maecenas winter 2006

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser, für die kommende Wintersaison möchten wir Sie gerne wieder auf einige ausgewählte künstlerische Produktionen und Aus­­ stellungen aufmerksam machen. Für diese Zeit, in der das lau­ fende und das neue Jahr aufeinandertreffen, bieten sich gewich­ tige Themen wie der Anfang und das Ende der Welt, des Lebens, der Dinge besonders an. Dass derlei Überlegungen in einer glo­ balisierten Welt, die das Bild einer Endlosschleife nahe legen ­könnte, dennoch eine große Rolle spielen, versucht der Frank­ furter Künstler Michael Pfrommer zu ergründen. Auf der Suche nach einer Definition vom Ende der Welt berei­ ste er mit einem Stipendium der Hessischen Kulturstiftung ein Gebiet, das in verschiedenen historischen Quellen als geogra­ fisches Weltende markiert wird. Ob man, am Ende angekommen, aus der Welt herausfällt, verloren geht und wenn ja, wohin, haben wir mit Michael Pfrommer im Interview besprochen. Eines, soviel ist sicher: Er ist wieder zurückgekommen. Umgekehrt verhält es sich mit den Konzepten für den Anfang der Welt: Ursprungsvorstellungen, wie etwa die christliche ­Schöp­fungsgeschichte, führen aus dem Chaos in die Struktur; mit ihnen verbinden sich Glücks- und Paradiesversprechen. Seit der Antike steht dafür in Texten, Bildern, in der Musik der Garten als gültiges Modell. Genauere Untersuchungen dieses vielschich­ tigen Themas hat sich das Frankfurter Städelmuseum vorgenom­ men und präsentiert eine große Sonderausstellung gemalter Gär­ ten mit Meisterwerken vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Der Anfang und das Ende eines Menschenlebens ist konkret zu fassen. Ob ein abgeschlossenes Lebenswerk allerdings als er­ folgreich gilt, wird von der Nachwelt neu verhandelt. Wer ist be­ rühmt und wird es bleiben, wer nicht? Was ist geschichtswürdig, museumsreif, was nicht? Geschichte wird gemacht. Wir möchten Sie unter dieser Perspektive auf zwei weitere Förde­rungen im mu­ sealen Kontext hinweisen, die sich mit dem Schaf­fen promi­ nenter historischer Persönlichkeiten beschäftigen: die eine mit Alexander von Humboldt, Wissenschaftler und Welt­reisender, hier porträtiert von einem Hauptvertreter des deutschen Klassizismus, dem Bildhauer Christian Daniel Rauch, und mit der international bekannten Schauspielerin Maria Schell die andere. Während die Herren von Humboldt und Rauch ihren Platz im branchenspezifischen Himmel bereits erobert haben, steht dies für die Künstlerin Maria Schell noch aus. Wir freuen uns auf eine differenzierte, wissenschaftliche Bearbeitung ihres Werkes, ­das zwischen der Sehnsucht nach Authentizität und medialem Image viel zu bieten hat. Einen besinnlichen und vergnügten Jahreswechsel wünscht Ihnen Claudia Scholtz Geschäftsführerin

plötzlich diese übersicht Ausstellungen und Publikationen unserer Stipendiaten

Mit Textbeiträgen von und über die Arbeit unserer Rei­ sestipendiatin 2001/02, Parastou Forouhar, ist in der Reihe Kultur- und Medientheorie des Bielefelder transcript Verlags der Band Der Orient, die Frem­ de. Positionen zeitgenössischer Kunst und Literatur, herausgegeben von Regina Gödecke und Alexand­ ra Karentzos, erschienen. Zu beziehen über www. transcript-verlag.de und im Buchhandel unter ISBN 3-89942-487-5.

Zur gleichnamigen Ausstellung mit 29 internationa­ len Künstlerkollegen in Buenos Aires, Argentinien, hat Mandla Reuter, gegenwärtig Reisestipendiat der Hessischen Kulturstiftung, das Katalogbuch pig­ ment piano marble herausgegeben. Die Publikati­ on ist im Revolver-Verlag, Frankfurt am Main, unter ISBN 3-86588-304-4 erschienen.

