vornehme: «Ich meine, wer in die Kantonsschule kommt, ist natürlich schon bei diesen besser Betuchten. Da müssen wir uns nichts vormachen! Also es gibt Ausnahmen, aber in der Regel sind das die etablierteren sozialen Schichten.» Egal, ob die Selektion bereits in der Primarschule oder erst auf der Sekundarstufe und im Gymnasium erfolgt: Bei der Verantwortung für die homogene Zusammensetzung von Kunsthochschulstudent_innen wird auf frühere Instanzen verwiesen, welche die eigenen Selektionsprozesse relativieren. Diese werden lediglich als letztes Glied in einer langen Kette von Selektionsprozessen präsentiert, für welche sich niemand verantwortlich fühlt. Diese Haltung scheint nicht zuletzt durch die offizielle Zulassungspolitik der einzelnen Hochschulen gestützt zu werden, welche die Möglichkeit des Zugangs auch ohne formelle Voraussetzungen (Aufnahme sur dossier) zurückhaltend kommuniziert und einzelne Studiengänge offenbar in die Schranken weist, sollten sie von dieser Politik abweichen: «Wir haben am Infotag gesagt: ‹Hört mal, Vorbildung ist das eine, aber wenn ihr wirklich gut seid, kommt einfach! Egal, kommt einfach, und wir schauen euer Portfolio an, und wenn ihr gut seid, finden wir irgendeinen Weg! Also lasst euch nicht von irgendwelchen Konditionen abschrecken!› Also, wir haben dann Prügel gekriegt, weil wir das so explizit gesagt haben.» d) Habituelle Theorien: soziales und kulturelles Kapital Stärker als dem ökonomischen Kapital wird dem sozialen und vor allem dem kulturellen Kapital der Student_innen von den Professor_innen eine hohe Bedeutung zugemessen: Von mehreren Antwortenden wird betont, dass die Student_innen aus sehr gebildeten (hohes Bildungskapital der Eltern), kunst- und musikaffinen Kontexten kommen: «Also sie sind mit Büchern, mit Literatur aufgewachsen und hockten nicht die ganze Zeit nur vor der Glotze. […] Also, man sieht, dieser Werdegang sieht ganz anders aus.» Dieses «Aufwachsen mit Kultur» bestimmt nicht zuletzt mit, ob ein bestimmter, späterer Werdegang als «etwas Seriöses» taxiert wird oder nicht. Eine Professor_in machte diese Erfahrung selbst in der eigenen Bildungs- und Berufsbiografie: Ihr/ihm wurde ein Architekturstudium an der ETH anstelle eines Eintritts in eine Kunsthochschule auferlegt. Solche «Werkeinstellungen» zu Hause würden Studiumsund Berufswahl vieler junger Leute massiv determinieren. Angenommen wird dabei, dass je höher das Bildungs- sowie kulturelle Kapital der Eltern, desto «freier» sind die Jugendlichen oder jungen Erwachsenen in ihren Entscheidungen, weshalb diese auch häufiger an Kunsthochschulen anzutreffen sind. Ob tatsächlich eine grössere Freiheit besteht, wäre zumindest anzuzweifeln; oder anders gesagt: Wie würden die Reaktionen ausfallen, wenn sich die Tochter einer Professorin für eine Berufslehre als Maurerin oder der Sohn eines Arztes für die Ausbildung zum Kindergartenerzieher interessieren würde? Wahrscheinlicher scheint dabei eine Übertragung und damit Reproduktion von Verhaltensweisen, Mustern sowie Erzeugungs- und Ordnungsgrundlagen sozialer Praktiken und Vorstellungen, kurz: von dem, was der Soziologe Pierre Bourdieu «Habitus» nennt (vgl. Bourdieu 1987: 279). Dieser wird nicht einfach durch Sozialisation übertragen, sondern in Auseinandersetzung mit anderen Individuen und der sozialen Welt als soziale Praxis hergestellt. Infolgedessen ist nicht davon auszugehen, dass sich Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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bestimmte soziale Gruppen nicht von Kunsthochschulen «angesprochen fühlen», wie dies eine Professor_in ausdrückte, sondern dass sie die Kunsthochschule gar nicht wahrnehmen. Muss eine Auswahl zwischen einer Berufslehre x und y bzw. zwischen einem Studium y und z gefällt werden, so kommt für viele ein Studium an einer Kunsthochschule nicht in Betracht. Die durch den Habitus vermittelten Einstellungen und Entscheidungsgrundlagen schränken das Feld des Möglichen/der Möglichkeiten so stark ein, dass viele Optionen gar nicht bedacht werden (müssen), während die letztlich getroffene Entscheidung als quasi «natürliche» Wahl präsentiert werden kann. Kulturell erworbenes Wissen schlägt sich gemäss der Habitustheorie auch in den Körpern der Student_innen nieder. Wie eine Professor_in denn auch feststellt, zeige sich die soziale Exklusivität eher durch latent bildungsbürgerliche Ansprüche wie Verbalisierung, Umgangsformen oder kulturelles Wissen, während eine Herkunft aus «bildungsferneren» Milieus eine spätere Tätigkeit im Kulturbereich erschweren würde. Eine ähnliche Trennlinie scheint sich auch zwischen einer Herkunft aus städtisch-urbanen und ländlichen Räumen zu vollziehen, zwischen denen kulturelles Kapital ebenfalls nicht gleich verteilt scheint (allein schon aufgrund der Distanz zu und der Häufigkeit von Kulturinstitutionen): «Im [Kanton…], wo ich wohne, machen die Leute eher eine Lehre als an die Hochschule zu gehen. Das heisst nicht, dass sie dumm sind, oder? Das ist so Kultur […] Und da kommen diese beruflichen Sachen: ‹Nein, ich möchte dann› – Das ist eine Art Lebensvorstellung, die dann kommt. Man sagt: ‹Ich möchte das anders machen!›, weil es nicht so sehr das Profil der Kunst-Macher ist. Das sind bodenständige Leute, die einen Beruf lernen wollen.» Im Rahmen des Aufnahmeverfahrens werden in vielen Studiengängen Fragen zu musikalischen, literarischen oder künstlerischen Präferenzen gestellt, wodurch sich häufig eine grosse Spannbreite («ein riesiges Gefälle») zwischen den einzelnen Antworten ergibt. Eine Professor_in spricht dann auch die ungleiche Verfügbarkeit von kulturellem Kapital bewusst an: «Das gibt dann lustige Situationen, wo wir da zum vierten Mal dasselbe Bild sehen, weil das, wenn du googelst, ist es das Erste, was kommt. Und das, ja, andere, die schleppen dann Bücher an und da sieht man schon sehr viel. Aber auch da wieder, also das darf nicht zum Killerkriterium werden. Weil es gibt solche, die haben dann ihren Patenonkel, der ist irgendwie Kunsthistoriker und der hat eine riesige Bibliothek und das bringen sie mit.» Während sich die Mehrheit der Befragten (explizit oder implizit) dieser Aussage anschliesst, gibt es einzelne, die sich offen über das mangelnde Wissen von Student_innen in Bezug auf kulturelle Referenzen ärgern («Manchmal greife ich mir an den Kopf, dass sie so wenig kennen.» «Das ist jetzt nicht mehr Hesse, das ist jetzt Max Frisch, aber sonst ist es Katastrophe.») Trotzdem wird von der Mehrheit die Bedeutung der Frage nach kulturellen Präferenzen und Kenntnissen als sekundär betrachtet und nur eine Person gibt an, dass dies für die Selektionsentscheidungen relevant sei: «Das sind bei uns auch Kriterien, um zu entscheiden, nehmen wir jemanden oder nicht.» Eingedenk der Tatsache, dass sich kulturelles Kapital über den Habitus auch in Umgangsformen vermittelt und in sprachlichen Äusserungen oder der Körperhaltung niederschlägt, dürfte diese Aussage unausgesprochen für viele weitere Interview- und Aufnahmesituationen zutreffen. Als Beispiel sei die Ablehnung eines jungen Maturanden genannt, der der befragten Person nicht zuletzt aufgrund seiner Umgangsformen negativ aufgefallen war:

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«[Z]um Beispiel gerade dieses Jahr ein aktueller junger Mann: So ein sympathischer, von sich eingenommener, spätpubertärer Maturand, oder? Und dieser konnte sich sauglatt bewegen und so, oder? Es war lustig, aber er war so von sich eingenommen, dass er im sozialen Kontakt nichts machte, oder? Theatralisch konnte er nichts machen. Er konnte einfach den Breakdance in der Bewegung. Auch Rhythmus und Bewegung fiel ihm sehr schwer, was mich noch überraschte: Ich dachte, dort könne er etwas machen. Und in der Musik war er einfach so von sich eingenommen; er hat einfach eine Rockballade zelebriert, und alles andere ging dann nicht mehr. Und das hat keine Chance, oder?» Obwohl zwar auch seine fachlichen Qualitäten bemängelt werden, wird dreimal darauf hingewiesen, wie eingenommen der junge Mann von sich gewesen sei. Die Kritik richtet sich folglich längst nicht mehr nur auf seine künstlerischen Fähigkeiten, sondern auch auf seine Umgangsformen und Verhaltensweisen. Von aussen betrachtet, ist es sinngemäss schwierig zu beurteilen, welchen Anteil die nicht-künstlerischen Mängel am Ablehnungsentscheid hatten. Forschungen im Rahmen des Interventionsprojekts Widening Participation in Grossbritannien haben jedoch gezeigt, dass die Bedeutung legitimen kulturellen Kapitals, der richtigen kulturellen Präferenzen und Umgangsformen, insbesondere bei knappen Entscheidungen eine ausschlaggebende Rolle spielt (vgl. Burke, McManus 2009). Aufgrund der oben zitierten und anderen in den Interviews gemachten Äusserungen ist davon auszugehen, dass sich die Situation an schweizerischen Kunsthochschulen durchaus ähnlich präsentiert. 4.2.3 Theorien des Ausschlusses a) Fachspezifische Logiken Trotz der Tendenz zur Delegierung der Ausschlüsse an vorgeordnete Instanzen oder Institutionen und externe Akteure gibt die Erhebung auch Auskunft über institutionelle, also innen produzierte. Die als Expert_innen zu Inklusion und Exklusion in der Kunsthochschule befragten Studiengangsleiter_innen formulieren ein breites Spektrum an impliziten Theorien, die diese Strukturen und Prozesse reflektieren, mitunter legitimieren. (Zum Konzept der impliziten Theorie vgl. das Kapitel zum Forschungsdesign.) Die Befragung zeigt deutlich, dass es prägnante disziplinen- und fachspezifische Praktiken und Logiken des Ein- und Ausschlusses gibt. Dabei finden sich explizite Ausschlusskriterien, die mitunter nur für einzelne Studiengänge oder Fachrichtungen relevant und dann auch in den jeweiligen Zulassungsbedingungen ausformuliert sind. Es handelt sich dabei um gleichsam transparente Ausschlüsse, mitunter auch Formen legaler Diskriminierung, die meistens bereits zu einer Selektion in oder vor den Aufnahmeverfahren führen. Beispielhaft zu nennen wären hier die spezifischen Alterslimits im Bereich der Theaterausbildungen, vor allem im Schauspiel, die mit den Limitationen am Arbeitsmarkt korrespondieren, diese aber auszudehnen versuchen: «Und durch die Einschränkung vom Alter ist da natürlich der Range auch irgendwo begrenzt. Im Schauspiel hat man mit 24 die letzte Chance, sich [zu bewerben]. […] Um überhaupt in den regulären Arbeitsmarkt einsteigen zu können, sind wir da schon die Hochschule, die das am weitesten oben hat. Wir versuchen da immer so ein bisschen Dehnung herzustellen, aber auch gleichzeitig, ich sage mal, konkurrenzfähig und vergleichbar zu bleiben, auch mit der Qualität und mit dem, was dann sozusagen sich auf dem Arbeitsmarkt bewirbt. Das ist anders in den Vertiefungen Dramaturgie, Theaterpädagogik, Szenografie und Regie, da ist die Altersspanne bis gut dreissig»; auch zu nennen wären die hohen Praxisanforderungen etwa im Bereich der Konservierung oder Design oder im Film, die Lehrabsolvent_innen tendenziell privilegieren oder die, die sich ein Jahr zumeist unbezahlte Praktika leisten können: Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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«Eine Auflage an die Kunsthochschule, die wir jetzt im Fachbereich auch sehr ernst nehmen, ist ja eigentlich das sogenannte Praxisjahr. Und da ist uns einfach auch wichtig, dass wir nicht nur Studenten bekommen, die einfach einen schulischen Durchlauf haben: O.k., Grundschule, Matura und dann direkt in unser Studium – sondern was man dann sagt: O.k., wenn jemand jetzt nur diesen Weg bis zur Matura hat, muss er wirklich diese Praxis nachweisen. Nicht so eingeengt in einen rein filmischen Bereich; also das wäre das Arbeiten in einem Filmverleih, in einem Kino, in einem grafischen Betrieb usw. Das wäre alles auch als Möglichkeit da. Aber es ist ganz wichtig, dass einfach auch ein Praxisbezug zur Arbeitswelt da ist. Denn da haben wir schon die Erfahrung gemacht, dass diese Leute einfach auch anders mit einem Studium, das doch zu mehr als der Hälfte auch eine Praxisausbildung ist, umgehen.» Ein Beispiel wären auch die Sprachanforderungen, die etwa in den literarischen oder theatralen Bereichen expliziter sind: «Wir bilden für die deutschsprachigen Bühnen aus. Es muss also auch eine Sprachkompetenz vorhanden sein.» Interessanterweise zeigt sich gerade in den Reflexionen zur Sprache in diesen Fachbereichen, dass ein scheinbarer Sachzwang wie hohe Literarizität in der Mehrheitssprache, mit dem sich eine Schliessung gegenüber nichtmehrheitssprachlichen Migrant_innen legitimieren liesse, gerade auch zum Ausgangspunkt für eine programmatische Öffnung werden kann, nämlich, wenn Sprache nicht als Barriere instrumentalisiert, sondern als Instrument reflektiert wird: «Also ist Sprache wirklich ein Motiv, ein Thema und dann auch die Muttersprache der Studierenden. Und das kann Italienisch sein, das kann Serbokroatisch sein, das kann also Englisch oder es kann Deutsch sein, aber früher gab es diese andere Sprache, also ist es irgendwie ein Thema. Und diese Heterogenität, auf diese Differenz achten wir eigentlich schon bei der Aufnahme.» Oder wenn Positionen des postmigrantischen Theaters einen Raum bekommen, die die fraglose Hegemonie des Bühnen-Deutschen in Frage stellen. Diese offiziellen Barrieren werden, das macht die Erhebung klar, zumindest laufend verhandelt und sind, dazu werden auch einige Beispiele geliefert, verschiebbar, wenn eine grössere Durchlässigkeit erreicht werden soll. b) Exklusive Kunstkonzepte und normativer Kanon Ein erwartbares, aber wichtiges Ergebnis der Vorstudie ist, dass es inoffizielle ein- und ausschliessende Konzepte gibt, die am augenfälligsten einen Effekt bei der Selektion von Studierenden haben, aber auch weit darüber hinaus. Diese bewirken, so die Annahme, eine umso stärkere Schliessung, da sie ungeschrieben und unausgesprochen und damit kaum angreifbar und verhandelbar sind. Es sind unsichtbare Spielregeln, die nur Insider kennen, also jene (ob tatsächlich schon drinnen oder noch draussen) die habituell über das richtige Wissen verfügen. Über diese Konzepte gibt es kein institutionelles Einverständnis, sie sind jedoch, das ergibt die Befragung, auch nicht nur individuell. Die im Kapitel zu habituellen Theorien oben dargestellte Logik des kulturellen Kapitals bekommt, wie die Befragung überaus deutlich macht, an der Kunsthochschule eine spezifische Wendung. Gerade entlang der Leitdifferenz des Kunstfelds von echter und falscher Kunst, von Kunst und Folklore entfalten sich Konzepte einer legitimen Kunst, die massive Ausschlüsse all jener potenziellen Kandidat_innen produziert, denen ein anderes, gewissermassen zweitklassiges Kunstverständnis zugeschrieben wird. Dass die für das Feld der Kultur und Kunst typischen und durch dieses Feld selbst produzierten Distinktionssmechanismen, die den richtigen vom falschen Geschmack trennen und den «angemessenen Code» (Bourdieu 1987: 19) festlegen, auch an der Kunsthochschule wirksam sind, ist wenig erstaunlich. Aus unserer Sicht unerwarteter ist, dass die DeleMaking Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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gitimierung von (Kunst-)Kenntnissen in der Befragung eine deutliche Artikulation und auch eine solche Adressierung erfährt, weg von der Arbeiterklasse («gibt es das überhaupt noch», wird an einer Stelle gefragt), hin zu Migrant_innen und auch (noch) zu den in die urbanen Zentren migrierenden Studierenden «vom Land»: «Ich glaube, die soziale Zugehörigkeit ist ganz entscheidend, obwohl es in diesen sozialen Umfeldern oft einen ganz starken kulturellen Betrieb hat. Und dort spielt man vielleicht eher in einer Volkstanzgruppe, also ich denke jetzt wieder an die Kurden, ich denke an die Italiener. […] Und diese haben natürlich alle ihre kulturellen Umfelder. Also die Kinder singen, die Kinder spielen vielleicht ein Schlaginstrument. Vielleicht dürfen sie auch einmal ein Volkslied auf einem Keyboard spielen. Aber das ist natürlich dann nicht die Musikausbildung, die hierhin führt, oder? Sondern das ist ihr kultureller Kreis, aber das ist o.k. Das ist eine Musikausbildung, aber sie führt in aller Regel nicht hierhin. Die Ausnahmen bestätigen wiederum die Regel.» Diese Gruppen bringen ein als defizitär betrachtetes kulturelles Kapital mit, das nicht «hierhin führt», ihnen den Eintritt in die Kunsthochschule von vornherein unmöglich macht oder ihren Erfolg darin unwägbar oder unwahrscheinlich macht, «als vorweg Geschlagene, wie die unveränderten Abstände bezeugen, implizit durch ihre blosse Teilnahme am Rennen die Legitimität der Ziele der von ihnen Verfolgten anerkennen.» (Bourdieu 1987: 273) Studierende aus dem «Blechbereich» etwa seien «intelligent und alles, aber sie kommen vielleicht aus Uri oder irgendwo aus der Innerschweiz [haben] Blasmusik gespielt, sind dann irgendwann zur Sinfonik gekommen, hatten eine Begabung und hatten eigentlich so die Wahl, entweder Schreiner oder Musiker zu werden, auf eine Art. Also eine ganz andere – Nicht dass sie blöd sind! Es ist einfach –.» Deutlich wird – gerade auch im Ungesagten – eine nicht explizite Normierung, die mit Vorstellungen von richtiger Kunst und den richtigen Studierenden einhergehen dürfte. Am häufigsten erfolgt die Klassifizierung anhand der Distinktion von Kunst und Folklore, hinter der immer auch eine wertende Trennung von autonomer und angewandter Kunst lauert, die in dem merkbaren Trend zum De-Skilling, zur Entwertung praktischer, manueller, handwerklicher Fähigkeiten innerhalb der Kunsthochschule (mehr im Kapitel 4.2.5 Transformationen der Kunsthochschule) auch stärker werden könnte. Die gerade für die Epoche der Arbeiten Bourdieus sehr bedeutsame Opposition von U und E, von populärer und klassischer Kunst,34 hat für die hier beschriebenen Distinktions- und Ausschlussmechanismen insgesamt weniger Bedeutung, in den musikalischen Fachbereichen scheint sie ihre klassifizierende Kraft aber noch nicht verloren zu haben. Popkultur hat durchaus ihren legitimen Ort an der Kunsthochschule, allerdings – so die Annahme – nur bei richtiger habitueller Disposition: «Mir ist es egal, ob jemand jetzt Trashfilme anschaut oder Arte, Arthauskino schaut, ist mir eigentlich egal, ich muss einfach spüren, was der Mensch, es ist auch nicht ein Kriterium, ist überhaupt kein Kriterium, es ist auch kein Kriterium, wenn er in der Mittelschulzeit das Lesen, da muss man einfach sagen, mach jetzt mal ein Break und versuche wieder etwas Schlaues zu lesen. Nein, aber es geht dann nicht um die Bewertung, da geht es dann schon um wie kann sich jemand ausdrücken.» Eine sehr klare Trennlinie dagegen wird in vielen Gesprächen entlang geopolitischer Linien gezogen, zwischen Kunst aus dem Westen und dem Rest,35 einer westlichen, europäischen, urbanen Moderne und einer ethnisierten und folklorisierten World Art (die feine Differenz zu der am westlichen Modell orientierten erfolgreichen Global Art wäre im Detail zu beschreiben). 34 Zur Aktualität von Bourdieus Kapitaltheorien und Popkultur vgl. Rössel, Bromberger 2009. 35 Die Formulierung bezieht sich auf Stewart Halls Text The West and the Rest, 1992.

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Am Lehrplan der Kunsthochschule steht für nicht wenige der Befragten ausschliesslich okzidentale Kunst oder explizit «Kunst des Abendlandes», eine ideologische Konstruktion, die aber an einer Stelle (siehe etwas weiter unten) auch ironisiert wird. An vielen Stellen jedoch wird mit aller Deutlichkeit ein dominanter Kanon propagiert, der exkludierende, aber vor allem regulierende und disziplinierende Effekte hat: Kulturell und künstlerisch – so die Projektion – anders sozialisierte Studierende, die dennoch die Barriere zur Kunsthochschule übersprungen haben, müssen sich ihren traditionellen Geschmack, ihre Kenntnis abtrainieren, ohne den Abstand (nach Bourdieu: «Reproduktion der Abstände, Grundlage des Wettlaufs», Bourdieu 1987: 390) aufholen zu können: «Es kommt drauf an, wir nehmen solche Leute schon auch teilweise auf. Also wir haben jetzt ’nen Südamerikaner, der bei uns studiert, und bei dem wussten von Anfang an, dass es relativ eng werden wird, und wir machen die Leute darauf aufmerksam und sagen ihr könnt die Tradition tun, aber ihr müsst euch andere Dinge um die Ohren schlagen lassen, diese Bereitschaft muss sein, auch wenn ihr’s zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht kennt. Und da, die sind dann auch teilweise auch wirklich fast ausbildungsresistent. Die folgen fünf Jahre dieser Linie und alles was daneben ist, ist mit Klagen verbunden, und das ist, das kann man tun, aber wir verlangen von den Leuten natürlich schon auch anderes, über alle Widerstände hinweg.» Eine Auseinandersetzung mit der Kolonialität dieser impliziten Konzepte und Kanons, die im Kunstfeld schon länger begonnen hat (vgl. Global Studies 2011, World Art Studies 2008, Elkins 2007, Changing States 2004, Summers 2003) wäre für die Kunsthochschule systematisch erst zu leisten – aus unserer Sicht dringend und fruchtbringend für das ganze Feld, nicht nur für die dadurch Ausgeschlossenen. Diese in den Interviews zwar offen ausgesprochene, aber institutionell und offiziell unsichtbare Normierung, die in der Musik besonders stark ausgeprägt ist,36 wird als Grund angeführt für die Schwierigkeit, «Migranten abzuholen»:37 «Nein, wir haben eine abendländische Musikkultur mit all ihren sprachlichen Mitteln und all ihren Bestandteilen. Und die türkische Musikkultur ist eine arabische Musikkultur, die sowohl, was alle Instrumente, als auch Ausbildung und so, das funktioniert ganz anders. […] Das ist schon mal etwas ganz anderes. Das geht, das funktioniert, es ist extrem schwierig, also sehr komplex. Und ich, von dort her denke ich, wenn wir quasi jetzt Migranten abholen würden, müssten es eher Migranten sein, die eben aus einer abendländischen Musikkultur kommen. Also und dort, also ja, und das ist nicht so wahnsinnig viel. Das ist eben, wie gesagt schon im ehemalig jugoslawischen Raum bewegen sich zwei, die beiden Kulturen, sehr aneinander vorbei. Und die Leute, die wir, also, jetzt dort holen, das sind vor allem Streicher, also, die aus so einer Volksmusiktradition mit der Geige kommen und Akkordeonspieler, die unglaublich virtuos Akkordeon spielen können, ihre Volksmusik, und dann das weiterentwickeln auch. Aber, Pianisten kommen wenige, die kommen dann eher aus eben, Ukraine, Polen, das sind aber bereits wieder abendländische Kulturen. Also, es ist nicht ganz, das ist nicht ganz einfach, das ist, wir sind einfach sprachlich sehr eng, unsere Kultur. Dann ist wieder, Asien liegt uns näher gewissermassen, weil dort gibt’s diese Schicht, die die abendländische Kultur, abendländische Musik pflegt.»

36 Eine kritische Analyse dieser Normierungen, die auch den fachspezifischen Ausprägungen gerecht wird, müsste weiterführend selbstverständlich auch die jeweiligen fachlichen Expertisen beinhalten, die, im Bereich der Musik, die Verfasser_innen der Vorstudie nicht mitbringen. 37 Das Institute for Art Education und andere Repräsentant_innen einer kritischen Kunstvermittlung distanzieren sich mit guten Argumenten seit langem gegen diese Figur des Abholens oder gegen das Konzept des Outreach, das die Hegemonialität der dadurch erst zentralisierten Institutionen letztlich verstärkt statt vermindert (vgl. Sagan, Candela, Frimodig 2010).

