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SPRINT AM SEE Der Achtel-Meilen-Sprint wird zum Exportschlager. Von der ehrwürdigen Solitude-Rennstrecke bei Leonberg zu den BMW Motorrad Days in Garmisch. Jetzt begeisterte das lockere Sprintrennen bei der „KLASSIKWELT BODENSEE“ in Friedrichshafen die Messebesucher

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Perfekter Start: Wenn die Flagge fällt, muss das Vorderrad über die Linie sein. Sprintprofis Ali Kaba auf CBX und Daniel Wanner mit seiner Laverda (vorne)

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Startnummern werden ganz klassisch und garantiert lackschonend aufgebracht. In Wasser aufgelöste Kreide reicht Bis Baujahr 1983 ist an Motorrädern alles erlaubt. Das lockere Reglement bringt ein herrlich buntes Feld an Fahrern und Maschinen zusammen

Vorziehen zum Start. Marco Blumer kennt keine Gnade für seine EinzylinderMotosacoche Baujahr 1932

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Aus einem alten Golf TDI kann noch was werden. Organspender für die TurboBoxer-BMW von Eberhard Späth

as hat eine Motosacoche 500 Supersport, Baujahr 1932, mit der Honda CBX von 1978 zu tun? Eigentlich gar nichts. So wenig wie eine selbstgebaute Turbo-BMW R 100 S mit einer restaurierten MZ 250 ETZ. Doch das Wochenende am 24. und 25. Mai hat sie zusammengeführt. Sogar zu einer gemeinsamen Startklasse vereint, zum Glemseck 101-MOKlassik Sprint. Für die Klassikwelt war das passende Reglement schnell gefunden. Rahmen und Motor nicht jünger als Baujahr 1983 wurde als griffige Formel definiert. Wobei beides ja nicht zwangsläufig vom selben Hersteller stammen muss. Tuning? Aber sicher. Erlaubt war in bester Sprint-Tradition alles, was gefällt oder geeignet ist, den Gegner einzuschüchtern. Turbolader, Kompressor, Schaltautomat oder einfach ganz viele Glemseck 101-Aufkleber am Motorrad, die sagen: „Du hast keine Chance, denn ich weiß wie’s geht.“ Die „Klassikwelt Bodensee“-Messe stellte die prächtige Kulisse für den Sprint. Einzigartig ist das Konzept, das die wunderbaren Messehallen und das Freigelände in Friedrichshafen füllt. Klassiker zu Land, zu Wasser und

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Ehne, Mehne, Muh – und raus bist du. So ist das eben beim Sprint. Der Schnellere kommt weiter in die nächste Runde

in der Luft sind dort drei Tage lang nicht nur zu bewundern, sondern auch in Aktion zu sehen. Die Messehallen liegen unmittelbar neben dem Flugplatz, und so rollen die alten Flieger von der Messehalle direkt auf das Flugfeld, um in der Luft ihre Kunststücke zu präsentieren. Das Bodenseeufer ist natürlich auch nicht weit, wo zur Messezeit edle Boote oder dampfbetriebene Raritäten aus Holz zur Freude der Zuschauer durchs schwäbische Meer schaukeln. Platz um die Messehallen gibt es reichlich. Sogar für einen kleinen Rundkurs, markiert mit rotweißen Curbs und Strohballen. Renn- und Sportwagen aller Epochen geben sich bei der „Klassikwelt Bodensee“ mehrmals täglich harte Duelle beim Umrunden der fast ein Kilometer langen Strecke direkt entlang der Messehallen. Auch an einer Tribüne für die Zuschauer spart die Messe Friedrichshafen als Veranstalter nicht. Klar, dass die immer prall gefüllt war und sich noch viel mehr Zuschauer an den Stehplätzen entlang der Strecke drückten. Da passte der Achtel-Meilen-Sprint, zu dem MotorradMagazin MO und die Schwesterzeitschrift Klassik Motorrad im Auftrag der Messe aufgerufen hatte, per-

Nur einer kann gewinnen. Der olympische Gedanke zählt. Mitmachen ist alles, der Spaß ist auf jeden Fall dabei

fekt ins Progamm. Das Glemseck 101-Team brachte die Organisation mit der Erfahrung aus acht Jahren SprintRennen auf der alten Leonberger Solitude-Zielgeraden mit an den See. Doch entscheidend sind die Fahrer. Alles wäre nichts ohne das bunte Teilnehmerfeld aus wilden Maschinen mit ihren begeisterten Besitzern, die mit Spaß und echt olympischem Gedanken dabei sind. Schon im Vorfeld war der Platz für das Beschleunigungsrennen schnell gefunden. Die knapp zweihundert Meter, die es für den Achtel-Meilen-Sprint plus Auslauf zone braucht, gibt das Gelände allemal her. Die Gerade der Oldtimer-Rundstrecke entlang der Messehallen wurde noch um die Auslaufstrecke verlängert, ein paar Strohballen am Start postiert, fertig. Nicht alle der vielen Bewerber schafften es, ins Starter feld zu kommen. Im dicht gepackten Programmplan der Messeaktivitäten musste das Teilnehmerfeld auf sechzehn schillernd bunte Motorräder pro Tag begrenzt werden. Angesichts des lockeren Reglements, zwangsläufig mit extremer Leistungsspreizung. Doch bei diesem Rennspektakel zählt vor allem der Start. Man kennt das ja noch