Jörg Ahrnt fließend Galerie Arte Giani Taunusanlage 18, Frankfurt am Main Bis 24. November 2006 www.artegiani.com Lukas Einsele, Thomas Erdelmeier, Parastou Forouhar, Wiebke Grösch / Frank Metzger, Claus Richter und andere UFO UNO Vereinte Nationen, Öffentlichkeit und Kunst Frankfurter Kunstverein Markt 44, Frankfurt am Main 25. und 26. November 2006 www.ufo-uno.org Parastou Forouhar und andere Hannah Arendt Denkraum Ehemalige jüdische Mädchenschule Auguststraße 11–13, Berlin Bis 19. November 2006 www.hannaharendt-denkraum.com und Abschlussausstellung der Stipendiaten 2006 Deutsche Akademie Rom Villa Massimo Largo di Villa Massimo 1 – 2, Rom / Italien 30. November 2006 www.villamassimo.de Gabi Hamm und Karin Brunnermeier High noon Kunstverein Nürnberg Milchhof, Kressengartenstraße 2, Nürnberg Bis 26. November 2006 www.kunstverein-nbg.de Tomas Saraceno und andere 27. Bienal de São Paulo Parque Ibirapuera portão 3, São Paulo / Brasilien Bis 17. Dezember 2006 www.bienalsaopaulo.org.br Johannes Spehr Sie sind angekommen (Osmose / Wohlstandskern / Anti-Kapital) Thomas Rehbein Galerie Aachener Straße 5, Köln Bis 6. Januar 2007 www.rehbein-galerie.de Eva Teppe und andere The World is Everything, That is The Case El Surrealismo en la Era Tecnológica Óscar Domínguez: 2006 Centenatrio del Nacimiento Kuratiert von Miriam Durango Círculo Bellas Artes Tenerife Bis 9. Dezember 2006 Ingo Vetter / Annette Weisser und andere Bin beschäftigt GAK Gesellschaft für Aktuelle Kunst e. V. Bremen Teerhof 21, Bremen Bis 7. Januar 2007 www.gak-bremen.de

Palma il Vecchio (Jacopo d’Antonio Negreti), Junger Faun bläst auf der Syrinx, 1513 /15

Dürer Umkreis, Das kleine Rasenstück, zweite Hälfte 16. Jh.

augenweide Eine auch aus therapeutischer Sicht begrüßenswerte Maß­ nahme bietet das Frankfurter Städelmuseum während der grau­ en Wintermonate an: Nach langjähriger Vorbereitungszeit eröff­ net das Haus im November eine epochenübergreifende Ausstel­lung mit prominenten Garten-Bildern. Ausgehend von einem der Hauptwerke der eigenen Sammlung, dem Paradies­ gärt­lein eines anonymen Meisters aus dem frühen 15. Jahr­hun­ dert, werden rund 200 Zeichnungen, Gemälde und Druck­ grafiken zum Thema Natur und Gartenkultur zu sehen sein. Die ausgewählten künstlerischen Facetten, die von mittelalter­ licher Buchkunst über Gartenstücke von Peter Paul Rubens, Caspar David Friedrich, Vincent van Gogh und Paul Klee bis zu einer aktuellen Arbeit von Peter Fischli & David Weiss reichen, sind so vielschichtig wie die symbolischen Bezüge, in denen der Garten als konzeptuelle Figur durch die Jahrhunderte gesehen wurde. Religiöse und gesellschaftliche Utopien, Ursprungs- und Paradiesvorstellungen gehören dazu wie der Garten als Sinnbild für Weiblichkeit, als Ort der Liebe, der Erholung, der Kontempla­ tion und Kreativität. Ausstellung und Katalog versprechen mit neuen wissen­ schaftlichen Forschungsbeiträgen auch in dieser Hinsicht Er­­ hellendes zu einem zentralen Thema der Kunstgeschichte.