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Diese prägnante Schliessung gegenüber dem Rest der Welt steht – jedenfalls in der bildenden Kunst – nicht unbedingt im Widerspruch zur Öffnung gegenüber Global Art, sofern darunter die Globalisierung eines westlichen Kunstkonzepts verstanden wird, mit dem sich die sogenannten internationalen Studierenden (mehr im Kapitel 4.2.7 Internationale Wanderer), die immer als bildungsnah vorgestellt werden, im Gegensatz zu den Migrant_innen identifizieren. Diesen Haltungen steht die in unseren Gesprächen singuläre Position gegenüber, den Kanon «aufzubrechen»: «Als ich meine, es würde vielleicht so ein bisschen diese Fallen knacken, also das Immer-Gleiche, das Etablierte und so. Also, wenn wir mit Disziplinen Probleme haben und ein bisschen stecken bleiben, weil sie halt immer noch an dieser Kunsti-Tradition hängen – Es würde vielleicht helfen, das aufzubrechen, weil man plötzlich Ägypter und Türken und was weiss ich was in der Klasse hat. Und die haben völlig einen anderen Background und setzten Sachen anders zusammen. Das könnte für uns ein Vorteil sein, weil wir die Schule ja nicht nur aus uns heraus entwickeln, sondern auch durch die Arbeiten der Studierenden: ‹Schau mal, das machen wir!›, aber eigentlich sind die Studenten massgeblich an neuen Produkten beteiligt.» Dass das Aufbrechen der kanonisierten «Kunsti-Tradition» an die Migrant_innen delegiert wird, deren imaginierter «anderer Background» für eine notwendige Verunsicherung sorgen soll, bleibt der Logik des Othering verhaftet – eine Logik, die letztlich «das immer-Gleiche, das Etablierte», die dominante Norm festigt. Ein Kommentar einer Bachelor-Leiter_in weist auf beginnende aktuelle Aushandlungsprozesse zwischen den Lehrenden zu diesen Konzepten hin, die angesichts der Ungleichzeitigkeiten verschiedener Traditionen innerhalb der Institutionen (siehe 4.2.5 Transformationen der Kunsthochschule) eine besondere Komplexität gewinnen: «Aber, ob das die Frage nach der kulturellen Norm, auf der wir dann diskutieren resp. ausschliessen, einschliessen, aufnehmen, nicht aufnehmen, das ist natürlich in keinster Weise gelöst. Das betrifft alle Schulen. In Zukunft auf jeden Fall. Ich halte das auch für eine der spannendsten Fragen, wo es dann wirklich sehr inhaltlich wird. Können wir mit unseren Vorstellungen, die durch das westliche, europäisch-amerikanische Kunstsystem geprägt sind, tatsächlich diesen Kulturdialog über Europa hinaus führen, können wir ihn schon innerhalb Europas wirklich führen?» Tatsächlich wird es bei der Analyse dieser symbolischen Auseinandersetzungen, wie es heisst, «sehr inhaltlich», stehen hegemoniale Konzepte im Kern der Institution zur Disposition: «There are territorial boundaries at risk, issues around access to resources, threatened identities, and practitioners positioned variously along an extended continuum of political awareness and belief» (Inclusive Practices 2011: 91). Dass diese Verwerfungen in der Befragung deutlich zutage treten, kann auch als Zeichen dafür gelesen werden, dass die Hegemonialität aktuell brüchig wird, wie ein Kommentar beschreibt: «Wir haben da auch heftige Auseinandersetzungen, weil die Haltungen im Umgang damit sehr unterschiedlich sind. Also, ganz grob kann man das pointieren, dass es eine Meinung gibt, die sagt, was können wir anderes tun, als hier quasi dieses christlich-abendländische [lacht] Kunstverständnis so ernsthaft und so differenziert wie möglich zeigen, ins Gespräch bringen, weitertreiben, ohne in einem aggressiven Sinn andere auszuschliessen, aber wir verfügen schlicht nicht über das Wissen. Und die andere Haltung ist dann die, ja, das ist wohl ein bisschen einfach, dann verschafft euch das Wissen, holt euch die Leute, die es wisMaking Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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sen, wenn ihr es selber nicht wisst und dann führt diesen Dialog mit in jeden Kurs, in jede Diskussion ein. Aber die Gefahr bei dieser zweiten Haltung, die ich eigentlich persönlich teile, ist dann eher die, dass es halt schon verdammt dilettantisch wird, dass dann alle diese in schlechtem internationalen englisch vorgetragene […] Kunst, wo alle aus allen Winkeln der Welt diese Vielfliegerpositionen zusammentragen und dann inhaltlich auch nicht wirklich was beitragen können.» Dass es mittlerweile vielleicht um mehr als die Erweiterung eines Kanons und faire und proportionale Repräsentation geht, wenn eine Öffnung gegenüber minorisierten Adressat_innen von Kunst (oder auch Kunsthochschule) erreicht werden soll, stellt aktuell die Studie des Projekts Tate Encounters zur Diskussion. Die Forschung «revealed the limit and evident frustration of a conception of cultural politics based upon representation. In this highly established model culture is seen to be made up of identifiable, settled communities, formed along class and ethnic lines, of different sizes, shapes, interests and outlooks, which through cultural diversity policy can be recognized and acknowledged, proportionally, by representations and representatives within cultural institutions. In contrast, our research suggests that culture travels along new lines of force, extending beyond the existing institutional boundaries of which the defining feature is that of mobility and transition, involving the spatial, material and virtual. In this view of culture, the challenge is no longer that of achieving fair and proportional systems of representation, but of mapping a new sense of a public realm and acknowledging new kinds of connectedness.» (Dewdney, Dibosa, Walsh 2010: 88) Eine solche Neuformulierung und Neuorganisation von Wissensproduktion, würde tatsächlich zu einer grundlegenden Transformation der Kunsthochschule führen, die die ironisch angesprochenen «Vielfliegerpositionen» in Frage stellen würde. Resümierend lässt sich sagen, dass in dem beschriebenen Diskurs eine Tendenz zur Selbst-Reproduktion sichtbar wird, zur Reproduktion eines normativen Kunstkonzepts und -kanons, die eine Tendenz zur Reproduktion von sozialen und auch kolonialen Verhältnissen zur Folge hat. Darin wird auch erkennbar, dass die Ein- und Ausschlüsse auch aus dem konzeptuellen Kern der Kunsthochschule selbst kommen können, dass es neben bedeutsamen und von vielen Befragten auch sehr konzise beschriebenen primären und sekundären Herkunftseffekten u.a. auch spezifische «Kunsthochschuleffekte» gibt, die eine Schliessung produzieren. Um diese zu verstehen und gegebenenfalls zu verändern, wäre aus unserer Sicht besonders an diesem für die Kunsthochschule Punkt weiter nachzufragen und zu forschen, «how discourses and their practices, language and assumptions validate some and relegate others to silos, and maintain a polarity wherein ‹high› arts continue on their high and others are left othered.» (Burke, McManus 2009: 93) 4.2.4 Gatekeeping und Social Cloning: Logiken und Praktiken der Selektion a) Selektivität Die kompakte Narration eines Befragten zu 50 Jahren Kunsthochschule ausgehend von Beuys anarchistischer Verweigerung der Auswahl von Studierenden über die «extrem elitären» Meisterklassen mit «fünf Studenten» endet mit dem Triumph der Bildungsbehörde: «Joseph Beuys wurde in Düsseldorf als Professor entlassen, weil er einfach sagte: ‹Ich mache keine Auswahl mehr!› In einem Semester hat er einmal irgendwie 120 Studenten aufgenommen und ist mit der ganzen Bande durch die Hochschule marschiert. Er hat quasi das Agreement, dass jeder Dozent oder Professor halt nur so viel aufnimmt, wie die Infrastruktur tragen kann, gebrochen. Und das natürlich aus gutem Grund, weil er die Position hatte: ‹Was soll diese elitäre Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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Kacke? Ich bin nicht derjenige, der auswählen muss. Am Schluss setzt sich derjenige eh als Künstler durch oder nicht!› Also, das ist eine falsche Haltung. […] Jetzt muss man natürlich sagen, dass die gesellschaftliche Situation halt eine völlig andere ist. Also es ist nicht mehr – Das Elitedenken, das es vielleicht noch vor ein paar Jahrzehnten gab, dass da irgendwie ein Meister an dieser Schule ist – Das war auch an dieser Schule so, als man ganz grosse Namen hatte, die dann fünf Studenten betreuten. Also in der Fotoklasse waren teilweise insgesamt zehn Studenten in fünf Jahrgänge verteilt. Und das war natürlich auf eine Art extrem elitär. Das andere wäre dann so ein extrem breites Angebot, sagen wir, und jetzt ist dazwischen halt diese Struktur, wo man so Vorgaben von den Bildungsbehörden hat. Also, wir dürfen nicht mehr als sechzehn aufnehmen. Das wurde in einem Prozess einfach einmal vom Regierungsrat festgelegt. Das heisst: ‹O.k., sechzehn nehmen wir auf!› Wir nehmen auch nicht weniger auf, weil unser Budget natürlich auch abhängig ist von den Studenten, die wir aufnehmen.» Eine ähnlich pragmatische Haltung gegenüber der «Bürokratie der Qualität» (Holert 2010), die sich an den europäischen Kunsthochschulen etabliert hat, nehmen nahezu allen befragten Studiengangsleiter_innen ein, wobei die arithmetischen (und politischen) Spielräume dabei unterschiedlich bemessen werden. Die hochgradige Selektivität der Kunsthochschule wird nahezu durchgehend als scheinbar unhintergehbare Norm betrachtet und als Voraussetzung für einen Bildungserfolg: «Also, wir bekommen sehr heterogen ausgebildete Gruppen von Schülern und Lernenden, die auf uns zukommen. Und um da eine einigermassen homogene Gruppe hinzubringen, denke ich, muss man irgendeine Art von Selektion machen, weil wir sonst einfach in drei Jahren Bachelor überhaupt nirgends hinkommen.» Dass Kunst nicht wie Chemie oder Mathematik – eine in diese Richtung gehende spontane Frage wurde empört zurückgewiesen – alle studieren dürfen, ohne dazu ausgewählt worden zu sein, scheint für alle Befragten evident, mit einer Ausnahme, die aber dann doch die Selektion am Studienbeginn favorisiert: «Grundsätzlich sehe ich das auch so, dass ein sogenanntes Feststellungsverfahren oder eine Eignungsprüfung halt immer, oder ich würde da erst mal die Nase rümpfen, so gesagt halt, ja. […] wenn sie mich persönlich fragen, würde ich es schöner finden, wenn wir natürlich alle Leute aufnehmen könnten und dann muss ja trotzdem eine Selektion passieren, wie an Universitäten halt. […] ich habe mit, glaub ich, 230 Studierenden angefangen und die wurden in den ersten 2 Semestern auf 60 rausgeprüft, kann man ja so sagen halt. Also, eine Selektion muss ja immer passieren sozusagen, nur diese Ausbildung ist nicht an AG-Plätze gebunden, bei uns ist dieser praktische Teil sehr, sehr wichtig, das bedeutet, jeder Student hat vom ersten Tag an einen eigenen Arbeitsplatz in einem Atelier […] und auf der andere Seite brauchen auch Studierende Platz und Volumen, um sich da entfalten zu können. Und deswegen müssen wir diese Selektion am Anfang machen. Ich glaube einfach, dass, oder wir sehen ja welche Leute wir ablehnen und welche wir aufnehmen, also, ich glaube nicht, dass das irgendeine Einschränkung ist, sondern die Bewerberinnen und Bewerber, die wirklich diesen Beruf erlernen wollen, haben bei uns auch 100% Chancen halt, ja, das zu machen, halt, ja.» Die dominierende Vorstellung ist, dass Studierende der Kunsthochschule primär des Könnens und erst sekundär des Lernens willen aufgenommen werden: «Zuerst wollen wir sehen, dass er es kann, bevor wir ihn überhaupt aufnehmen könnten. Und dann, ja, ist der Ball wieder dort.» Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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Nur jene zu nehmen, die bereits «alles können», das können sich nur spezifische Studiengänge «dort oben» leisten: «Also wir können nicht dort oben hinein und sagen, sie müssten schon alles können. Das geht nicht, oder? Das können sich Geigenlehrer leisten, weil es da so eine Auswahl an Weltstars hat, dass du sagen kannst: ‹Ich nehme nur die Top Ten dieser fünfzig!›, oder? Und das können wir ja nicht. Wir müssen auch kräftig Reklame machen und alles, weil es ein Beruf ist, der jetzt nicht – Da wirst du nicht reich, oder? Das ist ein Beruf, der Leidenschaften braucht, und nicht, wo du Geld verdienen kannst. Ja, das ist so das Hauptproblemfeld, dass man sich einfach immer wieder eichen muss, wie ich das nenne.» Die Differenz zwischen angetretenen Bewerber_innen und aufgenommenen Student_innen ist in den einzelnen Studiengängen sehr unterschiedlich, die, je nach Nachfrage, Studierende tatsächlich rekrutieren oder selektieren. Grosse Selektivität eines Studiengangs mit vielen und damit auch vielen abgewiesenen Bewerber_innen wird tendenziell als Erfolgsindikator verstanden. Argument für die Selektion sind dann in vielen Fällen die optimalen Lernbedingungen, die die Kunsthochschule, die sich auf das Individuelle konzentriert, von der Massenuniversität unterscheidet: «Wenn man diese Ziele und diese Qualität noch haben will, dann muss man das begrenzen, weil die Arbeit hoch individualisiert ist.» Ein weiterer wichtiger Grund für die begrenzte Auswahl ist die – in der Kunsthochschule offenbar sehr ernsthaft wahrgenommene – Verantwortlichkeit nicht nur für den Bildungs-, sondern auch den Karriereerfolg der Studierenden bzw. Absolvent_innen: «Und es ist dann auch die Frage der Verantwortung, unsere Verantwortung, was machen die Studierenden, wenn sie studiert haben, was haben sie für Möglichkeiten. Wo können sie weiterstudieren resp. wo dürfen sie weiterstudieren? Im Moment sind die Universitäten noch nicht sehr offen für Leute mit einem Fachhochschulabschluss hinter sich. Das wird sich sicher ändern. Es braucht ein bisschen Geduld. Weil es sehr viele Vorteile gibt. Also, solche Fragen stelle ich mir auch und da fühle ich mich verantwortlich, dass die Leute, die hier absolvieren, 14, 15, 16 pro Jahr, dass die einen Platz finden für sich, einen Raum finden für sich.» So kritisch der soziologische Blick der Befragten sich auch mitunter auf die individuelle «Selbstselektion» der Studierenden und die anderen Instanzen der «Selektionskette» und ihre Ausschlüsse richtet, so sehr wird die eigene Selektion legitimiert – und als nicht soziale, sondern fachliche definiert (wobei durchaus [selbst-]kritische Positionen zu den Auswahlverfahren zu finden sind, wie zu zeigen ist). b) Potenzial, Talent, Qualität: Begabungsideologien Der in diesem Zusammenhang am häufigsten verwendete Begriff ist jener des Potenzials (vor dem des Talents), das eine auf komplexen Verfahren (siehe das folgende Kapitel) basierende Selektion aufspüren soll. So verschieden die Positionen am und zum Feld der Kunsthochschulen und seinen Spielregeln auch sind, das in einem idealen Studierendensubjekt verkörperte Potenzial ist ein unhinterfragter Bezugspunkt der Bildungs- und davor Rekrutierungsarbeit. Dass die scheinbar neutralen Konzepte von Potenzial, Talent oder Qualität tatsächlich sozial konstruiert sind, wird selten reflektiert; dass sie an die traditionelle Genie-Idee ebenso anschlussfähig sind wie an den aktuellen kreativen Imperativ im Post-Fordismus, gar nicht – obwohl eine Reflexion über diese Zusammenhänge in den Kunstwissenschaften gerade hochaktuell ist.38 Tatsächlich sind Potenzial, Kompetenz oder Talent ideologisch aufgeladene Konzepte, «embedded in histories of classed and racialised inequalities, mis/recognitions and

38 An dieser Stelle sei lediglich auf den Band Kritik der Kreativität (2007) hingewiesen, der viele relevante Positionen der weitreichenden Debatte versammelt.

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complex power relations» (Burke, McManus 2009: 26), durch die Ausschlüsse im System der Kunsthochschule hergestellt werden (Wem wird Potenzial zugeschrieben? Was wird als Talent definiert? Welche Kompetenzen sind legitim? …). In der Rede von Potenzialen manifestiert sich die für das Bildungssystem konstitutive «Begabungsideologie» (Pierre Bourdieu), durch die sich gesellschaftliche Machtverhältnisse reproduzieren.39 Mitunter reflektieren die Befragten auch über die Tendenz der Institution zum «social cloning» (Puwar 2004), dazu: «to recruit their own image» (Singh, zit. in Ahmed 2006: 7): «Ich würde die soziale Exklusivität eher in diesen latenten bildungsbürgerlichen Ansprüchen an […] Verbalisierung, an Umgangsformen, an Kenntnisse stellen, also dass Leute aus bildungsferneren Milieus es schwieriger haben zu überzeugen, dass sie für eine sogenannte Kulturtätigkeit in Frage kommen. Und da müssen wir uns immer wieder auch lieb sein zu sagen und uns quälen sogar. ‹Ja, was ist denn jetzt genau das künstlerische, eigenständige Fragen?› nicht einfach Reproduktion von Bildungsgut, sondern eben die Fähigkeit, da was aufzusprengen. Aber ich glaube nicht, dass ein sehr gut finanzierter Background für die Kunst auf lange Sicht so hilfreich ist.» Die Konkurrenzen des globalisierten Hochschulsystem verschieben die Konzentration auf Talent und die Förderung von Exzellenz noch höher auf der Agenda: «Also wir nehmen’s, wenn wir’s im Vergleich zum Ausland ansehen, müssten wir auch die Begabtenförderung und die Talentförderungen wirklich viel ernster nehmen. Das hat sich verändert.» Beim Blick auf das Potenzial (das allerdings per se auf eine Entfaltung hin gerichtet ist) gerät der Lernprozess, der dieses erst zur Geltung bringt und für den die Hochschule zuständig ist, bei den Befragten selten in den Blick. Dabei könnte, worauf ein Kommentar hinweist, gerade dieses Perspektive die Konzentration auf Exzellenz relativieren: «Und ich habe nachher angefangen so zu schauen, wie sich Menschen über das Studium entwickeln, denn das Entwicklungspotenzial ist etwas, das wir nicht prüfen können. Es kann jemand ein A haben, aber am Schluss vom Studium – Und es kann jemand sehr fragwürdig aufgenommen werden und nach einem Jahr schon – Und dort haben wir eigentlich positive Erkenntnisse: Also der grösste Teil verbessert sich eigentlich, und vor allem die Schlechten werden immer besser. Also wir bekommen jetzt eigentlich so über diesen Blick das Vertrauen, dass das Entwicklungspotenzial gerade bei Menschen, die vielleicht gestalterisch noch nicht so fit sind, in diesem Studium hoch ist.» Das Vertrauen, dass gerade die Kunsthochschule mit ihren privilegierten Studienbedingungen solche Bildungseffekte hervorbringen kann, könnte auch gegen eine Exzellenzorientierung sprechen, aber diese Idee findet keine Resonanz unter den Befragten.

39 «Die Begabungsideologie, Grundvoraussetzung des Schul- und Gesellschaftssystems, bietet nicht nur der Elite die Möglichkeit, sich in ihrem Dasein gerechtfertigt zu sehen, sie trägt auch dazu bei, den Angehörigen der benachteiligten Klassen das Schicksal, das ihnen die Gesellschaft beschieden hat, als unentrinnbar erscheinen zu lassen. Denn sie bringt sie dazu, das als naturbedingte Unfähigkeit wahrzunehmen, was nur die Folge einer inferioren Lage ist, und redet ihnen ein, dass ihr soziales Los […] ihrer individuellen Natur, ihrem Mangel an Begabung geschuldet ist.» (Bourdieu 2001: 46)