vom 100-Meter-Lauf in der Schule. Wer als Erster wegkommt und sauber durchzieht, hat im Ziel meist die Nase vorn. Kraft ist nicht alles. Was die Startprozedur betrifft, ging es dagegen deutlich lässiger zu als seinerzeit im Schulsport (hatten Sie auch einen Sportlehrer, der den 100-Meter-Lauf mit der Pistole gestartet hat?). Da war Rock’n’Roll-Flagg-Girl Laura im Sechziger-Jahre-Look doch viel motivierender. Blickkontakt, bevor’s losgeht. Flagge langsam hoch, ein Sprung, und sie reißt die Flagge nach unten. Wer jetzt noch an der Linie steht, hat so gut wie verloren. Eine schleifende Kupplung, ein steigendes Vorderrad, ein missglückter Schaltvorgang, verdammt, was auf zweihundert Metern so alles schief gehen kann, wenn’s drauf ankommt. Mann gegen Mann, der Schnellere kommt weiter, bis der Sieger feststeht. So geht das. Klasse Typen, irrer Sound und wilde Motorräder, kostenlos und unmittelbar. Dem

Nicht unbedingt hat der Stärkere die Nase vorn. Ein guter Start ist meist der halbe Sieg

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Und los… Noch ein wilder Schweizer mit wunderbarem Cafe RacerUmbau am Start. Kurt Wanner mit seiner Yamaha XS 650

Stilvoll, schnell und mit sechs Zylindern: Alfred Schneider startklar auf der Benelli 750 Sei mit Guzzi Le Mans-Cockpit

Honda CB 750, mal von Egli, mal selbst getunt. Vierzylinder-Gegner Jörg Lorz und Frank Spang (vorne) am Start

Publikum gefällt’s, den Fahrern auch. Die fahren nicht hinter Betonwänden und Fangzäunen, sondern vor der Nase der jubelnden Zuschauer. Hautnah. Die Klamotten passen zum Thema. Offener Helm, Jacke, Turnschuhe. Wer will, fährt mit Lederkombi und Vollvisierhelm. Der Spaß am Motorrad zählt und ein bisschen Ehrgeiz ist ohnehin im Spiel. Unterm Strich zählt aber der olympische Gedanke. Und der war besonders bemerkenswert. Bei Tim Dürr beispielsweise. Dem erst 20 Jahre alten Oldtimerfan, der eine herrlich restaurierte MZ 250 ETZ an den Start brachte. Den Gegner beim ersten Lauf entscheidet das Los. Die Vierzylinder-1000er-Kawasaki hatte da ein leichtes Spiel gegen die 21 PS der MZ. Trotzdem, moralisch hatte Tim den Youngster-Cup schon durchs Mitmachen gewonnen. Gratulation. Im krassen Gegensatz zur originalen MZ war da die Einspritzer-Turbo-Boxer-BMW, die Eberhard

Späth in nächtelanger Arbeit rechtzeitig zum Sprint fertig gemacht hatte. Letztendlich war am Ende des ersten Sprint-Tages gegen die CBX von Ali Kaba doch kein Kraut gewachsen. Als ehemaliger Rundstreckenrennfahrer in den achtziger Jahren hat Ali nicht vergessen, wie man startet. Zusammen mit den 105 PS seiner leicht gemachten Sechszylinder-CBX reichte es für die Gegner. Tags darauf musste er sich Jochen Stemmler geschlagen geben. Der brannte mit seiner Suzuki GS 1000 im französischen Martin-Fahrwerk derart brutal die Geraden hinab, dass selbst Ali und seine vertraute CBX das Nachsehen hatten. Der verdiente Sieg ging damit in die nahe Schweiz. Wenn auch oft die Kupplung glühte (und bei manchen verglühte) haben auch die ungenannten Ein-zwei-dreivier-sechs-Zylinder-, Zwei- oder Viertakt-, Sauger- oder Turbo-Fahrer höchsten Respekt verdient. Sie alle waren mit Lässigkeit und Begeisterung dabei, das Publikum dankte es mit viel Zuspruch und Applaus. Auch wir bei MO ziehen den Helm und sagen allen Teilnehmern ein herzliches Dankeschön bis zur nächsten Runde. 쏔

Turnschuhe oder Protektoren-Kombi, Turbo oder Hubraum – erlaubt ist, was schnell macht

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DIE NEUE VON DUCATI

Daumen hoch für die drei schnellsten des ersten Tages. Frank Spang, Ali Kaba und Daniel Wanner (von links)

Aerodynamik der siebziger Jahre, „Bubble-Face“Helm passend zur Kawasaki Z 1000 von Peter Hermann Am zweiten Sprint-Tag alle abgeledert: Jochen Stemmler aus Muri bei Bern mit der Martin-Suzuki GS 1000

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