Lycopersicum esculentum L. (Solanum humboldtii), 1804

Vincent van Gogh, Der Irrenhausgarten von St. Remy, 1889

Vorzeichnung zum Hortus Eystettensis von Basilius Besler, um 1610

Gärten: Ordnung, Inspiration, Glück 24. November 2006 bis 11. März 2007 Städel Museum Dürerstraße 2, 60596 Frankfurt am Main Telefon 069 / 60 50 98-0 Öffnungszeiten Di, Fr – So 10 – 18 Uhr, Mi, Do 10 – 21 Uhr

forschergeist Der Bildhauer Christian Daniel Rauch (1777–1857) war mit Ale­ xander von Humboldt (1769 –1859) seit 1805 eng befreundet und porträtierte ihn zweimal: 1823 und 1855 in einer aktualisier­ ten Fassung im Alter von 82 Jahren. Die letztere, weich model­ lierte Porträtbüste ist in acht Marmorausführungen erhalten. Mit För­dermitteln der Hessischen Kulturstiftung und anderer Sponsoren erwarb das Museum Bad Arolsen die dritte Fassung, die Lord Bloomfield, der damalige englische Gesandte in Berlin, 1857 als Geschenk für seine Frau in Auftrag gegeben hatte. In seiner Geburtsstadt ist Rauch ein eigenes Museum gewid­ met; die ausgezeichnete Präsentation zahlreicher Skulpturen des Bildhauers sowie weiterer Künstler der Goethezeit ist seit 2002 im früheren Marstall des Schlosses der Fürstenfamilie von Wal­deckPyrmont zu sehen. Der Ankauf von Rauchs Altersporträt Alexand­ er von Humboldts ergänzt die bestehende Sammlung um das Bildnis eines der führenden Wissenschaftler in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Alexander von Humboldt war als Naturforscher, wissenschaft­ licher Autor und kritischer Intellektueller schon zu seinen Leb­ zeiten weltberühmt. Auf seinen Forschungsreisen in Europa und insbesondere auf dem amerikanischen Kontinent betrieb Hum­ boldt ausgedehnte Studien in der Geologie, der Botanik, der An­ thropologie und Ethnologie, in der Klimakunde bis hin zur Astro­ nomie. Seine Forschungen und Schriften wie das Reisewerk in 30 Bänden Voyage aux régions équinoxiales du Nouveau Continent (1805) und Kosmos – Entwurf einer physischen Welt­beschreibung (ab 1845) gelten als Vorläufer einer ökologischen Beschreibung und Analyse der Welt und der Natur.

Christian Daniel Rauch, Alexander von Humboldt, 1857

Museum Bad Arolsen Marstall, Schlossstraße 30, 34454 Bad Arolsen Telefon 05691 / 625 734 Öffnungszeiten Mi – Sa 14 – 17 Uhr, So 11 – 17 Uhr und nach Vereinbarung