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c) Rituale des Übergangs: Aufnahmeverfahren Der Tendenz aus den für die Kunsthochschulen sehr spezifischen Ritualen des Übergangs (in die tertiäre Kunstausbildung) eine «Geheimwissenschaft» zu machen, die ein Beobachter feststellt und die, wie aktuelle Forschungen (Burke, McManus 2009) zeigen, die Chancen von habituell unterprivilegierten Kandidat_innen noch verringert, wird in allen Fachbereichen deutlich entgegengearbeitet. Die Darstellungen der überaus komplexen Aufnahmeverfahren, die immer mehrstufig sind, mehrere Instanzen beinhalten und mitunter mehrere Tage dauern, sprechen von dem Ausmass an Arbeit und Aufmerksamkeit, die in diese Prozesse investiert wird. Von allen geteiltes Ziel ist, eine grösstmögliche Transparenz herzustellen, die auch dem möglichen juristischen Rekurs der abgewiesenen Bewerber_innen standhält. Die einzelnen Fachbereiche entwickeln und verbessern laufend ihre Aufnahmeverfahren, die die Selektion des gesuchten Potenzials einerseits möglichst effizient, andererseits möglichst objektiv gestalten, auch wenn klar ist: «Eine Aufnahme, die irgendwie auf künstlerischen Kriterien beruht, ist ja immer eine relativ heikle Auswahl, und zwar weil man sagen kann, dass sich ja künstlerische Äusserungen eigentlich erst in der Betrachtung, also in der Wahrnehmung vollenden. Also das heisst, dass jeder, der dies wahrnimmt, halt eine gewisse Subjektivität hat, die er da einbringt.» Trotz dieses Einwands dominiert die – durch ausführliche Erzählungen über die komplizierten Verfahren argumentativ verstärkte – Überzeugung, dass bei der Aufnahme alles «fair und gerecht» zugeht und so «eine Prüfung [zwar] eine ziemlich umfangreiche Geschichte» ist, aber eine nachvollziehbare, die ein Befragter sehr prägnant auf den Punkt bringt: «Aufgrund der wenigen Abbrüche, die wir im Studium haben, sagt uns das, eigentlich, dass wir auf dem guten Weg sind, halt, das abzutesten. Jetzt ist wichtig zu wissen, diese Übung, die, das Gespräch und die Arbeitsdokumentation, die schon im Vorfeld abgegeben worden sind. Alle drei Komponenten sind gleich gewichtet, erhalten Punkte, die werden summiert und die Bewerberinnen und Bewerber mit den meisten Punkten erhalten die ersten, in der Regel 23, 24 Studienplätze, die Restlichen sind Nachrücker, oder Nachrückkandidaten, nimmt einer oder eine ihren Studienplatz nicht an, rutscht man von unten nach, es gibt aber eine Mindestpunktzahl, die man erreicht haben muss, halt ja. Das ist das ganze Geheimnis dieser, dieses Aufnahmeverfahren, halt ja.» Die eingangs erwähnte Skepsis einer Professor_in bleibt in der Befragung eine singuläre kritische Position: «Das ist eine Geheimwissenschaft, finde ich. Also, mir ist nicht klar, nach welchen Kriterien das funktioniert. Also, ich kann dazu nichts sagen, zumal ich – Wenn ich Kollegen angucke, dann sind die jeweils unterschiedlich – Also, es sind jetzt nicht immer die gleichen, die diese Aufnahmeprüfungen machen. Das sind ganz stark, ich weiss nicht, auch sehr unterschiedliche Kriterien. Also, es ist wirklich meiner Meinung nach zufällig, wie das passiert. Da würde mir [ein Kollege] sofort widersprechen, er hätte Kriterien und danach würde es auch passieren. Das halte ich aber einfach für ein Gerücht nach diesen Konflikten, die ich dann immer aus diesen Situationen heraus mitkriege.» Aktuelle Untersuchungen mit Aufnahmeverfahren an anderen Kunsthochschulen (vgl. die empirische Studie an der Akademie der bildenden Künste Wien, Rothmüller 2010, und die qualitative Untersuchung der Aufnahmepraxis an britischen Kunstuniversitäten, Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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Burke, Mc Manus 2009) liefern wichtige Hinweise und Argumente, dass es bei der Selektion von Student_innen tatsächlich subtile Ausschlussmechanismen gibt, die «der Mantel eines demokratischen Ausleseverfahrens, das nur Verdienst und Talent gelten lässt» (Bourdieu, Kulturelle Produktion 1973: 110) mitunter verdecken kann. Wie auch im Kapitel zu habituellen Ausschlüssen dargestellt wird, funktionieren Inklusion und Exklusion in diesen Verfahren auf vielen, oftmals nicht diskursiven und diskursivierbaren (weder für die Kandidat_innen noch für die Prüfer_innen) Ebenen, die diese erschwert wahrnehmbar macht. In tiefer liegenden, mitunter imaginären Schichten situiert, machen kompliziertere und transparentere Verfahren diese Prozesse kaum offener: «Burke and McManus alert us to ‹how subtle inequalities and exclusions might take place despite a commitment to fair and transparent admissions practice› Yet ‹transparency› does not equate to ‹fairness›, and Burke and McManus go on to show how admissions practices are often neither transparent nor fair. Their report reveals how the selection interview can work as a tool for assessment of applicants’ demonstration of ‹appropriate› – classed, gendered and raced – cultural capital. Their findings (based on a small selection of institutions it must be said) implicate admissions and interview tutors in potentially inequitable, discriminatory, exclusionary practices.» (Inclusive Practices 2011: 48f.) Für diese manchmal klar ausgesprochenen («und je nach dem, wie sie in der Lage sind unseren Code zu bedienen, haben sie bei uns eine Chance»), zumeist unbewussten, ausschliessenden Praktiken bleibt auch in den ausgeklügelten Verfahren Platz, da die Privilegierung von kulturellem Kapital gewissermassen Teil des Verfahrens ist: «However, as the portfolio is expected to show ‹talent› and ‹creativity› – to be identified and judged by interviewers – there is much room for exclusionary practices in such applicant selection processes. For, such attributes as ‹talent› and ‹creativity› are likely to be perceived as inherent/in-born, and embodied in the applicant and their work, rather than being recognised as markers of cultural capital, and thus social in origin. As cultural capital present at birth transforms into educational cultural capital via (classed) schooling the privileged interview applicant is likely to demonstrate such privilege as individual achievement and thus potential. McManus draws our attention to the barriers – the ‹social closure› – presented by a process which selects applicants based on work that demonstrates ‹talent›, ‹creativity›, ‹achievement› and ‹potential›, and does not recognise these attributes to be rather, a reflection of privileged cultural capital. This extract reveals how working class young peoples’ awareness of such barriers often directs them to deselect themselves from applying to institutions perceived to be prestigious, and not for ‹people like us›.» (Ebd.: 48) Auch in unserer Befragung finden sich Hinweise darauf, dass soziale Schliessung an dieser Stelle habituell (siehe das Kapitel 4.2.2.d Habituelle Theorien) und über die zumeist unbewusste Privilegierung einer studentischen Subjektivität funktioniert. Diese eben mit Potenzial assoziierte studentische Subjektivität kann als implizite Norm fungieren, von der aus auch die strategische Rekrutierung von anderen Identitäten (eben im Sinn einer gewünschten Pluralisierung) gedacht und gemacht wird. Wie die Narrationen und Imaginationen zu nicht-traditionellen Kunststudierenden zeigen, vor allem der Migrant_innen (wie im entsprechenden Kapitel dargelegt wird), ist das traditionelle und institutionell privilegierte Subjekt tendenziell weiss, urban, mehrheitsschweizerisch oder europäisch und mittelständisch. Wobei es, wie eingangs ausgeführt, ein vielschichtiges, individuelles und institutionelles Begehren nach dezidiert anderen Subjektivitäten gibt. Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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d) Sur dossier oder mit Vorkurs: Vorbildungen Eines der Distinktionsmerkmale der Kunsthochschule (mit anderen Fachhochschulen) ist es, dass bei überprüfter und überzeugender künstlerischer Qualifikation die Barriere fehlender formaler Qualifikationen übersprungen werden kann, die Möglichkeit also, sur dossier zu studieren. Dieser «indirekte Weg» (Quereinsteiger haben es schwerer 2008) wird in den verschiedenen Fachbereichen sehr unterschiedlich oft und gern ermöglicht; er wird von nahezu allen Bereichen – mit ganz wenigen Ausnahmen – offenkundig ungern kommuniziert (die Informationen zu dieser Option finden sich nur im Kleingedruckten der Aufnahmebedingungen). Diese tendenziell demokratisierende Option offensiv zu propagieren, wurde, so eine Narration, institutionell sanktioniert: «Wir haben noch etwas anders gemacht. Wir haben am Infotag gesagt: ‹Hört mal, Vorbildung ist das eine, aber wenn ihr wirklich gut seid, kommt einfach! Egal, kommt einfach, und wir schauen euer Portfolio an, und wenn ihr gut seid, finden wir irgendeinen Weg! Also lasst euch nicht von irgendwelchen Konditionen abschrecken!› Also wir haben dann Prügel gekriegt, weil wir das so explizit gesagt haben. Und wir hatten eine zweite Schwierigkeit, dass wir gar nicht die Möglichkeit hatten, diese – Weil das Verfahren so komisch war, konnten wir die Portfolios gar nicht anschauen, bevor wir die Leute sur dossier aufgenommen haben. Das haben wir jetzt auf nächstes Jahr geändert. Jetzt nehmen wir alles zusammen, kommunizieren nicht bis wir alles gesehen haben und sagen: ‹Hör mal, du kannst an die Prüfung kommen, aber du bist sur dossier, weil du die formalen Kriterien nicht hast. Aber dein Portfolio ist super, wir möchten dich sehen!› Das ist so ein konkreter Schritt. Also wir haben es akribisch durchstrukturiert, um wirklich Leute nicht durch die Maschen fallen zu lassen und zu sagen: ‹Ja, du brauchst die Matura, du brauchst das› – Wenn sie gut sind und wenn sie wirklich wollen, kommen sie rein. Bewusst.» Ohne dass es – unseres Wissens jedenfalls – eine offizielle Devise dazu gibt, gibt es eine von uns nicht entschlüsselte Art der inoffiziellen (Selbst-)Regulierung, die Aufnahmen sur dossier auf «unter zehn» Prozent beschränkt. Motivation für eine offensive Richtung sur dossier ist eher die Rekrutierung von besonderen Talenten und weniger die Anerkennung von anderen Bildungswegen und -formen: «Aber wir finden, wenn Leute gut sind, dann wollen wir sie reinpunkten.» Sur dossier wird in diesem Fall eher als das Recht der Institution auf Ausnahmetalente und weniger als das Recht der Kandidat_innen auf Ausnahmeregelungen verhandelt. Eine Interviewpartner_in tituliert diese im tertiären Bildungssektor anerkannte Option dann auch als «Genieparagrafen». Ob die Bildungsreformen und -transformationen nach Bologna die nicht-formale Bildung anerkennende Praxis von sur dossier tendenziell erweitern oder beschränken, wurde durch die Erhebung nicht ermittelt. Die überwiegende Mehrzahl der Kandidat_innen bewirbt sich für eine Aufnahme an die Kunsthochschule mit Qualifikationen, die der «Schweizer Bildungssysstematik» entsprechen. Dazu gehört in vielen Fachbereichen auch das Absolvieren eines qualifizierenden Vorkurses, den oft die Mehrheit der Studierenden mitbringt: «Also müssten sie ja eigentlich auch, weil die schweizerische Bildungssystematik sagt ja, entweder machst du für das Studium auf Fachhochschulstufe eine Berufslehre mit Berufsmaturität und dann kannst du direkt kommen, aber das schaffen dann wirklich nur Leute, die eben im einschlägigen Bereich eine Ausbildung gemacht haben mit gestalterischer Berufsmatur. Die müssen das nicht machen, aber die haben vier Jahre eine Vorbildung gemacht. Und alle anderen, die haben Gymnasium gemacht und müssten dann zwingend diese quasi Praktikumspasserelle machen, wo eine fehlende Praxiserfahrung jetzt im Vergleich zu Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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den anderen wettgemacht werden muss, und das ist in unserem Fall in aller Regel ein Vorkurs. Es gibt auch einige, die machen das über Praktika bei Architekten, Designern und so weiter, aber sonst darfst du bildungssystematisch gesehen gar nicht kommen. Natürlich gibt es immer sur-dossier-Aufnahmen, aber das sind weniger als 10% würde ich sagen, deshalb die Selektion ist entweder beim Eintritt in den Vorkurs nach dem Gymnasium oder beim Eintritt in eine Berufslehre als Grafiker, weil da gibt es auch zig mal mehr Bewerbungen als Lehrstellen.» Die vielfältigen Formen von Vorkursen, unterschiedlich vom Zeit- oder auch Kostenaufwand wie von den Aufnahmebedingungen oder Studienformen her, bilden, darüber gibt es eine Klarheit, eine wichtige Selektionsinstanz, die der Kunsthochschule unmittelbar vorausgeht und diese mutmasslich vom Selektionsdruck befreit: «Also, ich könnte das jetzt bei uns auch nicht erkennen, aber muss sagen, dass ich nicht sicher bin, ob die Hürde dann wirklich bei uns ist, weil da wo wirklich selektioniert wird, das ist beim Eingang in den Vorkurs. Und da wird nach gestalterisch-künstlerischen Kriterien selektioniert und zwar ganz streng. Und wenn man das wissen möchte, dann müsste man bei den Vorkursen anfragen, weil Leute, die den Vorkurs gemacht haben, die sind irgendwie so kunst- und design- und kulturaffin, dass die Schwelle an die Hochschule dann nicht mehr wirklich die Hürde ist. Das ist der Schritt vorher.» Über die Frage, ob ein Vorkurs «eine Möglichkeit unter vielen» oder die entscheidende Passerelle in die Kunsthochschule darstellt, gibt es sehr geteilte Meinungen. «Es ist eine Möglichkeit unter vielen, das auf jeden Fall. Ich erachte den auf eine bestimmte Art für ziemlich wichtig. Es gibt in den Schulen in der Schweiz keinen Theaterunterricht. Es gibt Musikunterricht, es gibt Kunstunterricht, also all diese künstlerischen Richtungen kann man sozusagen als junger Mensch kennenlernen und sich erproben. Für das Theater gibt es das nicht im Schulischen, also in der schulischen Institution. Das fehlt! Und der Vorkurs, finde ich, ist ein bisschen etwas, was versucht den Menschen, die sagen: ‹Mich interessiert das, aber ich habe gar nicht die Orte, wo ich mich probieren kann!› dann zu sagen: ‹Hier kannst du dich selbst klären. Fühlst du dich damit wohl? Ist das etwas, was deine Lust, deine Freude und deine Auseinandersetzung mit dir selbst vorantreibt und was du dir womöglich auch als Beruf vorstellen kannst?›.» Die Angaben, wie viel Prozent der Studierenden eine künstlerische Vorbildung absolviert haben, variieren beträchtlich (von 20 bis 80%, wobei nur exemplarisch gefragt wurde), wie auch die Wahrnehmung über den Effekt der Vorbildung auf das Aufnahmeverfahren, d.h. die Erhöhung der Chance, dieses positiv zu absolvieren. Viele schätzen das Kapital des Vorkurses als sehr hoch ein: «Sehr hoch, die ist superhoch! Also, wir sehen wirklich einen Unterschied. Also Leute, die keinen Vorkurs gemacht haben, sind einfach schlechter. Ausser, es gibt so Nerds, die von sich aus zeichnen, die wollen […], aber die sind sehr selten. Aber Leute, die so durchschnittlich unterwegs sind und einen Vorkurs, ein Propädeutikum machen, sind nachher besser, strukturierter. Da sieht man: Die haben so wie eine Strategie.» Wie aus diesem Kommentar erkennbar, wird das Absolvieren eines Vorkurses von den Befragten nicht als Aufnahmekriterium definiert, auch wenn die «Erfolgsrate» «megahoch» sei: Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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«Die Erfolgsrate des Vorstudiums ist megahoch, das muss auch sein. Aber es ist völlig unverbindlich. […] Und, was ich toll finde am Vorstudium, ist: Auch die Leute, die jetzt keinen Platz gekriegt haben, kriegen immer einen Platz irgendwo anders. Das ist doch, worum es geht: Es ist Bildung, oder?» Eindeutig dominiert gegenüber dem Vorkurs eine positive, aber distanzierte Haltung: «Wir freuen uns, wenn jemand den Vorkurs gemacht hat und in das Studienjahr hineinkommt, aber es ist überhaupt kein Kriterium. Es wird überhaupt nicht mit als entscheidungsrelevant gesehen, ob jemand da drin war oder nicht. Gar nicht! Null!» Von den gerüchteweise angedachten Überlegungen, einen automatischen Übertritt vom – mutmasslich von der eigenen Institution angebotenen – Vorkurs in das Studium zu ermöglichen, halten die Befragten wenig: «Das darf es nicht geben! Und vor allem, dass sie das dann noch selber berappen müssen! Das wäre ja eigentlich: ‹Zahle und schaff es!› Und das macht doch so ein bisschen ein Hintertürchen. Was, wenn die Entwicklung nicht dem entspricht? Jetzt müssen sie eigentlich durchfallen im Propädeutikum, und dann – Die Hürde muss dann vorher sein, auf einer ganz anderen Grundlage.» Die Autonomie der Aufnahmeenscheidung an eine vorgehende Bildungsinstanz zu delegieren, stösst auf Ablehnung: «Wir möchten nicht einfach Leute nehmen, die von euch kommen. Wir schauen die nochmals völlig anders an und wenn es nicht in unsere Denke passt, dann nehmen wir die nicht!» Die Ausbildung der Vorkurse wird ebenfalls divergierend beschrieben und bewertet. Das Spektrum hier reicht von der Einschätzung: «Und das Niveau ist mega gestiegen, und auch die Professionalität: Auswendig, wie sich die Leute vorstellen, wie sie hereinkommen, also das Ganze. Auch dort Internationale, also Leute aus Konstanz und hoch bis Trossingen eigentlich. Es hat eine ziemliche Ausstrahlung bekommen» bis hin zu der sehr konträren: «Und die verfolgen ihren alten Stiefel, das heisst, es ist sehr technisch, das ist einfach […] schon Modeprojekte, aber supernaiv und einfach so, und dann, die kommen und wir haben ein bisschen eine Diskussion, weil wir die Lehrer da kennen und so und die versuchen sich da anzupassen, aber eigentlich ist es nicht genug.» Dass die verschiedenen Vorkurse einen unverkennbaren Stil, der an den Portfolios der Kandidat_innen ablesbar ist, produzieren, ist ein mehrfacher, meist etwas ironisch geäusserter Eindruck: «Da sieht man nachher so ein bisschen Schule Basel, Schule Luzern, Schule Zürich und so. Dann sieht man auch, dass eine Schule halt ein bisschen schlechter oder wieder besser wird, und so. Das ist ein bisschen die Gefahr, dass sie mit dem Vorkurs so als Gruppe und weniger als Individuen erscheinen. Aber es bringt viel.» Mit Kritik werden spezifische Beschränkungen der Zugänge zum Vorkurs kommentiert, allen voran die signifikante Verteuerung des Propädeutikums in Zürich: «Zudem kostet das Propädeutikum ja jetzt sehr viel Geld; jetzt können sich das nicht mehr alle leisten. Und wenige haben einfach von zu Hause oder von der Schule her ein solches Potenzial, dass sie das auch – dass sie ein Dossier machen. Man kann ja eigentlich das Aufnahmeverfahren bestehen, wenn man gestalterisch fit wäre oder gleichwertig zu einem Vorkurs. Wir versuchen schon, das immer zu kommunizieren, dass wir möglichst wieder Leute haben, die über eine Selbsteinschätzung dazu kommen sich bei uns anzumelden. Aber es dauert sehr lange, bis das überall kommuniziert ist.» Der Effekt dieser Reform wird von einem Befragten prägnant beschrieben: «Das machen die reichen Jungs und Mädels aus Zürich und Umgebung!» Dass die höhere Schwelle mit höherer Qualität des Vorkurses einhergehe, ist eine weitere Annahme, die sich – angesichts anderer billigerer – Angebote am Markt – auch gut legitimieren lässt: Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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«Es ist eine Schwelle, ja. Und die Leute sind jetzt mit dem neuen Propädeutikum sogar besser geworden, also die Qualität ist massiv höher in der neuen Form. […] Also, sie haben sich wirklich abgespeckt, umorganisiert und sind wie anders unterwegs. Also, es ist wirklich besser. Es bleiben wahrscheinlich wirklich Leute auf der Strecke, aber wenn sie halt – Ich meine, sie können auch nach Basel oder Luzern gehen und so, und dann kriegen sie auch einen Vorkurs. Sie müssen es ja nicht in Zürich machen. Also, wenn man Infos hat, ist das Geld nicht ein Problem.» Der Tenor der Befragung weist dahin, dass die künstlerischen Vorbildungen als Investitionen gesehen werden, die sich lohnen – für die jedenfalls, die es sich leisten oder gönnen können: «Und da zeigt sich eben, dass diejenigen, die sich noch ein Jahr in einem Propädeutikum geleistet oder gegönnt haben, häufig die besseren Chancen haben und wirklich auch besser vorbereitet sind.»

4.2.5 Transformationen der Kunsthochschule a) Schule oder Akademie Die heute bestehenden Kunsthochschulen Zürich, Bern und Genf sind durch bedeutende Transformationsprozesse in den letzten zwei Jahrzehnten entstanden, wovon im Folgenden die wichtigsten kurz skizziert werden sollen. Im Zuge der Einführung der Fachhochschulen als Akademisierung des Berufsbildungssystems wurden ab Mitte der 1990er-Jahre die bereits existierenden Schulen für Gestaltung, Theater oder Musik40 mit eigenen institutionellen Logiken vom Niveau der Sekundarstufe auf die Stufe tertiärer Hochschulen gehoben. Daneben kam es durch die Einführung Bolognakonformer Studiengänge zu einer Harmonisierung (durch Einführung des ECTSPunktesystems, das sogenannte European Credit Transfer System) und Modularisierung der Studienstruktur und damit auch zu einer Öffnung gegenüber einem internationalen «Kunsthochschulmarkt», was sich nicht zuletzt in steigenden Student_innenzahlen aus dem Ausland manifestiert. Schliesslich wurden (in Zürich und Bern) die einzelnen Teilhochschulen zu einer Gesamthochschule für alle Künste unter dem Dach des jeweiligen Fachhochschulverbunds zusammengeführt. Zu diesen strukturellen und organisatorischen Veränderungen wird in den Interviews immer wieder bewusst, und bisweilen auch sehr pointiert, Stellung genommen. Dabei zeigt sich mitunter die Schwierigkeit, die Beschreibungen der unterschiedlichen Transformationsprozesse analytisch klar voneinander zu trennen: Teilweise vermischen sich die Aussagen und insbesondere Kritiken am Bologna-Prozess mit organisatorischen Transformationen oder ökonomischen Imperativen im Feld der Hochschulen insgesamt, was oft dazu führt, dass viele Phänomene nicht auf einfache Ursache-Wirkung-Kausalitäten zurückzuführen sind. Grundsätzlich lassen sich jedoch folgende zwei divergierende Positionen und Einstellungen gegenüber diesen tief greifenden Transformationen sowie der Genese der Kunsthochschulen ausmachen: Einerseits findet sich die Position der Schule, die eine Entwertung des Handwerklichen bedauert und eine «Homogenisierung und Pasteurisierung» der Student_innen befürchtet; andererseits jene der Akademie welche die getroffenen Entscheidungen hin zu einer Akademisierung der Ausbildung und damit mehr internationalem Wettbewerb und Ausstrahlung der Kunsthochschulen be-

40 Für das Beispiel der ZHdK: die Kunstgewerbeschule für bildende Kunst, Fotografie und Design, die Schauspielakademie für das Theater sowie das Konservatorium für die Musik; vgl. www.zhdk.ch/index.php?id=34, zuletzt eingesehen am 17.12.2011

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grüsst. Damit verbunden sind zentrale Fragen der Selbst-Wahrnehmung und Identifikation, wie sie sich etwa in den Oppositionen Berufslehre vs. Maturität, Technik vs. Theorie oder ganz allgemein Ausbildung vs. Bildung manifestieren. Auch der zentrale Konfliktgegenstand des Kunstfelds, die Rolle bzw. das Bild der Künstler_in selbst, wird in diesen Auseinandersetzungen tangiert, etwa bei der Frage nach Einführung von PhD-Studiengängen und künstlerischer Forschung. Die damit verbundenen Bruchlinien durchziehen systematisch die Mehrheit der Interviews, wobei sich häufig einzelne Aussagen widersprechen und keine der befragten Personen ausschliesslich der einen oder anderen Position zuordenbar erscheint. Obwohl die zwei skizzierten Positionen – diejenige der Schule sowie jene der Akademie – in ihrer eigenen Logik der Argumentation nicht immer stringent erscheinen, wirken Konflikte als geradezu unausweichlich und werden in verschiedenen Interviews auch angesprochen: «Also, ich glaube in unserer Abteilung ist das ein bisschen so, weil wir noch relativ viele Leute von früher dabei haben, die schon sehr lange jetzt in der Abteilung sind und in Genf ist man verbeamtet, also die, das ist ein fester Posten, also wir haben eigentlich drei Professoren, davon sind zwei aus dem alten System, die haben hier studiert, waren hier Assistenten und sind jetzt Professoren. Also, die haben noch nie ein anderes System gesehen. Der dritte Professor ist Autodidakt, hat seine eigene Kollektion gehabt und dann ich der vierte, also, ja, das ist wirklich, wir haben noch sehr viel von früher. Das ist automatisch, dass das so, dass das sich reibt.» Da es sich mitunter um sehr tief greifende Konflikte handelt, kann die Gefahr einer Rassialisierung oder Ethnisierung dieser Bruchlinien nicht ausgeschlossen werden, die sich in den Diskursen über die Internationalisierung der Studierenden oder die Dominanz deutscher Student_innen andeutet.41 b) Jung – Gymnasium –Vorkurs: «Homogenisierung und Pasteurisierung» Die Einstellungen gegenüber den zentralen, konfliktuellen Fragen für das Feld der Kunsthochschulen hängen nicht zuletzt mit dem biografischen und beruflichen Werdegang der befragten Personen selbst zusammen: Weniger die Verbindung von Hochschulstudium und Präferenz für die Akademie ist hier dominierend, als vielmehr die eigene Sozialisation im Kontext der Kunstgewerbeschulen (sei dies in Form einer Ausbildung oder einer Berufstätigkeit). Ein allgemeiner Trend, der für die meisten heutigen Studiengänge an Kunsthochschulen konstatiert wird – mit Ausnahme der Musik –, ist eine zunehmende Verjüngung der Student_innen sowie eine Angleichung der Bildungsverläufe an das Modell «Jung – Gymnasium – Vorkurs»: «Also, es gab jetzt so ein bisschen eine Verschiebung, und vorher hatten wir extrem viele spezifische Biografien: Männer mit ganz unterschiedlichen Zugängen, bis sie schlussendlich bei uns landeten. Das war vielleicht ein Schreiner, der irgendwann begann, sich für Gestaltung zu interessieren, der in einem Heim arbeitete und plötzlich von dieser Ausbildung hörte. Deshalb hatten wir auch ganz kantige, gestaltende Leute, die zum Teil schon mit einem ganz eigensinnigen, gestalterischen Verhalten gekommen sind, das sie dekonstruieren liessen, mit dem sie aber gleichzeitig auch ganz viel machten. Jetzt mit dem BolognaSystem hat sich das ein bisschen nivelliert. Wir sagten eine Zeit lang fast spasseshalber: ‹Ju–Gy–Vo: Jung, Gymnasium, Vorkurs›. Danach waren sie direkt bei uns, ohne Lebenserfahrung, also kein Schritt aus der Schule heraus.» 41 Vgl. für ähnlich gelagerte Fälle am Beispiel von Student_innen der Musik den Artikel Bis zu 80 Prozent ausländische Studenten an den Musikhochschulen im Tages-Anzeiger vom 11. Juni 2011 oder die Diskussion um deutsche Professor_innen an Schweizer Universitäten, vgl. Hausgemachte Misere in Die Zeit vom 07. Januar 2010.

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Insbesondere von Professor_innen des Bereichs Kunst, Kunstvermittlung und Design wird diese Tendenz als Nivellierung, Homogenisierung oder Pasteurisierung gewertet und bedauert. Die ablehnende Haltung gegenüber den Student_innen mit den Merkmalen «Ju–Gy–Vo» bezieht gleichzeitig auch eine Verweiblichung und Akademisierung mit ein. Die angeführte Verweiblichung mag für einzelne Studiengänge tatsächlich stattgefunden haben, jedoch nicht für das gesamte Feld der schweizerischen Kunsthochschulen: Betrachtet man die Studieneintritte der letzten zehn Jahre, die Zeitspanne seit der Bologna-Deklaration von 1999, lässt sich keine Erhöhung des Frauenanteils ausmachen (vgl. Kap. 4.1.2). Gekoppelt an eine imaginierte Verweiblichung der Kunsthochschule ist dabei eine fortschreitende Entwertung handwerklicher Tätigkeiten, die als Inbegriff der Akademisierung verstanden wird: «Also, früher hatten wir ganz tolle Hochbauzeichner und Schreiner. Die kommen leider nicht mehr. […] Das ist wirklich ein Riesennachteil. Wir haben mehr akademische Leute, und die sind im Alltag manchmal – Sie schreiben zwar schönere Aufsätze, aber irgendwie an Hobelbank oder beim Designen sind sie ziemlich ungelenkig.» Diese Position wird hauptsächlich durch Professor_innen vertreten, die im Zeitalter der Akkreditierungen, Rankings und Employability mit einem bisweilen nostalgischen Blick der alten Tradition der Kunstgewerbeschule verhaftet scheinen. Geäussert wird eine solche Sichtweise in der Semantik der Schule, deren positive Eigenschaften (wie kurze Wege, kleine Klassen, Spielraum für Experimentelles, Handwerkliches etc.) einer akademisierten, homogenisierten und verweiblichten Kunsthochschule gegenübergestellt werden, welche sich durch ihre «Langeweile» auszeichnet (vgl. Kap. 4.2.2.c Bildungsherkünfte) und zu einem verlängerten Arm der Universität zu werden droht: «Und daneben stehen natürlich Leute, quasi, wenn man den Fluchtpunkt, das Künstler_innenbild anguckt, steht dann natürlich die akademisierte Variante, möglichst Kunst als Forschung und möglichst PhD-fähig, d.h. konkret, die müssen auch an einer Uni bestehen können. Und bei Professor […] ihre Dissertation abliefern und dann darf nebenbei noch gemalt oder gezeichnet werden, aber am Ende geht es um eine wissenschaftliche Karriere mit Nuancen. Und dieses Bild wird natürlich in Zukunft das Dozierendenbild werden der ganzen Kunsthochschulen, ergo wird das ein Selbstläufer und die Tendenz ist gross, dass sich das als selbst-erfüllende Prophezeiung tatsächlich dann einstellt.» Verbunden mit der Kritik an Homogenisierung und Akademisierung ist auch eine deutliche Ablehnung des Bologna-Prozesses, die bisweilen mit scharfen Attributen versehen («etwas Stupides», «widersinnig», «kulturfeindlich» etc.). Deshalb stellt sich sowohl im Zusammenhang mit der Umsetzung des Bologna-Prozesses als auch dem Ausmass der Akademisierung (etwa gemessen am Anteil theoretischer und praktischer Inhalte im Curriculum) für die Professor_innen auch die Frage nach der eigenen Verantwortlichkeit. Die Bologna-Erklärung wurde zwar auf europäischer Ebene lanciert, fand ihre gesetzliche und institutionelle Verankerung allerdings sowohl auf nationaler wie kantonaler Ebene und auch in den Kunsthochschulen selbst. Den Kritiker_innen der beschriebenen Transformationen bietet sich die Möglichkeit, mit Verweis auf «höhere Instanzen» («Bologna», «Akademisierung», «Politik») ein gemeinsames Feindbild aufzubauen, worunter sich die als negativ empfundenen Veränderungen in den Kunsthochschulen wie auch in der bildungspolitischen Landschaft generell subsumieren lassen, ohne Rechenschaft über die eigenen Verantwortlichkeiten ablegen zu müssen. Dass es in den neuen Studienplänen und -inhalten einen nicht unerheblichen Handlungs- und Gestaltungsspielraum gibt, bringt eine befragte Professor_in wie folgt auf den Punkt: Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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«Oder man hat wirklich eine andere Struktur, wo man diese Studienzeit gar nicht vorgibt, sondern wo man einen Leistungspunkteraster vorgibt. Und dann muss man aber im Einzelnen eine gewisse Flexibilität lassen, dass man diese Punkte dann erarbeiten kann, denn es kann auch mal ein Punkt scheitern. Und es ist in der allgemeinen Studienordnung der ZHdK, dass ein Bachelorstudium zwischen sechs und zehn Semestern dauert. Das wurde durch alle Behörden hindurch bestätigt. Das heisst, dass es an den einzelnen Studiengängen liegt, dies zu nutzen oder nicht zu nutzen. Jetzt gibt es Studiengänge, die trotzdem knallhart auf sechs Semester abzielen und das Programm durchspulen.» c) De-Skilling und Re-Skilling: Entmedialisierung und Akademisierung Das heimatliche Gefühl der Schule wird als elitär entlarvt, bildet jedoch gleichzeitig auch einen Kristallisationspunkt für Kritik der konträren Position, die tendenziell eher von Leuten vertreten wird, die an Hochschulen oder Kunstakademien im Ausland ausgebildet wurden. Dabei wird einerseits das Moment der Entdemokratisierung durch Bologna in Frage gestellt, vor allem aber andererseits der Schule oder dem Konservatorium bewusst eine akademisierte Hochschule entgegengehalten. Die Schule oder das Konservatorium werden als historisch gewachsene Ausbildungsstätten mit provinzieller Verhaftung präsentiert, die hauptsächlich ein Handwerk vermittelten: «[…] das war jetzt auch die Chance bei Bologna: Früher war es dieses Konservatoriumssystem, das seine historischen Hintergründe hatte. Die Leute waren früher noch viel jünger und es war eine Art Fleischwolf, wo man durch ist, und dann war das erledigt. Und jetzt mit Bologna, und darin auch durch die Konkurrenzund Arbeitssituation, versucht man nicht mehr mit 19 fertig studiert zu haben, sondern das Studium ist etwas Umfassenderes geworden, wo es in dem Sinne auch um Bildung geht und nicht nur um die Vermittlung des Handwerks.» Dieser veralteten Vorstellung von Kunst als Technik, Handwerk oder Ausbildung wird ein umfassenderes Bildungsideal entgegengestellt, welches stärker auf Textualität und Theorie gründet, wofür nicht zuletzt ein entsprechendes Verbalisationsvermögen vorhanden sein muss. Dieser Paradigmenwechsel, den verschiedene Turns im rasch agierenden Kunstfeld begleiten, wird aktuell oft als Verlust beschrieben. In einem aktuellen mehrjährigen Forschungsprojekt des Plymouth College of Art werden «studio-based arts and crafts» als vor dem Aussterben bedrohte Spezies definiert: «in the same moment in which many of the studio-based arts and crafts are acquiring the status of ‹Endangered Subjects› (at least in the UK) and the contemporary art school – or its typical heir, the University Faculty of Creative and Cultural Industries [sic] – has all but eradicated reference to the middle-term from the traditional Trinitarian ‹art, craft and design› conception of its pedagogic mission.» (Making Futures 2009; vgl. auch Wright 2009) Dass «craft», eine Praxis basierend auf materieller Produktivkraft im post-industriellen, immateriellen Kapitalismus an Kraft verliert, ist eine plausible Erzählung, die – ohne dass diese Verortung in ökonomischer Theorie hergestellt würde – auch in der Befragung immer wieder präsentiert wird: «Also früher hatten wir ganz tolle Hochbauzeichner und Schreiner. Die kommen leider nicht mehr.» Dass es – wie die Verfasser_innen meinen – genauso plausible Anzeichen dafür gibt, dass im Widerstand gegen diese (selektiv) entmaterialisierenden und vor allem prekarisierenden Regime Handarbeit (im weitesten Sinn) aktuell eine neue Aufwertung erfährt, was auch einen Effekt auf die Kunsthochschule und ihr disziplinäres Selbstverständnis haben könnte, wird von der Erhebung nicht bestätigt. Aus unserer Sicht wäre es jedoch lohnend, in Zukunft auch an dieser Stelle genauer zu fragen und zu forschen. Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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Mit dem angedeuteten De-Skilling, dem Entwerten von spezifischen Kompetenzen, in dem Fall des Virtuosen, Handwerklichen, Angewandten, assoziiert ist der von einem Befragten mit dem Begriff der Entmedialisierung umschriebene Paradigmenwechsel: «Wir können nicht mehr auf Grund der Medien die Leute klassifizieren. Videokünstler, was heisst das schon. Malerei ist inspiriert durch ganz verschiedene Bildvorstellungen usw., also medial kommen wir nicht mehr weiter. Eher geht es dann um Denkhorizonte, Erfahrungshorizonte, Vorgehensweisen, Haltungen, das ist so der Fluchtpunkt, da möchten wir hin.» Aus unserer Sicht weiter nachzufragen wäre, ob diese für die bildende Kunst beschriebene Flexibilisierung zwischen den Medien, die – mit den gesteigerten Anforderungen eines immer neue Skills verlangenden Post-Fordismus durchaus kompatibel ist, wie sich annehmen lässt, potenziell auch eine soziale Flexibilisierung zu Folge haben könnte, nämlich bei der Wahl der vielfach sehr spezifisch (die Befragung zeigt das entlang der Gender-Linie) besetzen Disziplinen. Dass die Akademisierung der Kunsthochschule eine Öffnung darstellt, wird von kritischer Bildungsforschung, die sich mit den sozialen Praktiken, die die sogenannten Skills eigentlich darstellen, auseinandersetzen, hinterfragt: «This involves understanding writing and other forms of communication as sets of social practices rather than simply as skills or techniques that are straightforwardly taught to students. This recognizes that communication is not only about developing certain skills (such as writing an introduction, proofreading or compiling a bibliography); it is about the complex decoding of tacit understandings and conventions and as such remain mysterious to those on the outside of academia.» (Burke, McManus 2009: 26) Durch verstärkten Fokus auf akademische, aber allein schon kommunikative «Kompetenzen», die fraglos zu den Skills jedenfalls des idealen Subjekts der Kunsthochschule gehören, wird der soziale Kreis der Bewerber_innen deutlich eingeschränkt. Die Kunsthochschule wird zwar weiterhin von den meisten Befragten als ein akademischer Betrieb verstanden, der einen praktischen Beruf ausbildet, doch verschiebt sich dabei die Frage nach Autor_innenschaft immer stärker von einer Handlungs- auf eine Reflexionsebene. Weniger der praktische Umgang mit Materialien und Techniken steht dabei im Zentrum, sondern viel mehr das Generieren von Ideen und das Finden einer eigenen Design-Sprache: «Doch, am Anfang, das war einfach wirklich, die haben sehr viel Wert darauf gelegt, dass die kommen und halt schon nähen können und so was, aber ich habe jetzt zum Beispiel eine Technik […] technische Assistentin eingestellt, die zum Beispiel da ist und denen beim Nähen hilft und dadurch […] mir ist es egal, ob die nähen können oder nicht, ich will einfach am Ende eine Kollektion haben, die man, die man zeigen kann, wer das jetzt macht […], es ist wichtig, dass die Idee vom Student ist so.» Wo und wie die Kollektion dann letztlich genäht, d.h. produziert wird, erscheint in diesem Kontext nicht als relevant. Dadurch reiht sich der an zeitgenössischen Kunsthochschulen ausgebildete künstlerische Nachwuchs nahtlos in eine post-fordistische Ökonomie ein, in der Innovation, Kreativität und Wissen die materielle Produktion von Gütern und Dienstleistungen längst abgelöst hat (Hirsch 2001). Die Tertiärisierung und damit Akademisierung schweizerischer Kunstschulen brachte für die vormals ausschliesslich kantonal organisierten Schulen einen neuen Status, dank welchem sie nun auch auf eidgenössischer Ebene institutionelle Anerkennung finden. Das Verlassen der skizzierten Provinzialität führt jedoch auch zu sehr viel höheren Ansprüchen an internationale Wettbewerbsfähigkeit und Reputation: Eine Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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Studienwahl wird als bewusste Entscheidung für das Renommee der Lehrenden sowie der Schule aufgefasst, das sich einem «Schneeballsystem» gleich international ausbreitet, während für eine Entscheidung aus ökonomischen oder pragmatischen Zwängen (wie Nähe zum Wohnort, Vereinbarkeit mit Beruf etc.) kein Bedarf mehr zu bestehen scheint. Kunststudent_innen sind als hoch mobile und flexible Individuen dazu aufgerufen, sich genau das Curriculum, die Hochschule oder diejenigen Lehrpersonen auszusuchen, die ihren persönlichen Präferenzen am ehesten entgegenkommen. Dadurch wird jene Frage ausgeklammert, wer denn überhaupt über die finanziellen Möglichkeiten für ein Studium allgemein und für internationale Mobilität im Sinne des Bologna-Regimes im Besonderen verfügt. Zwar wird auch in der Position Kritik am Bologna-Prozess geäussert, jedoch mehrheitlich an deren bürokratischen Auswüchsen (etwa im Bereich der Mobilität), die paradoxerweise genau jene hyperindividualisierte Subjekte von Student_innen verunmöglichen, die doch durch das Bologna-System erschaffen werden sollten. Gleichzeitig wird jedoch betont, dass sich die internationale Mobilität dank Bologna zwar erhöht habe, aber in den Bachelor-Studiengängen noch auf bescheidenem Niveau verbleibe (im Vergleich zu den Masterstudiengängen). Dass um die Akademisierung der Kunsthochschule eine symbolische Auseinandersetzung im Feld gibt, macht die Befragung deutlich, die an einer Stelle einen «versteckten Kampf um Künstlerbilder» sichtbar macht, den die derzeitige Institution nicht unbeschadet überstehen wird, so die These: «Im Moment läuft ja eigentlich ein versteckter Kampf um Künstlerbilder. Wir vertreten gewissermassen, auch mit den Äusserungen des Rektors, die ich sehr unterstützen möchte, natürlich noch die Vorstellung mit, dass Kunst eine Praxis ist, die, auch wenn sie in Kollektiven oder Gruppen passiert, letztlich mit einer Art von Eigenständigkeit und Einzigartigkeit zu tun hat, dass sie mit den Medienentscheidungen zu tun hat, die jemand trifft, aber primär in unserem Fall auch visuell gedacht ist. Ob sie sich dann visuell äussert […] aber das Denken aus einer visuellen Erfahrung heraus kommt. Und daneben stehen natürlich Leute, quasi, wenn man den Fluchtpunkt, das Künstler_innenbild anguckt, steht dann natürlich die akademisierte Variante, möglichst Kunst als Forschung und möglichst PhD-fähig, d.h. konkret, die müssen auch an einer Uni bestehen können. Und […] ihre Dissertation abliefern und dann darf nebenbei noch gemalt oder gezeichnet werden, aber am Ende geht es um eine wissenschaftliche Karriere mit Nuancen. Und dieses Bild wird natürlich in Zukunft das Dozierendenbild werden der ganzen Kunsthochschulen, ergo wird das ein Selbstläufer und die Tendenz ist gross, dass sich das als selbst-erfüllende Prophezeiung tatsächlich dann einstellt. Meine Einschätzung ganz persönlich ist die, wenn sich die Akademisierung durchsetzt, dann wird, wie im 19. Jahrhundert, eine Fraktion von Künstlerinnen und Künstlern sagen ‹ich habe keine Zeit, Punkte zu sammeln, ich will keinen Doktor machen, ich will mein Ding da durchziehen› und die werden sich ihre eigenen Strukturen wieder bilden. In irgendeiner Sezession, was immer dann die Bezeichnung sein wird.» d) «Eine Mechanik hinter den Kulissen»: ökonomische und institutionelle Imperative Die Aufnahmeverfahren, der Studienverlauf wie auch die Finanzierung der Studiengänge werden durch eine Vielzahl an institutionellen und ökonomischen Imperativen beeinflusst. Auf der systemischen Seite am offensichtlichsten ist dabei der durch die Politik etablierte Numerus Clausus, nach dem eine bestimmte Höchstzahl von Student_innen in einem Studiengang nicht überschritten werden darf. Obwohl dies häufig auch mit Hinweisen auf die finanziellen Möglichkeiten begründet und legitimiert wird, schimmert nicht selten auch eine gewisse Zufriedenheit mit dieser Situation durch: Man arbeitet in kleinen, überschaubaren Gruppen, zusammengesetzt aus den Leuten, die man sich vorgängig in langwierigen Auswahlverfahren ausgesucht hat. Die habituellen Passungsverhältnisse sind bereits hergestellt (vgl. Kap. 4.2.2.d Habituelle Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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Theorien), es braucht kein Sich-Durchsetzen in einer anonymen Masse von Hunderten von Student_innen. Des Weiteren erfolgen durch die Akkreditierung eines Studiengangs nach den Kriterien der Employability inhaltliche Begrenzungen für die Anschlussfähigkeit von erworbenem Wissen. Die Pro-Kopf-Finanzierung von Studiengängen führt zu massiven Einschränkungen hinsichtlich des Aufnahmeverfahrens und der Anzahl Student_innen: Ein durch die Bildungsbehörden festgelegtes «Plan-Soll» definiert, wie viele Bewerber_innen in einen Studiengang aufgenommen werden dürfen bzw. müssen. Werden weniger Leute aufgenommen, verringert sich dementsprechend das Budget; wie eine Professor_in erklärt, werde deshalb die Zahl der aufgenommenen Student_innen hoch gehalten, um dann am Ende des Aufnahmeprozesses (wo immer wieder bereits aufgenommene Studierende abspringen und sich für eine andere Hochschule entscheiden) tatsächlich das erforderliche Minimum durchzubringen, so dass die entsprechenden Finanzmittel gesichert seien; würden hingegen mehr Student_innen als bewilligt zugelassen, bedeutete dies nicht mehr Geld, sondern sinkende Mittel, die pro Kopf zur Verfügung stünden. Auch die Möglichkeiten eines Teilzeitstudiums, das für viele Student_innen, die aufgrund finanzieller Schwierigkeiten und des fehlenden Stipendiensystems einer Erwerbsarbeit nachgehen müssen oder Betreuungspflichten wahrzunehmen haben, eine wichtige Entlastung bringen könnte, werden durch die Pro-Kopf-Finanzierung erschwert: «Und dann muss ich schauen, wie wir diesen Tag in einem vierten Jahr kompensieren können. Wobei der Arbeitgeber das natürlich nicht gerne sieht, weil das dann mehr kostet, oder? Also, dann muss ich wieder schauen, dass die ECTS-Punkte so heruntergefahren sind, dass sie diese dann auch wieder hereinholen kann, was auch nicht immer einfach ist. Also, da ist die zentralistische Finanzverwaltung nicht so gut. Ich hätte das Geld lieber bei mir, dann könnte ich etwas mehr jonglieren, oder?» Student_innen in Teilzeit oder solche, die ein Semester oder Jahr pausieren, belegen trotzdem einen Studienplatz, werden jedoch von den Kantonen nicht vergütet. Dementsprechend stehen sodann weniger finanzielle Mittel zur Verfügung. Zudem bedeuten Teilzeitstudienplätze in einem gleichzeitig extrem verschulten, und andererseits auf individueller Förderung und Ausbildung aufbauenden System einen sehr hohen Verwaltungs- und Logistikaufwand. Wie eine Professor_in zugibt, versuche man daher, dies den Student_innen «auszureden»; oder aber die Studienpläne sind bereits so eng getaktet, dass eine Wiederholung von einzelnen Kursen nur einmal pro Jahr möglich ist, da für ein alternatives Angebot gar nicht genügend Geld zur Verfügung steht. Durch unterschiedlich hohe Beiträge, die für kantonale wie ausser-kantonale Student_innen entrichtet werden, ergeben sich systemische Anreize, mehr Bewerber_innen aus Nicht-Standortkantonen aufzunehmen, um so das eigene Budget zu entlasten. Solche «Regionalismen» verstärken möglicherweise andere, nicht-künstlerische Kriterien bei der Aufnahme in die Kunsthochschulen und unterminieren so die eigens dafür ausgearbeiteten Abläufe und Verfahren: «Eigentlich müssen wir ja nicht Leute auswählen, damit unsere Kasse stimmt. Aber es wird ja Ende Jahr so abgerechnet. Also es wird pro Kopf und es wird pro ECTS, die sie machen – Wenn es jemand aus einem anderen Kanton ist, kriegen wir mehr Geld, wenn jemand aus Zürich kommt, ist es ein Blödsinn. Gott sei Dank ist es so komplex, dass man das nicht kontrollieren kann!» Eine solche Kennziffernsteuerung – die «Mechanik hinter den Kulissen» – schlägt sich auch in immer stärker marktförmig, d.h. nach ökonomischen Imperativen, gestalteten Aufnahmeprozeduren durch. So ergibt sich ein eigentlicher Wettbewerb der einzelnen Kunsthochschulen um Student_innen, die sich für Aufnahmeprüfungen an mehreren Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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Standorten bewerben. Dies wird zwar von den meisten Befragten bedauert, scheint aber gleichzeitig auch deren Entscheidungen zu beschleunigen, damit potenzielle Student_innen nicht an andere Hochschulen «abspringen»: «Es ist nicht unbedingt so, ich glaube nicht, dass man versucht, noch mehr Studierende anzuwerben, die sich dann da bewerben, sondern man versucht die Studierenden, die kommen, sofort zu packen und festzunageln, du bleibst jetzt bei uns.» Dieser immer schärfere Wettbewerb um Student_innen, der sich insbesondere in der Musik, unausgesprochen aber auch in anderen Disziplinen manifestiert, kann mitunter zu paradoxen Situationen führen: Wenn etwa die Soll-Quote für den Anteil internationaler Student_innen übertroffen wird, sinken auch die finanziellen Mittel, da international kein Systemausgleich bei der Studienfinanzierung besteht. So gesehen kann also sowohl Erfolg wie Nicht-Erfolg am «Bildungsmarkt zu Budgetengpässen führen. Internationale Ausstrahlung42 steht in Zeiten der unternehmerischen Kunsthochschule buchhalterischem Misserfolg gegenüber, weshalb – wie ein Befragter ausführt – eine Diskussion über die Kriterien und Messung von Erfolg unausweichlich und zwingend wird. Auf einer inhaltlichen Ebene ist eine Anpassung an die Bedürfnisse und Anforderungen eines späteren (Arbeits-)Marktes durch Kurse und Schulungen in (Selbst-) Management, Marketing oder Privatrecht zu beobachten. Bereitschaft zu hoher Mobilität, tiefen Pensen, Patchworkanstellungen und Flexibilität in der Zeitplanung werden in Kursen und Seminaren als Leitgrössen für spätere Markttauglichkeit präsentiert, wobei häufig die Prekarität solcher Lebens- und Arbeitsformen ausgeklammert bleibt. Der «Markt» wird in der Befragung oft als der Kunst oder der Kunsthochschule Äusseres präsentiert, der erst nach dem Ende des Studiums zu wirken beginnt, und für den die Studierenden mit der adäquaten Identität und Instrumenten ausgestattet werden müssen: «Ich glaube, so gesehen gibt es keinen Affekt gegen den Markt, sondern der Markt, der hat seinen Bereich, den gibt es, der tut seine Sache und die Leute fit machen für den Markt, wenn man die Sprache denn schon wählen möchte, würde heissen, dass man ihnen unheimlich viel Selbstvertrauen und Instrumente an die Hand gibt, mit sich selber ins Reine zu kommen und dann auch zu bestehen, wenn der massive Druck von aussen kommt.»

4.2.6 Unsichtbare und sichtbare Migrant_innen Wie die Codierung der Interviews zeigt, bekommt gerade die als abwesend, fehlend oder unsichtbar wahrgenommene Gruppe, eine besondere Aufmerksamkeit in den Theorien und Soziologien der Ungleichheit: die der Migrant_innen oder Second_as. In den Gesprächen – oft auf Nachfrage – werden diese vielfach als jene definiert, die fehlen: «Was eindeutig fehlt, sind Migrantengruppen. Also der Anteil an Immigranten der zweiten und dritten Generation ist extrem tief.» Gleichzeitig wird mehrfach die Einschätzung geäussert: «Da gibt es natürlich immer mehr Leute, das nimmt zu und das wird sprunghaft zunehmen, da bin ich fest überzeugt, dass die Leute

42 Diese wird häufig am Anteil internationaler Student_innen gemessen, auf den in Jahresberichten offensiv hingewiesen wird (vgl. Kap. 4.2.7 Internationale Wanderer).