Bambipreisverleihung 1956

herzblut Die Reihe von Werkschauen deutschsprachiger Schauspielerin­ nen und Schauspieler setzt das Deutsche Filmmuseum in Frank­ furt fort mit einem Star des Nachkriegsfilms, Maria Schell. Die schweizer Schauspielerin (1926 – 2005) war in den 1950er Jah­ ren mit Kino-Melodramen wie Der Engel mit der Po­­saune, Es kommt ein Tag und Bis wir uns wiedersehen, in dem sie mit O. W. Fischer ein Traumpaar verkörperte, zum deutschen Publi­ kumsliebling avanciert. Für ihre Rolle einer Kin­der­ärztin in dem Antikriegsfilm Die letzte Brücke von Helmut Käutner erhielt Maria Schell 1954 die Goldene Palme in Cannes und erste internatio­ nale Angebote. Sie arbeitete mit Regisseuren wie Robert Siodmak, Wolfgang Staudte, Luchino Visconti und Claude Chabrol, ab 1957 folgten zahlreiche Engagements in Hollywood-Produktionen: unter an­­ derem in der Dostojewski-Verfilmung Die Brüder Karamasow ­zu­­sammen mit Yul Brunner, 1959 an der Seite von Gary Cooper in Der Galgenbaum, 1960 in dem Western Cimarron mit Glenn Ford. Ihren letzten großen Kinofilm Die Spaziergängerin von SansSouci drehte Maria Schell 1982, in einer Nebenrolle mit Romy Schneider und Michel Piccoli. Für ihre Darstellungen, auch in internationalen Theater- und Fernsehrollen, wurde Maria Schell vielfach ausgezeigt. Seit den 1990er Jahren lebte sie, krank geworden, zurückgezogen auf ih­ rem Anwesen in Kärnten. Ihr Bruder, der Schauspieler und Regis­ seur Maximilian Schell, hat nach dem Tod seiner Schwester 2005 dem Deutschen Filmmuse­um ih­ ren Nachlass zur Auswertung über­ geben. Begleitend zu der ersten Präsentation wird eine film­ wissenschaftliche Publikation zu Maria Schells Werk erscheinen.

Maria Schell auf dem Cover des Time Magazine vom 30. 12. 1957

Maria Schell 31. Januar bis 17. Juni 2007 Deutsches Filmmuseum Schaumainkai 41, 60596 Frankfurt am Main Telefon 069 / 21 23 88 30 Öffnungszeiten Di, Do, Fr 10 – 17 Uhr, Mi, So 10 – 19 Uhr, Sa 14 – 19 Uhr

interview michael pfrommer

Mit seinem Stipendium hat Michael Pfrommer (*1972) die Süd­­spitze Südamerikas, die Inselgruppe Feuerland, bereist. Pfrommer arbeitet mit Zeichnungen, Videos und Skulpturen, meist in narrativen Folgen, die durch Kontextverschiebungen sowohl inhaltlich als auch in der Präsentation mehrdeutig ange­ legt sind. Verschiedentlich realisiert er Projekte zusammen mit Künstlerkollegen, zum Beispiel in Text- und Bildkooperationen wie die Publikation The Black Hole Issue (2006) mit Taner Tüm­ kaya, oder auch in Form von Künstlerbuch-Gestaltungen. Für eine Gemeinschaftsproduktion mit Mandla Reuter erhielt Pfrom­ mer den Videokunst Förderpreis Bremen 2001.