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mit sehr verschiedenen und zum Teil sogar in sich verschiedenen Bildungserfahrungen, kulturellen Hintergründen da zu uns kommen werden, das nimmt zu.» Bedeutsam ist eine Beobachtung: «Ja, es hat extrem wenig – Also gut, es hat schon! Es hat Leute, die so dritte Generation sind, wo man gar nicht mehr merkt, dass sie noch einen Migrationshintergrund haben.» Liest man diese und andere ähnliche Passagen genauer, liesse sich resümieren: Sichtbare Migrant_innen, denen man es, die Differenz also gewissermassen ansieht, die ihre migrantische Subjektivität noch verkörpern, fehlen. Im Verlauf der Gespräche gibt es aber in der Mehrzahl der Interviews dann doch von Migrant_innen zu erzählen, die sichtbar geworden oder genauer, auffällig geworden sind. Vorwiegend wird im Singular von der einen Migrant_in gesprochen, die in allen diesen Fällen mit ihrer nationalen Herkunft tituliert wird. Gesprochen wird über «den einen Kurden», «die albanische Sängerin», «ein, zwei Südamerikaner», die die mehrheitsschweizerische Norm bereichern: «Der Migrationshintergrund wurde noch angesprochen: Das ist noch interessant, dass tatsächlich natürlich verschiedenste Kulturen – Also eigentlich die Kulturen, die man in den Maturitätsschulen antrifft, kommen auch zu uns. Also, das geht von Kurden über – Eine Japanerin hatte ich einmal, bis zu Italienerinnen, Spanierinnen. Aber der Hauptharst ist so quasi das Zürcher Establishment.» Diese diskursiv als Ausnahmefälle gekennzeichneten Studierenden werden in kleinen Narrationen präsentiert, was innerhalb der Interviews überproportional häufig bei Studierenden nicht-schweizerischer Herkunft geschieht. Erzählt werden in jedem Fall Ausnahmegeschichten, in wenigen Fällen solche von besonderem und bemerkenswertem Erfolg, in den meisten Fällen solche des Störens oder des Scheiterns. Exemplarisch ist die Erzählung, in der sich exemplarische Zuschreibungen und Haltungen zur Migrant_in in der Kunsthochschule verdichten: «Wir hatten nur den einen Kurden und ich glaube, es war nicht so einfach für ihn. Ich glaube, es geht genauso um den ethnischen Hintergrund, um den Schritt zu wagen, hierherzukommen. Ich würde das sehr begrüssen, aber ich würde jetzt nicht werben gehen. Wir können gar nicht und das grosse Gefälle, das sie von England ansprechen, das haben wir in der Schweiz gar nicht. Und dort, wo es noch so stark von einem ethnischen Hintergrund dominiert ist, dort ist das da nicht so ein Thema. Jetzt kommt mir […] in den Sinn. Die ist auch aus einer bosnischen Familie gekommen und ihre Mutter ist in mein Büro reingekommen und hat gesagt: Ihr müsst meine Tochter nehmen, ich koche dafür für euch. Sie hat die Prüfung nicht bestanden, weil sie den Hintergrund nicht hatte und da haben wir gesagt, wir müssten irgendeine Lösung finden für eine Vorstufe und dann haben wir das wirklich gemacht. Ich war nachher auch nicht 100-prozentig sicher, ob das richtig ist, weil sie bleiben dann trotzdem Exoten.» Diese Passage, die sich für ein diskursanalytisches close reading anbieten würde, folgt einer viele diesbezügliche Narrationen prägenden Logik: Die Student_in mit sichtbarer Migrationsgeschichte, die in die Institution gerät (hier durch die Hintertür gewissermassen, die kochende Mutter), mit deren Interesse und Entgegenkommen sie rechnen kann, hat dann doch nicht «den Hintergrund» (das richtige Wissen, den richtigen Habitus, den kulturellen Hintergrund?) und bleibt Exotin. Konstruiert werden Subjekte, die anders aussehen, anders sind, als das normalisierte studentische Subjekt, das die Kunsthochschule unaufhörlich herstellt: «Those students associated with WP [Widening Participation] struggle to avoid the denigrating subject position of the ‹Other›, the identifiable ‹non-standard› subject of the often Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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derogatory discourses of WP, which are embedded in classed and racialised assumptions about lack and deficit. The discursive constitution of subjectivities is located within debates and policies that generate particular understandings of potential, talent and ability.» (Burke, McManus 2009: 22) Die Exotisierung von Migrant_innen und Second_as, die sichtbar ausserhalb der Norm bleiben und diese bestätigen, steckt auch in dem «desire for diversity» (Ahmed 2006: 7), das an vielen Stellen der Befragung geäussert wird. Mehrfach wird die Beobachtung gemacht, dass Migrant_innen sich im Laufe ihres Studiums zumeist mit dem Prozess ihrer Migrationsgeschichte künstlerisch auseinandersetzen und «ihren eigenen kulturellen Hintergrund für ihre Arbeit benutzt haben.» Diese plausible Wahrnehmung, dass Migrant_innen identitären Zuweisungen in der Kunsthochschule ausgesetzt sind und sich damit zumeist auch künstlerisch auseinandersetzen, kann auch bedeuten, dass sie ein «Gespür für Platzierung» (Bourdieu 2001: 274) entwickelt haben, das auch im Feld der Kunst vordefiniert ist. Dass in diesen Wahrnehmungen innerhalb der Befragung der «kulturelle Hintergrund» der Mehrheit unsichtbar bleibt, stellt eine Asymmetrie her, die näher reflektiert werden sollte. Dass das Sprechen über migrantische Studierende mit wenigen Ausnahmen jede Selbstverständlichkeit vermissen lässt, dass sie in den Gesprächen als jene Ausnahmefälle präsentiert werden, die sie in den (befragten) Kunsthochschulen, wie die quantitative Erhebung zeigt, auch tatsächlich sind, kann als Reflex einer mehrfach bedauerten Realität gelten. (Wobei von den vielen anderen denkbaren Minderheiten kaum ähnliche Fallgeschichten erzählt werden.) Dass Migrant_innen in den Interviews so häufig und so deutlich als defizitär beschrieben werden, weist jedoch auf die in der kritischen Soziologie der Higher Education vielfach beschriebene Ubiquität einer Defizit-Hypothese hin, die minoritäre Positionen als gegenüber der normativen Mehrheit als mangelhaft beschreibt – und daraus edukativen, supportiven oder disziplinären Spezialbedarf ableitet. Auffallend oft zeigt sich in der Befragung eine Dequalifizierung des Könnens und Wissens von Migrant_innen, «die eigentlich irgendwie ein sehr spezifisches und eigentlich auch ein sehr breites musikalisches Können haben und so. Aber gleichzeitig bringen sie irgendwie ganz viel nicht mit, was sie bräuchten, um hier bestehen zu können.» Am deutlichsten wird diese Tendenz, wenn ihnen eine Affinität zur Folklore zugeschrieben wird, die sie allenfalls noch mit den ebenso exotisierten Studierenden vom Land teilen, und an der sie, nachgerade «ausbildungsresistent», festhalten. (Mehr dazu auch im Kapitel 4.2.3.b Exklusive Kunstkonzepte) Dabei werden auch die Second_as und Terza_s der ersten traditionellen Einwanderungsgenerationen der Schweiz angesprochen, die von den kapitalmässig besser ausgestatteten aktuellen Arbeitsmigrant_innen unterschieden werden: «Also gut, die neue, aktuelle Arbeitsimmigration ist ja jetzt ein bisschen eine andere, oder? Aber als Generationen von Handwerkern aus dem Balkan, aus Spanien und so, kamen – Das waren ja nicht vor allem Eltern, die in qualifizierten Berufen arbeiteten. Und deren Kinder sind jetzt auf der Gymnasialstufe und haben zum Teil natürlich nicht – Also, sie hatten ziemlich bildungsferne Zustände zu Hause. Und bei diesen einen Anschluss schaffen zu können, dass sie finden, dies seien attraktive Felder – Und das ist etwas anderes als die Stickdecken und der Hirsch, der hinten an der Wand hängt! Ich war oft bei Eltern zu Besuch!» Dieses hier noch einmal doppelt affirmierte Wissen über die bildungsfernen Zustände der Migrant_innen, das auch Sympathisant_innen einer Öffnung der Kunsthochschule zum Ausdruck bringen, verweist auf die Persistenz eines «educated racism», den die britische Soziologin Sara Ahmed als spezifisch für den «liberal, tolerant and open» charakterisierten Bildungssektor herausgearbeitet hat und der sich als «a way of knowing the other rather than produced by the absence of knowledge (Ahmed, Hunter, Kilic, Swan, Tuner 2006: 86) darstellt. Während nur an wenigen Stellen ein Nicht-Wissen artikuliert wird über die Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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Gründe für die signifikante Unterrepräsentation dieser Gruppen: «Und gleichzeitig, wenn man nachher schaut, wie die Zusammensetzung prozentual innerhalb der Studie und in der Gesellschaft ist, muss man sich ja fragen: Weshalb hat es nicht mehr von diesen Secondos, die hier leben, hier jetzt bei uns? Also, woran liegt das, oder?» In der Befragung wird eine Reihe von sehr dezidierten Theorien dazu formuliert, die die Abwesenheit erklären sollen. Etwa die sehr plausible Theorie einer migrantischen Selbstselektion: «Also, erstens würde ich es nicht auf den Migrationshintergrund beschränken, ich habe das Gefühl, es hat sehr stark damit zu tun, ob man in einem bildungsund kulturaffinen familiären Umfeld aufwächst, das ist auch für Schweizer und Schweizerinnen nach wie vor glaube ich das Hauptkriterium, auf der dann in erster Linie eine Selbstselektion stattfindet und wir selektionieren erst ganz am Schluss in einer sehr langen Selektionskette und ich glaube, die erste Selektion ist eine Selbstselektion, die über natürliche eigene Interessen und Talente, aber natürlich auch über positive und negative Sanktionierung von Familie und Umfeld herrührt. Und viele Migrantinnen und Migranten in der Schweiz oder die Mehrheit gehören nicht zur Gruppe von kultur- und bildungsnahen gesellschaftlichen Gruppen und von daher ist das für mich eigentlich oder wäre das für mich das Hauptkriterium.» Oder die eines «Unterschichts-Syndroms»: «Wir hatten es ja mit der Frage der Secondos und der sozialen Zusammensetzung der Gesellschaft aus den verschiedenen Gruppen und da dürfte natürlich ein Unterschicht-Syndrom bei vielen Secondos eben sein, dass das erste natürlich an der Assimilation nicht ist, einen Job in der Kunst nehmen und da ein sehr hohes kulturelles Potenzial für die einzelnen Menschen aber auch für die Gesellschaft verloren geht, wenn wir das nicht hinkriegen. Insofern würde ich sagen, das ist eine der ganz grossen Herausforderungen, dieses westliche Kunstverständnis zu öffnen, und das schliesst natürlich solche Motivationen ein, klar. Unbedingt.» Auch dies ist eine Passage, die sich zu einer diskursiven Tiefenanalyse anbieten würde, da sich in ihr sehr relevante Argumentationslinien für die kursierenden soziologischen Theorien der Kunsthochschule verschränken. Eine mehrfach geäusserte Erklärung für den Mangel an Migrant_innen in der Kunsthochschule ist jene, dass diese instrumentellere berufliche Interessen hätten, eine Zuschreibung, die traditionell mit der Working und Poverty Class verbunden wurde und sich noch gegenüber den Landbewohner_innen hält: «Wo ich wohne, machen die Leute eher eine Lehre als an die Hochschule zu gehen. Das heisst nicht, dass sie dumm sind, oder? Das ist so Kultur und diese Leute kommen vielleicht manchmal dazu – die sehen: ‹Ja, was werde ich jetzt als Horn- oder Trompetenlehrer eigentlich machen?›, denn das Niveau für die Orchester ist brutal; immer herumzufahren und Gigs zu spielen, am Sonntagmorgen in der Kirche, am Sonntagabend irgendeine Messe irgendwo, an drei verschiedenen Musikschulen angestellt sein. Und da kommen diese beruflichen Sachen: ‹Nein, ich möchte dann› – Das ist eine Art Lebensvorstellung, die dann kommt. Man sagt: ‹Ich möchte das anders machen!›, weil es nicht so sehr das Profil der Kunst-Macher ist. Das sind bodenständige Leute, die einen Beruf lernen wollen. Das gibt es.»

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Diese plausible und scheinbar neutrale Feststellung tendiert dazu, eine problematische Projektion auf unterprivilegierte Studierende festzuschreiben, die sich, wie festgestellt wurde, auch in der Berufsberatung zur Higher Education wiederholt: «[Die Berater] tried to influence them into choosing careers which have clearer vocational routes and more financial security than art and design, betraying both the advisers’ lack of understanding of the discipline, and a possible stereotyping of working class students as interested only in the instrumental benefits of higher education.» (Morley 2005, zit. in McManus 2008: 78) Eine Karriere als «Kunst-Macher» steht, so die von Befragten gemachte Annahme, auch nicht auf der Agenda der Migrant_innen: «Ja, das scheint offensichtlich in ihren Assimilierungsprogrammen, wo sie darin versuchen mitzumachen, kein Thema zu sein, dass die Kinder dann Kunst machen. Das ist wirklich sehr am Rand.» Tatsächlich scheint der sogenannte kreative Sektor für nicht-privilegierte Studierende durch das Versprechen unendlicher, eben auch potenziell sozialer Mobilität von grossem Interesse zu sein, wie eine Expertin für den kreativen Imperativ, Angela McRobbie feststellt: «McRobbie argues that in the highly competitive, de-regulated working environment of ‹the cultural sector› (where most workers are ‹freelance, casualized and project-linked persons›) many people connive in their own ‹self-exploitation› as they pursue self-actualization, in the kind of individualized identity project discussed by Anthony Giddens and others. She suggests that the apparent possibility of self-actualization through creative work may be particularly attractive to those who had previously experienced barriers to fulfilment through their work, including women and members of ethnic minorities; ironically, however, these are the same people who are most likely to be marginalized by new working practices.» (Taylor, Littleton 2008: 200) Alle hier vorgestellten Theorien zur Ungleichheit bleiben mehr oder weniger stark einem Defizit-Modell verhaftet, das für eine Veränderung ungerechter Verhältnisse als wenig hilfreich beschrieben wurde. Sie tendieren dazu, das Problem an die Gruppen ohne gerechte Teilhabe, die die Bildungschancen nicht ergreifen, selber zu delegieren: «A key problem is seen as lying with those who lack the aspirations to capitalise on the range of learning opportunities freely available to all. The discourse of lifelong learning in the UK [und auch andere aktuelle internationale Bildungsdiskurse] is one that favours individualism and ‹instrumentalism, embedded within structures and organisations that are themselves gendered, raced and classed›.» (Jackson 2003: 366) Einfach die Ambitionen der migrantischen Gruppen zu verstärken, könnte zu kurz greifen, sich beschränkend auf «simplistic notions of ‹raising aspirations› leaving hidden intricate operations of power, privilege and inequality.» (Burke 2006: 719) Expert_innen, die sich mit diesen Verschränkungen von Macht, Privileg und Ungleichheit beim Ausschluss von Migrant_innen befassen, plädieren dafür, nicht nur keine einfachen, mitunter auch durchaus gar keine Antworten zu liefern, sondern vielmehr, der ausschliessenden Institution unaufhörlich Fragen zu stellen. Und den Ausgeschlossenen zuzuhören. Das Forschungsdesign von Making Differences 2# müsste dafür die Voraussetzungen schaffen, gerade in der für die Befragten offenkundig wichtigen Frage der Exklusion von Migrant_innen.

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4.2.7 Internationale Wanderer Bemerkenswert ist, dass in zahlreichen Interviews – implizit – eine Unterscheidung zwischen «Kindern von so internationalen Wanderern» und Studierenden mit «richtigem Migrationshintergrund» getroffen wird. Handelt es sich in beiden Fällen um Nicht-Schweizer-Studierende (die im zweiten Fall mitunter einen Schweizer Pass besitzen, aber mehr oder weniger direkt eine Geschichte der Migration aus einem NichtSchweizer Land haben), die in beiden Fällen ihren derzeitigen Lebensmittelpunkt in der Schweiz haben, wird eine deutliche diskursive Linie gezogen. Zum Beispiel wird eine in der Schweiz lebende Studentin aus Deutschland (was der gängigen Definition von Migrant_innen entspricht) nicht als Migrantin definiert, eine aus dem Kosovo stammende Studierende aus der Schweiz wird nicht als internationale Studierende wahrgenommen, während der zum Studieren an der Kunsthochschule in die Schweiz eingereiste Albaner als ein solcher wahrgenommen wird. So stark und selbstverständlich sich dieser feine Unterschied auch artikuliert, so unbestimmt ist er, um beim genannten Beispiel zu bleiben. Es ist nicht klar, bzw. wird es nicht klar ausgesprochen, was der kosovarischen Migrantin fehlt, um sie zur internationalen Studierenden zu machen; und umgekehrt auch nicht, was den albanischen Studenten, der ja auch eine Migrationsgeschichte (vielleicht eine kurze) hat, zum internationalen macht. Nun wäre die semantische Unterscheidung vielleicht nicht weiter relevant, würde sich dahinter nicht eine deutliche Wertung verbergen. Worauf die Interviews hindeuten, ist dieses Mehr, das den internationalen Studierenden zugeschrieben wird, ein Mehr an Kapital. Nicht unbedingt ökonomisches (es wird gerne betont, dass hochbegabte internationale Studierende auf Stipendien angewiesen sind), sondern symbolisches und kulturelles Kapital. Sie verfügen, lässt sich aus verschiedenen Bemerkungen erschliessen, in besonderem Masse vor allem über jenes spezifische Vermögen, das an der Kunsthochschule gefragt ist, nämlich «Potenzial». Internationalisierung, also eine deutliche Repräsentanz von Nicht-SchweizerStudierenden, wird vielfach als institutioneller Imperativ beschrieben. An einer Stelle ganz explizit, in Anspielung auf Arthur Rimbauds «Il faut être absolument moderne» als – temporäre – Strategie der Hochschule post-Bologna: «Also, es scheint mir irgendwie ein Imperativ zu sein, der eben periodisch über einen hinwegfegt und wo nicht ganz klar ist, warum, was diese Internationalisierung bringen soll, weil – Das führt immer – Und das ist auch eines der Probleme, dass Leute nie da sind, ja? Ja, das heisst, man hat irgendwo Studiengänge, die internationalisiert sind, aber man hat permanent Leute, die dauernd unterwegs sind, überall herum, aber nicht dort, wo sie sein sollten. Ich sehe es nicht so richtig, was es ausser symbolischem Kapital bringen soll. Also, das scheint mir der Hauptpunkt zu sein, dass man halt auch international ist. Und Kunst ist international, das gehört zu so einem Muss. Und praktisch gesehen bringt das erhebliche Schwierigkeiten, ja? Und dann das überhaupt umzusetzen ist auch schwierig. Ich sehe es nicht so richtig!» Der Internationalisierung der Institution gegenüber gibt es sehr widersprüchliche Haltungen, die mit der Anzahl der internationalen Studierenden aber mitunter in einem Verhältnis stehen dürften. So sehr ein Studiengang dem Anspruch gerecht wird, so sehr überwiegt eine positive, mitunter euphorische Einschätzung über internationale Exzellenz, die einen Studiengang wie «eine Rakete» in qualitative Höhen trägt. Andere Stimmen äussern sich eher despektierlich über die «internationalen Wanderer»: «Daher kommen Leute aus Abu Dhabi, aus Kasachstan, Chinesen – Und das ist nochmals eine Schwierigkeit, weil diese völlig andere Niveaus haben: andere Kultur, anderes Niveau.» Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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Häufiger als diese Disqualifizierung ist aber die feine Unterscheidung zwischen den über das nötige universale oder globale Wissen verfügenden Internationalen und den auf das Differente und Populäre («Stickdecke und der Hirsch», allenfalls «Breakdance») beschränkten Second_as. Solche Stereotypisierungen riskieren, an den aktuellen, schon lange transkulturellen oder transvisuellen, diasporischen Kulturen vorbeizugehen. So verschieden die Positionen zur Internationalisierung auch sind: Deutlich wird, dass diese jedenfalls keine Migrantisierung bedeutet und – wie nicht wenige Interviews klarstellen – auch nicht bedeuten soll. Dass sich der Fokus auf Internationalisierung aus institutioneller Perspektive sich als nur kurzfristig wirksame Massnahme erweisen könnte, wird von Hochschul-Strateg_innen zumindest erwogen: «Continuing reliance on the recruitment of so-called ‹international students›, however, may prove in time to be a less secure means of bolstering overall student recruitment, of ensuring high quality student output, or of ensuring institutional financial stability. While there is plenty to suggest that international student recruitment will continue to be a significant factor in ensuring the vibrancy of leading Western European higher arts institutions, some parts of the world which have traditionally been seen as net exporters of students are themselves rapidly expanding their own provision and creating world-class resources, and in a changing world, may in time offer significant challenge to longer-established institutions as institutional destinations of choice.» (Ritterman 2010: 41)

4.2.8 Genderpolitiken a) Präferenzen Zuerst einmal fällt auf, dass die Geschlechterverteilung von den meisten Professor_innen als ähnlich beschrieben wird:43 Einerseits gibt es Studiengänge, die überwiegend von Frauen gewählt werden (z.B. Musik und Bewegung, Vermittlung von Kunst und Design oder Restaurierung/Konservierung). Der Frauenanteil liegt dort bei deutlich über 67%. Bei den grossen Studiengängen wie Musik, Fine Arts oder Design finden sich Frauenanteile von 50 bis 67%. Die Disproportionalitäten verschieben sich dort auf die Vertiefungen: Beispielsweise werden Game oder Interaction Design hauptsächlich von Männern gewählt, Style und Design oder Innenarchitektur mehrheitlich von Frauen. In der Musik ergeben sich geschlechtsspezifische Muster ebenfalls nach Vertiefungen, was durch die Rolle der Instrumente sowie die historischen Entwicklungen der einzelnen Musikgattungen (insbesondere des Jazz) erklärt wird. Interessant sind nun für diese Untersuchung in erster Linie die angeführten Erklärungen, weshalb auch nach teilweise jahrzehntealten Bemühungen zur Gleichstellung nach wie vor markante Disproportionalitäten in einzelnen Subfeldern der Kunsthochschule auszumachen sind. Dabei lassen sich verschiedene Erklärungsansätze ausmachen, die im Folgenden kurz vorgestellt werden sollen. Zum einen findet sich etwa die Vorstellung, dass die Geschlechterpräferenzen für einen bestimmten Studiengang oder eine Vertiefung bereits durch die entsprechende schulische Vorbildung gemacht werde: Die Berufsmatur sei (noch) nicht der gängige Weg eines Mannes, der sich gestalterisch weiterbilden möchte, während das Gymnasium durch die Scheidung der Profile (etwa Naturwissenschaft vs. bildnerisches Gestalten) zu geschlechtsspezifischen Präferenzen führten, die sich dann auf der Stufe der Hochschule lediglich reproduzierten. Wie in anderen Fragen auch (vgl. das Kapitel 4.2.2 Theorien und Soziologien der Ungleichheit) gelingt es so, eigene Verantwortlichkeiten unsichtbar zu

43 Keine der befragten Professor_innen problematisiert diese duale Einteilung, was dafür spricht, dass die institutionelle Genderpolitik hauptsächlich als Gleichstellungspolitik von Mann und Frau wahrgenommen wird.

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machen. Eine ähnliche Struktur der Argumentation findet sich etwa für den Bereich der Musik, wo die Musiklehrer schon früh den kleinen Mädchen die grossen Trompeten wegnehmen würden – ein Umstand, an dem eine Kunsthochschule nichts ändern könne, zumal dies auch nicht ihre Aufgabe sei. Andererseits wird in klassisch differenztheoretischer Annahme festgehalten, dass Mädchen empfänglicher für Vorbildung seien: «Was ich da meine, ist: Ich glaube, Skateboarding und solche Sachen sind vielleicht eher Thema als stundenlanges Celloüben und so, bei den Männern. Ob das jetzt mit Förderung zu tun hat oder nicht, aber das sind so ein bisschen Sachen, was Vorbildung angeht.» Nicht nur bezüglich Vorbildung, auch in den Aufnahmesituationen werden Frauen als motivierter und zielorientierter wahrgenommen: Während für Männer die Wahl eines bestimmten Studiengangs häufig nur eine Option unter vielen sei, seien die Bewerbungen von Frauen ernsthafter, die Motivationsberichte klarer und die Portfolios seriöser. Ein entsprechendes Setting an den Aufnahmeprüfungen soll deshalb den «jungen Frauen» auch ein möglichst angenehmes Umfeld bieten: «Sie müssen diese Prüfung absolut freundlich und sich aufgenommen fühlen, denn das sind wirklich 18- bis 19-jährige Mädchen, eigentlich. Also ich meine, das darf ich sagen, mit 56 sind das wie Töchter. Und die Idee ist die, finde ich: Sie müssen sich aufgehoben fühlen, sie müssen sich ernst genommen fühlen, sie müssen sich fair behandelt fühlen und nicht zuletzt müssen wir auch froh sein, dass sie kommen, oder? Denn wenn sie nicht kommen, gibt es uns auch nicht.» Nicht ohne Paternalismus müssen deshalb die «Mädchen» vor den lauten, heftigen und impulsiven «Knaben», die «keine Sensibilität für Mensch und Raum» aufweisen, geschützt werden, was unter anderem durch Etablierung nicht-formalisierbarer und vor allem nicht-künstlerischer Kriterien geschieht: implizites Wissen, Umgangsformen oder Körperhaltungen (vgl. das Kapitel 4.2.2.d Habituelle Theorien). Auch herrschen nach Einschätzung vieler Befragten nach wie vor unterschiedliche Selbstverständnisse unter den Geschlechtern, was spätere Berufsbilder oder Lebensstile anbelangt: Männer wünschten sich eher grössere Pensen, wollten gut verdienen und eine Familie ernähren. Für Frauen hingegen sei Geld weniger wichtig, dafür umso mehr «Flexibilität und solche Sachen». Dies geschieht bereits im Elternhaus, etwa wenn der Vater nach dem konkreten Nutzen einer Ausbildung auf dem Arbeitsmarkt verlange. Nach dieser Argumentation konzentrieren die Söhne ihre Bildungsinvestitionen eher auf Informatik oder Ingenieurwissenschaften, während sich dann die Töchter für sinnlichere Disziplinen wie Kunst oder Musik entscheiden.44 Die wenigen Männer, die trotzdem für ein Kunststudium optieren, zeichneten sich demgegenüber durch einen grösseren Durchhaltewillen sowie Risikobereitschaft aus, weshalb sie auch häufiger die relevanten Karrieresprünge machten und dadurch die dominierenden Positionen im Feld einnehmen würden. Solchen biologistischen Erklärungsversuchen, die häufig indirekt in Form von Beispielen oder Metaphern ausgesprochen werden, stehen differenziertere, auf die soziale Konstruktion von Geschlecht und Körperlichkeit abzielende Deutungen entgegen. Insbesondere werden dabei verschiedene Formen von Männlichkeit analysiert, welche aufgrund von Ausschliessungen und negativer Stigmatisierung zur (Nicht-)Teilnahme von Männern in spezifischen Studienbereichen führen: Die Unmöglichkeit von tänzerischer Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper jenseits der als «Sport» sozial akzeptierten Formen (wie z.B. Breakdance) für das Beispiel Musik und Bewe-

44 Die Haltung der Mütter ist in dieser Theorie nicht relevant.

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gung; grosse Anforderungen an Kompetitivität («höher – schneller – weiter»), die sich sowohl auf die Kunstform des Jazz selbst («auf der Bühne») als auch auf deren Begleiterscheinungen («neben der Bühne») wie männerbündische Rituale und eine fehlende Thematisierung in der Disziplin selbst («da herrscht kaltes Lächeln») erstrecken; oder das in der Befragung konstatierte Fehlen von heterosexuellen Männern im Bereich Mode-Design. b) Gender als Normalisierungspolitik Für die konstatierten und teilweise auch erklärten Disproportionalitäten in der Verteilung der Geschlechter werden sodann auch einige Gegenmassnahmen vorgeschlagen, die sicherlich auch als Resultate der institutionalisierten Genderpolitiken betrachtet werden können. So verweist etwa eine Professor_in darauf, dass Vertiefungsleitungen und andere Führungspositionen bewusst mit Frauen besetzt würden, gerade auch in «klassischen Männerdomänen», um damit andere Rollenbilder zu vermitteln. In eine ähnliche Richtung tendiert der Vorschlag, erfolgreiche Absolventinnen oder Studentinnen eines bestimmten Studiengangs als Trägerinnen einer bestimmten Vorbildfunktion zu positionieren, um damit gezielt junge Frauen aufmerksam zu machen. Von mehreren Professor_innen wird auch darauf hingewiesen, dass bei den Aufnahmekommissionen auf eine ausgewogene Verteilung der Geschlechter geachtet wird: «Das bedeutet, dass wir in der Aufnahmekommission klar darauf achten, dass es immer gemischt ist, dass es nie einfach ein reines – Ich glaube, einmal war es eine reine Frauenjury. Sonst war es aber immer gemischt, und es hatte nie eine reine Männerjury. Also, darauf achten wir, aber es ist nicht so, dass man sagt, man müsse ein ausgewogenes Klassenbild haben.» Auffallend ist hier, dass zwar die «reine Männerjury» problematisiert wird, nicht jedoch die «reine Frauenjury», wobei implizit und unausgesprochen angenommen wird, dass Männergremien für diskriminierende Haltungen und Entscheidungen verantwortlich sein können, während dies für Frauengremien nicht angenommen wird. Dahinter verbirgt sich in diesem und anderen Beispielen die Annahme, dass für Frauen besondere Bedingungen gelten müssen, damit sie diese Hürde der Selektion überwinden können. Eine solche Defizitperspektive auf Weiblichkeit, die möglicherweise in vielen Fällen institutionalisierter Gleichstellungspolitik als Ausgangspunkt genommen wird, impliziert stets, dass Frauen (oder Mädchen) etwas fehlt, weshalb diese nur durch bestimmte Förderungen, Ausleseverfahren oder andere Kompensationsmassnahmen dasselbe wie Männer (oder Knaben) erreichen können: seien es Mut, Risikobereitschaft, soziale Netzwerke oder Fähigkeiten und Wissen. Ähnlich problematisch erscheint nun der Vorschlag einer Professor_in, junge Frauen in der Werkstatt «fit [zu] machen»: «Also, wir haben ja zum Beispiel grosse Werkstätten, wo wir mit Holz, mit Metall – dass wir dort die Frauen fit machen, dass sie dort als gute Vorbilder – Man kann auch in einem technischen Bereich – muss es nicht unbedingt immer ein Mann sein, wie das früher der Fall war. Also, dort versuchen wir – Also, ich versuche auch mit meinen Dozenten darüber zu sprechen. Ich versuche, den Frauen die Angst davor zu nehmen, in der Werkstatt.» Auch hier werden die weiblichen Studierenden aus einer Defizitperspektive betrachtet, nach der sie – um den Abstand auf die Männer aufholen zu können – besondere Förderung im technischen Bereich, bei Holz und Metall bedürfen, um die gleichsam natürlichen Nachteile wettmachen zu können. Ihnen gilt es die Angst zu nehmen, sie gilt es durch spezifische Förderungspolitiken zu normalisieren, d.h. den männlichen Studierenden anzugleichen, und nach Möglichkeit als Vorbilder für jene anderen zu Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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präsentieren, denen dieses Quasi-Angeborene fehlt. So wird allerdings nicht nur eine zu einseitige Perspektive auf die Dimension Geschlecht vorgeschlagen, die den tatsächlichen Ungleichheitsstrukturen im Feld der Kunsthochschulen nicht wirklich gerecht werden kann. Dabei wird auch vergessen, dass längst nicht nur bestimmte Weiblichkeiten, sondern auch ganz bestimmte Männlichkeiten und andere Genderidentitäten von den vielen Möglichkeiten einer Kunsthochschule de facto ausgeschlossen bleiben. c) Männliche Herrschaft in einem verweiblichten Feld Auf der Stufe der Dozent_innen kehrt sich das Verhältnis Frau-Mann um,45 was zumindest von zwei Befragten angesprochen wird, ohne dafür jedoch Erklärungen zu präsentieren. Dieses Nicht-Problematisieren von geschlechtlichen Hierarchien in der eigenen Institution verweist auf die Hartnäckigkeit der männlichen Herrschaft in gesellschaftlichen Feldern, die bisweilen pejorativ als weiblich oder verweiblicht gelten (vgl. Bourdieu 2005). Dies wird unter anderem als Erklärungsgrund dafür verwendet, warum gerade in Studiengängen mit teilweise pädagogischer Ausrichtung wie Vermittlung von Kunst und Design oder Musik und Bewegung sehr hohe Frauenanteile aufzufinden sind: «Wahrscheinlich ist das dann schon eine Beeinflussung. Es sind sicher gewisse Rollenmodelle, aber das ist ein Problem der ganzen Bildung, die einfach eine Frauenangelegenheit geworden ist oder wird.» Mit Attributen wie «Problem» oder «extreme Verweiblichung» wird dieses Phänomen denn auch einer deutlichen Wertung unterzogen. Buben würden sich von weiblichen Vorbildern nicht angesprochen fühlen und wählten deshalb bestimmte Studiengänge nicht. Auch eine genderspezifische Ausprägung von Konkurrenzdenken wird zur Erklärung herbeigezogen: «Ich möchte nicht verallgemeinern, aber es gibt so ein bisschen Konkurrenz und so – Also, Männer haben so eine gewisse Art, die einfach in der Schule pauschal gesagt nicht mehr willkommen ist.» Durch solche Äusserungen, die an den medialen Diskurs von Jungen als Bildungsverlierer anschliessen (vgl. Forster 2009), gelingt es manchen Professoren, ihre eigene Position in einem Feld unhinterfragt zu lassen, in dem sich zwar tatsächlich eine Mehrheit von Frauen findet, in der jedoch gleichzeitig auch die hegemonialen Positionen (Professoren, Rektoren, Vorsteher von Bildungsämtern, Bildungspolitiker sowie Erziehungsdirektoren) nach wie vor fest in Männerhand geblieben sind. Dass sich der Erfolg von Gleichstellung auch in der Kunsthochschule nicht unbedingt an repräsentativen Verhältnissen bemisst, beweisen aktuelle Untersuchungen zu Frauen im Feld der Kunsthochschule (Luzern, Berlin, Wien). Diese zeigen, dass sich trotz geänderter Mehrheitsverhältnisse strukturelle Diskriminierungen fortsetzen – und dass, «far from taking over, universities continue to be male-centered institutions» (Quinn 2003: 21). Die Komplexität der Produktion von Ungleichheit und Ungerechtigkeit lässt sich gerade auch im Hinblick auf Geschlechterfragen verdeutlichen, da auf der einen Seite von einer Feminisierung der Kunsthochschulen die Rede ist, aber nur jede 50. Frau «den Sprung zur Künstlerin» schafft, im Gegensatz zu jedem 5. Mann. (Frauen und Männer auf der Kunstlaufbahn 2010: 18)

45 Ein Beispiel, welches diese Diskrepanz untermauert: Nur fünf der neunzehn befragten Personen sind Frauen.

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4.2.9 Einschätzungen und Erfahrungen zu Widening Participation Das nunmehr 15-jährige Forschungsprogramm Widening Participation an Kunsthochschulen in Grossbritannien, das durch vielfältige Interventionen eine Diversifizierung der Hochschule herzustellen und gleichzeitig kritisch zu hinterfragen versucht, stellte eine wichtige Referenz für Making Differences dar. In den Interviews wurde das Programm und seine Intentionen den Befragten vorgestellt, um zu erfahren, wie sich die Bachelor-Leitungen dazu positionieren. Und, darüber hinaus, ob es in den Fachbereichen eigene Aktivitäten gibt, die in ähnliche Richtungen weisen. Überwiegend stiessen die Konzepte von Widening Participation auf eine positive Resonanz, die in vielen Fällen allerdings vage blieb (was auch damit zu tun hat, dass am Ende des einstündigen Interviews kaum genügend Zeit blieb, um das vielschichtige Programm ausreichend vorzustellen). Vor allem dem forschenden Part wurde eine grosse Bedeutung zugemessen (was natürlich auch reine Höflichkeit uns Forschenden gegenüber bedeuten kann). Dem aktionistischen Teil – um die komplexen Aktionen zur Öffnung des universitären Raums im Rahmen von Widening Participation salopp zu bezeichnen – kam mehr Ambivalenz entgegen. Mehrheitlich wurden diese zwar grundsätzlich begrüsst, mit der eigenen Arbeitspraxis jedoch nur teilweise in Verbindung gebracht. Ausserdem wurde mehrfach die Effizienz von exemplarischen Aktionen in Frage gestellt und vor «Doppelstrukturen» gewarnt. In vielen Fällen wurde im Gespräch über Widening Participation die Rolle der primären und sekundären Schule, wo gerade Kunst «randständig» würde, und die Notwendigkeit von Veränderungen in diesen Bildungsinstanzen betont, die primär für Ausschlüsse verantwortlich sind. Bereits in der einen oder anderen Form für mehr Durchlässigkeit engagierte Bachelor-Leiter_innen nahmen hier eine andere Haltung ein. Kritisch betrachtet wurde eingeworfen, dass solche Initiativen von «oben» oder «zentralistisch» gesteuert werden könnten, was deren Wirksamkeit in Frage stellen würde. Engagiertes Interesse für Widening Participation kam sowohl von demokratisch-emanzipatorisch und für mehr soziale Gerechtigkeit eintretenden als auch eher marktorientierten Positionen, die sich dadurch «neue Kundschaft» erhofft, von den Modernisierungs-Befürworter_innen in Richtung Exzellenz, Internationalisierung, Akademisierung, wie den Bewahrer_innen der so erinnerten, inklusiveren «alten» Kunsthochschule. In bestimmten Fällen kam es zu einer aggressiven Ablehnung von Widening Participation, das mit Quoten-Regelungen in Verbindung gebracht wurde. «Solche Programme mit ihrer Forschung und Zeugs» führten zu fatalen «Kontingentierungssystemen»: «Es muss so viele Schwarze geben, es muss so viele Behinderte geben, es muss so viele Frauen geben – Es ist verrückt. Also, die Royal Academy of Music wurde letztes Jahr bestraft, weil sie nicht so viele schwarze Studierende umfasste. Also, es ist jenseits! Dann haben sie Ausländer, die so teuer zahlen müssen. Sie dürfen nur so viele Ausländer haben. Wenn man so ein System einführt, dann braucht man plötzlich Kundschaft in gewissen Segmenten, die gar nicht vorhanden sind.» Eine Partizipation dieser «Kundschaft» stört ein funktionierendes System, das bisher exzellente Ergebnisse gebracht habe: «Dann muss ich plötzlich, wenn ich Studierende haben möchte, einem Haufen Leute absagen, und ich muss massiv Programme starten in Bereichen, wo ich Leute irgendwie auftreiben und so fördern muss, dass es in Frage kommt. Da muss man einfach sagen: Was soll sich daraus ergeben? Es ändert die Welt dort draussen nicht!» Die Vorstudie von Making Differences hat für uns hingegen deutlich gemacht, dass es relevant ist, weiter zu erforschen, wie eine weitere Öffnung der Kunsthochschule gegenüber der «Welt da draussen» zustande kommen kann.

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4.3 Ergebnisse der Bedingungsfeldanalyse Eine Aufgabe der Vorstudie bestand darin, das Bedingungsfeld für eine anschliessende vertiefende Erforschung der Fragestellungen zu untersuchen. Das hiess zunächst, die Kontexte, in denen sich eine solche Untersuchung situiert, zu erkennen und die Akteure, Aktivitäten oder Veröffentlichungen zu erfassen. Für ein Forschungsvorhaben zu Ungleichheit im Feld der Kunsthochschule relevant sind dabei aus unserer Sicht einerseits die Aktivitäten der Gleichstellung und des Qualitätsmanagements, die beide aus ihrer jeweils spezifischen Perspektive wichtige Informationen zu Einschlüssen und Ausschlüssen erarbeitet haben. Beide Bereiche wurden bereits ganz zu Anfang der Vorstudie einbezogen. Bei dem Versuch, die (Daten-)Lage zu sondieren, waren die von der Gleichstellung vorliegenden Studien wie die Erfassung aller Erhebungen durch das Qualitätsmanagement von grossem Interesse. Dass trotz der von vielen Seiten bemerkten Inflation von Befragungen (primär der Studierenden) dennoch valide, vergleichbare und tiefer gehende Daten zur sozialen Zusammensetzung allein schon der Studierenden fehlen, ist eine allen Beteiligten bewusste Tatsache, der Making Differences mit den Erhebungen ein erste Initiative entgegensetzt. Eine Initiative, die allerdings von der Forschung her gedacht ist, gleichwohl einer engagierten und an Veränderung und Entwicklung interessierten Forschung, und nicht von Hochschulmanagement oder -politik. Dennoch hoffen wir, dass die Vorstudie für beide Bereiche von Interesse sein wird. Nachdem es geteilte Interessen gibt, war für uns eine Allianz mit den Gleichstellungsbeauftragten ein grosses Anliegen, die auch an den anderen Kunsthochschulen gesucht wurde. Ein weitergehendes Forschungsprojekt zur Ungleichheit sollte aus unserer Sicht auf dieser Kooperation basieren, diese noch weiter ausbauen. Seltener vorhanden noch als Datenmaterial sind wissenschaftliche Untersuchungen in der Schweiz, die – soweit unsere Recherchen ergaben – sich bislang vor allem auf genderspezifische Ungleichheiten konzentrierten (mit Ausnahme einer noch nicht veröffentlichten Studie an der Kunsthochschule in Luzern). Das weitere Forschungsumfeld, also erste internationale Untersuchungen zum Feld der Kunsthochschule, wie nationale und internationale Forschungen aus der Bildungs- und Kunstsoziologie, wurden aufgearbeitet und mit einigen Beteiligten Kontakt aufgenommen. Die Identifikation von möglichen Forschungspartner_innen und deren jeweiligen Interessen für ein weiterführendes Projekt wurde ausgehend von den an der Voruntersuchung beteiligten Kunsthochschulen begonnen, bei denen ein grundsätzliches Interesse zur weiteren Erforschung der Fragestellungen besteht. Wie übrigens auch an der Kunsthochschule Luzern, die bei einer möglichen Fortführung der Forschung zur Kooperation bereit ist. Auch international wurden interessante Forschungs- und Kooperationspartner gefunden, allen voran eine Forschungsgruppe zu Ungleichheit an der Akademie der bildenden Künste in Wien, der sich das Initial zu Making Differences (und auch der Titel der Vorstudie) verdankt. Das Interesse, das die Fragestellung national und international findet, verspricht für ein mögliches anschliessendes Forschungsprojekt einen vielstimmigen Resonanzraum. Durch die Bedingungsfeldanalyse hat es sich gezeigt, dass ein Forschungsprojekt den sehr spezifischen Kontexten der einzelnen Fachbereiche und Disziplinen vom Forschungsdesign gerecht werden müsste, falls, wie bei der Vorstudie, auch alle Bereiche vom Theater über die Konservierung bis zum Jazz mit in die Untersuchung einbezogen werden sollten. Die von uns im Vorfeld unterschätzte Komplexität einer alle Disziplinen und ihre Logiken umfassenden Untersuchung ist durch die Vorstudie offenkundig geworden. Gleichzeitig liegt in der Verschränkung von transversalen, alle Disziplinen betreffenden und sehr (fach-)spezifischen Fragestellungen aus unserer Sicht eine interessante Herausforderung für eine zukünftige Forschung. Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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Für ein breit angelegtes Forschungsprojekt, für das es von Beginn der Vorstudie an bereits erste Konturen gab, besteht, wie die Bedingungsfeldanalyse ergeben hat, auch Interesse seitens des Bundesamts für Berufsbildung und Technologie, das ein langjähriges Forschungsprogramm zu Gleichstellung initiiert hat.

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Forschungsperspektive

Im Falle einer positiven Evaluierung der explorativen Studie ist ab 2012 geplant, die komplexen Konfigurationen von sozialer Ungleichheit an Kunsthochschulen und ihre Effekte auf Individuen und Institutionen zunächst im nationalen Rahmen zu untersuchen. Gefragt wäre eine in Kooperation möglichst vieler Schweizer Kunsthochschulen unternommene Untersuchung von Praktiken und Politiken der Exklusion und Inklusion und von deren Effekten, nicht nur auf die Individuen, sondern auf die Institutionen und das Feld selber. Damit verbunden wäre eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit den kunst- und kunsthochschulspezifischen Ein- und Ausschlüssen, die vielleicht nicht nur den Ansprüchen einer öffentlichen Bildungsinstitution an Gerechtigkeit, sondern auch den Anforderungen einer global erfolgreich agierenden Kunsthochschule widersprechen: «It seems likely that those institutions that are able to diversify their student base in ways such as this will be well-positioned to maintain the type of critical mass necessary to support continuing activity as a dynamic higher education enterprise.» (Ritterman 2010: 41) Aus unserer Sicht lassen sowohl Ergebnisse der qualitativen als auch der quantitativen Erhebung eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema wünschenswert und wichtig erscheinen. Eine Perspektive, die auch (fast) alle Befragten teilen, so unterschiedlich ihre Positionen auch sind. Wie die langjährige intensive Praxis in Sachen Widening Participation in Grossbritannien zeigt, ist eine fundierte wissenschaftliche Auseinandersetzung als kritische Begleitung von allen Aktionen in Sachen Diversifizierung von entscheidender Bedeutung. Eine befragte Dozentin bekräftigt diese Forderung und meint, langjährige Forschungsvorhaben «wären Desiderate oder das wären wichtige Punkte, die man jetzt in dieser Praxiseuphorie, die sich eingestellt hat, nicht vergessen sollte. Also wirklich eine wissenschaftliche Begleitung und eine Sicherstellung für eine Langfristigkeit oder auch eine Nachhaltigkeit.» Während sich diese Vorstudie exemplarisch auf zwei Akteur_innen im institutionellen Gefüge, Studierende und Lehrende im Bereich Bachelor, konzentriert hat, sollte eine weiter gehende Forschung der Komplexität von Konfigurationen der Ungleichheit gerecht werden. Sie müsste unterschiedliche Erfahrungen von Benachteiligung sowie Privilegstrukturen in verschiedenen Ebenen, Zonen und Winkeln der Hochschule, in verschiedenen organisatorischen, administrativen und selbstverständlich auch lehrenden Bereichen und in diskursiven, aber auch performativen oder visuellen Praktiken sichtbar machen. Gefragt wäre unserer Ansicht nach ein dementsprechend vielschichtiges Forschungsdesign, das transversale, verschiedene Institutionen und deren sehr diverse Fachbereiche verbindende, wie auch partikulare, fachspezifische Fragestellungen in Verbindung bringen lässt. Nachdem die Vorstudie deutlich gemacht hat, wie komplex eine Untersuchung von so verschiedenen Fachbereichen, ihrer spezifischen Theorien oder Geschichten Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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ist, müsste ein Forschungsprojekt die entsprechenden Ressourcen an Wissen und Mitteln für eine Auseinandersetzung mit allen Disziplinen einplanen oder, was uns auch legitim erscheint, sich auf einzelne Fachbereiche konzentrieren. Da, wie die subjektiven Soziologien der Befragten auch deutlich gemacht haben, Ein- und Ausschlüsse auch ausserhalb der Kunsthochschulen produziert werden, müsste eine Erforschung von Ungleichheit unbedingt auch andere Instanzen und Institutionen einbeziehen, um die «Selektionskette» zu erforschen – und um sie zu durchbrechen. Ohne die in der aktuellen Bildungssoziologie vielfach nachgezeichneten primären und sekundären Herkunftseffekte zu unterschätzen, die schon im Kindergarten zu einer Schliessung führen: Die Effekte der Widening-ParticipationProgramme zeigen, dass es das Potential zu Veränderungen an der Kunsthochschule selber durchaus gibt. Indem Strukturen des Ausschlusses sichtbar und diskutierbar gemacht werden, werden sie auch potenziell transformierbar. Im Sinne einer engen Verzahnung von Forschung und Entwicklung soll das gewonnene Wissen für die Institution Kunsthochschule und die Felder Kunst und Bildung im Vorhaben produktiv gemacht werden. Dies soll zum einen durch einen partizipativen Forschungsansatz und die damit verbundene Entwicklung von Interventionen, etwa in Kooperation mit Schulen (Sekundarstufe) als Teil des Forschungsprozesses gewährleistet werden; andererseits durch eine kunstbasierte Forschung, die für die Intention, über die Produktion von Evidenz hinauszugehen, adäquate Herangehensweisen und Verfahren finden könnte. Wenn Erweiterung der Teilhabe der Gegenstand einer nachfolgenden Untersuchung ist, dann spricht aus unserer Sicht vieles dafür, dies auch im Forschungskonzept und -prozess selber zu praktizieren: «Widening participation may also mean that we need to widen participation in the research conversation and realise that – in this complex field – planned, hierarchical and top-down research is not the only approach.» (Inclusive Practices 2011: 24) Konkret könnte das für ein weiterführendes Projekt bedeuten, Methoden der partizipativen Aktionsforschung (PAR) anzuwenden, die «auf Problemlösung und Transformation durch die Erforschung von im Arbeitsalltag entstehenden Fragen durch professionell Handelnde, allein oder im Team, setzen. Zentral für diese Ansätze ist die Aufwertung des Wissens von PraktikerInnen gegenüber ausserhalb der konkreten Arbeit generiertem ‹ExpertInnenwissen›» (Landkammer 2012: 200). An der Untersuchung der Institution Kunsthochschule sollten Praktiker_innen aus dem Feld nicht nur als Beforschte, sondern auch als Forschende beteiligt sein, «involved in research debates while at the same time taking steps to enhance their practice and solve issues arising from or within day to day teaching and learning encounters.» (Inclusive Practices 2011: 24) Diskussionen mit Dozierenden der Kunsthochschule, konzipiert als Weiterbildungsveranstaltungen, wären eine Form, die die partizipative Forschung in Making Differences #2 annehmen könnte. In die Recherche zu den vielfältigen Ungleichheiten im Feld, die mitunter «unmittelbar mit den Funktions- und Überlebensinteressen der Organisationen verwoben sind» (Gomolla: 2005: 263), sollten Praktiker_innen, die ein anders situiertes Wissen mitbringen bzw. herstellen, ausserhalb der Institutionen miteinbezogen werden. Denkbar wäre etwa, mit Schüler_innen an einer Institutionen-Ethnografie zu arbeiten, die Ansatzpunkte für eine kritische Selbstreflexion und mögliche Transformation liefern könnte. Von den Projektpartner_innen der Kunsthochschulen Genf und Bern kam die Anregung, in dieses Forschungssetting neben den Schüler_innen auch Studierende des Lehramts einzubeziehen, nicht nur der bildenden Kunst, sondern auch der Schulmusik und Theaterpädagogik. Ein aktuelles Beispiel für ein solches kollaboratives und partizipatives Vorhaben ist das bereits erwähnte Projekt Tate Encounters, das die britische Kunstinstitution einem vielstimmigen Prozess der Analyse und Kritik unterzog, an dem von Tate Britain tenMaking Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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denziell ausgeschlossene (und vergeblich umworbene) Protagonist_innen, wie migrantische Jugendliche als Co-Researcher beteiligt waren. Eine andere Referenz für eine partizipative Forschung speziell im Bildungsbereich wäre das kunst- und kulturpädagogische Projekt Facing the Differences, das die Leitfrage: «Welche Bedeutung haben Widersprüche und Differenzen in Subjekten und Gesellschaft für die Entwicklung eines pädagogisch-professionellen Selbstverständnisses?» durch ein «Forschungskollektiv aus Schüler_innen, Studierenden, Lehrer_innen und Universitätslehrenden» bearbeitet (vgl. Ortner, Thuswald 2011). Die partizipative Forschung soll mit Formen des Artistic Research einhergehen, etwa mit künstlerischen Interventionen an der Kunsthochschule, an denen Student_innen oder Schüler_innen mitarbeiten. Dabei wären an kollaborativer Wissensproduktion interessierte künstlerische Positionen ebenso relevant wie durch soziologische Theorie beeinflusste konzeptuelle Arbeiten, die seit den 1960er-Jahren Kritik an Institutionen und Praktiken des Kunstfelds wie auch der Wissenschaft leisten. Von diesen historischen und aktuellen Positionen könnte eine kunstbasierte Forschung zu Ungleichheit im Feld der Kunsthochschule ausgehen, die – auch das wäre ein weiterer interessanter Aspekt – selber historische Vorläufer hat, wie etwa das «Student Community Action Resources Programme (SCARP), einer von Studierenden und jungen Lehrenden gegründeten Organisation, die die Situation an unterschiedlichen Kunstschulen in England und Schottland politisieren sollte» (Holert 2010: o. S.). An diesem Punkt würde das Forschungsprojekt gegebenenfalls auch aktuelle studentische Initiativen zur Mitarbeit einladen. Das vorgeschlagene Konzept, das zu Beginn von Making Differences für ein weiterführendes Forschungsprojekt gemacht wurde und das eine Kombination von soziologischen, partizipativen und künstlerischen Methoden beim «Doing Institutional Ethnography» (Campbell, Gregor 2002) vorsieht, erscheint uns nach Durchführung der Vorstudie noch genauso sinnvoll. Die Vielgestaltigkeit von Ungleichheit und Ungerechtigkeit sichtbar und damit transformierbar zu machen, verlangt aus unserer Sicht auch eine Vielfalt von Methoden, die sich nicht nur auf den empirischen Beweis verlassen oder die nicht alleine dem statistischen Durchschnitt, sondern auch dem exemplarischen Einzelfall, den Geschichten erfolgreicher Emanzipation (wie Jacques Rancìeres Kritik an Bourdieus Empirieproduktion und vor allem seiner Habitustheorie vorschlägt; vgl. Sonderegger 2010) Raum verschaffen. Was eine weitere Erforschung aus unserer Perspektive notwendig macht, sind nicht nur die empirisch belegbaren Ausschlüsse, sondern vor allem auch die dazu existierenden impliziten Theorien, die einer Öffnung der Kunsthochschule, die global agieren möchte, entgegenstehen. Eine Untersuchung der Effekte des Um- und Weiterbaus der Kunsthochschulen erscheint sehr relevant, nachdem die qualitative Befragung auf brisante Aushandlungsprozesse innerhalb der Kunsthochschulen aufmerksam gemacht hat, in der die Verschiebung von bislang kanonischen Setzungen und Vereinbarungen deutlich wird. Gerade eine Forschung, die auch die spezifische Geschichte der Kunsthochschule in der Schweiz (mit den Traditionen von Kunstgewerbeschule und École des Beaux-Arts) in den Blick nimmt, und darüber hinaus die theoretischen Konzeptualisierungen zu den Feldern Kunst, Hochschule und Kunsthochschule, hat die Chance, diese höchst aktuellen Auseinandersetzungen besser zu verstehen.