hks Herr Pfrommer, Ihr Reiseziel, die Tierra del Fuego, ist eine Gegend mit legendärer Anziehungskraft: Schon allein in der euro­ päischen Kolonisierungs- und Wissenschaftsgeschichte ­verbinden sich mit diesem Ort berühmte Namen wie Fernando de Magellan, Sir Francis Drake und Charles Darwin. Was hat ­Sie bewogen, nach – von hier aus gesehen – ganz unten links auf der Weltkar­ te zu fahren? pfrommer Als Magellan Tierra del Fuego sichtete, glaubte er, es handle sich um die Landmasse, die als Tierra Australis oder Tier­ ra Incognita bekannt war: Hier existiert die Anti-Erde, ein Ort, wo alles Kopf steht, gespiegelt und umgekehrt, invertiert ist. Auf dem Kontinent, der bis in die Antarktis reichen soll, fällt der Schnee und der Regen von unten nach oben, die Sonne ist schwarz – es leben dort Riesen mit 16 Fingern, bekannt als die Antipoden. Ma­ gellan hat Feuerland nicht betreten und so gab es nur die Über­ lieferungen der wenigen Überlebenden dieser Reise. Im Volks­ mund wurde daraus eine Vision der Hölle, wo die See­len der Toten brennen. Die Magellanstrasse als Pfad in die Unter­welt – mit genauen geografischen Angaben. Die Idee von einer solchen Gegend – beladen mit Mythen, ­kalt und isoliert – ist schon sehr anziehend. Mir gefiel auch der Ge­ danke, an einem Ort anzugelangen, der kurz vor dem Punkt liegt, wo man sich eigentlich schon wieder auf der Rückreise befin­ det. hks Sie haben mit Ihrer Familie sechs Monate während der Sommerzeit in Feuerland verbracht, sind dort herumgereist.­ Was waren die eindrücklichsten Situationen und Geschichten, die Sie erlebt haben? pfrommer Vor Feuerland liegen weit über 150 Schiffe auf dem Meeresgrund, von denen die Monte Cervantes am populärsten ist. Sie legte, von Hamburg kommend, 1930 im Hafen von ­Us­­huaia, der größten Stadt Feuerlands, an. Es war die erste Fahrt des modernen Schiffes und so wurde nach einer langen, problemlosen Reise gebührend gefeiert. Der Kapitän hatte wäh­ rend der Party zuviel getrunken und wollte noch eine Runde im Bea­gle-Kanal drehen – dabei prallte das Schiff gegen einen Fels. Die Passagiere wurden von Rettungsbooten eingeholt und in Sicher­heit gebracht – der Kapitän jedoch wollte nicht von Bord gehen und ging zusammen mit der Monte Cervantes unter. Es gibt ein sehr schönes Foto von diesem Ereignis, das in vielen Cafes und Bars an den Wänden hängt – zusammen mit anderen histori­schen Ikonen Feuerlands wie die Bridges-Familie, das Gefängnis am Ende der Welt oder Julio Popper, Ingenieur, Gold­ gräber und selbsternannter Diktator Feuerlands aus dem späten 19. Jahr­hun­­dert. In den Cafes am Ende der Welt ver­ bringt man viel Zeit – man freut sich über die übermäßig be­ heizten Räume, wenn draußen gerade ein Schneesturm tobt. Dann habe ich im Kindergarten meiner Tochter Don Martin kennen gelernt. Martins Großvater ist während der 1930er Jahre nach Ushuaia gekommen. Er hatte in Spanien alles aufgegeben, um im Beagle-Kanal eine bestimmte Fischart zu fangen, die er bei seinem ersten Besuch gesehen hatte: „Die Fische waren so zahlreich, dass man sie mit der Hand fangen konnte.“ Als er dann ein Jahr später nach Ushuaia kam, hat er keinen dieser Fi­ sche angetroffen und musste erfahren, dass dieser Fisch nur alle sieben Jahre durch den Kanal schwimmt – und so hat er sich für die Schafzucht entschieden. Im Januar 2006 sind wir zusammen mit Don Martin zur Es­­ tancia Rio Apen gefahren, um beim alljährlichen Scheren der Schafe auszuhelfen. Rio Apen liegt ungefähr drei Autostunden nördlich von Ushuaia und wird heute von Martins Vater, Carlos Pastoriza, betrieben. Estancias haben bis zu 30 000 Schafe auf ihren Weiden – um sie einzutreiben, muss man mit dem Pferd

ausreiten. Erstaunlicherweise sind diese riesigen Weiden einge­ zäunt. Für Reparaturen gibt es in Rio Apen zwei Arbeiter, die Jahr ein, Jahr aus, wie in einem Endlos-Loop den Zaun wiederherstel­ len. Vor Ort wird eine kleine Bauhütte aufgeschlagen und einmal die Woche kommt jemand vorbei, um Essen und Material zu brin­ gen. „Ist die Leiche schon gefunden worden?“ fragte Martins Mut­ ter eines Abends beim Essen – einer der Zaunleute war spurlos verschwunden, nächtelang wurde gesucht, man machte sich Sor­ gen. Eigentlich ist es ja leer und langweilig in Feuerland – das ist aber auch sehr angenehm – das kann man gar nicht auffüllen, es ist, als würde einfach alles da reinpassen. Bei einer nächt­ lichen Fahrt durch die Berge habe ich Don Martin einmal nach den UFO-Geschichten gefragt, die ich schon einige Male, auch von seinen Eltern, gehört hatte. Besonders bezeichnend fand­ ich die Begebenheit um den Koch von Dos Hermanas (Dos Her­ manas ist eine Sommer-Estancia der Pastorizas). Der Koch hatte oft UFOs gesehen, pausenlos davon geredet, die Forma­tionen be­ schrieben – aber seine Frau, die nie welche zu Gesicht bekam, war davon so genervt, dass sie ihn schließlich verlassen hat. Da Dos Hermanas nur im Sommer bewohnt ist, war er nun ganz al­ leine. Eines Abends ist er auf dem Weg zur Toilette im Hof umge­ fallen und wurde erst Wochen später – perfekt konserviert – gen Himmel schauend im Schnee gefunden. hks Mit denkwürdigen Geschichten und Koinzidenzen beschäf­ti­ gen Sie sich ja auch in Ihrer künstlerischen Arbeit: in Zeichnun­ gen, in Bilderserien, Illustrationen und Videos, in denen Fi­­­­gu­­ren wie Sheldon J. Plankton aus der Zeichentrickserie SpongeBob SquarePants beispielsweise auf den aus Goyas Caprichos be-