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Resümee

Wichtigste Ergebnisse der quantitativen Erhebung Das Durchschnittsalter liegt beim Eintritt in eine der drei Kunsthochschulen bei rund 22 Jahren, während der Anteil älterer Student_innen relativ gering ist – lediglich 3,3% der befragten Erstsemestrigen sind bei Studienbeginn 30 Jahre oder älter. 49% der Kunsthochschulstudent_innen absolvierten das Gymnasium, während nur 16% über eine Berufsmaturität verfügen. Im Durchschnitt weisen dagegen nur 31% aller Fachhochschulstudierenden eine gymnasiale Maturität auf, während 38% über eine Berufsmaturität verfügen. Vor Aufnahme des Studiums durchliefen zudem knapp über 70% der Erstsemestrigen eine zusätzliche künstlerische Vorbildung, die nicht Bestandteil des obligatorischen Schulunterrichts war. Die Anteile sind in den Studiengängen des Fachbereichs Musik deutlich höher als in den Bereichen Kunst und Gestaltung sowie den darstellenden Künsten. In den Studiengängen der Musik und in geringerem Ausmass auch bei den darstellenden Künsten zeichnet sich eine deutliche grössere Homogenität («Jung – Gymnasium – Vorkurs») ab als in denjenigen der Kunst und Gestaltung und in geringerem Ausmass auch bei den darstellenden Künsten. Die Bezugspersonen der befragten Erstsemestrigen weisen zwar überdurchschnittlich hohe Bildungsabschlüsse (Tertiärstufe) auf und nehmen deutlich häufiger als im schweizerischen Durchschnitt Berufspositionen mit hohen Qualifikationsanforderungen (Führungskräfte und akademische Berufe) ein; dies führt jedoch nicht zwangsläufig zu hohen Einkommen. Allgemein scheint die Unterstützung der Kunsthochschulstudent_innen durch ihre Eltern oder andere Personen mit finanziellen Mitteln ausreichend zu sein, da signifikant weniger befragte Erstsemestrige einer Erwerbsarbeit nachgehen oder ihr Studium durch eigenen (Zu-)Verdienst zu finanzieren gedenken als in der – nicht Kunst studierenden – Vergleichsgruppe. Wie bei den Bildungsverläufen der Student_innen selbst, scheinen Bildungsabschlüsse, Einkommen und Berufspositionen der Bezugspersonen und damit die sozioökonomischen Herkünfte unter Student_innen im Bereich Kunst und Gestaltung deutlich heterogener verteilt zu sein als unter den Student_innen der Musik.

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Das fast völlige Ausbleiben der in der Schweiz zahlenmässig stärksten Migrant_innensprachen zeigt auf, dass die postulierte Internationalität der Kunsthochschulen eine sehr spezifische bleibt: Es ist jene der «internationalen Wanderer», deren ursprüngliche Herkunftsländer andere sind als diejenigen der Second_as und Terz_as, die in der Schweiz geboren und aufgewachsen sind. Kunsthochschulstudent_innen sind überdurchschnittlich häufig Kinder jener internationalen Arbeitsmigrant_innen des frühen 21. Jahrhunderts, die im Wesentlichen aus den Nachbarländern Deutschland und Frankreich sowie aus weiteren OECD-Ländern stammen, über sehr hohe Bildungsabschlüsse verfügen und damit vergleichsweise hohe Einkommen erzielen. Die deutliche Überrepräsentation des Englischen unter den Erstsprachen findet keinen vergleichbaren Ausdruck bei den Staatsangehörigkeiten oder Geburtsländern der Student_innen. Die Beherrschung des Englischen als Erstsprache muss in diesem Sinne als Investition in kulturelles Kapital verstanden werden, da es die Möglichkeiten für weitere Bildungs- und Arbeitsqualifikationen massiv ausweitet. Die Staatsangehörigkeiten der befragten Kunststudent_innen decken sich nur bedingt mit denen der sonstigen Bevölkerung: Insbesondere Staatsangehörige aus den südeuropäischen Ländern Italien, Portugal, Spanien oder Türkei sind signifikant unterrepräsentiert, Student_innen aus den post-jugoslawischen Nachfolgestaaten Serbien, Kosovo und Mazedonien fehlen völlig. Die unerwartet hohen Nein-Anteile bei der Frage nach Whiteness zeigen, dass eine Thematisierung und Beschäftigung mit eigenen rassistischen Ausgrenzungen und Ausschlüssen sowie der eigenen Privilegiertheit des Weiss-Seins noch nicht oder nur unzureichend stattgefunden haben. Wichtigste Ergebnisse der qualitativen Erhebung Es existieren divergierende Ansichten über die reale Pluralität der Kunsthochschulen – gleichzeitig unterscheiden sich die Beschreibungen der befragten Kunsthochschulprofessor_innen mitunter stark von den Ergebnissen der quantitativen Erhebung. Grosse Übereinstimmung gibt es über das Ideal einer pluralen, diversifizierten Hochschule – hingegen nicht darüber, ob diese Diversität erreicht, verloren oder erst zu gewinnen ist. Der Diskurs über Diversität erfährt direkt wenig Resonanz – indirekt spiegelt sich dessen Logik in der Übereinstimmung über «Vielfalt als Potenzial» wieder. Es herrscht die Tendenz vor, Diversität zu delegieren oder zu projizieren: auf minoritäre Positionen, die die mehrheitliche Norm «ein bisschen anreichern», allen voran auf Migrant_innen und «Internationale». Bei vielen Interviews kann beobachtet werden, wie die Exklusion an ein Aussen oder ein Davor der Kunsthochschule delegiert wird – konsistente Theorien über interne Inund Exklusion fehlen gänzlich; die eigenen Selektionsentscheidungen werden als ganz am Ende einer langen «Selektionskette» präsentiert.

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Soziale Exklusivität der Kunsthochschulen wird weniger durch ökonomisches als vielmehr durch kulturelles und soziales Kapital erklärt; diese Wahrnehmung deckt sich teilweise mit den quantitativen Ergebnissen. Die Wahrnehmung einer zunehmenden sozialen Homogenisierung («Jung – Gymnasium – Vorkurs») scheint hingegen aufgrund der quantitativen Ergebnisse insbesondere für die Studiengänge Gestaltung und Kunst als überzeichnet. Die Selektivität der Kunsthochschulen wird einhellig begrüsst – mit dem Ziel, ein maximales Potenzial hervorzubringen, nicht zuletzt für den sich verschärfenden internationalen Wettbewerb. Ideologisch aufgeladene Konstrukte wie Potenzial oder Talent werden nicht hinterfragt – trotz einer langjährigen, kritischen Tradition in den Kunstwissenschaften. Bestimmte Formen von kulturellem Kapital werden als nicht gleichwertig delegitimiert, was häufig Studierende «vom Land» und Migrant_innen betrifft. Ausgehend von einer impliziten Norm wird ein normalisiertes Studierenden-Subjekt konstruiert. Im Vergleich dazu werden Migrant_innen vielfach als defizitär, als anders beschrieben – wie auch die «Blechabteilung» vom Land. Es werden klare Trennlinien in Form von klassifizierenden Unterscheidungen gezogen zwischen «internationalen Wanderern» und Migrant_innen – Internationalisierung meint deshalb explizit nicht auch Migrantisierung. Die Delegitimierung kulturellen Kapitals geschieht entlang von Leitdifferenzen des Kunstfelds wie Kunst/Folklore oder High Art/Craft und ist deutlich ethnisiert (verbunden auch mit Feminisierung und Rassialisierung). Implizit oder explizit wird oftmals ein normativer, eurozentristischer Kanon postuliert, etwa «abendländische Kunst». In diesen Diskursen wird erkennbar, dass massive Ausschlüsse auch aus dem Kern der Kunsthochschule heraus geschehen. Es gibt Anzeichen brisanter Aushandlungsprozesse in der Kunsthochschule über diesen Kanon und damit assoziierte kunsttheoretische und kunsthistorische Konzepte. Es überwiegt, mit wenigen Ausnahmen, eine tendenziell positive Zustimmung zu den Programmatiken und Interventionen von Widening Participation sowie zu weiterer wissenschaftlicher Forschung über eine plurale Kunsthochschule. Wichtigste Ergebnisse der Bedingungsfeldanalyse Die Analyse des Forschungsumfelds und der institutionellen Kontexte ergibt das Fehlen von quantitativen und qualitativen Forschungen. Deutlich wird die disparate Datenlage trotz oder eventuell auch wegen der Inflation an Befragungen. Erkennbar wird der Resonanzraum national und international für die Fragestellungen und das Forschungsfeld, das sich gerade zu konstituieren beginnt. Die Eigenlogik der Bereiche erfordert ein komplexes Forschungsdesign – eine Verschränkung von transversalen Fragestellungen mit spezifischen, exemplarischen. Die Berücksichtigung aller Fachbereiche benötigt entsprechende Ressourcen. Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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Eine intensive Arbeit an Kategorisierungen der Ausschlüsse ist nötig, um diese nicht zu reproduzieren und reifizieren; wie diffizil das ist, hat der Versuch einer Differenzierung durch den Indikator einer Selbstdefinition als weiss deutlich gemacht. Wichtig erscheint die Berücksichtigung der kritischen Forschungen zu Diversifizierung im tertiären Sektor; diese plädieren klar für eine umfassende empirische, aber auch dezidiert partizipative Forschung; eine kontinuierliche theoretische Reflexion der Praxis erwies sich in den Untersuchungen als entscheidend für den Erfolg von Diversifizierung. Forschungsperspektive Die Ergebnisse bekräftigen die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit, weiter an der Fragestellung der Ungleichheit im Feld der Kunsthochschule zu forschen, dessen Logiken von Ein- und Ausschluss mit denen der benachbarten Felder (tertiärer) Bildung und Kunst nicht identisch sind. Eine Auseinandersetzung mit den kunst- und kunsthochschulspezifischen Ein- und Ausschlüssen ist wichtig, auch wenn sich die Kunsthochschule am Ende der «Selektionskette» befindet. Die Effekte der Widening-Participation-Programme zeigen, dass es das Potential zu Veränderungen an der Kunsthochschule selber durchaus gibt, genauso wie kunsthochschulspezifische Exklusionsmechanismen, die nichts mit einer objektiverbaren «künstlerischen Exellenz» zu tun haben. Relevant ist sowohl eine auf das Feld der Schweizer Kunsthochschulen gerichtete Perspektive, also ein nationales Forschungsprojekt, als auch die Betrachtung von Kunsthochschulen international, zumindest im deutschsprachigen Raum, nicht zuletzt aufgrund zunehmender Transfers zwischen den Schulen. Gefragt ist eine Ausweitung der Perspektive in verschiedene Richtungen: auf den gesamten «student lifecycle», nicht nur auf Studierende, sondern auch Lehrende etc.; auf organisatorische, administrative und selbstverständlich auch lehrende Bereiche; auf diskursive, aber auch performative oder visuelle Praktiken; und auf andere Institutionen der «Selektionskette» (Schulen, Berufsbildung). Sinnvoll ist eine Verbindung von soziologischer, partizipativer und künstlerischer Forschung, mit dem Ziel, nicht nur Evidenz über den Ausschluss und über die Ausgeschlossenen zu produzieren. Die Arbeit an einer spezifischen Methodik stellt einen wichtigen Aspekt der Forschung dar. An der Untersuchung der Institution Kunsthochschule sollten Praktiker_innen aus dem Feld nicht nur als Beforschte, sondern auch als Forschende beteiligt sein. Dazu bieten sich Methoden der partizipativen Aktionsforschung (PAR) an. Neben Dozierenden oder Studierenden der Kunsthochchulen könnten auch Studierende des Lehramts oder Schüler_innen in die Forschung involviert sein. Implizite Theorien aus dem Kern der Institution und offenkundige, brisante Aushandlungsprozesse zum Kanon lassen eine weitere Erforschung wichtig erscheinen, gerade wenn die Kunsthochschule global agieren will. Hier lassen sich interessante Anschlüsse an aktuelle kunsttheoretische und -historische Fragestellungen finden (Global Art etc.). Dazu soll eine Beschäftigung mit den spezifischen Traditionen der Schweizer Kunsthochschule die aktuelle symbolische Auseinandersetzung und die damit assoziierten Ein- und Ausschlüsse erhellen. Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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Anhang

8.1 Interview-Leitfaden (Bsp. BA Vermittlung von Kunst und Design ZHdK) ZUSAMMENSETZUNG STUDIERENDE Was wissen sie über die Zusammensetzung der Studierendenschaft in ihrem Studiengang (offen, ggf. nachhaken: bezüglich sozialer Herkunft; Verteilung der Geschlechter; Anteil Secondas)? Gibt es Veränderungen und Trends über die Zeit? Wie sähe die ideale Studierendengruppe aus? Was könnte getan werden, um diese zu schaffen? Gibt es bestimmte Gruppen, die fehlen? Hat die Akademisierung des Kunststudiums (Bologna-Studiengänge; Etablierung von Fachhochschulen) einen Einfluss auf die Zusammensetzung der Studierendenschaft? Hat die im Zusammenhang mit Bologna verstärkte Forderung nach Internationalisierung etwas an der Zusammensetzung verändert? Gemäss Jahresbericht 2010 der ZHdK (S.96) hat der Studiengang BA of Arts in Vermittlung von Kunst und Design den zweithöchsten Anteil an Frauen unter den BA-Studiengängen, gleichzeitig aber den zweittiefsten Anteil internationaler Studierender. Wie erklären sie sich diese Disproportionalität im Studiengang BA in Vermittlung von Kunst und Design? Im Gegensatz zu einigen anderen Studienrichtungen hat dieser BA-Lehrgang eine starke Berufsorientierung – und bildet die zukünftigen LehrerInnen und Vermittlerinnen von Kunst an Gymnasien aus, die ihrerseits in ihrem Unterricht zukünftige StudentInnen von Kunsthochschulen prägen. Denken Sie, dass sich die Ungleichheit durch die Gatekeeper-Funktion der LehrerInnen so möglicherweise reproduziert. Und wenn ja, was könnte man dagegen unternehmen? AUFNAHMEVERFAHREN Über die Modalitäten sind wir informiert (Zulassungsbedingungen zum Bachelorstudium Vermittlung von Kunst und Design an der ZHdK). Wie läuft die Aufnahme ab? Wer wählt aus? Was sind die Kriterien? Wie läuft es ab? Wie verhält sich die Anzahl der Bewerbungen zu jener der Aufnahmen? Spielen ökonomische oder politische Vorgaben eine Rolle (v.a. ‹Lehrkräftemangel›; ferner Senkung bzw. Erhöhung der Studierendenzahlen, Erhöhung der Internationalität?) Woran scheitern die Kandidierenden bei der Aufnahme häufig? Gibt es manchmal Konflikte beim Aufnahmeverfahren? «Mythos Portfolio»: Welche Rolle spielt das Portfolio im Aufnahmeverfahren? Wer verfügt denn überhaupt über die kognitiven/technischen und finanziellen (Infrastruktur) Möglichkeiten, um ein solches Portfolio (ästhetisch wie inhaltlich) zu kreieren? (vgl. «Art for a few»)? Wie wichtig ist die mündliche Prüfung im Verhältnis zum Portfolio? Wie wichtig ist das Portfolio im Vergleich zu anderen Studiengängen? In der schweizerischen Bundesverfassung, im Leitbild der ZHdK, etc. steht die Gleichberechtigung aller sozialen Gruppen im Zugang zu Bildungsinstitutionen: wie vereinbaren sie das Gleichheitspostulat mit Numerus Clausus, Selektion und Aufnahmeprüfungen? STUDIENABBRÜCHE Wie häufig kommen Studienabbrüche vor? Gibt es bestimmte Gruppen, die häufiger abbrechen als andere? Welches sind die am häufigsten genannten Gründe für einen Abbruch? (Welche Rolle spielt die Vereinbarkeit von Beruf und Studium?)

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Was bedeuten die Studienabbrüche für sie persönlich? Gibt es ein bestimmtes Gefühl von Mitverantwortung – die Betreuung ist ja sehr eng im Vgl. zu FH und Uni? (Vielleicht auch: ‹schmerzt› es, wenn ihnen jemand einen Abbruchentscheid mitteilt?) Eine Befragung an einer Schweizer Kunsthochschule hat ergeben, dass alle Studierenden aus Ex-Jugoslawien ihr Studium wieder abgebrochen haben. Erstaunt Sie das? Hätten Sie dafür eine Erklärung? (Interna aus Luzern) STUDIENVERLAUF Was sind die relevanten Faktoren für einen möglichst günstigen Studienverlauf? Weshalb kommt es zu Unterbrüchen? Welche Gruppen sind am ehesten davon betroffen? Gibt es ihrer Meinung nach einen idealtypischen Studienverlauf? Was wäre ein adäquates Verhältnis von Theorie und Praxis in den Studieninhalten? Wie wichtig ist Theorie im Verlauf des BA-Studiums? (Soll die ZHDK auch PhD-Studiengänge anbieten dürfen?) Wenn die ZHdK sich weiter ‹akademisiert› – Stichwort PhD-Studiengänge – würde das neue Ausschlüsse produzieren? Akademisierung als Internationalisierung: wie beurteilen sie das zunehmend marktförmig gestaltete europäische Hochschulumfeld? Gilt Internationalität auch für die Zusammensetzung der Studierenden aus der Schweiz (secondas) oder handelt es sich nicht vielmehr um den Exzellenz-Wettbewerb zwischen Kunsthochschulen um die (vermeintlich) talentiertesten und kreativsten Köpfe? ABSCHLUSS: THEORETISCHES WISSEN UND PRAKTISCHE STRATEGIEN IM UMGANG MIT UNGLEICHHEIT AN KUNSTHOCHSCHULEN (Was wird an der ZHdK an Aktivitäten wahrgenommen? Was am eigenen Departement?) Einführende Informationen zu Widening Participation in England: In Grossbritannien wird seit vielen Jahren die Ungleichheit im System der Higher Education erforscht und unter dem Motto «Widening Participation» auch vielfältige Programme zur Veränderung der Verhältnisse implementiert. Auch die Kunsthochschulen betreiben seit 10 Jahren intensive Forschungs- und Entwicklungsprogramme (allen voran London University of the Arts), die in bestimmten Bereichen jedenfalls zu einer signifikanten Diversifizierung der Studierendenschaft geführt habe (in anderen Bereichen genauso signifikant nicht …). Auf Basis von detaillierten empirischen Untersuchungen wurden auf allen Ebenen der Hochschule Aktionen, die zu mehr Durchlässigkeit und Gleichheit führen sollen, gesetzt. Sind solche Strategien und Programme auch wünschenswert für die ZHdK? Und sind sie relevant für den eigenen Kontext? Die AbsolventInnenbefragung des Studiengangs BA Vermittlung von Kunst und Design von 2009 hat ergeben, dass viele AbsolventInnen 1 bzw. auch 2 Jahre nach Studienabschluss von sogenannten Patchworkanstellungen betroffen sind: inwiefern versucht die Studiengangleitung auf diesen Trend zu prekären Arbeitsverhältnissen – zumal oft an öffentlichen Schulen – in der Ausbildung selbst zu reagieren? Was könnte ihrer Meinung nach dagegen unternommen werden? Braucht eine «wettbewerbsfähige» Hochschule im Zeitalter von Bologna soziale Ungleichheit im institutionellen Zugang? («Ungleichheit ist in Funktions- und Überlebensinteresse der Organisation verwoben.») OPTIONAL: ABSOLVENTINNEN Was wissen sie über die AbsolventInnen? Gibt es regelmässige Erhebungen dazu? Was muss man können oder wissen, um im Berufsfeld erfolgreich zu sein? Welche Rolle spielt theoretisches und akademisches Wissen? Laut Qualitätsmanagement führt das Departement Kulturanalyse und Vermittlung (regelmässig?) Umfragen unter den BA-Studierenden durch. Können sie uns mehr über diese Umfragen erzählen? OPTIONAL: BIOGRAFISCHES Beruflicher Werdegang? Hintergrund, Elternhaus, soziale Herkunft etc. Was waren berufsentscheidende Erlebnisse und Impulse?

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8.2 Fragebogen (Beispiel Befragung Erstsemestrige an der ZHdK Herbstsemester 2011) FRAGE 1) Hochschule

FRAGE 1.1) Nur für Antwort Sonstige bei Frage 1.)

An welcher Kunsthochschule studieren Sie derzeit? ! Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) ! Hochschule der Künste Bern (HKB) ! Haute École d’art et de design Génève (HEAD) ! Sonstige

5 weiter 5 weiter 5 weiter 5 weiter

zu zu zu zu

Frage Frage Frage Frage

2) 2.f) 2.i) 1.1)

Können Sie uns kurz beschreiben, um welche Kunsthochschule es sich dabei handelt?

Die folgenden Fragen beziehen sich auf die Studiengänge an der ZHdK.

FRAGE 2) Studiengang

FRAGE 2.1) Nur für Antwort Design

FRAGE 2.2) Nur für Antwort Theater

FRAGE 2.3) Nur für Antwort Medien & Kunst

FRAGE 2.4) Nur für Antwort Musik

FRAGE 2.5) Nur für Antwort Vermittlung von Kunst und Design

In welchem Studiengang studieren Sie derzeit? ! Bachelor of Arts in Design ! Bachelor of Arts in Film ! Bachelor of Arts in Theater ! Bachelor of Arts in Medien & Kunst ! Bachelor of Arts in Musik ! Bachelor of Arts in Musik und Bewegung ! Bachelor of Arts in Vermittlung von Kunst und Design ! Bachelor of Arts in Tanz

5 weiter zu Frage 2.1) keine Vertiefung! 5 weiter zu Frage 2.2) 5 weiter zu Frage 2.3) 5 weiter zu Frage 2.4) keine Vertiefung! 5 weiter weiter zu Frage 2.5) Wird derzeit nicht angeboten

In welcher Vertiefung im BA Design studieren Sie derzeit? ! Vertiefung Cast ! Vertiefung Game Design ! Vertiefung Industrial Design ! Vertiefung Interaction Design ! Vertiefung Scientific Visualization ! Vertiefung Style & Design ! Vertiefung Visuelle Kommunikation In welcher Vertiefung im BA Theater studieren Sie derzeit? ! Vertiefung Szenografie ! Vertiefung Dramaturgie ! Vertiefung Theaterpädagogik ! Vertiefung Regie ! Vertiefung Schauspiel In welcher Vertiefung im BA Medien & Kunst studieren Sie derzeit? ! Vertiefung Bildende Kunst ! Vertiefung Fotografie ! Vertiefung Mediale Künste ! Vertiefung Theorie In welcher Vertiefung im BA Musik studieren Sie derzeit? ! Vertiefung Instrument/Gesang Klassik ! Vertiefung Instrument/Gesang Jazz/Pop ! Vertiefung Schulmusik ! Vertiefung Kirchenmusik ! Vertiefung Dirigieren ! Vertiefung Komposition und Theorie ! Vertiefung Tonmeister In welcher Vertiefung im BA Vermittlung von Kunst und Design studieren Sie derzeit? ! Vertiefung Bildnerisches Gestalten an Maturitätsschulen ! Vertiefung Ästhetische Bildung/Soziokultur

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Die folgenden Fragen beziehen sich auf die Studiengänge an der HKB

FRAGE 2.6) Studiengang

FRAGE 2.7) Nur für Antwort BA Musik

In welchem Studiengang studieren Sie derzeit? ! Bachelor of Arts in Fine Arts ! Bachelor of Arts in Vermittlung in Kunst und Design ! Bachelor of Arts in Visuelle Kommunikation ! Bachelor of Arts in Konservierung ! Bachelor of Arts in Musik ! Bachelor of Arts in Musik und Bewegung/Rhythmik ! Bachelor of Arts in Theater ! Bachelor of Arts in Literarisches Schreiben

keine Vertiefung! keine Vertiefung! keine Vertiefung! keine Vertiefung! 5 weiter weiter zu Frage 2.7) keine Vertiefung! keine Vertiefung! keine Vertiefung!

In welchem Studienbereich des BA Musik studieren Sie genau? ! Klassik (mit den Kernfächern Instrument/Stimme, Komposition, Dirigieren Blasmusik) ! Jazz (mit dem Kernfach Instrument/Stimme) ! Musik und Medienkunst Die folgenden Fragen beziehen sich auf die Studiengänge an der HEAD Génève

FRAGE 2.8) Studiengang

FRAGE 2.9) Nur für Antwort Bachelor of Arts HES-SO en Arts visuels

FRAGE 3)

In welchem Studiengang studieren Sie derzeit? ! Bachelor of Arts HES-SO en Arts visuels ! Bachelor of Arts HES-SO en Arts visuels, orientation cinéma ! Bachelor of Arts HES-SO en Architecture d’intérieur ! Bachelor of Arts HES-SO en Communication visuelle ! Bachelor of Arts HES-SO en Design industriel et de produits, orientation Design mode In welcher Vertiefung im Bachelor of Arts HES-SO en Arts visuels studieren Sie derzeit? ! Vertiefung Sculpture Installation Espace ! Vertiefung peinture-dessin ! Vertiefung Art/Media ! Vertiefung Art Action Wie alt sind Sie?

Falls Sie keine Angabe dazu machen möchten, schreiben Sie bitte die Zahl -999 in das Textfeld.

Was ist ihr Geschlecht?

Falls Sie keine Angabe dazu machen möchten, schreiben Sie bitte k.a. in das Textfeld.

Alter

FRAGE 4) Geschlecht

FRAGE 5) Höchste abgeschlossene Ausbildung

5 weiter zu Frage 2.9)

Welches ist die höchste Ausbildung, die Sie absolviert haben? ! Obligatorische Schule ! Berufsattest ! Berufslehre ! Berufslehre mit Berufsmatur ! LehrerInnenseminar ! Fachmittelschule/Diplommittelschule ! Gymnasium/Maturität ! Höhere Berufsbildung ! Höhere Fachschule ! Pädagogische Hochschule ! Fachhochschule ! Universität ! Andere Ausbildung (in der Schweiz) ! Andere Ausbildung (im Ausland) ! Ich habe keine Schulausbildung abgeschlossen

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5 weiter zu Frage 5.1) 5 weiter zu Frage 5.2) 5 weiter zu Frage 5.3) 5 weiter zu Frage 5.3) und anschliessend 5.4) 5 weiter zu Frage 5.5) 5 weiter zu Frage 5.6) 5 weiter zu Frage 5.7) 5 weiter zu Frage 5.8) 5 weiter zu Frage 5.9) 5 weiter zu Frage 5.10) 5 weiter zu Frage 5.11) 5 weiter zu Frage 5.12) 5 weiter zu Frage 5.13) 5 weiter zu Frage 5.13)

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FRAGE 5.1) Nur für Antwort Obligatorische Schule

FRAGE 5.2)

Was haben Sie nach Ablauf der obligatorischen Schulzeit gemacht? ! Ich habe ein 10. Schuljahr absolviert. ! Ich habe ein Praktikum gemacht. ! Ich habe gejobbt/gearbeitet. ! Ich war längere Zeit arbeitslos/auf Stellensuche. ! Anderes ________________________________ Welches eidgenössische Berufsattest haben Sie erhalten?

Bitte geben Sie eine möglichst genaue Berufs-Bezeichnung (gemäss Bundesamt für Berufsbildung und Technologie) an. Beispiel: Dekorationsnäher/ Dekorationsnäherin EBA.

Welches eidgenössische Fähigkeitszeugnis haben Sie erhalten?

Bitte geben Sie eine möglichst genaue Berufs-Bezeichnung (gemäss Bundesamt für Berufsbildung und Technologie) an. Beispiel: Grafiker/Grafikerin EFZ.

In welcher Richtung haben Sie eine Berufsmatur absolviert? ! Technische Richtung ! Kaufmännische Richtung ! Gestalterische Richtung ! Gewerbliche Richtung ! Naturwissenschaftliche Richtung ! Gesundheitliche und soziale Richtung ! Andere ________________________________

Richtungen der Berufsmatura gemäss Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT).

Nur für Antwort Berufsattest

FRAGE 5.3) Nur für Antwort Berufslehre sowie Antwort Berufslehre mit Berufsmatur

FRAGE 5.4) Nur für Antwort Berufslehre mit Berufsmatur

FRAGE 5.5) Nur für Antwort LehrerInnenseminar

FRAGE 5.6) Nur für Antwort Fachmittelschule/ Diplommittelschule

Mehrere Antworten möglich!

Für welchen Bereich haben Sie einen Abschluss am Lehrer_innenseminar erworben? ! Kindergarten ! Primarstufe ! Sekundarstufe I ! Hauswirtschaft ! Werkunterricht ! Bildnerisches Gestalten ! Musik ! Andere ________________________________ In welchem Bereich haben Sie eine Diplommittelschule bzw. Fachmittelschule absolviert? ! Gesundheit ! Pädagogik ! Soziale Arbeit/Soziales ! Gestaltung und Kunst ! Musik/Theater/Tanz ! Medien/Kommunikation/Information ! Naturwissenschaften ! Andere ________________________________

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Liste gemäss dem Verzeichnis der anerkannten Fachmittelschulausweise und Fachmaturitätszeugnisse der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK).

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FRAGE 5.7) Nur für Antwort Gymnasium/Maturität

FRAGE 5.8)

In welchem der folgenden Schwerpunktfächer haben Sie ihr Maturitätszeugnis erhalten? ! Alte Sprachen (Latein und/oder Griechisch) ! Eine moderne Sprache (eine dritte Landessprache, Englisch, Spanisch oder Russisch) ! Physik und Anwendungen der Mathematik ! Biologie und Chemie ! Wirtschaft und Recht ! Philosophie/Pädagogik/Psychologie ! Bildnerisches Gestalten ! Musik ! Andere ________________________________

Mögliche Schwerpunktfächer gemäss Verordnung des Bundesrates/Reglement der EDK über die Anerkennung von gymnasialen Maturitätsausweisen (MAR) vom 16. Januar/15. Februar 1995

Welche eidgenössische Berufsprüfung haben Sie absolviert?

Bitte geben Sie eine möglichst genaue Berufs-Bezeichnung an (gemäss Bundesamt für Berufsbildung und Technologie). Beispiel: Buchhändler/Buchhändlerin mit eidg. Fachausweis.

Welche eidgenössische Höhere Fachprüfung haben Sie absolviert?

Bitte geben Sie eine möglichst genaue Berufs-Bezeichnung an (gemäss Bundesamt für Berufsbildung und Technologie). Beispiel: Diplomierte Fashiondesignerin/Diplomierter Fashiondesigner.

Nur für Antwort Höhere Berufsausbildung

FRAGE 5.9) Nur für Antwort Höhere Fachprüfung

FRAGE 5.10) Nur für Antwort Pädagogische Hochschule

FRAGE 5.11) Nur für Antwort Fachhochschule

In welchem der folgenden Bereiche haben Sie ihr Studium an einer pädagogischen Hochschule absolviert? ! Studiengang für Lehrkräfte der Vorschulstufe ! Studiengang für Lehrkräfte der Primarstufe ! Studiengang für Lehrkräfte der Sekundarstufe I ! Studiengang für Lehrkräfte der Sekundarstufe II ! Studiengänge im Bereich Sonderpädagogik ! Studiengang für Logopädie und Psychomotoriktherapie ! Studiengänge in der Berufsbildung ! Master Fachdidaktik ! Anderer Bereich ________________________________ In welchem der folgenden Bereiche haben Sie ihr Fachhochschulstudium absolviert? ! Wirtschaft und Dienstleistungen ! Lehrkräfteausbildung ! Technik und IT ! Soziale Arbeit ! Musik, Theater und andere Künste ! Gesundheit ! Architektur, Bau- und Planungswesen ! Design ! Chemie und Life Sciences ! Angewandte Linguistik ! Angewandte Psychologie ! Land- und Forstwirtschaft ! Sport ! Anderer Bereich ________________________________

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

Liste BA/MA-Studiengänge gemäss PH Schweiz

Klassifikation nach Fachbereichen Fachhochschulen des Bundesamtes für Statistik

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FRAGE 5.12) Nur für Antwort Universität

FRAGE 5.13) Nur für Antwort Andere Ausbildung (Schweiz) sowie Andere Ausbildung (Ausland)

FRAGE 6) Berufstätigkeit/ Berufserfahrung

FRAGE 7) Gestalterische Vorbildung I

FRAGE 7.1) Gestalterische Vorbildung II

FRAGE 8) Eigene Migrationserfahrung I

FRAGE 8.1) Eigene Migrationserfahrung II

FRAGE 8.2) Eigene Migrationserfahrung III

FRAGE 9)

In welchem der folgenden Bereiche haben Sie ihr Universitätsstudium absolviert? ! Geistes- und Sozialwissenschaften ! Wirtschaftswissenschaften ! Exakte und Naturwissenschaften ! Recht ! Technische Wissenschaften ! Medizin und Pharmazie ! Interdisziplinäre und andere

Klassifikation nach Fachbereichsgruppen Universitäre Hochschulen des Bundesamtes für Statistik

Können Sie uns kurz beschreiben, um welche Art von Ausbildung es sich dabei handelt?

Offene Frage, anschliessend Codierung durch uns.

Waren Sie vor Aufnahme des Studiums an der ZhdK/HKB/HEAD zu 50% oder mehr über einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten hinweg erwerbstätig ? ! Ja ! Nein Haben Sie vor Aufnahme des Studiums eine gestalterische/künstlerische/musikalische Vorbildung erhalten? ! Ja ! Nein Um welche Art von Vorbildung handelt es sich? ! Propädeutikum/Vorkurs ! Portfolio-Kurs ! Vorstudium (Musik) ! Vorkurs (Musik) ! Theorie-Vorkurs (Musik) ! Theater-Vorkurs ! privater Gesang- und/oder Instrumentalunterricht ! privater Mal- und/oder Zeichenunterricht ! privater Tanz-, Theater- und/oder Filmunterricht ! Eine andere Vorbildung ________________________ Haben Sie ihre Zulassungsberechtigung für das Studium an der ZHdK/HKB/HEAD in der Schweiz erhalten? ! Ja ! Nein

5 weiter zu Frage 7.1) 5 weiter zu Frage 8) Mehrere Antworten sind möglich.

5 weiter zu Frage 9) 5 weiter zu Frage 8.1)

Sind Sie für das Studium an der ZHdK/HKB/HEAD in die Schweiz eingewandert? ! Ja ! Nein

5 weiter zu Frage 9) 5 weiter zu Frage 8.2)

Können Sie uns kurz beschreiben, aus welchen Gründen Sie in die Schweiz eingewandert sind?

Offene Frage Codierung durch uns

Was ist Ihre Nationalität?

Liste mit allen Ländern sowie Antwortmöglichkeit staatenlos, weiss nicht/keine Angabe

Nationalität

FRAGE 9.1)

Bitte zählen Sie mögliche Ferienjobs nicht dazu!

Besitzen Sie eine zweite StaatsbürgerInnenschaft? ! Ja ! Nein

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

5 weiter zu 9.2

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FRAGE 9.2)

Von welchem Land besitzen Sie eine zweite StaatsbürgerInnenschaft?

Liste mit allen Ländern sowie Antwortmöglichkeit weiss nicht/keine Angabe

FRAGE 10)

In welchem Land sind Sie geboren?

Liste mit allen Ländern sowie Antwortmöglichkeiten weiss nicht/keine Angabe

Geburtsland

FRAGE 11) Erstsprachen

FRAGE 12) Selbstdefinition

FRAGE 13) Migrationserfahrung in der Familie I

FRAGE 13.1) Migrationserfahrung in der Familie II

FRAGE 14) Angaben zu den Eltern/ Betreuungspersonen

Welches sind ihre Erstsprachen? Welche Sprachen haben Sie als erste erlernt? ! Deutsch ! Französisch ! Italienisch ! Rätoromanisch ! Serbisch/Kroatisch ! Albanisch ! Portugiesisch ! Spanisch ! Englisch ! Türkisch ! Tamil ! Andere ________________________________

Mehrere Antworten möglich

Untersuchungen zeigen, dass im System Hochschule Rassismus reproduziert wird und Ausschlüsse auch aufgrund ethnischer Zuschreibungen stattfinden. Deshalb möchten wir Sie nach Ihrer Selbstdefinition fragen: Definieren Sie sich als «of color»? ! Ja ! Nein Hat jemand aus ihrer direkten und nächsten Verwandtschaft (d.h. Eltern und/oder Grosseltern) eine Migrationserfahrung gemacht? ! Ja ! Nein ! Weiss nicht ! keine Antwort Welche der folgenden direkten und nächsten Verwandten hat eine Migrationserfahrung gemacht? ! Mutter ! Vater ! Grossmutter (mütterlicherseits) ! Grossvater (mütterlicherseits) ! Grossmutter (väterlicherseits) ! Grossvater (väterlicherseits) ! Andere ________________________________

5 weiter zu Frage 13.1) 5 weiter zu Frage 14)

Mehrere Antworten möglich.

Bei wem haben Sie den grössten Teil ihrer Kindheit/Jugend verbracht? ! Eltern ! Mutter ! Vater ! direkte Verwandte ! Bekannte ! Andere ________________________________ Bitte beantworten Sie die folgenden Fragen für die wichtigste Bezugsperson in ihrer Kindheit/Jugend.

FRAGE 15.1)

Was ist das Geschlecht dieser Person?

Angaben zur wichtigsten Bezugsperson

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

Falls Sie keine Angabe dazu machen möchten, schreiben Sie bitte k.a. in das Textfeld.

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FRAGE 15.2)

Welches ist die höchste abgeschlossene Ausbildung, die diese Person absolviert hat? ! Obligatorische Schule ! Berufsattest ! Berufslehre ! Berufslehre mit Berufsmatur ! LehrerInnenseminar ! Fachmittelschule/Diplommittelschule ! Gymnasium/Maturität ! Höhere Berufsbildung ! Höhere Fachschule ! Pädagogische Hochschule ! Fachhochschule ! Universität ! Andere Ausbildung ! Ausländische Ausbildung ! Keine Schulausbildung abgeschlossen ! weiss nicht

FRAGE 15.3)

In welcher beruflichen Stellung befindet sich diese Person derzeit? ! Führungskräfte ! Akademische Berufe ! TechnikerInnen und gleichrangige Berufe ! Bürokräfte, kaufmännische Angestellte ! Dienstleistungs- und Verkaufsberufe ! Fachkräfte in der Landwirtschaft ! Handwerks- und verwandte Berufe ! Anlagen- und MaschinenbedienerInnen ! Hilfsarbeitskräfte ! Ist zurzeit arbeitslos ! RentnerIn (Alter, Invalidität) ! Ist auf Sozialhilfe angewiesen ! Keine ! Weiss nicht ! Keine Angabe ! Andere ________________________________

Berufsklassifikation des Bundesamtes für Statistik gemäss ISCO (International Standard Classification of Occupations)

FRAGE 15.4)

Wie hoch schätzen Sie das derzeitige monatliche Nettoeinkommen (in CHF) dieser Person?

Falls Sie keine Angabe dazu machen möchten, schreiben Sie bitte die Zahl -999 in das Textfeld.

FRAGE 15.5)

Welche StaatsbürgerInnenschaft besitzt diese Person?

Liste mit allen Ländern sowie Antwortmöglichkeit staatenlos, weiss nicht/keine Angabe

FRAGE 15.6)

Besitzt diese Person eine zweite StaatsbürgerInnenschaft? ! Ja ! Nein

5 weiter weiter zu 15.7

FRAGE 15.7)

Von welchem Land besitzt diese Person eine zweite StaatsbürgerInnenschaft?

Liste mit allen Ländern sowie Antwortmöglichkeit weiss nicht/keine Angabe

FRAGE 15.8)

In welchem Land wurde diese Person geboren?

Liste mit allen Ländern sowie Antwortmöglichkeiten weiss nicht sowie keine Angabe

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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FRAGE 15.9)

FRAGE 15.10)

Welches sind die Erstsprachen dieser Person? Welche Sprachen hat diese Person als erste erlernt? ! Deutsch ! Französisch ! Italienisch ! Rätoromanisch ! Serbisch/Kroatisch ! Albanisch ! Portugiesisch ! Spanisch ! Englisch ! Türkisch ! Tamil ! Andere ________________________________

Mehrere Antworten möglich

Untersuchungen zeigen, dass sich im System Hochschule struktureller Rassismus reproduziert und Ausschlüsse auch aufgrund ethnischer Zuschreibungen stattfinden. Deshalb möchten wir Sie nach der Selbstdefinition ihrer 2. Bezugsperson fragen. Definiert sich diese als «of color»? ! Ja ! Nein Bitte beantworten Sie die folgenden Fragen für die zweitwichtigste Bezugsperson in ihrer Kindheit/Jugend.

FRAGE 16.1)

Was ist das Geschlecht dieser Person?

Angaben zur zweitwichtigsten Bezugsperson

FRAGE 16.2)

Falls Sie keine Angabe dazu machen möchten, schreiben Sie bitte k.a. in das Textfeld.

Was ist die höchste abgeschlossene Ausbildung, die diese Person gemacht hat? ! Obligatorische Schule ! Berufsattest ! Berufslehre ! Berufslehre mit Berufsmatur ! LehrerInnenseminar ! Fachmittelschule/Diplommittelschule ! Gymnasium/Maturität ! Höhere Berufsbildung ! Höhere Fachschule ! Pädagogische Hochschule ! Fachhochschule ! Universität ! Andere Ausbildung ! Ausländische Ausbildung ! Keine Schulausbildung abgeschlossen ! weiss nicht

Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen. Explorative Vorstudie

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FRAGE 16.3)

In welcher beruflichen Stellung befindet sich diese Person derzeit? ! Führungskräfte ! Akademische Berufe ! Techniker und gleichrangige Berufe ! Bürokräfte, kaufmännische Angestellte ! Dienstleistungs- und Verkaufsberufe ! Fachkräfte in der Landwirtschaft ! Handwerks- und verwandte Berufe ! Anlagen- und Maschinenbediener ! Hilfsarbeitskräfte ! Ist zurzeit arbeitslos ! RentnerIn (Alter, Invalidität) ! Ist auf Sozialhilfe angewiesen ! Weiss nicht ! Keine Angabe ! Andere ________________________________

Berufsklassifikation nach BfS gemäss ISCO (International Standard Classification of Occupations)

FRAGE 16.4)

Wie hoch schätzen Sie das derzeitige monatliche Nettoeinkommen dieser Person?

Falls Sie keine Angabe dazu machen möchten, schreiben Sie bitte die Zahl -999 in das Textfeld.

FRAGE 16.5)

Welche Staatsbürgerschaft besitzt diese Person?

Liste mit allen Ländern sowie Antwortmöglichkeit staatenlos, weiss nicht, keine Angabe

FRAGE 16.6)

Besitzt diese Person eine zweite Staatsbürgerschaft? ! Ja ! Nein

5 weiter zu 16.7

FRAGE 16.7)

Von welchem Land besitzt diese Person eine zweite Staatsbürgerschaft?

Liste mit allen Ländern

FRAGE 16.8)

In welchem Land wurde diese Person geboren?

Liste mit allen Ländern sowie Antwortmöglichkeiten weiss nicht sowie keine Angabe

FRAGE 16.9)

Welches sind die Erstsprachen dieser Person? Welche Sprachen hat diese Person als erste erlernt? ! Deutsch ! Französisch ! Italienisch ! Rätoromanisch ! Serbisch/Kroatisch ! Albanisch ! Portugiesisch ! Spanisch ! Englisch ! Türkisch ! Tamil ! Andere ________________________________

FRAGE 16.10)

Mehrere Antworten möglich

Untersuchungen zeigen, dass sich im System Hochschule struktureller Rassismus reproduziert und Ausschlüsse auch aufgrund ethnischer Zuschreibungen stattfinden. Deshalb möchten wir Sie nach der Selbstdefinition ihrer 2. Bezugsperson fragen. Definiert sich diese als «of colour»? ! Ja ! Nein

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FRAGE 17) Finanzierung des Studiums

FRAGE 18) Erwerbstätigkeit I

FRAGE 18.1) Erwerbstätigkeit II

FRAGE 18.2)

Wie werden Sie ihr Studium hauptsächlich finanzieren? ! Vollzeit-Berufstätigkeit ! Teilzeit-Berufstätigkeit ! geringfügige Beschäftigung/Nebenjobs ! Eltern/andere Personen ! Stipendium ! Darlehen ! Staatliche Unterstützung (Sozialhilfe, etc.) ! Weiss nicht ! Anderes ________________________________ ! Keine Angabe Arbeiten Sie neben dem Studium? ! Ja ! Nein

FRAGE 19)

FRAGE 19.1)

5 weiter zu Frage 18.1) 5 weiter zu Frage 19)

Wieviele Anstellungen haben Sie derzeit? ! Eine ! Zwei ! Drei ! Mehr als drei ! Ich arbeite auf Stundenlohn/Honorarbasis ! weiss nicht/keine Angabe

Zu wievielen Stellenprozenten sind Sie insgesamt beschäftigt?

Erwerbstätigkeit III

Betreuungsaufgaben

Mehrere Antworten möglich

Haben Sie zusätzlich zum Studium Betreuungsaufgaben (Kinder, Angehörige oder andere Personen) wahrzunehmen? ! Ja ! Nein

Falls Sie mehrere Anstellungen haben, zählen Sie bitte die Stellenprozente zusammen. Wenn sie auf Stundenlohn/ Honorarbasis arbeiten, geben Sie bitte den durchschnittlichen Beschäftigungsgrad pro Woche an.

5 weiter zu Frage 19.1)

Wieviele Stunden wenden Sie für diese Betreuungsaufgaben pro Woche in etwa durchschnittlich auf?

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8.3 Methodische Bemerkungen zum Einkommen Die Frage nach dem Einkommen erfordert zunächst einige methodische Hinweise, die es in der Befragung wie auch der Auswertung zu berücksichtigen galt. Zum einen wissen die Student_innen über die Einkommen ihrer Bezugspersonen möglicherweise nur ungenau Bescheid, weshalb wir die Frage explizit als Schätzung gestellt haben: «Wie hoch schätzen Sie das derzeitige monatliche Nettoeinkommen (in CHF) dieser Person?» Die tatsächlichen Angaben können folglich stark von den amtlichen Steuereinschätzungen abweichen. Weiter könnte auch die soziale Erwünschtheit zu tieferen Angaben führen, als dies in der Realität der Fall ist, da man sich selbst vielleicht nicht zu einer sozioökonomisch privilegierten Schicht zählen möchte. Ebenfalls zu tieferen Ergebnissen führt der Umstand, dass Student_innen mit Bezugspersonen im Ausland niedrigere Angaben gemacht haben, was die Durchschnittswerte ebenfalls verzerren kann. Ein entsprechendes Einkommen (z.B. 2.500 €) kann in Deutschland oder Frankreich aufgrund niedrigerer Lebenshaltungskosten als gut betrachtet werden, während es unter gewissen Umständen in der Schweiz kaum zum Leben reicht. Auch besteht Grund zur Annahme, dass einige Personen die Frage möglicherweise nicht korrekt gelesen und die Angaben pro Jahr und nicht pro Monat gemacht haben. Die Maximalwerte von 200.000 CHF (erste Bezugsperson) und 70.000 CHF (zweite Bezugsperson) sind eventuelle Indikatoren für dieses Missverständnis, auch wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich dabei um das monatliche Einkommen handelt. In der Schweiz leben einige tausend Einkommensmillionäre; daher ist es durchaus möglich, dass sich eine dieser Personen in unserem Datensatz wiederfindet. Trotzdem muss angemerkt werden, dass auch ein Jahreseinkommen von 200.000 CHF bereits merklich über das Doppelte eines durchschnittlichen schweizerischen Einkommens ausmacht. Da durch einzelne hohe Werte auch das Durchschnittseinkommen höher ausfallen kann, werden wir daher auch den Median mitberücksichtigen, also dasjenige Einkommen, bei dem genau die Hälfte aller Einkommensangaben niedriger und die andere Hälfte höher ist. Zuletzt stellt sich ein Problem des Vergleichs: So erfasst das Bundesamt für Statistik diverse Indikatoren, die mit Einkommen zusammenhängen, etwa das Haushaltseinkommen, das Netto-Volkseinkommen sowie die Bruttolöhne. Beim Haushaltseinkommen fliessen alle Löhne, Renten und sonstigen Einkommen eines Haushalts (also möglicherweise von mehreren Personen) in die Berechnung mit ein. Damit würde dann zweimal dasselbe Einkommen angegeben, falls die beiden Bezugspersonen (z.B. die Eltern) im gleichen Haushalt leben. Beim Netto-Volkseinkommen wird das Bruttoinlandprodukt eines Kantons dividiert durch die Anzahl der Einwohner. Da in diese Berechnung auch alle Kinder und Jugendlichen eingehen, fallen die Einkommen dementsprechend tiefer aus. Letztlich scheinen die Bruttolöhne die adäquateste Vergleichsmöglichkeit, obwohl sie nur diejenigen Personen erfassen, die einen Lohn erhalten. Rentner_innen, Hausfrauen, Hausmänner und andere, keiner statistisch erfassten Erwerbsarbeit nachgehende Personen sind folglich nicht enthalten. Auch diese können aber über ein Einkommen verfügen (Renten, Ausgleichszahlungen, Zinsen etc.) und werden ebenfalls als Bezugspersonen angegeben (vgl. Kap. 4.1.7.c Berufsposition der Bezugspersonen). Die Bruttolöhne werden jeweils im Median angegeben, um genau die oben beschriebene Verzerrung durch sehr hohe Löhne zu vermeiden. Im Gegensatz zu unserer Befragung werden jedoch keine Löhne von 0 CHF erfasst, wodurch auch der Median sinken würde. Durch die Angabe von Mittelwert und Median in unserer Auswertung erhoffen wir uns daher einen annähernden Vergleich der Einkommensverteilung der Bezugspersonen mit jener in der Erwerbsbevölkerung.

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Making Differences: Schweizer Kunsthochschulen Explorative Vorstudie Institute for Art Education Zürcher Hochschule der Künste Autor_innen: Catrin Seefranz und Philippe Saner Supervision: Carmen Mörsch Lektorat: Günter Max Okupski, Berlin Design + Satz: Gabi Adébisi-Schuster, Wien Infografik: Anneke Reijnders, [email protected], Amsterdam Zürich, Januar 2012