kannten Esel treffen – wem sind Sie in dieser Hinsicht in Feuer­ land begegnet? Welche Arbeiten haben Sie mitgebracht? pfrommer Es gibt eine Videoaufnahme von dieser Fahrt durch die Berge. Man sieht einen dunklen Himmel, dunkle Wolken, manchmal ein Licht von einem entgegen kommenden Auto und hört, unter anderem, die Geschichte von Dos Hermanas (Video, 7  Min., OmeU, 2006). Illustriert habe ich eine Western-Gold­ rausch­­story A History of Damned Good Intentions, die sich ir­ gendwo beim Lago Escondido (der versteckte See) abspielt. Julio Popper, verkörpert durch Plankton und durch einen verrückten Labrador, ist Teil der Geschichte. Der Labrador, der in Ushuaia in der Nachbarschaft lebte, hauste in einer gemauerten Grube, die nur wenig größer war als er. Da er mehrmals kleine Kinder an­ gefallen hatte, durfte er diese Grube nicht verlassen. Natürlich hat er sich nicht immer daran gehalten – wurde aber, sobald er auf der Straße auftauchte, von zehn anderen Hunden wieder in seine Grube gejagt. A History of Damned Good In­­tentions wird 2007, zusammen mit einem Roman, als The End erscheinen. Das Gespräch führte Karin Görner.

links: A History of Damned Good Intentions, Zeichnungen, je 22 * 28 cm (Carta), 2006 unten: Rio Apen, Don Martin, Foto: Michael Pfrommer Titel: Ushuaia, Foto: Michael Pfrommer

maecenas erscheint viermal jährlich. Wenn Sie den maecenas regelmäßig zu­gesandt oder weitere Infor­ mationen über die Hessische Kultur­stiftung erhalten möchten, wenden Sie sich bitte an unsere Ge­ schäftsstelle: Hessische Kulturstiftung, Rheinstraße 23–25, 65185 Wiesbaden, Telefon 0611 / 37 06 89 oder 32 34 85, Fax 0611 / 308 25 47, E-Mail [email protected], www.hkst.de Bildnachweis: (Titelabbildung) Michael Pfrommer, Fotografie, 2006 / Städel Museum, Frankfurt am Main: Palma il Vecchio, Alte Pinakothek, München; Dürer Umkreis, Albertina, Wien; Lycopersicum esculentum, aus: Hortus Botanicus Berolinensis, Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin-Dahlem, FU Ber­ lin; Vincent van Gogh, Museum Folkwang, Essen; Vorzeichnung zum Hortus Eystettensis, Universitätsbibli­ othek Erlangen-Nürnberg / Museum Bad Arolsen / Deutsches Filmmuseum, Frankfurt am Main, Nachlass Maria Schell / Michael Pfrommer: © Michael Pfrommer, Frankfurt am Main. Redaktion: Karin Görner, Kunst:kommunikativ, Frankfurt am Main Design: Wolff Kommunikation, Frank­furt am Main